Freitag, 12. Januar 2018

Kompromissgejammer

Warum das Gejammer der Genossen über Kompromisse nur davon zeugt, wie wenig kompromissfähig die Mehrheit ist

Die Parteien haben sich geeinigt auf einen irgendwie Kompromiss. Dabei bekommt keiner alles, aber alle irgendwie etwas, damit das Land eine stabile Regierung hat. Die sich geeinigt haben, vertreten zumindest deutlich über die Hälfte der gültigen abgegebenen Stimmen. Das genügt für Stabilität und genau um die geht es jetzt.

Viele Genossen wünschen sich die Realisierung hehrer Ideale. Daran erinnere ich mich noch, als ich mal einige Jahre Mitglied in diesem Verein war, aus dem ich dann unter Sigmar wieder floh. Der Ausgleich von Arm und Reich und das Schließen der sozialen Schere wird da genannt. Am besten noch die Enteignung der Reichen und die Einführung des Sozialismus, als hätten wir nicht seit 1989 lange genug gebraucht die Folgen dieses zum Glück einmaligen Versuchs in nur einer Hälfte des Landes aufzuarbeiten, wäre es nicht teuer genug gewesen, diesen Träumen zu lange zu folgen.

War damals völlig gegen eine noch wirklich Große Koalition, wie jetzt viele SPD Mitglieder und habe die Partei lautstark verlassen, weil ich diesen schlechten Kompromiss nicht mittragen wollte. Heute ist der Begriff Große Koalition schon fast ironisch, denn ob die SPD bei der nächsten Wahl noch über die 10% Hürde kommt scheint ungewiss.

Einige besonders laute Mitglieder meinen, dies wäre besonders in einer solchen Großen Koalition als Junior-Partner so und würde die Sozialdemokratie zusätzlich schwächen. Wenn sie sich so blöd anstellen, wie dieses mal und einen Schulz aufstellen ohne jede Dynamik oder Perspektive, statt eine ihrer jüngeren und starken Frauen, wird das garantiert so sein. Aber dann ist es auch egal, weil einen solchen Altherrenverein, der seine Vorsitzenden noch mit 100% wählt, wie einst nicht mal die SED, braucht kein Mensch in der Politik eines modernen Staates.

Was passiert dann und was folgt daraus. Ein Teil der frustrierten Genossen wird dem Mäusefänger Oskar in die Arme laufen mit seinem neuen Linksbündnis unter seiner Göttergattin Sarah. Vermutlich all jene, die sich schon immer für die besseren Menschen hielten und einst Oskar anbeteten, gegen die Ungerechtigkeit der Welt kämpfen.

Dieses Linksbündnis wird sich zwischen 10 und 15% einpendeln und vielleicht neuer Koalitionspartner neben stärkeren Liberalen und Grünen, zu denen dann die noch selbständig denkenden Sozis abwandern werden - und die CDU? Die reibt sich die Hände und bleibt lange alleinige Volkspartei, bis sich ein neuer Weg zeigt.

Die Mehrheit liegt in Deutschland in der Mitte. Um für diese Mehrheit Politik zu machen, müssen Kompromisse ausgehandelt werden. Aber was ist Politik überhaupt, fragt sich an dieser Stelle?

Politik ist höheres Verwaltungshandeln. Nichts anderes, als eine funktionierende Verwaltung am Laufen halten und möglichst wenig Schaden dabei anrichten, kann Politik. Um so besser, desto weniger ideologisch sie dabei ist und desto pragmatischer sie versucht mit so wenig Kosten wie möglich und geringstmöglicher Einschränkung der Freiheit, dieses Ziel zu erreichen. Alles andere ist Popanz und Wichtigtuerei, die zu einem Trump  oder Hitler führen, wovon wir hoffentlich für alle Zeiten geheilt sein sollten.

War früher ein klarer Gegner von Merkel, weil sie völlig unideologisch nur ihr Amt verwaltete, unklar in der Mitte stand, statt hehren Zielen zu folgen. Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen, sagte der herrlich pragmatische Helmut Schmidt einmal dazu. So regiert Mutti - ohne große Visionen, kompromissbereit und pragmatisch auf der Suche nach der effektivsten Lösung. Sie verwaltet das Land gut und sauber, ist so sicher wie ein Dixie-Klo und das soll ein Kompliment sein. Sie ist berechenbar und wir wissen, was wir an ihr haben. Sie sucht, wie jetzt wieder Kompromisse und das ist gut so.

Mit Kompromissen leben zu können, ist ein Zeichen von geistiger und innerer Reife. So wie sich jetzt viele Genossen aufblasen, scheint es den meisten daran noch deutlich zu fehlen. Anders dagegen auch der pragmatische Kreis in der SPD und es scheint als gäbe es wieder den alten Kampf zwischen USPD und MSPD in den Flügeln dieser unreifen Partei, in der sich zu viele Ideologen noch immer finden, die das Land grundsätzlich ändern wollen, als sei ihre Aufgabe nicht einzig und allein einen Kompromiss zu finden und das Land so zu verwalten, wie es ist.

Demokratie heißt nicht Kulturrevolution und Durchsetzung einer Ideologie sondern das Bohren dicker Bretter auf der Suche nach irgendwie Kompromissen. Wer nicht kompromissfähig ist, hat in einer Partei und in der Demokratie nichts verloren. Darum wird auch das Gastspiel des AfD ein kurzes bleiben und die SPD sich auflösen, wenn sie nicht wie immer nur laut brüllt, um am Ende leise zu kriechen. Organisierter Lärm der Basis nennt sich so etwas und bei der SPD übernehmen die Veranstaltung dieser Partie meist die Jusos. So auch dieses mal.

Vor vier Jahren gegen eine große Koalition zu sein, war noch vertretbar, auch wenn ich aus heutiger Sicht sage, Blödsinn, was ich damals dachte. Merkel ist fair, die beste Pragmatikerin Europas und ein Glück für unser Land, momentan schlicht alternativlos. Aber vor 4 Jahren gab es auch keine AfD im Parlament, hatte eine große Koalition noch eine riesige Mehrheit, gab es nahezu keine Opposition - heute ist die SPD realistisch geschrumpft, darf Mehrheitsbeschaffer der Kanzlerin sein wie einst die FDP für Kohl, mehr nicht.

Klug beraten wäre die SPD, wenn sie nun so geräuschlos wie möglich einen Kompromiss schließt, mit dem sie gerecht und gut bedient ist und die Beteiligten dann endlich ihrer Arbeit nachgehen, dieses Land vernünftig zu verwalten. Die Zeit der großen Ideologien ist vorbei - der Sozialismus hat sich real existierend auch als großer Alptraum entpuppt. Betrachten wir es pragmatisch und fragen wir uns statt nach dem wahren Weg zu suchen, welcher Kompromiss am besten für die größte Menge ist und auf wen wir für seine pragmatische Durchsetzung hoffen sollten.

Lieber hätte ich die FDP in der Regierung gesehen, weil es nach Jahren der damals noch Großen Koalition etwas mehr Pragmatismus und liberaler Ideen bräuchte. Insofern fand ich Lindners Rückzug enttäuschend. Er ist nicht gewählt worden, eine Ideologie durchzufechten, sondern um liberale Ideen in einem überverwalteten Staat pragmatisch durchzusetzen. Ob dies mit den sehr ideologischen Grünen und ihren vielen Glaubenssätzen möglich gewesen wäre, scheint auch mir inzwischen fraglich, vor allem, da Merkel sich zunehmend in der Rolle der guten Mutti gefällt, die von allen geliebt werden möchte.

Die Verteidiger der Freiheit haben es schwer in einem Land, in dem sich die Politiker gern mit sozialen Wohltaten gegenseitig überbieten. Das ist nervig und lässt jeden kritisch denkenden Menschen am Verstand der also nur bestechlichen Mehrheit zweifeln, aber es ist derzeit so und jeder versucht für sein Klientel, den besten Deal mit dicken Milliarden zu kaufen.

Dabei redet keiner von Steuersenkungen oder den zunehmenden Beschränkungen der Freiheit durch die permanente Überwachung unserer Kommunikation. Die Bürger werden in Angst vor Terror gehalten, statt sich Gedanken über die realistische Angst im Straßenverkehr lieber zu machen oder zu fragen, warum werden die Abgaben nicht endlich gesenkt, wenn der Staat die höchsten Einnahmen erwartet?

Es ist dies längst der normale Wahnsinn geworden und die Große Koalition wird nichts dafür tun, diesen Wahnsinn zu beenden, im Gegenteil. Dafür kann eine liberale Opposition zumindest die Fahne der Freiheit noch hochhalten und wird dadurch erkennbar wertvoll.

Früher gab es den Zehnten, nach dem 1/10  der Einnahmen an den Fürsten oder die Kirche gingen. Heute hat kaum einer noch die Hälfte seines Verdienstes nach allen Abgaben und sonstigen staatlich erzwungenen Versicherungen übrig. Arbeit lohn kaum noch, auch wenn die Angebotsindustrie es noch schafft, den gegenteiligen Eindruck bei vielen Menschen zu erwecken, die das Hamsterrad am Laufen halten.

Schätze Merkel, weil sie eine unideologische und pragmatische Politik der schlichten Verwaltung betreibt, nicht mehr verspricht, als sie umsetzen kann und eine typische höchste Beamtin ist, die auch nicht mehr sein will. Dass sie dabei noch über diplomatisches Talent verfügt und manche Kompromisse schon international erreichte, spricht genug für sie, für meinen Geschmack.

Habe sie nie gewählt und werde sie vermutlich nie wählen, weil ich als alter Laizist finde, dass ein C nichts im Staat verloren hat. Darum kann ich dennoch nüchtern sagen, so wie die Dinge sind, ist sie der bestmögliche Kompromiss, ist zuverlässig und immer fair, spielt mit offenen Karten, erledigt ihrer Tätigkeit als oberste Verwalterin des Landes sauber und ordentlich, ohne jeden Glamour - aber wir haben schließlich auch keine Königin gewählt sondern nur die Spitze der Verwaltung mit der jeder danach arbeiten muss.

Hoffentlich hören die ideologisch verbohrten Sozen endlich mit ihrem Gejammer über gefundene Kompromisse auf und gehen sauber an die Arbeit. Es geht nur darum, die Verwaltung des Landes zu leiten, auch wenn darum viel Show gemacht wird. Keiner kann sich ganz durchsetzen. Die Zeit der großen Sprüche könnte ein Ende haben und die Beteiligten dafür still und sauber ihre Arbeit erledigen. Dann wüsste der Wähler in dreieinhalb Jahren auch wieder, was er honorieren soll.

Wir leben im postideologischen Zeitalter. Merkel ist die Verkörperung davon. Daran ändert sich nichts, wenn Linke nun alte Marx Bärte ausgraben. Lass sie ihre Arbeit machen und wenn sie sich wieder der Wahl stellen, können wir darüber reden, wie sie das mögliche realisiert haben. Der Rest ist überflüssiger Popanz um schlichtes Verwaltungshandeln unter Anleitung.

jens tuengerthal 12.1.2018

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