Lektürentagebuch 27.11.25
Noch in der Nacht oder am frühen
Morgen bis gegen halb sechs den
Guten Egon Friedell gelesen der
Über Kaffee und die Post schrieb
Wie dessen Aufkommen schon
Mitte des 17. Jahrhunderts die
Welt und das Zusammenleben
Plötzlich wieder stark veränderte
Die ersten Kaffeehäuser also
Cafés gab es in London wo diese
Sogleich sich in verschiedene
Klassen der Nutzer aufteilten
Wie die Engländer ja bis heute
Gern in Klassen denken wie sich
In diesen entsprechend benehmen
Was hier aber kein Thema war
Es gab die literarischen Cafés
Politische für jede Fraktion auch
Die Handwerker und Huren wie
Theaterleute hatten ihre Kaffeehäuser
Der Kontinent mit Wien und Paris
Zog erst zwanzig Jahre später nach
Mit rasanter Expansion dafür dann
Um 1720 gab es 300 Kaffeehäuser
Egon Friedell nennt in seiner
Kulturgeschichte der Neuzeit den
Kaffee das Charaktergetränk der
Hochbarocke der von Arabern kam
John Dryden ein berühmter Dichter
Wie Literaturkritiker der Zeit hielt
Seine Cercle im Literatencafé wessen
Verse dort gelobt hatte es geschafft
In Deutschland kamen erste Cafés in
Den 1680ern in Wien wurde das vom
Serbischen Kundschafter Kolschinsky
Gleich nach der Belagerung eröffnet
Hier wurde von den Türken erbeuteter
Kaffee zuerst ausgeschenkt zusätzlich
Gab es dabei Billard und l’Hombre
Rauchen ging nur in billigen Lokalen
Der Kaffee als Rauschmittel das die
Aufmerksamkeit noch nervös erhöhte
Passt nach Friedell gut zur Epoche
Der Aufklärung die auf Wachheit setzt
So war Voltaire leidenschaftlicher
Kaffee Trinker wenn auch wohl nicht
Wie behauptet 50 Tassen am Tag
Doch konnte er ohne nicht arbeiten
Ob sich dies wie Friedell meint in
Seinem nervösen durchsichtigen
Überreizten überbelichteten Stil
Zeigt bin ich nicht ganz so sicher
Neben dem Kaffee kam auch der
Schaumwein auf der Champagner
Erst etwa ein Jahrhundert später
Mit der Erfindung der Flaschengärung
Auch die Schokolade wurde gezuckert
Zur Mode in Spanien sogar zum dann
Volksnahrungsmittel der Armen die
Diesen statt teurem Essen tranken
Der Alkohol aber wurde durch den
Kaffee nicht verdrängt vor allem die
Deutschen waren als wüste Säufer
Berühmt bewundert oder gefürchtet
Auch Franzosen und Engländer
Standen dabei nicht sehr zurück
Nur die Südländer waren von jeher
Eher gemäßigt auch beim Saufen
Endlich findet auch die Gabel als
Nützliches Esswerkzeug Zuspruch
Was am französischen Hof ab 1650
Begann imitierte bald ganz Europa
Als neue Sitte kam auch das
Hutabnehmen auf dagegen war
Die Reinlichkeit bis in höchste Kreise
Nicht wirklich verbreitet mehr
Die öffentlichen Bäder noch aus der
Renaissance wie im Mittelalter waren
Verschwunden und verpönt es wurde
Gepudert und parfümiert anstatt
Unter der Überschrift Post lerne ich
Wie primitiv die Fortbewegung war
Erst Ende des 17. Jahrhunderts tritt
Der Wagen neben das Reitpferd
Langsam kamen in großen Städten
Droschken auf die in Paris fiacres
Genannt wurden wobei der Wiener
Friedell lächelnd an Fiaker denkt
Die zweispännigen Lohnkutschen
Verkehren in Wien ja bis heute der
Mittelstand damals nutzte eher die
Portechaise oder Sänfte noch
Menschen als Tragtiere zu nutzen
Wurde dabei vielfach missbilligt
Höhere Stände hielten sich dafür
Mindestens vierspännige Karossen
Diese wurden von Läufern begleitet
Des schlechten Zustands der Straßen
Wegen war dies nötiger als der sonst
Allgemeinen Prunksucht wegen
Um diese Zeit kommt auch die
Fahrpost auf entweder staatlich
Oder als privates Unternehmen
Aus dem Gasthaus zur Post
Entstanden erste Hotels der erste
Bequeme Reisewagen die Berline
Wurde 1660 in Berlin gebaut um in
Ganz Europa nachgeahmt zu werden
Die Geschwindigkeit war noch gering
Von Oxford nach London etwa was
Der Zug in einer Stunde fährt dauerte
Noch zwei Tage von Stadt zu Stadt
Unfälle und Überfälle waren normal
Noch unsicherer war es auf dem
Meer eine Seefahrt war ein echtes
Abenteuer mit Schiffbruch und Piraten
Geschichten über diese Katastrophen
Füllen die Reiseromane der Zeit dabei
War die Unterbringung unhygienisch
Wie die Verpflegung eher mangelhaft
Ob sich eine Verbindung fand war
Eher Sache eines glücklichen Zufalls
Erst Anfang des 18. Jahrhunderts
Gab es regelmäßige packet-boats
Immer wieder spannend schafft es
Friedell auch beim Blick auf die
Kleinigkeiten des Alltags einen
Guten Blick für die Zeit zu geben
Wie ungewöhnlich waren große
Reisen noch zu dieser Zeit
Welch Aufwand war dagegen
Noch die Fortbewegung lange
Vielleicht täte mehr davon unserer
Zeit besser als noch erhöhtes Tempo
Wovon Friedell leider nichts schrieb
Denn mit einer Bibliothek und Internet
Hast du die ganze Welt um dich
Musst dich nirgendwo hinbewegen
Was sicher allen viel besser täte
Die ständig täglich unterwegs sind
Ob das zu meinen Lebzeiten noch
Wer mitbekommt und merkt scheint
Fraglich in einer Welt die ständig
Unterhalten werden will trotz allem
So reise ich nun literarisch gen
Lübeck mit Lektüre der Buddenbrooks
Was eigentlich nicht ganz stimmt
Weil es ein Brief aus Hamburg ist
Tony Grünlich inzwischen schreibt
An ihre Mutter und plaudert über
Das Haus was ansehnlich würde
Der Familie alle Ehre machte
Sie erzählt länger über den Freund
Von Grünlich Bankier Kesselmann
Den sie auch die Elster nenne der
Sage was für ein Glück sie sei
Ein wenig wundert sie sich wie
Selten sie nur nach Hamburg rein
Fahren würden aber ihre Nachbarn
Wären auch alle wirklich sehr nett
Ob das schon ein Alarmsignal für
Die Familie sein könnte was sich
Später leider traurig bestätigt sei
An dieser Stelle dahingestellt
Thomas Mann legt mit viel Humor
Kleine Zeichen schon aus die so
Vermutungen wecken können im
Harmlosen Geplauder von Tony
Dann lädt sie ausdrücklich noch
Ihre Eltern ein es wäre ihr eine
Besondere Freude sie zu begrüßen
Grünlich traue sich nur nicht
Dann nach zwei Seiten Geplänkel
Über harmlose Belanglosigkeiten
Erzählt sie ihr sei schlecht gewesen
Worauf der Arzt sie untersuchen kam
Nun erfährt ihre liebe Mutter noch
Dass der Arzt grünliche Haare hätte
Die er früher schwarz färbte wie einen
Grauen sehr langen Bart dazu
Um schließlich kund zu tun es ginge
Ihr bestens sie müsse nun aber
Mineralwasser mehr trinken was
Sie dem Vater beunruhigen solle
Tony Grünlich geborene Buddenbrook
Ist also schwanger was nicht mal im
Brief an die Mutter ausdrücklich so
Ausgesprochen wurde zu dieser Zeit
Es könnte sich wohl wer fragen wie
Kinder entstanden wenn über Sex
Nicht geredet oder geschrieben wurde
Doch schafft die Natur das von alleine
Eine kleine Reise durch Raum und
Zeit erinnere mich an Geschichten
Der Bremer Großmutter von ihrer
Hugenottischen Grandmere noch
Wann werde ich wohl Großvater
Überlege ich und vermute meine
Tochter lässt sich noch Zeit oder
Lässt es ökologisch vernünftig
Einen kleinen hochphilosophischen
Abschnitt im Zauberberg gelesen
Der dabei völlig harmlos noch tut
Den Handelnden gerecht zu werden
Täglich ging Joachim nun seinen
Rachen pinseln und kam dadurch
Gelegentlich zu spät zum Essen
Was er höflich korrekt entschuldigte
Ansonsten redete er nicht weiter
Über das was ihn betraf bekam nur
Suppe Brei und passierte Kost das
Verschlucken möglichst zu vermeiden
Die anderen Patienten nannten
Joachim höflich Herr Leutnant und
Erkundigten sich bei Hans der dazu
Sehr schweigsam eher blieb
Fein formuliert Mann hier zu den
Gründen die einerseits ehrenhalber
Nur vom ernsten Vorfall sprachen
Wollte aber Joachim nicht preisgeben
Zumindest noch nicht und so mischt
Sich in der formellen Höflichkeit die
Das Thema meidet oder beschweigt
Ganz dezent ein wenig Feigheit ein
Sie machen täglich dreimal den hier
Dienstlich gebotenen Lustwandel
Aber sprachen nie vom Thema was
Zwischen ihnen mit dem Tod stand
Dies entspräche wohl ihrer großen
Sittensprödigkeit die sich höchstens
Im äußersten Fall beim Vornamen
Nannte hanseatische zurückhaltend
In Hans Castorps Zivilistenbrust
Kam es zeitweise sehr hoch doch
Darüber reden zu wollen aber es war
Völlig unmöglich und so schwieg er
Joachim ging aufrecht mit leicht
Gesenktem Kopf und grüßte mit
Höflichkeit und Bienséance wie
Mann hier den Anstand nennt
Unglaublich schien es Hans wie
Dieser proper korrekte Joachim
Schon zur Erde gehören soll was
Natürlich wir alle irgendwann tun
Aber doch nicht so bald und so
Jung als gerade frischer Leutnant
Der nicht im Kampfe schnell fällt
Sondern langsam nun sterben soll
Doch scheint der Tod dem bald
Erdmann Joachim viel weniger
Schlimm als dem neben ihm
Gehenden Hans weil für den
Betroffenen der Tod doch eher einen
Akademischen statt realen Charakter
Noch hat es mehr die Sache der
Anderen als seine Sache noch ist
Tatsächlich schreibt Mann nun und
Hier wird es philosophisch spannend
Sei unser Sterben doch mehr eine
Sache der Weiterlebenden als unsere
So hätte das Wort eines witzigen
Weisen egal ob wir es nun auch
Zu zitieren wüssten hier volle
Gültigkeit und hier meint er Epikur
So lange wir sind der Tod nicht ist
Wo er aber ist sind wir nicht mehr
Warum wir keine reale Beziehung
Zum Tod haben er uns nichts angeht
Das ist ein Kernsatz der Philosophie
Der Epikuräer die in diesem Wissen
Nach einem guten Leben streben um
Zumindest zu genießen was bleibt
Mehr an Sinn hätte und bräuchte
Das Leben nicht als das Streben
Nach Lust die wir befriedigen wollen
Was sexueller klingt als gedacht
Der Tod geht nur die Natur etwas an
Wie die Weiterlebenden die das Ende
Wie die Entsorgung danach leider
Organisieren müssen nie Sterbende
Darum blickten folgert Mann hier klug
Alle Wesen ihm mit großer Ruhe wie
Gleichgültigkeit verantwortungslos
Egoistischer Unschuld entgegen
Von Verantwortungslosigkeit wie
Unschuld fand Hans viel in Joachim
In diesen Wochen dieser wisse zwar
Aber es fiele ihm darum nicht schwer
Über sein Wissen zu schweigen weil
Er keine Beziehung zum Tod hatte
Dabei verhinderte Schicklichkeit die
Weitere Erörterung dieses Themas
Die auch das Gespräch über sonst
Funktionelle Unanständigkeiten zu
Verhindern weiß die zum Leben
Gehören über die wir aber lieber
Mit Bienséance schweigen um so
Den Anstand zu wahren wie weil es
Zum Ende nach der Natur einfach
Nichts mehr zu sagen gibt dann
Vermutlich ist dies auch einer der
Gründe warum so viele Menschen
Zuflucht bei Göttern oder sonst
Aberglauben suchen im Leben
Die haben immer noch was zu sagen
Wie sichere Antworten auch auf die
Letzten Fragen im Glauben aber das
Geht die Toten dann nichts mehr an
Die noch spirituellen Sitzungen
An denen Hans später teilnimmt
Wo sie Joachims Seele rufen sind
Entsprechend ironisch beschrieben
Kenne diesen ganzen Hokuspokus
Zu gut kann darüber auch lachen
Halte dennoch lieber Abstand weil der
Tod mich mit Epikur nichts angeht
Eigentlich wollte ich noch ein wenig
Joseph und seine Brüder lesen
Aber diese Stelle war auf zwei
Buchseiten wieder so intensiv
Dass ich lange darüber nachdenken
Kann und überlege wie mir wohl das
Zitat von Epikur mit 18 vorkam als ich
Den Zauberberg das erste mal las
Arbeitete zu dieser Zeit neben der
Schule schon in der Lungenklinik in
Heidelberg Rohrbach war dort auch
Mit dem Tod immer konfrontiert
Das Sterben war für mich normal
Hatte ich selbst schon fast geschafft
Als ich klinisch tot auf der Straße lag
Danach Monate bewusstlos war
Kannte die Lehren des Epikur damals
Nicht so gut wie heute und hatte nicht
Die Verse des Lukrez in seinem so
Großartigen de rerum gelesen
Doch scheint mir bei der nun
Wiederholten Lektüre des Zauberberg
Dies Wort ganz nah und natürlich
Als hätte ich immer so dazu gedacht
Realer wie geistiger Tod den die
Freimaurer den Meister bei seiner
Erhebung erleben lassen sind nichts
Was zu fürchten noch wäre
Von nichts kommt nichts und das
Nichts geht mich nichts mehr an
Mehr bleibt am Ende wohl nie
Was beruhigend belanglos ist
jens tuengerthal 27.11.25