Lektürentagebuch 11.9.25
Mehrere Tage habe ich versucht in
Friedrich Sieburgs Lust am Untergang
Das Kapitel Gefäße voll Schnee das mit
Starken Bildern arbeitet zu lesen
Jede Nacht wieder oder eigentlich eher
Jeden Morgen schlief ich kurz vor der
Dämmerung über diesem Geraune das
Gerne bedeutungsschwanger sich gibt ein
Es ist der leicht übel gelaunte konservative
Gestus der Andeutung die sich dabei für
Wissend hält der es so unerträglich macht
Selten lege ich Bücher so genervt weg
Außer sie sind wirklich schlecht aber die
Finden ohnehin keinen Zugang hier auch
Sieburg hat sicher seinen Wert aber ich
Werde ihn lieber zur Seite nun legen
Zwar sprach schon der Titel mit der
Lust am Untergang für eine destruktive
Sicht auf das Leben doch fehlt ihr die
Dafür nötige Ironie leider noch völlig
Obwohl ein Band der Anderen Bibliothek
War es kein Lesevergnügen eher eine
Qual die mir vielschichtig fremd blieb
Weitere Versuche haben viel Zeit
Greife darum nach dieser Frustration
Auf bewährte literarische Kost zurück
Weiter geht es in den Buddenbrooks
Schon der erste Satz beginnt wunderbar
Nach Travemünde geht es immer
Geradeaus über die Fähre und dann
Weiter geradeaus weckt in mir die
Schönsten Erinnerungen noch
Lebrecht Krögers dicke braune
Mecklenburger zogen die Equipage
Während die Sonne brannte war die
Aussicht durch den Staub beschränkt
Denke daran wie ich damals noch im
Jahre 91 mit meiner Freundin den selben
Weg vom Lübecker Bahnhof aus mit
Vollbepackten Rädern gen Küste fuhr
Auch unser Ziel war Travemünde um
Mit der Fähre dort auf den Priwall
Überzusetzen nach Mecklenburg das
Da noch kein Jahr bundesdeutsch war
Tom und Tony waren um 2 Uhr abgefahren
So sollten sie kurz nach 4 ankommen
Wenn eine Droschken 3 Stunden braucht
Wollte Krögers Jochen es in 2 schaffen
Tony saß zurückgelehnt im Halbschlaf
Unter ihrem großen flachen Strohhut
Tom sehr akkurat gekleidet rauchte
Russische Cigaretten und trug Bart
Auf der Fahrt unterhielten sich Tony und
Tom über die anwesenden Kurgäste aus
Der Stadt die Möllendorpfs und auch die
Hagenströms über die sich Tony mokiert
Mit diesen Neureichen wolle sie nichts
Zu tun haben worauf Tom sie zurechtweist
Dass diese gute Geschäfte machten und
Bald die Verlobung der Familien anstünde
Eine kleine spitze Bemerkung zu Grünlich
Weist Tony empört zurück sie wolle sich
Genau davon hier in Travemünde erholen
Wobei die Buchenallee der Trave folgt
So kommen sie plaudernd vor dem ganz
Wunderbar bewachsenen Haus des
Lotsenkommandeurs Schwarzkopf an
Der sie schon mit Pfeife am Tor erwartet
Zur Begrüßung gab es Korinthenbrot mit
Butter Rahm und Scheibenhonig dazu
Was Tony mit gutem Hunger genießt
Dann kommt der Sohn des Hauses
Morten Schwarzkopf dessen Vornamen
Tony trotz Mühe zunächst nicht versteht
Ist Medizinstudent in Göttingen verbringt
Seine Semesterferien bei den Eltern
Die jungen Leute plaudern munter über
Erinnerungen an die Schule wie besonders
Den Lehrer Stengel der so gerne die Linie
Vom Strich unterscheidet und sind amüsiert
Nur Christian der diesen so gut imitierte
Fehlte hier dafür rät Morten Tony reichlich
Zu essen weil die viele frische Luft hier
Den Stoffwechsel noch beschleunigte
Dies wiederum verbittet sich der Vater
Während die Mutter den Sohn in Schutz
Nimmt der doch auch Ferien hätte etwas
Von ihrem Besuch auch haben solle
So beginnt Tonys Urlaub mit munterer
Plauderei mit Morten Schwarzkopf auf
Der Veranda in Travemünde was nach
Entspannt guter Erholung doch klingt
Findet Tony Buddenbrook hier nun die
Emotionale Entspannung um das zu tun
Was ihre Familie von ihr erwartet also sich
Mit Grünlich zu verloben oder nicht
Wird Morten der Student zu einer darum
Guten Ablenkung und traut sie ihrem
Gefühl das Grünlich zutiefst misstraut
Oder ist der Druck der Erwartung größer
Im Wissen um den weiteren Verlauf lesen
Sich die Andeutungen die Mann schon
Im Text versteckt lächelnd anders als es
Die erste Lektüre dem Leser offenbart
Natürlich muss Tony leiden weil sie eine
Würdige gute Partie machen soll dabei
Familie und Konvention mehr gehorcht
Als dem eigenen Gefühl das nicht zählt
Wo steht der Autor bei diesem sich
Genüsslich entwickelnden Drama
Stellt er die Konvention als immer
Gefühllos bloß oder beobachtet er nur
Welches Gefühl bleibt beim Leser
Der als ich es erstmals las noch
Tony und Tom im Alter nah stand
Heute eine ältere Tochter schon hat
Wie damals auch ist mir der junge
Medizinstudent Morten Schwarzkopf
Sympathischer als der eher peinliche
Grünlich die vermeintlich gute Partie
Doch schaue ich auf mein früheres
Liebesleben habe ich auch häufiger
Der Erwartung der Familie genügen
Wollen statt dem Gefühl zu folgen
Die große Liebe der Großeltern galt
Als Vorbild und Ideal dabei auch wenn
Heute klar ist welche reale Dramen sich
Mit Eifersucht darum abspielten
Diese Verbindung die uns Enkeln als
Ideale Liebe vorgespielt wurde war
In der Familie unerwünscht gewesen
Die Großmutter war eine schlechte Partie
Dagegen war die Ehe meiner Eltern
Die sich auf Augenhöhe begegneten
Wie es die Konvention der Familie sich
Wünschte vom Kennenlernen schon an
Beide hatten sich auf den Stiftungsfest
Ihrer Turnverbindung kennengelernt die
In beiden Familien lange Tradition hatte
Gute Bürger und national denkende Turner
Was heute reaktionär eher klingt war bei
Gründung bürgerlich revolutionär noch
Ein Geist den Morten Schwarzkopf der
Ahnungslosen Tony vorstellen wird
Der Großvater den wir Grotepater aus
Gründen der Tradition nannten war stolz
Noch kaiserlich preußischer Kadett in
Berlin Lichterfelde gewesen zu sein
Dabei war es damals noch nicht Teil
Des erst 1920 gegründeten Groß-Berlin
Hatte aber eine Straßenbahnlinie was
Der Westen sich nach leider 45 sparte
Seine in den 68ern geprägten Söhne
Wollten damit nichts zu tun haben so
Legte mein Vater mir eher Musils Buch
Zögling Törless als die Kadetten nahe
Erst dem Enkel aber erzähle dann der
Großvater von seinen Kontakten zum
Widerstand über Kadettenkameraden
Wie etwa den Güstrower Bülow
Auf dessen Gut wiederum begann die
Liebesgeschichte der Großeltern wo die
Grossmutter als junge Elfie noch eine
Haustochter war wie es damals hieß
Denke über Parallelen und Unterschiede
Konvention und Erwartung nach was die
Familie von uns erwartet und wie sehr
Dies das eigene Gefühl beeinflusst
Die Wahl des Großvaters der sich die
Große Blonde mit dem steifen Arm als
Traumfrau erkor war unkonventionell
Für seine Familie die höher heiratete
Andererseits war der Ort wo er sie traf
Das Gut eines adeligen Kameraden aus
Der kaiserlichen Kadettenanstalt für die
Ideale des Großvaters geradezu perfekt
So kämpfte er die in der Familie eher
Unkonventionelle Ehe mit Rückendeckung
Seines Kameraden von Bülow durch die
Wiederum seinen Konventionen entsprach
Grünlich scheint für Tony konventionell
Passend und in allem eine gute Partie
Morten Schwarzkopf wäre für sie deutlich
Unter Stand und ist damit indiskutabel
Ist der Adel freier als das Bürgertum das
Sich seinen Stand neben dem Adel erst
Mühsam erkämpfte und darum besonders
Auf Abgrenzung noch bedacht ist
Die Siegelringe mit Familienwappen die
Der Großvater für seine Söhne machte
Sollten diesen adelsähnlichen Stolz zeigen
Erbte meinen dann erst von meinem Vater
Als ich in Heidelberg Jura studierte gab es
Die Fraktion Siegelringträger mit den meist
Grünen Wachsjacken dazu zu denen du
Nur durch hohe Geburt gehörtest oder nie
Gehörte nie zu einer Fraktion noch war ich
In den einschlägigen Corps oder sonst
Einer schlagenden Verbindung je aktiv
War immer Beobachter daneben eher
Die Zeit in der SPD scheint mir eher ein
Ausrutscher im falschen Milieu gewesen
Bin aus familiärer Tradition genau nicht
Parteilich gebunden sondern stehe lieber
Daneben und beobachte statt mich zu
Binden im konventionellen Kontext auch
Freimaurer blieb ich nicht lebenslänglich
Bin in keinem einzigen Verein Mitglied
Damit aber real ganz anders als die
Familie die in Vereinen engagiert auch
Der Studentenverbindung treu blieben
Schaue ich auf Tonys Leben von hier
jens tuengerthal 12.9.25