Freitag, 24. Februar 2017

Berlinleben 002

28./29. September 2000

Geburtstagsglücksspiel

Hatte meine Traumfrau zum Bahnhof Zoo bestellt, auch wenn sie meinte der Ostbahnhof sei näher, wie ihr eine Freundin gesagt hätte und wie sie es meist besser wusste, auch diesmal zugegeben, den ich aber wie überhaupt die große Stadt noch gar nicht kannte und so fuhr ich am Alex vorbei Unter den Linden entlang, durch das Brandenburger Tor auf den 17. Juni, diesen herunter, um den Stern herum und am nächsten Stern nach links, um von der Redaktion aus pünktlich am Gleis zu stehen, wenn meine Prinzessin kam.

Sie stieg mit ihren schwarzen kurzen Locken aus dem Zug, ich stand mit dem breitesten Lächeln der Welt als gefühlt glücklichster Mann auf dem Bahnsteig des häßlichen Vorstadtbahnhofs, der nur durch Christiane F.s Roman traurige Berühmtheit erlangte, ansonsten heute weitgehend abgehängte Station zur Durchfahrt nur noch ist. Im Vorort Charlottenburg eben, das alte West Berlin, was noch um seine künftige Rolle im irgendwie noch nichts ein wenig überaltert ringt. Zu behaupten, sie sei so glücklich gewesen wie ich, als wir uns endlich in den Armen lagen, wäre wohl ein wenig übertrieben. Der leidenschaftlich, stürmische Typ war sie ohnehin nicht, eher ein wenig schüchtern, aber ich war guter Hoffnung diese Leidenschaft in aller Ruhe zu wecken und es ging ja auch eher um Liebe als bloße Lust, dachte ich, ohne zu wissen, was sie dachte oder wollte. Konnte mir auch nicht vorstellen, was sie wollen sollte, außer wie ich verliebt glücklich zu sein, was sollte Frau sonst wollen, dachte ich vielleicht noch in der völlig irren Anmaßung, die meint, Mann wüsste, was Frau wollte. Zum Glück verliert sich zumindest dieser Wahn mit der Zeit ein wenig.

Fuhr sie mit meiner Staatskarosse auf dem königlichen Weg wieder zurück durch die Stadt. Mit Begeisterung schaute sie aus dem Fenster, kommentierte, wo sie arbeiten wollte, wie wir zusammenziehen würden, Kinder bekämen und alles was verliebte Paare so säuseln. Freute mich schon sehr auf das Machen der Kinder, zu sehr vielleicht, denn ihre verliebten Äußerungen bezogen sich weniger auf den Vollzug der Ehe als das Ankommen in der Hauptstadt, deren Schönheit sie kundig kommentierte, wie sie überhaupt immer sehr feste und sichere Urteile hatte, so absurd und ahnungslos diese auch teilweise waren.

So wischte sie meine Hand, die während der Fahrt zwischen ihre Beine rutschte, den Urgrund der ihrerseits geplanten Familie erkundend, ein wenig empört weg und ich war mir nicht ganz sicher, ob sie nun nur spielte, den Reiz erhöhen wollte oder wirklich ein wenig prüde war. Diese Unsicherheit blieb das bestimmende Gefühl. Zuerst, bevor wir in mein noch Wohnsilo im Wedding fuhren, wollte sie die neue Wohnung sehen, die ich ihr zu ihrer riesigen Enttäuschung aber nur von außen zeigen konnte, da ich den Schlüssel an den Typen gegeben hatte, der die Böden abschliff und mich neben den 14h mindestens täglich in der Redaktion noch nicht weiter um diese, wie sie plötzlich sagte, unsere Wohnung zu kümmern, es war mir egal gewesen, kein Thema, bis sie fertig war. Nun aber wollte meine Prinzessin I. unser Liebesnest sehen, wie sie es nannte, war mit der Straße einverstanden, fand sie zwar etwas tief, die hohen Decken mit dem Stuck von außen aber sehr ansehnlich und alberte gleich wieder, dort werde sie einziehen.

Die Hoffnung sie würde, kaum schlösse sich die Tür hinter uns, vor Leidenschaft entflammen und wir würden es tun, noch bevor wir Essen gingen, trog. Sie war, auch da ganz die angekündigte Katholikin, eine Meisterin der Verzögerung - Sex interessierte sie noch gar nicht - sie inspizierte die Räume, fand sie hässlich, was ich mit der schnellen nötigen Wahl quasi über Nacht entschuldigte, die sie gnädig nochmal gewährte. Jedenfalls wollte sie schnell wieder weg von dort, damit wir Essen gehen könnten und ich machte mich mit ihr auf den Weg zum Kollwitzplatz, wo ich im Gugelhof mit ihr Essen gehen wollte, wie vor uns schon Schröder und Clinton, was ich nicht unterlassen konnte zu erwähnen, um den Elsässer am Platz anzupreisen.

Es war noch sehr warm für Ende September, wir saßen draußen und sie bestand darauf, mir gegenüber zu sitzen - “sonst komme ich ja gar nicht zum Essen, wenn du dauernd an mir rumfummelst und knutschen willst, ne ne ne, das fangen wir gar nicht erst an…” - wimmelte sie mein sehnsüchtiges Bedürfnis nach Nähe noch ab und erhöhte damit die Spannung. Was ich an dieser Frau fand und warum ich sie außer ihres Studiums der Literaturwissenschaft wegen so traumhaft fand, rätsel ich bis heute. Zumindest schaffte sie auf ihre gut katholische Art durch dauernde Entziehung ihrer Reize, deren Wert umgekehrt dialektisch zu erhöhen und meine Lust stieg, gemessen am realen Angebot, überproportional und nur meine hingebungsvolle Liebe hielt sie noch irgendwie im Zaum.

Sie hatte die schnelle Lust nach dem Ankommen in der, wie sie sagte, Absteige, sofort verweigert, ich müsste mich doch noch auf etwas an meinem Geburtstag freuen und ich gehorchte, als sei die Lust ein einseitiges Geschenk ihrerseits an mich und nicht eine gegenseitige Freude, wovon sie aber scheinbar bisher wenig Ahnung hatte. Beim letzten mal, hatte sie noch aus unerfindlichen Gründen ihre Eingänge alle verschlossen gehalten, zumindest für das Eindringen meines Schwanzes, auch wenn sie es vorher noch wagemutig angekündigt hatte, verließ sie beim ersten Versuch der Mut dabei schnell und sie ließ sich anstatt nur genüsslich von mir lecken, ohne aber auf die Idee zu kommen, dass Sex doch logisch etwas gegenseitiges sein müsse und ich hatte es hingenommen, weil sie mir vorher schon vom Tod ihrer Mutter, dem Nichtverhältnis zum Vater erzählt hatte und ich sie ja lieben wollte, nicht nur vernaschen, sie mir leid tat, ich der große Kümmerer mit dem noch größeren Herz sein wollte, der alles für sie tat.

Dies ist übrigens eine Rolle, die ich immer wieder gern, ich weiß nicht aus welchen Gründen, bei Frauen einnahm und schon immer eingenommen hatte mit relativ leidlichen Erfolg, so lag die Zahl derer, die sich bei mir ausheulten lange deutlich höher als die derjenigen, mit denen ich ins Bett ging. Erst als ich von meinem Vater erfuhr, dass es ihm genauso ging, begann ich mich einerseits mit der wohl natürlichen Anlage abzufinden und andererseits die Taktik mit mäßigem Erfolg zu ändern - so schloss sich Fummeln und Kümmern nicht immer grundsätzlich aus und es entstanden zeitweise seltsame Mischformen, die damals aber noch kein Thema waren.

Über einen Monat hatten wir uns nun nicht gesehen. Die Sehnsucht war meinerseits auch im körperlichen schon so groß geworden, dass nicht mal das gewollte tiefe Gefühl der großen Liebe sie noch lange ausbremsen konnte und dennoch geduldete ich mich weiter. Wir plapperten fröhlich, sie plante nach Berlin zu ziehen, irgendwann bald, oder hier zu arbeiten, es gäbe ja doch viel bessere Lektüre in der Hauptstadt und ich freute mich auf ein gemeinsames Leben. Der Riesling zum Essen und der Champagner zum Geburtstag, als ich schließlich wirklich 30 war, ließen ihre Laune steigen und sie machte schon Andeutungen auf die Freude, die mich gleich erwartete.

War gespannt, was sie meinte und was mich tatsächlich nun erwarten würde, was sie sich zum Geburtstag ausgedacht hatte als große Überraschung. Sie hatte einen kleinen Kuchen meiner Mutter und deren Geschenke überbracht - das Hauptgeschenk aber wolle sie selber auspacken, wie sie sagte, die bisher jeden weiteren Versuch ihr körperlich nahe zu kommen, verweigert hatte. Sie gab mir genaue Anweisungen, was ich zu tun hätte und die ich ahnungslos, was mich nun erwartete, getreu befolgte.

Grübelte leicht erregt, ein wenig beschwipst und in großartiger Geburtstagslaune ein wenig, was sie wohl plante, fügte mich aber ohne Widerspruch, legte mich so ins Bett, wie ich schlafen ging, also nackt und als sie sich darüber empörte, zog ich dann doch die Boxer noch an und wartete, was nun käme. Sie löschte das Licht, machte Musik an und begann sich auszuziehen. Wollte aufstehen und ihr dabei zur Hand gehen, denn was ist schöner, als eine Frau auszuziehen, einen BH zu öffnen und vieles mehr, aber ich durfte nicht, streng wies sie mich, fast wie eine Domina an, im Bett zu bleiben, die Überraschung käme, wenn es soweit sei.

Schließlich, nachdem sie sich auch, nicht wirklich tänzerisch aber doch ein wenig sinnlich ihrer letzten eher mädchenhaften denn erotischen Wäschestücke entledigt hatte, rief sie: “Tatata - ein Tusch für das Geburtstagskind - hier ist dein Geschenk!”
Dabei drehte sie sich, präsentierte ihren nackten Körper, verbot mir aber durch Zeichen immer noch aufzuspringen und den in meinen Augen traumhaften Anblick endlich anzufassen. Machte ihr in meiner Begeisterung, vom längst hoch erregten Schwanz gesteuerte Komplimente, die vermutlich vor Superlativen nur so strotzten und so völlig überladen, natürlich um so unglaubwürdiger waren, aber sie war selbstbewusst genug, gelassen zu erwidern, ja, er sei schon ziemlich perfekt ihr zarter Körper, nur die Brustwarzen, die noch nach innen gingen an dem winzig süßen Busen, seien der einzige Makel, aber das ändere sich ja vielleicht mit der Schwangerschaft, zwinkerte sie mir zu und kam endlich zum Bett.

Wieder bestimmte sie das Tempo, wies jeden Versuch zurück, mich mit Leidenschaft auch ihrem wunderbar runden Po zu widmen - was ich denn da wolle, der ginge mich gar nichts an, das käme nie in Frage, sei Tabu, nein niemals, lachte dabei aber und so wusste ich wieder nicht, ob sie nur spielte oder es ernst meinte und begnügte mich irgendwann nach genüsslichem Vorspiel endlich wirklich in sie einzudringen, auf die ich so lange gewartet hatte. Voller Lust und Glück tauchte mein Schwanz zwischen die kleinen engen rosa Lippen unter dem süßen schwarzen Busch, ganz vorsichtig dabei, als sei sie eine Jungfrau, was sie längst nicht mehr sei, wie sie mehrfach betonte, auch wenn sie sich benahm, als sei es das erste mal.

Es wurde für sie sehr leidenschaftlich und schön, zwischendurch ließ sie  mich auch in Momenten höchster Lust ihren Po berühren, kam dann ganz überraschend und unangekündigt und war erstmal erschöpft, brauchte eine Pause und ich ließ sie ihr, in Erwartung der nächsten Tage und Stunden, immer noch unbefriedigt, immerhin 30 mit der erschöpften Frau meiner Träume im Arm, wollte ich mich gedulden, wir hatten ja ein lustvolles Leben vor uns, dachte ich.

Erregt erwachte ich in der Nacht, versuchte ihr meinen Schwanz zwischen die Beine zu schieben, was sie dann empört zurückwies und ich war wieder unsicher, ob dabei gespielt. Nun sei doch Nacht und müsse geschlafen werden. Argumentierte noch, dass ineinander einschlafen doch am schönsten sei, doch davon wollte sie nichts hören und ich hätte doch schon mein Geschenk bekommen, biss mich und küsste mich danach, als ich empört Aua ausrief. So ganz verstand ich sie noch nicht, was sie wollte, wann sie spielte, ob sie wirklich dachte, dass wäre es mit dem Sex, nachdem sie einmal gekommen war. Auf Nachfrage hin, sagte sie mit voller Überzeugung, natürlich, das reiche für diesen Monat, sie sei doch keine Maschine, lachte dann wieder, küsste mich, drehte sich in meinen Arm und wollte schlafen und ich nahm es, glücklich diese wunderbare Frau im Arm zu haben, einfach hin, vielleicht hoffend, es sei ihr Humor.

Am Morgen weckte uns der Kohlelaster im harmonischen Zusammenklang mit dem Schrottplatz vor meinem Fenster, doch statt die Zeit zu ausgiebiger Lust am Morgen zu nutzen, nannte sie den Gedanken völlig abwegig, Sex am Morgen, sei ja wirklich pervers und sie sei doch katholisch und aus dem Münsterland, aber wir könnten ja noch zusammen duschen. Wusste nie wie ernst oder ironisch sie meinte, was sie sagte, nahm es aber einfach hin und ging mit ihr in die zumindest riesige Dusche in der kleinen Wohnung im Wedding. Dies in der Hoffnung, dass unter der Dusche doch einiges möglich sei, manches besser flutsche und sie mir vielleicht zum Geburtstagsmorgen nun ihren gestern streng verschlossenen Po schenken könnte.

Welch Illusion, unter der Dusche ging das Spiel weiter, sie wollte keinesfalls zu viel Nähe und bloß keinen Sex und mein Ansinnen auf ihren Hintern, fand sie völlig pervers und sagte mit diesem Lachen, bei dem ich nie wusste, wie ernst sie es meinte, sie hätte mir doch gestern schon gesagt, der sei tabu, sie sei Katholikin, aus dem Münsterland und daran würde sich nie etwas ändern. Nahm es frustriert und immer noch unbefriedigt hin, hoffte heute Nacht besser zum Zug zu kommen, immerhin war es mein Geburtstag - dies auch wenn sie mir sagte, ich hätte doch mein Geschenk nun gehabt, es sei genug Sex für diesen Monat und wenn ich es nicht genutzt hätte, sei das ja nicht ihr Fehler - ich könne ja jetzt nicht um jede Uhrzeit kommen und Sex haben wollen, wo solle das nur hinführen, schließlich sei sie Münsterländer Katholikin.

Sie sagte dies mit einem schelmischen Lachen unter ihren süßen schwarzen Locken, dass ich nie wusste, wie ich darauf reagieren sollte, ob sie hoffte, ich würde mich darüber hinwegsetzen, sie einfach packen und nehmen und richtig durchvögeln, bis ihr der Katholizismus mit meinem Sperma aus den Hirnwindungen geschwemmt wird, sie also auf eine dialektische Reaktion meinerseits hoffte, nur provozierte oder dann ernsthaft empört wäre und ich, wohlerzogen wie ich war, den Willen einer Frau achtend, kannte nur solche Frauen, vermutlich meist protestantisch, die wussten, was sie wollten oder auch nein meinten, wenn  sie nein sagten, was ich einigermaßen zu akzeptieren gelernt hatte.

Diese I. aber war anders, noch beim Frühstück reizte und provozierte sie mich einige mal, um sich danach wieder um so weiter zu entziehen. Später sollte ich noch lernen, dass diese Dialektik im Wesen für Katholikinnen nicht untypisch ist. Eine von mir sehr geliebte leider immer nur Liebhaberin, die nebenbei Mutter und Ärztin war, beherrschte diese perverse Kunst auch bis zur Perfektion und irgendwie habe ich das Gefühl, dass wir auch daran letztlich scheiterten, weil ich nie begriff, was sie wirklich wollte. Allerding war es mit dieser ein Traum im Bett verglichen zu meiner mädchenhaften Literaturwissenschaftlerin, die aber auch schon um die dreißig damals vermutlich war. Auch über ihr wahres Alter sprach sie ganz damenhaft lieber nicht.

Ist es das unterschiedliche Weltbild von Katholiken und Protestanten, was eine Annäherung beim Sex und eine Verständigung nahezu unmöglich machte, fragte ich mich. Sprach in allen meinen Beziehungen immer offen und gerne über Sex, damit beide es so sehr wie möglich genießen konnten Das war mit I nicht möglich. Allerdings ergab sich ja auch nur in zwei Nächten die Gelegenheit überhaupt, aber dazu später.

Wir frühstückten schön, dabei riefen noch meine Eltern an, die herzlich zum Geburtstag gratulierten, dann ging ich ins Büro und freute mich dort vielleicht auch irgendwie gefeiert zu werden, schließlich wussten meine Mitarbeiter ja, dass mein Schatz zu meinem Geburtstag gekommen war und insgeheim hoffte ich auf eine kleine Geburtstagsüberraschung, als ich in die Redaktion kam.

Die gab es wirklich, allerdings ganz anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Die Praktikanten hatten sich über mich beschwert. Angestachelt von dem zuletzt eingestellten Sachsen aus Dresden, der sich sehr freundschaftlich bei mir eingeschleimt hatte und mit dem ich manches zu viel an langen Abenden nach dem Büro besprochen hatte. Seine Liebe saß in Dresden, meine in Heidelberg, also hatten wir immer noch nach langer Arbeit in der Redaktion Zeit, auf ein Bier umme Ecke. Er hatte alles, was ich ihm vertrauensvoll erzählt hatte und was ich kritisches über die beiden jungen Praktikanten sagte, weitergegeben und die Stimmung angeheizt.

Sie meinten, sie arbeiteten zuviel, bekämen zu wenig dafür und wollten nicht mehr von mir angemeckert werden, dass sie ihre Arbeit nicht vollständig machten.Sie täten ja, was sie könnten und viel mehr als sie müssten. Es war mein 30. Geburtstag, ich hatte auf eine kleine Feier und eine freundliche Begrüßung gehofft und bekam eine Mahnung von jemandem, der eigentlich nicht mein Vorgesetzter war, sondern nur dem Vertrieb vorstand, dem die Redaktion aber rein formal unterstellt worden war, weil ja alles irgendwie in die Unternehmenshierarchie passen musste und der Vorstand sich nicht vorstellen konnte, dass eine Redaktion vom Wesen her frei und unabhängig sein musste.

Verteidigte meine Kritik und knickte dennoch halb ein, weil ich mich alleine, immer noch unbefriedigt, an meinem 30. Geburtstag einer Wand gegenüber sah. Das Vertrauen war zerstört, eigentlich. Hätte drei meiner vier Praktikanten sofort entlassen müssen, wie es im Rahmen meiner Kompetenz möglich gewesen wäre, was allerdings bedeutet hätte, dass ich in der Zeit, in der mein Schatz da war, nur noch in der Redaktion sitzen würde, um die Sendungen zu  gewährleisten. Sie wussten das, hatten die Situation geschickt genutzt und so stand ich irgendwie wehrlos einer Wand gegenüber und gab nach, suchte einen Kompromiss. Wollte doch heute früher gehen, um mit meinem Schatz ins Konzert zu gehen, Zeit mit ihr zu verbringen.

Hatte die Wochen vorher mehr gearbeitet, damit ich an diesen Tage frei nehmen könnte, schließlich ging es um die Liebe meines Lebens, da könnten meine Mitarbeiter doch mal ein Wochenende lang mehr tun und der Sachse hatte mir noch, volle Kooperation zugesichert, damit ich viel Zeit mit meinem Schatz hätte - “nu klor, is doch verschtändlich…”

Ergebnis dieser Konferenz am Morgen meines Geburtstages war, die Praktikanten durften nur noch so lange arbeiten, wie sie bezahlte wurden, keine Überstunden mehr und nie mehr als 6h oder höchstens 8h. Falls der Vorstand es genehmigen würde, bekäme ich noch neue Praktikanten aber erstmal müsste ich den Ausfall übernehmen und sehen, wie ich die Sache zum Laufen brächte. Wochenendarbeit bräuchte einer besonderen Vereinbarung und gäbe es nicht automatisch, sondern nur nach Einigung und gegen mehr Freizeit in der sonstigen Zeit.

Damit war die schöne Zeit, die ich mit meiner Liebsten geplant hatte, eigentlich gestorben, dachte ich und freute mich darauf meinen 30. Geburtstag vermutlich allein bis Mitternacht in der Redaktion zu verbringen. Weil meine Praktikanten keine Unmenschen seien, sagten sie  mir noch ganz versöhnlich, für heute, meinen Geburtstag würden sie noch mal eine Ausnahme machen, damit ich zum Konzert könne wie geplant. Die Rollen hatten sich verkehrt, sie erwiesen mir Gnade und ich hatte dankbar zu sein. Eine Revolution in der Redaktion unterstützt von einem ahnungslosen Vertriebler, der nur zufällig in der Hierarchie zuständig war und ihnen ahnungslos half, aus formalem Gerechtigkeitsempfinden mir das Messer in den Rücken zu stoßen.

Weltmeister im Verdrängen, redete ich mir dennoch die Dinge schön und es musste ja weitergehen. Die Prozesse mussten optimiert werden, damit die gleiche Arbeit in der Hälfte der Zeit von weniger Leuten geleistet werden konnte, wenn ich nicht alles alleine machen wollte. Begann strategisch nachzudenken und suchte, schließlich war es ja mein Geburtstag, das versöhnliche Gespräch. Sie gaben sich einsichtig und zu Zugeständnissen unter Bedingungen bereit, erklärten, dass es nicht gegen mich ging, sondern sie sich durch die unverhältnismäßige Ausbeutung in diesem Unternehmen wehren mussten und irgendwie musste ich ihnen innerlich Recht geben. Sie waren ausgebeutet worden, klar, wie ich auch - nur bekam ich das zehnfache für die gleiche Arbeit, Leben eben.

Während ich plante und überlegte, wie ich angesichts, dieser katastrophalen Niederlage nun noch einige Stunden freie Zeit mit meiner Traumfrau verbringen sollte, klingelte das Telefon und I. war dran. Sofort zauberte ihre Stimmen ein Lächeln auf mein Gesicht, die große Katastrophe schien vergessen, würde schon alle werden und zumindest hätte ich ja noch einige Stunden in der Nacht mit ihr, dachte ich, bis sie zu reden begann und mir das Lächeln im Gesicht gefror.

“Wollte dir nur, weil ich so fair bin, Bescheid geben, habe dir hier auch einen Brief hinterlassen, bin nicht mehr da, Danke für alles, mach es gut.”

Das war es, kurz korrekt, höflich, sonst nichts. Fragte sie, was wäre, wie sie das meine, verstand die Welt nicht mehr, aber sie hatte schon aufgelegt und war nicht mehr erreichbar und ich beschwor den Anrufbeantworter mit verzweifelter Liebe, den Tränen nah und meine Mitarbeiter saßen und schauten innerlich grinsend zu. Wollte wegrennen und ihr hinterher, aber ich konnte ja nicht weg, ich musste arbeiten, viel arbeiten, damit ich heute Abend - heute Abend, mein Geburtstag - ach verflucht - meine Praktikanten sahen, wie mir das Gesicht runtefiel und danach musste ich mich erstmal für eine Zigarette nach nebenan verabschieden.

Die Traumfrau hatte mich verlassen, ohne Gründe zu nennen oder irgendwas zu erklären - nach einem zärtlichen Abschied am Morgen und ich verstand die Welt nicht mehr, die über mir zusammenbrach. Wozu sollte ich noch arbeiten, wozu Geld verdienen, wenn jene, für die ich all dies wollte, weg war. Das Leben hatte keinen Sinn mehr. Leider befand sich das Büro nur im dritten Stock - auch bei einem Hechtsprung aus dem Fenster wäre mir der Tod nicht sicher gewesen und zu feige so etwas zu tun, war ich ohnehin. Zu denken, dass eine Frau, die mich so schnöde an meinem Geburtstag verließ, dies nicht verdiente, kam mir nicht in den Sinn. Es war einfach nur schrecklich.

Der stolze Redakteur, der es geschafft hatte, gutes Geld verdiente, ein schöne Wohnung im Szene-Kiez hatte, war plötzlich ein Nichts, ein armer verlassener Arsch, dessen Leben keinen Pfifferling mehr wert schien. Wie hatte ich das nur verdient - ein Aufstand der Mitarbeiter, die versuchten mich aus dem Unternehmen zu mobben, nicht ahnend, dass sie es tatsächlich versuchten und noch viel mehr hinter dieser Sache steckten, als ich mir vorstellen konnte. Die ganze Bösartigkeit dieser Aktion wurde mir erst Monate später durch einen Zufall klar, als ich meinen Anrufbeantworter am neuen Anschluss installierte und sich daraufhin die alten eigentlich gelöschten Nachrichten nochmal abspielten und ich hörte, wie die eine Paktikantin in einer Nachricht vom 29.9.2000 um 9.15h auf das Band sprach, meine Freundin aufforderte ran zu gehen, sie müsse ihr etwas wichtiges erzählen, von Frau zu Frau. Was die beiden zu besprechen hatten, was sie ihr sagte, weiß ich bis heute nicht - habe später nochmal versucht I. zur Rede zu stellen, doch sie verweigerte jeden Kontakt und bevor mich die Polizei von vor ihrer Wohnungstür in Heidelberg entfernte, setzte dann doch wieder mein Verstand ein und eine liebe Freundin half mir dabei.

Davon ahnte ich an diesem Tag nichts, ich verstand die Welt nicht mehr, versuchte freundlich zu bleiben, erledigte meine Arbeit, schickte meiner Mitarbeiter nach Vorschrift nach Hause und verließ irgendwann spät das Büro, alleine, einsam und als einer der letzten überhaupt. Das war mein 30. Geburtstag - die netten Vertriebler hatten noch gefragt, ob ich mit einen Trinken gehen wollte, als sie vor Stunden verschwanden, aber ich hatte ja zu tun, dank der Revolution meiner Praktikanten. Was für ein beschissener Tag. Mein 30. Geburtstag war wirklich ein Tag zum Vergessen, dachte ich.

Ging dann doch noch kurz zu den netten Kollegen vom Vertrieb, die immer so gut drauf waren und gerne Späßchen machten, Vertriebler eben, deren Berufung es ist, andere zu beschwatzen, damit  sie kauften, was sie nicht wollten oder brauchten, trank ein Bier mit ihnen und verzog mich dann aber lieber, mir war nicht nach feiern - meine Traumfrau hatte mich verlassen und das Leben war einfach furchtbar geworden. Gerade dann, sagten sie zu mir, eine ist keine, vergiss die Alte, viele Mütter haben schöne Töchter, lass dich nicht runterziehen und ich gab mich stark. Als mich einer von ihnen hinter vorgehaltener Hand fragte, ob denn der Sex mit der so Granate gewesen wäre, dass sie der Trauer wert war, führte dies leider nicht zu meinem Erwachen sondern zu noch viel tieferer Trauer - es wäre nicht um Sex gegangen, ich hätte sie geliebt, wir wollten eine Familie gründen - und wie lange wart ihr schon so, fragte er mich, die seriösen Absichten bewundernd. Sein breites Grinsen als ich sagte, naja ein Monat oder so, wir hätten uns ja erst zweimal vorher gesehen, sprach bereits Bände, er klopfte mir auf die Schultern, meinte, komm, war doch nix, vergiss sie, besauf dich, kotz an die nächste Laterne und gut ist.

Vielleicht wäre das gut gewesen, aber ich wollte ja noch ihren Brief lesen, von dem sie am Telefon sprach und der mir in diesem Moment plötzlich wieder einfiel. Wie angestochen, stürzte ich mein Bier hinunter, zahlte und eilte geschwinden Schrittes nach Hause, gespannt, was mir der Brief offenbaren würde.

‘Sei nicht traurig, dass es vorbei ist, freu dich, dass es war. Gruß I.’

Das war alles, was sie einen Brief nannte, die Erklärung auf die ich hoffte, waren elf knappe Worte, die nichts erklärten. Den riesigen Strauß Rosen hatte sie umgekehrt zum Trocknen aufgehängt und ich entsorgte ihn bald im zentralen Müllschacht, den mein Etablissement im Wedding noch neben dem Aufzug hatte und der Besucher schon mit einem unangenehmen Duft beim Verlassen des Fahrstuhls begrüßte, wenn irgendeiner der Nachbarn in morgendlicher Eile, wie gewöhnlich den Schacht nach dem Entsorgen nicht richtig verschlossen hatte.

Nichts war das, ich saß vor dem Nichts und sie hatte meinen Anrufbeantworter gelöscht und abgeschaltet, bevor sie ging es erwarteten mich also auch keine sonstigen guten Wünsche. Fragte mich, ob es sich lohnte von diesem Balkon zu springen oder ich mich lieber vor eine Bahn werfen sollte. Dann erinnerte ich mich an den Dreck den das machte und wie ich selbst früher bei der Feuerwehr solche zerstückelten Leichen kilometerlang aufsammeln musste. Das wollte ich niemand zumuten. Eine Knarre hatte ich nicht, taugliches Gift auch nicht, nur das langsam wirkende der Zigaretten, sagte ich mir und rauchte noch eine, als dann doch kurz vor Mitternacht noch das Telefon klingelte.

Es war J. mein lieber ungarischer Freund aus Heidelberg, der mir zum Geburtstag gratulieren wollte und dem ich die ganze Katastrophe erzählte und dem ich sagte, ich hätte nun echt genug und wolle einfach nicht mehr. Irgendwie baute er mich mit seinem Humor wieder auf, wir blödelten einige Stunden am Telefon, er sagte er würde mir beim Umzug helfen und käme zum Aufbauen nach Berlin - wir sollten meine Einzugsparty planen - wenn schon der Geburtstag so ein Reinfall gewesen wäre, würde das der große Hit. Er wollte drei liebe Freundinnen von mir mitnehmen und sie wollten alle irgendwie bei mir übernachten.

Nun, dachte ich, Frau weg und die Mitarbeiter haben mich vorgeführt aber ich habe ja zumindest noch Freunde und es gab etwas, auf das ich mich freuen konnte - er  hatte  mir von seinen Scheidungen, seinen Kindern und seinen Katastrophen mit Frauen erzählt, mit denen verglichen meine gerade noch harmlos eigentlich war. Das Leben ging also weiter irgendwie und noch ahnte ich ja nicht, wie weit der Verrat dieser Mitarbeiter ging, die mich loswerden wollten und was mir in den folgenden Monaten noch bevorstand, erstmal freute ich mich auf meine erste Party in Berlin, die ich noch dazu selber gab, ohne irgendwas von Berlin bisher zu kennen. Vielleicht hat J. mir  in dieser Nacht das Leben gerettet, aber all das hört sich etwas groß an, zumindest gab es eine Perspektive vor der nächsten Katastrophe.
jens tuengerthal 23.2.2017

Donnerstag, 23. Februar 2017

Berlinleben 001

August-September 2000

Wie ich in Berlin ankam

Es war im noch wunderbaren Monat August, an dessen letztem Tag ich in Berlin ankam. Die Sonne verschwand langsam im Westen, aus dem ich kam und es sollte noch dauern, bis ich den schönsten Weg in die Stadt kennenlernte. Ein echter Berliner, der nur beruflich südlich wohnte, hatte mir geraten quasi hintenrum, über den Wedding zu fahren, Staus zu vermeiden und die Einfahrt war so hässlich wie in jede andere beliebige Großstadt auf dieser Welt. Wer einmal mit dem Auto um Paris auf den Stadtautobahnen fuhr, weiß, wie hässlich Städte sein können, von denen alle Welt schwärmt. Das kannte ich schon und so wunderte mich auch der Weg in die wieder deutsche Hauptstadt über das ehemalige Arbeiterviertel nicht weiter.

Hatte meinen Wagen mit allem voll beladen, was mir in der neuen Heimat unentbehrlich schien, zum Glück war der Kofferraum meines damals großen Audi so riesig, dass ich leicht mehr mitnahm als je nötig. Neben riesigen Koffern voller Kleidung, die ich kaum brauchte, hatte ich natürlich Bücher, Musik und viele Kleinigkeiten mitgenommen, dass möblierte Appartement möglichst schön auszustatten. Wie wenige Stunden ich dort tatsächlich verbringen sollte, ahnte ich ja noch nicht.

Als ich mit meinem Schlachtschiff von der berühmten Bernauer Straße aus in die Wolliner einbog, die von der Zionskirche in Mitte bis in den Wedding läuft und so die alte Mauer überquert, was heute nur noch merkt, wer es weiß, erwarte mich schon meine liebe Freundin A., eine Theologin und gebürtige Pfälzerin, die ich schon aus Heidelberg so nah wie nur möglich kannte und die so wunderbar Cellos spielte. Die dunkelblaue Karosse im Format einer staatstragenden Limousine hatte einen eigenen Parkplatz hinter der Schranke und später sollte ich sehnsüchtig an diesen Luxus zurückdenken, denn Parkplätze waren längst ein seltenes und begehrtes Gut in Berlin. Zumindest da, wo ich später lebte und arbeitete - im Wedding dagegen, wo in der Dämmerung die Herren in Jogginghosen ihre Kampfhunde spazieren führten, die nur teils von sehr südländischem Aussehen waren, die Herren nicht die Hunde, gab es noch keinen Mangel davon.

Endlich ausgeladen und die bloß durchschnittliche Wohnung gefüllt - auch die Goethe Büste stand im Regal, es gibt Dinge, die sind auch und gerade in der Fremde unverzichtbar, schlug A. vor in ihren Kiez zu gehen, der doch viel netter wäre als der Wedding.  Später fiel mir auf, dass genau diesen Satz nahezu jeder Berliner über seinen Kiez sagt und sogar meine Geliebten aus Marzahn verteidigten die besonderen Schönheiten ihrer Plattenbausiedlung im Grünen mit großer Vehemenz. Der Freund, der aus einer alten Eisenbahnerfamilie stammte, die seit Generationen im Wedding lebte, hatte schon gemeint, die Ecke wäre wohl nichts für mich, etwas zu rauh für einen Dichter und eben richtig Großstadt.

Er lernte dort mit Blick auf die Mauer laufen, später fand ich einen Freund, der um die selbe Zeit auf der anderen Seite der Mauer stehen lernte und doch, obwohl sie nur wenige hundert Meter voneinander groß wurden, aus einer völlig anderen Welt stammte. Seine Eltern waren Kulturmenschen, die Mutter machte Kinderbücher, der Vater Filme für das östliche Sandmännchen. Er wurde in den Intellektuellenkreisen um die Oderbergerstraße in Prenzlauer Berg groß und lebte also auch sozial in einem ganz anderen Umfeld als der Freund, den ich aus meiner Mainzer Loge kannte und der sich eher als Arbeiterkind mit rotem Hintergrund verstand, stolz die alten Sagen vom roten Wedding erzählte. Viel später bemerkte ich dann doch auch wieder Ähnlichkeiten zwischen den beiden, die sich nie kennenlernten, in verschiedenen Ländern groß wurden, sich höchstens über die Mauer verbotenerweise winken konnten.

So folgte ich dem Rat von A. gerne, wir ließen den Wagen stehen und schlenderten gemütlich den Berg hinunter gen Mitte bis zum Café Honigmond, dass sie in bester Absicht für uns ausgesucht hatte. Es lag um die Ecke von ihrem Wohnheim, sie kannte es gut und es ist ein schönes romantisches Café mit dazugehörigem Hotel. Eine wunderbare Café Atmosphäre in schönem Ambiente erwartete mich und ich genoss den ersten Abend in der Großstadt, die hier ganz dörflich wirkte in den kleinen verkehrsberuhigten Straßen der Spandauer Vorstadt, wie das Viertel noch hieß als Bettina von Arnim mit viel sozialem Engagement darüber schrieb. Leider musste ich Idiot ihre weitergehenden Hoffnungen auf die Fortsetzung unserer zauberhaften Liaison noch aus Heidelberger Zeiten später enttäuschen. War gerade frisch verliebt und liiert mit I., einer Germanistin, die über die Reiseliteratur des 19. Jahrhunderts promovierte und die mir noch als der Traum von einer Frau erschien, auch wenn ich nur eine halb keusche Nacht und einen wirklich keuschen Nachmittag mit ihr verbracht hatte, war ich mir mal wieder sicher, die Frau fürs Leben gefunden zu haben, obwohl diese betonte, eine Münsterländer Katholikin zu sein und ich damals noch keine Ahnung hatte, was das bedeuten würde, auch und gerade in der Horizontalen.

Thomas Mann nannte die Horizontale im Zauberberg über seinen Protagonisten Hans Castorp die einzig aufrechte Lebenslage und meinte damit noch die Liegekur, was immer dabei einigen Nachbarn vielleicht vom schlechten Russentisch sonst aufrecht stand, ist die Harmonie in der Horizontalen, auch wenn sie mal aufrecht genossen werden kann, wichtiger als viele Ideale der Liebe, die nichts taugen, wenn in der Horizontalen irgendwann nichts mehr aufrecht steht als die Frustration und hätte ich dies damals gewusst, wäre schon der erste Abend so viel schöner geworden, als ich zu träumen wagte, doch sollte es noch viele Jahre und Erfahrungen brauchen, dies wirklich zu verstehen.

Die erste Nacht in Berlin verbrachte ich also allein, statt mit der wunderbaren, gebildeten, leidenschaftlichen, zwar kleinen aber an den richtigen Stellen um so üppigeren Theologin aus der heimatlichen Pfalz, weil ich noch an die große Liebe, Treue und ähnlichen Blödsinn glaubte und nicht ahnte, was mir tatsächlich bevorstand. Bevor ich Schlafen ging in der schmalen Bettecke in meinem möblierten Zimmer im hässlichen 70er Jahre Betonbau, rauchte ich noch eine auf dem Balkon und schaute in Richtung des benachbarten Parks, dem berühmten Mauerpark, der mit jetzt in mitternächtlicher Ruhe als ein Ort des Friedens erschien, ohne eine Ahnung zu haben, was dort tatsächlich los war.

Der Schein trog, der Mauerpark und sein Randgebiet, waren kein Ort des Friedens - morgens um 5.30h, wenn vermutlich die letzten Musiker und Kiffer aus dem benachbarten Park gerade von den Wiesen feucht aber selig bedröhnt abzogen, wurden direkt vor meinem Balkon, so schien es mir zumindest, Kohlelaster beladen. Fiel aus dem Bett, schloss die Fenster, aber war nun wach, es half nichts, es war Montag der 1. September,  mein erster Arbeitstag stand bevor - hatte zwar noch viel Zeit, bis ich um 10h in der Firma sein sollte, aber so konnte ich mir in Ruhe einen Tee bereiten, noch etwas schreiben oder lesen, mich auf den ersten Arbeitstag einstellen, überlegen, was aus meiner Vielzahl von Jackets und Hemden ich diesmal tragen wollte.

Fuhr mit meinem Wagen diesmal zur Arbeit und parkte direkt gegenüber auf dem früher wohl Grünsteifen in der Mitte der Schönhauser Allee, wo sie sich auf den Weg den Berg hinauf macht. Hatte mir den eigentlich ganz einfachen Weg genau auf der Karte angesehen, mich dennoch eine halbe Stunde vorher aufgemacht, was ich später in einer Viertelstunde zu Fuß lief und so hatte ich Zeit genug und kam überpünktlich.

Die etwas seltsame, blassblonde Personalerin begrüßte mich falsch freundlich und ziemlich formal, zeigte mir mein Büro und dann kam auch schon mein Freund, der mir diese Stelle organisiert hatte von seinem Gespräch mit dem Vorstand und wies mich in meine neue Arbeit ein. Als Redakteur war ich verantwortlich für alle lokalen und kulturen Sendungen, die der Sender auf die entsprechenden Empfangsgeräte in ganz Deutschland sendete. Textfunk via Radiowelle, der auch Nachrichten und noch wichtiger für die meisten, Sport und Börsenneuigkeiten verbreitete.

Es war die Zeit vor den ersten Smartphones. Es gab noch kein iPhone und die früher von der Post vertriebenen Nachrichtensender schienen noch eine gute Zukunft zu haben - vor allem durften sie auch im Flugzeug oder OP benutzt werden, wo Mobiltelefone der Strahlung wegen lange als verboten galten, während der Radiowellenempfang des Textfunks überall funktionierte. Ob der Glaube an die Strahlung immer schon schädlicher war als diese selbst je, wäre vermutlich eine spannende Frage für manche, die auch über den Nutzen der Homöopathie gerne diskutieren - beschäftige mich ungern mit allem, was schadet, der zumindest mentale Schaden der vergeudeten Zeit so deutlich spürbar ist, dass ich in dieser Zeit schon immer lieber ein gutes Buch las. Vielleicht wäre es wichtig, den Aberglauben gesetzlich zu regeln und zu begrenzen, statt ihn über gesetzliche Kassen zu finanzieren, vielleicht ist auch relativ egal, was wirklich ist, solange sich Menschen damit wohl fühlen, wird alles gut sein, was dazu beiträgt.

Diese Geräte mit den nur Radiowellen scheinen von heute betrachtet wie eine anachronistische Anekdote aus der Frühzeit des Mobilfunks und wurden es auch bald, doch noch schien es mir als meine Zukunft und ein Arbeitsplatz mit großer Perspektive. Erhielt einen Stapel Visistenkarten als Redakteur, ein neues Mobiltelefon mit dem ich nun beliebig telefonieren konnte, wie ich es eben für nötig hielt. All die Statussymbole impotenter werdender Männlichkeit füllten mein aufgeregtes Herz mit Stolz und vor der Tür stand mein riesiger Audi, dem keiner ansah, dass ich ihn erst vor einigen Monaten für 100,-DM  aus einem Konkursverkauf erworben hatte und bei dem auch nur Kenner wussten, dass sich unter der langen Motorhaube des riesigen Wagens nur kümmerliche 75PS verbargen.

Die zu erstellenden Nachrichten über lokale kulturelle Ereignisse in der ganzen Republik, die höchstens 95 Zeichen haben durften, also SMS-Länge, waren eher mechanisch denn intellektuell anspruchsvoll. Bestellte noch in Papierform alle wichtigen Magazine aus dem ganzen Land, statt sich über das noch etwas in den Anfängen steckende Internet schneller zu informieren und stellte Praktikanten und Praktikantinnen ein. Verbrachte täglich 12-14h in meiner Redaktion, es war eben die Aufbauphase und es machte ja auch Spaß, das Kind zum Laufen zu bringen, Verantwortung zu haben wie ein Profi.

Wie einer schrieb ich, denn irgendwie konnte ich diesen 95 Zeichen Textfunk auch nicht ganz ernst nehmen, bremste er meine von FAZ-Feuilleton und Zeit Lektüre geprägten Ansprüche auf ein sehr beschränktes Maß zurück. Was ich dort tat, war eher Fließbandarbeit ohne jeden intellektuellen Anspruch, dennoch war ich Redakteur, also ein Journalist in der Hauptstadt, der zu seinem Posten als Redakteur eher kam wie die Jungfrau zum Kind. Wenn es dort noch um höheren Einfluss eines Gottes ging, der angeblich schwängerte, war es hier der Freund, der mit dem Eigentümer und geschäftsführenden Vorstand darüber sprach und ihm mich empfahl und mich dann zum Vorstellungsgespräch bat.

Die Tage verflogen im steten öden Arbeitsrhythmus, nebenbei suchte ich mir noch eine Wohnung und nahm gleich die zweite oder dritte besichtigte, ein schöner 2-Zimmer, oder wie es hier im Osten hieß, 2-Raum, Altbau im Winskiez, was mir damals noch nichts sagte und wovon ich erst etwas kennenlernte, nachdem ich schon fast nicht mehr dort wohnte.

Die Tätigkeit eines Redakteurs in der Hauptstadt hört sich sehr spannend an - real war es jedoch eine öde Fließbandarbeit mit geringer Abwechslung, die weder alleine noch mit zwei Praktikanten, die relativ frisch von der Schule kamen, in normaler Arbeitszeit zu bewältigen war. So wuchs die Redaktion weiter und mein Freund, der weiter gelegentlich als Berater tätig war, riet mir, mich mehr auf administrative Aufgaben zu konzentrieren. Ein schöner Ratschlag und gerne hätte ich mehr als Redakteur an der strategischen Planung des Internetauftritts der Firma mitgewirkt, an der ich immerhin durch den Einfluss des Freundes beteiligt wurde.

Von Berlin sah ich nichts, als den täglichen Weg ins Büro, vom Wedding an der Zionskirche vorbei über den Teutoburger Platz bis zur Schönhauser Allee. Manchmal ging ich noch mit den Kollegen vom Vertrieb in eine der Kneipen umme Ecke, wie sie sagten - aber meist war noch zu viel zu tun. Beschäftigte mich mit der Kultur im ganzen Land, theoretisch auch der in  Berlin, erlebte aber real nichts davon und war nur damit beschäftigt die Nachrichten in das passende Format zu pressen und sie mit der simplen Maske zu senden. Insoweit wir auswählten, welche kulturellen Nachrichten wir sendeten, gab es noch eine gewisse redaktionelle Freiheit, aber es war nur ein eigentlich unwichtiger Zusatz, wirklich interessant fanden die Nutzer anderes.

Gefangen in dieser Mühle aus ständiger Produktion, schlief mein Geist ein und ich versuchte nur die Sache an sich im Schema zu optimieren, statt dieses zu hinterfragen und über die Sache hinaus zu denken - wie es besser werden könnte, was die Abläufe optimieren würde. Trug die Scheuklappen des Fließbanarbeiters, der nur unter körperlicher Anstrengung, die eben nötige Arbeit erledigte. Zumindest war ich so viele Stunden täglich im Büro, dass es auch die Vorstände immer wieder mit Wohlwollen bemerkten und ich suchte ja nichts sonst in Berlin, wo ich ja eigentlich nie hinwollte, der ich mein Herz hatte noch in Heidelberg verloren hatte an jene katholische I. aus dem Münsterland, nach der ich schmachtete und mit der ich in kurzen Momenten des Glücks manchmal telefonieren durfte.

So raste die Zeit durch den Monat, indem ich ständig mit täglich neuem Druck Dinge produzierte, die eher keiner brauchte, die aber eben gut bezahlt wurden. Rückmeldungen gab es nahezu gar nicht - die Medien waren noch nicht interaktiv, Facebook, Twitter und Google lagen noch in der Zukunft. Auswahl lokaler Nachrichten, deren Umsetzung auf Sendeformat von 95 Zeichen und dies täglich neu beschäftigte mich so sehr, dass ich mich heute noch frage, wie ich das monatelang aushielt, ohne völlig durchzudrehen. Eine Hilfe war, dass ich zu Anfang als leitender Redakteur die Arbeit aufteilen konnte und damit wenigstens den Produktionsprozess mit den Praktikanten gleichberechtigt organisierte.

Doch ich dachte nicht über die Zukunft nach, außer wenn ich zu strategischen Gesprächen mit dem Vorstand gebeten wurde oder mit einem Vertriebler mal zu Kunden etwa bis nach München fuhr. Dann durfte ich wieder Pläne entwickeln, strategisch planen und Ideen umsetzen, statt nur stupide am Fließband zu arbeiten und blühte dabei richtig auf. Leider nahm mir niemand in dieser Zeit meine Arbeit in der Redaktion ab und wenn ich das Glück hatte, einige Stunden solch sinnvolle strategische Arbeit für die Zukunft der Firma leisten zu dürfen, blieb ich danach mindestens so viele Stunden länger in der Redaktion, um nachzuholen, was in der Zwischenzeit nicht geleistet wurde.

Nicht gelernt hatte ich vor meiner ersten realen Führungsaufgabe, die ich kurz vor 30 übernahm, wie ich Arbeit sinnvoll delegiere. Was es heißt, sich als Chef durchzusetzen und den Mitarbeitern, mit denen ich noch dazu einen Redaktionsraum teilte, klare Anweisungen zu geben, was zu erledigen war, wie ich motivierte und lobte bei gleichzeitiger Kritik. DAs berühmte divide et impera kannte ich nur theoretisch, bedachte ich in der Mühle nie.  Zuvor hatte ich zwar als Geschäftsfüher mal einen Internet-Start-up für Hochbegabte als Geschäftsführer mit ins Leben gerufen - doch war ich dabei nur der primus inter pares, der mit 5 Freunden ein großes Projekt plante, was dann genauso großartig wieder versandete, wie wir es geplant hatten.  Immerhin hatte mir einer meiner damaligen Gesellschafterkollegen diesen großartigen Job verschafft, mit dem ich mich besser fühlte, als ich real je war.

So qualifizierte mich eigentlich nichts für diese Tätigkeit als das gute Wort, das mein Freund für mich eingelegt hatte und ich machte alles falsch, was ich nur falsch machen konnte, würde ich mit Abstand sagen. War zwar in allem ehrlich bemüht und engagiert, wollte es so gut machen, wie ich nur konnte und verlor mich dabei aber völlig in der stupiden Tätigkeit der Nachrichtenproduktion, die ohne jeden intellektuellen oder redaktionellen Anspruch war. Mit meinen Praktikanten war ich, der ich noch relativ frisch von der Uni kam, um ein möglichst kameradschaftliches Verhältnis bemüht und besonders die eine Praktikantin mochte ich und sie erklärte sich sogar bereit, mir in unserer Freizeit, die es praktisch nicht gab, weil wir jeden Tag neue Nachrichten senden mussten, beim Renovieren meiner neuen Wohnung zu helfen.

Kaufte Farbe, Rollen und lieh mir alles weitere irgendwo zusammen und machte mich eines Sonntags mit der frisch von der Schule kommenden Abiturientin aus Hamburg an die Arbeit. Wir schafften, was wir wollten, verstanden uns gut, ich fühlte mich eher als Kumpel denn als Chef und lud sie danach noch statt in ein Café zu mir in das möblierte Zimmer im Wedding ein, weil sie sagte, sie wolle nicht gerne ins Café oder Essen gehen, was ich zunächst vorgeschlagen hatte. Das war mir sehr recht, konnte ich mich doch kurz umziehen und sie vielleicht danach davon überzeugen, doch noch Essen zu gehen, zumindest einen Tee mit ihr trinken und sah ihre Hilfe als rein freundschaftlich an.

Als sie meine Gedichtbände und den Goethe stehen sah, geriet sie ins Schwärmen, sie offenbarte mir ihre große Liebe zur Dichtung und Literatur und ich gestand ihr, nichts ahnend meine ebensolche - dies mit meiner Praktikantin allein in meiner Wohnung und mir kam nicht mal die Idee, dies könnte gegen mich ausgelegt werden, da ich ja meine große Liebe in jener katholischen Germanistin aus dem Münsterland, die noch in Heidelberg weilte, gefunden zu haben meinte, ohne jegliche Absicht war, überhaupt nichts dachte. Las ihr sogar noch meine Liebeslyrik und einige erotische Texte vor, schwärmte ihr von meiner Liebe vor und sie sprach von ihrem Freund, der Pfadfinder war und alles schien mir gut so.

Wollte sie nun nach Hause fahren oder mit ihr Essen gehen, sie einladen, was sie sich ja verdient hatte, aber sie fragte nur, ob ich ihr nicht noch einige Gedichte vorlesen könnte und hatte ganz große feuchte Augen und ich ahnte nichts. Sagte es zu, aber nur, wenn ich erst mal eine Rauchen dürfte und wollte allein auf dem Balkon verschwinden - ein Moment Abstand hätte mir wohl ganz gut getan, vielleicht hätte sich dann mein Verstand wieder eingeschaltet, der sehr von diesem jungen blonden Mädchen mit den blonden langen Haaren bis zum Po besetzt war, die so für meine Gedichte schwärmte. Nicht als Mann, sie war ja viel zu  jung und ich hatte ja mein Herz, wenn auch noch unbefriedigt, in Heidelberg verloren aber doch der Natur nach, gegen die wir uns manchmal kaum wehren können als Männer von schlichtem Wesen. Außerdem war ich ja ihr Chef, irgendwie war das tabu, dachte ich noch, während ich mir eine auf dem Balkon mit Blick auf dem Mauerpark ansteckte.

Der Blick ging real nur auf die Birken im Hof und glücklicherweise, sah ich sie nicht mehr kahl, denn dann wäre er nur auf den dahinter liegenden ab 5.30h lärmenden Kohlehandel und Schrottplatz gegangen und von Romantik war ohnehin wenig in diesem hässlichen Neubau am Rande des Wedding, dachte ich noch, als meine Mitarbeiterin auf dem Balkon kam, mich fragte, ob sie einen Zug haben dürfte, zu tief für meinen Geschmack an meiner Zigarette zog, um sich dann in einem plötzlichen Anfall von Schwindel in meine Arme fallen zu lassen.

Fing sie auf, wie ich es als Rettungssanitäter gelernt hatte, hielt sie mit einer Hand unter ihrer festen jungen Brust und fühlte nach ihrem Puls. Alles ok, dachte ich, als sie die Augen wieder aufschlug und nur, “mein Retter”, flüsterte. Fragte sie dann, ob sie sich hinlegen wollte, sie nickte, ich führte sie zu meinem Bett, zog ihr die Schuhe aus, legte ihre Beine hoch, sie öffnete den Gürtel  und den obersten Knopf ihrer Jeans, fühlte noch mal den Puls, als sie etwas unverständliches flüsterte. Besorgt, ob es ihr wirklich so schlecht ginge, beugte ich mich zu ihr herunter, um sie besser zu verstehen und in diesem Moment umschlang sie meinen Hals und küsste mich.

Einen kurzen Moment packte mich die Leidenschaft, die  Hände wanderten mehr schon in Gedanken und aus Gewohnheit über den mädchenhaften Körper mit leichtem Babyspeck, dann siegte das Gewissen als Chef und der Gedanke an die katholische I. in Heidelberg, mit der ich noch nicht wirklich geschlafen hatte und der ich dennoch die Treue halten wollte, wie sie es von mir als ihrem künftigen Mann erwarten konnte. Riss mich aus ihren Armen, sagte, dass ginge gar nicht, schließlich sei ich ihr Chef, statt mir zu überlegen, dass dies schon alles kaum ging, dass meine gerade volljährige Praktikantin mit geöffneter Hose, weil ihr ja etwas übel war, auf meinem Bett lag, aber entsprechend meiner reinen Absichten, lag mir jeder Gedanke an die eigentlich Unmöglichkeit dieser Situation, die mich später erpressbar machen könnte, völlig fern.

Sie erholte sich dann erstaunlich schnell, während ich ihr versicherte schon ihrem Freund einem Pfadfinder gegenüber würde ich nie etwas mit ihr anfangen, auch wenn sie nicht meine Mitarbeiterin wäre und ich nicht mein Herz in Heidelberg verloren hätte. All das interessierte sie plötzlich nicht mehr. sie wollte auch nicht mehr nach Hause gefahren werden, sie fände sich schon zurecht, nach einigem höflichen Widerstreben, gab ich schließlich nach, ließ sie gehen und dachte nur sehnsüchtig an meine I., ohne zu überlegen wie brenzlig diese Situation im kritischen Fall werden könnte.

Es war nichts passiert, wir hatten uns vielleicht eine halbe Minute geküsst und dann hatte ich mich wieder aus ihrem Griff befreit, auch wenn ihre Hand schon in meinen Schritt wanderte und meine Finger sich nicht weit von ihrer schon offenen Hose waren, dort die entsprechende Reaktion auslösten und ich heute noch staune, wie ich damals überhaupt noch zu einem klaren Gedanken fähig war. Vermutlich war es die sehnsüchtige Liebe zu jener I, mit der ich nur einmal für mich völlig unbefriedigenden Sex hatte, die ich aber für das, was sie studiert hatte und ihre Rolle im Leben als quasi Waisenkind, ihre Mutter war früh an Krebs gestorben, um so mehr liebte, geradezu vergötterte, die mir als die ideale Frau erschien, die Brücke in die Heimat war, in der ich auch nie wirklich Zuhause war und die ich so überraschend für die Stelle in Berlin verlassen hatte, die ich an diesem Abend zu verspielen begonnen hatte, was ich allerdings noch nicht ahnte.

Das Glück dieser Welt lag für mich immer in den Armen der geliebten Frauen, natürlich nur der einen, die es dann wirklich war. Was sonst, sollte lohnen, fragt ich mich nicht wirklich, ich lebte immer für die Liebe und wusste, dass die Erfüllung am Ende die Ehe mit der einen wäre, bei der alles stimmte. Warum ich auf die in vieler Hinsicht nur hypothetisch tolle I. alles setzte und mein Leben für sie gegeben hätte, der ich mit meinem Job Sicherheit und langfristig eine Familie bieten wollte, weiß ich nicht. Es schien mir gut und normal so - der Liebe folgen, für sie alles tun und dann zusammen glücklich sein, etwas anderes, war nicht denkbar und es sollte noch über 17 Jahre dauern, bis ich begriff, dass Frauen mir kein Glück bringen sondern es nur, wenn überhaupt zeitweise in sehr guten Momenten teilen können und ich für mein Glück ganz allein verantwortlich bin, ein bis jetzt noch schwer zu formulierender Satz. Lieber sage ich mit Goethe, zu lieben welch ein Glück, geliebt zu werden, ich verdient es nicht und lebte, immer wenn es dramatisch wurde in der Liebe innerlich sehr die Rolle des Werther. Lange mit dem Unterschied zu Goethe, dass dieser darüber schrieb und ich mich so fühlte und es tun wollte, dafür habe ich in meinem Leben vermutlich deutlich mehr Frauen geliebt und bedichtet als Goethe und so gleicht sich manches wieder aus. Coll war ich jedenfalls nicht, was die Liebe anging, ob ich es je werde oder bin, weiß ich nicht und theoretische Mutmaßungen zu Liebe und Leidenschaft sind müßig.

Familie, geteilte geistige Welten und schöner Sex, so stellte ich mir mein Leben vor und so dachte ich es mir auch mit I, die mir inzwischen angekündigt hatte, mich anlässlich meines 30. Geburtstages in Berlin besuchen zu wollen. Der Monat September verflog bis zu diesem am 29. gelegenen Ereignis in der Tretmühle des Nachrichtenfließbandes dann wie im Flug. Kein Gedanke an die Ereignisse in meiner Wohnung mehr und auf Rat meines Freundes, der immer wieder als Berater der Firma zu Besuch war, gab ich der Redaktion klare Anweisungen, überprüfte deren Arbeit und kontrollierte auch die Qualität der Leistung meiner inzwischen vier Praktikanten, gab Rückmeldung, durch Zettel mit kurzen Briefen, die kritisierten, was nicht so gut lief, ohne dabei gleich an eine Kündigung, an eine Abmahnung oder sonstige rechtliche Folgen zu denken.

Im übrigen fieberte ich nur noch den Tagen mit I entgegen, die für meinen Geschmack viel zu selten mit mir telefonieren wollte, aber nun fand ich mich damit ab und freute mich voller Seligkeit auf ihren Besuch, der am 28. September, dem Tag vor meinem Geburtstag beginnen sollte.

Plante den Tag mit einem klassischen Konzert im Schloss Pankow und einem feinen Essen, reservierte Karten und alles übrige, besorgte einen riesigen Strauß Rosen, um sie am Abend vor meinem Geburtstag mit meiner Staatskarosse am Bahnhof Zoo abzuholen. Den kannte ich schon, dort hatte ich eine befreundete Opernsängerin aus der französischen Schweiz, die wunderbare rothaarige N., der ich Narr aber auch nur von meiner großen Liebe zu der katholischen Germanistin I. vorschwärmte, statt sie anzubeten, wie sie es ohne Frage viel mehr verdient hätte, doch übersah ich sie verliebt, wie ich schon zuvor A, trotz klarem Wunsch ihrerseits einen Korb gab, weil ich ein an die große Liebe glaubte. Der Besuch von I. und die Katastrophen des folgenden Tages gehören zwar noch zum September, sind aber ein Kapitel für sich mit allen Folgen. Von Berlin erlebte ich in diesen ersten 28 Tagen nahezu nichts, als Kulturredakteur erlebte ich ein Konzert obiger wunderbarer Diva, die von einer ebenfalls zauberhaften Freundin am Klavier begleitet wurde, sonst nichts.
jens tuengerthal 22.2.2017

Mittwoch, 22. Februar 2017

Berlinleben 000

Tagebuch eines Zugereisten

Ich bin kein Berliner, wollte ich anfangen, tut aber auch so, als sei ich mehr als ich bin und nominell bin ich es ja auch und warum real nie kommt erst später, also hat es am Anfang nichts zu suchen, find ich, wäre Vortäuschung falscher Tatsachen, sogar wenn es irgendwie stimmt. Damit fangen wir gar nicht erst an. Berlinleben hört sich toll an, dacht ich, zumindest nicht ganz schlecht und dabei erzählt es doch nur von meinem Leben in dem großen Dorf, den Begegnungen, den Orten, den Erlebnissen und ist so das Tagebuch eines Zugereisten, dass die Grenzen der Zeit überwindet, mehr wertet als objektiv berichtet, eigene Bilder vom Leben in der Stadt malt, wie sie dem Neuling erschien, der nun hier so lange lebt, wie nirgendwo in seinem ganzen Leben zuvor.

Wie ein Tagebuch beginnt die Geschichte im Jahr 2000 als ich zum 1. September in Berlin zu arbeiten anfing, also im letzten Viertel des Jahres. Überraschend und zunächst ungeplant, ohne den Wunsch je in die Großstadt zu ziehen, eher leidenschaftslos diesbezüglich, nur die Chance nutzend, die sich mit dort bot, kam ich damals an. Zugleich erzählt es die Geschichte der Stadt nebenbei, wenn es sich gerade ergibt, weil ich irgendwo war oder mich mit etwas beschäftigte, wozu es passte. Es ist natürlich auch eine Geschichte meiner Lieben hier, der Lust an der Stadt, den Menschen, manchmal den Frauen und immer den Museen, als ich sie irgendwann für mich entdeckte.

Berlin ist viele Dörfer. Was eigentlich mal Berlin war, ist ein kleiner Teil des heutigen Bezirks Mitte und außerdem ist es noch zwei Großstädte mit völlig unterschiedlichen Vorstädten. West und Ost sind noch tief in den Menschen und häufig voller Misstrauen unterschiedlich, viele bleiben lieber in ihren Kiezen, statt die ganze Stadt zu nutzen mit ihrem bunten und vielfältigen Angebot, dass Besucher wie Bewohner auf den ersten Blick erschlägt. Berlin ist manchmal rasend schnell, wie Kneipen wechseln, neue Clubs und Läden entstehen, gebaut wird und du nach Wochen schon die gleichen Orte kaum wiedererkennst. Aber im Gegensatz zu vielen anderen Städten, von den wenigen, die ich sehen durfte und den paar in denen ich lebte, ist Berlin die langsamste und geruhsamste Stadt, die ich je sah, wo bis 17h gefrühstückt wird, Frühaufsteher und Spätheimkehrer sich häufig eher begegnen auf ein Schwätzchen als sonst und sich so Tag und Nacht häufiger verkehren.

Aber um Berlin geht es nur am Rande, es ist eben zufällig der Ort, an dem ich lebe und das meiste erlebe, mein Lebensmittelpunkt halt und nur von mir und meiner Sicht erzähle ich hier, auch wenn sich diese immer wieder mit der Geschichte, der Politik und der Kultur der Stadt vermischt, wie ich sie erlebe, wird dies doch ein Tagebuch aus meiner Sicht, ohne Anspruch auf Objektivität oder was du in Berlin gesehen und erlebt haben musst, wovon ich wenig halte, weil ich noch nie gerne tat, was ich musste oder sollte und lieber meine eigenen Pfade gehe, wenn ich mich denn überhaupt weit über den engen Kreis meiner Kieze hinaus bewegen muss, was ich, zumindest in soweit nach über 16 Jahren gut assimiliert, ungern tue.

Es gibt vieles in diesen vielen Dörfern, was ich noch nie sah und dann staune ich doch wieder, was ich alles schon erlebte, wo ich überall liebte, lebte oder gerade noch überlebte. Besonders, weil ich mich ja lieber weniger real bewege und dafür hauptsächlich geistig rege, zwischen Buchseiten oder sonst. Habe in dieser Stadt größtes Glück erlebt, als ich Vater wurde oder immer wieder mal dachte, ich hätte die große Liebe meines Lebens gefunden und dessen Gegenteil, was mich am Leben zweifeln und fast verzweifeln ließ in der plötzlich Einsamkeit der Großstadt, in der du ganz allein sein kannst, einsamer als in jedem verlassenen Dorf obwohl ständig unter Menschen oder gerade weil, bis du entdeckst, es könnte vielen so gehen und dich fragst, was wohl hinter der Stirn der vorüber eilenden Berlinerin dort oder des mit Bierflasche und Anzug da sitzenden Berliners vorgeht, ob sie solche sind und was einen dazu macht.

Kennedy sagte, er sei ein Berliner, um im großen Akt politischer Solidarität im Kalten Krieg damit verstehen zu geben, er stünde als amerikanischer Präsident für die Freiheit Berlins - zumindest des Westteils, soweit er zuständig war, denn der Osten blieb bis 1989 so unfrei wie der Rest der DDR nur eben doch freier und anders. Ob der heutige amerikanische Präsident, der ja zuerst an Amerika denkt, ähnliches sagen könnte, liegt außerhalb meines Vorstellungsvermögens. Kenne inzwischen einige echte Berliner, die das mit Überzeugung von sich sagen und teilweise seit Generationen hier leben, habe mehr als eine echte Berlinerin geliebt, aus beiden Teilen der Stadt und so kann ich heute zumindest sicher sagen, ich bin kein Berliner, ich lebe halt hier und weiß gar nicht, was ich bin.

In Bremen im irgendwie mütterlich hanseatisch bürgerlichen Kontext geboren, in Frankfurt aufgewachsen, in der Kurpfalz das Abitur gemacht und studiert, bin ich halt irgendwann, genau ab 1. September 2000 hier gelandet und nicht mehr weggekommen und vielleicht ist das auch gut so, denke ich mit den Worten des ehemaligen Bürgermeisters Klaus Wowereit, von dem auch noch später manchmal die Rede sein wird, aber nur so am Rande, wenn wir uns eben mal sahen, ansonsten ist der Ortsvorsteher der vielen Dörfer, denen, die hier leben, meist nur aus Funk und Fernsehen bekannt und spielt im Leben, um das er mir ja geht, eher keine Rolle. Wie die Kanzlerin, die zwar auch hier lebt und arbeitet und doch wenig mit dem Leben in den Dörfern zu tun hat.

Werde plaudern über das, was ich erlebte und nur, wenn es sich dabei zufällig ergibt ein wenig mehr über den Kontext der Dinge erzählen. Erzählen von denen, die ich traf, wie ich sie sah und so ist auch von den Promis, wie Klaus Wowereit einer war, nur dann die Rede, wenn ich über sie stolperte und es sich aus dem Kontext ergibt. Werde von den Gesprächen mit den Huren so erzählen wie von denen mit dem Regierenden, von den Künstlern und den Lieben, wie es sich eben ergab, wie es ein Harry Kessler oder die Brüder Goncourt in ihren Tagebüchern oder ihrem Journal taten, mit dem Unterschied, dass ich viel unbedeutender bin, keine wichtige Rolle spiele und nur meine einfache, beschränkte Sicht der Dinge wiedergebe.

Was dies also alles nicht ist, kein Reiseführer, kein Geschichtsbuch, kein objektives Bild einer Stadt, kein allgemeingültiges Urteil, kann sich jeder nun denken. Es ist eher das Gegenteil und nur manchmal vielleicht trotzdem von allem ein bisschen. Rücksicht wird keine genommen in diesem großen Dorf, der Berliner sagt am liebsten direkt und gern auch derb, was er denkt - ich bin ja kein Berliner und versuche trotzdem mal einfach nur so zu schreiben, wie es mir gerade einfällt, relativ ungekünstelt - ganz wäre geflunkert, ich bin eben kein Berliner.

Berlin ist viele Dörfer und für mich auch viele Lieben, weil es so vielfältig schön ist in seiner ungeputzten Klarheit und ich so vielfältig in dieser Stadt liebte. Die Stadt ist eigentlich nur die Bühne auf der mein Leben zufällig spielt, über das ich hier nun erzählen will. Dabei benutze ich die Idee des Tagebuchs und löse mich zugleich davon indem ich zwischen den Zeiten springe, jetzt über das schreibe, was war, als wäre es gerade erst passiert, wenn es mir so vorkommt, was bei manchen Lieben seltsam genug vorkommt, dann wieder in tiefster Vergangenheit, als entstamme es einer anderen Zeit, wenn ich dem Moment nun ganz fern bin.

Lasse nichts weg, außer, was ich vergaß und was damit für mich nicht mehr existiert. Außer meinem Bewusstsein und meiner Erinnerung habe ich nichts zum Schreiben, das Unterbewusstsein halte ich für Hokuspokus, der mich hier nicht interessiert. Dieser Punkt wäre nun eine sicher spannende Diskussion wert, weil für die meisten Menschen ja nach der Diktatur der Psychoanalyse, der größten Sekte im postreligiösen Zeitalter, dieses erfundene Unterbewusstsein existiert, als sei es Teil unserer Natur und nicht nur ein geistiges Konstrukt, unsere Unfreiheit und Abhängigkeit zu begründen, vielleicht komme ich zum Thema noch im Laufe meiner Erinnerungen oder in Zukunft, weil es gerade passend erscheint, etwa bei der Geliebten, die seit 15 Jahren versucht, ihre frühkindliche Vergewaltigung beim Analytiker aufzuarbeiten und nun nur wusste, warum es ihr immer so schlecht ging und sonst nichts, aber hier geht es nicht darum, es soll der verehrten Leserin nur verdeutlichen, dahingestellt, ob sich der Leser über meine möglichen Motive überhaupt Gedanken macht, dass ich nur schreibe, was mir einfällt.

So halte ich es auch im übrigen, ich erzähle von den Dingen da, wo es gerade passt und mir in den Sinn kommt. Dies wird immer wieder zu manchem abwegig erscheinenden geistigen Ausflügen führen, wo doch Leser vielleicht gerade mehr von irgendwelchen sexuellen Eskapaden aus der Stadt, die nie schläft, lesen wollten. Wer sich damit abfinden kann, möge sich daran vergnügen, die übrigen mögen diese Exkursionen überspringen. Dies ist kein Roman, so wie ich keine Romanfigur bin. Natürlich hängt mein Leben und meine Tage irgendwie zusammen, aber nicht notwendig chronologisch und wer nicht versteht, wer die Frau in der Geschichte gerade ist, möge eben einige Tage zurückblättern, dann ergibt sich manches oder sie wird schon im nächsten Moment wieder egal sein.

So veröffentliche ich hier mein Berlintagebuch mit allem, was war und mir dazu einfällt, nur tue ich es immer erst dann, wenn es mir einfällt, wie mir bevor ich den Entschluss zu diesem Projekt fasste, gerade der Tag meiner Ankunft in der großen Stadt einfiel und die Frau die mich hier erwartete, aber damit beginnt schon die erste Geschichte und die Einleitung vorab findet ihr angemessenes Ende. Statt einer gewöhnlichen Chronologie eines Tagebuches, dass einer Abfolge von Daten folgt, die wir auf unser Leben legen, als sei jeder Tag gleich lang oder gleich bedeutend, habe ich mich entschlossen einer Chronologie der Frauen und manchmal der Bücher zu folgen, mich also an dem zu orientieren, was mich zu jeder Zeit mehr prägte als zufällige Zahlen der gregorianischen Zählung.
jens tuengerthal 22.2.2017

Montag, 20. Februar 2017

Irrationalismus

Vom postfaktischen Ideal - was Trump, Schulz und die Islamisten verbindet

Stehen wir an einer Zeitenwende oder ist, was um uns geschieht nur der ganz normale Fortschritt mit kleinen Schwankungen, frage ich mich beim Blick in die USA, auf  die Islamisten oder den Kandidaten der SPD. Lange galt der Vorrang der Vernunft, kommen wir nun in das Zeitalter einen neuen Aberglaubens überall?

Der Vergleich von Trump und Schulz scheint inhaltlich absurd, liegt doch dem früheren Bürgermeister von Würselen und zeitweisen Präsidenten des Europäischen Parlaments wenig ferner als der totalitäre Stil des neureichen Bauunternehmers, doch wer die mediale Steuerung der Begeisterung und den Jubel der Anhänger beobachtet, bemerkt erstaunliche Parallelen. Was haben ihre demokratischen Gegner mit den Islamisten gemeinsam, wundert sich vielleicht so mancher, außer dass der jeweilige Erfolg keine vernünftigen Gründe hat, doch genau dies irrationale Band eint die drei und zeugt von einer gefährlichen Tendenz.

Sie stützten ihre Kampagnen auf nahezu Nichts, machen markige Aussagen, die der jeweiligen Anhängerschaft gefallen, ohne sich inhaltlich festzulegen. Zwei gegen das Establishment, werden darum bejubelt. weil sie nicht zur Clique der Macht gehören. Die Islamisten kämpfen gegen die bösen Imperialisten, helfen vorgeblich den Unterdrückten dieser Welt und schaffen damit eine globale islamische Solidarität. Die jeweiligen Anhänger sind davon überzeugt, dass ihre Heilsbringer die Welt verbessern.

Sind Menschen, die das glauben blind oder blenden sie bewusst aus?

Trump als Bauunternehmer und Milliardär ist fest im New Yorker Establishment und im Sponsoring der Politik verankert. Er finanzierte früher die Wahlkämpfe seiner zuletzt Gegnerin Clinton, dennoch gelang es ihm, sich als Vertreter der Armen und Ungehörten darzustellen. Er wurde von den Verlierern gewählt, die an den Rand gedrängt wurden, damit Leute wie er immer reicher werden konnten. Gerne betont er ein ungebildeter Aufsteiger zu sein, keine Bücher gelesen zu haben, dafür um so mehr zotenhafte Herrenwitze zu kennen. Nichts von dem qualifizierte ihn für das höchste Amt im Staat. Dennoch gab es Solidarität und wurde er Präsident, wenn auch mit Minderheit der Stimmen.

Schulz hat nicht nur selbst Unsummen an europäischen Geldern für sich zur Seite gebracht, ob immer legal, werden sicher noch genug Publikationen bis zur Wahl erscheinen, mit der großen Sehnsucht Kommissar zu werden, statt dem völlig unfähigen deutschen Kommissar Oettinger, der nur als abgewählter Ministerpräsident weggelobt wurde und doch war dieser mehr als peinliche auch innerparteiliche Gegner Merkels ihr noch lieber als der trockengelegte Luftikus Schulz, dem die Preußin offensichtlich nicht traute, er hat auch nachhaltig bewiesen, dass er in seinem Amt nichts taugte, schlechteste Wahlergebnisse in Europa je einfuhr . Es gibt keinen Grund, diesen turnusmäßig abgewählten Bartträger nun als Hoffnungsträger zu sehen.

Die Islamisten, ob des IS oder anderer Organisationen sprechen sich für den mittelalterlichen Gottesstaat aus, urteilen nach dessen Recht, unterdrücken Frauen auf gut islamische Art und bringen Terror in die Welt und die von ihnen besetzte Gebiete. Dennoch gehören nicht wenige der völlig verhüllten Frauen zu ihren Anhängern. Unter Jugendlichen findet die brutale Gewalt im Namen des erdachten Propheten und seines Aberglaubens viele Anhänger, auch wenn es ein völlig irrationaler Aberglaube mit unsinnig vielen unmenschlichen Schranken ist, der eigentlich unfrei macht und dafür Menschen für ein erfundenes Himmelreich und versprochene Jungfrauen den Tod suchen lässt.

Warum wirken Kampagnen, die völlig irrational ein Gemeinschaftsgefühl beschwören und die Menschen zugleich bei ihren Ängsten packen?

Dagegen fällt die vernünftige, erfahrene eine nachvollziehbare Politik vertretende Kanzlerin weiter zurück, weil sie mit nichts glänzen kann als mit Ruhe und Erfahrung, während ihr Luftblasen weniger liegen. Vernünftig wäre es am Rand der Krise und bei einem drohenden Erfolg rechtsradikaler Kräfte auf eine bewährte Kraft der Mitte zu setzen, um bloß keine Polarisierung zu riskieren. Stattdessen verkünden Umfragen erstmals ein Aufholen der SPD und sogar ein Überholen der CDU.

Hat Mutti fertig oder platzt die unvernünftige Luftblase Schulz vorher?

Die SPD-Basis glaubt naiv dem vorigen Vorsitzenden die einsame Entscheidung und sieht keine geplante Kungelei im Luftschloss der vorgeblich Arbeiterpartei. Es ist so durchsichtig, wie Schulz den Umzug nach Berlin ankündigte, Gabriel munkeln ließ und Kraft sich grinsend freute, weil es einer aus NRW werden sollte, was sie aber natürlich nie sagte. Der plötzliche Stern der Sozialdemokratie mit bloß kommunalpolitischer Erfahrung und ein wenig Europaparlament, den aber alle immer schlechter noch als Oettinger fanden, was viel heißen will, wird hell angestrahlt und alle glauben, sie sähen eine Sonne, die nicht mal ein Mond real ist. Dagegen regiert Merkel auf dem Zenit ihrer Macht ruhig und zuverlässig wie immer. Ihre ruhige Politik und ihr Beharren zeigt langsam erste Erfolge, die nicht gewürdigt werden, weil ein Scharlatan neue Versprechungen macht.

Warum verweigern viele Menschen, die eine politische Meinung äußern, jegliche kritische Reflektion, sprechen vom Bauchgefühl, dass sie treibt und warum ihnen diese Inszenierung als einer von unten gefällt?

Plötzlich wird die Nähe zu Trump und dessen Kampagne trotz inhaltlicher Unterschiede immer deutlicher. Vielleicht hilft es ihm sogar noch sich als Sozi als natürlicher Anti-Trump zu inszenieren, um damit noch eine weitere Komponente von desse Kampagne zu übernehmen. Es ist eigentlich widerlich, dämlich und erstaunt, schüttelt sich der kritische Bürger, wie Menschen auf solchen Unsinn hereinfallen können, wenn andererseits eine zuverlässige Kraft der Mitte wie Merkel zur Wahl steht.

Dann kommt von Schulz eine Äußerung zu Hartz IV, die ihm eine Annäherung an die Linke ermöglicht, ohne Programm oder Finanzierung, nur aus dem Bauch gesprochen. Wenn etwas nicht so toll liefe, müsse man den Mut haben, es zu korrigieren, säuselt der verlogene Trumpverschnitt, statt eine ernsthafte und vernünftige Reform zu beginnen. Es gibt weder einen Plan noch eine Finanzierung, es wird auf ein Bauchgefühl mit entsprechenden Äußerungen reagiert und die verletzte sozialdemokratische Seele gestreichelt.

Natürlich erwägt der besagte kritische Bürger auch, dass es dem Parlament und allen gut tut, wenn die Sozen nach dem Gabriel Absturz wieder Fahrt aufnehmen und damit die Chancen des AfD verringern, so paradox es klingt. Was aber, wenn diese Welle aus Nichts geschickt inszeniert wie in den USA zum Wahlsieg und zur Koalition mit der teilweise prädemokratischen Linken und einigen ihrer totalitären Funktionäre führt?

Es wird dies das Land weiter polarisieren, den eigentlich unwählbaren AfD als Reaktion im bürgerlichen Lager stärken und damit genau die Kräfte schwächen, die eine Demokratie stark machen und die es jetzt braucht.

Dächte wer nach, könnte diese erste Woge abgetan werden, weil sie spätestens nach weiteren Publikationen zu Schulz Verhalten in Straßburg und Würselen mit dem Millionengrab Spaßbad, logisch abflachen müsste. Er kann es nicht, nicht umsonst wollte ihn keiner als Kommissar und auch die SPD kämpfte nur halbherzig für den eigentlich Versager in Europa. Dagegen steht die erfahrene Merkel oder stand in den USA die erfahrene Clinton, die das System kennen und erfolgreich im Griff haben.

Doch hier setzt der Irrationalismus in der Politik ein. Menschen glauben an Ideen und schwärmen von Visionen oder schwadronieren von Ängsten, als sei die Politik je etwas anderes als eine oberste Verwaltung, deren Amtsleiter eben durch Wahlen bestimmt werden. Natürlich trennen wir formal das Parlament als Legislative von der Exekutive der Regierung, den Amtsvorstehern, aber schon diese Unterscheidung als Basis der Demokratie versteht kaum einer mehr. Merkel steht für zuverlässige Politik ohne persönliche Bereicherung, verwaltet Europa in bewährter Weise, während Schulz bisher für gar nichts steht und dennoch Menschen anzieht, als sei das zu wählende Amt kein Verwaltungschef auf Bundesebene. Im Gegenteil ist er nur bekannt für Verschwendung und erfolgreiches Abkassieren im kommunalen und europäischen Sumpf.

Warum glauben Menschen an Politiker ohne Erfahrung, die sich nicht festlegen?

Das Großmaul Trump wird von der Judikative und auch von der Legislative bald in enge Grenzen geschickt werden, kaum seine überwältigende Mehrheit zu etwas nutzen können als zur wieder Liberalisierung des Bankensektors an der die Unternehmen seiner neu ernannten Minister am besten verdienen und dies auf Kosten derer, die ihn wählten. Dies ist so offensichtlich, wie die Beseitigung von Obama-Care den Unfrieden im Staat verstärken, der ganz großen Mehrheit schaden wird und dennoch ist nicht gesagt, dass ihn die Wähler darum ablehnen werden.

Die wirtschaftliche Stabilität und der Aufschwung zu Anfang der Ära Merkel war ein Produkt weitsichtiger Politik unter Schröder. Die Flüchtlinge sind Peanuts und kein Problem für ein Land wie Deutschland sondern vielmehr angesichts der Geburtenrate nur eine riesige Chance. Die Angst davor wird Merkel angelastet, nicht Erdogan der viele erst auf den Weg schickte. Dies ist weder vernünftig, noch rational erklärbar, es ist eine Politik aus dem Bauch, wie es die Kanzlerin etwa bei der Schwulen-Ehe betreibt, die anders zu behandeln als die bürgerliche Ehe, es rechtlich keinen Grund geben kann. Dies weiß auch Merkel und doch erspart sie sich aufgeputschte Debatten mit Fanatikern wie in Frankreich und könnte so im irrationalen machtpolitisch klug beraten gewesen sein und irgendwann verpflichtet das Bundesverfassungsgericht die Politik zur Gleichbehandlung und keiner hat das Gesicht verloren.

Ist die Strategie der SPD darum klug, den Ballon ohne Füllung nach oben steigen zu lassen, um ihn dann oben nach Gusto durch den Vorstand zu befüllen?

Wer die Welle nutzt, schwimmt auf ihr. Ob das vernünftig ist oder nicht. Trump hat wider Erwarten diese genutzt und ist ins Weiße Haus geritten, statt der bewährten Insiderin Clinton und sorgt mit vielen unbedachten Äußerungen gerade immer wieder für reichlich Chaos in der Demokratie und in den Medien. Schulz macht es ganz ähnlich, vereinbart erst einen fairen Wahlkampf mit der Kanzlerin und Seehofer, um sich dann mit rein emotionalen Äußerungen zur sozialen Frage Hartz IV ohne jedes sachliche Fundament zu positionieren, statt endlich sachliche Aussagen und Programmvorschläge zu machen.

Die Islamisten sind ähnlich wie die späten Nationalsozialisten schon auf eine Metaebene gebombt worden mit europäischer Hilfe. Sie kämpfen den totalen Krieg und könnten Goebbels wahnsinnige Frage wohl auch vor versammelter Menge wiederholen und bekämen genug Zustimmung, wie sich wahnsinnige Attentäter für ihre Selbstmordanschläge  immer finden, aus Überzeugung im Aberglauben, den keiner laut so nennt, damit nicht endlich jeder Glaube als ein solcher offenbar werde.

233 Jahre nachdem Kant die Frage, was Aufklärung sei, so weitsichtig wie vernünftig beantwortete, sind wir kein Stück weiter gekommen, sondern machen im Gegenteil ständig Rückschritte. Vom Kreuzzug des jungen Bush gegen die Islamisten, bis zu den peinlichen Verteidigern des Abendlandes aus Sachsen zum Triumph eines Trump zieht sich eine Linie des Populismus auf der von links lange Sahra Wagenknecht relativ allein und gerne auch am Rande der Ausländerfeindlichkeit und im Proletariat beliebter Vorurteile lavierte, bis Schulz auftauchte und den inhaltsbefreiten Populismus zum Stilmerkmal machte, zu dem seine jüngsten Bemerkungen zu Hartz IV wieder bestens passen. Es stärken diese Populisten sich wider alle Vernunft gegenseitig, auch und gerade wenn sie scheinbar aus dem gegenteiligen Lager kommen.

Eine Demokratie funktioniert gut, wenn sie mit Vernunft geführt, alles Irrationale vermeidet und einen Kurs der Mitte im Interesse der großen Mehrheit fährt, die sich weder näher mit der Politik beschäftigen möchte, noch zum Wohle aller ihre Meinung ständig öffentlich äußern müsste. Der Staat soll also gut verwaltet werden, der Wirtschaft genug Ruhe und Raum zu Atmen geben, damit es allen einigermaßen gut geht und keiner völlig durchs Netz fällt. Viel spricht dafür darum in schwierigen Zeiten, während ein Populist in den USA nach der Macht griff, solche in der Türkei und in Russland regieren, hier lieber den moderaten Kurs der Mitte zuverlässig weiter zu gehen.

Mit Merkel haben wir genau die Kanzlerin, die für diesen beständigen Kurs spricht, was viele bisher gerade in Deutschland an ihr schätzten - ihr Zitat, sie wissen, was sie an mir haben, ist dafür beispielgebend. Sie ist berechenbar, unbestechlich und zuverlässig. Erledigt ihre Arbeit wie nötig, bemüht sich darüber hinaus, ohne für größere Bestechlichkeit anfällig zu sein. Sie ist eine ideale oberste Behördenleiterin, auch wenn sie nicht durch flammende Reden ein aufgeputschtes Publikum begeistern kann, im Gegenteil, sie steht ja für Ruhe und Kontinuität, folgt selbst erklärt den Idealen der Aufklärung und macht beamtisch zuverlässig  ihre Arbeit. Damit ist sie eigentlich das Beste, was der Verwaltungsdemokratie  passieren kann.

Schulz steht bisher für nichts konkretes, stand lange für eine EU, die eine Mehrheit derer, die ihm nun zustimmen, eher ablehnen würde. Natürlich bedarf es Korrekturen am Hartz IV Bezug für ältere Arbeitslose, um Ungerechtigkeiten zu vermeiden, was leicht durch ministerielle Verordnung ohne großen Aufwand möglich wäre. Es ist taktisch klug, aus einer solchen Kleinigkeit eine Schlagzeile zu produzieren. Der Mann, der sich mit dem Spaßbad, dass nie wurde, ein Millionengrab als Denkmal setzte, zeigt, was das Land mit ihm erwartet und warum es gute Gründe gibt, davor zu warnen, weil er Gelder verspricht, die er noch nicht erwirtschaftet hat, kurz gesagt, unseriös ist.

Die Äußerung Trumps zu Schweden fällt in die gleiche Kategorie. Eine bloß gelesene Schlagzeile aus den eher rechtsreligiösen Foxnews, die kein seriöser Journalist als Quelle ernst nimmt, genügt ihm, um einen Skandal zu produzieren, der für viel Spott im Netz sucht aber gerade darum seine Anhänger noch enger zusammen bringt. Die Anhänger von  Verschwörungstheorien lassen sich auch nicht durch solche Kleinigkeiten wie Tatsachen vom Weg ihrer Überzeugung abbringen.

Auch die Islamisten sind Meister der Propaganda im Internet mit ihren Hinrichtungsvideos und ähnlichem menschenfeindlichen Schund, finden sie unter den ohnehin psychisch deformierten Sektenanhängern des fundamentalistischen Islam ein begieriges Publikum jenseits aller Vernunft. Was ist unter normalen Umständen von Erwachsenen zu halten, die sich mit übersinnlichen, irrealen Freunden abgeben, als seien sie wirklich? Wir würden sie vermutlich mindestens für therapiebedürftig erklären, außer sie sind religiös, dann ist jeder Wahnsinn normal nur eben etwas fanatisch.

Es ist darum Zeit, darüber nachzudenken, der Religion endlich den Platz zuzuweisen, der ihr, ihrem Wesen nach zugehört. Sie ist eine esoterische Sekte, die stets den Verstand angreift, Heilsversprechungen im erdachten Jenseits macht und im Diesseits im Laufe ihrer Existenz meist für Konflikte sorgte. Auch in Europa wurden die Menschenrechte gegen die Kirchen erstritten, was in Deutschland durch den eigentlich reaktionären Prozess der Reformation, die der Renaissance den geistigen Saft abdrehte und jede Revolution verhinderte, gerne bis heute übersehen wird. Luther war kein Revolutionär sondern ein reaktionärer Mönch, der in seinem Aberglauben zurück zu den Wurzeln wollte und sich dazu sehr geschickt schnell mit den Fürsten als Kirchenherren verbündete, indem er ihnen mehr geistige Macht versprach. Im übrigen war er ein übler Antisemit, voller Vorurteile und auch sonst typisch deutsch, wie sein stetes Genörgel bewies. Die Verbreitung des Märchenbuchs des Aberglaubens in deutscher Sprache ist auch keine aufklärerische Leistung gewesen, sondern nur der Versuch die selbständiger denkenden Menschen der Renaissance neu unter dem reformierten Aberglauben zu einen.

Warum beschäftigen wir uns noch mit diesem lächerlichen Aberglauben?

Nachdem uns Kant klar und unwiderlegt bewies, dass es zum Glück der Freiheit nichts als die kritische Vernunft braucht und zum moralischen Handeln nur das Gewissen, über dem auch kein erdachter Gott stehen muss, den er nur als preußischer Beamter nett in einer Ergänzung zuließ, die aber so widersprüchlich und unlogisch ist, dass sie nur als Beleg der vorherigen Systematik ohne Gott dienen kann, braucht es für die Moral und Ordnung keine Götter mehr. Im Gegenteil jeder Aberglaube stört dabei.

Eine Gesellschaft, die im ewigen Frieden leben möchte, von dem auch Kant viel hielt und über den er wie immer klug schrieb, braucht moralisch verantwortliche Bürger, die für ihr Handeln Verantwortung übernehmen. Dies tun sie nach dem kategorischen Imperativ, den Grundsätzen der Aufklärung entsprechend, als aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit sich befreiende Individuen, die Verantwortung übernehmen. Dazu braucht es keine Götter, im Gegenteil, jeder Aberglaube ist der Vernunft abhold und schadete hier, sittlich verantwortlich handelt eben nur, wer aufgeklärt ist und sich also sein eigenes sittliches Urteil nach dem Gewissen bildet, also ohne Gott, sondern in Verantwortung vor den Menschen.

Wenn Politiker in diesem Land immer noch ihren Eid in Verantwortung vor Gott leisten, haben sie offensichtlich die Werte der Aufklärung, auf denen unsere Verfassung ruht, nicht verinnerlicht. Der Aberglaube hat im Prozess der moralischen Verantwortung, für den es einen Eid nur gibt, nichts verloren. Zwar wurde er seit Jahrhunderten vom geschickten Bündnis des je herrschenden Aberglaubens immer wieder hinein geschmuggelt, doch bleibt es schlicht Unsinn und eine systemfremde contra dictio zur auf Diskurs beruhenden Staatsverfassung.

Sie schadet auch niemand und ist eine bloße Tradition, wie die Taufe von Kindern, die harmlos Wasser auf den Kopf bekommen. Dies steht im Gegensatz zur jüdisch-islamischen Beschneidung, dieser unnötigen Körperverletzung aus Tradition des Aberglaubens, gegen die ein freies Land aufbegehren müsste, stünde es nicht in einem komplexen auch historischen Zusammenhang, der eher Respekt als Autorität gebietet. So ist wohl manches, was jeder Vernunft widerspricht, teilweise vollständig irrational, wie die postfaktische Medienpolitik aus dem Hause Trump, die Realitäten nach Belieben ändert, für manche Menschen ein Ideal, dem sie bereitwillig folgen.

Diese Ähnlichkeit der Religion mit der postfaktischen Politik führt zur Nähe von Trump, seinen Gesinnungsgenossen bei AfD und Pegida, den Islamisten und bisher auch Schulz, der frei von Fakten und Ahnung in der Luftblase eine Stimmung nutzt, der immer für das Gegenteil stand, aber nun ins Massenhorn stößt. Gerade religiöse Menschen, die noch an ein Heil und eine Erlösung glauben, was außerhalb der Religion bei uns unstrittig als psychische Störung betrachtet würde, die dringend behandlungsbedürftig wäre, fühlen sich von Erlösern angezogen, frei von aller Vernunft und jenseits aller Ideale.

Diese Ideale der Aufklärung, für die Merkels humanistische Politik  auch gegenüber Flüchtlingen dem Grundgesetz entsprechend steht, werden durch inhaltsleeren Populismus bedroht. Sie gilt es laut zu verteidigen, vor allem vernünftig gegen den Aberglauben aufzustehen, es gäbe höhere Werte oder ein christliches Abendland, denn alles was hier und heute Wert hat, wurde von Humanisten und Aufklärern teilweise unter Gefahr für ihr Leben gegen den Aberglauben erkämpft, der blutig mit der Herrschaft im Bündnis war. Wer die Gefahr irrationaler Politik sieht, sollte sich klar zu den Idealen der Aufklärung wieder bekennen, denn fern davon der CDU nahe zu stehen etwa, werde ich doch immer gegen sozialdemokratischen Populismus wie ihn schon ein Lafontaine öffentlich zelebrierte laut aufstehen und so sollten wir Freiheit und Demokratie verteidigen.
jens tuengerthal 20.2.2017

Sonntag, 19. Februar 2017

Liebesbeerdigung

Der Tod geht mich nichts an
Sage ich gern mit Epikur weil
Wir nie gleichzeitig irgendwo sind

Doch wenn die große Liebe stirbt
Ist er plötzlich ganz präsent weil
Du deine Gefühle beerdigen musst

Könnte ich nun einfach sagen es ist
Nichts mehr wäre es wohl nie etwas
Gewesen als Illusion des Einsamen

Doch ist noch schmerzvoll spürbar
Wie da es war nachdem nichts blieb
Auch wenn was da war so fremd ist

Nun ist sie dahin und es bleibt nichts
Um nicht am Nichts zu ersticken nun
Beerdige ich lieber die toten Gefühle

Friede sei mit ihnen sagen da wohl
Die Gläubigen vielleicht hilft es ja
Das Nichts endgültig loszuwerden

Es war ein schöner Traum möge er
Ruhe haben und mir schenken denn
In dem was blieb liebte nichts mehr

Nun kann ich wieder in Ruhe sagen
Der Tod geht mich nichts an weil
Was ich bin bleibt nur sie ist nichts
jens tuengerthal 19.2.2017

Freitag, 17. Februar 2017

EroStory 007

Sucherotik

“Kennen wir  uns?”
“Wüsste nicht woher, aber jetzt schon, zumindest beim nächsten mal”, lächelte ich die Schöne an der Bar an, mit der ich auf der Suche nach einem Platz fast zusammenstieß. Ihre langen braunen Locken umrahmten ein bildschönes Gesicht mit intensivem Rot inmitten. Nun wusste sie nicht, was sie erwidern sollte und lächelte schweigend zurück in der Hoffnung, ich gäbe ihr noch eine weitere Einladung zum Gespräch, doch hinter ihr sah ich den kleinen Sessel vor dem Vorhang frei, auf dem ich am liebsten sitze, wenn ich zum Schreiben hierher in meine Lieblingsbar komme, die tagsüber mehr Café und des Nachts immer mehr zur Bar wird.
“Wir sehen uns bestimmt noch…”, verabschiedete ich mich von der im Kostüm mit engem Rock für hier sehr schick gekleidete Dame und steuerte auf meinem Stammplatz zu.
“Na dann bis später…”, ließ sie mich etwas unwillig aber in dieser Situation als Dame relativ wehrlos ziehen, denn was wollte sie tun, wenn der Langweiler nicht plaudern wollte.

Setzte mich mit Blick auf die Bar, packte meinen Rechner aus, bestellte meinen Riesling und begann zu schreiben, ohne den Blick zu heben, spürte ich, dass sie mich beobachtete und das Spiel wäre langweilig, wenn es so schnell entschieden wäre, dachte ich, dann würde sie mich bald für den nächsten stehen lassen. Männer die wollen, langweilen Frauen scheinbar, dann haben sie das Spiel gewonnen und suchen neue Bestätigung, war meine Erfahrung. Auch wenn ich zugeben musste, dass ich diesmal gerne eine Ausnahme gemacht hätte, nicht zu spielen, sie war wirklich zu schön und ihre Stimme war mir gleich sympatisch gewesen.

Vorsichtig hob ich den Blick, um zu sehen, ob sie wirklich schaute oder sie schon nach dem nächsten spähte, denn gerade füllte sich die Bar immer mehr. Sie schaute noch und unsere Blicke trafen sich für den Bruchteil einer Sekunde, sie setzte zu einem Lächeln an, als ich den Blick wieder senkte und insgeheim dachte, blödes Spiel - aber sie hatte die Rollen verteilt, als sie mich ansprach und also musste ich nun tun, als wäre nichts.

Zwang mich auf den Bildschirm zu schauen, was mehr Kraft und Konzentration kostete, als ich nach der nur sekundenlangen Begegnung vermutet hatte. Atmete tief durch die Nase ein, doch statt mich auf den geplanten Text konzentrieren, erinnerte sich mein Geruchsempfunden an ihren Duft, ein feines dezentes Parfum, mit einem Hauch Vanille und ein wenig Bergamotte, dachte ich, passte zu ihrem Stil, der edel und dezent vornehm wirkte.

‘Sollte ich nicht doch schauen, wie es sich einer Dame gegenüber gehörte, war meine Zurückweisung oder zumindest mein Rückzug nicht zu unhöflich, würde sie sich nicht völlig zurückziehen, weil sie denken musste, sie interessiere mich nicht’, dachte ich über die Situation nach, während ich noch ernsthaft versuchte, mir zu überlegen, was ich schreiben sollte. Doch war schon der Versuch illusorisch, mir fiel nichts anderes als die Schöne an der Bar ein und was sie nun wohl dachte, also beschloss ich die Wirklichkeit zur Geschichte zu machen und fing mit dem an, was war.

Manchmal verschieben sich so schreibend Wirklichkeit und Geschichte, dachte ich und fragte mich, wie es nun wohl weitergehen sollte, wo ich in der sonst Frauenrolle völlig ungewohnt war, darauf wartete, dass sie sich weiter bemühte. Sollte ich nun in der Realität bleiben oder einfach irgendwas phantasieren, um die Wirklichkeit wieder zu verlassen und das Knistern einer erotischen Stimmung in die Geschichte zu zaubern. Dabei musste ich nichts zaubern, es knisterte ganz real und wir wussten es beide. Fraglich war nur, wie das Spiel weiterging und mit welchen Rollen - ließ sie mich in der Damenrolle und würde sich weiter um ihre Eroberung bemühen oder zeigte sie nun halb beleidigt demonstratives Desinteresse, ließ sich beliebig vom nächsten Gast an der Bar anflirten, der bei ihrem Anblick kaum lange auf sich warten lassen würde.

Riskierte einen vorsichtigen Blick über meine Brillengläser, während ich den Kopf in Richtung Bildschirm weiter gesenkt ließ. Sie schäkerte ein wenig mit dem Barkeeper, der allerdings schon aus Berufsethos so cool war, dass sie wohl bald davon absehen würde. Zumindest beobachtete sie mich gerade nicht und ich konnte sie dafür ausgiebig um so genauer von hinten betrachten. Sehr weibliche Formen mit einem runden Po lachten mich ohne Gesicht vielversprechend an und diese wilden braunen Haare schienen nicht zu bändigen, wenn sie nur halb so leidenschaftlich war, wie ihre Haare aussahen, würde es mehr als spannend, dachte ich in ihren rückwärtigen Anblick völlig versunken.

Zu versunken wohl und also unaufmerksam, schaute sie noch voller Vorfreude mit sinnlichen Gedanken dabei an, als sie, die offensichtlich so sensibel wie schön war, den Kopf drehte und genau in meine Augen schaute, die noch eher zärtlich über die eindrucksvolle Rundung ihrer Rückseite fuhren. Erwischt, dachte ich und überlegte sekundenlang, ob ich nun typisch weiblich den Blick senken sollte oder ihn lieber stolz männlich erwiderte, um sie, wenn schon erwischt, angemessen zu erwidern.

Etwas zu lang wohl wieder, sah sie noch lächelnd zwinkern und sich wieder abwenden - es schien, als drehte sich das Spiel nun mit gewohnten Rollen um. Dann eben so, dachte ich, beobachten kann ich als Flaneur gut und Geduld habe ich genug, solange ich nur darüber schreiben kann unendlich. Schon sprach sie ein Herr links von ihr an, der auch ihre schnelle Abwendung bewirkt hatte. Mit schönstem Lächeln wohl, wandte sie sich ihm zu und begann zu plaudern und sofort stieg in mir der Gedanke auf, ob ich nicht zu viel gewagt hatte, sie mehr Aufmerksamkeit forderte, ich Idiot diesen Traum von Frau leichtfertig verspielt hatte, an irgendeinen anderen, dem sie sich nun mit etwas viel Aufmerksamkeit für meinen Geschmack widmete.

Die beiden schienen, ihren Spaß zu haben, lachten viel und er begann im Lachen scheinbar unauffällig ihren Arm zu berühren, das übliche Spiel, mir entging nichts und schrieb ich nicht darüber, starrte ich vermutlich wie ein gekränkter Romeo beständig in ihre Richtung - versuchte, mich zu beruhigen, dass diese Spannung zum Spiel gehörte und ich doch längst gewonnen hatte, nur geduldig sein müsste, dann würde es schon von alleine passieren. Doch war der Versuch nicht besonders tauglich, im Gegenteil.

Während er immer bessere Witze scheinbar machte oder unglaublich unterhaltsam auf seine Art war, gehörte ihm ihre ganze Aufmerksamkeit und ich kochte innerlich ein wenig, ärgerte mich die große Chance nur um darüber zu schreiben verpasst zu haben -  was könnte ich für einen Spaß mit ihr haben, überlegte ich und winkte doch innerlich ab, dieses oberflächliche Bargerede und dies lächerliche Lachen, war nicht mein Stil, wenn sie so oberflächlich war, hatte ich mich wohl getäuscht. Oder war sie eine so gute Schauspielerin, dass sie ihr Spiel bis zur Perfektion beherrschte, genau  das erreichen wollte, was nun in mir ablief, fragte ich mich, während ich mich über meine lächerlichen Gedanken verspottete. War ich doch als Flaneur hierhergekommen, um zu beobachten und zu beschreiben - die Fortsetzung der erotischen Geschichte zwischen den beiden konnte ich mir gut vorstellen.

Dann tanzte er zum Spaß ein wenig mit ihr und sie machte mit aller Eleganz mit, der eine Dame mit solch schönen Rundungen nur fähig sein kann mit. Sie schaute nur ihn dabei an - hatte mich wohl längst vergessen und fühlte sich sichtbar gut unterhalten. Dann wanderte seine Hand nachdem er sie gedreht hatte, ganz indezent ihren Rücken hinunter und strich über ihr prominentes Hinterteil, was sie ohne zu zucken geschehen ließ.

Grollte innerlich und fragte mich warum, ich war doch nur Beobachter, was sie wollte, war ja nun offensichtlich, warum sollte ich mir auch nur einen weiteren Gedanken dazu machen, ich beschrieb es und das Ende war absehbar - ich konnte wohl wetten, wie lange sie noch hierblieben und wie lange es bis zum ersten Kuss dauern würde. Damit nahm die Geschichte inmitten wohl ein anderes Ende als ich zu Anfang plante und ich würde wieder nur Beobachter bleiben, dachte ich etwas traurig. Leben eben, die einen beobachten und schreiben darüber, die anderen erleben es und stürzen sich in schnelle Abenteuer - da war ich der Falsche wohl und blieb der dezente Beobachter, der die Geschichte im Kopf weitersponn und nur darüber schrieb.

Etwas schnell und offensichtlich, fast billig, dachte ich, als er sie nach einer Drehung in seinen Arm sinken ließ und schon mit seinem Kopf sehr nah über ihren kam - dann stand nun wohl gleich der erste Kuss an - keine halbe Stunde nach den ersten Worten - ziemliches Tempo, aber manche mögen das wohl. Während er sich ihrem Kopf zwar noch spielerisch aber in offensichtlicher Absicht näherte, schaute auch sie ihn an, wenn auch etwas zu intensiv für meinen Geschmack, als spielte sie eben nur und wollte nichts. Dann plötzlich, als er noch näher kam, drehte sie den Kopf ein wenig in meine Richtung, damit sich ihre Lippen nicht wie zufällig berühren konnten.

War sie doch nicht so billig, freute ich mich, spielte nur nett die üblichen Spielchen mit und wich im letzten Moment aus und schaute dabei noch sicher nicht zufällig in meine Richtung - unsere Blicke trafen sich nur für den Bruchteil einer Sekunde und da war es wieder dieses vertraute Zwinkern.

‘Was für eine Frau’, dachte ich, ‘liegt im Arm des einen, weicht ihm Sekunden vor dem Kuss noch aus und zwinkert dabei dem anderen zu, den sie sich damit warm hält und sie weiß sich von zweien begehrt - was musste sie sich toll fühlen’.  Vielleicht etwas zu toll, wer so spielte, wusste, was er tat, gerade wenn es eine Sie ist, die ihre Reize so bewusst einzusetzen weiß. Blieb zwar reizvoll und interessant, aber aus diesem Rodeo um ihre Gunst würde ich mich dezent wohl zurückziehen, ich war nie der Typ, der an der Bar in Großmäuligkeit konkurrierte, um eine einfach rumzukriegen.

Klar wollte ich sie auch, genau  wie er und vielleicht war der auch ganz nett, ich kannte ihn ja nicht, aber ein Kampf um eine Dame, die mit zweien auf einmal spielte, war nicht mein Stil, redete ich mir ein, auch wenn ich längst wusste, es war Blödsinn, ich würde fast alles tun, diese Frau zu bekommen, außer vielleicht, aufzuhören darüber zu schreiben - die Lust an den Worten war noch stärker und das war gut so, denn so trat ich nicht ein in diese Hengstparade, bei der sich nun gleich der nächste, um ihre Gunst bewarb, den sie wieder bezaubernd anlachte, als er sie ansprach. Dessen zufällige Berührungen geschehen ließ, als genösse sie es von jedem Kerl angegrapscht zu werden - denn natürlich versuchte jeder Kerl mit Augen im Kopf mit seiner Hand auch über ihren sehr prominenten Po zu streifen.

Dieser war etwas nachdrücklicher als sein Vorgänger, tanzte tatsächlich ein wenig, und hatte als er zum Kuss schreiten wollte schon vorausschauend eine Hand hinter ihrem Kopf, statt nah ihrem Hinterteil wie der andere noch - da sie sah, wie gefangen sie nun wäre, entwand sie sich lachend vorher - diesmal ohne Blick in meine Richtung. Hieß das nun, sie wollte den wirklich, weil sie spielte, zumindest hatte sie seinen Ehrgeiz noch beflügelt, während der andere schon bereit stand, abzuklatschen beim Tanz, doch davon schien sie genug zu haben und ging an die Bar, um an ihrem sehr bunten Drink zu nippen.

Ihre Verehrer umrahmten sie und versuchten sich zu überbieten in Witz und doppelbödiger Vertrautheit. Sie spielte das doppelte Spiel mit, als sei sie es gewohnt und täte nie etwas anderes als mit mindestens zwei Männern flirten, was sie zwar attraktiv irgendwo machte und reizvoll aber zugleich abstoßend auf mich wirkte. Wollte keine, die mit allen Männern konnte, die ihr vermutlich reihenweise zu Füßen lagen, spätestens jedoch, wenn sie genug von den nervösen mageren Hippen hatten, die noch der Mode entsprachen. Beobachtete, was hier geschah und nahm langsam innerlich Abschied, hatte mich der erste Blick wohl doch getäuscht, schade aber besser, es so zu merken, als lange von einer zu schwärmen, die sich gern viele hält und lieber unterhalten wird.

Unerwartet löste sie sich plötzlich aus der Mitte ihrer Verehrer und ging in meine Richtung und sah dabei doch an mir fast vorbei, vielleicht weil sie von den Blicken ihrer Verehrer verfolgt sah, vermutlich, weil sie mich längst wieder vergessen hatte, den Langweiler, der nur schrieb. Hatte es wohl nicht anders verdient, dachte ich, solche Frauen fordern Aufmerksamkeit und den ganzen Mann und ich hatte ja einen Moment die Chance, als ich mich noch dummerweise spielerisch für das Schreiben entschied und das Ergebnis hatte ich nun, sie übersah mich, war ich zugegeben, auch wenn es ja eigentlich bestens zu meiner Rolle als Flaneur und nur Beobachter passte, ein wenig frustriert.

Dann neben mir, wo es eng war, weil sieben Damen den Geburtstag der einen wortreich feierten, kam sie dann doch näher als nötig, streifte mich und wieder hatte ich diesen dezenten Geruch in der Nase - Chanel No.5 vermutete ich, ein uralter Duft, der noch immer verzaubern konnte - hob den Kopf und da war es wieder dieses vertraute Zwinkern.

Sie konnte es wirklich, dachte ich, als sie verschwunden war und hatte plötzlich das Bedürfnis ihr hinterher zu laufen. Vielleicht hieß dies Zwinkern, dass sie mich hinter dem schweren Vorhang erwartete, überlegte ich, hatte noch keine Tür gehört und wollte schon aufspringen, als ich sah, dass schon einer ihrer Verehrer ihr hinterher lief und auf Hahnenkampf oder Rodeo hatte ich keine Lust.

Als er hinter dem Vorhang verschwand, hörte ich wie die hintere Tür ging und sie vermutlich verschwand - dann hatte sie also gewartet, überlegte ich, aber wohl nicht auf den, der kam. Ob sie auf mich gehofft hatte, fragte ich mich und ob ich sie nun mit offenen Armen erwarten sollte, doch die Situation würde mutmaßlich dachte ich und bedauerte vermutlich mal wieder eine Chance durch zu langes abwarten, verspielt zu haben.

Sie blieb lange, als wartete sie darauf, dass der andere zuvor verschwände. Hörte die Tür der näheren Herrentoilette - aber er kam nicht, sondern wartete wohl auf sie, doch sie kam nicht und schließlich wurde es ihm zu lang und er verschwand nach vorne, um nachzusehen, ob er sie vielleicht verpasst hatte und gerade alle Chancen an der Bar verlor. Einmal durch den Vorhang getreten, winkte ihm schon der andere lachend zu.

“Dachte schon du wärst ins Klo gefallen”, rief ihm dies wohl etwas schlichte Gemüt durch den Raum zu - vielleicht aber, fragte ich mich, nicht immer ganz mit den aktuellen Sitten vertraut, diente dies nur dazu, ihn zu blamierten und bloß zu stellen, offenbarte also mehr über den anderen, wenn dieser regierte.
“Ich doch nicht, aber ich mache mir bei ihr langsam Sorgen”, rief der andere zurück und hielt sich für schlagfertig in der Herrenrunde, dabei war es klar auch für sie hörbar nur eine Blamage für ihn und so standen die beiden nun wie Tölpel da.

Irgendetwas in mir grinste, als sich die beiden Männer jovial, mit Zwinkern und Schulterklopfen über das weitere Vorgehen absprachen - da sie den einen nicht wollte, würde wohl der andere den Trumpf ziehen, schien es offensichtlich - noch schienen sie nicht ganz einig. Der eine erklärte dem anderen, dass sie verschwunden sei als er kam, wäre doch Zeichen genug, was er sich denn denke, worauf der andere argumentierte, es könne auch ihr Spiel sein, denn offensichtlich habe sie es ja wohl faustdick hinter den Ohren.

Längst hatte ich im Gegensatz zu den beiden die Tür gehört und wusste sie hinter dem Vorhang stehend und lauschend. Erwartete sie nun mich, fragte ich mich und war doch zu stolz, wollte nicht ihr hinterherlaufen. Schrieb darüber, als sich der Vorhang öffnete und sie mich, als ich den Kopf hob, anlächelte. Sie machte Anstalten, sich auf den kleinen Sessel neben mir zu setzen.
“Darf ich?”
“Natürlich - aber ich glaube du wirst sehnlichst erwartet….”, lachte ich sie zwinkernd an und plötzlich überholte die Realität die Geschichte an der ich noch schrieb.

Sie schlug nicht die Beine über sondern hielt die Knie elegant geschlossen, ihre langen Beine ein wenig nach hinten. Ganz Dame sagte sie nichts zu meiner Bemerkung zu den anderen Verehren, überhörte sie dezent und als ich zu ihren Verehrern sah, die fast mit offenen Mündern staunend in meine Richtung blickend, nicht begriffen, wie sie dies sicher geglaubte Weib wieder verlieren konnten, in deren Richtung lächelnd die Schultern zuckte und die Brauen hob, als wüsste ich auch nicht, wie mir geschehe, deutete sie dies sogleich richtig und verdrehte in meine Richtung, für die anderen unsichtbar, deutlich die Augen.

“Darf ich fragen, was du schreibst?”, fing sie wieder mit  ihrem großartigen Lächeln das Gespräch an.
“Eine erotische Kurzgeschichte.”
“Oh wie schön, um was geht es?”
“Nichts besonderes, ich beschreibe einfach nur, was gerade passiert.”
“Unsere Geschichte?”, schaffte sie es doch wieder, mich aus der Ruhe zu bringen.
“Bis eben wusste ich noch nicht, wie sie endet”, erwiderte ich, nachdem ich einen Moment zu lang, mich mühsam wieder fing.
“Und nun bist du sicher?”
“Was weiß ich schon?”
“Zumindest zitierst du gern Montaigne - ich mag kluge Dichter.”
“Du bist wirklich erstaunlich, du kennst sein Motto?”
“Natürlich, ich liebe ihn - er ist so lustvoll lebensfroh, Epikuräer eben - sag mal schreibst du immer noch auf, was wir hier reden?”
“Äh - ja, irgendwie muss die Geschichte ja enden…”

Sie legte ihre Hand auf den Tisch, zwischen die Schale mit den Kernen der Oliven und mein inzwischen leeres Weinglas und ich wollte das Signal zumindest diesmal nicht übersehen - sie kannte und liebte Montaigne, war Epikuräerin und duftete wie das schönste Paradies - ich legte meine Hand auf ihre, wir sahen uns an und nun muss ich wirklich mit dem Schreiben aufhören, weil meine Hände nun andernorts gebraucht werden.
jens tuengerthal 17.2.2017