Sonntag, 24. Dezember 2017

Wintersonnenwendmagie

Versuch einer atheistischen Festbetrachtung

Wir feiern jedes Jahr die Wintersonnenwende und nennen es Weihnachten, weil wir uns daran gewöhnt haben, es einfach Tradition wurde. Der jüdische Rabbi, aus dessen Lehren eine neue Sekte gegründet wurde, die ihren Aberglauben auch mit Gewalt in alle Welt verteilte, ist zwar real auf dem Rückzug aber gerade zur Wintersonnenwende hier noch sehr dominant präsent. Sie hat  es geschafft das alte heidnische Fest an den dunkelsten Tagen des Jahres voll in ihre Lehre zu integrieren, so dass es den meisten Christen längst als das wichtigste ihrer Feste erscheint, an dem sie sich am reichsten beschenken, auch wenn doch eigentlich Ostern, an dem seiner Hinrichtung und Auferstehung gedacht wurde, liturgisch viel bedeutender immer war, den Kern der christlichen Lehre enthält.

Es passt zu gut in die dunkle Jahreszeit, hier die Geburt des Lichts, als die einer der Biografen des Rabbi sein Erscheinen bezeichnet, zu feiern. Wann der Typ wirklich geboren wurde, ob es ihn tatsächlich gab oder die Evangelisten genannten Biografen sich alles nur ausdachten, um ihn gut in die jüdische Tradition von König David aus Betlehem einzufügen, wissen wir nicht. Dazu gibt es viele Theorien und auch wenn die Datierung im Kontext der Volkszählung schon etwas genauer eingegrenzt werden kann, haben wir keine genaue Ahnung von dem jüdischen Sektengründer, der ähnliches verkündete wie viele Jahre später auch die Hippies. Die Nacht seiner Geburt auf den 24.12. zu legen, passte zu gut in die christliche 3er Mythologie und verband das gewohnte heidnische Fest der Wintersonnenwende mit dem neuen christlichen, als das einer ernsthaft glauben könnte, der Zufall kalendarischer Wandlungen hätte genau den richtigen Tag getroffen und es sei nicht nur eine durchschaubare Taktik der PR-Abteilung einer Sekte gewesen.

Der Tag ist also vermutlich reines Marketing, was zur heute meist praktizierten Form dieser Heiligen Nacht ziemlich gut passt - doch er wurde so gut akzeptiert und bildete neue kultische Traditionen heraus, dass es nicht mehr um die Realität geht, sondern darum wie wir mit diesem Tag nun leben können und was wir aus ihm machen.

Die alljährlichen Aufrufe zum Frieden sind gewiss löblich, auch wenn sie meist echolos verhallen, weisen sie doch in eine gute Richtung, wenn dafür auch irgendein Aberglauben benutzt wird, schadet es doch nie, sich mit gutem Willen, dem Frieden zu widmen, auch wenn es unsinnig ist, nur diesen Tag dafür zu nehmen, wäre ein an diesem Tag gerettetes Leben den ganzen Popanz wert, würde ich sagen, auch wenn meine Vernunft mir sagt, besser wäre es, sich unabhängig vom zufälligen zeitgemäßen Aberglauben um den ewigen Frieden zu bemühen, wie ihn schon Kant hochhielt und dies auch, wenn ein großer Feldmarschall wie der alte Moltke einst meinte, dieser sei Unsinn - was sollte von einem Militär auch anderes erwartet werden, welcher Mensch möchte schon seine große Begabung gerne überflüssig machen.

Wir feiern die Wintersonnenwende in der dunkelsten Zeit des Jahres, kurz nach der längsten Nacht des Jahres, wenn endlich die Tage wieder länger werden. Es war die lange herrschende christliche Tradition flexibel genug, die lokalen Sitten aufzunehmen und zu integrieren. Eine Geburt von einem sogenannten Heiland zu feiern, klingt auch für die  meisten Menschen besser als seinen Tod und seine Auferstehung, also etwas nur geglaubtes und irgendwie überirdisches, in den Mittelpunkt unserer Tradition zu stellen. Fröhlich eine Geburt mit vielen Geschenken begehen, klingt einleuchtender auch für sonst vernünftige Menschen als den Tod und also das Ende des Lebens in den Mittelpunkt zu stellen.

Für gläubige Christen, die auf ein Himmelreich nach dem irdischen Ende hoffen, ist natürlich Ostern, die Qual und Folter wie die geaberglaubte Auferstehung ganz zentral, es ist der Kern all ihrer Hoffnungen, dass es eine Erlösung geben soll, die uns in bessere Welten führt als jene endliche, die wir nur ertragen. Für Gläubige, ist das Himmelreich eine Realität, die sie anstreben. Für normale Menschen, ist es etwas Fernes, an was manche Menschen glauben und das andere lieber nicht in ihre Gestaltung der Realität einfließen lassen. Es ist relativ schwer die Lehre von Ostern einem vernünftigen und kritischen Menschen als glaubwürdig zu vermitteln, dass auch ihre Datierung wie der vorherige Aschermittwoch und das nachfolgende Pfingsten nur älteren eben jüdischen Traditionen folgte nimmt ihm für den Gläubigen vermutlich nichts von ihrem Wert. Die neue Sekte, die sich eigentlich eher der Reformation des jüdischen Glaubens widmen wollte, als dessen Heiland sich der Typ sah, dessen angeblichen Geburtstag wir am heutigen 24.12. feiern, nahm schon bevor sie eine eigene Kirche war, wie jeder kluge Sektengründer es tut, alte Traditionen auf - wie willst du auch Menschen für dich gewinnen, wenn du ihnen nicht mindestens das gleich und noch etwas mehr im Alltag bietest?

Astronomisch betrachtet geht es bei der Wintersonnenwende um die geringste Mittagshöhe der Sonne über dem Horizont, während es bei der Sommersonnenwende um den mittäglichen Höchststand geht, der genau umgekehrt zwischen Nord- und Südhalbkugel der Erde verteilt ist. Weil die Nordhalbkugel und ihre von heidnischen Riten und vernünftiger Tradition der Naturbeobachtung geprägte Sicht der neuen Sekte die Welt dominierte, hat sich Weihnachten als winterliches Fest in seinen Ritualen durchgesetzt, auch wenn dies im südafrikanischen oder australischen gerade Sommer absurd manchmal wirkt, es in der Sommerhitze kaum gemütlich ist, sich singend vor dem Baum zu versammeln, wurden die alten Traditionen dennoch exportiert und werden egal wo gelebt. Das ganz im Süden nun die Tage kürzer und die Nächte langsam wieder länger werden, lässt manch weihnachtliches Liedgut geradezu absurd scheinen. Bei 35° in Canberra leise rieselt der Schnee zu singen, statt reichlich fließt der Schweiß, wie es viel besser passte, braucht schon einen starken Glauben, der sich jeder Natur entgegenstellt.

In Europa die Wintersonnenwende zu feiern, ist eine natürliche, erklärbare Tradition. Sie entspricht dem Leben mit der Natur und dem Jahreslauf. Dies teilweise noch mit religiösen Ritualen zu verbinden, passt zu der Sicht vieler Menschen, denen die Natur an sich nicht genügt, die immer noch auf ein Höheres mehr hoffen. Sich in dunklen Zeiten aus tiefer Zuneigung etwas zu schenken, um die Feier noch schöner zu machen, scheint mir auch verständlich und vernünftig. Der Handel freut sich jedes Jahr auf diese Zeit und viele Menschen über die mehr oder weniger reichlichen Geschenke. Gerne betonen wir dabei, dass das größte Geschenk doch immer die Liebe der Nächsten ist, dahingestellt, wie scheinheilig dies bei wem auch immer ist, neige ich dazu dem zuzustimmen.

So feiern wir nahe der kalendarischen Wintersonnenwende ein Fest der Liebe, bei dem wir versuchen unsere Nächsten mit Geschenken und Liebe glücklich zu machen, was ich wiederum so schön finde, dass ich auch den ganzen christlichen Blödsinn des Aberglaubens dabei toleriere, so viel Schrecken er auch schon über die Welt brachte. An Ostern steht das Folterinstrument Kreuz im Mittelpunkt und zeigt die ganze Perversion dieser Sekte und ihrer aufs Jenseits gerichteten Ideale.

Darum ist Weihnachten das zivilisiertere, menschlichere und damit letztlich bessere Fest als Ostern auch für alle NIchtgläubigen, was immer wir von der hinterher dazu erfundenen Geschichte der Geburt dieses Typen halten - mit einem netten Fest der Liebe, bei dem sich Menschen Geschenke machen, können alle gut leben, es ist ökonomisch höchst sinnvoll und kann auch wenn manchmal mit absurden Auswirkungen überall auf der Welt gefeiert werden und wir Besserwisser unter den Atheisten müssen uns so gesehen auch nicht dagegen sträuben, weil es ja auch ökonomisch und also vernünftig betrachtet einen hehren Zweck verfolgt.

So füge ich mich in die Tradition, in der ich aufwuchs, feiere Weihnachten, wünsche allen Leserinnen und Lesern fröhliche Weihnachten, auch wenn ich weiß, viel länger schon geht es vernünftigerweise allein um die Länge der Tage und den Stand der Sonne und der Rest ist halt ein angepasster Aberglaube - so lange wir es genießen, ist es doch gut so.

jens tuengerthal 24.12.2017

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