Lektürentagebuch 22./23.5.25
Mit Charles Asselineau tief in die Hölle
Des Bibliomanen gestiegen von der
Ahnungslos unbedarfte Leser nicht
Wussten dass eine solche existiert
Doch wie für jede Leidenschaft eine
Hölle existiert so auch für die Sammler
Die sich dort Habgier Wollust Geitz wie
Der Missachtung des Nächsten hingeben
So begründet er die Existenz der Hölle
Für diese doch eigentlich harmlose
Schrulle die Bibliomane rasend macht
Im ersten Kapitel zur Gewissensfrage
Im zweiten dann zur Sünde beschreibt
Asselineau wie der Bibliophilie sich auf
Einer Versteigerung auf die Jagd nach
Dem Band seiner Träume macht
Wie sie sich tarnen und organisieren
Um den Zuschlag zu bekommen und
Welch erregende Erfüllung es ist wo
Sie das eine Exemplar dann erringen
Der Autor wusste gut worüber er schrieb
War er doch nach dem Studium zum
Direktor der Bibliothek Mazzarin geworden
Die später zur Nationalbibliothek wurde
Schon der Grundstock dieser Sammlung
War riesig sie umfasst 600.000 Bände
Mit über 4500 Handschriften darunter
Die der Kardinal Frankreich spendete
Sie war die erste öffentliche Bibliothek
Wurde im Ostflügel des Colleges des
Quatre Nations eingerichtet das auch
Auf Kardinal Mazarin zurückgeht
Vom Lesesaal der Bibliothek aus geht
Der Blick direkt auf die Seine und das
Dahinter gelegene Louvre inzwischen
Hat die älteste Bibliothek eine Direktorin
Die einheitlich in Leder gebundenen
Bände tragen in Gold das Wappen
Des Kardinals der sich nach seiner
Verbannung eine neue zulegen musste
Was lag näher als nach dem Text
Von Asselineau und den Gedanken
Zur Bibliothek Mazarin noch einen
Der klugen alten Franzosen zu lesen
Michel de Montaigne in der bibliophilen
Ausgabe der Anderen Bibliothek aus
Dem dritten Buch das zweite Kapitel
Über das Bereuen passte nun ideal
Die anderen bildeten den Menschen
Er bilde ihn nur ab und noch dazu ein
Sehr unvollkommenes Exemplar den
Er gerne besser machte aber so sei er
In diesem ironisch bescheidenen Ton
Geht es bei dem klugen Edelmann
Aus der Gascogne noch weiter der
Sein Licht lieber kleiner macht
Wen das Volk noch im Jubel bis
Nach Hause geleitet der legt dort
Mit der Robe die Rolle ab und fällt
Um so tiefer je höher er kletterte
Wann kommen unsere ursprünglichen
Anlagen am klarsten heraus und wann
Können wir nichts mehr verdecken weil
Die Natur sich ihrem Weg frei wählt
So fragt Montaigne bei dem das Latein
Als quasi Muttersprache genau in den
Momenten herauskam in denen er schon
Nicht mehr wirklich denken konnte
Neue sittliche Lehren etwa berühren
Nur dem äußeren Schein aber lassen
Das innere Sein völlig unberührt was
Nach Bedarf dann sich wieder zeigt
Was Pläne je wert sind entscheidet
Die Zeit in der die Dinge und Umstände
In unaufhörlichem Wandel dahinrollen
Das Unvorhersehbare besiegte alles
Ungern nur nimmt er Rat an und gibt
Diesen eher widerwillig wüsste nichts
Was durch seinen Rat besser ausginge
Stapelt der königliche Berater hier tief
Doch dient dieses Understatement was
Die Engländer an diesem Franzosen so
Schätzen dem besseren Blick auf sich
Um sich selbst auch genug zu sein
Wie eine Sache auch ausgeht empfindet
Er kein Bedauern dabei so sei der Gang
Der Welt durch Kausalitäten bestimmt an
Dem unser Wunschdenken nichts ändert
Das Bereuen aufgrund des Alters aber
Hasse er und niemals würde er die
Impotenz loben so gut sie ihm bekäme
Die Gelüste erhöben sich nur seltener
Trübsinn und Schwäche erzeugten nur
Eine triefäugige lendenlahme Tugend
Doch sollte davon nicht auch unsere
Urteilskraft gebrechlich werden
Glücklich zu leben statt nur glücklich
Sterben zu wollen führe ihn eher zur
Glückseligkeit er würde wieder so leben
Wollen wie er es getan hat ohne zu klagen
Er hätte alles zu seiner Zeit erlebt
Die Blüte die Früchte und nun auch
Das Verdorren welch glücklicher Gang
Nach der Natur denkt er dankbar
So erträgt er die Leiden des Alters leichter
Weil sie zu ihrer Zeit kommen ihn damit
An die lange Glückseligkeit seines nun
Vergangenen Lebens gedenken lassen
Gerne verzichtet er auf alle Läuterungen
Die nur das schmerzhafte Alter bringt
Allein das von Vernunft geführte Gewissen
Habe moralisch wert nicht die Schwäche
Wer die Wollust nicht wirklich kenne
Sollte sich nie der Enthaltsamkeit loben
Die ihre verlockende Schönheit nie
Erfuhren können nie darüber urteilen
Er der beide Lebensphasen kenne
Könne darum nun mitreden so scheine
Ihm der Geist im Alter den lästigeren
Leiden und Unzulänglichkeiten unterworfen
Den Widerwillen gegen die Dinge wie sie
Eben stehen und unser ewiges mäkeln
Würden wir Weisheit nennen dabei legte
Das Alter keines der Laster je ab
Neben Wichtigtuerei und der öden
Geschwätzigkeit kämen die Launen
Wie die Grillen des Aberglaubens dazu
Neid Ungerechtigkeit und Hinterlist
Damit vereinzelte unser Geist viel
Tiefer als unser Gesicht noch je und
Wieviele Geister würden im Alter nur
Sauer und schimmelig riechend
Die ganze Menschheit schreitet stets
Wachstum und Entwicklung entgegen
Aber jeder einzelne seinem Welken
Dem leistete Sokrates Vorschub
Er nahm den Schierlingsbecher wohl
Gerne nicht seinem verwelken mit
Schon siebzig weiter zusehen zu müssen
Denkt sich Montaigne lächelnd dabei
Welche Veränderungen bringe das Alter
Was sich wie eine gewaltige Krankheit
Auf ganz natürlichem Wege einschleicht
Es bräuchte Übung ihm zu entgehen
Auch wenn sie unaufhaltsam käme
Ihm immer näher auf den Leib rückt
Versuche er noch standzuhalten ohne
Zu wissen wohin es ihn führen wird
Montaigne starb an einem Schlaganfall
Überraschend wohl in der Schlosskapelle
Wie auch immer das Leben ausgehen mag
Genüge es ihm wenn die Welt erinnerte
Von welcher Höhe er herabfiel was seiner
Bescheidenheit noch im Abschied die
Krone mit humorvoller Selbstironie auf
Menschlich sympathische Art nimmt
So klug und belesen wie der Edelmann
Aus der Gascogne war kaum einer seiner
Zeitgenossen und findet sich bis heute
Kaum wer der ihm das Wasser reichte
Wie schön ist es doch immer wieder
Montaigne zu lesen denke ich auch
Wenn ich mit dem Buch auf dem Bauch
Dabei gegen drei Uhr heute einschlief
jens tuengerthal 23.5.25
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