Lektürentagebuch 4.6.25
Begonnen wieder mit Tilman Lahmes
Thomas Mann Ein Leben wo es nun
Um erste Liebe und das Leiden daran
Also das bekannte Knaben Thema ging
Auch hier bleibt Lahme zwar einfühlsam
Aber wird nicht emotional kitschig um ein
Drama der Liebe zu inszenieren wie es
Breloer in seinem tadellosen Glück tut
Er beschreibt nüchtern was war dabei
Worüber überhaupt etwas bekannt ist
Inszeniert keine Dramen aus Nichts
Erklärt die Bleistiftgeschichte nochmal
Alle die den Zauberberg lasen und sich
Je mit dessen Autor auch beschäftigten
Kennen diese Geschichte darum nur das
Nötigste aber das sachlich und korrekt
Auch hier trifft Lahme mit Detailwissen
Ohne unhaltbare Spekulationen genau
Den richtigen Ton akkurater Nüchternheit
Hierin vielen anderen Biografien überlegen
Das sind pubertäre Versuche der Liebe
Nicht zu ernst zu nehmen aber doch tief
Berührend auch im Verhältnis zum da
Schon in Leipzig lebenden Bruder Henrich
Diesem schickt Thomas seine Gedichte
Wie Versuche über die erste Liebe die
Heinrich mit Huren beschäftigt abtut als
Kitschig und nicht ernst zu nehmen
Die Korrespondenz dazu läuft über einen
Freund der Thomas von diesem Unsinn
Abbringen solle der sich schon wieder
Beruhige unter der richtigen Frau
Thomas schreibt seinem Bruder nun
Nichts mehr zum Thema dafür hat er
Seinen Freund und Klassenkameraden
Otto Grautoff der die gleiche Neigung teilt
Mit Otto kann er ohne Zeugen alles
Besprechen und dieser wird auch Zeuge
Der Bleistiftszene der nächsten großen
Liebe von Thomas bei der nichts passiert
Diese nüchterne Erkenntnis im Kopf
Alle Knabenliebe blieb theoretisch
War eine Schule des Gefühls die
Den Bruder Heinrich eher fehlt
Ob Heinrich darum immer auch in
Seinen späteren Werken etwas grob
Wie schlicht in seiner Ironie blieb
Während Thomas feine Nuancen fand
Könnte eine Diskussion wohl wert sein
Besonders deutlich im Untertan der
Parallel zu den Buddenbrooks in Rom
Teilweise entstand aber schlicht blieb
Heinrich ist literarisch wenn ich mal
Den Henri Quatre außen vor lasse
Dem Kind des französischen Exil
Nie so feinsinnig differenziert wie
Thomas es ab den Buddenbrooks
Mit großer Leichtigkeit und Ironie
Die seinen feinen tiefgründigen Witz
Zeigen es immer bleiben wird
So ist Heinrich ein Star beim Film
Der die groben Bildern für das eher
Schlichte Publikum das nur kurz schaut
Sehr treffend schreiben kann wie
Umgekehrt der Filmmann Breloer an
Mann mit schmierigem Kitsch scheitert
Auch Schöndorfs Zauberberg ist nur nett
Plätschert ohne Tiefgang so dahin
Genau diese Kurve zwischen feiner
Bürgerlicher Ironie bis zur Komik und
Ernster Tiefe in den Figuren ist es was
Mann so einmalig groß auch macht
Bisher trifft Lahme diesen Ton genau
Arbeitet gut über und am mit Mann
Nur zum Humor könnte noch mehr
Für das Verständnis hier gut tun
Vor 28 Jahren versank ich erstmals
Völlig in den Buddenbrook dazwischen
Hörte ich sie von Gert Westphal noch
Vorgelesen vielfach auf langen Fahrten
Zeit wieder einzutauchen dachte ich
Begann auf der ersten Seite und fiel
Ganz vertraut in das Familienfest bei
Überprüfung Tonis im Katechismus
Die heimliche Freude des Großvaters
Bei seiner frechen Frage nach Tonis
Vieh und ob sie auch Getreide hätte
Führt tief in die Geschäfte der Firma
Jener Institution die den Wohlstand
Der Familie Buddenbrook begründete
Die es zu etwas gebracht hatten damit
Wer waren in der Hansestadt Lübeck
Buddenbrooks lesen ist wirklich wie
Alte feine Karamell Bonbons lutschen
Dachte ich und erinnerte mich der guten
Werther’s Echte die es manchmal gab
Dachte lange dies hinge von der Laune
Meines Grotepater genannten Großvaters
Ab ob wir knallharte Kätzchen oder die
Wunderbar weichen Bonbons bekamen
Vermute heute eher für Grotepater waren
Die Werther's nur ein Notbehelf wenn die
Geliebten Lakritz Kätzchen gerade mal
In Petterweil nicht vorrätig waren
Diese gelegentliche Mangelwirtschaft die
Den Großvater betrübte war für uns Kinder
Das schönste cremige Glück was lange
Diskussionen zu ihrer Herkunft begründete
War mir sicher so etwas feines und auch
Vornehmes musste von der Schwester
Des Großvaters kommen der längst
Legendären Tante Ma der reichen Witwe
In ihrer Gegenwart wurde immer da die
Arme reiche Tante schwerhörig war
Besonders laut und deutlich gesprochen
Als mache Schwerhörigkeit auch blöd
Wie sehr diese Herabsetzung seiner
Großen Schwester meinen Großvater
Der gern den Vater der Familie gab
Freute ist nur noch zu vermuten
Schon wenn das Mercedes Coupé
Der Erbtante ohne Kinder vor dem
Haus der Großeltern vorfuhr wurde
Gleich laut und deutlich gesprochen
Der sonst preußisch strenge Grotepater
Tolerierte die Verspottung seiner Schwester
Mit mildem Lächeln dafür nannte sie ihn
Irgendwann mein liebes Rudilein
Tante Ma war 1900 geboren der Großvater
Vier Jahre später beide die letzten noch
Überlebenden einer einst großen Familie
Waren noch Kinder aus dem Kaiserreich
Doch geht es hier ja nicht um meine
Familie und deren Rituale sondern
Um die der Buddenbrooks oder auch
Mann im übertragenen Sinne noch
Allerdings sind gewisse Parallelen
In Humor und Riten zwischen den
Völlig verschiedenen Familien doch
Weder zu verkennen noch zu leugnen
Insbesondere die Einhaltung gewisser
Rituale bei Familienfesten ist ein dafür
Typisches Zeichen stets schwankend
Zwischen würdigem Ernst und Ironie
So wird auch gleich die Verteilung
Der Rollen deutlich gemacht die
Möglichst immer eingehalten wird
Den guten Ablauf zu gewähren
Schwiegervater und Schwiegertochter
Standen im Bündnis wie Mutter und Sohn
Gelegentlich wird den besonderen alten
Freunden der Zutritt zu Festen gewährt
Bei Buddenbrooks kommt diesmal der
Dichter Jean Jacques Hoffstede wie der
Hausarzt Doktor Grabow mit der nach
Mecklenburg weisenden ow Endung
Drei Generationen Buddenbrooks sind
Im neu gestalteten Landschaftszimmer
Mit den ländlich bemalten Tapeten wie
Den Farben im Stil des 18. Jahrhunderts
Der alte Johann Buddenbrook noch mit
Kniebundhosen und gepudertem Haar
Fällt im Oktober 1835 etwas aus der Zeit
An diesem kühlen regnerischen Tag
Das Haus in der Mengstraße das auch
Sitz der Firma ist war gerade erst vor
Wenigen Jahren bezogen worden dafür
Wie der Alte im Krieg so gut verdiente
Während einerseits seine Vorurteile
Gegen die Erzieherin Ida Jungmann
Als Ostpreußin deutlich werden wird
Von seinen weiten Reisen noch erzählt
Er spricht eine lustige Mischung noch
Aus lübbechen Platt und französisch
Ist vom Geist der Aufklärung noch mehr
Geprägt als fromme Nachfahren später
So dient die Abfrage Tonis dem Ziel
Einen Witz über die Kirche zu machen
Anhand des gerade neuen Katechismus
Was ihn schon sehr sympatisch macht
Mit der Ankunft von Johann und Christian
Aus der Schule die mit Hoffstede und dem
Doktor Grabow zum Glockenschlag um
Vier erscheinen endet das erste Kapitel
Über das Wetter gegen jede Ordnung
Unterhalten sich im Zauberberg die
Vettern Hans Castorp und Joachim
Ziemßen geschockt vom Wintereinbruch
Im Flachland hätte alles seine ganz
Gleichmäßige Ordnung hier aber im
Gebirge käme diese durcheinander
Was ihr Unwohlsein begründe wie
Hans dem genervten Joachim referiert
Der das ganze eine große Schweinerei
Nennt und empört das Zimmer verlässt
Mit scheinbar Tränen in den Augen
Nun erschrak Hans über die völlig
Ungewohnte Heftigkeit weil ihm plötzlich
Klar wurde wenn Joachim ginge und er
Bliebe wäre es dann wohl für immer
Die Entscheidung dazu sollte nun die
Nächste Monatsuntersuchung noch am
Gleichen Tag nach dem Tee bringen bei
Der Hofrat Behrens übel gelaunt ist
Gerade an diesem Tag hatte er drei
Junge Patienten der Anstalt aus
Moralischen Gründen verweisen müssen
Was bei Privatpatienten teuer wird
Die eine der drei die eifersüchtige
Freundin hatte die beiden zusammen
Im Bett erwischt und lautstark dabei
Zu kreischen begonnen womit der
Skandal da war weil der griechische
Reedersohn im Bett der Tochter eines
Wohlhabenden Deutschen lag was
Keiner sonst bemerkt wohl hätte
Auch wäre es stillschweigend wie hier
Üblich sonst übergangen hätte nicht die
Eifersüchtige Freundin das ganze Haus
Mit ihrem Theater noch aufgeweckt
In dieser Situation steht die Untersuchung
Der beiden unter schlechten Sternen was
Kein gutes Ende noch erwarten lässt auch
Wenn wir erst etwas über der Hälfte sind
Es ist diese feine Inszenierung kleiner
Momente die dem Zauberberg neben
Dem kulturhistorischen Kontext seine
Größe als Weltliteratur auch geben
jens tuengerthal 4.6.25