Samstag, 6. Januar 2018

Lichtwanderung

Weihnachten ist vorbei. Auch Silvester haben wir hinter uns. Noch haben es nicht alle mitbekommen, scheint es.

Als ich heute wieder von Schönefeld Flughafen gen Helmholtzplatz wanderte, durfte ich beides bemerken. Immerhin hatte ich, nachdem ich die Liebste auf dem Weg nach Dublin am Gate verabschiedete und mich auf dem Weg machte noch Licht und es regnete nicht, zwischenzeitlich zeigte sich sogar die Sonne, bis sie bald im Westen versank. Doch schaffte ich noch die ersten drei Kilometer bis zum Ortsschild Berlin vor Einbruch der Dunkelheit, welche die restliche Wanderung begleitete.

Wo Dunkelheit ist, ist kein Licht, meint der Physiker, doch welch Irrtum, schon vor ihrem gänzlichen Einbruch leuchteten Fenster und Vorgärten in der Brandenburger Provinz, standen dort noch Weihnachtsmänner, die real längst auf warmen Inseln sich vom Weihnachtsstress erholten, gäbe es sie denn so real, wie sie schon in dortigen Vorgärten präsent waren. Mangels echtem Schnee nahmen die Brandenburger elektrisch leuchtende Schneemänner und ließen die Tannen in ihren Vorgärten weiß glitzern. War wirklich erstaunt über diese farbenprächtige Vielfalt in der doch so armen Provinz, denn trotz der Flughafennähe, die vermutlich den prächtigen Rathausneubau und das überdimensionierte Schwimmbad finanzierte, sieht Schönefeld der märkischen Provinz, wie sie schon Fontane genau so durchwanderte immer noch ähnlicher als einem Ort im Jahre 2018. Mit dem Unterschied, dass Kollege Theodor die Mark noch dunkel sah, während sie mir elektrisch glitzernd erschien, was den Mangel an Schnee in Betreff der Helligkeit lange kompensierte.

Nun gut dachte ich auf dem 1km durch die winterlich kahlen Felder bis zum Anfang des sehr langen Berliner Bezirks Neukölln, war halt Provinz, in Berlin wirst du so etwas nicht mehr erleben. Doch welch Irrtum - bunter noch leuchteten die Fenster in Buckow und Britz und gerne übertrafen sich die Nachbarn noch im farbenfrohen Flackern. Knaller und Raketen waren in der Provinz wie in der Großstadt immer wieder zu hören, wie zu sehen - vermutlich auch ein Unterschied zu Fontanes Wandererfahrungen. Das ahnte ich bereits, dauert es doch immer mindestens bis Ende Januar, bis auch der letzte verstanden hat, das neue Jahr hat begonnen und muss nicht mehr mit dem großen Knaller begrüßt werden.

In Neukölln Zentrum, nach dem Autobahn- und S-Bahn-Ring, wurde das weihnachtliche Leuchten deutlich weniger. Der größere Teil der dort sichtbaren Anwohner hat mit diesem Fest auch eher weniger am Hut, dafür leuchteten die Auslagen der Frauen verhüllenden Mode, die dort feilgeboten wird, um so bunter und viele der Spätis hatten die bunten Lichterketten im Angebot, mit denen sich Provinz und entferntere Stadtteile so gern gut christlich schmücken. Zumindest wusste ich nun woher, wenn die erleuchteten Brandenburger und Kleinstadt-Berliner ihr Equipment nicht in einem der vielen Baumärkte auf dem Weg erwarben, die auch gern alles bunt glitzern lassen. Was noch ein Unterschied zu Fontane wohl ist, damals waren in der Mark über 99% christlich, heute ist der Grad der Christianisierung in Neufünfland niedriger als in Indien, was niemanden am Glitzern hindern muss und kein Nachteil für Vernunft und Aufklärung wäre, hätte sie den Platz der Religion eingenommen und wäre nicht das Privatfernsehen an ihre Stelle getreten.

In Kreuzbergs SO36, wie am Paul Linke Ufer und später in den Hochhausschluchten der Annenstraße, waren wieder vereinzelt noch verspätet weihnachtlich erleuchtete Fenster und Vorgärten anzutreffen, wenn auch mit weniger Figuren und Glitzer, auch war die Farbgebung eher schlichter zumeist.

Durch Mitte ging es ohne größeren Glitzer, sehen wir von dem kleinen Glitzer-Flash am Radisson ab, das in enger Konkurrenz mit dem benachbarten Dom gern um spießige Häßlichkeit wetteifert, auch da beide gern mehr scheinen wollen, als sie sind.

Wieder auf dem heimatlichen Berg begrüßten in der Kollwitzstraße noch einige der dort Restaurants oder Bars mit buntem Glitzer im wohl weihnachtlichen Stil - der Kollwitzkiez ist eben wie schon lange vermutet fest in schwäbischer Hand, also längst vorstädtisch, provinziell geworden - zumindest, was die Gastronomie betrifft, denn wer geht schon noch im Kollwitz-Kiez weg? Die Fenster der Eigentumswohnungen dort waren vornehm zurückhaltend - Geld glitzert in Deutschland nicht, wir sind ja nicht in Amerika bei Familie Trump.

Endlich wieder am Helmholtzplatz dann bemerkte ich schon im Göhrener-Ei voll Freude relative Dunkelheit, zumindest kein Glitzer mehr und über dem Platz selbst, bei einer Limonade mit der Liebsten im Ohr, die inzwischen wieder in Dublin gelandet und auf ihrem Zauberberg angekommen war, sah ich sogar einen echten Stern zwischen dem sich kurzzeitig lichtenden Dunst und ich meine nicht den, der an zwei Seiten blinkte und sich bewegte.

So kann ich nach 30km Wanderung nun sagen, die Provinz und die eher provinziellen Randbezirke leuchten noch wunderbar weihnachtlich um die Wette, Mitte ist ohnehin immer heller und am Berg leuchten und glitzern die, zu denen es passt.

jens tuengerthal 5.1.2017

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