Freitag, 17. November 2017

Bilderwanderung

Den Berg hinab, um Kunst zu betrachten ging es heute, die neuesten und die ältesten Werke Berlins, wollte ich sehen

Vom Helmholtzplatz über das Brandenburger Tor durch den Tiergarten zur Gemäldegalerie war der geplante Weg und ich lief ihn mit der Liebsten im Ohr auf dem schnellsten Weg, um noch Zeit in der heute bis 20h zumindest geöffneten Gemäldegalerie zu haben.

Die Schönhauser Allee hinunter, um noch ein wenig Dampf machen zu können und von dieser am Senefelderplatz in die Schwedter Straße, durch Templiner und Zionskirchstraße erreichte ich mit Überquerung dieser bereits den Bezirk Mitte, in den ich die Choriner hinunter noch weiter eindrang, die ehemalige Stadtmauer überquerend, die heute nur noch Straßenbahnschwelle ist, gelangte ich zur Linienstraße, der ich bis zum Koppenplatz folgte. Von dort ging es südlich in die Große Hamburger Straße bis zur Krausnickstraße, an deren Ende ich die Museumsinsel schon im Blick die Oranienburger überquerte, um gegenüber am Monbijou Park entlang, der nach dem früher hier gleichnamigen Schloss benannt wurde und mich direkt zum Bode Museum führte, das ich aber links liegen ließ, auch wenn ich damit dies wunderbare Haus heute sicher nicht gebührend würdigte, doch folgte ich weiter dem Kupfergraben gen Westen, bis zur Geschwister Scholl Straße, die nach der Georgenstraße zur Universitätsstraße wird, die ich an der Dorotheenstraße wieder westlich hinter der Universitätsbibliothek entlang in selbige verließ. Auf der Dorotheenstraße blieb ich, die Friedrichstraße noch überquerend bis zu ihrem Ende an der Wilhelmstraße, in die ich wieder südlich oder nach links abbog, um zum Pariser Platz zu kommen.

Dort fand sich eine große Menge an luxuriösen Limousinen - wohl für einen größeren Empfang in der gut bewachten französischen Botschaft. Ignorierte dieses gewiss bedeutende politische Ereignis, zu dem mich auch keiner einlud, was ich vielleicht angesichts der dort gereichten vergorenen französischen Getränke vielleicht bedauern könnte, aber nicht tat, da ich ja für die Kunst unterwegs war.

Genau in der Mitte auf dem ehemals der kaiserlichen Familie vorbehaltenen Weg durchquerte ich als freier Berliner Bürger das Brandenburger Tor und sah schon vor mir das Monument von Manaf Halbouni, das im Rahmen des 3. Berliner Herbstsalons vom Gorki Theater, das bereits von Februar bis April die Dresdner auf dem Neumarkt vor der Frauenkirche in dort üblicher fremdenfeindlicher Weise empörte, einen typisch sächsischen Skandal auslöste, weil der Freistaat eben eher unfrei ist.

An Berlins zentraler Stelle standen nun auch die drei aufrecht stehenden Busse, die an die Situation der syrischen Flüchtlinge erinnern soll, in dem es an eine Straßensperre erinnert, die in gleicher Weise in Aleppo errichtet wurde, um die Zivilbevölkerung vor den Scharfschützen dort zu schützen. Hier empörte sich niemand. Einige  betrachteten es ruhig, viele machten Fotos, sah aber keinen, der seinen Sefie-Stab angrinste. Eine gute Idee an einem zentralen Punkt, die nachdenklich macht und zumindest einige innehalten ließ. Am Kunstwerk standen Mitarbeiter des Gorki-Projekts für Fragen zur Verfügung, reichten auf Wunsch Flugblätter, viele lasen die Beschreibung genau. Sah kein Kopfschütteln und keine Aufregung. Auch an Berlins zentralem Symbol fühlte sich keiner durch das Kunstwerk provoziert - es wurde schlimmstenfalls ignoriert, wenn es auch keiner übersehen konnte, machte es so zum Thema, was viele gern verdrängen - die syrischen Flüchtlinge suchten nicht Wohlstand sondern Frieden im Land, ihretwegen öffnete die Kanzlerin die Grenzen, um eine unmenschliche Situation mit ihrem schlichten “Wir schaffen das” zu beenden. Daran in der Diskussion um Obergrenzen zu denken, scheint mir wichtig.

Nachdenklich aber zügig ging es weiter in den Tiergarten, um noch ein wenig Zeit in der Gemäldegalerie zu haben. Von dessen gerader Durchquerung im Dunkeln gibt es nicht viel zu berichten, außer dass mir wie immer viele Radfahrer und Läufer begegneten, von denen irgendwo am Rand des Tiergartens ein Nest zu sein scheint. Gegenüber der Philharmonie angekommen, überquerte ich die Tiergartenstraße, ging geradeaus in die Herbert von Karajan Straße, die ich zum Matthäikirchplatz verließ, um die lange schiefe Ebene zum Kulturforum zu erklimmen.

Dort angekommen, schloss ich alles überflüssige ein, zeigte meine Jahreskarte der Staatlichen Museen, die für einen Berliner ein unendlicher Fundus und Hort des Glücks ist, der Zutritt zu den wichtigsten Museen gibt und die eben auch zum schnellen Besuch mal zwischendurch einlädt und betrat die heiligen Hallen der Kunst, in der die Sammlungen vor 1800 noch hängen. Überraschend schön und neu stand die sonst große und leere Wandelhalle unter dem Motto in neuem Licht und präsentierte eine große Sammlung mit 70 sonst nicht gezeigten Werken entsprechend dem, was in den Räumen hinter der Halle sonst gezeigt wird, in einem riesigen Raum mit halbhohen Stellwänden in unterteilt. Alles in blau getaucht war das Flanieren im Verbindungselement Wandelhalle ein ganz neues Erlebnis, eine kleinere Gemäldegalerie als Schatzkästchen in der großen ließ durch die Jahrhunderte flanieren und spiegelte, was in den Räumen dahinter hing. Auf der rechten Seite beginnend mit früher Kirchenkunst des Mittelalters, niederländischen und deutschen Meistern, dem goldenen Zeitalter der niederländischen Malerei, hin zur Kunst des 18. Jahrhunderts bis zum Rokoko, von dort nach Italien und Spanien, wo ein wunderbarer Velazquez von Karl V. in voller Rüstung beeindruckte, endete die erste Runde bei der italienischen Renaissance mit wunderbaren Altarbildern und einzelnen typischen Portraits aus der Blütezeit Italiens.

Nach dem ersten neuen Rundgang, machte ich mich auf dem Weg zum üblichen Rundweg durch die dort Kabinette und gleich im ersten stieß ich auf einen strahlend schönen weißen Busen von Jean Fouquet aus dem Dyptichon von Melun für die dortige Stiftskirche, das sonst in Antwerpen hängt. Die Madonna ist der rechte Flügel des getrennten Dyptichon, dessen linker Flügel mit dem Stifter Étienne Chevallier mit dem heiligen Stephanus zum Bestand der Berliner Sammlung seit 1896 gehört und beide zusammen gehören zu den wohl schönsten Hauptwerken der französischen Kunst vor 1500. Dazu kommt noch ein Emaille Medaillon mit einem  Selbstportrait des Künstlers, das sonst im Louvre steht. Weitere Bilder von Jan van Eyck, Rogier van der Weider und Petrus Christus, erläutern die kleine exquisite Sammlung, so auch das Bild van Eycks, das Bildnis von Agnes Sorel, der Geliebten des Königs, deren Züge sich im Gesicht der Madonna finden sollen, die stolz stillend ihren fast ironisch runden Busen in schneeweiß präsentiert. Dazu kommen noch Zeichnungen, die den Kontext des Werks und den Weg zu ihm erläutern.

Eine bildschöne, weiße Madonna mit perfektem, fast unnatürlich rundem Busen, welche die Züge einer Geliebten des Königs trägt als hocherotisches Altarbild - das ist schon so genial und zeigt den französischen Sinn für Schönheit und das Spiel mit der auch öffentlich gelebten Erotik einfach wunderbar. Die Frau als Subjekt der Anbetung gibt trotz allem christlichen Schmuck und passender Symbolik diesem Gemälde eher den Charakter eines dionysischen Altargemäldes und das mit einem Augenzwinkern auf die christliche Prüderie in einer Kirche aufzustellen, zeugt von guter Kenntnis des menschlichen Wesens. Eine wunderbare kleine Kabinettausstellung, bei der mich nur der autoritäre Wärter verärgerte, der mich mit Gewalt am Fotografieren hindern wollte und zunächst lautstark die Löschung der Bilder verlangte.

Ignorierte ihn höflich lächelnd, verließ den Raum und er folgte mir nicht allzulange in den Bereich seiner Kollegen, sondern beließ es beim peinlichen Versuch seine Allmacht als Wärter im Bilderzoo gezeigt zu haben. So konnte ich diese prächtigen weißen Kugeln fern aller anatomischen Realität zumindest ein wenig von der Seite ablichten und sie waren sicher einen Blick wert.

Vor Dürers Madonna mit dem Zeisig einen Moment andächtig verweilend, diesem deutsch-italienischen Meisterwerk der Renaissance, die so leuchtend einen Quantensprung von der in Fouquets Diptychon entfernt scheint, wenn sie auch, vielleicht typisch deutsch, jeder Erotik eher entbehrt. Die weisen dafür die beiden Venus von Cranach und dessen Jungbrunnen zur genüge auf, die ich nur kurz besuchte heute, da sie von einem Malkurs junger Damen belagert war, dessen amüsante Produkte den Boden dekorierten, während die selbigen deutlich dekorativer ihrer Führerin lauschten.

Ein kurzer Zwischenstopp bei der kleinen Kabinettausstellung zu Luther anläßlich des 500. Jahrestages seines Thesenanschlags in Wittenberg lichtete ich eher im familiären Interesse ab, betrachtete ich bloß schnell - einige sehenswerte Blätter aber ich kann den Spalter und Antisemiten nicht leiden, so viel er auch mit seiner Bibelübersetzung für die Etablierung des Hochdeutschen getan hat. Der Mann, der die Renaissance in Deutschland durch die Reformation ersetzte, damit die geistige Freiheit dieser Bewegung, die in Italien begann, hier beendete, wird hierzulande viel zu viel gewürdigt für meinen Geschmack, er war in der Wirkung ein Bremser und kein Reformer.

Natürlich war seine Kritik an Rom und dem Ablaß, der den Petersdom und die Orgien finanzieren sollte, berechtigt, ist der Aberglauben mit Heiligen und Reliquien dort für jeden vernünftigen Menschen einfach lächerlich - doch wird der eine Aberglaube nicht besser, wenn ich ihn durch einen anderen, vermeintlich reineren Aberglauben ersetze - es bleibt ein solcher und so hat die Reformation eine Bewegung hin zur Befreiung vom Aberglauben verhindert, die mit der Wiederentdeckung des Lukrez und der Lehren des Epikur damit auf einem guten Weg war.

Doch die Gegenreformation und die Schlachten um den rechten Glauben in Europa, die nicht nur in Nordirland bis heute fortdauern, die auch Bayern immer wieder vor dem Bundesverfassungsgericht verliert, haben die Befreiung der Menschen aus dem Reich der Unvernunft und des Glaubens verhindert. Bis heute beruft sich etwa die sehr gute und vernünftige Verfassung der Bundesrepublik auf einen erfundenen Gott, egal welcher Konfession und es gibt Eide auf das Märchenbuch Bibel durch führende Politiker, was nur durch Tradition noch zu rechtfertigen ist aber jeder Freiheit Hohn spricht und Europas Werte verspottet.

Der Aberglaube hat in einem vernünftigen Land nichts im Staat verloren und gerade der Terror des Islam könnte uns dies besser lehren - aber hier ging es ja nur um den Reformator Luther und warum ich ihn ungern anschaue und mehr als kritisch sehe, ganz abgesehen davon, dass sein übler religiöser Antisemitismus gegen den Gründer seiner Sekte gerichtet schon paradox genug ist, diesen Irren nicht weiter ernst zu nehmen.

Dennoch waren die Stiche künstlerisch ganz nett und gaben ein schönes Bild der Lutherzeit in der sich Deutschland entscheidend veränderte, wenn auch nicht zum Guten hin, warum ich den Moment dort nicht bereute.

Ging die gleiche Runde nun innen, wenn auch manches Kabinett angesichts der fortgeschrittenen Zeit schneller durchschreitend und auch vor Breughels Bauernwimmelbild sammelte sich die nächste Traube junger Damen, warum ich beide lieber zügig ignorierte. Rembrandt bewundernd und ein Lächeln für Vermeers Licht ging es zu den Engländern und bei Prinz Heinrich, dem kleinen Bruder des Alten Fritz, der neben dem wunderbaren Selbstportrait der großen Berliner Malerin Dorothea Therbusch hängt, im Raum in dem auch das letzte Portrait Mozarts hing, den ich nochmal für meine Prinzessin ablichtete, gongte es und kam die Durchsage, dass nun geschlossen würde und zügig schweifte ich durch die nächsten Räume, Venedig und italienische Knabenerotik, Habsburger Familienbilder als Ausweis der zu vielen Inzucht, bis ganz am Ende vorm Ausgang, der auch Eingang ist, die italienische Renaissance mein Herz erwärmte. Großartige Bilder, die mit dem neuen Raum als Entdeckung der Zeit experimentieren, menschliche Gesichter zeigen, wie sie das Mittelalter nicht kannte.

Wieder aus dem Museum aufgetaucht, ging ich zügig durch den Tiergarten zurück, wollte am Bundestag vorbei zur Spree, doch die fortdauernden Sondierungen, die noch nicht mal Koalitionsverhandlungen sind, heute in großer Runde, die ein Ergebnis wohl bringen sollten, hinderten mich am direkten Weg - die Koalition erreichte nichts bis zum Morgen, vertagte sich auf das Wochenende, an dem hoffentlich der nervige Horst endlich fällt und ich folgte der Bundesstraße 2, die dort Dorotheenstraße noch heißt, ging an ihrem Ende links gen Norden, überquerte die Marschallbrücke, lief ein wenig immer meine Liebste im Ohr die Luisenstraße hinab, bog in die Marienstraße ein und setzte mich endlich einmal vor die Böse Buben Bar, was ich mir schon so lange vorgenommen hatte.

Es dauerte etwas, bis mich jemand bei der zugegeben recht frischen Luft draußen wahrnahm, doch schließlich bekam ich einen feinen, trockenen Rioja und genoß ihn dort auf einem der Felle, den Blick nach Innen auf die dort wunderschönen Bücherregale. Beim Gehen, noch einmal die dort Örtlichkeiten konsultierend, stellte ich fest, sie haben sogar ein Kindler Literaturlexikon auf dem Zigarettenautomaten zwischen den Klos stehen, zu dem sich noch eine kleine Herder Ausgabe gesellte. Hierher werde ich wieder mit der Liebsten kommen, um in einem Café voller Bücher die Stimmung gemeinsam zu genießen.

Über die Reinhardstraße, am gräßlichen Friedrichstadtpalast vorbei, dem spießigen Utensil aus DDR-Zeiten, das tut, als wäre es ein mondänes Varieté, wozu ihm bei der Vergangenheit logisch entscheidendes fehlt - Stil  und Schönheit, über Oranienburger und Auguststraße zum Koppenplatz, beendete ich den Rundgang wie üblich über Ackerstraße und mit den Hussiten am Humboldthain vorbei, durch den Gesundbrunnen und heim nach 24 km mit der Liebsten immer im Ohr.

jens tuengerthal 16.11.2017

Vertrauensglück

Wie glücklich macht es doch
Sich sicher zu sein mitenander
Blind einander zu vertrauen
Von großer Liebe erfüllt

Reize gibt es im Leben immer
Früher schien der Reiz des Neuen
Stärker als das Glück was da ist
Heute weiß ich es besser

Nichts besseres erwarte ich mehr
Vom neuen oder anderen jemals
Genieße das Glück stattdessen
In allem lieber nur noch mit dir

Das Glück zu vertrauen in allem
Erfüllung für immer zu finden
Ist aufregender als jede war
Logisch scheint mir was ich will

Wenn du den Gipfel erreicht hast
Kannst du dich ausruhen oben
Den Blick schweifen lassen dort
Um zu erkennen wie schön es ist

Zufriedenheit wird zum Glück
In dem du immer lustvoll ruhst
Weil du alles nur mögliche hast
Ist Vertrauen logische Folge

So ist nichts sonst mehr wollen
Kein weniger sondern viel mehr
Du ruhst immer zufrieden in dir
Hast alles was du wollen kannst

In diesem Glück mit dir leben
Ist kein Verzicht sondern mir
Der Hauptgewinn nach langer
Suche endlich völlig gelassen

jens tuengerthal 17.11.2017

Donnerstag, 16. November 2017

Todesnähe

Eigentlich weiß ich, der Tod geht mich nichts an, wenn er kommt, bin ich nicht mehr da und solange ich da bin, wird er nicht kommen und dennoch kommt er manchmal verdammt nah und ich muss mich fragen, wie ich mich dazu verhalte oder damit fühle.

Heute rief mich meine Mutter an, damit ich nochmal mit meinem Vater spreche, dessen Herz Probleme macht, mehr als 50 m zu gehen, macht ihm bereits Schwierigkeiten, der früher stundenlang durch die Wälder lief, Waschmaschinen alleine trug , alles konnte und die Medizin scheint auch nicht mehr viel weiter zu wissen bisher. Nebenbei erzählte sie mir, dass sie nun gleich ihren Hund einschläfern lassen, den guten Labrador Balu, der nun auch alt geworden ist und nicht mehr aufstehen kann.

Das ist alles in Ordnung, Tiere haben ein beschränktes Leben - mochte den Hund, war viel mit ihm spazieren, den meine Eltern sich anschafften, als mein Vater in Rente ging. Sein Tod bedrückt mich nicht - er hat gute Jahre in der Familie gehabt, allen Seiten gut getan, meine Tochter und die anderen Enkel haben ihn geliebt und nun ist seine Zeit um und ein Hund, der nicht mehr aufstehen kann und inkontinent wird, darf erlöst werden.

Auch die Todesgefahr meines Vaters ist mir seit seinem Infarkt vor einigen Jahren sehr bewusst, da war es schon schwer mit ihm überhaupt noch zu telefonieren, er brauchte, bis er seine Artikulation wieder fand und wieder, wenn auch ein wenig gebremst, der Alte war. Schon vor über dreißig Jahren hat er mir erzählt, dass er vermutlich nicht älter als 65 wird, so verstrahlt wie er sei als Radiologe und tatsächlich hatte er aufgrund seiner Strahlenschäden keine Haare mehr an Armen und Beinen und ich hatte mich damals damit abgefunden, dass mein Vater wohl nicht alt wird - allerdings schien mir damals 65 noch sehr weit entfernt, er war da gerade Ende vierzig oder so.

Nun hat der Tod ihn zumindest eingeholt und sie laufen im Gleichschritt auf einer Ebene, unklar nur, wer zuerst am Ziel ist, aber er wollte nicht über sein Herz reden, an dem vermutlich nicht mehr viel zu ändern ist und das sei eben, wie es sei. Lieber sprach er mit mir über meine Essays, die er wohl gelegentlich liest, wenn meine Mutter ihm die Links schickt, oder sie ihm ausdruckt. Er liest mich also und denkt über meine Worte nach, dachte ich, wie schön - so nah waren wir uns wohl lange nicht und wenn ich ihm damit noch etwas geben kann, ist es viel und bin ich glücklich. Es ging bei dem einen Essay, dass er erwähnte, um den diesjährigen Literaturnobelpreisträger Kazuo Ishiguro, bei dem ich insbesondere über seinen Roman, Alles was wir geben mussten, schrieb, der die lebende Organspende betrifft. Menschen die sterben, damit andere leben können, für die sie Spender sind.

Wie ich mir jetzt vielleicht für diesen klugen, belesenen und vielseitig interessierten Mann einen Spender wünschen würde - aber was sollte er ihm überhaupt spenden?

Sein Herz ist relativ stark, so zartfühlend mein Vater immer gewesen ist, solch ein Vieh von einem Mann war er zugleich. Es sind die Wege zu ihm und von ihm weg, die nicht mehr so frei laufen, wie sie sollen. Weiß nicht, ob das an seiner Ernährung liegt, am Lauf der Zeit, daran, dass wir alle irgendwann sterben müssen, an den vielen Medikamenten, die er seit Jahren gegen seinen Bluthochdruck nehmen soll und die ihn aber auch als Menschen verändert haben, ihn unduldsamer manchmal werden ließen.

Bin kein Arzt wie er und er weiß auch nicht mehr was tun, fügt sich dem, was seine Ärzte sagen und meinen und irgendwann geht es eben nicht mehr, dann will das Herz vielleicht noch und könnte auch noch irgendwie, aber findet keine Wege das Blut zu pumpen, es in der Lunge mit genug Sauerstoff zu versorgen, vielleicht muss er auch nur einige Jahre ganz langsam machen.

Er sagte mir einige medizinische Sachen zu seinem Zustand und mit dem meisten konnte ich noch etwas anfangen, aus meiner Zeit im Krankenhaus, sonst ignoriere ich die Sprache der Ärzte lieber - aber wenn es nicht mehr geht, dann geht es nicht mehr - ob er Weihnachten noch erleben würde, wäre nicht sicher, meinte er ganz gelassen und fröhlich, während ich ihm von meinen Wanderungen durch Berlin und der Ausstellung im Bode erzählte und fröhlich ungerührt tat.

Es wäre das erste Weihnachten ohne ihn in meinem ganzen Leben, denke ich etwas erschüttert - es war die Konstante und ist doch so erwartbar wie natürlich. Wenn es Zeit ist, zu gehen, müssen wir gehen, ohne uns zu grämen und uns an dem freuen, was war, sage ich mir mit Lukrez. Beinahe wäre ich ja auch schon ein paar mal gegangen. 1987 als mich einer tot fuhr, oder 2001 als mich die Straßenbahn knutschte und und und - bei ihm ist es schon lange absehbar, er weiß es, redet offen darüber, wie über das einschläfern ihres Hundes.

Dennoch wird mir ganz flau im Bauch, während ich diese Zeilen schreibe und mir ausmale, wie es wird, einen Nachruf für meinen Vater zu schreiben, der dann plötzlich nicht mehr da wäre, obwohl meine wirklich süßen Eltern noch so viel gerne zusammen machen würden, wenn sie können. Da muss ich kräftig schlucken, damit ich keine feuchten Augen bekomme und mir mit fester Stimme entschlossen sagen, der Tod geht mich nichts an.

Fliehe ich nun davor, dass mich der Tod meines eigenen Vaters oder das langsame Versagen seines Herzens, von dem ich weiß und das ich verstehen kann, doch mehr berührt als ich will - wäre ja auch völlig bescheuert wenn nicht - oder fehlt mir noch die echte epikuräische Gelassenheit, die mich die Dinge nehmen lässt, wie sie sind, um das mögliche zu genießen, statt am unmöglichen zu leiden?

Das Eltern sterben, gehört zum Leben und um so älter wir werden, desto näher kommen uns diese Ereignisse mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit. Kinder sind die Nachgeborenen und überleben darum, wenn nicht was schiefgeht ihre Eltern und das ist auch gut so. Meine Tochter wird mich auch überleben und das freut mich für sie.

Bewundere meinen Vater für seine Fähigkeit zu genießen und zu lieben und ich hoffe er tut das auch jetzt noch jeden Tag, der ihm bleibt - denke ich an meinem Großvater, bei dem wir  20 Jahre immer von meiner Großmutter hörten, es könnte das letzte Weihnachten oder der letzte Geburtstag sein, der leider immer auf den 1, Mai fiel, warum ich nie andere Maifeiern kennenlernte solange mein Großvater lebte, der es immerhin bis 1991 schaffte, was einiges für ein Kind des Kaiserreichs und alten Kadetten war, denke ich, klar, es könnte das letzte mal sein, vielleicht haben wir auch noch zwanzig Jahre, auch wenn es nicht sehr wahrscheinlich ist.

Mein Vater lebt und also schreibe ich keinen Nachruf und auch keinen für den Hund meiner Eltern, der es hinter sich hat und das ist auch gut so, wenn ein Hund nicht mehr laufen kann. Solange mein Vater genießen kann, möge er es tun und wenn ihn ein Glas weniger drei Tage länger leben lässt, aber drei Gläser Wein ihm den letzten Tag schöner machen, dann hoffe ich, er macht es sich weiter so schön wie nur möglich.

Ein guter Freund der Familie hatte vor einigen Jahren einen Schlaganfall und vegetierte nur noch als Pflegefall dahin - ein geistvoller, humorvoller Arzt, der nur noch ein Schatten seiner selbst war. Besuchte ihn, der mit einer alten Freundin der Familie verheiratet war, einige male mit meinem Vater und als ich hörte, er sei gestorben, freute ich mich, dass er endlich erlöst wurde, weil es keine Aussicht auf Besserung gab.

Meine beiden Großmütter die über neunzig wurden, waren immer weniger zurechnungsfähig und vernünftig als sie sich ihrem Ende näherten. Auch der eine Großvater war am Ende zumindest etwas seltsam. All dies ließ mich schon früh daran zweifeln, ob es ein Ziel sein muss, so alt zu werden, bis der Körper nicht mehr funktioniert, auch wenn der Geist seinen Geist schon vorher teilweise aufgab.

Ginge mein Vater jetzt irgendwann, wie er und meine Mutter wohl befürchten, ginge er klaren Geistes und hätte solange er konnte, getan, was er wollte. Das ist gut so und gefällt mir und die Vorstellung des vielleicht doch noch Ausbruchs der Strahlenkrankheit oder des Prostatakrebs, an dem meine beiden Großväter litten, fände ich nicht tröstlicher. Auch der Gedanke an Demenz bei ihm oder andere Alterskrankheiten, die eben so kommen, wenn wir immer länger leben, gefällt mir nicht wirklich.

Es gibt nie einen richtigen Zeitpunkt zum Sterben, außer den, an dem wir halt tot sind. Vielleicht lebt er noch viele Jahre, vielleicht nur noch wenige Tage - gerne würde ich noch lange Gespräche mit ihm über so vieles führen - vielleicht kommen wir Weihnachten oder zwischen den Jahren dazu oder halt nicht, dann ist es auch gut so. Wir haben viel miteinander geredet, unser ganzes Leben lang und das dauert ja bei mir nun auch schon 47 Jahre. Wir haben uns verändert in den letzten Jahren, sind uns in vielem immer ähnlicher geworden - gerade in den Interessen und dem, was uns wichtig und bedenkenswert scheint - fürchte sogar fast wir wählen schon wieder das gleiche.

Das ist, was mir wirklich wichtig ist. Der Tod geht mich nichts an. Er kommt, wenn er da ist und dann bin ich nicht mehr da oder eben der andere und dann ist er weg und das ist dann eben so. Aber das wir uns die letzten Tage noch geistig begegnen, einander lesen und über unsere Gedanken nachdenken, ist mir viel wichtiger und näher, als sich nochmal in den Arm zu nehmen oder ähnlich rührseliges Zeug, das nur dazu dient auch bei mir die Augen feucht werden zu lassen. Sich klaren Verstandes zu verabschieden und sich an dem freuen, was war, finde ich wesentlich tröstlicher als alle anderen Geschichten, die ich in den letzten Jahren las von Walter Jens und anderen.

Freue mich für meinen Vater, was er für ein tolles Leben gelebt hat, wie viel von dem, was  er tun wollte, er getan hat, wie glücklich er immer wieder war und wie viele Menschen er glücklich gemacht hat und hoffentlich noch so lange wie eben möglich machen kann. Er hat bis  jetzt ein ziemlich erfülltes und tolles Leben, denke ich, ohne einen Nachruf schreiben zu wollen oder nur daran zu denken, der Tod geht mich ja bekanntlich nichts an.

Gelassen war er am Telefon, sehr gelassen, wollte statt über sein Herz lieber über das Essay zu Ishiguro reden, typisch für ihn und gefällt mir so. Mit dieser Erinnerung kann ich gut leben und habe das Gefühl, wir sind uns doch noch näher gekommen, als wir es vorher waren und das ist viel und genug, damit kann ich glücklich sein, egal was kommt.

Jetzt kommt, was  eben kommt, entweder jetzt oder in ein, zwei oder zehn Jahren, darauf kommt es nicht an - wir sind uns geistig begegnet auf einem nahen und würdigen Niveau und sind dabei einander zu verstehen und unsere Gedanken wirken ineinander weiter - mehr kann nie sein, denke ich, bin also eigentlich ziemlich zufrieden, könnte es sein, schlucke den Klos im Hals herunter und die Tränen, für die es keinen Grund gibt. Es ist gut so und damit zu leben, was ist, meint vielleicht, dass uns der Tod wirklich nichts angeht, auch wenn der geht, irgendwann, aus dem du zur Hälfte wurdest.

jens tuengerthal 16.11.2017

Liebesglut

Der Anblick von Feuer beruhigt
Die Flammen deiner Leidenschaft
Entzündeten mich beim ersten mal
Sie brennen weiter heiß in mir

Ein Kamin beruhigt ungeheuer
Der Blick in die Flammen tut gut
Ob echt oder nur zum Schein
Zählt was wir dabei fühlen

Die Leidenschaft hat ihren Preis
Doch wäre sie mir alles wert
Wie das Feuer verbrennen kann
Entzündet Leidenschaft manches

Verzehre mich nach dir Liebste
Wie der Schmetterling nach Licht
Darum suchen sie die Flammen
Auch wenn sie darin sterben

Der geteilte kleine Tod ist
Das höchste denkbare Glück
Wenn zwei entflammt sind
Brennen sie halt füreinander

Die Glut erlischt im Regen
Wie feucht du bist zeigt mir
Wie heiß du noch brennst
Manches ist doppelt eins

jens tuengerthal 15.11.2017

Mittwoch, 15. November 2017

Zarthart

Sehne mich nach dir
In einsamen Nächten
Möchte ich dich halten
Zärtlich in meinem Arm

Halte ein Höschen anstatt
Schnüffle nach deinem Duft
Hätte lieber deine Haare noch
Vor meinem Gesicht bei mir

Will dein Gesicht küssen
Deine Lippen auf meinen
Deine Öhrchen zart lecken
An deinem Hals knabbern

Dein fester runder Po soll
An mein Becken drücken
Während dein zarter Rücken
Ruhig an meinem Bauch atmet

Träume von deinem Busen
Der vollkommen geformt ist
Sich unter meiner Hand hebt
Während seine Spitze steht

Wie du so träumend in meinem
Arm liegst und nicht merkst wie
Glücklich ich dich dabei ansehe
Dankbar in der noch Dämmerung

Möchte selig die Augen schließen
Voller Lust neben dir wieder noch
Verschlungen dann erwachen damit
Wir uns im ersten Morgentau lieben

Hart ist es nun mit mittiger Härte
Allein voller Sehnsucht zu liegen
Doch wie schön ist es zu wissen
Bald kommst du wieder zart zu mir

jens tuengerthal 15.11.2017

Rückzugssieg

Kann Rückzug ein Sieg sein oder nie?

Wer sich zurückzieht, überlässt dem anderen das Schlachtfeld. Damit wird zumindest dies verloren gegeben und sei es auch nur, um Kräfte zu schöpfen und danach siegreich zurückzuschlagen oder den Gegner aus einem Hinterhalt aufzulauern.

Montaigne schreibt am Beispiel der Kriege im Norden Italiens, bei denen er seinen König gegen den Kaiser begleitete einiges über den ehrenvollen Sieg und den tatsächlichen und was die schmählichen Siege je wert sein können, verglichen mit einer ehrenvollen Niederlage.

Seiner Meinung nach hat die Ehre, die den Ritter dazu bringt offen und ohne Hinterhalt nur mit reiner Manneskraft um den Sieg zu ringen, zwar manches für sich, doch sei ein Krieg eben kein Boxkampf leider und nutzt die Ehre am Ende wenig, wenn die Schlacht verloren ging und die Betroffenen so gefangen gesetzt werden und die ehrlosen Sieger sie trotz ihrer Verdienste in der Schlacht einfach würdelos behandeln, warum es von Zeit zu Zeit klug sein kann, die Ehre zu vergessen, wenn es um den Sieg geht, zumindest, wenn der Gegner es schon tat und die Chancen ansonsten nicht gleich verteilt wären.

In diesem Zusammenhang argumentiert Michel de Montaigne, dass ein Rückzug durchaus keine Schande sein muss, wenn er taktisch klug genutzt wird und die eigene Position sogar stärkt, die am Ende der Ehre um so mehr Raum gibt, weil der Richtige gewann - wer nun der Richtige ist, lässt sich einfach nur für diejenigen beantworten, die einem Bündnis treu verbunden sind, wie Montaigne in diesen Kriegen dem König von Frankreich, welcher Franz oder Henry es nun auch war. Als deutscher Beobachter würde sich diese Frage vermutlich anders stellen - sollte zum deutschen Kaiser gehalten werden, Karl V. oder seinem Bruder Ferdinand später, damit auch das Kapital der großen deutschen Bank namens Fugger gesichert wäre oder war es ein Gebot der Vernunft etwa im Interesse auch der Hanse und was von ihr noch übrig war, dass ein die Welt beherrschendes Haus wie Habsburg nicht zu stark wurde, was ja auch der Papst wohl dachte, warum er sich gern mit den Franzosen  in der Heiligen Liga verbündete gegen Karl, der König in Spanien, Kaiser in Deutschland, Herzog von Burgund und Herrscher der spanischen Kolonien rund um die Welt war.

Die Geschichte ist bekannt, der Franzose verlor, Karl nahm den Gefangenen König mit nach Spanien, ließ ihn auf Ehrenwort wieder frei, worauf dieser ihm, kaum war er wieder in Frankreich gemeinsam mit dem Papst eine Nase drehte und Karl nicht viel unternahm, als seine unbezahlten Söldner das Gold von Rom einsackten beim eben Sacco di Roma.

Was dort mit dem Papst auf der Engelsburg geschah, ob damit die italienische Renaissance endete, ist reichlich und oft in Kunst und Literatur diskutiert worden, kann jeder nachlesen, den es interessiert - für die Frage, ob ein Rückzug ein Sieg sein kann, hilft es uns nicht mehr viel weiter.

Spannender könnte da schon sein, ob der Rückzug Karls V. von der Macht und die Aufteilung seines Reichs zwischen Bruder und Sohn als Erben ein Sieg für seine Freiheit war oder die Kapitulation vor einer zu großen Aufgabe. Wer sich Karls etwas selbstmitleidigen Brief zum Rücktritt als Herrscher von Burgund und überhaupt von allen Ämtern durchliest, könnte denken, einen bescheidenen Mann vor sich zu haben.

„Vor vierzig Jahren, am selben Ort, am Vorabend des Dreikönigstages, hat mich der Kaiser, mein Großvater, für volljährig erklärt. Dann wurde ich König von Spanien, dann selbst Kaiser – Ich habe die Kaiserkrone gesucht, nicht um über noch mehr Reiche zu gebieten, sondern um für das Wohl Deutschlands und der anderen Reiche zu sorgen, der gesamten Christenheit Frieden und Eintracht zu erhalten und zu schaffen und ihre Kräfte gegen die Türken zu wenden. Ich habe darum viel beschwerliche Reisen machen, viele beschwerliche Kriege führen müssen … aber niemals mutwillig, sondern stets sehr gegen meinen Willen als Angegriffener …“

„Große Hoffnung hatte ich – nur wenige haben sich erfüllt, und nur wenige bleiben mir: und um den Preis welcher Mühen! Das hat mich schließlich müde und krank gemacht. Ihr wisst alle, wie sehr … Ich habe alle Wirrnisse nach Menschenmöglichkeit bis heute ertragen, damit niemand sagen könnte, ich sei fahnenflüchtig geworden. Aber jetzt wäre es unverantwortlich, die Niederlegung noch länger hinauszuzögern. Glaubt nicht, dass ich mich irgend Mühen und Gefahren entziehen will: Meine Kräfte reichen einfach nicht mehr hin. Vertraut meinem Sohn, wie er euch vertraut, seid einig, übt stets Gerechtigkeit und lasset den Unglauben nicht in eure Reihen.“

„Was mich betrifft: ich weiß, daß ich viele Fehler begangen habe, große Fehler, erst wegen meiner Jugend, dann wegen des menschlichen Irrens und wegen meiner Leidenschaften, und schließlich aus Müdigkeit. Aber bewusst habe ich niemandem Unrecht getan, wer es auch sei. Sollte dennoch Unrecht entstanden sein, geschah es ohne mein Wissen und nur aus Unvermögen: ich bedaure es öffentlich und bitte jeden, den ich gekränkt haben könnte, um sein Verzeihen.“

In Wirklichkeit war dies die Rückzugserklärung des Kaisers in dessen Reich die Sonne nie unterging. Einer der zentralen Gestalten der deutschen Geschichte, um die sich so viel dreht, von der Geburt in Gent im flandrischen Herzogtum Burgund, dem damals habsburgischen Erbe, das nach seiner Abdankung den spanischen Habsburgern und damit seinem Sohn König Philipp II. zufiel, was die spanischen Niederlande entstehen ließ, die hundert Jahre mit der protestantischen Republik der Niederlande Krieg führten, dessen Ende auch erst im Frieden von Münster nach dem Dreißigjährigen Krieg besiegelt wurde, fast hundertzehn Jahre nach dem Tod Karls unter dem die konfessionellen Auseinandersetzungen im deutschen Reich eskalierten und die heute Belgien heißen, innerlich gespalten zwischen Flamen und Wallonen und doch die Hauptstadt Europas beherbergend.

So focht Karl schon den Schmalkaldischen Krieg gegen die Lutheraner aus, enthob den Kurfürst von Sachsen, den Förderer Luthers, seines Amtes und teilte desse Reich auf. Doch die Früchte dieses Sieges, von dem einige prächtige Bilder von Karl in seiner schwarzen Ritterrüstung hoch zu Ross zeugen, wie es damals noch der Ehre entsprach, konnte er nicht wirklich ziehen, denn schon bald kam es zum Fürstenaufstand und auf dem Rückzug von diesem musste er mit dem Augsburger Religionsfrieden den verhassten Protestanten große Zugeständnisse machen, die das Reich dann noch für einige Zeit relativ stabil hielten.

Als Karl genug vom Reisen und Regieren hatte, zog er sich in ein Kloster zurück, in dem er ein nach seinen Plänen gebautes Landhaus im Stil der italienischen Renaissance bezog und für einen Kaiser relativ bescheiden lebte, im Austausch nur mit den Mönchen und relativ wenigen Bedienten, versuchte jeden Kontakt mit der Welt zu vermeiden. Zu diesem Zeitpunkt war der bereits ergraute Kaiser 56 Jahre und hatte noch zwei Jahre zu leben. Die Malaria raffte ihn mit Fieberschüben bald hinweg - ein Folgeschaden des Weltreichs.

War dieser Rückzug in geistige Welten der Literatur, Philosophie und Religion eine Niederlage, hatten Karls viele Feinde auf der ganzen Welt den Kampf gewonnen?

Karl war elf Jahre nach der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus im Auftrag seiner Großeltern Ferdinand von Kastilien und Isabella von Aragon und damit erstmals von Spanien, dass sie sehr blutig und intolerant von den Mauren befreiten, in den burgundischen Niederlanden geboren worden. Burgund hatte noch sein Großvater der Kaiser Maximilian I. für Habsburg erheiratet und als Erbe von dessen Erben Philipp dem Schönen, der früh starb, worauf seine Frau Johanna, die Tochter von Ferdi und Isabella, wahnsinnig wurde angeblich, hatte Karl auch das neben der Kaiserwürde später geerbt. Spanien kam von der Mutter, eben jener Johanna, die der liebende Sohn noch oft und lange in ihrem Kloster besuche, ob sie nun wirklich wahnsinnig war oder nur ganz normal depressiv einmal dahingestellt.

Die Weltmacht hing an den Kolonien Spaniens rund um den Globus, über dessen Rundung die Renaissance noch mit tödlichem Ausgang für  manche stritt, auch wenn das mittelalterlich eher anmutet, was wiederum an den Spitznamen von Karls Großvater Maximilian erinnert, den sie den letzten Ritter nannten.  Noch bevor der Enkel Kaiser wurde befragte Opa Max noch Luther erstmals auf dem Reichstag zu Worms mit den bekannten Folgen.

Der einst mächtigste Mann der Welt zog sich auf dem Gipfel der Macht zurück, teilte sein Reich, weil es einen überforderte, wie er meinte. Nach ihm begannen noch hundertfünfzig Jahre Inzucht zwischen den beiden Häusern Habsburg in Spanien und Österreich, was den letzten Karls noch deutlicher am Gesicht anzusehen ist als dem Großvater schon - dann verloren die Habsburger das spanische Erbe an das französische Haus Bourbon, das durch Hochzeit tatsächlich rechtmäßiger Erbe gewesen wäre, unter Ludwig XIV., der sich nach vielen Jahren spanischen Erbfolgekrieg doch wieder selbst zurückziehen musste, womit das Haus Bourbon zwar bis heute die Könige in Spanien stellt, die  jedoch nichts mit dem französischen Haus zu tun haben durften, was sich aber keine hundert Jahre später, 1789 erstmals erledigte und nach kurzem Aufflammen 1870 endgültig Geschichte wurde.

Sprächen wir nun noch von den beiden Sizilien, dessen Erbe seit den Staufern, von denen es über Umwege nach Spanien kam, würde die Verwirrung von Rückzug und Sieg vollständig, denn auch als Richard Löwenherz auf dem Weg ins Heilige Land, dort rastete, ein wenig aufräumte, sich verliebte und gegen alle Pläne heiratete und was es mit dessen Rückzug aus dem nicht eroberten Heiligen Land auf sich hat und seinem Versuch der Flucht durch Deutschland, die in Wien peinlich misslang, was London sehr viel teurer kam als alle glaubten, sogar als der Brexit aus Brüsseler Sicht, und damit auch im Krieg in Frankreich schwächte, auch wenn angeblich erst die später heilige Johanna von Orleans für die Befreiung Frankreichs von den Engländern sorgte, die selbst von den Normannen aus der Normandie 1066 den Rückzug hatten antreten mussten und dennoch unter Victoria zur stärksten Macht der Welt wurden und es bis zum Auftritt der USA auf der Weltbühne und dem Verlust ihrer Kolonien blieben.

Die Normannen wiederum waren von Norden an die nordöstliche Küste Frankreichs gekommen, hatten sich assimiliert, nachdem sie einen Teil der Bevölkerung niedergemetzelt hatten und sich an der Küste angesiedelt, die seit 1066 mit England verbunden war. Aber auch die Nachfahren der herrschenden Häuser York und Lancaster in England metzelten sich über viele Jahre nieder, in den Rosenkriegen, die später Pate für manchen Scheidungskrieg standen, in denen die Überreste der Gefühle vor Gericht gezogen wurden.

Als Sieger aus diesen ging wiederum das Haus Tudor hervor, dass nach Henry VII. den achten Heinrich hervorbrachte, der so manche seiner Gattinnen einen Kopf kürzer machen ließ, eine neue Kirche gründete, weil Rom ihm die Scheidung verweigerte und mit der dann anglikanisch geheirateten Gatinn zeugte er Elisabeth, die berühmte rothaarige Königin, die England zur Weltmacht mit Hilfe auch ihres Piraten Drake aufbaute und nach den Siegen über die spanische Armada, die wiederum ihren zurückgewiesenen Galan Philipp II. in den Konkurs stürzten, den Sohn von obigem Karl, der seinen Rückzug in so schöne Worte fasste und die nie heiratete, um nicht ihre Macht zu verlieren. Worufhin das Haus Tudor endete und der von ihr adoptierte Sohn ihrer Kusine und lebenslangen Gegnerin Maria Stuart, die sie noch hatte köpfen lassen, König wurde und England und Schottlands Kronen vereinte.

Elisabeth erbte die Krone übrigens nicht von ihrem rothaarigen Vater, dieser vermachte sie zunächst dem wesentlich jüngeren Sohn und nach dessen Tod griff zuerst ihre Schwester Mary zu, genannt die katholische oder blutige Marie, weil sie so viele Anglikaner beim Kampf um den rechten Glauben  niedermetzeln ließ und ihre rothaarige Schwester erstmal in den Tower sperren ließ. Diese war die Tochter Henrys aus der ersten Ehe mit der Tochter von Ferdinand und Isabella also den Großeltern von Karl V., die Schwiegereltern des zweiten Tudorkönigs waren.

Elisabeth zog sich von allen Heiratsplänen zurück, auch als die wirklich gute Partie Philipp II. als König von Spanien und Sohn des Kaisers in dessen Reich die Sonne nie unterging, um sie warb, gab sie dem stolzen Spanier einen Korb, der sich die wieder katholische Vereinigung ihrer Reiche so schön vorgestellt hatte und darum auch gleich in seinem Stolz gekränkt mit seiner ganzen Armada vor England anrückte, die widerspenstige Braut zu unterwerfen. Zwischen Ehe und Krieg ist es, wie im richtigen Leben, manchmal nur ein kleiner Krieg. Dass Elisabeth ihn zuvor schon lange mit ihren Piraten ärgerte und beraubte, kam erschwerend hinzu.

Um den rechten Glauben kämpfte zu Zeiten von Elisabeth auch der Hugenotte Heinrich von Navarra in Frankreich, der die Krone des südlichen Reichs von der Mutter erbte, während er seinen Namen Bourbon vom Vater hatte und damit auch die Verwandtschaft mit dem französischen Königshaus Valois, das trotz vieler Erben, die Franz noch mit Katharina Medici zeugte, an der Bluterkrankheit schneller als erwartet ausstarb. Die Hochzeit des Henry, der später als Quatre bekannt wurde, brachte die Bartholomäusnacht hervor, bei der nicht ganz klar ist, ob sie die Schwiegermutter inszenierte, die rachsüchtige Verwandtschaft oder es tatsächlich der Ausbruch des Volkszorns fanatischer Katholiken waren, von denen einer später auch Henry wieder umbrachte, als der längst Katholik wieder geworden war, da Paris ihm bekanntlich eine Messe wert war. Dieser Rückzug führte Henry zum Sieg und sein späteres Edikt von Nantes führte für zumindest 80 Jahre zum Frieden zwischen Hugenotten und Katholen, bis sein katholischer und von einem Kardinal, dem berühmten Mazarin, wobei die Verwandtschaft mit der jüdischen Familie Matzerath ein Gerücht sein soll, erzogener Enkel, der Sonnenkönig Ludwig XIV., dieses wieder widerrief.

Die Aufhebung dieses Edikts und die Vertreibung der Protestanten, deren Rückzug aus Frankreich sorgte wiederum für den Aufstieg Preußens, das viele fähige Handwerker und Offiziere begrüßen konnte und in Berlin hat die Tradition der Hugenotten viele Spuren hinterlassen - das erste Edikt zur Aufnahme und Toleranz diesen gegenüber erließ übrigens der Große Kurfürst, seines Zeichens Urgroßvater des Alten Fritz, der später auch zahlreiche Rückzüge gerade noch überstand, die ihn zum Helden Europas machten, der immer bei seinen Truppen an der Front kämpfte. Zu den begrüßten Hugenotten gehörte auch die Familie Fontane in Neuruppin, aus deren Reihen später der berühmte Schriftsteller mit Namen Theodor hervorging, der zum Dichter des alten Preußen wurde, was er humorvoll und schöner beschrieb als jeder nach ihm und der auch eine nicht unbedeutende, wenn auch später verheimlichte Rolle in der ersten deutschen Revolution im Berlin des März 1848 spielte, aber von der Politik zog sich der Literat später zurück in den Tunnel über der Spree.

Glauben wir die Geschichte aus dem Märchenbuch Bibel, hat der Rückzug der Familie von Jesus während der Zeit der Verfolgung diesem das Leben gerettet und der Menschheit einen auch nach über 2000 Jahren noch nicht ganz überwundenen Aberglauben beschert. Im Sinne der Gläubigen war der Rückzug ein Hauptgewinn. Das Prinzip Rückzug vor Gegenwehr wurde auch später zum Gegenstand der Predigten dieses Gurus, der etwa in seiner Bergpredigt den Gläubigen vorschlug lieber noch die andere Wange hinzuhalten, wenn sie einer schlägt, statt sich zu wehren. Andererseits hielt er rabiate Gegenwehr seinerseits gegen die Händler im Tempel für legitim, beschädigte der Sage nach deren Eigentum und vertrieb sie vom Ort ihrer Geschäfte aus angemaßter Autorität, die ihm für die  jüdische Religion nur einige weniger seiner Anhänger zugestanden. So ist er eben wie alles menschliche auch ein wenig widersprüchlich.

Den Hokuspokus vom Gottessohn oder Messias betrachte ich nur als Folklore im Sinne der jüdischen Tradition, weil diese Sekte eben einen Messias erwartet, der ihnen Erlösung bringen soll. Spannend dabei ist aber das Ende der Geschichte, in der sich der angebliche Messias ans Kreuz nageln lässt, um für die Menschen zu sterben und sie durch seinen Tod zu erlösen. Habe mich schon manches mal gefragt, welche Drogen einer genommen haben muss, der ernsthaft meint, sein Rückzug könne die Welt retten und sein Tod die Menschen erlösen und das 250 Jahre nach dem großen Denker Epikur, der schon den ganzen Aberglauben eigentlich lächerlich und überflüssig machte, 90 Jahre nach Lukrez, der den Geist des Epikur auch für die Römer weckte und allen Aberglauben mit höchster Klugheit lächerlich machte.

Noch immer scheint vielen Menschen der Rückzug von der Welt in ein geträumtes Himmelreich verlockend - so auch den Islamisten, die sich als Bombe einsetzen, um für ihren Glauben zu kämpfen. Ist der Rückzug von der Welt, hinein ins Nichts, das uns mit Epikur nichts angeht ein Sieg und macht uns diese innere Lösung von allen irdischen Bedürfnissen frei oder nur blöd und psychisch krank - ist ein fester Glaube also eine sichere Burg oder doch eigentlich eher ein pathologischer Zustand, der nur im normalen Rahmen noch toleriert wird, weil er vielen Menschen beim Gehorchen hilft?

Als anlagebedingt leicht cholerischer Mensch, jedenfalls spricht manches des familiären Erbes dafür, ziehe ich mich inzwischen aus allen Konflikten möglichst zurück, damit ich keinen Unsinn mache oder mich blamiere. Ist ein solcher vorausschauender Rückzug nun feige oder weise und schließt das eine das andere aus?

Wie immer gibt es auch zum Rückzug nicht die Wahrheit die immer und für alle gilt sondern nur Sichtweisen, mit denen wir mehr oder weniger gut leben können, je nach Neigung. Da alles Gute seine Zeit braucht, ist Geduld stets empfehlenswerter als Drängeln, führt Gelassenheit eher zum Glück als rasende Ungeduld. Aber auch da kommt es sicher darauf an, was ich als Glück definiere. Bevor ich aber nun völlig im Sumpf der Relativität versinke, ziehe ich mich lieber zurück, um ungestört ein gutes Buch zu lesen.

Der Herbst mit seinem zwar prächtig farbigen Glanz aber auch dem langsamen Sterben der Natur um uns vor der Erstarrung im Winter ist auch klimatisch bedingt eine Zeit des Rückzugs auf der Nordhalbkugel - wie Rilke noch eins dichtete - wer nun kein Haus hat findet keines mehr. Liebe diese Zeit mehr als jede andere, vermutlich liegt mir darum der Rückzug mehr als die Sturmtruppen mit ihrem lächerlich ahnungslosen Drang ins Ungewisse.

jens tuengerthal 14.11.2017

Dienstag, 14. November 2017

Trauschein

Die Liebe ist ein Trauschein
Wenn zwei es sich trauen
Ein ganzes Leben zu teilen
Vertrauen sie einander wohl

Wer sich noch traut ist mutig
Oder hat Angst allein zu sein
Wer liebt ist sich gewiss nicht
Mehr Suchen zu müssen

Gebe es dir gern schriftlich
Habe alles mit dir gefunden
Will nie wieder suchen müssen
Weil ich mir ganz sicher bin

Weiß nicht ob ich mutig bin
Oder nur Angst davor habe
Dich zu verlieren allein zu sein
Weiß nur ich liebe dich immer

Darum traute ich mich auch
Um deine Hand anzuhalten
Bin mit deinem ja glücklich
Weil wir uns beide trauten

Sich trauen braucht Vertrauen
In sich und den anderen auch
Wir haben uns längst getraut
Darauf traue ich nun ein Leben

Es ist egal ob es da mutig war
Oder aus Verlustangst geschah
Unsere Liebe trägt alles beides
Das gibt mir immer Vertrauen

Mit oder ohne Trauschein
Können wir einander vertrauen
Weil wir es uns bereits trauten
Vollzieht dieser nur was längst ist

Du meine Frau und ich dein Mann
Voller Vertrauen auf das Glück
Kannten wir unseren Weg sogleich
Trauten uns für immer zu sagen

Diesem Glück immer vertrauen
Macht glücklich warum ich es tue
Nichts weiß ich sicher doch genügt
Die Liebe mir dem Glück zu trauen

Möchte dich immer glücklich machen
Und habe nicht als meine Liebe für dich
Doch auf sie kannst du ewig vertrauen
Hoffe sie genügt dir glücklich zu bleiben

jens tuengerthal 14.11.2017

Weinrot

Auf einen Rotwein
Mal ins Sorsi et Morsi
Als Tagesausklang

Der Wein wärmt innen
Die Stimmung trägt es weiter
Kleines Kneipenglück

Von Liebe träumen
Hier viele denke lieber
An die Liebste hier

jens tuengerthal 13.11.2017

Montag, 13. November 2017

Schlafglück

Wie wäre es mit ein wenig Winterschlaf?

Herrlich, dachte ich, wir wären aller Sorgen ledig und alle die sich über den grauen Herbst aufregen, denen schnell zu kalt wird, verschliefen ihn einfach und Menschen wie ich, die gerade den Herbst und die Kälte mehr schätzen, verschliefen dafür den Sommer und genössen lange Spaziergänge in bunter oder kahler Landschaft.

Die Sommer und Hitze lieben, verschliefen den Winter und Herbst, Menschen wie ich eher den Sommer mit seiner matten Hitze und Schwüle und so träfen sich auch nur noch Menschen aktiv, sei es im virtuellen oder im realen Raum, die sich in ihrer jeweiligen Umgebung wohl fühlen und der Rest verschlief die Zeit, in der sie ohnehin lieber nörgeln.

Meine Liebste etwa findet heiße Sommertage entsetzlich und bleibt dann lieber in kühlen Räumen, statt sich noch in die Sonne zu legen, warum sie immer eher eine vornehme Blässe trägt, die so gut zu ihrer feengleichen Gestalt passt. Wir beide lieben Herbst und Winter - genießen diese Zeit mehr als jede andere im Jahr und könnten die heißen Tage einfach verschlafen, auch wenn ich sagen muss, dass ich die langen Nächte vor den Cafés, wenn es erst um nach elf dunkel wird, auch sehr liebe, nur auf Hitze und Schwüle könnte ich gänzlich und immer verzichten.

Eine Freundin von mir dagegen fährt jedes Jahr nach dem Berliner November und Dezember mit dem Flieger gen Asien auf heiße Inseln nahe dem Äquator und lässt es sich dort gut gehen, erkundet den Dschungel und die Inselwelt in der Wärme. Kein Mensch würde mich je auf eine solche Insel bekommen, wozu auch, zwar verbringt sie dafür Silvester schon seit Ewigkeiten immer auf Hiddensee, was den kühlen Ausgleich bringt aber für mich genauso fragwürdig ist - wozu durch die Welt rasen, um nirgendwo anzukommen, aber so verschieden sind eben Menschen und zum Glück habe ich die Frau gefunden, die in Leidenschaft und Lebensrhythmus wie ich tickt, auch am liebsten liest und es sich gut gehen lässt.

Doch bevor ich mich nun in den verschiedenen Neigungen zu Reisen oder nicht verirre, die jeder zu bestimmten Jahreszeiten hat, konzentriere ich mich lieber wieder auf das Thema dieses kleinen schläfrigen Essay.

Ein Sommer und ein Winterschlaf je nach Neigung wären gut - Menschen zögen sich dann in geschützte Schlafhöhlen zurück, die dem jeweiligen Bedürfnis entsprechend, angenehm temperiert wären. Dann ruhte monatelang unsere Arbeit oder wir würden durch andere dort ersetzt, weil wir einfach unsere Schlafphase hätten und das Leben in der Horizontalen genössen.

Was gibt es schöneres, als gut ausgeschlafen und erholt zu sein und sich nur zu den Zeiten, anzustrengen, die einem liegen, statt sich Teile des Jahres zu quälen, wenn wir doch lieber schliefen.

Die Welt würde sich in Schläfer und Wacher teilen, die jeweils nach einem halben Jahr die Position wechselten - in dieser Zeit müssten wir dann auch nicht die ganze Zeit arbeiten, aber so, dass es für das Jahr genügt, um die andere Hälfte des Jahres geruhsam im Winter- oder Sommerschlaf zu verbringen. Wir wären das Problem ewiger Urlaube und Ferienreisen los - wir verschliefen einfach mehr oder weniger die Zeit im Jahr, die uns nicht so gut gefällt und genössen die andere im üblichen Rhythmus.

Diese auch ökologisch sehr vorteilhaften Schlafpausen für einen Teil der Bevölkerung  machte den Rest, der mehr Gleichgesinnte begegneten, wieder zufriedener und erhöhte die Leistungskraft der Wachen, die weniger krank wären, weil sie genau in der Zeit aktiv wären, die ihrem - das Kurunwesen würde entbehrlich, weil die Menschen sich einfach abwechselten und jeweils ein halbes Jahr mehr mit sich und bei sich zubrächten, auch wenn sie nicht ständig schliefen, könnten sie es zumindest, würden sich entspannt erholen oder lesen oder etwa Kinder zeugen oder nicht, je nach den sozialen Bedingungen ihrer Gesellschaft.

Lange und viel schlafen, scheint mir etwas Gutes zu haben, weil der Körper sich an Erholung holt, was er braucht. Neige gewöhnlich dazu, eher sehr wenig zu schlafen. Begnüge mich mit maximal 4h am Stück, doch manchmal könnte ich ganze Tage lang schlafen und dann ist es auch gut so, dies zu tun, um dem Körper seinen natürlichen Weg zu lassen und ihn nicht zu ihm fremden Gewohnheiten zu zwingen.

Liebe den Herbst und gehe auch gern bei Eiseskälte noch spazieren, dennoch finde ich die Vorstellung eine mit Lebensmitteln und Lesestoff gut versorgte Höhle monatelang nicht verlassen zu müssen herrlich und würde, hätte ich je Urlaub und schriebe nicht immer, ihn mir so nehmen, dass ich nichts als Lesen an dem Ort müsste, an dem ich mich wohl fühle, was mein Zuhause logisch ist.

Wie schön wäre die Welt, wenn wir auf all die Wetternörgler zu jeder Jahreszeit verzichten würden, sie verschliefen, was ihnen nicht gefiel und dann in ihrer Höhle blieben?

Weniger zu wollen und sich mehr Auszeit zu nehmen, in der wir nichts tun,, nirgends hin müssen, schlafen, lesen, entspannen, Sex haben, täte der Welt mutmaßlich besser als viele ehrgeizige Klimaverhandlungen. Entschleunigung ist das Rezept der Zukunft. Weniger wollen und damit mehr haben und genießen, macht glücklicher als der umgekehrte Weg und dieser fängt beim absoluten Nichtstun im Schlaf an. Genießen wir es, schlafen wir mehr und gut, damit es uns allen gelassen besser geht und wir dann fähig sind, wenn es uns gerade liegt. Wir müssen nirgendwohin, brauchen weniger und genießen viel mehr, wenn wir wieder mehr und entspannt schlafen und am besten wird dies, wenn wir es miteinander selig tun.

jens tuengerthal 13.11.2017

Lusttraum

Wenn Knaben mal träumen
Es dabei noch um Lust geht
Wünschen sie sich einfach
Eine die immer wollen würde

Wenn sie dann älter werden
Freuen sie sich über die eine
Die zumindest auch mal will
Nicht nur manchmal mitmacht

Wenn sie ganz viel Glück haben
Finden sie eine die es schon mag
Auch Spaß daran gelegentlich hat
Zumindest nicht abgeneigt wäre

Das wäre warum es meist dann
Doch nicht stattfindet hat wohl
So viele Namen wie es Frauen gibt
Der häufigste ist wohl bin müde

So geben die Männer den Trieb auf
Oder zahlen für schlechten Sex viel
Funktionieren als Ehemänner dabei
Am besten politisch korrekt höflich

Wenn einer dann die eine findet
Die immer will und noch mehr
Stets könnte wenn er wollte
Hat sich der Knabentraum erfüllt

Wo sie dann nicht zu viel redet
Voller Liebe noch bewundern kann
Scheint es dem Paradies sehr nah
Wenn Träume je wirklich würden

Auf Händen trüge er seine Frau
Wo sie sich dem auch nur näherte
Wäre der glücklichste Mann wohl
Wagte er heute noch so zu träumen

Bin der glücklichste Mann sicher
Genieße was andre nur träumen
Mit meiner die immer für immer will
Brauche keine Träume mehr lebe sie

jens tuengerthal 13.11.2017

Sonntag, 12. November 2017

Verstandnis

Verstehen wir uns nur mit  Verstand oder genügt Gefühl zur Verständigung völlig aus?

Wer schon einmal mit den Liebsten stritt, kennt das Problem der Verständigung mit viel Gefühl im Hintergrund. Alle Beteiligten sind sich völlig sicher, es nur gut zu meinen. Sie kennen den anderen ja, meinen sie und handeln ganz in seinem Sinne. Vielleicht scheint ihnen sogar vernünftig, was sie tun, weil sie ohnehin nie böse wollten, nur das Unverständnis des anderen für ihren doch so guten Willen, macht sie wahnsinnig wütend, weil eben sehr viel Gefühl im Spiel ist.

Können wir uns wirklich so gut kennen, stets richtig zu antizipieren, was der andere will?

Wohl kaum, sagen Vernunft und Erfahrung hier mal völlig einig. Nur das Gefühl ist sich in der Liebe gern sicher, immer zu wissen, was der geliebte Mensch will, weil wir ihn doch lieben, was zwar logisch betrachtet eine Tautologie ist, aber wen stören solch unwichtige theoretische Einzelheiten schon, wenn es um große Gefühle geht.

Wir stellen also nur Mutmaßungen an und auch wenn mich alle Erfahrung mit den mehr als zwei Frauen in meinem Leben lehrte, dass es erstens immer anders kommt und zweitens Frauen besser nie kalkuliert werden, wer wäre ich, sollte ich meinen, ich täte das vernünftigerweise nie und bildete mir keine Muster, mit denen ich auf Gewohnheiten reagiere. Jeder braucht diese Muster, um vernünftig im Alltag reagieren zu können.

Wozu gäbe es Erfahrung, wenn wir nichts aus ihr lernten, als nichts lernen zu können?

Dazwischen lavieren wir dann in Auseinandersetzungen bei denen Verstand und Gefühl miteinander ringen. In der Liebe heilen wir manches, so zumindest meine geringfügige Erfahrung mit Lust, wenn Worte nicht mehr weiterhelfen.

Die Leidenschaft, in der wir ja ganz ursprünglich bei uns irgendwie sind, wird gerne mit Gefühl verknüpft und aller meiner geringen Erfahrung nach, erhöht es auch ihren Wert, macht sie von der bloßen Gymnastik miteinander mit artistischen Einlagen, zum sogenannten Liebesakt oder sogar zum friedenstiftenden Beischlaf, wenn Worte nicht mehr weiter kommen. Dahingestellt, ob dies die Beteiligten einer Lösung näher bringt, ist es zumindest schön und kann als solches genossen werden, führt zur Befriedigung, die manches relativiert und damit auch entspannt, so den Beteiligten dies Glück gegeben ist.

Es wäre einfacher, gerade zwischen Mann und Frau, wenn wir uns stets vernünftig verhielten und darüber Verständigung suchten, zumindest theoretisch. Ob die männliche Vorstellung von Vernunft dabei der weiblichen entspricht, möchte ich mal dahinstehen lassen, wenn wir annehmen, es gäbe etwas Vernünftiges, müsste dies auch für alle Fälle gelten.

Suchten wir eine mathematische Lösung unserer Probleme miteinander, würde dies rein logisch völlig  unabhängig vom Geschlecht gelten. Finde einen solchen Ansatz zugegeben sehr faszinierend und habe ihn irgendwann einmal in meinem Konzept der Krisenpfade als ressourcenorientierte Open Source Lösung entwickelt, doch bisher hielt sich die Nachfrage dazu in relativ überschaubaren Grenzen, was allerdings auch an fehlender Vermarktung liegen könne, weil mache lieber denken und andere lieber machen.

Die Praxis lehrte mich jedoch immer wieder, dass einfache, logische Antworten zwischen Männern und Frauen eher ekalieren, während die bloß hormonell gesteuerte ansonsten aber eher leidenschaftlich unvernünftige Konfliktlösung in der Horizontalen oder durch andere Maßnahmen jenseits der Vernunft wie Küsse, Liebeserklärungen oder in harten Fällen sogar Heiratsanträgen auch ohne alle Vernunft mehr bewirken als viele Worte.

Sollten wir also der Praxis glauben und mehr küssen als reden?

Alle Vernunft und die Grundsätze der Aufklärung nach Kant definiert sprechen absolut dagegen. Wenn Aufklärung die Befreiung des Menschen aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit ist und Unmündigkeit dabei die Unfähigkeit meint, seinen Verstand, ohne Hilfe anderer zu benutzen, bliebe das Praxismodell immer unaufgeklärt und hätte lediglich den faktischen Erfolg für sich.

Andererseits ist ohne Verstand eine Verständigung in keinem Sinne möglich, warum es vermutlich wieder, wie so oft im Leben, auf eine Mischkalkulation hinausläuft. Erinnere mich immer gern an die Worte meines Vater als Arzt, der sagte, wer heilt hat Recht, auch wenn wir es nicht immer verstehen.

Als überzeugter Aufklärer würde ich stets für die Diskurslösung plädieren und halte sie für den theoretisch einzig möglichen Weg, mit dem beide glücklich werden können und eine langfristige und nachhaltige Verständigung erreichen.

Doch ist in der Liebe alle Theorie grau und nach vielen Jahren, in denen immer alles ausdiskutiert werden musste, neige ich auch aus zeitökonomischen Gründen wieder mehr dem zweiten Modell zu, was nebenbei noch den Vorteil hat, Lust und Sehnsucht zu befriedigen bei zugleich voller Gefühl erhöhter Anziehung, die, was ja auch relativ vernünftig wieder ist, zumindest unserem Hormonhaushalt in relative Ordnung durch das Chaos des Aktes bringt.

Am Ende ergibt sich: Miteinander reden ist gut, Lösungen suchen noch besser, vernünftig sein ist am besten. Aufgeklärt und also moralisch im Sinne Kants handelt nur, wer der Vernunft folgt. Aber Sex und oder Zärtlichkeit kann viel schneller lange Diskussionen zu einem glücklichen Ende führen, beide befriedigen und damit auch glücklich machen. Dies mag unvernünftig sein aber ist dafür wiederum ganz natürlich und die Natur ist ja in sich vernünftig, warum sich der Aufklärer völlig beruhigt in ihren Schoß begeben kann, um zu genießen, was geschieht. Auch kann was ökonomisch in aller Regel wesentlich effektiver und zielführender ist, nicht an sich falsch sein, nur weil die Motivation nicht vernünftig ist. So tut wer unmoralisch die Lust nutzt mehr für beider Glück und handelt also gut, was nicht falsch sein kann. Sein wir unvernünftig und geben uns hin, um möglichst schnell ein vernünftiges Ergebnis miteinander jenseits aller Gespräche zu finden, scheint in Zeiten der #MeToo-Inflation ein mit Vorsicht zu genießender Lösungsansatz, anderes wäre aus dieser Sicht vermutlich vernünftiger, aber das alles gilt natürlich nur mit viel Liebe und da ohne diese immer alles nichts wäre, ist nun jedes weitere Wort entbehrlich.

jens tuengerthal 12.11.2017

Lustplan

Ein Plan für die Lust klingt
Eher nach dem Gegenteil
So gewollt irgendwie weil
Es auch so vernünftig klingt

Wir kommen ohnehin immer
Zusammen was die meisten
Ganz selten real nur schaffen
Konnten wir sogar virtuell

Stecken wir erst ineinander
Sind alle Pläne stets hinfällig
Dann ergreift uns die Lust
Und wir verzehren uns ganz

Trotzdem ist es wunderschön
Sich vorzustellen was alles
Wir miteinander tun wollen
Wenn wir uns wieder haben

Wie ich dich dann von oben
Bis unten nicht nur überall
Küssen werde sondern du
Es auch mit mir tun willst

Wie wir uns dann übereinander
Ergießen werden voller Lust
Noch zuckend von der Spannung
Endlich ineinander wieder erlöst

Doch nicht nur vom Höhepunkt
Träume ich viel mehr noch sind
Es die kleinen Freuden bevor wir
Uns so erlöst in den Armen liegen

Kommst du wieder zehnmal bis
Wir gemeinsam das Schönste
Uns endlich teilen oder auch die
Träume vom lustvollen Vorspiel

Wenn ich ein wenig daneben
Dich lecke was dich noch viel
Verrückter macht als ganz direkt
Wie erogen deine Füße sind

Oder wir ganz langsam beginnen
Verrückt werden vor Sehnsucht
Alles in uns nach Vereinigung schreit
Wir aber noch länger lieber warten

Wie wir das warten immer steigern
Bis wir fast verrückt werden dabei
Uns dann gierig im Wahn verschlingen
Das Bett laut im Takt dazu knarrt

Der gefühlt schönste Plan aber ist
Für das danach wenn wir endlich
Völlig erlöst Arm in Arm liegen
Und alles wieder von vorne beginnt

Der Lustplan ist wohl nur Unsinn
Doch wie schön ist es ihn jetzt
Im Traum schon zu schmieden
Um real alles wieder umzuwerfen

jens tuengerthal 11.11.2017

Samstag, 11. November 2017

Liebesringen

Manchmal müssen wir auch
Um die Liebe ringen damit
Wir weiter gemeinsam gehen
Wie wir es uns versprochen

Sein wir uns immer sicher
Unsere Liebe ist ein Glück
Genießen wir es lieber
Ganz und überall immer

Aus jedem Ringen wächst
Wenn wir es erst überstanden
Eine neue Blüte am Baum
Unserer großen Liebe

Wo Liebe und Lust sich so
Vollkommen ganz fanden
Müssen wir künftig nur noch
Genießen was wir haben

Erinnern wir uns einfach daran
Wenn es mal wieder schwer wird
Das macht es uns viel leichter
Glücklich zu sein statt zu leiden

Wir haben alles miteinander
Mehr Glück findet sich nicht
Es ist also eigentlich ganz leicht
Immer glücklich zu sein

jens tuengerthal 11.11.2017

TB-Balance

Lebensballance

Bücher und Tee halten Geist und Körper
Im Gleichgewicht auf der Suche nach Glück
Was in der Natur liegt wo sie eins sind
jens tuengerthal 29.5.2016

Tee und Bücher sind alles, was es zu einem glücklichen Leben braucht. Natürlich gibt es noch kleine Details, die das Ganze ausschmücken, um sich nachhaltig wohl zu fühlen, aber es sind nur Details, der Kern sind Tee und Bücher, um die es sich dreht.

Bücher weil sie uns in geistige Welten holen, die wir als Leser zu unseren machen, ohne den Platz neben unserer Teetasse verlassen zu müssen. Tee weil er mehr eine Haltung zum Leben ausdrückt, als ein Heißgetränk nur ist.

Tee wird vom Teetrinker mit Ruhe und Genuss zubereitet. Mal eben schnell einen Tee machen, funktioniert nicht - du musst dir Zeit nehmen, um das Wasser bei der richtigen Temperatur aufzugießen, den Tee in richtiger Menge zu portionieren, ihn ziehen lassen. Wer sich so Zeit nimmt für den Genuß, würdigt das Leben und weiß zu genießen, lässt sich von niemandem und nichts hetzen dabei.

Prioritäten im Genuss zu setzen und damit Werte im Leben zu erkennen, zeugt von innerer Ausgeglichenheit und Stabilität. Dies ist die Tee-Balance im Leben. Nicht weil der zeremonielle Genuss eines Heißgetränks wie in Japan eine quasi religiöse Bedeutung bekommen soll, dazu dient höhere Kräfte oder ähnlichen Hokuspokus anzurufen, sondern, weil wir uns Zeit nehmen, sie damit haben, uns also unserer Freiheit versichern, um es schön zu haben.

Für eine geruhsame Tasse Tee, wenn nötig auch eine Schlacht zu unterbrechen, gilt als typisch englisch und ich würde diese Zeremonie des Inselvolks nicht geringschätzen, wenn sie nicht in vielem bloß Ausdruck imperialer Macht und Ausbeutung wäre. Doch schätze ich die Traditionen dieses Königreichs hoch genug, weil sie in vielem so gut verstanden haben, was die innere Balance ausmacht und dies in ihrer typisch britischen Haltung in jeder Lebenslage zum Ausdruck bringen.

Könnte glatt zum Briten in vielem mutieren, würden sie nicht so grässlichen Tee meist kochen, der auch mit dem dort üblichen Zucker und der vorher oder danach zum Tee gegebenen Milch nicht besser wird.

Der feine Teetrinker schätzt den Tee als solchen, weiß das Blatt zu würdigen, lässt ihn sich entfalten, trinkt ihn nicht fermentiert sondern grün, bin ich geneigt zu sagen, um zu betonen, wer Tee wirklich liebt, weiß seine Natur zu schätzen, wie es Chinesen und Japaner häufig tun. Das die feinen grünen Teeblätter fermentiert wurden, um sie haltbarer für den langen Transport an Bord von China oder Indien nach Europa zu machen, kann ich nachvollziehen. Doch müssen wir darum heute aus der Not eine Tugend machen und noch trinken, was einst nur der Not gehorchte?

Aber, fällt mir da ein, wie war das noch mit dem Earl Grey, den ich grün besonders liebe, wurde er nicht nach einem Unfall erst entdeckt, als sich aus im Sturm gebrochenen Fässern das feine Bergamotte Öl auf den darunter liegenden Tee ergoss  - dieser wurde meist im Rumpf am günstigsten transportiert und schmeckte entsprechend muffig und gelegentlich auch fischig - eine furchtbare Vorstellung, denke ich heute.

Als einmal der Tee auf einem Transport durch Bergamotte Öl verschmutzt worden war, sollte er eigentlich vernichtet werden, doch der verantwortliche Premierminister, Charles Grey, 2. Earl  Grey, der nebenbei  das Preismonopol der East India Company im Handel mit China aufhob, beschloss vielleicht aus Gründen der Sparsamkeit, immerhin war der Lord an der schottischen Grenze geboren worden, den verschmutzten Tee doch vor seiner Vernichtung noch einmal zu probieren und so ward eine wunderbare neue Teemischung mit dem leicht sauren und frischen Geschmack der Bergamotte geboren, den bis heute Teetrinker aus aller Welt schätzen, der aber vor allem dem muffigen Tee aus dem Kielraum wieder Geschmack schenkte.

So lautet zumindest die Legende zur Entstehung des Earl Grey irgendwann nach 1833. Tatsächlich ist diese Sorte etwa ab 1850 im Handel bekannt. Zunächst trat meine Lieblingssorte noch als Grey’s Tea auf und ab 1880  dann erstmals nachweislich als Earl Grey.

Dieser Charles Grey war ein vielfältig aktiver Mann, der sich übrigens auch einer Affäre mit Georgina Cavendish rühmen konnte, mit der er eine Tochter hatte und diese Vorfahrin der späteren Lady Di, beide waren geborene Lady Spencer, die sie zu ihrer Zeit sogar an Bekanntheit fast übertraf, erhöhte den Ruhm des Earl of Grey, der sich für die Freiheit der Afrikaner und gegen Monopole einsetzte.

Wie entspannt das Verhältnis der beiden war, kann ich gerade nicht beurteilen, zumindest taugte es noch als Vorbild für den Film die Herzogin aus dem Jahr 2008, in dem Keira Knightley die Herzogin spielt, Ralph Fiennes ihren Mann William Cavendish und Dominic Cooper eben jenen Charles Grey, der zum Paten des Tees wurde, auch weil er die imperialistischen Monopole vorausschauend aufhob.

Der Schuss Bergamotte Öl bewahrte den Tee aus China, der so lange Transporte auf den Segelschiffen der Zeit hinter sich hatte, bis er in England ankam, vor einem dauerhaft muffigen Geschmack und spielte darum eine große Rolle für das Marketing des chinesischen Tees nach der Aufhebung des Monopols der East India Company, was den Tee erschwinglicher machte und vielleicht schon die Boston Tea Party verhindert hätte, die später zur Gründung der USA führte, die ohne den übertriebenen Imperialismus der Briten vielleicht so nett wie Kanada geworden wären, statt zur unentspannten Supermacht unter dem Choleriker Trump zu werden, die an ihren anfallsweise abgegebenen Tweets gemessen eher mehr guten Tee benötigte, um zu sich zu finden.

Nun habe ich so lange über Tee geredet und fast die andere Hälfte der TB-Balance, die Bücher, vergessen. Bücher sind heute und schon sehr lange ein Massenmarkt. Gedruckt wird, was sich irgendwie vermarkten lässt. Hat hier jedes Buch die gleiche Wirkung oder kann ein Goethe nie mit einem Konsalik, eine Rosamunde Pilcher nie mit einer Jane Austen verglichen werden, muss der Genießer für die Balance unterscheiden, taugt der eine mehr, der andere weniger, um zu genießen?

Suum cuique, hatten die Hohenzollern in ihrem Wappen und kaum einer von ihnen lebte es so konsequent wie der Alte Fritz, der tatsächlich jeden nach seiner Fasson glücklich werden ließ, wenn er denn ein guter Preuße war, also seine Pflicht tat. So ist das auch bei Büchern. Mit steigender Erfahrung hebt sich der Anspruch und immer weniger kann da noch dauerhaft glücklich machen.Dennoch gibt es auch erfahrene Leserinnen, die etwa einen Martin Walser schätzen, der mich schon immer langweilte und dessen geistige Enge ich immer mehr bei der Lektüre als Beleidigung empfand.

Aber darauf kommt es nicht an, was zählt, ist, dass es uns beim Lesen packt, wir in die Welt der Autoren wandern und sie ganz genießen können - von der italienischen Renaissance über den französischen Hof, zum Turm von Michel de Montaigne, ins beschauliche Weimar der Goethezeit oder mit Manns Ironie durch Lübeck schlendern und den Zauberberg besteigen. Natürlich unterscheidet sich ein Thomas Mann oder ein Goethe von vielem, was heute zum Bestseller wird, was nach meinem Maßstab keiner Lektüre wert ist - aber wie sagt der halb gebildete Lateiner so gern: de gustibus non est disputandum - über Geschmack lässt sich nicht streiten und vielleicht gibt mir genügend Tee und gute Lektüre auch die Ruhe hier nicht werten zu wollen, wo es doch um den Kern der Balance geht.

Sicher bevorzugte ich einen Montaigne oder einen Seneca lange vor dem, was heute die Bestsellerlisten anführt - aber es ändert nichts daran, dass jeder für sich entscheiden muss, was ihn beim Lesen glücklich macht und wenn die Masse gern in der Herde läuft, um sich wohl zu fühlen, weil sie gern wissen, wollen, was sie gelesen haben müssen, um mitreden zu können, dann sollen sie das tun. Wichtiger wäre mir da, sie tränken auch mehr Tee als den ollen Kaffee dabei, um in Balance zu finden, aber vermutlich lässt sich nicht mal dieser Anspruch verallgemeinern.

Die intensivste Kaffetrinkerin unter all meinen Frauen, war ansonsten eher eine völlige Schlaftablette, die selten den Mund aufmachte noch sonst große Leidenschaft entwickelte oder kannte - ob sie Tee leidenschaftlicher gemacht hätte oder sie dann gänzlich zum Nichts zwischen Cluburlaub und Bürojob geworden wäre, weiß ich nicht, weil sie einfach ganz ruhig war, nicht mal der Rede noch wert ist.

Vermutlich verstehen wieder nur wenige Teetrinker, die noch dazu lesen, diesen Text, empfindet der Rest ihn als herablassend arrogant, weil sie die Sprache nicht verstehen, in der ich über eine Welt plaudere, die ihnen unbekannt ist. Das ist wohl das Schicksal der lesenden Teetrinker eine vielleicht gebildete aber auch verachtete Minderheit zu bilden, die es noch so gut meinen kann und doch immer von der Mehrheit unverstanden bleibt. Zumindest dieses Hesse, Demian oder Mann, Kröger -Gefühl beschreibt diese Welt sehr schön, denke ich grinsend, trinke einen letzten Schluck Earl Grey bevor ich noch einkaufen gehe im Supermarkt umme Ecke. Auch als nur scheinbar hehres Wesen aus der Gruppe der belesenen Teetrinker, muss ich das und einiges mehr, was am Ende die Frage stellt, wer von TB-Balance profitiert und wie lange dieses Glück real anhält.

jens tuengerthal 10.11.2017

Freitag, 10. November 2017

Sehnlust

Es ist November und es regnet
Der Wind treibt die Schauer kühl
Schwarz ist der Himmel und nass
Voller Sehnsucht schaue ich hoch

Über das Meer auf die Insel wehn
Die Gedanken zu meiner Liebsten
Mögen ihre Träume so feucht sein
Wie die Berliner Nacht nur heißer

Möchte dich zärtlich verwöhnen
Mit der Zunge über dich wandern
Deinen schönen Körper genießen
Jede deiner Erhebungen liebkosen

Will nächtlich wieder neben dir liegen
Dich so lange streicheln bis du wach
Vor Lust auch alles willst um danach
Ineinander verschlungen einzuschlafen

Die Sehnsucht ist schwer und schön
Wie die Wolken im Novemberhimmel
Über Berlin durch die nun meine Lust
In deine Träume zärtlich sich schleicht

Wort für Wort dir meine Liebe zeigen
Eins sein um es für immer zu bleiben
Wissen wie gut wir es getroffen haben
Miteinander was uns mehr als alles ist

Sehne mich durch den Regen zu dir
Glücklich über das große Gefühl
Das du in mir wecktest und hältst
Schlafe ich in Gedanken in dir ein

jens tuengerthal 10.11.2017

Stralauer

Bei diesigem Novemberwetter ging es mit dem letzten Licht des Tages los in Richtung der Halbinsel Stralau, die mir schon oft als Ort der Ruhe mitten im unruhigen Berlin gepriesen wurde.

Vom Helmholtzplatz, wie immer, lief ich über den Kollwitzkiez zur Schönhauser Allee, der ich bis zu ihrem Ende folge, dem ehemals Schönhauser Tor, von dem nur eine ausnehmend hässliche, nach ihm benannte Einkaufspassage blieb, die heute das Tor zum schönen Prenzlauer Berg bildet - einer der vielen nichtssagenden Neubauten, an dem ich die Torstraße überquerte, in der nur die Straßenbahnschienen inmitten an die früher hier Mauer als Erhöhung noch erinnern.

Vorbei an der Volksbühne, die direkt am heute Rosa Luxemburg Platz liegt, hier wird der Name zum Programm, an der nichts mehr vom Streik gegen den bösen Kapitalismus und den ungeliebten Intendanten zu sehen war, dem kleinen Aufstand, den das Linke nahe Umfeld dieses Theaters dort gerade noch inszenierte, bis der lange sehr geduldige Intendant dann doch räumen ließ, um wieder Theater zu spielen. Doch die nach Rosa Luxemburg benannte Straße hat mit dem Babylon noch einen Hort altlinker Ideologie - warb doch das Babylon Kino mit einem großen Plakat für die Filmreihe zum hundertjährigen Jubiläum der Oktoberrevolution, die selbst in Moskau nur wenige Ewiggestrige noch feierten.

Frage mich manchmal, wann die Ideologen der untergegangenen DDR den verbrecherischen Sozialismus und die mörderische Revolution endlich begraben, statt dieses große Verbrechen der Menschheit mit seinen Millionen Opfern noch weiter zu bejubeln, als hätte es irgendwas Gutes gebracht und sei nicht seine Überwindung der einzige Grund zu feiern. Darüber dachte ich auch nach, als ich das Plakat über dem Babylon sah und ging kopfschüttelnd weiter, der Sozialismus scheint in manchen Köpfen noch immer nicht tot zu sein, nur seine Millionen Opfer leben nicht mehr und werden durch solchen Kult der unverarbeiteten eigenen Geschichte weiter verhöhnt.

Die DDR war ein Satellit der UDSSR, ein Unrechtsstaat und so gut sich manche dennoch in ihr eingerichtet haben, so wenig die persönliche Biografie infrage gestellt werden soll, so klar muss der Staat von Mauer und Stasi als solcher verurteilt werden, weil er verbrecherisch war und seinen Bürgern grundlegende Freiheiten raubte, eine religiös anmutende Ideologie totalitär verbreitete. Dieser spießige angebliche Arbeiter und Bauern Staat, der real einer der Funktionäre und ihrer Günstlinge nur war ist 1989 untergegangen und seine Regierung von den Menschen auf der Straße gestürzt worden, zur großen Freude aller Deutschen, außer den Funktionären der DDR und ihren Zuträgern.

Warum einen dieser Geist in der Rosa Luxemburg Straße anweht - weil in der oberhalb parallel verlaufenden Kleinen Alexanderstraße im Karl Liebknecht Haus die sogenannte Linke, die eigentlich nichts als die SED Nachfolgeorganisation ist, ihre Bundeszentrale hat und den Geist der DDR als NOSTalgie über den Platz wehen lässt. Wie schön wäre es, wenn dieser Ungeist durch einen neuen Intendanten künstlerisch ausgetrieben würde und statt der Verklärung der Geschichte endlich Freiheit an der Volksbühne und ihrer Umgebung einzöge.

Eine Ende der Verklärung der lokalen Heiligen, als die Linke immer noch mit Vorwurf gegen die mörderischen Sozialdemokraten Rosa und Karl anbeten, wäre Berlin zu wünschen, das wirklich bedeutendere Menschen hervorbrachte, als diese beiden Sektierer mit radikal linker Ideologie, die 1919 unter unschönen Umständen umgebracht wurden. So wenig wie Horst Wessel sollten wir noch Rosa Luxemburg und Karl  Liebknecht verehren.

Über die Zitate von Rosa, die wie Stolpersteine nur eben unbescheiden meterlang in den Boden um die Volksbühne eingelassen wurden, stolpert wer von der Schönhauser Allee in Richtung Bahnhof Alexanderplatz läuft. Sie hat sicher nicht nur schlechtes gesagt, doch ist die Ideologie für die sie stand und die sie in Deutschland nach dem Krieg wie in der UDSSR einführen wollte, nicht rühmenswert und sollte dieser öffentliche Kult um die Spuren eines faktisch verbrecherischen Systems, was der real existierende Sozialismus überall auf der Welt war, wo dieser Glaube erzwungen wurde, endlich ein Ende haben und müssten sich alle Demokraten klar davon abgrenzen.

Die Sozialdemokraten jedoch mit ihrem ewig schlechten Gewissen, wie weit sie immer auch für den Tod verantwortlich waren, sei dahingestellt, werden sich hüten ihren Koalitionspartner aus der angeblich ganz linken Ecke, die in Wirklichkeit nur die reaktionäre eines untergegangenen Systems ist, zu verprellen, um künftig wieder linke Mehrheiten zu haben, auch wenn sie damit Millionen Opfer dieser Systeme verhöhnen und auch die eigene Kollaboration nie aufarbeiten. Das an diesem Ort festzustellen, ist immer noch nötig. Die Linke ist keine harmlose, nette Kulturpartei, die sich angeblich für Künstler und Arme einsetzt, sondern eine populistische Partei wie die AfD auf der rechten Seite.

Dies wird in Berliner Künstlerkreisen zumindest im Osten mehrheitlich anders gesehen und die linke Folklore wird als chic betrachtet, gehört eben dazu. Damit hat mit meiner heutigen Wanderung aber im weiteren zum Glück nichts mehr zu tun, wichtig ist nur, es an dieser Stelle klar zu betonen und nicht den totalitären Ideologen den Antifaschismus zugute zu halten, als legitimierte dieser Glaube alle Taten in seinem Namen. Es bleibt zu hoffen, dass die SPD merkt, dass die gerade gesuchte oppositionelle Annäherung sie langfristig in die Bedeutungslosigkeit führt.

Ohne mich weiter am Namen oder den Ideen der Namensgeberin zu stören, folgte ich der im übrigen längst gut kapitalistischen Rosa Luxemburg Straße bis zur Dircksenstraße , in die ich gen Osten abbog, um nach wenigen Metern die immer noch Karl Liebknecht Straße zu überqueren. Damit genug der Zumutungen für Demokraten und liberal denkende Menschen, denen solch totalitäre Ideologen und verklärte Heilige immer fremd bleiben werden. Am Bahnhof Alexanderplatz entlang kam ich nach Überquerung der Grunerstraße zum gut kapitalistischen Einkaufszentrum Alexa, dessen so große wie langweilige Ansammlung von immer überall gleichen Läden ich gen Osten durchquerte, um danach weiter der Bahnlinie zu folgen, bis diese zum Ostbahnhof abbiegt und die Straße dem Flusslauf folgt.

Von der leicht südlich in Richtung Ufer verlaufenden Dircksenstraße bog ich östlich an der Stelle, an der die Alexanderstraße kreuzt, östlich in die Holzmarktstraße ein, der ich am von dort nördlich gelegenen Ostbahnhof und diversen anderen Gebäuden vorbei immer weiter folgte, bis sie sich nach dem Stralauer Platz, der nichts am Verlauf der Straße ändert, dann Mühlenstraße unverfänglich nennt.

Dort beginnt dann auch die East Side Gallery, zwischen dem Ostbahnhof und der Oberbaumbrücke. Diese dauerhafte Freiluft Galerie ist das längste noch erhaltene Teilstück der ehemals ganz West Berlin umgebenden Mauer, mit der die realen Sozialisten ihr Volk vor der Flucht in den Wohlstand des Westens abhalten wollten, der immer für die meisten verlockender war als die eben totalitäre Ideologie des Ostens. Im Frühjahr 1990 wurde dieses 1316 m lange Teilstück der Mauer von 118 Künstlern aus 21 Ländern bemalt und zu einem Kunstwerk eigener Art, das viel von Berlins Geschichte zeigt.

Die Künstler kommentieren auf der dort ehemals dem Osten zugewandten Mauer die Geschehnisse um den Fall der Mauer im Jahr 1989/90. Anstelle der Originale stehen dort nur noch die 2009 hergestellten Repliken, was den guten Eindruck beim Vorübergehen nicht stört. Die eigentliche Grenze bildete das Kreuzberger Ufer der Spree. So befindet sich die Galerie auf einer sogenannten Hinterlandmauer, die schon die Annäherung an den Fluss verhindern sollte, damit die  eingesperrten Bürger gar nicht auf dumme Gedanken kamen.

Die Idee zu dem Kunstwerk war nach der Vereinigung der beiden Verbände Bildender Künstler im Westen und Osten entstanden als erstes gesamtdeutsches Kunstprojekt. So wurde die East Side Gallery noch mit offiziellem Auftrag des Ministerrats der DDR gegründet und internationale Künstler beauftragt. Die Galerie wurde am 28. September 1990 eröffnet, noch in der DDR, also vier Tage vor der Vereinigung, die ein Beitritt war. Zunächst sollte sie um die Welt geschickt und versteigert werden. Dieser Plan wurde nach der Vereinigung aufgegeben, stattdessen wurde die East Side Gallery im November 1991 unter Denkmalschutz gestellt.

Über die Mauer, ihren Erhalt und die Entfernung der Originale wurde wie üblich in Berlin lange und viel gestritten, ohne eine letztliche Einigung zu erzielen. Die Künstler gründeten Initiativen, mit denen sie an die Millionen der Lotto-Stiftung selbst kommen wollten, weil sie meinten, sie stünden allein ihnen zu, was einige der Sanierer unterstützten, aber dennoch nichts erreichte und so wurde irgendwann saniert, wenn auch unter großem Protest und mit Zerstörung einiger Kunstwerke durch die beteiligten, empörten Künstler selbst. Am Ende blieb das schöne Denkmal der Wendezeit, das immer noch viele Touristen anzieht, die auch an diesem Novemberabend den langen Weg nicht scheuten und vielfach für schöne Bilder vor der Wand posierten, was die Erstellung touristenfreier Fotos immer erschwert und viel Geduld erfordert.

Das Denkmal lebt auch durch immer wieder von aktuellen Sprayern angebrachte Tacs und einige der Künstler finden das auch wünschenswert, da damit das Kunstwerk weiter lebe und sich verändere, keine Mauer für die Ewigkeit sein solle.

Nach der Oberbaumbrücke, an der die Galerie endet, heißt die dort Bundesstraße 96a dann zielgemäß Stralauer Allee und führt am Süden des Friedrichshain entlang. Die Straße ist seit dem Alex ständig viel befahren, es ist laut und sehr städtisch. Im Wanderer wuchs die Sehnsucht nach Ruhe, die ich hoffte zumindest an der Spitze der Halbinsel Stralau zu finden, die dort zwischen Rummelsburger See und Spree liegt, die gemeinsam ein Gewässer von der Größe eines Binnensees bilden.

Die Stralauer Allee endet, wo sie auf den Markgrafendamm stößt, der zur dort Elsenbrücke führt, die nach Alt Treptow auf Höhe des Treptower Parks hinüber geht. Überquerte sie  etwas waghalsig auf dem Fahrradstreifen, da ich als Fußgänger erst nach Norden über die Stralauer Allee, dann gen Osten über den Markgrafendamm und schließlich wieder südlich die nun Alt Stralau genannte Straße hätte überqueren müssen, was mir, zugegeben, etwas umständlich und eigentlich sogar ziemlich unverschämt vorkam.

Überstand die Überquerung ohne größere Schäden oder ein Verkehrschaos auszulösen mit meiner Liebsten in Dublin im Ohr, die mich schon die ganze Strecke zärtlich aufmunternd und liebevoll begleitete. Bis hierhin war es ein zwar zügiger aber durch den ständigen Verkehrslärm und die immer wieder vorbei rasenden Rettungswagen oder ähnliche Signalhörner keineswegs entspannter Spaziergang. Die Berliner Luft ist dort eher schlecht und voller Abgase.

Der vorher Alexanderplatz, der literarisch so berühmt wurde durch Döblins Roman, auch wenn er in dem Buch so gut wie gar nicht vorkommt, war auch ein einziges Grauen zwischen den Resten der widerlichen DDR Architektur im Geist des Sozialismus, die bis auf wenige Ausnahmen wie den Fernsehturm besonders in ihren Platten immer unansehnlich bleibt und nur ein Denkmal des Schreckensregimes sind, was besser nachhaltiger beseitigt würde.

Konnte diesen Platz mit seiner hohen Kriminalitätsdichte, den immer wieder tödlichen Zwischenfällen, noch nie ausstehen. Nicht weil ich den Tod so fürchtete, sondern weil er einfach menschenfeindlich bebaut ist. Eine zugige Betonplatte mit ihrer Weltzeituhr inmitten, die noch den DDR-VEB Charme großartig verströmt. Gemacht für Aufmärsche und jubelnde Massen, die von der SED gesteuert werden sollten. Finde die Unfreiheit dieses Geistes dort so spürbar wie kaum irgendwo anders in Berlin. Am besten alle DDR Bauten um den Platz abreißen außer zweien oder dreien unter Denkmalschutz wie die Kongresshalle etwa. Was am Haus des Lehrers noch schutzwürdig sein soll, ist mir ein Rätsel.

Was nach der Wende an durchschnittlichen Märkten der großen Ketten und Einkaufszentren dort errichtet wurde, bestätigt diesen Eindruck noch. Es bleibt eine kalte Betonwüste, die leblos und ohne Charakter ist, durchschnittliche Waren anbietet und so tot ist wie die DDR, der schlicht alles Leben und jede Schönheit fehlt. Schrieb nur nichts sonst über den Alex, auch wenn an dieser Stelle, wo ich ihn ganz entlang lief, gute Gelegenheit gewesen wäre, über ihn zu berichten auch historisch betrachtet, weil ich diesen Platz wirklich hasse, was bei mir selten vorkommt, der immer bemüht ist, in allem noch das Schöne zu sehen. Dort gelingt es mir nicht und so will ich mich auch nicht daran erinnern, wie schön es einstmals dort war.

Etwa 1848 als Theodor Fontane noch in der alten Apotheke arbeitete, die gegenüber der Stelle lag, an der heute das langweilige Alexa liegt. Dort stand beispielsweise die einzige Barrikade, die bei den Unruhen am 9. März 1848 nicht erobert und besiegt wurde, auf ihr stand auch der später bei Hof hoch angesehene Fontane, worüber er dann lieber schwieg. Es gab dort Kasernen und ein Gefängnis, manch schöne Architektur an der Straße, die zum Schloss führte und benannt wurde der Platz 1805 nach Zar Alexander I. von Russland, dem Schwager des späteren Friedrich Wilhelms IV. und Schwiegersohn Friedrich Wilhelms III.

Aber dieser Platz ist und bleibt architektonisch ein Grauen und ist, wie der lange Weg nach Stralau am Ufer entlang, sehr städtisch, laut und hektisch und das Gegenteil dessen, was mich nun auf der Halbinsel der Seligen erwartete, wovon ich noch nichts ahnte, als ich die Kreuzung unter Einsatz meines Lebens überquerte. Schwärmen hatte ich mal eine Kollegin gehört, die auch ursprünglich aus Bremen kam und mit ihrer Tochter unbedingt dort hin ziehen wollte, raus aus der lauten Mitte. Verstand es damals nicht, war aber auch nie dagewesen außer einmal bei einem Fußballturnier mit meiner Tochter.

Stralau ist eine Ortslage des Ortsteils Friedrichshain im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Der Name geht auf ein altes Dorf zurück, das unter Namen Stralow hier entstand und 1920 Teil Groß-Berlins wurde. Archäologische Funde schon aus der Steinzeit zeigen, dass die wunderbare Halbindels der älteste Siedlungskern im heutigen Berliner Gebiet ist. Die wussten schon damals, wo es wirklich schön ist. Auch germanische und wendische Siedlungen dort sind belegt worden. Schon im 13. Jahrhundert wurde der Name Stralow erstmals belegt, wobei unklar ist, ob der damals erwähnte Ritter Thidericus von Stralow mit der Siedlung in irgendeinem Zusammenhang stand, was jedoch von Ritter Rudolf von Ystralowe vermutet wird, der sie wenig später erwähnte..

Auch für die erste Erwähnung des Fischerdorfes Stralau werden unterschiedliche Jahre genannt. So legte im Jahre 1288 der Markgraf Otto V. die Grenze zwischen Berlin und Rosenfelde neu mit dem Stralower Damm fest, der zumindest auf das Dorf Stralow verweist. Nur 70 Jahre später taucht im Jahre 1358 Stralow erstmals in einer Urkunde auf, als die damals noch Doppelstadt Berlin-Cölln das Dorf vom damaligen Besitzer, dem Ritter Nicolaus Batolpsdorf kaufte - vermutlich mit Bauern, da es doch rund 450 Jahre vor der preußischen Bauernbefreiung durch den großen Freiherren vom Stein war. Die im Boden der Halbinsel gefundenen Überreste einer Ritterburg aus dem 13. Oder 14. Jahrhundert deuten auch auf einen Rittergutsbesitz hin.

Historisch bekannt war immer auch der Stralauer Fischzug als ein großes Volksfest, das jährlich am 24. August, dem Bartholomäustag, eine Woche lang stattfand. Dies hängt damit zusammen, dass Kurfürst Johann Georg von Brandenburg in einem Edikt vom März 1574 das Fischen von Ostern bis Bartholomäus verbot. An diesen früheren Fischzug erinnert die Figur des Stralauer Fischers vor dem Rathaus Treptow aus dem Jahre 1916. Da das Fest jedes Jahr in wüstere Besäufnisse, Schlägereien und andere orgiastische Feierlichkeiten ausartete, wurde es schließlich 1873 vom Amtsvorsteher verboten. Nach einem kurzen Wiederaufleben des Festes 1923 beschlossen die Behörden, dass es doch besser wäre für Ruhe und Ordnung zu sorgen und verboten es wieder, als nach der Wende sich ein Freundeskreis um ein Wiederaufleben bemühte, mangelte es an Geld und Sponsoren, so starb auch dieser Versuch im Nichts.

Stralau und die am Nordufer gelegene Rummelsburger Bucht gelten als die Geburtsstätte des Segelsports in Deutschland. Hier wurden bereits 1830 die ersten Segelvereine gegründet, die erst später an den Wannsee und in die Umgebung zogen, wo es genug noch größere Reviere gibt. Immer noch finden sich einzelne auch Segelyachten an den Anlegestellen, die ich auf meinem Weg um die Stralau passierte.

Besonders der neue Bahnhof Stralau-Rummelsburg, der heute Berlin-Ostkreuz heißt, trieb die Entwicklung der Halbinsel voran. So gab es eine Brauerei, eine Glasfabrik, Werften und andere Betriebe des Handwerks. Von 1899 bis 1951 fuhr auch eine Straßenbahn auf der Stralau, die bis 1932 durch einen der ersten Unterwassertunnel unter der Spree bis nach Treptow führte. Gegen Ende des Weltkrieges war der Tunnel geflutet worden und wurde später nicht wieder in Gang gesetzt. Erhalten davon blieben nur die Tunnelstraße auf der Stralauer Seite, ein Hinweisschild mit einer Erklärung der Umstände und der Platz am Spreetunnel auf Treptower Seite.

Heute leben etwa 3000 Menschen auf der Halbinsel unter recht idyllischen Bedingungen, um 1910, als es noch Industrie hier gab, waren es noch über 4000 gewesen, während 1817 nur 76 dort siedelten. Als 1920 Groß-Berlin entstand, wurde aus den Teilen Stralau, Stralauer Viertel und Königsstadt der Bezirk Friedrichshain gebildet, der heute eins mit Kreuzberg wurde.

Kaum hatte ich die laute Straße verlassen und tauchte in die Welt der Insel ein, überlegte ich auch schon, wie ich das Dorf Alt-Stralau wieder verlassen, um am Flussufer die Halbinsel umrunden zu können. Die erste Chance vergab ich noch, weil ich mit dem Hinweis zu dem Parknamen nichts anfangen konnte, fürchtete, die Brücke führte mich nur auf die andere Spreeseite abe nicht an deren Ufer. Dann mit Hilfe von Google wagte ich den nächsten Stichweg, der zwar auch noch mehr nach einer Einfahrt der vielen quadratischen Neubauten hier aussah und kam ans traumhaft schöne Ufer. Ganz von Ferne nur hörte ich noch den Lärm der Straßen, die ich gerade verließ, sanft plätscherten die Wellen der Spree gegen das Ufer, hier und da schaukelte ein kleines Motorboot, Trauerweiden ließen ihre hängenden Äste über dem Fluss baumeln und bewegten sich im sanft herbstlichen Wind eher schüchtern vornehm.

War in einem ruhigen, vornehmen Paradies angekommen und genoss die Ruhe dort nach der Hölle des Weges über den Alex und die viel befahrenen Straßen entlang um so mehr. Nichts als ein Plätschern, mal das Quaken einer Ente, das Rauschen des Windes in den Weiden, die dort standen und mit den Trauerweiden um die Wette sich hängen ließen.

Bis zur Dorfkirche kurz vorm Ende der Halbinsel flanierte ich so ruhig am Ufer, begegnete einigen viel zu hektischen Joggern, die mich wieder verstehen ließen, warum ich lieber lange Strecken flanierte als kürzere Zeit hektisch zu rennen. Auch einzelne ältere Menschen, die sich oder ihre Hunde spazieren führten, traf ich dort und konnte in die Häuser am Weg sehen - neue Bauten aber nicht höher als drei Etagen, über die sich schicke Wohnungen mehr oder weniger spießig eingerichtet verteilten. Weniger Lichterketten oder Gartenzwerge als im Wedding und, oh Wunder, einige ganz ansehnliche Bibliotheken, zumindest von Menge und Ansicht aus der Ferne, über Inhalte kann ich natürlich nichts sagen, da ich mich hütete, sie nah heran zu zoomen, doch schien so manche Wohnung relativ kultiviert eingerichtet, während in anderen nur riesige Fernseher leuchteten und das trotz dieser traumhaften Aussicht auf das Ufer, aber, was du immer hast, weißt du selten auch zu schätzen.

Die Dorfkirche und der sie umgebende Friedhof zwangen mich dann, ein wenig Abstand vom Flussufer zu nehmen, um diese älteste Dorfkirche Berlins zu umrunden und zu würdigen. Die Kirche wurde 1462 fertiggestellt und natürlich traditionell am Bartholomäustag, dem 24. August, geweiht. Sie steht etwa 500m vor dem Ende der Landzunge auf der Stralau. Der weithin sichtbare Glockenturm ist nicht alt sondern neugotisch aus dem Jahre 1834 nach Plänen von Langerhans gebaut worden. Auch sonst erfuhr das Gotteshaus einige Veränderungen in seiner Geschichte und sichtbar alt sind nur noch der einschiffige Mittelbau und der diesen abschließende Chor in schlichter Schönheit.

Groß stehen vor der Kirche die Stelen, die von ihrer Geschichte stolz erzählen als sei sie mindestens ein Speyrer Dom diese kleine Dorfkirche auf der Halbinsel. Der Chor zeigt die typische Gestaltung der Kirchen in der Spätgotik, wie sie sonst in Berlin nur noch die Dorfkirche in Dahlem aufweist, in der ich vor kurzem die Taufe der Tochter meines besten Freundes erleben durfte, da mich sonst in diese Tempel des Aberglaubens wenig zieht als die Kunstgeschichte, wo sich in und um Berlin der Besuch selten lohnt, wofür der gruselige Berliner Dom immer noch das beste und abschreckendste Beispiel ist. Auch für den Geschmack der DDR Regierung, die dieses Machwerk des späten Wilhelminismus stehen ließ aber das schöne Schloss daneben abriß, um ihren unterdurchschnittlichen Palast der Republik an die Stelle des Schlosses zu platzieren - zumindest gaben sie damit dem folgenden Alexanderplatz mit Dom und ihrem Palast einen an Hässlichkeit kaum zu überbietenden Eingang, den sie dann doch noch dort zu unterbieten schafften.

Der in der Kirche vorhandene spätgotische Altar kam erst nach 1962 dorthin, als der dortige Pfarrer ihn auf Hamsterfahrten in die Umgebung wiederentdeckte und die Gemeinde Finsterwalde diesen der gerade renovierten Kirche schenkte. Der Taufstein, der auch spätgotisch, wohl möglich sogar älter als die Kirche ist, wurde aus dem Märkischen Museum zurück auf die Insel geholt und eine Orgel haben sie auch noch, aber dies ist alles nur theoretisch, ich betrat die verschlossene Kirche nicht, sondern lief lieber wieder ans Ufer und folgte diesem die letzten Meter bis zu seinem Ende, um dann an der anderen Seite zurück zu gehen. Von dort sind dann auch die beiden Inseln, der größere Kratzbruch und die kleinere Liebesinsel zu sehen.

Folgte dem wunderbaren Weg an der Küste der Halbinsel entlang und es war zeitweise wie ein Hafenspaziergang, die Boote klapperten am Rand, ich blickte auf den Rummelsburger See wie die Bucht nördlich der Halbinsel heißt und nach Rummelsburg hinüber, wo die neuen Siedlungen bis ans Ufer reichten. Lief um die See genannte Bucht, gen Rummelsburg herum, betrat dieses ein Stück nach der Biegung des U auf der anderen Seite, der Stralau gegenüber, warf noch einen Blick zurück auf dieses Paradies der Ruhe und Entspannung, bevor ich mich wieder in die Stadt stürzte.

Die Marktstraße führte mich von dort zur Boxhagener Straße, der ich teilweise folgen wollte. Teilweise nur, weil  ich endlich auch den berühmten Boxhagener Platz umrunden wollte, dessen Berühmtheit mir danach noch schleierhafter ist. Aber was für ein Wechsel, von der ländlich ruhigen Insel, an der Schiffe am Rand und Bäume noch das lauteste waren, mitten in die Boxhagener im Friedrichshain. Diese wird von der Straßenbahn durchquert, dazwischen Autos und Rettungswagen, die mit vollem Presslufthorn um die Aufmerksamkeit der Massen ringen, die sich hier von Kneipe zu Bar und Späti schleppen, um ihren Spaß zu haben.

Dett ist eben Berlin, massenhaft Partyvolk auf der Suche nach der neuesten Action, reichlich bekifft oder betrunken, obwohl Donnerstagabend nur. Daneben einige Anwohner, die ihre Einkäufe genervt an den Horden vorbei transportieren wollen oder mit dem Herren vom Späti sich um eine Diskussion bemühen. Ähnlich wie auf meinem Berg nur etwas jünger und wilder, nerviger und hektischer. Späti wechselt sich mit Bar, Kneipe, Restaurant, Schnellimbiss, Boutique und Tattoo-Studio ab. Wird mir immer ein Rätsel bleiben, warum sich so viele nicht gerade schöne Menschen noch zusätzlich durch diese grässlichen ewigen Körpergemälde verunstalten müssen. Es ist halt geil und Mode ein Tattoo zu haben, bei manchen zumindest und so wird diese schon länger Mode der Matrosen und Hafenarbeiter zu einer der Massen und dadurch noch lächerlicher und Mitleid erregender.

Verließ die zu laute Boxhagener so bald es ging, nur leider eine zu früh, was ich dann aber mit Googles Hilfe, Google sei Dank, wieder korrigieren konnte und beim dritten Versuch bei meinen Wanderungen im Friedrichshain endlich den Boxhagener Platz fand. Naja, Platz im dunkeln halt. Wenige nette Bäume, einige Lichter an Bars und Pinten drumherum, nicht hässlich, aber auch nichts irgendwie besonderes, ein Platz mitten in Berlin eben, hässlicher als der Helmholtzplatz natürlich aber wohl hipp, auch des sonntäglichen Flohmarkts wegen - vielleicht muss ich noch mal wiederkommen.

Verließ den Szenekiez über die Straße nördlich des Platzes, lief auf ziemlich direktem Weg dann zum Volkspark Friedrichshain, den ich durchquerte, um dann durch Bötzow Kiez, Wins Viertel und Kollwitz Kiez zum heimischen Helmi zu kommen, an dem ich mir nach gut 30 km einen schönen Riesling vor dem Misirlou gönnte.

jens tuengerthal 9.11.2017

Mittwoch, 8. November 2017

Geschlechtlich

Nun gibt es mindestens drei Geschlechter oder noch mehr, wie das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe just beschied auf die Verfassungsbeschwerde eines Bürgers hin, der sich von den Behörden diskriminiert sah.

Darum müssen nun alle Formulare geändert werden, Behörden sich umstellen, alle ihr Denken ändern, es wird viel kosten und die Reaktionäre werden wieder nölen, ob dieser Links-Grüne Unsinn denn sein müsse und wenn sie rechtsradikal sind, werden sie alles Links-Grüne noch versifft nennen, weil alles, was von der Gewohnheit abweicht, doch nichts taugen kann.

Fragte mich wer, wie ich das denn finde, würde ich sagen, dass es bei Dingen der Natur und ihrer Wahrnehmung nicht um mein Empfinden sondern um Fakten geht. Genau wie keiner mehr wegen seiner Religion oder Rasse ausgegrenzt werden darf, dies eine Straftat darstellte, muss es auch beim Geschlecht sein und steht so wörtlich im Grundgesetz in Artikel 3 III, der das Geschlecht sogar zuerst nennt. Finde die Entscheidung also nicht verwunderlich sondern nur logisch und konsequent.

Schon die alten Griechen benannten die Hermaphroditen als zweigeschlechtlich nach ihren Göttern Hermes und Aphrodite. Ovid erzählt die Geschichte vom schönen Hermaphroditos, in den sich die Nymphe Salmakis verliebt und die daraufhin mit ihm von den Göttern Hermes und Aphrodite, die sie um Hilfe rief, zu einem doppelten Geschlecht vereint wird, während sie im See baden, damit nichts sie mehr trennen könne und der so verwandelte Jüngling wünscht sich von seinen Eltern, dass es jedem Knaben, der künftig dort bade, genauso ergehen solle

Es gibt viele Varianten des Seins und wenn wir nicht nach dem Geschlecht diskriminieren dürfen, meint das eben nicht nur die neue #MeToo-Hysterie als Betroffenheits-GAU sondern auch die Offenheit für neue Formen des Seins, die in kein Schema passen. Finde das gut so und es zeigt, wie lebendig eine Gesellschaft ist, wenn das Denken auch die Richtung wechseln kann - geben wir den Gedanken diese Freiheit, können sie sich ungestört entfalten.

Alle die das Denken beschränken oder in geistigen Schranken leben, wie Trump es mit seinem Verbot für das Dritte-Geschlecht in der Army jüngst wieder bewies, offenbaren nur ihre Armut und zeigen sich als Verlierer der Evolution, die längst über sie hinweg ging. Wie es ein Putin mit seiner Intoleranz gegenüber Homosexuellen beweist und es die chinesische Führung auch immer wieder zeigt.

Es gibt Zeiten, in denen die Zurückgebliebenen wie Trump und seine Anhänger mehr Zulauf finden, weil nicht jeder fähig ist, flexibel zu denken und sich neuen Bedingungen zu stellen - doch sind diese auf die Evolution betrachtet völlig unbeachtliche Ausreißer, die sich überleben werden. Der höhere Zuspruch für die Partei der starren, unflexiblen Geister im Osten Deutschlands zeigt, wie nachhaltig und langfristig Diktaturen dem Denken und damit der Entwicklung schaden, sie ganze Kulturen stagnieren lassen, wie bei Polen und Ungarn auch zu beobachten ist.

Gut, wenn das Bundesverfassungsgericht nun dem stagnierenden Stand der Richter auch bestätigte, wie falsch er lag, eine Diskriminierung weiter für zulässig zu halten. Vielleicht können sich diese nun im Sinne der Evolution zu höherer Flexibilität weiter entwickeln, um ihr Überleben zu sichern, die Notwendigkeit ihrer Existenz zu begründen, darwinistisch gesprochen. So wird es den Pegiden mit ihrer Furcht vor dem linksgrünversifften Multikulti auch gehen. Dieser kleine Ausreißer der Evolution als stagnierendes Element mit geringer Offenheit für Veränderung, wird sich als zu unflexibel bald von alleine überleben und auch das drückt das neue Urteil treffend aus, Intoleranz hat sich erledigt.

Es gibt viel mehr als wir gewohnt sind und das ist gut so. Die Zukunft gestaltet, wer offen bleibt und lernt mit Neuem umzugehen, während die Unflexiblen nur Verwalter des eigenen Nachlass einer aussterbenden Gesellschaft sind. Eine vielleicht Randnotiz in den Geschichtsbüchern, mehr nicht.

Wir können nun in Ruhe beobachten, wie sich das Denken auch zum Thema Geschlecht weiter verändern wird und das wird auch den Umgang miteinander wie mit Rollen und Mustern verändern, die wir gewohnt sind. Gut so, davon leben wir und damit überleben wir besser. Spannend wird dabei auch die Diskussion werden, wieviel Rolle tatsächlich genetisch bedingt und damit angeboren ist und welche Teile durch eine wie auch immer geprägte Erziehung bedingt sind.

Was ist wirklich unsere Natur im Geschlecht und wo verhalten wir uns den Mustern unserer Erziehung entsprechend?

Es ist gut manchmal ein wenig aus der Rolle zu fallen, um seinen eigenen Weg zu finden, der selten vorgegebenen Mustern entspricht. Sicher darf es nicht nur um Selbstfindung gehen, sollten wir solche Bedürfnisse auch anderen Aufgaben unterordnen können - doch ist immer leistungsfähiger, wer in sich ruht.

Diktaturen zerstören die Kreativität. China ist meisterhaft in Plagiaten und schwach in der Innovation. In Russland zeigt sich ähnliches. Die Amerikaner, die Trump folgen, bewegen sich auch auf dem Pfad der simplen Antworten, die keinen Fortschritt bringen. Wie gut, wenn Europa noch für Entwicklung des Geistes, Flexibilität und Offenheit steht und wer das nicht versteht, sollte sich aus Europa in die intoleranten Regionen verziehen, hier braucht sie keiner.

So werden all diese intoleranten Regionen der Welt geistig immer träger und weiter abgehängt werden, wie hochgerüstet und reich sie auch sein mögen, sie sind für die Entwicklung des Menschen nicht von Interesse, an dessen Spitze ihrer toleranten Flexibilität wegen lange die USA standen. So sehe ich dies Urteil zum Geschlecht und seiner Vielfalt im globalen Kontext und denke Europa ist auf einem guten Weg und kann sich solche Ausreißer für die Zurückgebliebenen wie AfD und FN auch mal leisten, die lediglich Grabpflege auf dem Friedhof der Ideologien betreiben.

jens tuengerthal 8.11.2017

Liebesgröße

Wie groß ist die Liebe
Die ich mit dir endlich fand
Reichen meine Worte dafür
Oder genügt nichts auf der Welt

Größer als alles was ich kannte
Größer als ich hier nur dichte
Größer als mein Leben allein
Größer als alle meine Träume

Habe alles mit dir gefunden
In dir fühle ich es noch mehr
Unter dir kommt es uns beiden
Nach dir kommt nichts mehr

Weiß es nicht zu beschreiben
Bin einfach unendlich glücklich
Was eben unbeschreiblich bleibt
Weil diese Liebe kein Ende hat

So lehne ich mich nun zurück
Genieße ganz ruhig was ist
Dankbar für die große Liebe
Ist das Leben wunderschön

Muss nicht mehr dazu sagen
Weil wir wissen was wir haben
Das Glück in Sehnsucht genießen
So bleibt die Liebe stets größte

jens tuengerthal 8.11.2017