Mittwoch, 25. Oktober 2017

Zusammen

Zusammen Kommen ist schon
Der Gipfel des Glücks für Paare
Vielen passiert dies nie im Leben
Uns sogar noch in der Ferne

Von daher schien schon alles
Perfekter als die meisten erleben
Nicht mehr steigerungsfähig
Dachte ich selig bis heute

Doch gibt es dabei wohl einen
Geringen Prozentsatz für die
Das so normal ist wie für uns
Hatte es auch schon erlebt

Das wir uns gut riechen können
Kommt vor ist eben Biochemie
Die selten so zusammen passt
Hatte ich aber schon von gehört

Wie gut wir uns immer schmecken
Hängt damit logisch zusammen
Konnte ich wohl nachvollziehen
Ist gut so und ganz natürlich

Heute aber wunderte ich mich
Will es nicht gleich Wunder nennen
Hab es ja nicht so mit Übersinnlichem
Wie wir völlig synchron dachten

Vielleicht war es bloßer Zufall
Oder es ist eben unsre Natur
Gebe zu ich verstehe es nicht
Wir gehören einfach zusammen

Wo Geist und Körper sich finden
So ganz zusammen und eins sind
Es mehr ist als ich noch verstehe
Nennen Menschen es wohl Liebe

Es ist was es ist dichtete einer
Was so bestimmt immer stimmt
Und doch scheint es mir mehr
Als ich bis dato irgend kannte

Weiß nicht was es ist einzig
Es ist größer als alles vorher
Darum bräuchte es ein Wort
Kenne keins und sage WIR

jens tuengerthal 25.10.2017

Dienstag, 24. Oktober 2017

Motivator

Wenn Du ein Schiff bauen willst,dann rufe nicht die Menschen zusammen,um Holz zu sammeln,Aufgaben zu verteilen und die Arbeit einzuteilen,sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem großen, weiten Meer.

Antoine de Saint-Exupéry (1900-44), frz. Flieger u. Schriftsteller

Motivation ist der Schlüssel zum Erreichen aller Ziele. Wer etwas wirklich will, wird es schaffen, sofern es technisch oder menschenmöglich ist und ihn der Mut nicht verlässt.

Die Grenzen des Möglichen sind eine der stärksten Bremsen der Motivation, warum obiges Zitat von Saint Ex so wichtig wie richtig scheint. Wer sich mit Grenzen nur beschäftigt, wird eher an ihnen scheitern, als diejenigen, die über sie hinaus schauen und sich Ziele in der Ferne suchen, weil ihnen dann die Grenze im Verhältnis zum Ziel klein erscheint, während sonst diese alles überragt und jede Bewegung lähmt.

Binsenweisheiten, die heute jeder Student kennt und die wir doch in der Panik des Moments gerne wieder vergessen, um uns voller Hysterie auf die Lösung kleiner Probleme zu stürzen, die alle Energie auffressen, die wir besser nutzten, um über sie hinaus zu denken.

Vom Schiffbau verstehe ich nichts, so wenig wie ich ein solch schwankendes Ungetüm freiwillig je betreten würde, wenn ich nicht müsste. Aber von der Sehnsucht und dem Wunsch ein Ziel zu erreichen, auch wenn diese für mich nicht in der Ferne liegen müssen, da mir eher das Gute nahe liegt, verstehe ich was, denke ich.

Wenn die Menschen erstmal sehnsüchtig sind, wie es Saint Ex so schön beschreibt, wird sich alles andere von allein ergeben und organisieren, behauptet der Flieger, der irgendwann im Krieg verloren ging über dem Mittelmeer und da nutzte ihm alle Sehnsucht und aller Pathos nicht, er ist schlicht ersoffen.

Ihm hat es also nichts genutzt, er starb einfach trotzdem im Krieg wie so viele vor und nach ihm, der Autor so vieler wunderbarer Bücher von denen der Kleine Prinz noch das schlechteste und langweiligste ist, auch wenn der ja wirklich ganz nett ist aber Flug nach Arras, Südkurier oder Durst haben doch ein ganz anderes Kaliber und sollten eher zum Lesen motivieren als der zu viel und zu kitschig ausgeschlachtete Kleine Prinz, der auch als Kinderbuch heute nicht mehr viel taugt und mehr Erwachsene begeistert, die nirgendwo ganz ankamen.

Aber, ich will hier keine Literatur Rezension über gute und schlechte Bücher schreiben und das zu wenige echte Klasse lesen, weil sie sich zu lang bei schlechter Masse aufhalten, die eigentlich nur verblödet. Wer sich dabei wohl fühlt, soll es doch bitte weiter genießen - was sonst brauchen wir als Genuss?

Oder sage ich das nur, um länger und weiter ungestört zu genießen, während sich tumbe Toren im Schatten grauenvoller Bücher fern von hier amüsieren?

Was immer meine Motivation nun sein mag, sie schwankt ein wenig zwischen dem Aufklärer, der auch den Ehrgeiz der anderen durch eine gewisse Herablassung anstacheln will und der Resignation des erfahrenen Lesers, der einfach seine Ruhe haben will und sich nicht mit bedrucktem Restmüll beschäftigen will, der dem größeren Teil der Menschheit das Paradies ist, während der eigene Elfenbeinturm nur einer kleinen gebildeten Minderheit zugänglich ist.

Bin ich motivierter dort ungestört zu bleiben oder über mich hinaus zu wachsen, mich nach allen Seiten zu öffnen, um auch der Masse eine Motivation zu geben, ihren Geist in hehre Gefilde zu bewegen, in denen die große Literatur zuhause ist?

Beides hat etwas für sich, gegen die Ruhe spricht der Geist der Aufklärung, der Wissen verbreiten und allen Menschen eine Möglichkeit der Teilhabe geben möchte, für Ruhe und Rückzug spricht das Bedürfnis, mein Leben zu genießen - bin ja auch nicht Lehrer geworden, muss niemandem etwas vermitteln.

Überhaupt, folge ich dem obersten Vordenker der Aufklärung, meinem Hausgott Immanuel Kant, ist Aufklärung immer die Befreiung aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit. Befreiung heißt, selbständig zu denken und sich von der Diktatur der Vorurteile zu befreien, denn Unmündigkeit ist eben die Unfähigkeit sich seines Verstandes ohne Hilfe anderer zu bedienen und selbstverschuldet ist diese, wenn sie nicht aus der natürlichen Blödheit sondern bloß aus der Faulheit der Betreffenden resultiert.

Weiß nicht, ob weit über 95% der Menschheit eher blöd oder eher faul ist, muss es auch nicht beurteilen. Es geht mich nichts an, weil sie sich ohnehin nur selbst befreien können, aus ihrem Aberglauben, ihrer Unfreiheit, ihren Konventionen oder was auch immer. Es geht mich alles nichts an. Befreiung ist nur eine, wenn sie frei und aus sich selbst erfolgt, alles andere ist nur eine unfreie Lenkung und ethisch wertlos, konsequent gedacht.

Zumindest kann ich mich von diesem Standpunkt aus, ohne jede weitere Sorge nun zurückziehen und der Menschheit ihre Rettung selbst überlassen wenn sie lieber den irren Geboten eines verrückten Straßenräubers aus Arabien oder dem Wahn eines abtrünnigen Rabbi folgen wollen, sollen sie das tun. Finde es zwar furchtbar und eines jeden vernünftigen Menschen unwürdig, was die großen Schulen des Aberglauben noch auf der Welt als Religionen für einen entmündigenden Unsinn predigen, der Menschen nicht befreit sondern abhängig macht - aber es ist nicht meine Aufgabe, sie zu etwas anderem zu bewegen, es würde auch nichts bringen, weil jeder selbst für sein Glück verantwortlich ist und sich dazu motivieren muss. Alles andere ist nur eine Diktatur der Moral, die, auch wenn sie gut gemeint wäre, so schlecht wird, wie jene die wir schon so lange haben und die nur zu mehr Unmoral führt, weil jedes ethische Handeln ohne inneren Willen dazu nach Kant keines ist, sondern nur hirnloser Gehorsam.

Nun könnte ich mir zwar sagen, dass der größere Teil der Menschheit ohnehin sein Leben lang nur gehorcht, nicht aus sich zum Guten motiviert ist, deren Handeln keinen Wert hat, ich sie also auch aufklärerisch zum Besseren erziehen könnte, um so den Einfluss der antiaufklärerischen Kräfte aus Kirchen und Medien entgegenzuwirken, doch wäre es gegen das Prinzip der Aufklärung, die den Menschen nur dazu motivieren kann, selbständig und kritisch zu denken. Wer antiaufklärerisch handelt, also erzieht, hilft der Aufklärung nicht weiter.

So lehne ich mich zurück, schaue mir das Theater an und lasse die Menschheit sich selbst befreien, nicht weil ich arrogant wäre, den anderen die gute Botschaft der Aufklärung zu bringen, im Gegenteil, weil es mir an Arroganz fehlt, zu glauben, Erziehung führe zu irgendetwas, wenn Menschen sich nicht selbst motivierten und ich bestimmt kein Erzieher oder Guru je sein möchte. Was weiß ich schon, dass ich meinen könnte, alles besser zu wissen?

Wozu fühle ich mich in einer Situation noch motiviert, in der ich sehe, die Menschheit arbeitet relativ konsequent an ihrem Untergang und alles, was ich sagen könnte, führt zu nichts, weil sie es selbst erkennen müssen?

Zu abstrakt gedacht?

Ganz konkret  sehe ich, ein vermutlich psychisch gestörter, jedenfalls völlig ungebildeter und nur geschäftstüchtiger Mann hält den Schlüssel für die Atomwaffen der USA in seinen Händen. Müsste ich zur Rettung der Menschheit diesen Mann nun töten, wenn ich meine, besser zu wissen, was gut und richtig für die Menschheit ist?

Auch hier neige ich, wie mein großes Vorbild Montaigne eher dazu, mich zu enthalten, mich ins Private zurückzuziehen, um das Leben zu genießen, statt den Retter der Menschheit zu spielen. Fühle mich kein bisschen motiviert dazu. Auch weil es nichts zu Vernunft und Aufklärung beitrüge, es den toten Idioten nur zu einem Märtyrer der Narren machte.

Motiviert fühle ich mich dagegen noch viele gute Bücher zu lesen, meine Frau zu lieben, mit ihr die Lust und mehr zu genießen, mich offenen Auges an den Schönheiten der Welt zu erfreuen und nicht zu überlegen, was ich tun muss, um die Welt nochmal eben zu retten oder aus Sicht anderer soll oder darf.

Zwischen Weltenretter und egoistischen Individualisten liegt eine weite Spannbreite an Handlungsmöglichkeiten aus der ich mir dann die raussuchen werden, mit der ich mich am wohlsten fühle. Die Motivation der Menschheit zur Aufklärung und dem mit ihr verbundenen freien Geist der Toleranz muss von Innen kommen, erzwingen kann ich ihn nicht.

Nehme ich Saint Ex ernst, kann ich nur eines tun, mich zurücklehnen, es mir gut gehen lassen und von meiner großen Freiheit schwärmen, in der mir keiner sagt, was ich tun soll oder was richtig wäre, weil ich, wie Max Stirner so treffend schrieb, meine Welt auf mich gestellt habe und darum allein aufgeklärt im Sinne Kants handle, was ich den unfreien Gläubigen logisch absprechen müsste.

Aber nicht mal dazu fühle ich mich berufen als schwärmender Oberlehrer. Es möge jeder nach seiner Fasson glücklich werden. Natürlich sollte Kant Pflichtstoff an den Schulen sein, denke ich - aber bringt es etwas und was machen Schüler die den Grundsatz der Aufklärung wirklich begriffen haben?

So lehne ich mich null motiviert, etwas zu ändern und voller Lust lieber das Leben zu genießen, wie ich es eben kann, zurück und denke es ist gut so. Manchmal ist weniger Motivation mehr Glück, weil sie zu genügender Gelassenheit führt. Halte es dabei für sehr gut möglich, dass so manche, die wie unaufgeklärte Idioten erscheinen könnten, das gleiche denken und es sich in sich total frei einfach gut gehen lassen. Tue nichts als darüber zu schreiben und laut zu denken, was hier genügen soll.

Es lohnt nicht, sich zu motivieren oder andere zu motivieren - wenn es nicht echt ist, taugt es nichts und alle anderen Versuche sind nur lächerliche Krücken einer eben ihrem Wesen nach beschränkten Menschheit. Das ist aber für mich kein -Grund nun depressiv zu werden - es könnte ja wirklich schlimmer kommen, solange ich gute Bücher und feinen Tee habe und es mir gut gehen lassen kann - die Wahrheit, die Motivationstrainer so gerne vermitteln, ist ohnehin die Erfindung eines Lügners - keiner kennt sie, wer es behauptet, lügt, besser wir ziehen uns dezent zurück, weiter zu genießen, was Liebe, Lust und Literatur uns zu bieten haben.

jens tuengerthal 24.10.2017

Liebessorge

Wo du dich um die Liebste sorgst
Die krank in der Ferne arbeitet
Während du nichts tun kannst
Als an sie denken wird es hart

Da sein wollen aber nicht können
Ist Folter und doch harmlos noch
Verglichen mit dem was sie muss
Allein auf sich gestellt schreiben

So sitze ich nun in Berlin herum
Besorgt und irgendwie bemüht
Doch wissend es stört alles nur
Lasse ich sie in Ruhe machen

Wissen soll sie wie gerne ich
Nun bei ihr wäre wo ich könnte
Sie pflegte und unterstützte doch
Grau bleibt nun wohl alle Theorie

Schreibe ihr von meiner Liebe
Weiß nicht ob es hilft und bin doch
Sicher sie wird auch das schaffen
Weil sie gut ist und eine starke Frau

Ach Liebste fühl dich von mir umarmt
Bin ganz bei dir in Gedanken voller
Zärtlichkeit sorge mich wohl um dich
Aber glaube auch fest an dich dabei

Weil ich wohl weiß dass ich nicht mehr
Tun kann hoffe ich still es möge helfen
Dass hier einer sitzt der an sie glaubt
Dabei glaube ich doch sonst an nichts

An die Liebe glauben tut aber wohl gut
Wenn nichts sonst mehr hilft ist es doch
Besser als nichts zu tun auch wenn es
Eigentlich nichts ist rein quantitativ

Sie weiß es und kann sich sicher sein
Das ist zumindest etwas in all dem
Der hilflose Dichter glaubt fest an sie
Mehr weiß ich nun auch nicht mehr

jens tuengerthal 24.10.2017

Montag, 23. Oktober 2017

Pankewege

1. Teil vom Bürgerpark Pankow zur Mündung

Bin der Panke gefolgt, dem kleinen Flüsschen aus eiszeitlichen Gründen des Barnim und habe die Wanderung auf ihrer Strecke diesmal am Bürgerpark Pankow begonnen, von wo aus sie durch Pankow, den Wedding gen Mitte führt, um dort nahe dem Erika Hess Eisstadion in den Nordhafen zu münden. Mit Hin- und Rückweg durch Mitte waren es 21 km auf meist sehr ruhigen Wegen am Ufer entlang.

Begann den Weg wie immer am Helmholtzplatz, folgte an dessen Ende der Lychener Straße, von der ich rechts in die Stargarder abbog in Richtung der Gethsemane Kirche, die in Wendezeiten eine große Rolle spielte, hier aber gerade nicht, warum ich eine Kreuzung vor der Kirche in die Pappelallee wiederum rechts abbog und dieser bis zur Wisbyer Straße folgte, auch wenn sie ab der Wichertstraße sich schon Stahlheimer heißt, was nur merkt, wer die Straßenschilder genau liest. Im erweiterten heimatlichen Kiez tue ich das natürlich eher weniger, zumal einige öffentliche oder private Spaßvögel derzeit die Schilder aus mir unerfindlichen Gründen mit grauer Folie überkleben, zu welchem Zweck auch immer. Nachsichtig überlege ich dann, ob es Anarchisten eher oder Narren sind, was nicht immer weit auseinanderliegt, aber das wäre schon wieder eine andere Geschichte.

Nach der vierspurigen Wisbyer, die noch eine Straßenbahnspur inmitten führt, also gut  Autobahnbreite hat, hieß die Pappelallee dann Neumannstraße und ich folgte ihr bis zum hochromantischen Eschengraben, den ich fälschlich mit einer Ex in Verbindung brachte, wie ich nun das dritte mal feststellte, als ich vorne an der Tankstelle auf die hier in Pankow schon Berliner Straße genannte eigentlich nur Fortsetzung der Schönhauser Allee treffe. Genau an der Stelle verschwindet die bis dahin oberhalb fahrende U-Bahn wieder im Untergrund für noch zwei Stationen bis zur Endhaltestelle Pankow, was mir in der Kombination der Worte eigentlich eine sehr sinnhafte inhaltliche Beschreibung dieses inzwischen Berliner Vororts ist.

Die Alliierten wollten einst die Bonzen der DDR ärgern und legten die Einflugschneise des neuen Flughafens Tegel genau über deren Siedlung in Pankow, wo sie mangels vollendeter Alternative bis heute liegt und aller Voraussicht und Vernunft nach wohl auch bleiben wird. Dies wird die eine Zeit lang explodierten Pankower Wohnungspreise dann wieder auf ein realistisches Maß relativieren. Ansonsten ist der Unterschied direkt nach der Wisbyer in der Architektur nicht spürbar, es sieht aus, als ginge der Prenzlauer Berg weiter. Viegeschossige Altbauten in ähnlicher Traufhöhe und so geht es fast bis zum Rathaus Pankow weiter.

Doch der zweite Blick in die Gesichter klärt schnell auf. Du bist nicht mehr im schicken Prenzlauer Berg, dem jungen sich dynamisch verändernden Viertel, du bist eben in Pankow, viele sind halt da geblieben, übrig geblieben oder mussten her und schaust du in die Kneipen und Cafés, dann merkst du, bis auf wenige Ausnahmen, Pankow ist halt nicht Berlin sondern eigentlich längst Brandenburg und so fühlt es sich auch an beim Durchlaufen. Brandenburg eben. Ein wenig ostig, Zone halt, mehr Menschen mit frustrierten Gesichtern als lächelnd, was die Patrioten dann mit offen und ehrlich umschreiben und hässlichere Menschen als in Mitte und am Berg, manche dicker, Damen mit zu bunten Haaren, Herren mit Freizeitkleidung, die bereits die Kontrolle über ihr Leben verloren haben, falls Lagerfeld Recht hatte.

Es gibt auch da Ausnahmen, die noch mehr auffallen, aber irgendwie passt Pankow gut zur Panke, die ja aus dem Barnim kommt und den Ort ganz durchfließt nördlich schon aus Buch kommend. Pankow hat wunderbar prächtige Villen um den Schlosspark und beim Bürgerpark gibt es noch einiges ansehnliches, was von besseren Zeiten kündet, doch scheint dieser Glanz bürgerlicher Zeiten eine Anekdote aus der Vergangenheit, die mit der sichtbaren Gegenwart wenig zu tun hat.

Als ich mit meinen Eltern von Bad Vilbel nach Walldorf zog, dieses Kaff südlich von Heidelberg, damals sprach noch keiner über SAP oder Dietmar Hopp, schien es mir, der ich in und um Frankfurt aufwuchs, in Bremen geboren wurde, der provinzielle süddeutsche Verrat an meiner Kultur. Als ich die Leute dort reden hörte, schien sich alles noch zu bestätigen. Provinz eben, wie Brandenburg, nur halt Baden Württemberg und heute reichste Gemeinde Deutschlands mit vielen Neureichen.

Nun habe ich eine schwäbische Frau, die das größte Glück ist, was mir passieren konnte, was manche typisch Berliner Vorurteile für mich widerlegte, der ich nun länger in Berlin lebe als an irgendeinem anderen Ort in meinem Leben, warum es auch höchste Zeit war, sich seinen Ort zumindest zu erlaufen. So lächle ich auch freundlich über die Endhaltestelle Pankow, frage mich manchmal, ob aus der Florastraße wirklich mal der Kiez wird, der er zu sein hofft und die Architektur eines Tages die bürgerliche Gediegenheit trägt, welche die bestuckte Schale zu versprechen scheint.

Ging aber nicht bis zur Endhaltestelle sondern folgte der Maximilanstraße bis zum Rathaus Pankow, auch wenn sie bis dahin Schönholzer Straße heißt und ein kleines Stück Heymstraße sich vorher nannte. An der Ecke oder eher Kurve, an der sich der letzte Ritter in den Schriftsteller verwandelt, stand eine Bar, die auf den ersten Blick in dem rustikalen Umfeld interessant gemacht aussah und auf den zweiten Blick doch wieder ein wenig brandenburgisch von außen wirkte - mangels Gästen kann ich auch nichts über das sonst Publikum des seine Gläser polierenden Barkeepers sagen.

Am Rathaus endlich angekommen, überquerte ich die Wollankstraße, die vierspurig aus dem Wedding auch kommt und der Kreuzung vor dem Rathaus Wedding fast ein Gefühl von Stadt verleiht, bliebe es nicht doch immer Pankow. Auf der anderen Seite schließlich folgte ich der Wilhelm Kuhr Straße im längst mehr halbdunkel, die irgendwann an der Panke zu am Bürgerpark wird und zum Kinderbauernhof führt, aber das führte mich zu weit, der ich ja dem Flusslauf gen Süden ab hier folgen wollte.

So war ich erst gen Norden gegangen, um später wieder von Süden zurück zu kommen. Aber dazu, wenn es soweit ist. Zunächst fand ich mich auf einem wunderbar belaubten Fußweg, den die Blätter der Kastanien des Bürgerparks bedeckten. Irgendwann ist dieser ein eher matschiger Feldweg, aber zumindest mit viel Laub und wirkt ländlich nett. Der Beginn brachte erst eine kleine Enttäuschung. Ich fand die Panke aber der Weg, den Goggle mir vorschlug, ging durch ein mit einem Tor verschlossenes Naturschutzgebiet und so musste ich wieder ein kleines Stück den bepfützten Feldweg zurück, um an der Nordbahnstraße noch einnmal die Panke zu überqueren und dort am anderen Ufer mein Glück zu versuchen.

Damit war ich wieder im Wedding und folgte idyllischen Fußwegen, bis zur nächsten Fußgängerbrücke, an der ich wieder die Seite wechselte auf der Höhe Gottschalkstraße, um das Franzosenbecken, wie der dortige, derzeit eher trocken gelegte Überlauf der Panke wohl, heißt, zu umrunden und dem Strom der Panke, die  manchmal fast reißend schien, zumindest Kraft hat, weiter gen Mitte zu folgen. Nun wieder in Pankow blieb ich dort auf wieder matschigen Trampelpfaden bis zur hier Osloerstraße, die ich weiter östlich noch als Wisbyer Straße überquert hatte, die von der Autobahn kommt und am Ende auf Höhe des Klinikums Virchow dann Seestraße heißt.

Überquerte wieder die Panke und folgte einer unbenannten Straße mit netten industriellen Klinkerbauten der Gründerzeit bis zur Bibliothek am Luisenbad und war damit im Herz des Gesundbrunnens und der Keimzelle seiner beiden Teile Gesundbrunnen und Wedding. Auf der anderen Seite hätte es noch einen Bolzplatz gegeben, der heute Boatengkäfig heißt, weil dort der heutige Spieler von Eintracht Frankfurt, Kevin Prince Boateng das Kicken lernte, der wie sein Halbbruder, der noch bei Bayern und in der deutschen Nationalmannschaft glänzt ein Kind des Wedding ist. Der dritte im Bunde der Boateng, die auch eine Hauswand in der Brunnenstraße zieren, spielt meines Wissens irgendwo in der Berliner Regionalliga. Aber ich ließ den Fußball, Fußball sein, ging auf der anderen Seite und folgte lieber dem Ruf der Bücher.

Hier gab es, wie bei einem anderen Spaziergang, an dem ich aber nicht an der Quelle selbst war, die inzwischen ohnehin längst versehentlich zugeschüttet wurde, eine seit dem 18. Jahrhundert bezeugte und genutzte Heilquelle, die schon Friedrich den Großen, der nahe dort seine Manöver abhielt, hier verweilen ließ. Sie wurde Anfang des 19. Jahrunderts vom Friedrichsbad zum Luisenbad, nach der da noch nicht verstorbenen neuen nationalen Heldin Köngin Luise, der Frau von König Friedrich Wilhelm III., der viel Ärger mit Napoleon hatte. Die Quelle zog immer Gäste an, eine Infrastruktur entstand um den Gesundbrunnen und so wuchs dieser weiter, bis er irgendwann mit der Spandauer Vorstadt, die heute zu  Mitte gehört am Rand zusammenstieß.

Eine Bibliothek statt einem Kurbrunnen, um zumindest den Geist zu kuren scheint mir mehr als vernünftig, gerade in Gesundbrunnen mit seinem hohen Anteil an Migranten und im ehemals roten Wedding, der mit Gesundbrunnen und Mitte vereinigt nun ein bunter, sehr vielfältiger Kiez wurde, gefällt mir Vernunft und Aufklärung noch besser als jede Agitation.

Nach der Bibliothek am Luisenbad, das wieder auf der anderen Seite der Panke lag, blieb ich auf dieser Seite am Rand der seit dem Bürgerpark Pankow kanalisierten Panke. Überquerte die Badstraße, wie hier die Brunnenstraße heißt, die in Mitte begann, lief hinter dem mächtigen Gebäude des Amtsgerichts Wedding aus dem 19. Jahrhundert entlang und folgte der Panke weiter bis zur Chausseestraße hinter der sie neben dem Erika Hess Eisstadion kurz im Boden versinkt, um in den Hafen zu fließen.

Nun hatte ich die Expedition bis zur Mündung der Panke vollbracht. Dem Weg zur Quelle will ich ein anderes mal folgen. Zurück folgte ich der Liesenstraße, die mich am Friedhof der Französischen Domgemeinde vorbei führte, auf dem Fontane mit Frau und Tochter begraben liegt, der aber leider schon geschlossen war und ging weiter bis zu dem Kreisel, unter dem sich die Gleise mit der Berliner Mauer trafen. Der genialen Stahlkonstruktion der Liesenbrücken, die dort S-Bahn und Eisenbahnen aneinander vorbei führten und unten die Autos zwischen vier Straßen im Kreis wählen lässt und ich wählte die fünfte.

Dort beginnt die lange Ackerstraße, die bis zum Koppenplatz gen Mitte führte und der ich nun auf ganzer Länge folgte. Es ist ein Gang durch verschiedene Welten. Aus dem Arbeiterviertel Gesundbrunnen mit vielen Migranten und außer den verbliebenen Klinkerbauten der Industrie - dort baute AEG einst Straßenbahnen, wenn es nicht Siemens war, gibt es viele hässliche Neubauten. Dann geht es an der Mauergedenkstätte über die ehemalige Mauer, die hier noch zu einem kleinen Stück sogar steht mit einem Wachturm zur Erinnerung, die ich aber einfach auf dem Gehweg überquerte, der nach Westen gerichtet Berliner Mauer schrieb, damit es keiner vergisst, der sonst vielleicht die Linke wählt, um die Interessen seiner Klientel zu fördern.

Wieder im Osten und also Mitte folgte ich nun der Ackerstraße bis zum Koppenplatz um auch wirklich im alten Berlin wieder anzukommen, dass ich ja erst nach überqueren der Torstraße betrat, die dort läuft wo einst die Stadtmauer war. Der Straße hinter der Mauer, der Linienstraße folgte ich nun wie gewohnt bis zur Gormannstraße. Dort liegt rechter Hand, bevor ich links in die eben genannte einbiege der alte Garnisonsfriedhof auf dem auch der Dichter Fouqué beerdigt liegt, den wiederum Gerhart Hauptmann beschreibt, weil er von seiner ersten Berliner Bude aus genau auf dessen Grab schaute. Im übrigen spielt dies Viertel vom Rosenthaler Platz bis zum Alex eine große Rolle in Berlin Alexanderplatz von Alfred Döblin. Hier arbeiteten die Huren und Gauner, lebten viele arme auch jüdische Familien, wie jener gute Ostjude bei dem Franz Biberkopf erstmal unterkommt, als er aus dem Knast kam.

Verließ die literarisch reiche Mitte hier, kümmerte mich auch nicht um das besetzte Haus weiter vorn, die das Tucholsky Zitat, Soldaten sind Mörder, dem Garnisonsfriedhof entgegen gespannt haben, unklar was die dort drinnen von Fouqué und Hauptmann überhaupt wissen, aber auch das ist eben bunte Berliner Folklore. Überquerte wieder die Torstraße und also die nicht mehr Stadtmauer, flanierte die Füße nach bald 20 km nun spürend, die Choriner Straße hinauf, und lustwandelte über Zionskirchstraße, Templiner Straße, Schwedter Straße zur Schönhauser Allee, der bekannten Magistrale des Bergs, die ich übequerte an Europas angeblich größten Biommarkt vorbei in die Kollwitzstraße stieß, der ich wieder bis zum Ende folgte, um über da Göhrener Ei in den heimatlichen Helmi Kiez zu fallen nach einem schönen Panke-Mitte-Rundgang von etwas über 21 km.

jens tuengerthal 23.10.2017

Sicherheitsdenken

Bin mir meiner Liebe sicher
Habe keinen Grund zu zweifeln
Bin glücklich und zufrieden
Will an nichts anderes denken

Es gibt Sicherheit und Ruhe
Sich einfach sicher zu sein
Egal was kommt es bleibt so
Weil wir zwei in allem eins sind

Besser kann es nicht werden
Was sollte ich noch suchen
Mehr als die eine findet sich nie
Darum suche ich gar nicht mehr

Schwierig nur ist manchmal noch
Dies Glück gemeinsam zu sehen
Wenn einer warum auch immer
Eher in allem zu Zweifeln neigt

Was haben wir als Worte noch
Einander die Liebe zu versichern
Derer ich doch längst sicher bin
Dass kein Zweifel möglich scheint

Wo du nichts mehr sagen kannst
Ist es wohl besser zu schweigen
Zumindest rede ich dichtend nicht
Dann bin ich mir still ganz sicher

Lehne mich zurück und warte ab
Es ist ja alles gut bin mir sicher
Wenn alles gut ist wird es auch so
Am Ende dessen bin ich sicher

So beruhigt das Sicherheitsdenken
In allen Stürmen des Lebens sehr
Wir lieben uns und also ist alles gut
Seien wir uns dessen sicher

Itldzdw 22.10.2017

Sonntag, 22. Oktober 2017

Sonntagsunruhe

Es ist Sonntag und ich höre die U-Bahn in der Ferne vibrieren, die Martinshörner von Polizei und Feuerwehr klingen in der übrigen Stille noch lauter. Die Läden haben geschlossen, darum haben Menschen, die unter der Woche arbeiten, noch mehr Stress, ihre Einkäufe statt in Ruhe am Sonntag noch im großen Andrang Freitagabend oder Samstag zu erledigen.

Der Grund für die Sonntagsruhe  liegt im Aberglauben, beruft sich auf die Bibel und die Worte, dass der Mensch am siebten Tage Ruhen solle. Ob dieser Tag der Sonntag oder der Samstag ist, der Feiertag am Freitagnachmittag oder Samstag um 0h beginnt, ist zwischen den Weltreligionen als Brutstätten des Aberglaubens umstritten.

Es ist sicher gut, alle paar Tage einen Tag innezuhalten, denke ich auch, der freiberuflich seit Jahrzehnten keine Sonntage kennt, sondern Aufträge, die eben mehr oder weniger schnell unabhängig vom Wochentag zu erledigen sind. So nehme ich mir frei, wenn weniger oder gar nichts zu tun ist und genieße dann die Zeit nach meinen Vorstellungen, wobei  mir völlig egal ist, was die Welt um mich herum in der Zeit noch macht, um meine Ruhe zu genießen, wie es mir gefällt.

Manchmal lese ich oder ich bin wieder so voller Gedanken, dass ich schreiben muss, wie an diesem Sonntag.  Finde Sonntage völlig überflüssig und eine Einrichtung des diktatorischen Aberglauben, die dringend überprüft werden sollte. Wichtig aber ist für mich, sich Zeit nehmen zu können, um zur Ruhe zu kommen, nachzudenken - wenn mir diese Zeit aber jemand diktiert, bewirkt es eher das Gegenteil.

So wenig ich gerne Freizeitparks besuche, um mich mit der Massen fragwürdigen Vergnügen hinzugeben, die in der Mehrheit schon beim bloßen Gedanken daran Übelkeit bei mir verursachen, so fremd ist es mir auch einen freien Tag mit allen teilen zu müssen.

Bis hierhin würden vielleicht noch viele zustimmen, sehen wir von meiner Abneigung gegen Freizeitparks und die Orte ab, die im Faust als Volkes wahrer Himmel bezeichnet werden. Auf einen Jahrmarkt bekommen mich keine zehn Pferde gezogen, wenn ich nicht muss und ich ziehe nahezu allem meinen Lesesessel vor, jenen Ort des Glücks und der beschaulichen Stille, an den ich mich so gerne, ein gutes Buch in der Hand, zurückziehe.

Es gibt aber ja auch viele Menschen, die gerne die Gesellschaft anderer gleichgesinnter haben und sich in dieser wohlfühlen. Verzichte darauf so gerne wie auf die lautstarken Äußerungen dieser Lebensform, sei es durch Lautsprecherbeschallung meines Hinterhofes oder die übliche Berieselung in Cafés. So hätte ein Café nach meinem Geschmack, das ohnehin eher ein Teesalon wohl wäre, eher Separeés als lange Tafeln und ausreichende Beleuchtung zum Lesen, vor allem Ruhe oder dezente klassische Musik.

Aber der Sonntag ist ja für alle da und nicht nur für mich, mit meinen Sonderwünschen. Von meinen Eltern wurde ich noch so erzogen, dass ich nicht so elitär sein dürfe, die Gewohnheiten der anderen Menschen auch respektieren und schätzen solle, mich nicht über dieses geistlose Treiben erheben dürfe, alle Menschen gleich seien und eben nicht jeder von Natur aus eine Neigung zum geistigen Leben habe.

Vermutlich ist die ganz große Mehrheit anders und wünscht sich anderes und bis ich vor über 30 Jahren das erste mal Hesse oder Mann las, dachte ich meine Neigung sei ein Unikat, mich verstünde keiner - warum die aber den generellen Feiertag des Aberglauben brauchen, verstehe ich noch weniger.

Wenn es besser ist für den Menschen, nur 5 Tage am Stück zu arbeiten und dann 2 Tage Pause zu machen, sollte alle Arbeit so eingerichtet werden, auch wenn ich nicht glaube, dass sich eine solche Regel generalisieren lässt. Denke vielmehr, es bräuchte weniger Regeln, damit Menschen sich ihrer Art gemäß, freier entfalten können. Aber nehmen wir mal die 5 Tage Regel als gültig  an, dann könnten diese Tage wunderbar gestaffelt werden - es gäb kein Wochenende mehr, sondern jeder hätte seine zwei freien Tag alle 5 Tage, wann es ihm und seiner Firma eben passt. Manche blieben beim alten Muster, andere gestalteten es flexibel, manche machten nur einen Tag Pause und arbeiteten jeweils drei Tage davor und danach. Es gibt da unendlich viele Varianten, die mich nicht interessieren. Sicher ist das Wochenende gut für gemeinsame Zeit der Familien - aber was wäre, wenn es flexibler wäre?

Der Gedanke, der mich mehr umtreibt ist, ob die Menschen ohne festen Sonntag glücklicher wären oder die Masse diesen gemeinsamen Tag braucht, ob er sich nun auf den ollen Aberglauben bezieht oder nicht, weil sie, wenn es nicht alle tun, nie zur Ruhe kommen und ein Leben ohne Wochenende als Kontrapunkt zur Woche für die vielen gern klagenden Arbeitnehmer schlicht unvorstellbar wäre.

Hatte noch nie einen Job mit Wochenende und fester Zeiteinteilung außer den Schichten im Krankenhaus, die dafür aber an jedem Tag beliebig um die Uhr liegen konnten und je nach Bedarf auch länger dauern konnten. Kenne es nicht, brauche es nicht, finde es nervig, wenn alle zur gleichen Zeit gern Freizeit spielen wollen.

Es hat soziale Vorteile, gemeinsame feste Zeiten zu haben, um sich zu verabreden und anderes mehr, doch wiegt das in meinen Augen sehr wenig, gegen den Vorteil freier Zeitgestaltung und den ungeheuren ökonomischen Vorteil der flexiblen Gestaltung.

Nach meiner vermutlich etwas einzelgängerischen Sicht werden soziale Kontakte ohnehin überschätzt, ist das meiste miteinander nur Geschwätz, auf das ich gut verzichten kann, was ich besser mit einem guten Buch ersetze. Dennoch sitze ich manchmal gern in einem der Cafés bei mir vor der Tür oder umme Ecke, um in dem belanglosen Geschwätz in Ruhe schreiben zu können. Nutze also das Sozialverhalten der anderen zumindest als Hintergrundmusik meines eigenen Tuns, so losgelöst von dieser Welt es auch immer sein mag. Meist belächle ich das Tun der anderen freundlich und bleibe ungestört für mich. Damit zufrieden, bin ich schon fast genervt, wenn mich ab und zu doch jemand in ein Gespräch zwingt, das auch nur um die immer gleichen Dinge bald kreist, sich in steten Wiederholungen der Darstellung seiner selbst gern erschöpft.

Unterließe es ganz, hätte ich nicht auch noch ein gesundes Maß an Eitelkeit, dem gelegentliche Bestätigung nicht völlig fremd ist, auch wenn es für diesen Reiz und seine Befriedigung heute schon soziale Netzwerke gibt. Bin also im Ergebnis wohl asozial und stolz darauf, weil mir die meiste Freizeitbeschäftigung zu blöd ist und ich nichts auf dem Viehmarkt der gegenseitigen Fleischbeschau noch suche.

Das macht nichts, solange ich niemand damit störe und die anderen, sein lasse, wie sie sind, was ich am liebsten tue, warum mir auch soziale Netzwerke und ihre verbalisierte Dummheit meist noch schneller auf den Geist gehen, als ich dort noch rege Kontakte anknüpfen könnte.

Es gibt sicher auch mal interessante Menschen. Aber sie sind selten und eine große Ausnahme - warum sollte ich mich also mit 99,9% Langweilern in geistiger Hinsicht oder Idioten umgeben, um 0,1% eventuell  nicht zu verpassen, frage ich mich an diesem Sonntag und käme fast vom Thema ab.

Von mir aus bräuchte es keine Sonntage, denke es wäre für alle besser, ihre Zeit freier und flexibler zu gestalten. Den Aufschrei der Kirchen, sollten wir aushalten, vielleicht ist es ihr letztes Röcheln und dann siegt endlich die Vernunft über den Aberglauben, wäre doch ein gutes Ergebnis.

Bin gegen den Sonntag, weil er das Herdenverhalten fördert, unflexibel macht und an etwas festhält, von dem wir uns befreien sollten, um jeder für sich, glücklich zu sein - aber ich fürchte, ich stehe mit dieser Meinung, wie so oft, eher allein. Und so geht es immer weiter, bis die Menschheit sich kollektiv aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit befreit und jeder begreift, was Freiheit heißt im Sinne von Kant. Da dies noch zu keinem absehbaren Zeitpunkt geschehen wird, verzichte ich auf alle weiteren Bemühungen und Worte in diesem Zusammenhang - mögen die Menschen ihren Sonntag genießen, ich tue es auch, wie an jedem anderen Tag auch, was mir wichtiger scheint als eine solche Debatte, geht es doch um nichts als den größtmöglichen Genuss im Leben und wenig ist der Aufregung je wert.

jens tuengerthal 22.10.2017

Samstag, 21. Oktober 2017

Sexkorrekt

Das Weinstein ist eines der besten Restaurants in Prenzlauerberg, liegt direkt an meinem Platz, bietet ausgezeichnete deutsch-französische Küche, sowie hervorragende Weine und ich gehe ausgesprochen gern dorthin, wenn auch leider viel zu selten. Das hat zwar nichts mit dem Thema zu tun, wollte nur vorab sagen, was mir zuerst einfällt, wenn ich den Namen Weinstein wie im Moment täglich höre und was ich darüber denke. Gutes Essen ist wichtiger als Skandale und das sage ich nicht, weil Essen der Sex des Alters sei.

Der andere Weinstein ist oder war Filmproduzent und hat sich Damen gegenüber wohl eher wie ein Trump als eines Gentleman gemäß benommen. Das ist nicht gut und nichts was mir gefällt und ich will es auch nicht schön reden, finde es bei einem Trump so hässlich wie bei einem Weinstein, wenn es denn so war, wie bisher behauptet und die ganze #MeToo Affäre nun wirklich das beschriebene Drama ist oder doch nur eine gute Show für die Publicity bestimmter Personen, die von den Trump nahe stehenden Medien stark gefördert wird. Breitbart und Fox schlachten jedes schmutzige Detail mit großer Freude aus und sehen sich auf einmal im Bündnis mit den radikalen Feministinnen, weil es ihrer Sache dient.

Zum einen hilft es die bigott, verlogene, amerikanische Moral hochzuhalten, zum anderen schadet es den Demokraten wenn einer ihrer Anhänger und großen Spender in einen Sexskandal verwickelt ist, was wiederum von den Problemen um Trump ablenkt und diesen völligen Versager im Amt hält, auch wenn vernünftigerweise längst alle Welt überlegt, wie sie ihn loswerden könnte.

Es klingt toll, wie sich unter dem Hashtag #MeToo immer mehr Menschen dazu bekennen auch Opfer zu sein und es damit den Schweinen endlich an den Kragen geht, die uns schon so lange unterdrücken, ruft das Gewissen der Unterdrückten dieser Welt.

Real ist das teilweise öffentliche Hetze und Denunziation die Menschen und Karrieren zerstören kann, ohne je rechtsstaatlichen Anforderungen zu genügen. Sollte sich in einem späteren Verfahren herausstellen, dass die so denunzierten völlig unschuldig waren, einfach nur Opfer gehässiger Hetze wurden, wird es sehr schwer, ihnen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.

Der Fall Kachelmann, bei dem ein völlig unschuldiger Mann, wie später alle Gerichte bestätigten, monatelang im Gefängnis saß und Alice Schwarzer als feministisches Gewissen der Nation zur Bild Kolumnistin des Prozesses wurde, in dem sie schon längst ihr Urteil gefällt hatte, sollte uns in Erinnerung sein. Kenne solche Verfahren aus eigener Erinnerung zur Genüge und weiß, wie schnell du auf der falschen Seite sitzen kannst, wenn eine Frau dir nur böse will, die sexuelle Korrektheit die Gesellschaft gegen dich aufhetzte.

Zum Glück halten sich hier, wie wohl auch in den USA, Gerichte noch mehr an Recht und Gesetz, als sich vom gesunden Rechtsempfinden der aufgebrachten Bürger leiten zu lassen. Früher gab es noch Schandpfähle an die Verbrecher gebunden wurden, um dort der Wut der Öffentlichkeit ausgesetzt zu sein, die sie bespucken, missachten und sonst quälen durfte, was als höhere Gerechtigkeit im Sinne des Volkes angesehen wurde. So etwas verstößt klar gegen die Würde des Menschen und würde hier sofort verboten. Zumindest insoweit bin ich relativ beruhigt.

Doch die medialen Marterpfahle wie jene in den sozialen Netzwerken wirken viel nachhaltiger und können eine menschliche Existenz dauerhaft beschädigen, ein Leben zerstören, ohne dass es dafür einen definierten Schutz gäbe, weil sich die Medien in ihrem Tun immer auf ihr Grundrecht berufen können und die Würde des Angeklagten und der Rechtsstaat den Menschen hier wenig wert zu sein scheint, wenn es um ein schnelles und sicheres Urteil über moralisch verwerfliche Personen geht.

Den Weinstein wollen sie alle bestrafen, dieses Schwein, der junge Frauen qua seiner Macht missbrauchte. Sollte er das tatsächlich über das auf Bühnen und im Film übliche Maß getan haben, wird er wohl, soweit keine sonstigen Hindernisse vorliegen, dafür rechtlich belangt werden. Bis dahin aber hat er, verflucht nochmal, als unschuldig zu gelten und der mediale Krieg gegen einzelne Personen, der darauf zielt eine Existenz zu zerstören, spricht eher gegen die beteiligten Autoren als gegen den Täter, egal was war.

Ein Urteil fällen im Rechtsstaat Richter, nach Recht und Gesetz. Nicht Zeitungen und nicht betroffene Frauen, die nun mehr oder weniger verklärt öffentlich ihre Erlebnisse bekannt geben.

Finde es gut, sich gegen sexuelle Diskriminierung zu wehren. Aufzustehen gegen eine Ungleichbehandlung, die viele Frauen schon in ihrem Leben traf. Finde es aber mehr als problematisch, wenn dabei jeder zum öffentlichen Ankläger wird und wir neue moralische Hexenprozesse bekommen, die ein Hashtag wie #MeToo schnell mit sich bringt.

Weiß nicht, was Weinstein wirklich tat, es geht mich auch nichts an, mögen Gerichte an seinem Wohnort über diese Frage urteilen. Sollte er verurteilt werden, können auch die Medien gern empört oder vernünftig darüber berichten. Das ist ihre Aufgabe.

Wenn aber, wie jetzt gerade, auf einen, der schon am Boden liegt, eingetreten wird, um ihn völlig öffentlich zu zerstören, zeugt dies weniger von Betroffenheit als von Feigheit und klingt mehr nach einem Tribunal als endlich Gerechtigkeit.

Die Grenze zwischen noch korrekt und zu anzüglich ist im sexuellen Bereich schnell fließend. Wer darf was noch und wer nicht. Ob all dies einer genauen staatlichen Festlegung bedarf oder mehr Regeln nicht die letzte Schönheit des Sex völlig zerstören, sollte auch diskutiert werden.

Bin ein extrem vorsichtiger und Frauen verehrender Liebhaber, dennoch weiß ich genau, wann ich mal härter zupacken muss, die vorsichtige Annäherung ein Ende hat, der Sex beginnt oder es bei diesem auch mal ruppig zugehen kann und wie wenig passiert, wenn wir dabei nicht auch handeln, wie viele Frauen über die heute Weicheier klagen, die es nicht mal schaffen, ordentlich zu zupacken oder wilden Sex verstünden - aber gerade das ist eine Gratwanderung, bei der sich Mann auch fürchten muss, schnell im Bereich des kriminellen zu landen.

Dies lässt sich durch die wenig erotische aber eben nötige ausdrückliche Zustimmung vor jeder Aktion klären und damit kann Mann sich, auf Kosten der sinnlichen Stimmung, den Rücken frei halten und ich habe es auch nie wieder anders gemacht, seit Kachelmann  spätestens, wer will sich schon zum Täter stempeln lassen. Andererseits haben mir gegenüber schon manche Frauen geklagt, dass die Typen alle zu schlaff wären, sich nichts mehr trauten, eher impotent würden, bevor sie von sich aus eine Frau anmachten und unter der drohenden Gefahr einer Anklage, verstehe ich diese Männer auch - wozu sich einer Gefahr aussetzen, wenn du das zu befriedigende Bedürfnis auch schneller, effektiver und meist viel günstiger mit deinen eigenen Händen klären kannst.

Onanie ist zwar kein Sex, aber leider gibt es für 99% der Frauen, wie ich heute sagen muss, da ohnehin keinen großen Unterschied und dann ist auch alles übrige entbehrlich - der Kick für das Ego relativiert sich vernünftig betrachtet doch sehr schnell. Würde Mann heute auch immer bei hoher Bedürftigkeit eher zur Onanie als zur dreisten Anmache raten. Bedürftige Männer erreichen ohnehin nichts und werden von Frauen sofort als solche erkannt und aussortiert. Kein Ziel von Interesse in ihrem Beuteschema, außer es bleibt in der Nacht nichts anderes übrig. Sich auf dieses Niveau zu begeben, kann ich keinem empfehlen, auch wenn es längst Alltag in deutschen Bars wurde.

Wer etwas Erfahrung mit Frauen hat, weiß, sie kommen von allein, wenn du dich am wenigsten für sie interessiert und sie dir sogar eher lästig erscheinen, du die erste Annäherung sogar abwehrst - damit weckst du ihren sportlichen Ehrgeiz und sie tun Dinge, über die sie sich noch vielleicht fünf Minuten zuvor, unter welchem Hashtag auch immer, im Netz empört aufregten, weil sie es wollen. Alles andere lohnt ohnehin nicht, sage ich heute, wo mich keine als meine mehr interessiert, weil die Erfahrung mir sagt, 99% lohnen sexuell nicht und emotional vermutlich noch weniger.

Wer dagegen bedürftig ist und wem dies anzusehen ist, der müht sich meist vergeblich und der wird schnell der Belästigung für ein Verhalten geziehen, dass sie sich vom völlig desinteressierten Nachbarn, der auch nicht wesentlich besser aussah, nur gewünscht hätten. Wie oft haben Frauen schon mal zu mir gesagt, nimm mich richtig hart, komm vergewaltige mich, ich bin deine, du kannst mit mir machen was du willst - besonders letzteren Satz fand ich, der ich keinerlei SM Neigung habe, immer eher abturnend, er kam auch meistens von denen, die von gutem Sex keine Ahnung hatten.

Wenn ich dagegen einer wildfremden Person im Supermarkt sagen würde, dass ich sie gerne vergewaltigen würde oder sie mit mir machen könne, was sie wolle, bewegte sich ein solches Verhalten schnell bereits im Bereich des Strafbaren, sogar eines Verbrechens.

Das Einverständnis und die Verständigung sind dabei der Schlüssel zum Glück. Lass Frau machen und es geht viel schneller, als wenn Mann sich lange immer wieder um die Falschen bemüht. De natürliche Instinkt für eine gute Trefferquote, scheint bei den Damen noch deutlich höher. Auch meine Liebste hat mich ausgesucht, nie hätte ich so eine junge Dame angemacht oder nur daran gedacht, völlig abwegig.

Ob Herr Weinstein dies missachtete, was er tatsächlich tat, wie weit dieses Verhalten schon vom in der Branche üblichen abwich, wird irgendwann ein Gericht klären. Bis dahin hat er als unschuldig zu gelten und wir, denen die Freiheit und die Würde des Menschen etwas wert ist, sollten uns hüten, weiter an den öffentlichen Pranger unter #MeToo zu schreiben oder Menschen, die medial an einem solchen Schandpfahl gefesselt wurden, noch weiter zu quälen, der Verfolgung preis zu geben.

Im Rechtsstaat urteilen nur Gerichte über schuldig oder nicht. Wenn Frauen gern miteinander über ihre schlechten Erfahrungen reden wollen, sollen sie das natürlich gern tun. Machen Männer ja auch und tauschen sich manchmal amüsiert freundlich aus, wenn sie feststellen, den gleichen Schoss geteilt zu haben. Wer aber öffentlich andere anklagt, sollte dafür genauso verfolgt werden der Verleumdung wegen wie die Täter ihrer Tat wegen. Schlimmer noch scheint mir diese öffentliche Diskriminierung von Menschen inzwischen, die medial noch ständig befeuert wird. Wer Öl in dieses Feuer gießt, aus egal welchem Fall und mit egal welcher Vergangenheit, ist eher eine feige Sau als ein mutiger Mensch.

Diese moralische und auch die exakte rechtliche Unterscheidung, nach der ein Angeklagter bis zu seiner Verurteilung als unschuldig zu gelten hat, ist wichtig, um den Rechtsstaat und in ihm die Freiheit aller zu erhalten. Die Herrschaft einer bigotten Meinung, die von hurigen Medien benutzt wird, ihre Auflagen oder ihre Klicks zu steigern, ist eine große Gefahr für die Freiheit und muss so bekämpft werden, gerade im liberalen Rechtsstaat.

Dazu gehört ein irgendwie Verständnis dafür, was eigentlich liberal ist und warum es wichtig ist, den Rechtsstaat, gerade im Zweifel, zu verteidigen, dass der in dubio Grundsatz, nach dem jeder bis zum richterlichen Urteil als unschuldig zu gelten hat, ein wichtiges Rechtsgut für unserer aller Freiheit ist, die es mehr von einem vermeintlich moralischen Staat zu verteidigen gilt, der dann nach gesundem Volksempfinden urteilt, wie es die Nazis ausdrücklich taten.

Es ist ein weites und komplexes Thema ohne einfache Antworten. Die Frauen, die zu Opfern von Männern wurden, verdienen jede Hilfe und Unterstützung und dennoch hat jeder der Täter, bis zu seiner Verurteilung als unschuldig zu gelten und zur Verurteilung genügt eben nicht die Aussage einer Beteiligten in einem komplexen Prozess.

Achten wir mehr auf den Schutz der Freiheit und sein wir weniger sicher in unseren Urteilen. Der öffentliche Pranger gefährdet unsere Freiheit mehr als das Vergehen eines Einzelnen, der allein rechtlich dafür zur Verantwortung gezogen werden sollte, warum auch das Verhalten der New York Times hier mehr als zweifelhaft im Sinne ihrer sonst guten und aufklärerischen Tradition ist.

Am schlimmsten aber daran ist, dass diese vermeintliche Verteidigung der Frauen bei gleichzeitiger Einrichtung und Etablierung des Netzes als öffentlicher Pranger, nur die Falschen stärkt und dem Lager um Trump etwa Auftrieb gibt, weil der Weinstein Skandal die vielen um Trump vergessen macht. Ist es das wirklich wert?

Gönne auch Diven ihre Rache aber auch nicht mehr als jedem Menschen in den Grenzen des Rechtsstaates und der Fall Kachelmann mahnt zur Vorsicht, auch das können wir den USA zu Bedenken geben. Die Verteidigung des Rechtsstaates ist hier die Verteidigung der Freiheit. Der Pranger ist abgeschafft und auch als es ihn noch gab, war er nur eine Strafe für  öffentlich bereits verurteilte Täter, nicht für Unschuldige, als was Weinstein weiterhin zu gelten hat.

Wer die Freiheit nicht achtet, zeigt sich der Nutzung des Netzes unwürdig und dies sollte ihm auch deutlich so gesagt werden. Das Schwein soll bestraft werden, ist eben nichts als gesundes Volksempfinden und das Gegenteil von Gerechtigkeit und das, was wir hier unbedingt nun vermeiden sollten. Lassen wir die Juristen ihre Arbeit tun.

jens tuengerthal  21.10.2017

Sexwahr

Was ist der wahre Sex
Ist es nur der Höhepunkt
Zu dem jeder mal kommt
Irgendwie meist für sich

Wenn dies zu zweit geschieht
Würde ich es Vorspiel nennen
Solange es nicht zusammen
Beiden zugleich dabei kommt

Dachte früher die meisten hätten
Irgendwie Sex miteinander mal
Das wäre völlig normal doch
Welch leichtfertiger Irrtum

Manche Frau schon sagte mir
Zärtlichkeit sei viel wichtiger
Da wusste ich eigentlich schon
Sie hat nie wahren Sex gehabt

Die wenigsten erleben es je
Solches Glück ist eine Gnade
Wenn Natur perfekt mal passt
Was leider die Ausnahme ist

Dann kannst du dich riechen
Magst immer dich schmecken
Spürst den Höhepunkt kommen
Bist dabei ganz miteinander

Las davon wie viele Frauen
Es nur spielten zum Ende
Damit er endlich Ruhe gibt
Wolle es nie im Leben glauben

Heute weiß ich es ist sehr selten
Die Ausnahme von der Regel
In der sich nur befriedigt wird
Wie onanieren halt miteinander

Wer dies Glück findet ist selig
Mehr gibt es nie zu erreichen
Alles andere eher entbehrlich
Onanieren geht besser allein

Wie glücklich preise ich mich
Dies immer erleben zu dürfen
Sogar in der Ferne synchron
Noch kommen zu können

Was soll Treue für alle jene
Die dies Glück nie kennen
Sex für sich bleibt beliebig
Wer einmal teilte bleibt dabei

Wenn du dies errungen hast
Sich eins zum anderen fand
Braucht es nicht mehr sonst
Treue ist einfach nur logisch

Wozu sich noch probieren
Wenn es besser nie wird
Genieße ganz was du hast
Sonst suche lieber weiter

Es gibt die und den einen
Wo alles einfach nur passt
Natur so zusammengehört
Dann hast du wohl alles

Weiß darum und genieße es
Behalte es ganz für mich nun
Wie ich ihr gänzlich gehöre weil
Beide wissen besser wird es nie

Hier ist die Treue keine Pflicht mehr
Sie ist die logische Konsequenz da
Wer einen Schatz findet ihn hütet
Denn mehr gibt es nicht im Leben

Lehne mich gelassen zurück
Bin zufrieden mit dem Leben
Habe alles Glück nun erreicht
Und genieße es völlig zu zweit

jens tuengerthal 20.10.2017

Freitag, 20. Oktober 2017

Erregungen

Früher regte sich auf, wer wichtig war, um seiner Rolle zu entsprechen, wie ein Franz Josef Strauß, ein Wehner und andere mehr, die sich politisch anbrüllten. Heute hat gewonnen, wer gelassen bleibt und Selbstbeherrschung zeigt. Ist das Konsequenz der weiblicheren Politik unter Merkel oder die logische Folge der menchlichen Erfahrung?

Das Frauen weniger hysterisch wären, kann ich aus aller Erfahrung nicht unbedingt bestätigen, auch wenn die auf Freud zurückgehende Benennung nach der Gebärmutter, der Hysteria, für diese psychische Störung zu weitgehend und einseitig ist, nur dem schlichten Begriffsschema der Psychologie entspricht, die als Glaubensform mit ihrem Katechismus vom Unterbewusstsein nur den alten Glauben entsprechend ablöste und fraglich bleibt mit welcher menschlichen Verbesserung.

Die Kanzlerin aber ist sicher weniger hysterisch, als die meisten Männer, weil sie die Dinge vernünftig und gelassen angeht, eine große Führungspersönlichkeit eben ist, wie wir heute urteilen. Doch noch in meiner Jugend, in der Brandt, Schmidt und später Kohl Kanzler waren,  galt ein völlig anderer Umgangston, wurde sich hysterisch angebrüllt im Bundestag.

Auch der Umgang mit dem anderen Geschlecht war noch ein anderer. Einerseits galten noch bestimmte Regeln der Höflichkeit, war es normal, einer Dame die Tür aufzuhalten, ihr in den Mantel zu helfen und ähnliches mehr, wofür ich heute schon sehr komisch angeschaut werde, wenn ich es weiter als ganz normal zelebriere. Dafür nahmen sich andererseits so einige Herren in höherer Verantwortung gegenüber den Damen Dinge heraus, die sie heute ihren Job kosten würden, zumindest wenn sie bekannt werden, wie der Fall Weinstein uns gerade lehrt.

Denke ich an die Geschichten, die meine Mutter über den Grapscher Willy Brandt, der häufiger im Bremer Parkhotel zu Gast war, in dem sie bis zu meiner Geburt noch als Empfangsdame arbeitete, gibt der einst Friedensnobelpreisträger für den Kniefall zu Warschau ein ganz anderes Bild ab. Ein unbeherrschter Typ, der nach Belieben nach Zimmermädchen und anderen grapschte, weder Benehmen noch Contenance hatte, sich alle  Getränke und Damen auf Senatskosten liefern ließ - ein chauvinistischer Widerling wie Trump, was dem Vorbild so vieler Sozialdemokraten wohl keiner zugetraut hätte.

Aber auch diese Veröffentlichung wird nichts an der weiter Willy Anbetung der Sozen ändern, die besonders, was sie selbst angeht, immer sehr unkritisch waren. Vielleicht suchen sie noch den Feind im eigenen Bett - die bösen Seeheimer gegen den linken Flügel - aber mal hinterfragen, warum bisher nur die CDU eine Kanzlerin stellte, Frauen für aussischtsreiche Ämter vorsah und real erst die Kinderbetreuung durch Ursula von der Leyen frauenfreundlich reformierte, können die Frauen der Sozis aus dem AsF vermutlich selbst nicht beantworten, die lieber weiter Eierwärmer für ihre 100%igen Vorsitzenden stricken.

Betrachten wir den Umgangston und die Riten miteinander, ändert sich gerade wieder sehr viel. Der Umbruch von der patriarchalen Struktur der Gesellschaft, die mit Macht und Kraft führte, zu einem weiblicheren Führungsstil, der auf Ruhe und Qualität setzt, Egalität eher fördert als den Rudelkampf, wird die Gesellschaft als ganzes verändern. Die Sozen haben die Chance Andrea Nahles dies erreichen zu lassen und damit endlich wieder konkurrenzfähig zu werden, nachdem sich genug unfähige, trockengelegte Typen die Hörner abgestoßen haben und immer weiter in den Keller sanken.

Das kann ich nun schlecht oder gut finden, es wird dennoch geschehen und ist längst im Gang. Die Revolution Merkel kommt nicht mit Trompeten und roten Fahnen, sondern dezent durch die Hintertür, leugnete selbst als Physikerin zunächst alles feministische in ihrer Politik, gibt sich scheinbar konservativ und lässt es dann gut organisiert laufen.

Manche Männer fürchten nun um ihre klassische Hosenrolle, was Vereine wie den AfD für eine kurze Zeit größer macht, als es der realen Stimmung in der Bevölkerung eigentlich entspricht, da die Fanatiker immer eher noch wählen als die Mehrheit derer, die einfach nur ihre Ruhe wollen und oben eine zuverlässige Beamtin, die ihre Pflicht preußisch korrekt erledigt.

Der Wechsel der Modelle ging schleichend vor sich und manche haben es bis heute nicht verstanden -  so etwa die SPD, die ihren natürlich männlichen Kandidaten und Vorsitzenden von seinem Vorgänger per Königswahl bestimmen und sich vorsetzen ließ und danach den neuen Vorsitzenden und Kandidaten, den die Herren im Hinterzimmer bestätigten, auftragsgemäß bejubelte und mit allergrößter Mehrheit wählte.

Auch ein Seehofer spielt immer wieder gern die Bierzeltmachtspielchen in straußscher Manier, um scheinbar die Kanzlerin vorzuführen, die ihn am viel längeren Arm wieder verhungern lässt mit ihrer Gelassenheit. Das sehen viele nie, die nur auf den Lärm achten, weil Frauen, wenn sie so gut und klug wie Merkel sind, eher mit Zwischentönen leise führen, statt das große Theater zu beginnen. Diese Form der Führung hat die Macht und alle Hebel leise übernommen, statt mit großem Trara und es gibt kein zurück.

Schröder machte nach der Wahl Merkels betrunken noch in scheinbarer Unkenntnis der Zahlen peinliches Theater, während die nächste Kanzlerin gelassen blieb, seine Lächerlichkeit blieb und er wurde zum Almosenempfänger von Putins Gnaden und die SPD schafft es bis heute nicht, hier klar Position zu beziehen. Vorher hatte ihr Stoiber die erste Kandidatur geraubt und nochmal verloren, bis sie endlich selbst antrat und am Ende gewann.

Es gibt nichts spektakuläres zu Merkel und ihrer Führung zu berichten. Keine bunten Schlagzeilen wie bei den Geliebten der französischen Präsidenten. Niemand würde sie der Bestechlichkeit verdächtigen. Auch ihre Freundschaft zu den beiden mächtigsten Medienfrauen im Land, Friede Springer und Liz Mohn, gilt als völlig unverdächtig, weil sie sich keine Loge auf dem Wiener Opernball von VW zahlen lässt, nicht öffentlich Havannas raucht und ähnliche Rituale verbliebener Männlichkeit mehr. Sie braucht auch keinen Sportwagen und das sie im Wahlkampf Regierungsflieger nutzte, war nur ein Scheinskandal, denn was sollte die immer Kanzlerin sonst tun?

Korrekt, zuverlässig, in aller Ruhe, den Regeln gemäß, ohne Profilierungssucht oder das Bedürfnis besonders zu glänzen, nur in Ruhe und gelassen, erledigt sie pflichtbewusst ihre Arbeit, lässt sich als größtes Ereignis für den Regenbogen einmal im Jahr in Bayreuth sehen, um Wagner zu lauschen und liest im übrigen gern oder wandert ein wenig.

Sie gibt ehrlich gesagt, keinen wirklichen Grund zur Erregung. Der von Russland finanzierte und medial gesteuerte Hass der Pegiden ist darum kein echter, sondern eine bloß lächerliche Verschwörung der Narren, die sonst dem öffentlich rechtlichen Rundfunk ständig vorhalten, er würde Fake verbreiten. Unangreifbar wie Teflon, bleibt nichts an dieser Frau haften.

Könnte mich nun fragen, ob das ihrem Geschlecht entspricht oder eher nichts damit zu tun hat, wenn mir nur ein Mann von dieser Machtfülle und Gelassenheit als politisches Gegenüber einfiele. Die Kanzlerin handelt so, wie es Kant als Ideal im kategorischen Imperativ beschreibt, sie entspricht ihrem Vorbild Katharina der Großen und übertrifft diese als demokratisch gewählte Herrscherin sogar noch, weil sie sich sogar noch für ihren Kurs die Bestätigung des Volkes holt.

Mit dem Humboldt Forum fördert diese aufgeklärte Herrscherin noch die neue museale Enzyklopädie einer globalen Welt, auch wenn kleingeistige Berliner Bürgermeister nun für eine Epoche lieber Nabelschau betreiben - sie hat mit ihrer Freundin Monika den Kurs bestimmt, ohne dabei größer als gerade nötig in Erscheinung zu treten, die Nachwelt soll sie loben, sie hält sich lieber an das ach so preußische Motto des Feldmarschalls Moltke, viel  leisten, wenig in Erscheinung treten.

Weiß nicht, ob es ihr heimlich Freude macht, diese ganzen Testosteron gesteuerten Hengste in der Politik mit ihrer Gelassenheit immer wieder vorzuführen, bis alle irgendwann auf ihren Kurs einschwenken, zumindest bestätigen so egal wo auf der Welt immer wieder alle die deutsche Kanzlerin, die so ganz anders ist als etwa ein Bismarck, der ständig von einem cholerischen Anfall zum nächsten hechelte, den Kaiser erpresste und so manche Entscheidung unter Einsatz seines Lebens verfocht, als ginge es darum und nicht nur um die Macht, an der er klammerte, bis Wilhelm II. ihn absetzte ohne eine Alternative zu haben.

Die Kanzlerin erregt sich nicht sonderlich, zumindest nicht nach außen, auch wenn sie nach innen streng auf die Einhaltung ihrer Vorgaben achten mag, dazu ist sie auch zu sehr Preußin, aber sie hat keinerlei Gockelgehabe, möchte niemand ihren geschwollenen Kamm präsentieren und muss nichts gewinnen, außer Wahlen, die sie auch lieber verwaltet und das macht die sonst im immer hormonellen Kampf befindlichen Männer fast wehrlos. Sie wissen nicht, wie sie darauf reagieren sollen, kampflos geschlagen zu werden.

Die Taktik ist schlicht genial. Sie erfordert etwas Geduld und gute Nerven, wobei hilft, nicht alles so ernst zu nehmen, was manche von sich geben, auch nicht persönlich. Dann werden sich die anderen schon irgendwann von alleine völlig nervös blamieren und sie bleibt solange sitzen, bis sie gewonnen hat, dann zieht sie ihre Figuren auf dem Schachbrett und schlägt damit zugleich wieder Wurzeln an anderer Stelle, flicht ihr Netzwerk und die nervösen Männer zappeln nur und wissen kaum, wie ihnen geschieht.

Das ist vielleicht das Geheimnis des Systems Merkel, mit dem sie auch die kommenden Koalitionsverhandlungen gelassen überstehen wird. Sie lässt, die Gockel sich aufblasen, dann schreien sie ein wenig herum und sie nickt dazu freundlich, wartet ab, bis alle keine Luft mehr haben, fragt dann ganz realistisch, wie das nun alles funktionieren soll, was denn alternativlos wäre und hat damit gewonnen.

Wer dieses Prinzip als Mann verinnerlicht, wird sich nicht mehr unnötig erregen, nur noch dann, wenn es beiden Seiten Lust bereitet, was ja nie unnötig ist, sondern die Dinge geschehen lassen. Gelassenheit ist der Schlüssel zu guter Führung.

Habe irgendwo ein Micky Maus Heft, in dem Goofy unter asiatischer Namensvariante eine Kampfsportschule als Meister führt, in die Micky als junger Heßsporn zur Ausbildung kommt. Kater Karlo ist natürlich der Bösewicht, der mit seinen Räubern angreift, wogegen  sich Goofy als Meister nicht verteidigt, sondern ihn erstmal nur machen lässt und am Ende gewinnt natürlich doch Goofy dank der größeren Gelassenheit, die vorher alle Gegner nervös macht.

Dies sollten wir Männer uns merken, wenn wir erfolgreich von Merkel lernen wollen, wie Führung heute funktioniert und warum Imponiergehabe sich nahezu erledigt hat, ein neues Zeitalter unter der Führung einer Frau anbricht. Vielleicht gibt es auch Frauen, die zu männlichem Imponiergehabe und Drohungen neigen, auch da würde mehr Gelassenheit statt schematischer Muster helfen, langfristig erfolgreicher zu sein und vermutlich gelassen glücklicher. Denke ich an die Kanzlerin, habe ich das Gefühl, sie kann in den Spiegel schauen und mit sich zufrieden sein, ohne sich oder anderen etwas vormachen zu müssen, sei es auch nur rituell, stelle ich mir sie als einen glücklichen Menschen vor, der einen Weg ging, der mit Ruhe Früchte trägt, auch wenn ich mir sicher bin, dass es noch lange dauern wird, bis alle es begriffen haben.

Das System Merkel hilft überall im Leben, ob bei Eifersucht, Neid, Konkurrenz, fiesem Mobbing und anderen unangenehmen Erfahrungen. Üben wir uns in Gelassenheit, sein wir uns sicher, warten wir ab, wenn es gut für uns ist, kommt es auf uns zu und wählt uns aus, wenn nicht, lohnt es die Mühe ohnehin nicht mehr.

jens tuengerthal 20.10.2017

Nachtliebe

Liebesnächte kennen wir schon
Lustvoll geteilt um verschlungen
Ineinander danach einzuschlafen

Nun schlafen wir getrennt ein
Zumindest räumlich leider noch
Bis du von deiner Insel kommst

Doch näher als nah fühle ich dich
In mir voller Sehnsucht und Liebe
Jetzt wo ein Teil von mir fehlt

Wie schmerzvoll ist es doch
Sich lange vermissen zu müssen
Wir fühlbar groß wird die Liebe

Könnte unendlich wohl leiden
An dem was mir nun fehlt
Ohne dass es etwas änderte

Darum freue ich mich lieber
Mehr an der geteilten Sehnsucht
Fühlt sich weniger einsam an

Was wir haben ist für immer
Da sind Wochen nur wenig
Geduldig warte ich was kommt

jens tuengerthal 20.10.2017

Friedrichsstraßig

Von Kreuzberg aus ging es am frühen Vormittag wieder in Richtung auf den heimatlichen Prenzlauer Berg, dabei die ganze Friedrichstraße hinunter und über drei Friedhöfe am Wegesrand, des schönen Herbstlaubes wegen. In Summa waren es etwas über 18 km bei immer strahlenderer Sonne ein Flanieren durch die Stadtmitte mit erstaunlich viel Grün dazwischen.

In der Jüteborgerstraße ging ich los, wo ich zuvor noch einen sehr frühen Termin mit meiner wunderbaren Tochter zu erledigen hatte und flanierte von dort oben mitten durch den Bergmannkiez hinab. Verschlafen sahen um diese frühe Stunde wenig nach acht Uhr noch die meisten Gesichter hier aus. Aber anders als auf dem heimischen Berg. Kreuzberg hat die ältere alternative Szene, die lange vor der Wende bestand, dort in der Nische am Rand der Mauer nach Ostberlin ihr eigenes Dasein geführt und teilweise bis heute überlebt,. Es gibt dort mehr Menschen über fünfzig oder älter, die sich noch irgendwie jugendlich fühlen und so leben wollen. Daneben gibt es eine große türkische und arabische Gemeinschaft, die teils daneben einfach ihr eigenes Leben lebt und sich teils an die freie Szene dort angepasst hat, ausgesprochen locker ist.  Es wird sich toleriert und meist freundlich bis liebevoll miteinander umgegangen.

Von der Jüterboger Straße führt die Friesenstraße direkt zur Marheineke Markthalle, die wiederum an der Bergmannstraße liegt, welche dem ganzen Kiez seinen Namen gab. Der Bergmannkiez ist voller Kneipen, Secondhand Läden und anderen Orten der typisch Kreuzberger-Kultur mit ihrem alternativen Flair, der langsam immer schicker und gediegener wird, sich dagegen aber auch wehrt und gerne noch etwas schlampig tut, weil sie ja schon immer die Schmuddelkinder spielen und nicht hipp sein wollen.

Durch die Markthalle zu flanieren, ist auch am Morgen herrlich, wenn die Stände frisch aufgebaut werden, die Anwohner sich ihre belegten Schrippen beim Bäcker holen, der bretonische Käse und die südfranzösische Wurst noch etwas zu intensiv duften, das Obst noch frisch und prall in den Auslagen liegt. Mag dieses Kreuzberg irgendwie, mit seiner alternativen Szene erinnert es mich an ein Museum meiner Kindheit in den 70er Jahren und so fühlt es sich auch in manchem an, dort hindurch zu laufen.

Im Mittelalter noch lag Kreuzberg außerhalb der Doppelstadt Berlin Cölln, die eben die Insel mit einschloss. Es gehört heute neben Neukölln, Friedrichshain, Gesundbrunnen und Prenzlauer Berg zu den am dichtesten besiedelten Gebieten Berlins und die Bebauung erstreckt sich teilweise bis in den vierten Hinterhof. Im 19. Jahrhundert erweiterte sich Berlin südlich um die nördlichen Teile des heutigen Kreuzberg. Namensgeber der großen Straßen waren damals die Helden der Befreiungskriege wie Yorck von Wartenburg und Gneisenau oder die Schlacht bei Waterloo, nach der das Waterloo-Ufer heißt, auch wenn es nur das Hauptquartier von Wellington war, das 1947 erst in Mehringdamm umbenannt wurde.

Wichtig im Städtebau war das 1821 eingeweihte Nationaldenkmal auf dem namensgebenden Kreuzberg. Die damals noch Tempelhofer Berg genannte, immerhin 66 m hohe Erhebung, lag mitten in den Feldern vor der Stadt und auf ihr wurde nach Plänen von Schinkel ein Denkmal in der Form eines Eisernen Kreuzes errichtet, um an die Befreiungskriege gegen Napoleon zu erinnern, die später auch der Beginn von Preußens Aufstieg zur Großmacht waren, wenn auch Friedrich der Große eigentlich die strategische Grundlage dafür mit der Eroberung Schlesiens legte.

Auch nach der Eingemeindung in Groß-Berlin 1920 hieß der Bezirk zunächst Hallesches Tor und wurde erst später nach dem Berg mit dem Kreuz benannt. Im 2. Weltkrieg schlugen sich die verbliebenen Nazis noch lange mit den anrückenden Russen um diesen Bereich, wobei es nur um wenige blutige Tage ging und manche Kommandeure noch Hitlers Politik der verbrannten Erde folgten und so etwa das Kaufhaus Karstadt am Hermannplatz in die Luft sprengten, wie es die dortige SS tat.

Nach dem Krieg wurde ein großer Teil des ehemaligen Bezirks dem amerikanischen Sektor zugeteilt. So war auch der wichtigste Übergang in den Osten der Checkpoint Charlie in der Friedrichstraße - aber dazu, wenn ich später beschreibe, wie ich diese vollständig entlang flanierte oder auch nicht, denn eigentlich ist er nur noch Geschichte, besser nachzulesen. Kurz davor kreuzt die Kochstraße die Friedrichstraße, der östliche Teil heißt heute Rudi Dutschke Straße, um an die studentischen Unruhen zu erinnern, die eine Auslieferung der Springerpresse verhindern wollte, die am anderen Ende der Kochstraße gemacht wurde. Bei den sogenannten Osterunruhen kam es damals zum Anschlag auf den Studentenführer Rudi Dutschke. Aus der Wut darüber radikalisierte sich ein Teil der Studenten weiter, was direkt oder über Umwege in den Untergrund führte, in dem dann der Terror der RAF entstand, der die 70er Jahre prägen sollte und den damaligen Kanzler Helmut Schmidt als unnachgiebig hart zeigte. Wie weit die RAF von der Stasi finanziert, ein Produkt östlicher Geheimdienste war wie es Pegida heute ist und Teile der Linken immer noch lieber ihre Anweisungen und Gelder aus Moskau erhalten, dass aber auch AfD und NPD finanzierte als umfassend radikaler Brandstifter, sei hier dahingestellt, wichtiger war mir auf die vielen brandheißen Stellen in der deutschen Geschichte in diesem kleinen Bereich hinzuweisen.

Heute sind fast ein Drittel der Einwohner Kreuzbergs Migranten. Teils türkischer Abstammung und deren Nachkommen. Ab 1987 war Kreuzberg für seine regelmäßigen massiven Straßenschlachten zum 1. Mai berühmt. Die Gewalt ist eher ritualisiert und ein mediales Ereignis, wurde durch Veranstaltungen wie Myfest aufgefangen. Dabei geht es weniger um politische Motive als um die Suche nach Randale und Abenteuer wie auch in Hamburg - typisch jugendlicher Irrsinn ohne tiefere Bedeutung, nichts was größerer Aufregung noch wert wäre.

Seit 1925 hat sie die Zahl der Einwohner Kreuzbergs ungefähr wieder halbiert und lag 2013 bei 152.000. Regiert wird Kreuzberg durch die traditionell starke alternative Szene in den letzten Jahren Grün, vorher Rot, auch wenn es sogar Bürgermeister aus der CDU gab.

Vom Marheineke Platz aus folgte ich der Zossener Straße Richtung Landwehrkanal, um am Ende die Friedrichstraße, die am Halleschen Tor beginnt, in voller Länge zu laufen. Überquerte dazu die Gneisenaustraße und flanierte weiter, bis mich die Friedhöfe am Halleschen Tor magisch anzogen und nach Westen in den Friedhof abbiegen ließen. Die Friedhofsanlage liegt zwischen Mehringdamm und Zossener Straße. Es sind dort mehrere Friedhöfe noch außerhalb der Berliner Zollmauer auf einem Gelände heute zusammengefasst. Insgesamt sechs Friedhöfe wurden so vereint, von der Dreifaltigkeitsgemeinde bis zu den Herrnhutern. Auf dem Friedhof sind insgesamt 28 Mitglieder der Familie Mendelssohn bestattet worden, die in Berlin und weit darüber hinaus eine große Rolle spielten. Daneben finden sich dort noch die Gräber des Architekten Knobelsdorff, mit Moehsen der ehemalige Leibarzt Friedrichs des Großen und des Geodäten Gauß sowie anderer mehr oder weniger berühmter Berliner. Schön war es, bunt war es und die Sonne schien durch den noch leichten Dunst am Morgen, der über dem Friedhof schwebte, auf dem ich noch wenig andere Besucher traf. Durch die Grünanlage zwischen Blücherstraße und Waterloo Ufer, ging es Richtung Landwehrkanal. An der Stelle, an der sich die Straße von Waterloo Ufer in Tempelhofer Damm umbenennt, überquerte ich sie in Richtung Kanal und die dort gelegene Brücke direkt an der U-Bahn Station Hallesches Tor.

Die U-Bahn ist dort wie im zentralen Prenzlauer Berg eine Ü-Bahn eigentlich, die auf einem Gerüst überirdisch am Kanalufer entlang fährt und sich am Halleschen Tor mit der tatsächlich U-Bahn in Richtung Tempelhof kreuzt. Ging an dieser verkehrsumtosten Stelle über die auf der anderen Seite des Kanals gelegene Straße Hallesches Ufer und kam am Mehringplatz in eine seltsame Siedlung, die das Ende der Friedrichstraße bildet. Das dortige Neubaugebiet ist ein sozialer Brennpunkt und also ein neudeutsch Präventionsgebiet genanntes Viertel. Angelegt wurde der Platz bei der Erweiterung Alt-Berlins um 1730. Von 1734 bis 1815 hieß der Platz noch in alter Schreibweise Rondel am Halleschen Thore - daraus wurde dann nach dem Sieg von Wellington und Blücher bei Waterloo über Napoleon der Belle Alliance Platz.

Belle Alliance und Waterloo meinen die gleiche Schlacht, die nur Blücher und Wellington unterschiedlich nach ihren jeweiligen Hauptquartieren nannten. Der Brite saß bei dem belgischen Dorf Waterloo, der Preuße auf dem Gehöft Belle Alliance und Wellington hoffte noch, dass es Nacht wird und die Preußen kommen, was sie ja bekanntlich taten - aber eigentlich ist es der gleiche Ort um die letzte Schlacht Napoleons bevor er verbannt wurde. Dieser siegreiche nationale Taumel gegen die Franzosen, schien der Regierung von Berlin nach 1945 nicht mehr angebracht und so wurde der die Friedrichstraße abschließende Platz zum Mehringplatz nach Franz Mehring, dem Publizisten Politiker und marxistischen Historiker, was Grund genug heute für eine Rückbenennung in Belle Alliance wohl wäre, zumal Mehring heute als Antisemit gilt.

Auf dem Platz mit den seltsam wechselnden Namen steht eine Viktoriasäule mit dem Namen Friedenssäule, sie wurde nach einem Entwurf von Cantian noch unter der Regentschaft Friedrich Wilhelms III. errichtet, ist so als ein Denkmal für die Befreiungskriege zu sehen, auch wenn der Platz nun nach einem ollen, antisemitischen Marxisten heißt - Berlin eben, wollen sie was verbessern und machen es am Ende noch schlimmer und nichts wirklich.

Aus einem Brunnen erhebt sich die Säule aus schlesischem Marmor, erzählt von der Zeit, als Schlesien noch nicht polnisch war. Die Viktoria, die auf der Säule balanciert, ist ein Abguss von Rauchs zweiter Charlottenburger Viktoria, die wiederum nach dem antiken Vorbild einer 1823 in Pompeji gefundenen kleinen Nike aus Bronze entstand. Eingeweiht wurde die Säule mit deren Bau zugleich das howassergefährdete Gebiet unterkanalisiert und angehoben wurde zum 20. Jahrestag der Schlacht bei Großbeeren, bei der sich die Preußen erfolgreich den Franzosen entgegenstellten am 3. August 1843. Die Spülung der Kanalisation erfolgte durch den Brunnen um die Säule, die so auch einen praktischen Zweck zumindest verfolgte. Die Truppen des preußischen Heeres waren zur Schlacht bei Großbeeren übrigens durch das Hallesche Tor aus der Stadt abgezogen, warum die Erinnerung doppelt passte.

Ende des 19. Und zu Beginn des 20. Jahrhunderts bot der Belle Alliance Platz großbürgerlichen Wohnkomfort vom feinsten. Die Gegend galt damals als vornehm - wie schnell sich Zeiten doch ändern oder verkehren. Nach Ende des Zweiten Welkrieges wurde der Platz als total zerstört eingestuft. Den Wettbewerb für die Bebauung gewann Hans Sharoun, der eine bewohnbare Stadtlandschaft schaffen wollte, was sichtbar wird, wenn du durch das seltsam anmutende Rondel heute läufst. Als der Schüler Scharouns nach dem Tod des Meisters übernahm, hatten sich die politischen Vorgaben vollständig verändert und es ging mehr darum, sozialen Wohnraum zu schaffen, was so manche baulichen und ästhetischen Verbrechen der 60er und 70er begründen sollte, für die kein Politiker oder Architekt je haften musste.

Die Gestaltung ist wieder typisch, nett gedacht aber schlecht gemacht und so wundert der hohe Drogen und Alkoholkomsum dort nicht, um diese für viele vermutlich Wohnhölle zu ertragen, die einst beste bürgerliche Wohngegend am Halleschen Tor war und heute eher 1-Euro-Läden und Spielhöllen neben gammeligen Döner Läden beherbergt am Kreuzberger Ende der Friedrichstraße um die Ecke vom Willy Brandt Haus. Einen der Billigläden mit sehr freundlichem Personal besuchte ich auch und fand erstaunlich gute Schnäppchen. Hier, kurz vor Beginn der teuren Friedrichstraße, noch in Kreuzberg, im alten Westberlin, bevor es in Mitte schick wird.

Die Friedrichstraße wurde übrigens nach dem Kurfürsten Friedrich III. von Brandenburg benannt, dem Großvater des Alten Fritz, der später König Friedrich I. in Preußen wurde und dessen Frau Charlottenburg ihren Namen gab.

Die Friedrichstraße beginnt am Oranienburger Tor, der Kreuzung von Friedrichstraße mit Torstraße und Hannoverscher Straße. Sie überquert die Spree an der Weidendammbrücke und unterquert den Bahnhof Friedrichstraße, sehen wir von dessen großen unterirdischen Areal einmal ab. Dieser Bahnhof, der zu DDR Zeiten auch Bahnhof der Tränen hieß, ist typisch für Berlin, weil er für die perfide Trennung und Teilung Berlins durch die Kader der SED stand, deren Nachfolger heute als sogenannte Linke im Bundestag angeblich für moderne linke Politik stehen wollen - aber das totalitäre Gedächtnis vieler Menschen scheint sehr kurz.

Die letzte Regierung der DDR versuchte noch mit ihren bescheidenen ästhetischen Mitteln die Friedrichstraße zu einem urbanen Boulevard auszubauen, an seine große Geschichte im Berlin der 20er anzuknüpfen. Die Gerüste ihrer Versuche wurden nach der Wende abgerissen. Im übrigen halten sich die durch den Sozialismus verursachten Schäden an der einstigen Prachtstraße, der ich mich von Süden kommend näherte, in überschaubaren Grenzen. Anders als beim vollständig verschandelten Alexanderplatz, der städtebaulich ein toter Aufmarschplatz ist, wie er den Hirnen totalitärer Sozialisten nur entsprungen sein kann und wie wir diesen Ausbund an Hässlichkeit überall im ehemaligen Ostblock finden können.

Diese deutliche ästhetische Kritik ändert nichts an der Anerkennung der Lebensleistung vieler Ossis, es stellt nur den primitiven Geschmack ihrer Führung in die richtige Reihe, der sogar noch den des Nationalsozialismus unterbot, wofür die meisten nichts konnten und der eben systemimmanent war, warum dringend die verbliebenen Sünden dieser Zeit entfernt werden sollten, um wieder mehr Schönheit Raum zu geben, statt sich in Ostalgie zu ergehhen.

Ein Beispiel dafür wäre das grässliche Thälmann Denkmal am Rande des gleichnamigen Parks in Prenzlauer Berg. An Thälmann, den Held der östlichen Pioniere, der real einer der Mörder der Weimarer Republik war, den aber nicht mal Stalin von Hitler wieder wollte, sollte nicht mehr öffentlich erinnert werden und bevor der Denkmalschutz auf die Idee kommt das Grauen der DDR weiter für schutzwürdig zu erklären, sollte der Schönheit wieder Freiraum zur Entfaltung gegeben werden. Wie sehr diese Orte mit größter Erbitterung von Politikern der Linken verteidigt werden, zeigt deren wahre Wurzeln und macht jeden weiteren Diskurs überflüssig. Wir stellen in der Demokratie keine grauenvollen Denkmale ihrer Feinde auf sondern beseitigen die totalitäre Ästhetik vorheriger Diktaturen so schnell wie möglich - doch dieser demokratische Tenor ist in der Berliner SPD, die gern auf Kuschelkurs mit der Linken geht, nicht mehrheitsfähig, was sie logisch unwählbar für mich als ehemaliges Mitglied sogar machte.  Aber genug vom Grauen, wenden wir uns lieber wieder der Geschichte und den Wegen dieses Prachtboulevards zu, der Unter den Linden in ihrer Mitte kreuzt.

Das Viertel bis zum Brandenburger Tor, das Ende des 17. Jahrhunderts in Planquadrate eingeteilt wurde, hieß nach der zweiten Frau des Großen Kurfürsten, Dorothea Sophie von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg, was etwas lang wäre, schlicht Dorotheenstadt. Die zweitwichtigste Straße nach dem längst Prachtboulevard Unter den Linden war die große Querstraße, die zunächst auch genauso hieß. Sie reichte damals von der Weidendammer Brücke bis zur Behrenstraße. Als es um den Ausbau des neuen Viertels ging, beschied der Kurfürst Friedrich III., dass Querstraße kein anständiger Name wäre und sie darum seinen tragen sollte - wörtlich sagte er “ein anständiger Name muss es sein, der meinige.” Sich groß fühlen, scheint zu helfen, einmal Großer genannt zu werden, auch wenn der Alte Fritz weniger dazu neigte.

Danach wurde erweitert, gebaut und aufgekauft in dem neuen Stadtteil, der ab da den Namen Friedrichstadt trug. In diese Gegend waren meist Hugenotten gezogen, die durch ihr hohes handwerkliches Geschick, Reichtum und Ansehen des Herrscherhauses mehrten. Als der Soldatenkönig seinem Vater folgte, forcierte er den Ausbau der Friedrichstadt sogar mit militärischer Gewalt.  So konnte die Friedrichstraße schließlich bis zum Halleschen Tor südlich und bis zum Oranienburger Tor nördlich verlängert werden. Dabei können wir uns vorstellen, dass der Teil nördlich der zu diesem Zeitpunkt noch hölzernen Weidendammer Brücke, noch sehr ländlich eher war. Dafür wurden dann viergeschossige Kasernenbauten für das königliche Husaren Regiment dort gebaut. Infolge ließen sich erste Kontore und Manufakturen in der Friedrichstraße nieder.

Auch im Rahmen der Märzrevolution von 1848 spielte die Friedrichstadt eine Rolle. Hier, nahe der Caféhäuser, in denen zuvor viele Wochen debattiert wurde, fanden wichtige Barrikadenkämpfe ab, die auch den Abzug des königlichen Militärs aus der Stadt erzwangen.

Im 19. Jahrhundert gewann der Abschnitt zwischen der Weidendammer Brücke und dem Halleschen Tor immer mehr an Bedeutung. Es kamen teure Hotel, Restaurants und Künstleretablissments und mit ihnen immer mehr zahlende Gäste. Die Friedrichstraße war um 1900 ein Haupthandelsplatz für Edelsteine und Gold und zugleich ein Zentrum der Berliner Prostitution, wie ich sie, als ich vor 17 Jahren in die Stadt zog noch am 17. Juni und auf der Oranienburger erleben durfte und die der Stadt mehr Flair gaben als die immergleichen Ketten und gefegten Bürgersteige.

Martin Heidegger, der philosphische Lehrer der großen Hannah Arendt, der sich auch mit den Nazis gut engagierte und sie bejubelte, schrieb seiner Frau im Juni 1918 über die Friedrichstraße:

„Eine solche Luft künstlich hochgezüchteter, gemeinster u. raffiniertester Sexualität hätte ich nicht für möglich gehalten, ich verstehe aber jetzt Berlin schon besser – der Charakter der Friedrichstraße hat auf die ganze Stadt abgefärbt […] Die Menschen hier haben die Seele verloren.“
– Martin Heidegger: Mein liebes Seelchen!

Ein Philosoph, der moralisch empört über Seelen schwadroniert, fühlt sich mit Sicherheit bei den eher hausbackenen Nazis wohler als in einer mondänen Weltstadt, in der leider zu oft kleine Geister die Regierung mitbestimmen, die sich mehr fürchten, als der Energie der Stadt, genug Raum zu geben, sich genial hier zu entfalten, wie es allein zu dieser Stadt passte. So viel zu Weltgeist und Enge.

Folgte der Friedrichstraße nun von Süden, also ihrem Ende gen Norden zu ihrem Anfang und kam also zuerst durch die Fußgängerzone mit den meist eher bedürftiges Klientel ansprechenden Läden, die teilweise auch orientalisches Gold und falschen Glitzer anboten, woran wir sehen, wie sehr die Umgebung den Ort auch prägt.

Bis zum Checkpoint Charlie, der alten Zonengrenze, die heute noch museal wach gehalten wird mit als amerikanische Soldaten verkleideten Statisten, wird es, bis auf einzelne Bauten, nicht sonderlich prächtig, dann steigt es von der Wertigkeit ein wenig bis zur Leipziger Straße hin an und macht nach dieser den Sprung nach oben in dem Stück zwischen Leipziger Straße und Unter den Linden. Danach kommt nur noch der Bahnhof Friedrichstraße, das Kulturkaufhaus Dussmann, das ich des Namens wegen für überschätzt halte und das einfach nur auf großer Fläche bietet, was jeder gute Buchladen auf kleinerer schöner präsentiert, einige Hotels und ein Revuetheater aber nicht mehr mit diesem Anspruch auf noble Exklusivität, den der Abschnitt hinter dem Gendarmenmarkt ausmacht, der neben der Galerie Lafayette, zahlreiche mehr oder weniger bekannte Designer und Juweliere beherbergt, bei dem VW mit seiner großen Repräsentanz des bunten Konzerns Unter den Linden den Abschluss bildet.

Viele Konsumtempel und Orte an denen auch wohlhabende schnell viel Geld los werden können, reihen sich aneinander, geben sich edel und wirken doch immer noch ein wenig neureich. Es ist eben nicht gewachsen diese Mitte, sie ist aufgesetzt und glänzt nur so, wie es entsprechende Orte in Paris oder London tun, wer ein wenig an der Fassade kratzt, spürt schnell den Geist der DDR auch hier noch auf, was aber dem kultischen Kapitalismus zumindest ein dialektisches Gegenbild gibt und so auch seine Art ästhetischen Wert wohl hat, zumindest soweit ich darüber nachdenke, wovon ich beim größeren Teil der Besucher nicht ausgehen würde.

Der Flair eines KadeWe fehlt dort einfach und diese viele Tradition kann eine schnell hingeworfene Galerie Lafayette auch nicht künstlich erzeugen, so sehr sie sich bemühen - vermutlich fehlt es auch am gediegen und selbstsicher schauenden Personal dort und sie nahmen stattdessen gut geschminkten, gerade noch ansehnlichen Durchschnitt dafür, der zumindest freundlich lächelt. Allein in der Lebensmittelabteilung des Lafayette kommt ein Gefühl von Weltstadt und internationalem Flair auf, tauchen wir genüsslich in diese edle Welt auch als nur ärmliche Besucher ein oder als betrachtende Flaneure.

Ersparte mir diesmal alle Konsumtempel, hatte ja noch zwei Friedhöfe im Hinterkopf und außerdem schmerzte die Hüfte noch vom unfreiwilligen Salto nahe der Charité am Vortag, als ich vor dem unerwarteten Bus flüchtete. So ging ich vorbei, betrachtete, nahm das eine oder andere Bild auf, ließ mich aber weder beeindrucken noch mitreißen vom Strom der dort angebotenen Gelüste.

Überquerte bald die Linden, genoß den Blick in westlicher und östlicher Richtung, ging weiter bis zu Dussmann, wo sich mein Besuch auf die kleine sehr überschaubare Abteilung schöner Bücher, insbesondere der Anderen Bibliothek beschränkte. Den Rest halte ich dort für völlig entbehrlich für Kulturmenschen, eher für eine Zumutung sogar. Fand den von der Liebsten gepriesenen Band der Brüder Goncourt, der schön aufgemacht wie immer, zumindest einen Reiz zum Konsum auf dieser ganzen Strecke für mich darstellte, sehen wir von dem Schnäppchen im etwas verwahrlosten 1-Euro Laden am Mehringplatz und den Delikatessen in der Markthalle ab, doch widerstand ich diesem und fühlte mich noch besser als die ewige Friedrichstraße am Oranienburger Tor endete und von da an als Chausseestraße weiter lief, was im Unterschied vermutlich nur bemerkt, wer es weiß und darum versteht, dass die Torstraße die Mauer war, hinter der es ins freie Land ging, in dem ursprünglich die Charité noch lag, in der auch viele Arme und Huren verkehrten, von den Soldaten mal abgesehen.

Merke schon, überall tauchen die Huren auf, die Berlin nun so bitterlich fehlen, dass die Stadt in reinlicher Langeweile immer mehr verliert vor allem von dem, was sie mal sexy machte und da mag es Clubs für jeden Sex geben, wie es will. Wer das älteste Gewerbe aussperrt, raubt der Stadt die öffentliche Erotik. Dies sage ich nicht, weil ich sie besuchen oder ihre Dienste konsultieren möchte - bewahre, kein Interesse mehr - sondern weil ich die Veränderung bemerke, die den wunderbaren Geist der Stadt, in die ich 2000 zog langsam unter sauberem Feminismus politisch korrekt erstickt. Berlin wird sterbenslangweilig, wenn es so weitergeht und dann werden Künstler sich neue Orte suchen, um sie zu beschreiben und anziehend zu machen und arm aber sexy ist dann nur noch Geschichte, dann bleibt nur arm aber ungebildet, was keine besonders anziehende Kombination ist.

Genug von den Huren mehr von den Friedhöfen. Als erstes kam nun der Dorotheenstädtische Friedhof in der Chausseestraße westlich gelegen in Richtung der alten Charité, an den noch der Friedhof der französischen Domgemeinde, also der Hugenotten, grenzt. Eigentlich heißt der Friedhof korrekt Friedhof der Dorotheenstädtischen und Friedrichswerderschen Gemeinden, liegt in Mitte und bedeckt 17.000 Quadratmeter. Auf ihm fanden zahlreiche bekannte Persönlichkeiten ihre letzte Ruhe, wie es im Slogan des Aberglauben so schön euphemistisch heißt. Es wurden und werden eben dort die Reste auch und gerade prominenter Toter entsorgt. Von Bertolt Brecht, der mit Helene Weigel noch im Grab kuschelt zu Heinrich Mann, der eher theoretisch dort liegt, bis zu Johannes Rau und Christa Wolf.

Der Friedhof wurde zwischen 1814 und 1826 noch mehrfach vergrößert, dennoch war bereits 1860 Schluss und er wurde wegen Überbelegung geschlossen und es durften nur bereits bezahlte Gräber weiter genutzt werden oder Promis ein Ehrengrab bekommen. So hat etwa die Akademie der Künste dort weiter ein Nutzungsrecht, was etwa Anna Seghers dort hinbrachte, wie immer wir diese Sozialistin ästhetisch beurteilen.. Hegel und Fichte reichen Schinkel und Schadow auf diesem kleinen aber feinen Friedhof die Hand, den ich mit besonderem Blick auf das schöne Laub in der Sonnne durchquerte. Betreten hatte ich den Friedhof übrigens nicht durch den üblichen Gang am Brecht Haus vorbei sondern über den Friedhof der französischen Domgemeinde, der sich allerdings längst weiter draußen an der Chaussee Straße noch erweiterte, wo der gute Theodor Fontane sein Grab neben seiner Frau fand. Dort lief ich an diesem Tag aber nicht mehr hin.  Stattdessen wieder durch das Romantiker Viertel mit Schlegel und Tieck Straße, um an deren Ende über die Bergstraße zum Friedhof Sophien II zu kommen, der direkt zwischen Invaliden und Bernauer Straße liegt und auch mit großen und wunderschön alten Bäumen bunt zu beeindrucken wusste.

Es ruht dort neben Carl Bechstein und Walter Kollo auch Max Stirner, ehemals als Atheist und Anarch in die letzte Reihe gestellt, hinter der nur noch die Nonnen des gegenüberliegenden Klosters kamen, nun nur noch sehr weit hinten gelegen aber kein Solitär mehr, wie es doch so gut zum Autor des Einzigen passt. Sein Grab, das quasi über 30 Jahre direkt an der Mauer stand, besuche ich immer. Nicht um den Toten zu ehren - der Tod geht mich nichts an, wer tot ist, ist nicht mehr und nur noch eine bewegliche Sache, braucht keine Ehre, sondern um mich an seine guten Ideen im Einzigen und seinen Weg zu erinnern, den jener andere Junghegelianer namens Karl Marx, der viel bekannter wurde, obwohl oder vermutlich eher weil er so totalitär wie primitiv dachte, so empfindlich kreuzte und störte.

Vom letzten Friedhof aus besuchte ich nur auf einen Sprung noch den wunderbaren Buchladen Ocelot in der Brunnenstraße zwischen Invaliden und Torstraße, ein wenig zu plaudern und schöne Bücher anzuschauen nach genug Gräbern. Nun ging es durch den Weinbergspark hinauf und zurück auf den heimatlichen Berg, den ich mit dem Überschreiten der Schwedter Straße wieder erreichte.

jens tuengerthal 19.10.2017

Donnerstag, 19. Oktober 2017

Liebesvertrauen

Auf die Liebe zu vertrauen
Ist Bedingung ihres Seins
Darum bin ich lieber sicher
Als ohne Liebe zu leben

Was kann ich schon wissen
Gerade bei einem nur Gefühl
Schon Luft wäre viel sicherer
In dem was wirklich drin ist

Zweifel sind stets der Anfang
Vom Ende des Vertrauens
In der Liebe wie im Alltag
Darum liebe ich zweifellos

Du bist die Beste und Schönste
Dich will ich glücklich machen
Dessen bin ich mir ganz sicher
Alles sonst ist verglichen egal

So liebe ich ohne zu wissen
Weil ich ganz genau weiß wie
Glücklich ich mit immer sein will
Mache ich mir aus nichts etwas

So mache ich mir die Welt stets
Wie sie mir gefällt damit sie auch
Morgen noch meine ist und ich
Das Glück mit dir genießen kann

jens tuengerthal 19.10.2017

Charlottenadel

Nach dem bürgerlichen Charlottenburg gestern im Literaturhaus in der Fasanenstraße ging es heute ins königliche Charlottenburg im gleichnamigen Schloss. Waren hin und zurück, mit kleinen Umwegen der Schönheit wegen, 28,5 km mit einem wunderschönen Ziel immer mit der schönsten Frau in Dublin im Ohr im Ganzen etwas über 5h zu Fuß durch Berlin.

Wie immer am Helmholtzplatz begonnen, die Kastanienallee hinab, die irgendwann in dann schon Mitte zum Weinbergsweg wird. In Mitte der Linienstraße bis zur Friedrichstraße gefolgt, um dann wieder über Reinhard- und Luisenstraße zur Marschallbrücke zu kommen, an der ich rechts Richtung Reichstag abbog und von dort an immer geradeaus zu gehen mit kleinen verkehrstechnischen Umwegen im Tiergarten. Gegenüber dem Parlament folgte das Kanzleramt, das ich rechts liegen ließ, um weiter zwischen Bäumen zu flanieren.

Unerwartet erklang im noch rosa sonnigen Tiergarten das Carillon, neben dem Haus der Kulturen der Welt. Das große von Hand bespielbare Glockenspiel erklang durch die Herbststimmung und begeisterte die Zuschauer mehr als den Flaneur, der sich auf die Ruhe im Tiergarten freute, es aber lächelnd zur  Kenntnis nahm. Von der heute John Forster Dulles Allee, die früher noch ihrer alten Nutzung entsprechend In den Zelten hieß und die vor der Revolution von 1848 eine gewichtige Rolle spielte, bog ich wieder in den Tiergarten ein und genoss neben dem umgebenden dort Grün zwischendurch schöne Blicke auf Schloss Bellevue, das heutige Bundespräsidialamt, das an einigen Wegachsen des Tiergartens durch die Bäume sichtbar wurde. Kurz nach dem Neubau des Amtes überquerte ich den Spreeweg, der dort vom Großen Stern, mit der Goldelse, wie die Siegessäule in Berlin heißt, inmitten, kam und wie der Name unschwer verrät zur Spree führte. Lief grüßend am Feldmarschall Moltke Denkmal vorbei, überquerte den Altonaer Weg und folgte dann im Tiergarten parallel dem 17. Juni bis zum Ende des Tiergartens, durchschritt das Tor nach Charlottenburg und bog direkt danach rechts auf das Einsteinufer ab, jenen Weg, der zunächst den Landwehrkanal entlang und später am Zusammenfluss der Spree folgend, bis zum Schloss Charlottenburg führt, auch wenn ab der Mündung in die Spree, die parallele Straße nicht mehr so heißt, wechselnde Namen führt, ist es doch für den Flaneur ein gleicher immer weiterführender Weg am Ufer bis in den Garten des Schlosses Charlottenburg, den ich in der Erinnerung immer als Ganzes das Einsteinufer nannte, bis mich Google eines besseren belehrte. Wer schaut schon auf Straßennamen oben, wenn er unten die Spree hat und im Ohr die Liebste?

Als ich dort ankam war die Sonne leider bereits verschwunden aber der Park zum Glück noch geöffnet. Das Schloss wie Schinkels Neuer Pavillon waren angestrahlt und boten so genug Gelegenheit zu schönen Bildern, in denen sogar die zauberhafte herbstliche Färbung sichtbar wurde. Das Schloss oder der ursprünglich Landsitz von Sophie Charlotte von Hannover, der Gattin von König Friedrich I sind Namensgeber des späteren Ortsteils von Berlin geworden. Nachdem Sophie Charlotte ihrem Gatten, dem damals noch Kurfürsten von Brandenburg, ihren Landsitz Caputh zurückgegeben hatte, schenkte er ihr 1695 das Dorf Lietze oder Lützow, etwa 7 km vor Berlin mit einem Grundstück.

Noch im gleichen Jahr beauftragte Sophie Charlotte den kurfürstlich brandenburgischen Baumeister Nering mit der Planung einer Sommerresidenz. Als dieser wenige Monate darauf starb übernahm Martin Grünberg die Ausführung. Der erste Bau war noch relativ bescheiden und umfasste nur den mittleren Teil. Außerdem aber wurde, der großen Opernliebe der Königin wegen noch ein kleines Opernhaus errichtet, aus dem später ein Museum wurde, dort war die Vor- und Frühgeschichte wie der sagenhafte Goldhelm zu sehen, bis die Sammlung nach der Restaurierung ins Neue Museum auf die Museumsinsel umzog  und das künftig vermutlich zum Hohenzollernmuseum wird, das vor dem Krieg noch im Schloss Monbijou untergebracht war,was aber ja leider in der Schlacht um Berlin verloren ging, wie so vieles hier.

Von der Oper rührt auch der erste Spitzname des Schlosses her, dass auch Charlottes Musenhof genannt wurde. Die hochmusikalische spätere Königin hatte viele Künstler nach Berlin geholt und eine Menge für die kulturelle Entwicklung der märkischen Provinzstadt getan. Am 11. Juni 1699 wurde das kleine Schloss eingeweiht und seither von Sophie Charlotte als Residenz genutzt. Es hieß zunächst nach dem benachbarten Dorf die Lietzenburg oder Lützenburg.

Da Architekt Grünberg von seinem Amt 1698/99 zurücktrat, hat vermutlich der spätere Schlossbaumeister Andrea Schlüter die Ausführung und Erweiterung übernommen. Als Friedrich  I. sich schließlich 1701 in Königsberg selbst zum König in Preußen krönte und Sophie Charlotte zur Königin wurde Eosander von Göthe der nächste Architekt des Königspaares, die nicht mehr nur Kurfürsten waren. Er erweiterte das Schloss bis zu den Hofgebäuden und ließ sie mit dem Schloss verbinden, so dass der Bau imposanter, eben königlicher wirkte. Dabei war Friedrich in Brandenburg weiterhin nur Kurfürst, denn König wurde er nur in Preußen, also dem Teil des ehemaligen Deutschordenslandes, der den Hohenzollern nach der Auflösung des Ordens im Wege der Erbschaft zufiel, also in Ostpreußen und damit außerhalb des Deutschen Reiches eigentlich, in dem es nur einen König gab, den von Böhmen und einen gewählten Kaiser, der über viele Jahrhunderte auch mit dem böhmischen König identisch war im Hause Habsburg, die Winterkönigsausnahme und die Wahl des Bayern nach Maria Theresias Krönung mal eben ignoriert.

Viel später erst, nachdem sein Enkel, Friedrich der Große, sich Polen das erste mal mit Zarin Katharina und Maria Theresia teilte und es eine Landverbindung zwischen der Mark und Ostpreußen gab, nannten sich die Könige in Preußen auch Könige von Preußen, sogar nachdem die Wiedererrichtung Polens auf dem Wiener Kongreß, das sogenannte Kongesspolen, die Landbrücke längst wieder gekappt hatte. Einmal Könige von Preußen blieben sie es und plötzlich waren die Berliner Preußen und gaben sich preußisch, auch wenn die stolzen Märker früher eher nichts mit den östlichen Pruzzen am Hut hatten, die nicht zum Reich gehörten und sie die gleichen schlechtgelaunten märkischen Großmäuler blieben wie vorher auch, taten sie nun so als seien sie Preußen.

Am 1. Februar 1705 starb dann die schöne kulturbeflissene Königin Sophie Charlotte und der König nahm das zum Anlass das Schloss und die angrenzende Siedlung in Charlottenburg umzubenennen, statt dem ursprünglich namensgebenden Lietzensee. Auch jetzt beauftragte er Göthe mit dem weiteren Ausbau des Schlosses, wie der imposanten Schlosskuppel ab 1709. Außerdem wurde der Bau auf der Westseite noch um eine große Orangerie und eine Kapelle erweitert, erstere diente der Überwinterung der über 500 Zitronen-, Pomeranzen und Apfelsinenbäume aus dem Barockgarten, letztere vermutlich dem Aberglauben, der die Herrschaft von Gottes Gnaden auch rechtfertigte, welchen Hokuspokus auch immer andere dort betrieben.

Eine typisch berlinerische Anekdote zu dem Barockgarten, der nach dem Krieg wiederhergestellt wurde, allerdings vom Original abweichen in einer etwas anderen Form, ist, dass inzwischen dieser aus damals Sparsamkeitsgründen so errichtete Garten heute selbständig unter Denkmalschutz steht und eine Wiederherstellung des Originalzustandes so verhindert, womit wir uns nun weiter mit einem etwas fragwürdigen Gartendenkmal  aus den 50er Jahren herumschlagen müssen, weil auch nicht ganz gelungenes so historisch werden kann, dass es Schutz genießt. Da denke ich nur, wie gut, dass der aufgrund Asbestbelastung völlig entkernte Palast der Republik schon abgerissen ist für das Humboldt Forum genannte Schloss und nicht der Denkmalschutz das Grauen erhielt. Aber vermutlich gilt auch der völlig deplatzierte und verunglückte Berliner Dom längst als geschützt, statt, dass er endlich wie schon von den Zeitgenossen seiner Errichtung Hessel und Kessler gewünscht, abgerissen würde als wilhelminische Peinlichkeit um den bewahrungswürdigen Zustand zu Schinkels Zeit wieder herzustellen. Wer schützt die Schönheit vor solchen Beschützern?

Aber der wunderbare Garten, an dem viele große Gärtner wie auch Lenné noch wirkten in seiner Weite wird durch diesen Ausrutscher an der Rückfront des Schlosses nur wenig beeinträchtigt, auch wenn dieser nicht viel schöner wird dadurch. Die nur gestutzte Natur bleibt eben fragwürdig.

Unter dem Soldatenkönig, nach dem Tod Friedrichs I. 1713, fristete das Lustschloss ein Schattendasein. Den interessierten bekanntlich seine Langen Kerls mehr als jede Kultur, von der er ohnehin nichts verstand. Doch seine Sparsamkeit andererseits führte zumindest dazu, dass der Bestand erhalten wurde. Das Opernhaus jedoch, mit dem er nun gar nichts anfangen konnte, schenkte Friedrich Wilhelm I. seinen Bürgern, auf dass sie eine Schule daraus bauen sollten, ein zumindest ehrenwerter Zweck, wenn auch typisch. Er nutzte den schönen Bau jedoch zu repräsentativen Zwecken. So etwa zur Unterzeichung des Charlottenburger Vertrages mit dem englischen König Georg I., über den Preußen in den Besitz der Grafschaft Jülich-Kleve gelangte und für das Fest als sein Nachbar August der Starke von Sachsen ihm 1728 einen Gegenbesuch abstattete. Berühmter aber ist der vorige erste Besuch auch deshalb, weil Gerüchten zufolge er dort eine seiner Geliebten vor den Augen des jungen Kronprinzen Friedrich nackt auf einem Diwan präsentierte, was den Knaben angeblich genug reizte, sich auf eine wilde Nacht mit ihr einzulassen, auch wenn sein prüder Vater ihm sofort die Augen zugehalten haben soll. Es gibt Vermutungen,
dass Friedrich, der später der Große wurde, sich dort die Syphilis holte und die folgende Quecksilberbehandlung zu einer dauerhaften Impotenz führte, was zumindest erklärte, warum er auch in seiner Rheinsberger Zeit kinderlos blieb, als er seine ihm aufgezwungene Gattin Elisabeth Christine noch relativ häufig auch mal nächtens besuchte.

Ob Friedrich nun schwul oder ein bisschen bi war, weiß ich nicht zu beantworten, spielt aber für die Betrachtung des Schlosses Charlottenburg keine Rolle. Ob er darum so viele Kriege führte am Anfang oder nur, weil er es konnte, da sein Vater ihm volle Kassen hinterließ, bleibt offen. Friedrich II. jedenfalls machte sofort nach dem Tod seines Vaters 1740 Charlottenburg zu seiner Residenz, da er das Berliner Schloss ohnehin nicht ausstehen konnte und er dies seiner Frau gemeinsam mit dem in Pankow quasi allein überließ. Er hielt im Schloss die Tempelarbeiten seiner Freimaurerloge ab, aus der die Großloge ‘Zu den drei Weltkugeln’ entstand, die es als eine Splittergruppe der eher konservativen und überalterten deutschen Freimaurerei bis heute besteht. Der Ort, an dem noch der Geist seiner schöngeistigen Großmutter Sophie Charlotte wehte, die er nie kennenlernte, zog ihn magisch an.

Friedrich ließ nun das Schloss durch seinen Baumeister Knobelsdorff seinen Bedürfnissen entsprechend im Stil des Rokoko, der auch seine spätere Sommerresidenz Sanssouci prägte, erweitern und umbauen. Dabei entstand statt der eigentlich geplanten östlichen Orangerie nun der Neue Flügel. Jedoch war das Charlottenburger Glück mit Friedrich von kurzer Dauer. So begann er bald das Stadtschloss Potsdam umzubauen und sein Lustschloss Sanssouci zu errichten und ab da wurde Schloss Charlottenburg im damals noch Vorort Berlins, Teil Großberlins wurde es erst 1920, nur noch für Familienfeste genutzt.

Was ich heute von dem schönen Schloss sah, auch wenn es diesmal außen blieb, erhielt seine Form mit dem Schlosstheater am Ende des westlichen Flügels und der kleinen Orangerie von Langhans unter dem Dicken, wie die Berliner den Neffen Friedrichs II., Friedrich Wilhelm II., liebevoll spöttisch nennen. Dieser kunstsinnige Monarch, der seiner Liebhaberinnen und Nebenfrauen und geringer militärischer Leistunge in Preußen eher verspottet wurde, auch seiner fülligen Figur wegen, hat vermutlich mehr für die Kulturgeschichte Berlins getan als sein so berühmter Onkel, der Berlin eher nichts ausstehen konnte. Dies auch unter Berücksichtigung der Friedrichstadt und des Neuen Palais in Potsdam, jenem etwas groß geratenen Protzpalast, der die ökonomische Krise nach dem Siebenjährigen Krieg überwinden half und vom Bauherren selbst völlig ignoriert wurde.

Das Theater in Charlottenburg wurde zu einem Spielort für deutsche Literatur, die sein Onkel Fritz noch so sehr vernachlässigte, weil er in der Kunst nur das Französische zu schätzen wusste. Damit wurde es zu einem bedeutenden Ort auch in der deutschen Literaturgeschichte. Ab 1795 gab es sogar freie Karten für Bürgerliche. Der Dicke ließ sich im 1. Stock des Schlosses eine Winterwohnung und im Erdgeschoss mit der Terrasse zum Garten einen Sommerwohnsitz einbauen, was die Entfernungen des Umzugs überschaubar machten.

Eine wichtige Rolle bei der kulturellen Entwicklung Charlottenburgs und Preußens, zumindest Berlins spielte Wilhelmine Enke, die Geliebte des Königs, die schon sein Onkel Fritz toleriert hatte und die der Dicke  später zur Gräfin Lichtenau machte: Sie hatte ein Palais neben Schloss Charlottenburg und Unter den Linden. Manche nennen sie die preußische Pompadour - doch wird ihr Einfluss auf den König weniger groß gewesen sein als jener der Pompadour auf Ludwig XV., zumal sie sich offiziell überhaupt nicht für Politik interessierte, während die Pompadour zu einer der wichtigsten Unterstützerinnen der Enzyklopädisten am französischen Hof wurde und damit den Kern der späteren Revolution zu säen half, zumindest bewusst die Freiheit des Wortes unterstützte gegen die Kirche. Die Enke oder Gräfin Lichtenau hatte dafür fünf Kinder mit dem König, von der allerdings nur eine Tochter die Kindheit überlebte. Besonders tragisch für den König war der Tod des Sohnes, des sogenannten Grafen von der Mark, was bei einer nur Geliebten zumindest nicht dagegen spricht, dass sie Spaß daran hatten. Tragisch dagegen war ihr weiteres Schicksal nach dem Tode ihres Mannes. Es wurde nicht ihr kultureller Einfluss gewürdigt sondern ihr ein Verfahren gemacht und das Vermögen beschlagnahmt, so dass diese kluge und kulturell einflussreiche große Frau eine längere Zeit aus der Erinnerung vertrieben wurde - die beiden Söhne Luises, erst Friedrich Wilhelm IV. und dann Wilhelm II. regierten bis 1888 und würdigten die Enke nicht. Die Spuren ihres Einflusses sind bis heute auch im Schlossgarten Charlottenburg sichtbar und werden zum Glück nicht mehr verschwiegen und so ist ein Teil des adeligen Glanzes in Charlottenburg doch der kunstsinnigen einer bürgerlichen zu verdanken. Wilhelmines Vater war Tambour in einem Regiment des Alten Fritz gewesen.

Sein Sohn, Friedrich Wilhelm III., Könige gehen ja immer gern in Serie irgendwie, wohnte mit seiner Gattin, der besonders später berühmten und verklärten Königin Luise, die ich allerdings für ein überschätztes Opferlamm halte, und den Kindern in Charlottenburg. Nach der Rückkehr aus Königsberg 1810, wohin sie vor Napoleon geflohen waren, wurde nur Luises Schlafzimmer nach Entwürfen von Schinkel neu gestaltet. Da sie noch im selben Jahr starb, hatte sie nicht mehr viel davon.

Nach 14 Trauerjahren heiratete der im Gegensatz zu seinem Vater hochmoralische Friedrich Wilhelm III. nochmal - diesmal war es die eigentlich nicht standesgemäße Gräfin Auguste von Harrach, die er in der Kur in Böhmen kennenlernte, sein südlicher Kurschatten also nach der blonden aus Mecklenburg-Streelitz, die so schön hessisch schwätzte, da Luise bei ihrer Großmutter in Darmstadt aufwuchs. Zwar waren die Vorfahren von Auguste irgendwie Reichsgrafen aber da nicht regierend, genügte dies dem strengen preußischen Hausgesetz eigentlich nicht, warum die Ehe als morganatisch betrachtet wurde von offizieller Seite. Er ließ das gelten, da an eine Luise ohnehin nichts heranreiche. Frage nicht wie Auguste sich dabei gefühlt haben mag als katholische Österreicherin im protestantischen Berlin.

Dafür kam die Gräfin Harras und damit die Nachwelt in den Genuss des Neuen Palais, das FW III. für seine morganatische Ehefrau und sich im Garten noch östlichen des Neuen Flügels von Schinkel im Stile einer schlichten italienischn Villa errichten ließ. Der streng symmetrische weiße Kubus, typisch Schinkel und sein moderner Geist, dessen Fassade lediglich durch eine Säulenloggia und dunkelgrüne Femsterläden aufgelockert wurden, ist bis heute von klassischer Schönheit neben dem bloß barocken Schloss.. Auch bei der Innenarchitektur verwirkliche Schinkel seinen äußerst schlichten typischen Stil, der Preußen berühmt machte.

Die Gräfin Harras musste auch mit dem pompös romantischen Mausoleum im SchlossparK für ihre Vorgängerin, die preußische Heilige Luise, leben. Dies durch eine Tannenallee vom Park separierte Grabmal, in dem später auch FW III. beerdigt wurde, neben seiner Luise, während ihr nur ein Platz ohne Namen am Rand zugestand, steht für tief dunkle Romantik, die keiner mehr schön finden muss, ist aber vielleicht dem trauernden Witwer nachzusehen, der leider König war und die Möglichkeit seiner Frau ein Monument für die Ewigkeit zu schaffen, aber keinen Geschmack oder Stil hatte wie ihn Großmogul Shah Jahan bewies, als er das wunderbare Taj Mahal für seine verstorbene Liebste bauen ließ. Der so deutsche Piefke noch dazu im Geist der Romantik gefangen, trauerte düster, statt die Königin seines Herzens durch Schönheit noch zu erheben aber es ist ja auch nur Charlottenburg und nicht Indien, dieser Stadtteil in dem viele gern mehr wären als sie je sein werden und darauf auch noch stolz sind mit der schon von Fontane frech belächelten märkischen Dreistigkeit, die sich gerne selbst lobt, die nur noch von der peinlichen Hamburger Selbstliebe übertroffen wird, die so gar nicht hanseatisch sondern schlicht gewöhnlich bleibt - vielleicht ein Preis zu langer SPD Regierung die vornehme Zurückhaltung, wie sie alte Bremer Familien noch schätzten, nicht mehr kennt, für die noch Schmidt und von Dohnany standen, aber das ist alles längst Geschichte.

Unter Friedrich Wilhelm IV., dem Sohn der als Toter zur besonderen Kultfigur in Preußen gewordenen Königin Luise, wurden die Wohnräume im Stil des Spätklassizismus und Neorokoko umgestaltet, was zumindest von außen zum Glück unsichtbar blieb.  Nach seinem Tod nutzte noch seine bayerische Witwe Elisabeth einige Zeit die Räume.

Der letzte Nutzer war für ganz kurze Zeit der 99 Tage Kaiser Friedrich III., der lange warten musste, bis sein Vater, der andere Sohn von Königin Luise, Wilhelm I., der erbte weil sein Bruder kinderlos blieb, 1888 endlich starb. Er zog dann jedoch bald zum Sterben ins Neue Palais nach Potsdam umzog, was nicht unbedingt schöner aber zumindest viel größer ist.

Ab diesem Zeitpunkt war Schloss Charlottenburg nur noch ein Museum und blieb es bis heute. Wilhelm II., der ohnehin keinen Geschmack hatte und eine der gräßlichsten deutschen Bauepochen mit seinem Namen prägte, wusste das Kleinod an der Spree nicht zu schätzen, protzte lieber im Stadtschloss mit neuer Kuppel und ähnlichen Geschmacklosigkeiten oder im Neuen Palais auch, dem Trotzbau Friedrichs nach dem Siebenjährigen Krieg, errichtet nach dem Motto, Hurra wir leben noch, den der feinsinnige Friedrich nie bewohnte oder betrat.

Das berühmte Bernsteinzimmer, das nach dem 2. Weltkrieg auf ominösen Wegen verschwand, war ursprünglich auch für Schloss Charlottenburg bestimmt. Jedoch wurde dieses auch als achtes Weltwunder bezeichnete Kabinett, das noch Schlüter entwarf, vom Soldatenkönig, der wenig Sinn für extravagante Kunst hatte, an den Zaren Peter den Großen verschenkt.

Gegenüber dem Museum, das ich nach einem kleinen Picknick bei Brot und Tee am See im Dunkeln noch umrundete befinden sich in den beiden Stüler Bauten, die zum Schlossensemble gehören, zwei der schönsten Kunstsammlungen Berlin. Das Museum Berggruen, mit der Sammlung des aus Berlin stammenden Kunsthändlers Heinz Berggruen, als wunderbare Kollektion der klassischen Moderne um Klee und Picasso und gegenüber die Sammlung Scharf-Gerstenberg, die sich bis in die Moderne hinein mehr auf den surrealen Bereich konzentrierte und so eine prächtige Ergänzung der Sammlung Berggruen ist. Die beiden Häuser, über die ich an anderer Stelle ja schon einiges erzählte, auch von der letzten Begegnung mit Heinz Berggruen und seinen Geschichten im Vorübergehen, zwischen Bildern und Leben, sind eine wunderbare Ergänzung des etwas gravitätischen Schlosses Charlottenburg, das natürlich nett ist, aber eben eine alte Eichengalerie als Ausweis seiner Schönheit hat, was viel über tumbes deutsches Kunstverständnis und wenig über Eleganz verrät, die in dem zauberhaften Garten teilweise durch geniale Sichtachsen Wirklichkeit wird. Doch Berlin hat nun eben zwei geniale Sammlungen dem etwas bescheideneren Kunstgeschmack seines Herrscherhauses gegenübergestellt und das ist auch gut so und typisch für diese Stadt, die nicht immer alles falsch macht.

In dem schönen Schlossgarten befindet sich auch noch das zauberhafte Teehaus Belvedere, das 1788 von Langhans gebaut wurde, der auch das gotische Angelhaus an der Spree errichtete, das sich jedoch als zu anfällig erwies und 1884 mit dem Korbhaus abgerissen werden musste.

Der Schlossgarten ist immer noch das Naherholungsgebiet der Anwohner, die sich gegen Pläne der Schlösserverwaltung wehren, ein Eintrittsgeld zu erheben, was zu erbitterten Streitigkeiten führt, wie die Potsdamer für die Gärten um Sanssouci und Neues Palais gerade bewiesen und natürlich eine Bürgerinitiative gründen ließ.

Ob in Schlösser und Museen nicht ohnehin immer freier Eintritt gewährt werden sollte, ist sehr wohl die Frage, die der Gründungsdirektor des Humboldtforums Neil McGregor, der vom British Museum nach Berlin kam, aus guten Gründen stellte und die nun zu diskutieren sein wird. Wird mehr geschätzt, für was wir bezahlen oder macht es eine Demokratie aus, ihren Bürgern Bildung und Kultur möglichst kostenlos zur Verfügung zu stellen, was angesichts teurer englischer Universitäten und Schulen schon sehr fragwürdig erscheint?

Zurück folgte ich wieder der Spree durch die inzwischen Dunkelheit am Ufer entlang, das ab dem Landwehrkanal nach dem berühmten auch Berliner Physiker Einstein hieß, den die in vieler Hinsicht dumm primitiven Nazis als Juden vergraulten. Durch das Charlottenburger Tor wieder in den Tiergarten, am Großen Stern in Richtung Schloss Bellevue, vor dem ich dann nach rechts Richtung Reichstag abbog, wie ich gekommen war, wollte ich zurück, entschied mich jedoch an dem Schwangere Auster genannten Haus der Kulturen der Welt für einen kleinen Umweg und folgte ab hier der Spree, am Kanzleramt entlang, unter der Moltkebrücke hindurch, gegenüber dem Bahnhof weiter, bis zum Kindergarten des Bundestages, auf dessen Höhe ich die Spree Richtung Reinhardtstraße überquerte - in Richtung Charité, wie passend, ließ ich mich noch beinahe von einem Berliner Bus überfahren, entkam aber gerade noch durch einen etwas ungeplanten Salto - auch datt ist Berlin, besonders das danach der Busfahrer ausstieg und mich anschnauzte, was mir denn einfiele, er hätte schließlich Fahrgäste im Bus, die hätten fallen können, statt zu fragen, wie es mir ginge, der tatsächlich gefallen war. Das musste lieben oder drüber lachen, wenn du in Berlin glücklich werden willst, denke ich manchmal. Hätte er mich erwischt, dächte er vermutlich, was looft der Kerl auch da, wo ich fahren will.

Humpelte mit dem Trost der besorgten Liebsten im Ohr weiter gen Prenzlauer Berg durch Mitte und kam über Linienstraße, Choriner Straße und Kollwitzstraße schließlich nach 28 km wieder zum heimatlichen Helmholtzplatz, reich an Eindrücken vom königlichen Charlottenburg und seiner manchmal sogar spannenden Geschichte, was heute fast unglaublich scheint beim Blick gen Westen, in der sich die Geschichte des königlichen Preußens wiederspiegelt.

jens tuengerthal 17./18.10.2017