Sonntag, 8. Oktober 2017
Lichterfest 01
In der Kulturbrauerei
Als Werbeaktion
Nach Mitte laufen
Durch die Nacht durch den Regen
Lichter im Dunkeln
Im Hackeschen Hof
Leuchten Figuren und Wand
Im nieseln bestaunt
Zum Lustgarten dann
Eher feuchtfröhlich der Dom
Schöner beleuchtet
An der Staatsoper
Letzte Lichter genossen
Um zwölf war Ende
Wieder Berg hinauf
Durch die Nacht durch den Regen
Erfüllt noch vom Licht
jens tuengerthal 7.10.2017
Samstag, 7. Oktober 2017
Fluglauf
Von der Abflugbaracke der irischen Billigfluglinie, die gerade vor allem durch Streichungen berühmt wurde, ging es über den nur teuer zu bezahlenden Parkplatz, als seien wir wirklich an einem großstädtischen Flughafen und nicht nur auf einem irgendwie Festivalgelände in tiefster Provinz, wie er eher aussah in seiner realen Schlammhaftigkeit. Der sich anschließenden vierspurigen Straße mit Grünstreifen inmitten folgte ich in östlicher Richtung zunächst weiter als nötig, obwohl sie von typisch vorstädtischer Hässlichkeit außer einer sichtbar alten Kirche, die noch aus Zisterzienser Zeiten stammen könnte, nichts zu bieten hatte als Leihwagenhändler, Imbissbuden, Bordells, Tankstellen und ein Hotel. Flughafenumgebung, hingestreut und nicht gewachsen, zum schnellen durchqueren und vergessen.
Hinter dem Hotel hätte ich sofort links gemusst, was ich übersah, warum ich erst im zweiten Versuch die rostige Brücke über die Bahngleise bestieg, die schon zu DDR Zeiten alt geworden sein könnte.
Kaum kam ich die Brücke hinab, war ich mitten in Brandenburg, tiefste Provinz mit noch gewölbten Straßen, wenn nicht nur bessere Feldwege zu den Einfamilienhäusern dort führten, an Fischteichen vorbei, die wunderbar baumumstanden, die idyllische Atmosphäre noch verstärkten. Alt Schönefeld hat seine Reize, zumindest solange ich es als Wandere,r von der Schnellstraße kommend, durchquere und nicht dort leben muss.
Mütter mit Kinderwagen und Hundehalter kamen mir entgegen, alle den irgendwie Fremdling dort bestaunend als sei ich ein unerwünschter Flüchtling, der ich mit Wanderstiefeln und Rucksack, ansonsten aber ziemlich zivil durch den Ort flanierte, nur ganz in Schwarz halt, wie meist. Ob daraus geschlossen werden kann, dass den Märkern alles Schwarze erstmal suspekt ist, weiß ich nicht - willkommen fühlte ich mich auf den ersten Blick nicht in den noch der Straße folgend zu durchquerenden Dörfern Brandenburgs.
Dies entspräche wohl auch dem Charakter der märkischen Landbevölkerung wie Fontane sie beschrieb. Von deren Neigung sich selbst für Kleinigkeiten gern zu loben, habe ich nichts mitbekommen. Gelegentliche Jogger, die der kleinen Straße, die nur auf Karten, da die einzige dort, groß aussah, grüßten dagegen sehr freundlich - es waren auch nur zwei - vermutlich eine Solidarität unter Exoten - Wanderer und Läufer sind nicht, was der neben der Großstadt ganz ländlich lebende Märker häufig sieht. Wozu auch rausgehen und durch die Landschaft rennen, die ist ja immer da und es war noch nie etwas los, seit tausenden von Jahren.
Von Alt Schönefeld ging es der Rudower Chaussee folgend überraschenderweise gen Rudow, was den Wanderer bereits mit dem Ortsschild Berlin Neukölln begrüßt. Eine schöne Überraschung mitten in der märkischen Provinz plötzlich in Neukölln gelandet zu sein. Es sah ganz anders aus als sich die normalen Besucher Neukölln vorstellen, nämlich eigentlich genau wie die märkische Provinz davor mit dem einzigen Unterschied, dass es diese sich Berlin nannte, die Autos ein B auf ihrem Kennzeichen haben und wir nun im alten Westberlin und nicht mehr in ehemaliger DDR waren, was nur ein Gefühl war und doch irgendwie tröstlich wirkte.
Die Babauung ähnelte sich, einige niedliche Bauten in Alt Rudow mit sich ländlich benehmenden sehr jungen Damen, die, dich auffällig ingorierend, mehrfach aus verschiedenen Richtungen an dir vorbeiliefen und den ersten arabisch und türkisch sprechenden jungen Männern, die im Gegensatz zum Wanderer viel Interesse an den jungen Damen zeigten, die von diesen aber naserümpfend ignoriert wurden. Auf das Rümpfen der Nase verzichtete ich und lächelte einfach freundlich vor mich hin, was vermutlich, wenn es dich Wanderer nach Rudo verschlägt, verrückt genug wirkt, von niemandem angesprochen zu werden, Außer diesen jungen Damen, die immer wieder auftauchten und hofften ihr auffälliges Ignorieren würde für Interesse sorgen, was es aber nicht tat, kamen mir noch einige stark geschminkte typische Westberliner Matronen entgegen. Die vier Damen unterhielten sich lautstark, waren alt genug mich auf auffällig direkt anzuschauen und weckten dabei aber auch nicht mehr Interess als ihre möglicherweise Enkelinnen. Schon erstaunlich, wie sich die Generationen so übergreifend im Schutze der Dämmerung manchmal verwirren.
Dabei fiel mir ein, dass ich mal eine nur körperlich lange Geliebte aus Rudow hatte, von der wenig mehr in Erinnerung ist, als dass sie außer zwei Kindern auch mindestens zwei Katzen hatte, warum ich bis dato noch nie in Rudow war. Zeitlich war dies Kapitel sehr kurz und bedarf auch darum keiner weiteren Erwähnung, es fiel mir nur ein, als ich die Damen jenseits der höflich vierzig und realistisch vermutlich in der nächsten Dekade gelegenen Sparkassendirektorsgattinnen und Arztgattinnen oder Lehrerinnen dort flanieren sah mit ihren als Angel ausgefahrenen Blicken und schnell zusah, dass meine Augen sich auf den netten Buchladen dort konzentrierten.
An Kleingartensiedlungen vorbei ging es weiter bis zu dem kleinen Abstecher an der Hufeisensiedlung, von der ich im Dunkeln mehr die Form erahnte als tatsächlich sah, die aber dennoch einen guten Eindruck hinterließ und sehr aufgeräumt wirkte, wie so vieles im Dunkeln viel aufgeräumter wirkt, warum wir das Licht manchmal der Ordnung halber überschätzen. Auch dieses Weltkulturerbe ist Neukölln. Hier hatte ich schon fast die Hälfte des Weges bis nach Prenzlauerberg geschafft und war doch noch in einer anderen Welt - in einem eher ländlich oder kleinstädtisch geprägten Vorort noch, wenn auch die ersten U-Bahnstationen im schönen Design der Zeit auftauchten, die nach Berlin führten.
Nach der Unterquerung der A100, also des inneren Autobahnrings heißt die bis dahin Buschkrugalllee plötzlich Karl Marx Straße und das für eine sehr lange Zeit und durch verschiedenste Welten. Es wird immer städtischer und die typischen Berliner Altbauten nehmen zu, dazwischen immer mal neue Zweckbauten mit Einkaufszentren oder sonstigem Bedarf.
Während es auf der Höhe des alten Flughafen noch vereinzelt Sportplätze und Tankstellen oder andere Gewerbe gab, nimmt gen Innenstadt die Wohnbebauung immer weiter zu und was mit gelegentlichen Döner Läden begann wurde eine immer stärkere Präsenz der türkisch-arabischen Gemeinschaft, die dort etwa die ehrwürdige Hohenzollern Apotheke einrahmt oder in riesigen Schaufenstern Beschneidungsanzüge für Knaben zweisprachig anbietet.
Dass diese Bräuche des Aberglauben bei uns praktiziert werden dürfen, finde ich eigentlich eher ärgerlich, auch wenn die Toleranz dazu verpflichtet, jeden nach seiner Fasson selig werden zu lassen, was ja spätestens seit dem Alten Fritz guter Berliner Brauch ist, fragt sich doch, warum wir Kinder nicht nachhaltig davor schützen, wir es zulassen, dass unschuldige Wesen nur um dem Aberglauben zu genügen, irreversibel verstümmelt werden. Eine Beschneidung der Knaben ist nicht so schlimm wie etwa eine andernorts praktizierte Klitorektomie bei Mädchen aber nötig ist sie auch nicht und es sollte die Entscheidung zur Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft allein Erwachsenen vorbehalten bleiben.
Noch sind wir leider nicht soweit, die Toleranz religiöser Riten gilt als liberal, auch ein Grüner wie Volker Beck setzte sich auch der deutschen Juden wegen für größere Toleranz dabei ein. Sehe das ganz grundsätzlich anders und habe auch schon mit Volker damals darüber gestritten aber das ist ja kein Thema hier, wo nur der Wanderer von seinem Weg vom Land in die Stadt berichtet. Es waren nur die Gedanken, die mir durch den Kopf schossen, als ich diese Schilder sah und mich fragte, wieviel Toleranz verträgt die liberale Gesellschaft ohne ihren Kern zu verlieren?
Neukölln fordert viel Toleranz, wenn sich bärtige Muftis auf der Straße lautstark arabisch unterhalten, in Kaftane gehüllt, die sie schnell als Anhänger der Salafisten erkennen lassen, dachte ich, während ich mir durch meinen etwas kürzeren Vollbart fuhr.
Andererseits war es unterhaltsam diese verschiedenen Welten aufeinanderprallen zu sehen. Die relativ knapper bekleideten schwedischen oder niederländischen, jedenfalls sehr blonden Touristinnen, die ihr Bier in der Hand singend oder laut redend vorüber schwankten und die so arabischen Herren, die aus einer anderen Welt zu stammen scheinen. In Berlin geht das nebeneinander ohne Probleme, in noch krasseren Fällen auch, wenn die junge Frau in Strapsen und Minirock mit Lackstiefeln, der älteren voll verschleierten arabischen Dame die Tür aufhält und fragt, ob sie ihr beim Tragen helfen soll, und die Dame sie beim Vornamen nennt und sagt, lass gut sein mein Liebes, scheint Multikulti real existent und es fragt sich, was die Märker für Angst und Probleme haben, nur wenige Kilometer von hier, wo nahezu keine Muslime leben, es sei denn sie müssen, weil lagerweise zugewiesen.
Nach dem Rathaus Nerukölln bin ich irgendwo gen Maybachufer links abgebogen. Während ich auf diesem Weg die Sonnenallee überquerte, meldete sich mein Schatz aus Dublin, den ich als die Wanderung begann noch in Schönefeld verabschiedet hatte. Sie war gut gelandet, ich lief immer noch und wir hatten nun eine gute Stunde, um miteinander zu telefonieren, während der ich das wohl ein wenig zumindest im Herbst überschätzte Maybachufer entlanglief, den aus guten Gründen verrufenen Kotti überquerte, der real immer noch häslicher ist als nur von Peter Fox besungen und durch die Hochhausschluchten gen Spree wanderte, die aus einer anderen Welt zu stammen scheinen, bis ich den Fluss irgendwann Richtung Insel und also Mitte überquerte.
Zum Schloss, dass noch eingerüstet ist und Humboldt-Forum heißt, weil sich doch keine Demokratie ein altes eigentlich langweiliges aber wunderbar passendes Schloss sonst in ihre Mitte stellen dürfte. Dieses steht nun, widmet sich in großen Teilen den Kulturen der Welt bald irgendwann und der Berliner Eitelkeit wie Müller kleingeistig nach der Machtübernahme von Wowereit beschloss, weil gerade die alten Westberliner gern die lokale Eitelkeit für was auch immer pflegen und sich damit wunderbar als die von Theo Fontane einst so treffend beschriebenen Märker entpuppen und so auch unser bürgermeisternder Schweibwarenhändler in zu roter Koalition sich als echter alter Berliner zeigt, was ja zumindest ein Qualitätsmerkmal für manche vielleicht wäre.
Beim Weg über die Brücke sah ich schon den bunt beleuchteten Fernsehturm, jenes Potenzsymbol der östlichen Parteiführung, was bis daton zumindest das schlankeste Gebäude am neuen Alex ist. Ob Schlankheit ein Wert an sich ist oder überschätzt wird, mehr auch mehr immer ist und weniger einfach weniger und viel schneller zu wenig, mag an dieser Stelle dahinstehen. Dieses Phallussymbol östlicher Bauart glänzte hier mehr durch seine Beleuchtung als ob seiner sonstigen Zweckfreiheit wegen. Auch das Humboldtforum leuchtete und manches mehr, wie ich aber an diesem Tag nach bereits über 25km zu Fuß nicht mehr en detail entdecken wollte. Dafür war der Samstag gut oder der Sonntag oder die ganze übrige Woche, wenn es hoffentlich nicht mehr regnen wird wie gerade in Strömen, während ich die Zeilen über die gestrige Wanderung schrieb.
Noch kein Marathon, nichts weltbewegendes aber am Ende, als ich auf dem Berg wieder ankam und die Tour bei einem Glas Riesling vor meinem Stammcafé beendete, doch 32km zu Fuß, was den Wanderer letztere spüren ließ.
Wandern ist wunderbar und lässt dich Landschaft und Stadt erst wirklich erspüren, weil du nicht vorüberast, sondern um so länger die Tour wird, desto mehr flanierst und dir Zeit lässt, auch mal eine Pause einlegst, um dich gut zu finden dabei. Glücklicherweise zählt meine Google Fitness App die Kilometer großzügiger als die selbe Funktion auf dem elektrischen Apfel meiner Liebsten, was doch eine große befriedigende Wirkung hat, wenn du ganz gelassen vor deinem liebsten Café sitzt und allen Bekannten und Unbekannten ganz nebenbei davon erzählen kannst, möglichst bescheiden die Kilometer nur flüsternd aber doch laut genug, dass es garantiert jeder mitbekommt.
Nach dem kleinen Zwischenstopp vor dem Bar-Café meiner Wahl begab ich mich stolz und geschafft noch die drei Etagen zu mir hinauf und war genug gelaufen für den Tag. Morgen, also heute geht es zum Festival of Lights oder übermorgen oder überübermogen. Frei von allem sportlichen Ehrgeiz der Läufer, die gern die Zähne zusammenbeißen, um sich leidend zu beweisen, wie hart sie sind und was sie alles aushalten, muss ich mir nichts mehr beweisen, sondern genieße lieber, was ist. Der kurdische Freund im Café feierte mich dort peinlich laut als Held und erzählte jedem, was ich ihm eben zugeflüstert hatte, damit tat er zwar, was ich insgeheim vermutlich gehofft hatte, wäre ich ehrlich, aber wer ist das schon,was die eigene Eitelkeit betrifft und so war er bloß offiziell so peinlich, dass ich mich zufrieden und still in meine Bücherhöhle zurückziehen konnte - die Welt am Platz hatte meine Heldentat zur Kenntnis genommen, die zwar keine ist und doch war ich bescheiden zufrieden, hatte ich es doch aus Liebe getan.
jens tuengerthal 7.10.2017
Sturmfolgen
Die Spuren werden beseitigt, die Toten begraben und der Müll wieder eingesammelt, in einigen Tagen merkt keiner mehr, was am Donnerstag hier noch los war. Nur manche bleiben für immer verschwunden, wie weggeweht aus dem Leben, ließen sie ihres unter umstürzenden Bäumen auch in der Stadt.
Die Natur ist stärker als der menschliche Wille, auch wenn dieser natürlich ein Teil der überall Natur ist, bleibt der sich für stark haltende Mensch immer der Natur unterlegen und sie zeigt es ihm deutlich in Stürmen, bei Erdbeben und Vulkanausbrüchen. Wir sind ausgeliefert, auch wenn wir vermutlich durch unser Verhalten das Klima veränderten und die gerade Häufung des katastrophalen Wetters verursacht haben.
So sitze ich auf der einen Seite als Verursacher der Schäden auf der Anklagebank und bin andererseits auch Opfer der Folgen, das sich nicht zu wehren weiß.
Auch wenn ich so wenig, wie nur möglich fliege, kein Auto habe, viel Rad fahre oder noch lieber lange Strecken laufe, bin ich Teil einer Gesellschaft, die diese Schäden verursacht und konsumiere davon, verbrauche auch schmutzige Energie, weiß nicht, wie alles hergestellt wurde, was ich habe, möchte mich nicht einmal dauernd damit beschäftigen oder ein permanent schlechtes Gewissen haben.
Als ich heute die über 30km vom Flughafen Schönefeld im Süden Berlins zurück auf dem Berg lief, konnte ich vielfach noch die Spuren des letzten Orkans sehen, der Bäume fällte, Wege versperrte, Äste wild verteilte. Wege zu laufen, macht eine Strecke erst spürbar, wir erfühlen plötzlich die Natur, die wir sonst mit technischen Mitteln so leicht überwinden.
Hatte meine Liebste zu ihrem Flug nach Dublin gebracht. Den trat sie an, als ich in Schönefeld loslief gegen 18 Uhr. Überquerte gerade die Sonnenallee in Neukölln, als sie sich heil aus Dublin wieder meldete und wir telefonierten anschließend über eine Stunde auf dem Weg durch Neuköln und Kreuzberg, bis ich schließlich auf die Museumsinsel kam, sie ihre Mutter aus München in Empfang nahm und wir uns verabschiedeten.. Der größere Teil der Strecke ging durch eher ländlich, provinzielle Gebiete und auch wenn ich schon bald das Ortsschild Berlin, Neukölln erreichte, war ich noch lange im ländlichen Raum unterwegs, in dem die Spuren des Sturms nur sehr vereinzelt noch sichtbar waren.
Täter und Opfer der Katastrophen zu sein, kann helfen den Schrecken zu relativieren und Verantwortung zu übernehmen. Wir können nichts gegen Naturkatastrophen unternehmen, können uns nur während dieser so gut wie möglich schützen, um die schlimmsten Schäden zu vermeiden.
Die von einem vermutlich nicht mehr ganz zurechnungsfähigen älteren Mann mit wahnhaften Neigungen geführte US-Regierung, die lieber Verschwörungstheorien als der Wissenschaft glaubt, tut gerade das Gegenteil. Es wäre den Opfern gegenüber unfair, nun Genugtuung dabei zu empfinden, dass die USA besonders stark getroffen werden. Doch wenn es auch keine höhere Gerechtigkeit gibt und geben kann, so wenig wie einen höheren Richter, der über sie entscheidet, ist es doch gut, zu sehen, dass unser Handeln Folgen hat und diejenigen, die diese Konsequenz am lautesten negieren, besonders stark darunter zu leiden haben, was gegen Leichtgläubigkeit und Heilsversprechen mehr helfen könnte als viele andere vernünftige Einwände gegen die Macht von Dummheit und Propaganda unter Trump.
Unwetter gab es schon immer. Aber die Häufung katastrophaler Wetterlagen in den letzten Jahren, sind ein weiterer Beleg für die Richtigkeit der Theorien zur Erderwärmung und ihrer katastrophalen Folgen für alle. Bisher fühlten sich die USA wenig betroffen, sie drohten nicht zu versinken wie die Malediven oder die Niederlande und lebten von unseren Ressourcen auf eine Weise, die den Prozess noch beschleunigte, der sie nicht zu treffen drohte. Nun trifft es sie plötzlich doch und die Wirtschaft leidet darunter. Ob diese Naturkatastrophen, die in dem Land voller Aberglauben, dass sich auch Gottes eigenes Land nennt, gern als höheres Schicksal bezeichnet werden, genügen, ein Umdenken einzuleiten, bei jenen, die an Götter und oder Verschwörungstheorien glauben, bleibt noch fraglich.
Vielleicht nehmen sie plötzlich an, die Summe der Katastrophen sei Gottes Strafe dafür, einen idiotischen Blender zum Präsidenten gewählt zu haben, der die Welt von einer Katastrophe zur nächsten führt. Was zwar so unsinnig wäre, wie die Gründe, die sie zuvor für seine Wahl anführten, aber doch einen Sinneswandel herbeiführen könnte, so zumindest positive Folgen hätte.
Ist, was der Natur hilft gut, egal wie unsinnig die Begründung ist oder kann nur gut sein, was wissenschaftlich begründet ist und sind darum die Gebete des Papstes für Frieden oder Umweltschutz so idiotisch wie das wegbeten wollen von Krankheiten und darum zu verurteilen?
Vielen gilt die naturreligiöse und respektvolle Haltung der Indianer zur Natur als Vorbild, eine Umweltschutzorganisation wie Greenpeace beruft sich schon lange darauf, auch wenn sie den wissenschaftlichen Theorien zur Erderwärmung folgen, die zu bestreiten heute ungefähr so viel Logik hat wie die ehemalige Behauptung der römischen Kirche, unsere Heimat habe Scheibenform und die Sterne seien am Himmelszelt aufgehängt. Doch wenn der Aberglaube hilft, sich der Natur gegenüber respektvoll zu verhalten, kann er dann falsch sein?
Wer heilt hat recht und was hilft ist gut, sagte mein Vater der Arzt aus Überzeugung immer, der nichts von Wunderheilern hielt. Wenn es einem Teil der Menschheit hilft, sich ökologisch verantwortlich zu verhalten, wäre mir die Begründung relativ egal, wenn das nachhaltige Ergebnis stimmt.
Wir sind Opfer und Täter, entsprechend müssen wir zugleich heilen und bestraft werden, was an sich schon eine relativ schizophrene Situation für uns herbeiführt. Wir tun meist nichts schlimmes und doch genügt die Summe unseres Handelns schon durch unsere Art zu leben und Energie zu verbrauchen, im Alltag zu konsumieren, die Katastrophe zu beschleunigen.
Tankred Dorst hat diese natürliche Katastrophe in Der nackte Mann hervorragend geschildert, in dem einer sich bewusst wird, was er alles zerstört und tötet, um zu leben und wie sein Leben zur nahezu unzumutbaren Katastrophe wird, als er immer konsequenter versucht, jede mögliche Katastrophe zu vermeiden.
Müssen wir uns töten, um ökologisch nachhaltig positiv zu wirken?
Was dürfen wir noch tun und wo müssen wir dringend umdenken?
Wie sollen und wie wollen wir leben?
Müssen wir nicht alles tun, was wir können, weil es unserer Natur entspricht?
Warum sehen wir uns im Gegensatz zur Natur, wenn wir unserer Natur gemäß nach Glück und Erfolg streben?
Gibt es eine Pflicht zu nachhaltigem Handeln und wohin führt sie uns?
Habe keine Antworten auf all diese Fragen und möchte auch nicht versuchen, sie teilweise für andere zu beantworten, wenn diese Worte und Gedanken nach dem letzten Sturm vielleicht den einen oder anderen zum Nachdenken anregen, könnte sich vielleicht mehr bewegen, als wenn wir darum kämpften, denn an was, wenn nicht die Kraft der Worte und ihre Wirkung sollte noch einer glauben, der schreibt und wie soll sich nach dem kategorischen Imperativ noch etwas ändern, als in der Haltung freier Menschen?
jens tuengerthal 6.10.2017
Donnerstag, 5. Oktober 2017
Lebenswert
Kazuo Ishiguro
Kein Autor mag es auf einen Roman reduziert zu werden und so wenig Thomas Mann nur die Buddenbrooks ist, auch wenn er für sie den Literaturnobelpreis bekam und nicht für sein geniales Meisterwerk der Kulturgeschichte, den Zauberberg, so wenig ist Kazuo Ishiguro nur Alles was wir geben mussten, der Roman in dem es um die Nachzucht zur Organspende geht. Auch Was vom Tage übrig blieb, Die Ungetrösteten oder Als wir Waisen waren, sein kongenialer Detektivroman zwischen England und China sind mehr als lesenswert.
Dennoch schreibe ich hier allein über die Ethik, die ganz fein in Alles was wir geben mussten sichtbar wird und die moralischen Fragen, die sich daraus ergeben aus Anlass der Nobelpreisverleihung für Kazuo Ishiguro, weil dieses Buch so wichtig für die Fragen unserer Zeit ist, dass es auch zum Friedensnobelpreis passen würde.
Er hat den Roman gewählt und ein typisch englisches Internat als Ort der Handlung, in dem die Klone als Spender aufwachsen und erzogen werden, die einzig zu dem Zweck geschaffen wurden, ihren Auftraggebern einmal Ersatzteile zu liefern. Solange die Klone dort als gewöhnliche Menschen aufwachsen, wird nur ihr Kunstsinn besonders gefördert - weder ihre Herkunft noch ihre einmal Aufgabe sind Thema unter den Kollegiaten, die mit 16 das Internat verlassen und in Cottages kommen, in denen sie dann auf ihre Einsätze warten, bei denen ihnen Organe entnommen werden. Sie werden in den Cottages schon wie Erwachsene sich selbst überlassen und machen dann entweder eine Ausbildung als Betreuer, die Spender nach ihrer ersten Spende pflegen, bis es nichts mehr zu entnehmen gibt oder sie selbst einen Bescheid über ihre erste Spende bekommen.
Sie leben, um für andere, die sie als Klon von sich selbst haben herstellen lassen, zu sterben, diesen das Leben zu retten und zu verlängern. Sie sind nur Klone und also genetische Kopien eines anderen. Ihr Leben hat einen Zweck, sie sind das Ersatzteillager eines anderen, was sie mit der Zeit immer genauer erfahren.
Dennoch sind sie auch Menschen, erfahren eine menschliche Ausbildung, werden vor allem kulturell geschult und lernen auf ihren Körper zu achten. Es gibt das Gerücht, dass Liebespaare eine Zurückstellung von drei Jahren erhalten können, bevor sie mit dem Spenden beginnen.
Als die Erzählerin, die selbst Betreuerin wurde, mit ihrem Liebsten auf die Suche nach den Bildern geht, die sie im Internat malten und die ausgestellt wurden, damit die beiden Liebenden einen Aufschub erhalten, erfahren sie, dass es keinen Aufschub gibt, das Internat längst pleite ging und die ominöse Madame im Hintergrund diese Ausstellungen nur veranstaltete, um auf das Schicksal der Klone aufmerksam zu machen, den Menschen zu zeigen, dass auch diese eine Seele hätten, eine Würdigung verdienten.
Der Liebste stirbt nach der vierten Spende schließlich und seine Liebste, die bis dahin als Betreuerin arbeitete, bekommt ihren ersten Spendenbescheid. Es wird nicht sterben bei den Klonen genannt sondern es heißt vollenden, sie hätten ihren Weg vollendet und ihre Aufgabe vollbracht.
Es gibt keine Hoffnung und kein Entkommen mehr. Die Gesellschaft hat sich mit den Klonen im Hintergrund eingerichtet, keiner will wissen, was sie sind oder fühlen, sie haben eine Aufgabe und sollen diese erfüllen, nicht menschlicher gemacht werden als unbedingt nötig.
Sind wir noch so weit von dieser literarischen Vision real entfernt?
Natürlich gibt es noch keine Klone, die für uns unsichtbar in Parallelwelten existieren, bis wir sie brauchen. Es wäre in unserem Land und in Europa das menschliche Leben auch so sehr geschützt, dass die Vernichtung eines Individuums zum Zwecke der Heilung eines anderen wohl verboten wäre, meinen wir.
Doch vielleicht, sind wir uns da auch zu sicher. Wer definiert, wann Leben beginnt oder endet?
Stammzellen von Embryonen verwenden wir lange schon für die Forschung. Sie sind wichtig und nötig. Ist künstlich hergestelltes menschliches Leben überhaupt welches und wer darf dies entscheiden?
Abtreibung ist teilweise legal, vor allem, wenn es sich um behindertes Leben handelt, kann bei einer ausreichenden Indikation das werdende Leben, bis zu einen Tag vor der Geburt beseitigt werden und über die Verwendung der dabei gewonnenen Stammzellen wird teilweise noch eifrig gestritten.
Insofern jede Schwangerschaft das Leben der Mutter gefährdet und nicht jede gewollt oder freiwillig zustande kam, schiene es mir rechtlich sehr fragwürdig die Freiheit der Frau zugunsten der Freiheit des werdenden Lebens aufzuheben. Auch fragt sich, ob Männer darüber überhaupt entscheiden dürfen sollten, doch ist dies schon eine ethische Wertung, die geprägt ist von Jahrzehnten der Emanzipationsbewegung, die auf Jahrhunderte der Unterdrückung reagierte und unsere Gesellschaft heute prägt.
Die Frage könnte sich aber ganz nüchtern schon früher stellen, etwa bei der Spirale, die eine Einnistung auch befruchteter Eizellen verhindert oder bei der Pille danach, die ähnlich, nur eben allein chemisch wirkt.
Wir entscheiden in all diesen Fällen über Leben, ob es leben darf oder nicht. Andererseits scheint uns die in Ishiguros Roman entwickelte Vision grausam und fürchterlich, weil sie uns die Menschlichkeit der verwendeten Wesen viel deutlicher vor Augen führt. Es werden fertige Lebewesen für andere benutzt.
Doch ist der Unterschied bei der Art, wie wir mit Tieren umgehen, etwa in Tierversuchen oder auch für den gewöhnlichen Fleischkonsum wirklich so groß, ethisch betrachtet?
Bin weder Veganer, noch habe ich vor auf Fleisch zu verzichten, wenn ich es nicht muss, weil ich es gerne mag. Doch messe ich meine aus Gewohnheit gespeiste Haltung an den Prinzipien des kategorischen Imperativs, scheint sie mir sehr fraglich und keineswegs konsequent, sowohl was die Abtreibung als auch meinen Fleischkonsum betrifft.
Unser amtierender Bundespräsident hat seiner Frau eine Niere gespendet, um ihr Leben zu retten und weil er es konnte. Diese freiwillige Organspende auch als Zeichen einer großen Liebe drückt für mich etwas sehr positives und soziales aus.
Wenn wir kranke Organe, die uns sterben ließen, wenn wir sie nicht ersetzten durch Organspende, züchten könnten aus unserem eigenen Erbgut, würde ich das sehr befürworten. Ab wann aber, hätten wir es dann mit einem menschlichen Leben zu tun.
Für eine Lunge müssten wir auch ein Herz züchten, da beide nur als Kreislauf gemeinsam transplantiert werden können. Was wäre dieses im Brutkasten gezüchtete Herz mit Lunge noch ohne Hirn?
Könnte es Herzschmerz haben, wie wir so gerne für das Leid der Liebe sagen?
Was wäre mit einem nachgezüchteten Gehirn, das bei vielen Unfällen lebensrettend sein könnte, wäre dies schon ein Wesen an sich, da es ja als lebender Organismus mit allem, was dazugehört gezüchtet werden müsste?
Gibt es eine Grenze zwischen nötiger medizinischer Hilfe, die Leben rettet und dem, was wir überhaupt tun dürfen?
Haben wir diese nicht schon mit dem ersten Klonschaf oder sogar Genmais bereits überschritten?
Wenn wir Krankheiten wie Krebs und AIDS nur mit Eingriffen ins Erbgut heilen können, dürfen wir diese dann unterlassen?
Ist es unmenschlicher Menschen einfach sterben zu lassen, weil wir das eigentlich mögliche aus ethischen Gründen nicht tun wollen oder Ersatzteile aus Lebewesen zu züchten, die uns leben ließen, deren mögliches Bewusstsein uns dabei aber egal ist?
Ishiguros grandioser Roman stellt uns diese Fragen nur indirekt, macht keine moralischen Vorhaltungen, sondern stellt uns eine andere Welt vor, die diese Fragen auf eine Art konsequent zu Ende denkt. Darum müssen wir uns fragen, ob wir in so einer Welt leben wollen und wohin sie uns langfristig führt.
Habe keine einfachen Antworten auf diese Fragen. Denke es gibt auch keine einfachen Antworten, es gibt nur die Pflicht, sich diesen Fragen zu stellen, um zu überlegen, wie wir künftig leben wollen und was uns Leben wert ist.
Die Pflicht der Medizin ist, Leben zu retten, wo und wie sie es kann. Was die einen noch ethisch verbieten, werden andere ausprobieren, die weniger moralische Bedenken haben. Ist dann derjenige, der damit mehr Leben rettet moralischer oder derjenige, der sterben lässt, auch wenn er es anders könnte?
Was ist uns unser Leben überhaupt wert und warum sollten wir nicht alles versuchen, es zu retten, wenn wir es können?
Sobald wir genetisch den Alterungsprozess verhindern oder aufschieben können, werden wir es tun und es wird sich eine ganze Industrie daran hängen. Einerseits zur Pflege unserer lächerlichen Eitelkeit, andererseits auch, um uns frei und glücklich leben zu lassen, Krankheiten wie Demenz oder Alzheimer aufzuhalten.
Das ist eine großartige und schöne Vorstellung und zugleich der Horror für unsere Welt und es wird schwer hier eine für alle gültige allgemeinverbindliche Regelung aufzustellen. Wer sich mit einem großen Altersunterschied liebt etwa, wird heil froh sein, wenn das Leben seines Partners um einige Jahrzehnte verlängert werden könnte. Unsere Sozialkassen dagegen würden infolge einer solchen Entwicklung bald implodieren, die Gesellschaft noch mehr überaltern.
Wir haben nur eine beschränkte Zeit im Leben, genau wie wir nur beschränkten Raum auf der Erde haben. Vielleicht können wir künftig andere Planeten besiedeln und lösen damit zumindest das Platzproblem. Die Frage bliebe, welchen Wert das Leben hätte, wenn es nicht mehr so endlich wäre.
Würde gern auf jeden Arztbesuch verzichten, mit meiner Natur so leben, wie ich es tue, bis sie den Dienst versagt und dann fröhlich gehen, weil eben alles ein Ende hat und es immer am besten ist, aufzuhören, wenn es gerade am schönsten ist. Andererseits würde ich meine junge Frau gern so lange wie nur möglich glücklich machen und wenn dies einige Jahre länger mit medizinischer Hilfe möglich wäre, warum sollte ich das nicht nutzen?
Auf all diese Fragen, habe ich keine Antwort, es sind Prozesse, in mir, die ich auch im Laufe meines Lebens immer anders zu betrachten lerne. Wie ich es im Alter sehe, weiß ich nicht. Werde ich wie fast alle alten Menschen massenweise Medikamente schlucken, um vielleicht ein wenig länger am Leben zu bleiben oder lieber weiterhin ohne jeden Arzt leben, bis ich irgendwann umfalle, wie die Bäume, die der gerade eben Orkan fällte?
Weiß es nicht und kann es nicht wissen. In diesem vielleicht zentralsten Punkt des Lebens, was sein Ende und seinen Verlauf ohne lebendiges Ersatzteillager betrifft, bin ich völlig ahnungslos und muss die Dinge einfach geschehen lassen. Kann mich nur bemühen, was ist, so sehr wie nur möglich, jeden Moment zu genießen, bis es eben endet. Da ich auch sonst nichts anderes kann, bemühe ich mich zumindest konsequent darum, denn was bleibt uns sonst vom Leben, wenn wir es nicht so genossen, wie es uns entspricht?
jens tuengerthal 6.9.2017
Selbstbestimmer
Was ist das Selbstbestimmungsrecht der Völker uns wert?
Die Katalanen wollen selbst bestimmen, ob sie zu Spanien gehören oder nicht. In einem Europa, das durch den Euro die Nation in ihrer ursprünglichen Konstruktion überwand, wirkt die nationale Zersplitterung wie ein Treppenwitz der Geschichte, den uns die Jugoslawen bei ihrer stattlichen Auflösung am Ende des vergangenen Jahrtausends noch einmal kriegerisch erzählten.
Wir kennen die Folgen, wissen um die Fehler und sollten darum vorausschauend und angemessen im Blick auf eine nachhaltige Lösung reagieren, die für ganz Europa taugt, die Separatisten in die Schranken weist und zugleich die Bürger durch Förderung besser integriert.
Was denken sich wohl die jubelnden oder die zornigen Massen, die diese Freiheit fordern?
Glauben sie Europa, dass mit der Kommission gerade die Frage um Hilfe ablehnte, sondern den Spaniern aufgab, ihre internen Probleme intern zu regeln, nähme diese neue Nation bereitwillig auf?
Sicher nicht und vor allem nicht gegen die Stimme Spaniens.
Was wäre also dieser unabhängige Inselstaat mitten in der EU?
Einer, der wieder Zollgrenzen zur EU errichten müsste und ähnliche überwunden geglaubte Inszenierungen - von der nationalen Währung ohne Sicherheiten bis zur irgendwann Armee, um den Größenwahn ihrer Führer im nationalen Alleingang zu sichern.
Es klingt nett, wenn jedes Volk per Volksentscheid über seine staatliche Zugehörigkeit selbst entscheiden könnte. Fraglich nur wessen Rechte dabei Vorrang haben sollen, was das Volk eines Staates ist und wer also zur Abstimmung darüber berechtigt ist..
Hat eine kleine Gruppe von Separatisten das Recht über die eigene Abspaltung zu entscheiden oder müsste eine solche Scheidung, wenn überhaupt, nicht vom ganzen Staatsvolk, dem ja auch damit ein Teil seines Gebiets und seiner Souveränität genommen würde, entschieden werden?
Dieser ganze katalanische Hokuspokus ist ein albern übersteigertes Kinderspiel von Profilneurotikern mit Identitätsproblemen, ähnlich ernst zu nehmen wie das fränkische Streben nach Unabhängigkeit von Bayern oder die Schildbürgerstreiche der Reichsbürger.
Wie die Reichsbürger meinen diese national betörten, eine Gruppe, die zufällig in einem Gebiet lebt, könne über dessen Unabhängigkeit per Volksabstimmung entscheiden, als sei je ein Staat darauf gegründet worden und als müsste nicht jede Zukunft miteinander ausgehandelt werden.
Hätten nicht, wenn, alle Bewohner des Landes das Recht über solch eine Frage abzustimmen und nicht nur eine Gruppe von Radikalen?
Selbst wenn ich den Katalanen zugestehe, dass sie ein eigenes Volk sind und eine eigene Sprache sprechen, sich in dieser Minderheit von der spanischen Mehrheit unterdrückt fühlt, wüsste ich nicht, warum eine Minderheit, der Mehrheit diktieren dürfte, wie ihr Staat funktioniert und wem sie zugehören.
Wenn die Reichsbürger unter sich eine Volksabstimmung veranstalteten, in der es um die Auflösung der bestehenden Bundesrepublik und ihrer Länder ginge und an dieser nur die betroffenen Reichsbürger teilnähmen, weil sie im übrigen ohnehin verboten worden wäre, würde keiner auf die Idee kommen, eine auch neunundneunzig prozentige Zustimmung bände die Bundesregierung oder einen Bürger.
Dies Beispiel zeigt die Abusrdität der verbotenen katalanischen Abstimmung und die Hysterie dieser Unabhängigkeitsbewegung. Das genügte eigentlich schon, diesen ganzen Unsinn als einen Schildbürgerstreich von katalanischen Reichsbürgern abzulehnen, doch ist es noch absurder, weil die EU ja gerade den Nationalstaat überwand, den diese Nationalisten auf terroristische Weise wieder etablieren wollen.
Die Nation besteht vor allem aus der Hoheit in Geldfragen. Mit dem Euro hat die EU die klassische Nation überwunden. Nach den Erfahrungen zweier Weltkriege, war es höchste Zeit diesem Wahngebilde des 19. Jahrhunderts Schranken zu setzen, es in eine höhere Ordnung einzufügen, die eine gemeinsame gerechte Ordnung verwaltet.
Wenn ich nach Europa will, steht dies in eklatantem Gegensatz zum nationalen Autonomiestreben, Wer das sucht, hat in der EU nichts verloren, weil er ihre Grundprinzipien nicht verstanden hat.
Wie kann noch dazu einer erwarten, dass ihn eine Gemeinschaft aufnimmt, deren Mitglieder er schädigte, da er einem Land raubte und den Staat damit quasi eigenmächtig enteignete?
Wer will eine Gruppe von Querulanten, die sich nicht an die geltenden Regeln und Gesetze halten in eine Gemeinschaft aufnehmen, die auf gemeinschaftlicher Einigung aufbaut?
Wann kommt endlich jemand, dies den Katalanen klar und deutlich zu sagen?
Was sie fordern, hat keine Rechtsgrundlage, ist sogar illegal, verletzt europäische Rechte und beraubt eines der Mitglieder, verstößt im Kern gegen das Selbstbestimmungsrecht der Völker, weil es meint aus einem Teil für das Ganze eine Entscheidung treffen zu dürfen.
Es geht nicht um nationales Selbstbestimmungsrecht einer nationalen Minderheit, sondern um den Versuch einer Minderheit der Mehrheit ihre Meinung zu diktieren. Die einzig taugliche Abstimmung über das Bestehen eines Staates und seiner Grenzen, wenn ich eine solche überhaupt zulassen will, muss alle Bürger beteiligen und nicht nur eine aufrührerische Minderheit, die sich zu separieren versucht gegen den Willen der großen Mehrheit des Staatsvolkes.
Es gibt in Deutschland eine kleine Gruppe Reichsbürger und ängstlich, rassistisch gestimmter Pegiden. Würden diese eine Volksabstimmung über den Austritt aus der EU und die Schließung der Grenzen wie die Einführung der Todesstrafe durchführen, die zuvor von der Bundesregierung für illegal erklärt worden wäre, was nicht mal nötig wäre, damit die Polizei effektiv gegen sie vorgehen könnte, hätte dies natürlich keinerlei rechtliche Wirkung. So wenig wie das katalanische Unabhängigkeitsreferendum gerade. Im Gegenteil ein solcher Bruch nationalen Rechts, könnte sogar als Hochverrat bestraft werden, insofern Menschen dabei tätig wurden, die es darauf absahen, das Land und seine demokratische Rechtsordnung zu beseitigen.
Die Frage, die sich für die Zukunft stellt, ist, wie gehen wir mit solchen Separatisten um, die den Staat negieren und seine Autorität im demokratischen Europa infrage stellen?
Eigentlich sind dies Terroristen und es müsste gegen sie mit der gleichen Härte vorgegangen werden wie einst gegen ETA, IRA oder PKK. Doch ist dies sinnvoll?
Wer gegen den nationalen Wahn mit Gewalt vorgeht, schafft Helden, Hass und stärkt diejenigen, die der Gemeinschaft schaden. Es fragt sich also welche Reaktion auf solche separatistische Bestrebungen angemessen wäre.
Einzig angemessen wäre, sie zu ignorieren und wo sie terroristisch werden mit polizeilichen Mitteln Grenzen aufzeigen, die Täter hart bestrafen und den Rest so gut wie möglich, wieder zu integrieren.
Über den Bestand einer Nation als solche kann nur diese selbst entscheiden, wo sich eine Gruppe mit Gewalt - auch die Durchführung einer illegalen Volksabstimmung, ist Gewalt - gegen das Interesse der Mehrheit richtet, müssen dieser staatlich Grenzen aufgezeigt werden, wenn wir am Konstrukt des Staates in alter Form als dem Träger der Gewalthoheit festhalten wollen.
Warum der Staat die Hoheit über den Einsatz von Gewalt haben soll, wer sie sonst haben könnte und was passierte, wenn wir dem Staat nicht mehr erlauben seine Interessen durchzusetzen, kann diskutiert werden. Es gab und gibt immer wieder Staaten, die gegen die Menschenrechte verstoßen, die Demokratie mit Füßen treten, Widerstand erzwingen. Hier ist Widerstand geboten.
Im vorliegenden Fall jedoch geht es um einen Rechtsstaat in der EU, dessen Rechtsstaatlichkeit nicht infrage steht. Widerstand gegen einen solchen ist erst mal illegal und erfordert also die Solidarität aller Partner der Gemeinschaft.
Das Bestreben der Katalanen kann zu keinem erfolgreichen Ziel in der EU führen und darf dies nicht, wenn wir die Gemeinschaft nicht auflösen wollen. Das Urteil über den noch amtierenden Separatisten wäre damit klar. Er hat seine Pflichten verletzt, sich vermutlich des Hochverrats strafbar gemacht und muss seines Amtes enthoben werden, für dies Handeln mit den Mitteln des Rechtsstaates bestraft werden.
Einer Lösung bringt dies weder die Region, noch den spanischen Staat oder gar Europa näher. Das rechtlich gebotene Durchgreifen hätte längst erfolgen müssen, indem der amtierende regionale Verwalter hätte verhaftet werden müssen, bevor es zu dieser illegalen Abstimmung kam. Nun fühlt sich ein zu großer Teil der Bevölkerung dort als Opfer des Zentralstaates und durch alles staatlich gebotene Handeln persönlich angegriffen und verletzt.
Sie wurden illegal nach ihrer Meinung in einer verbotenen Abstimmung gefragt und haben ihre Meinung klar geäußert. Damit wären sie eigentlich Mittäter des Hochverrats und entsprechend zu bestrafen.
Die rechtlich klar gebotene Durchsetzung des Rechtsstaates verstärkte das Problem aber noch weiter und ließe eine friedliche Lösung in weite Ferne rücken. Zugeständnisse an die Separatisten andererseits, legalisierten ihr Verhalten im Nachhinein und schadeten damit langfristig ganz Europa, stärkte solche Bewegungen überall.
Hier könnte abgewogen werden, ob die von einer Befriedung durch Zugeständnisse ausgehende Gefahr größer ist, als der Gewinn an Frieden dort. Dabei muss das Schicksal einzelner Teilnehmer gegen den Bestand der Nation als solcher abgewogen werden und der Frieden gegen den drohenden Bürgerkrieg.
Darum wäre eine Unterscheidung zwischen den Tätern und Anstiftern der Bewegung und den nur Mitläufern vielleicht hilfreich. Der amtierende Leiter der Regionalverwaltung muss konsequent abgesetzt und verhaftet werden, um ihn dann dem geltenden spanischen Recht gemäß zu bestrafen. Da hat sich Europa nicht einzumischen und muss dessen Bitte um Mediation ignorieren. Mit Straftätern wird im Rechtsstaat nicht verhandelt, ihnen wird der Prozess gemacht.
Ob die spanische Regierung dafür langfristig die Autonomie der Region aufheben muss, um sie von Madrid aus zur Strafe zentral zu verwalten, wie nun bereits gedroht wird, scheint dagegen fraglich, auch wenn es das rechtlich gebotene Handeln wäre.
Der Rechtsstaat findet seine Grenzen, wenn ihn eine Mehrheit ablehnt und zum Widerstand gegen ihn bereit ist. Hier könnte die EU ein unterstützendes Regionen Projekt aufsetzen, dass die regionalen Besonderheiten stärkt und fördert, eine Loslösung von der EU und Spanien unattraktiver für die Bürger scheinen lässt.
Dieses Zuckerbrot und Peitsche Prinzip ist nicht konsequent und kann die schädliche Folge haben, dass sich andere Regionen in ihrem Streben nach Unabhängigkeit bestätigt sehen, um zumindest mit Gewalt diese Vorteile zu ergattern. Damit würde die Maßnahme der Befriedung langsfristig neue Konflikte schüren.
Würde ein solches Projekt jedoch etwa von Merkel und Macron europaweit aufgelegt und hier sinnvoll und nachhaltig investiert, könnte ein solches Konjunkturprogramm für die Regionen ganz Europa in seiner Vielfalt stärken. Spanien müsste niemand bevorteilen, würde die Täter seinen Gesetzen gemäß bestrafen und sich dafür einen langfristigeren Frieden einhandeln.
Mehr ist momentan wohl nicht zu erreichen. Versuchen wir am besten, diese kleine Lösung vorsichtig zu erreichen, statt eine dauerhafte Problemzone im Norden Spaniens zu etablieren. Alle politisch verantwortlichen dieser illegalen Abstimmung bestrafen und des Amtes entheben, dafür den Bürgern, die ein Bedürfnis nach mehr regionaler Selbständigkeit haben, das Zuckerbrot der Förderung reichen, das langfristig und nachhaltig bindet, in vielen Regionen Europas für Wachstum sorgen kann und sinnvoller investiertes Geld wäre.
jens tuengerthal 4.10.2017
Mittwoch, 4. Oktober 2017
Kauflust
Zusammen für die Lust
Einkaufen vermehrt sie
Schon ohne mehr als das
Weil Gedanken eindringen
Sich lange nicht sehen können
Ist tragisch für Lust und Liebe
Wie sollen wir für beide sorgen
In der Ferne dann fragte sich
Manchmal kann auch ein Ersatz
Liebevoll geschenkt besser sein
Als sonst nur einsame Hände auch
Wenn nichts ganz ersetzen soll
So habe ich ihr den E-James nun
Geschenkt wider die Einsamkeit
Wie lustvoll war schon der erste
Probelauf sogleich für beide
Es macht an die Lust denken
Füreinander doppelte Freude
Geschenkt dem anderen wie
Aufgeheizt dann genossen
jens tuengerthal 4.10.2017
Strumpflust
Sie bedecken und lassen offen
Geben ganz angezogen Zugriff
Schaffen Sommerlust im Herbst
Als ich eben mit der Liebsten noch
Die Rolltreppe im Einkaufszentrum
Hinab und hinauf fuhr griff ich zu
Landete feuchtfröhlich inmitten
Keiner konnte irgendwas sehen
Mantel und Rock verdeckten gut
Nur ihre Augen spiegelten die Lust
Als meine Finger in sie drangen
Sich unter vielen lustvoll berühren
Steigert die ohnehin immer noch
Auch wenn sie mich lachend wohl
Abzuwehren versuchte genoss sie
Kaum unten oder oben angelangt
Zog ich die Hände zurück bot ihr
Den Arm zum einhängen um ganz
Unauffällig hinaus zu flanieren
Wie heiß sie war ahnte ich schon
Doch zeigte sie es mir erst allein
Fast schwanden mir dabei Sinne
Wie sie mich in sich nun aufnahm
jens tuengerthal 4.10.2017
Interregnum
Gerade wurde der Physik Nobelpreis für den Nachweis von Gravitationswellen vergeben, mit denen Spuren des Urknalls oder der natürlich logisch existenten Energie davor nachgewiesen werden können, weil von nichts, nichts kommt. Sie gehen auf Einstein zurück, der sie als mit Lichtgeschwindigkeit sich bewegende Spuren aller Materie im Raum vermutete.
Es geht dabei auch um Raumzeit. Die Zeit krümmt den Raum heißt, der Raum verändert sich mit der Zeit, ist uns verständlich und kennen wir, mit der Zeit verändern sich die Dinge eben. Wo der Raum die Zeit krümmt, kann dies je nach Geschwindigkeit aber seltsame Folgen haben. Wir altern bei einem bestimmten Tempo weniger schnell auf atomarer Ebene, was in Zerfallsprozessen nachweisbar ist.
Nehmen wir noch den Welle-Teilchen-Dualismus auf subatomarer Ebene hinzu, wird die Frage, was bin ich eigentlich, nie wirklich zu beantworten sein, außer mit einem entschiedenen, es kommt drauf an. Die für viele Menschen dank gezüchteter Illusionen vermeintlich so wichtige Sinnfrage, wäre für eine unklare Existenz noch weniger zu beantworten und stürzte viele so vermutlich in eine existenzielle Krise, wenn sie sich der Tragweite für unsere einzig reale Existenz bewusst wären. Es ist unklar, was wir wann sind. Auf die Frage nach dem Warum gibt es keine Antwort und braucht es keine.
Wir sind, mehr wissen wir nicht. Dies können wir so sehr wie möglich genießen, mehr ist nicht. Was wir wann sind, ist so ungewiss wie aller Sinn in einem einfach natürlichem Universum. Was ist, ist, mehr wird es nicht. Dies können wir genießen oder nicht und zwischen Geburt und Tod sind wir. Eigentlich zwischen Zeugung und Tod doch um die darauf folgende komplexe ethische Diskussion möchte ich mich an dieser Stelle einfach mal drücken, weil es ja um etwas ganz anderes geht.
Das Interregnum ist die Zeit zwischen zwei Regierungen. Es gibt historisch berühmte, wie das nach dem Tod des letzten großen Staufers Friedrichs II., der das Staunen der Welt noch genannt wurde,und der Kaiserkrönung Rudolfs von Habsburg, der eine lange Dynastie des Hauses Habsburg begründete, die bis zum Untergang des Reiches 1806 nur noch selten unterbrochen wurde oder jene im römischen Reich gegen Ende.
Gerade erleben wir mal wieder eine solche Zeit, weil die alte Bundesregierung nur noch ihr Amt verwaltet, bis die neue vom Bundestag gewählt wurde. Merkel wird vorher und nachher Kanzlerin sein, wenn nicht etwas völlig unerwartetes geschieht. Bis dahin führen Parteien Gespräche darüber, wer welche Macht bekommt. Dies ist der normale Ablauf nach einer Wahl, diesmal noch ein wenig gestört weil eine Partei ganz schnell die Zusammenarbeit verweigerte und alle sich einig waren mit einer anderen nie zusammenarbeiten zu wollen. Ob die Parier-Partei Partner sein will oder genau das nie, weil ihre Aufgabe nur im gut bezahlten Mäkeln besteht und die andere sich verweigernde Partei die Demokratie genausowenig verstand, wird nicht diskutiert, wie alle Gespräche bisher nicht weiter ernst zu nehmen sind, da es noch die Zeit des Interregnums vor der Landtagswahl in Niedersachsen ist.
Nach Stimmen und Vertrauensverlust des regierenden Ministerpräsidenten hatte dessen Koalition die bloß einstimmige Mehrheit im Landtag verloren und musste sich also der Vertrauensfrage und infolge Neuwahlen stellen. Effektiv und sinnvoll wäre gewesen, diese mit der Bundestagswahl zusammenzulegen. Tatsächlich wurde die Niedersachsen-Wahl um drei Wochen verschoben, weil sich der Amtierende dann bessere Chancen versprach, auch wenn dies über den Willen des Verfassungsgerichts gut getarnt wurde.
Bis diese Wahl vorbei ist, geht der Wahlkampf in Niedersachsen weiter wie zuvor und können in Berlin keine vernünftigen Verhandlungen geführt werden, damit sich keiner vorab etwas vergibt. Eine Zeitverschwendung von 3 Wochen, in denen logisch nichts geschieht als Schattengefechte, kein Parteivoritzender zurücktritt, keiner schmerzhafte Entscheidungen einer Koalition verkündet, um bloß das eigene Klientel nicht zu verprellen.
Zustandegekommen durch den fliegenden Wechsel einer Grünen, die von ihrer Partei und deren linken Flügel persönlich frustriert, zur CDU ging und damit die Mehrheitsverhältnisse entscheidend verschob, zeigt sich plötzlich zu stark die Macht des Bürgers und die Freiheit des Mandats. Stärker als erwünscht, weil es den geordneten Ablauf stört
Es gibt Gründe dafür, die Wahl in Niedersachsen von der Bundestagswahl zu trennen, damit die Wähler bewusst entscheiden, die Dinge nicht vermengt werden und anderes mehr. Rechtlich halten diese Gründe mit Sicherheit einer Überprüfung stand, auch wenn sie faktisch nur der politischen Taktik eines bis dahin unterlegenen Ministerpräsidenten dienen, der sich nach den Wahlen noch einen Aufschwung erhoffte, weil er mit Recht glaubte, tiefer als mit Schulz könne die SPD nicht fallen, es kann also nur noch aufwärts gehen.
Umgekehrt profitiert Merkel noch nicht von der letzten Wahl, weil sie sich aufgrund der anstehenden Wahl noch sehr bedeckt halten muss, während ein mehr als angeschlagener SPD Vorsitzender noch einmal alles ins letzte Gefecht werfen kann.
Wir sind in einer Zeit, in der politisch nichts entschieden wird, alle mehr oder weniger abwarten, bis es wieder an die pragmatische Arbeit des Regierens geht. Das Leben läuft jeden Tag weiter, auch wenn noch keiner weiß, wie künftig regiert wird. Gesetze treten fristgemäß in Kraft wie das jüngste zur Ehe für Schwule. So läuft das Leben halt weiter, auch wenn noch keiner weiß, wie es wo endet. Die Bundesregierung ist nur der austauschbare Kopf einer riesigen Verwaltung, die ihre Arbeit unabhängig von Wahlen einfach erledigt, wie es Vorschrift ist.
Da wir die Zeit nicht anhalten können, die Beschleunigung auf Lichtgeschwindigkeit oder gar darüber kein Mensch übersteht, läuft die Arbeit in den Ämtern auch weiter, völlig unabhängig davon, wer ihnen eines Tages vielleicht vorstehen will. Ob es darum nahe liegt im effektiv verwalteten Interregnum zu fragen, wozu wir überhaupt noch eine Regierung brauchen, fragt der überzeugte Demokrat lieber nicht - die höheren Beamten raunen es ohnehin immer und so mancher Ministerialrat denkt, ihm sei doch egal, wer unter ihm Minister ist, er hat schließlich seinen Job auf Lebenszeit.
Die Gewaltenteilung hebt sich in der Zeit dazwischen ein wenig auf, weil ja immer alles funktionieren muss. Ob das gut oder schlecht ist, weiß ich nicht zu sagen, will ich zumindest an dieser Stelle nicht bewerten. Wie es einleitend um Gravitationswellen noch ging, die einfach immer da sind, auch wenn wir sie nur unter besonderen Umständen messen oder wahrnehmen können, zeigt sich auch beim Interregnum, dass alles relativ ist. Eine gute und effektive Verwaltung sorgt für einen gesunden Staat. Dieser funktioniert im Rechtsstaat auch mal ohne Regierung oder ist es vielleicht umgekehrt, stören Regierungen nur die Verwaltung bei ihrer Arbeit?
Das Interregnum stellt Fragen, die wir aus Gewohnheit selten stellen. In der Zeit dazwischen geht alles weiter wie immer. Ausgetauscht werden nur irgendwann die Köpfe, was die Verwaltung selten wirklich stört, den gleichmäßigen Ablauf nicht beeinflussen darf. Was bleibt und was wechselt, wer entscheidet am Ende, was wirklich im Land passiert? Wäre ein Interregnum auf Dauer effektiver als viele populistische Debatten?
jens tuengerthal 4.10.2017
Dienstag, 3. Oktober 2017
Resterampe
Erst als Kohl abgewirtschaftet hatte, Schäuble im Spendenstrudel zunächst mit zu ertrinken drohte. Kam die Stunde von Kohls sauberem Mädchen Angela Merkel, die aus der Opposition heraus die CDU wieder an die Macht brachte und nur Stoiber sich noch die Hörner abstoßen ließ, weil sie Zeit hatte, Schröder schon bald die Vertrauensfrage stellte.
Seitdem führt die Kanzlerin das Land und die Partei mit wachsendem Zuspruch und das obwohl von Putin geförderte Propaganda Sender bei für so etwas wohl besonders anfälligen Sachsen und anderen naiven Bürgern reichlich Störfeuer schon länger senden. Die Deutschen schätzen ihre ruhige Hand, ihre Zuverlässigkeit und ihre Bescheidenheit, die gut preußische Art, mit der sie mehr leistet, als in Erscheinung tritt und so wird das Land die ganze Qualität ihrer Arbeit vermutlich erst zu schätzen wissen, wenn sie die Kanzlerin nicht mehr hat.
Im Erfolg hat die Partei Kohls nie den Wechsel zur Führung durch eine Frau geschafft. Es passte nicht zum konservativen Image und der Überzeugung vieler Hinterbänkler sich für gute Frauen stark zu machen.
Aus der Niederlage kam die Wende und unter der später Kanzlerin, mit ihrer Ministerin Ursula von der Leyen, präsentierte die Union noch lange vor der SPD eine taugliche Politik zur Kinderbetreuung und das sogar gegen die lächerlich chauvinistische CSU.
Die Männer waren belastet oder hatten keinen Plan und eine Frau übernahm die Führung. Sie wurde und wird angefeindet aber sie führte das Schiff in Ruhe durch die teils stürmische See. Ohne die Flüchtlingsverschickung durch Erdogan über den Balkan könnte sich Merkel nun wohl in Ruhe auf der absoluten Mehrheit ausruhen. Bescheiden alles richtig gemacht, zu ihrer Verantwortung konsequent gestanden, mehr Mut bewiesen als alle Männer vor ihr, lange schon nobelpreiswürdig.
Eine Frau, die als langweilig galt, Physikerin aber kein Redetalent, Kohls Mädchen aus der DDR, die nur durch seine Gunst Karriere machte, wurde zur einflussreichsten Frau der Welt, führt ihr Land erfolgreicher durch alle Krisen bisher als die bloßen Zahlen der letzten Wahl nahelegen und beweist dabei in jeder Situation eine solch männlich ruhige Hand, dass es an der Zeit scheint, die Geschlechtsattribuierung umzukehren.
Es bleibt zu hoffen, dass sie nicht zum Opfer von Ehrgeiz und Intrigen wird, wie sie in allen Parteien herrschen. Eine starke Frau an der richtigen Stelle, die bescheiden gute und zuverlässige Arbeit für ihr Land leistet. Was besseres konnte Deutschland nach der Zeit der testosteronhaltigen Rituale der Männlichkeit unter Kohl und Schröder nicht passieren.
Lange schon schreibt sich die SPD auf ihre Fahnen für Frauen zu sein, den Feminismus zu fördern und haben darum solch wunderbar starre Institutionen wie die Quote geschaffen, um die Basis zu lähmen, die mit nichts anderem als der korrekten Quotierung beschäftigt scheint. Real wurde das nicht.
Es gibt zwar nette Frauen Organisationen in der SPD, wie etwa die ASF, die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen, doch zu mehr als zum Eierwärmer stricken für ihre stets männlichen Vorsitzenden und Kandidaten hat es dort noch nie gereicht. Die SPD ist ein typischer Altherrenverein. Einer der älteren Herren war Kanzler, bevor er zum Russen rüber machte, einer ist nun Bundespräsident, nachdem er gegen Merkel schon mit schlechtem Ergebnis scheiteterte. Wenn sie nicht der Russe versorgt, versorgen sie sich selbst.
Nun kam einer aus Europa, sogar mit Bart und wenn ich sehr freundlich bin, sage ich noch der Buchhändler sah wie ein typischer Oberstudienrat aus, doch eigentlich will ich gar nicht so nett sein, zu diesem intriganten Laden, der sich nur die Pöstchen in der obersten Etage hin- und herschiebt, um sich dann vermeintlich demokratisch von der Basis für ihren Posten-Basar bejubeln zu lassen und den größten aller sozialen Versager zum Mr. 100% zu wählen, natürlich quotiert Männlein wie Weiblein.
Nun plötzlich taucht Andrea Nahles aus dem Nichts auf. Der vermutlich klügste Schachzug, den Schulz in seiner bisherigen Karriere überhaupt machte. Kenne und schätze Andrea Nahles persönlich sehr. Sie ist, wenn sie eine Arbeit übernimmt, so zuverlässig wie die Kanzlerin und schafft es sich in ein System einzufügen. Sie galt immer als extrem links, weil sie von den Jusos kam und dort ihre Karriere als Vorsitzende begann. Diese Zeiten liegen lange hinter ihr. Als Ministerin hat sie mit ihrer guten und zuverlässigen Arbeit sogar CSU Kollegen zum einhelligen Lob gebracht. Sie ist gut und sie macht was. Tat dies relativ uneitel und war sich nicht mal zu doof im Bundestag Pippi Langstrumpf zu singen, als es ihr gerade passte.
Sie wird Schulz beerben, wenn es nicht Manuela Schwesig tut und damit die schöne blonde Ostdeutsche zur Kandidatin gegen Mutti werden sollte. Eine interessante Konstellation. Verschiedene Sozis fahren den Karren immer tiefer in den Dreck und als nichts mehr geht, überlassen sie in der Opposition langsam den Frauen das Ruder, vorgeblich nur erstmal, um sich zu erholen und kooperativ. So wie ich die beiden kenne, wird das nicht vorübergehend sein, sondern der Beginn eines totalen Wandels der Sozialdemokratie, die endlich für das stünde, was viele in ihr vermissen. Eine moderne, frauentaugliche Politik, wie sie ihnen die CDU seit Jahren vorlebt. Nur eben einen Zacken jünger und schärfer dabei.
Weder Andrea Nahles noch Manuela Schwesig wollen als Königsmörderinnen da stehen und den überholten und angeschlagenen Schulz stürzen, nur darum ist er noch im Amt. Sie sollten sich ein Beispiel an Merkel nehmen, der Alte hat ihr zwar bis zum Ende gegrollt, ihrer Übernahme der Macht hat das nicht mehr geschadet, im Gegenteil.
Fraglich nur welche der beiden übernehmen soll und wird. Manuela Schwesig ist als MP in MV erstmal aus dem Geschehen und ab vom Schuss, hat dafür Regierungs- und Gestaltungsmacht. Andrea Nahles hat mehr politische Erfahrung auch auf der großen Bühne und kennt als ehemalige Generalsekretärin auch die Partei gut genug, sie sofort zu führen, besser als Schulz sogar der einst euphorische Mr. 100%. Sie wird Gegner in der Partei haben, was besser scheint als 100% Zustimmung wie zuletzt.
Als Konkurrenz zu Merkel halte ich sie für die beste Wahl in dieser Zeit. Unklar ist nur, gegen wen sie bei der nächsten Wahl antreten müsste und aus welcher Position heraus. So könnte es sein, dass Manuela Schwesig noch einen Versuch vorher hat, aber wahrscheinlicher ist es anders herum und es ist klar, dass Andrea Nahles, die den Laden lang genug kennt, weiß, es geht nur als Vorsitzende und Kandidatin, wie Merkel es zeigte und wenn Andrea nun noch Manuela den Vortritt lässt, so nur noch, um diese den Stoiber machen zu lassen.
Einzig für Manuelas verstärktes Interesse spricht deren solidarische und lautstarke Verteidigung des noch Vorsitzenden Schulz, die für gewöhnlich in der SPD auf das genaue Gegenteil schließen lässt, was nicht unbedingt für die Glaubwürdigkeit der Sozialdemokratie spricht - aber inzwischen liegt dies Kapitel ja weit hinter mir und es geht derzeit fast um Mitleid mit einer untergehenden Spezies,
Aber lassen wir die SPD ihre Damenkämpfe intern und allein durchführen, die werden das schon hinkriegen. Eine der beiden wird als nächstes übernehmen und fraglich ist nur noch, ob sie Schulz brutal absägen und Streit provozieren oder nach der Niederlage in Niedersachsen einfach das Ruder in der Partei gelassen übernehmen, das ihnen die verzweifelte Führung der Versager nach Schröder dann anträgt.
Frauen starten aus der Krise und bauen auf dieser ihre Basis mit Zuverlässigkeit auf. So tat es Merkel und so tut es nun schon Andrea Nahles, nachdem Manuela Schwesig ihr durch das überraschende mecklenburgische Erbe als Konkurrentin entzogen wurde.
Was sagt uns diese Beobachtung für die Zukunft der Politik, wie tief lässt sie in die eigentlich chauvinistischen Kaderstrukturen etwa der SPD blicken, die ihre Quoten nur zur Basisbeschäftigung zelebrieren?
Führung wird künftig weiblich sein aber scheinbar brauchen viele Männer erst die totale Niederlage, um den Weg der Zukunft einzuschlagen. Die nach Kohl zerstörte CDU hat dies unter Merkel fast zwanzig Jahre eher geschafft als die SPD. Die Konservativen waren also progressiver und weitsichtiger, könnte es scheinen, wenn es nicht nur die Folge der völligen Niederlage gewesen wäre, in der belastete Funktionäre nicht mehr zum Zug kamen.
So scheint es einen Prozess der Zerstörung zu brauchen, um die Wiedergeburt des Weiblichen zuzulassen in einer festgefahrenen Welt. Dabei könnte Schulz einmal eine Weiche in die richtige Richtung gestellt haben, auch wenn ihn der nun nachfolgende Zug überrollen und an den Rand drängen wird.
Voraussetzung für den Erfolg ist nur, dass Andrea nicht nur ihr Lieblingsprojekt von der einheitlichen Linken verfolgt, um nach links zu kuscheln, sondern erkennt, Mehrheiten werden in diesem Land nur in der Mitte gemacht, wo es weniger Show als Ausdauer braucht, um die Macht zu erobern. Welche Frauen nun in der Nachfolge Merkels in der CDU stark werden, ist noch unklar, auch ob sie eine andere neben sich groß werden lässt.
Der Blick auf die Damen wird uns mehr über die Zukunft des Landes verraten als die letzten Grabenkämpfe der Herren. Schauen wir dorthin, wo sich bald etwas bewegt.
jens tuengerthal 3.10.2017
Zweiheitlich
Wir feiern nun das 27. mal den Tag der Deutschen Einheit, drei mal drei mal drei oder drei hoch drei - klingt alles sehr magisch, nützt aber real auch nicht mehr als jede Magie, die immer bloß Hokuspokus bleibt, außer vielleicht in der Liebe, wo das magische Element die Bedingung des Ungreifbaren wurde.
Aber hier geht es ja nicht um so schwierige Dinge wie Liebe, sondern nur um die Vereinigung zweier Staaten, die immer eins waren, bis sie Dummheit und Leichtsinn gepaart mit dem sozialistischen Aberglauben auseinanderrissen.
Nach dem verlorenen 2. Weltkrieg, der die Diktatur des Nationalsozialismus unter Hitler, das bisher wohl dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte, beendete, war Deutschland in Besatzungszonen der Alliierten geteilt worden. Die westlichen Mächte waren sich relativ einig, die östliche Diktatur, verlor die Einigkeit im Kampf mit dessen Ende, da ihr Ziel sich mit den freiheitlichen Prinzipien der übrigen nicht vereinigen ließ.
So gab es die SBZ, was für Sowjetisch Besetzte Zone stand und die drei West-Zonen. Das gleiche spiegelte sich in Berlin noch einmal in einer Stadt. Bis auf die Phase von 1918 bis 1933 hat dieser Teil Deutschlands nie eine Demokratie erlebt. Wer 33 geboren wurde ist heute 84 Jahre alt, die von 1918 werden nächstes Jahr 100 und von denen gibt es bekanntlich nur noch sehr wenige.
Aus dem Osten flohen viele, aus Angst vor den bösen Russen, wie weit diese auf Märchen der vorher Diktatoren nun beruhte oder nicht einmal dahingestellt, auch meine Großeltern väterlicherseits flohen aus Güstrow. Die Heimat der Familie lag eigentlich in Thüringen, um Gotha und Jena, wo die Großväter mütterlicher und väterlicherseits studierten. Fahre ich durch Thüringen, schlägt mein Herz höher, besuche ich Weimar, fühlte ich mich nicht nur Goethes wegen Zuhause. Der Thüringerwald, die drei Gleichen, die Wartburg, die Altstadt von Erfurt - wenig löst mehr Heimatgefühl in mir aus, auch wenn ich dort in der östlichen Provinz nie lebte, sie nur auf dem Weg nach Berlin durchquerte, für kurze Zwischenstopps dort anhielt.
Bin in meinem Leben vier Frauen aus Thüringen näher begegnet und weiß heute, schwärmen ließ mich immer ihre Heimat mehr als ihre Natur oder ihr Wesen. Im Gegenteil habe ich das Gefühl, dass ich keiner näher kam, sie mir alle fremd blieben irgendwie, weil sie anders sozialisiert aus einer anderen Welt zu kommen schienen in ganz vielem.
Seltsamerweise scheint mir im Rückblick sogar meine einmal Liebste aus Wismar, die nahe Rostock geboren wurde, denen aus Thüringen ähnlicher als denen aus Lübeck oder Hamburg. Als hätte die DDR alle Bürger des Landes, ob sie nun von der Küste oder aus den Bergen kamen in einem einheitlichen Geist erzogen, der sich von den Anschauungen im Westen ganz grundsätzlich unterschied.
Auch bei den Berlinerinnen unterschied sich Ost und West im Wesen ganz entscheidend und tut dies bis heute, sogar wenn manche über die nur noch imaginäre Mauer gingen und sich dies- oder jenseits der gefühlten Grenze ansiedelten.
Natürlich kannte ich die Sprüche über die Ossi Frauen, die selbstbewusster und freier wären, lockerer auch beim Sex und entsprechend waren vermutlich die Begegnungen schon vor Erwartungen geprägt, die mal übertroffen und mal widerlegt wurden. Sex haste halt, das ist ganz natürlich und fertig, was der magischen Erotik als Idee gegenübersteht, ließe sich der Unterschied vielleicht kurz zusammenfassen.
Es gibt beim Akt an sich keinen Unterschied, fühlt sich genauso an, egal wo jemand geboren wurde und egal wo sie herkommen haben vermutlich weit über 98% der Frauen ein Problem beim Sex zu kommen dies zumindest zusammen zu kommen, auch wenn ungefähr gleich viele es westlich wie östlich bestreiten und sich und ihren Sexualpartnern ein Leben lang etwas vorgauckeln. Dies mit relativem Erfolg scheint mir, weil immer noch scheinbar 99% der Menschen für Sex hält, wenn sich eine Seite in der anderen befriedigt und dies möglichst schnell erledigt.
Kann nicht sagen, dass die Frauen im Osten entspannter oder besser im Bett wären, als die im Westen, die Erfolgsquote für echten Sex ist so gering wie überall, auch wenn es mir im Osten noch schneller deutlich wurde, weil mit weniger Magie auch weniger gelogen wird.
Doch es geht ja nicht um Sex oder darum, was 99% der Paare das wechselseitige Onanieren für Sex halten lässt, sondern um die Einheit und was sie ausmacht. Zugegeben passt es aber doch irgendwie ganz gut, weil du schließlich nirgendwo die innere Einheit zweier Menschen besser spürst, als wenn sie sich gegenseitig zum Höhepunkt reiten, den sie gemeinsam erleben. Ein keineswegs selbstverständliches Glück, wie ich heute weiß und das ich um so mehr genieße, desto klarer mir diese Gnade als solche wurde.
Deutschland ist weit entfernt davon einen gemeinsamen Höhepunkt zu haben, um beim obigen Beispiel zu bleiben, gelegentlich kommt es zu nettem Vorspiel, was die Beteiligten dann Sex nennen, weil sie es nicht besser kennen aber diese vollkommene und natürliche Harmonie miteinander ist sehr selten noch und so wird es klarer als mit der Analyse von Wählerstimmen.
Der Osten sei braun, männlich und frustriert wird geraunt, weil es die Statistiken und der Blick auf Pegida offenbaren. Dagegen halten ostdeutsche Ministerpräsidenten, dass der größte Teil der AfD Wähler im Westen saß, im ländlichen Bayern, im Ländle und in NRW und verfälschen damit die Statistik zu ihren Gunsten mit bloß realen Zahlen ohne Verhältnismäßigkeit.
Erst war der Osten rot, dann soll er braun sein, jedenfalls gibt es bei einem hohen Anteil der Wählerstimmen ein demokratisches Defizit könnte es dem kritischen Beobachter erscheinen. Oder ist es umgekehrt, glauben die Ossis mit ihrer jungen Demokratie noch stärker an die Macht ihrer Stimme und die Versprechen der Populisten?
Die Linke im Westen gibt sich gern jung und wild, während sie im Osten das Überbleibsel der alten Kaderpartei und also konservativ ist, immer die SED Nachfolgeorganisation bleibt. Was ist sie und gibt es die Linke jenseits des Aberglauben an den Sozialismus überhaupt?
Kenne so verschiedene Ossis, nachdem ich nun im 18. Jahr im wilden Osten der Republik zumindest Berlins wohne, an keinem Ort in meinem Leben länger gelebt habe, dass ich lügen müsste, wollte ich ein einheitliches Urteil abgeben. Es gibt nicht den Ossi, so wenig wie den Wessi.
Die Pfarrerin, die nebenan wohnt, ist anders sozialisiert als die Tochter der Puppenspielerin oder des Seemanns und der Krankenschwester, der Sohn der Autorin und des Filmemachers völlig anders als die parteinahen Arbeiterkinder - gemeinsam haben sie alle, dass sie meist weniger gesellschaftliche Klassen sehen, diese auch ganz bewusst leugnen und sich über sie lustig machen.
Eine Zeit schien mir deutlich, dass die Ossis, die früh in die Kita kamen und es zuhause nicht extra lernten, weniger gut mit Besteck umgehen konnten, wie es Helmut Kohl noch Angela Merkel nachsagte. Konnte ich auch bisher nicht widerlegen, aber es gibt Ausnahmen doch scheint die Haltung gegenüber dem Besteck und bei Tisch heute eines der letzten Klassenmerkmale zu sein, mit denen sich die bürgerliche Herkunft von der aus dem Arbeiter und Bauern Staat sichtbar unterscheidet.
Ob es ein Gewinn ist, sich einer Klasse zugehörig zu fühlen und sich darin und mit ihren Eigenschaften von den anderen zu unterscheiden, bin ich mir nicht ganz sicher. Es ist einerseits ein Stück Heimat und Geborgenheit bestimmte Rituale zu kennen und zu befolgen, die dich als Angehörigen einer bestimmten gesellschaftlichen Schicht offenbaren. Andererseits schafft es auch Grenzen und erschwert anderen unnötig und formal den Zugang, schließt eine sich inzüchtig erhaltende Klasse von frischen äußeren Einflüssen ab, schafft ein ungesundes Klassendenken, dass mehr den Unterschied zelebriert als etwas eigenes zu entwickeln. Das ist klar uns scheint mir logisch.
Lese ich dagegen Walter Benjamin in seiner Kindheit in Berlin oder Franz Hessel, fühle ich mich in ganz vielem schnell Zuhause, genauso geht es mir mit den Brüdern Goncourt oder Thomas Mann - das ist Heimat - die bürgerliche Welt, in der ich groß wurde, mit ihren Statussymbolen der Bildung und des gediegenen Wohlstands - bei Familie Goethe fühle ich mich wohl, ihnen fühle ich mich verwandt, auch noch bei Wilde, während mich Berlin Alexanderplatz lange eher befremdete und der Arbeiter mich nicht weiter interessiert. Die Enzyklopädisten sind meine Vorbilder, während mir der Sozialismus nur als eine neue Variante des Aberglaubens erscheint, eine ganzheitliche Lehre mit Heilsanspruch eben.
Sehe bis heute Privatfernsehen meist als Unterklassen-TV und schaue es nie, hatte noch nie einen eigenen Fernseher, auch wenn die meisten Zuschauer und die Produzenten ohnehin finanziell viel besser dastehen als ich, der nur noch eine Idee des Bürgerlichen verteidigt, ohne es pekuniär umsetzen zu können. Dabei ist doch gerade der Handel und finanzieller Erfolg die Bedingung des bürgerlichen Aufstiegs aus den engen Höhlen der Arbeiter.
Warum nun dieser Ausflug zur Klassengesellschaft und meinem Begriff von Bürgerlichkeit als Ideal der Demokratie?
Weil der ehemalige Arbeiter und Bauern Staat genau diese Klasse hochhielt, sie den anderen diktieren ließ, die Bürger als Feinde unterdrückte,, löst es bei mir einen ungeheuren Widerwillen aus. Damit groß geworden aus bürgerlichen Verhältnissen zu kommen, war ich stolz darauf, dass mein Urgroßvater mütterlicherseits Ostfriesland elektrifizierte, während ich die Gewerkschaften ablehnte, die später sein Unternehmen in Bremen kaputt streikten.
Ob dies tatsächlich an den Gewerkschaften lag oder nicht doch an der Unfähigkeit meines Onkels, der die Firma vom Großvater übernahm, sei einmal dahingestellt, gewisse Erfahrungen sprächen auch für letzteres und eine Erziehung zur Toleranz verböte mir eigentlich solche Vorurteile. Doch ganz tief in mir spüre ich die die angeborene Abneigung gegen alle Gewerkschaften, wie Klassenfeinde, auch wenn ich es als lächelnd nun mit Abstand betrachte.
Eine umgekehrte Ost-West-Erfahrung machte ich bei meinem mehrjährigen Ausflug in die SPD, der meine preußischen wie hanseatischen Großväter und Urgroßväter wohl im Grab rotieren ließ. Dort sammelten sich in den Abteilungen der SPD in Prenzlauerberg, wie die sonst Ortsvereine in Berlin genannt werden, viele der alten Linken aus dem Westen, die nun etwa beim Bundestag arbeitend im schicken und leicht alternativen Osten mit den schönen Altbauten eine neue Heimat suchten. Dagegen wanderten die Gründer der SPD im Osten, die erst ein halbes Jahr SDP hieß und ihre Wurzeln im Pfarrhaus in Schwante hatte, immer weiter gen Norden nach Pankow oder gleich in die Mark.
Vorsitzender der Pankower SPD war, als ich damals eintrat, gerade ein linker Wessi aus ursprünglich Bad Kissingen geworden und die alten Pankower, die mit Prenzlauerberg und Weißensee vom Senat in der Gebietsreform zwangsvereint wurden und nur durch einen Husarenstreich ihren Namen für das ganze Gebiet durchsetzten, fühlten sich an den Rand gedrängt, während wir vom Berg das Gefühl hatten, in die Zone zu kommen, wenn wir in den anderen Teil unseres Stadteils fuhren.
War in dem alten Arbeiterverein, der mir eigentlich so wesensfremd war, nur gelandet, weil mir Wolfgang Thierse sympathisch war, den ich für einen der bärtigen evangelischen Pastoren damals hielt. Dass er real katholisch und aus Schlesien war, erst später zur SPD stieß, erfuhr ich erst als ich schon Mitglied war. Der von den Grünen als politisch korrekter Glaubensgemeinschaft dominierte Berg war zwar früher ein klassisches Arbeiterviertel aber mutig und echt bürgerlich wäre eigentlich gewesen, in die FDP einzutreten, die hier im Promilleanteil vegetierte, doch das lag mir völlig fern damals, als noch Westerwelle dort das Zepter schwang.
So lernte ich viele der Gründer von Schwante kennen, hauptsächlich Pfarrer und Ingenieure - die bürgerliche Klasse der DDR, die zwar im Sozialismus groß wurde, aber eine freie bessere Welt wollte. Die Konservativen und eher bürgerlich denkenden waren in der Pankower SPD in der Minderheit und auf der Flucht an die Ränder - dort fühlte ich mich wohler als bei den geheimen Plänen der linken Sozen, die von einem Zusammenschluss mit der Linken und der Heimkehr ihres einst angebeteten Gottes Lafontaine insgeheim träumten, den ich nicht ausstehen konnte, warum ich erst Jahre nach dessen Austritt überhaupt für einige Jahre in diese bis heute so wunderbar verlogene SPD eintreten konnte.
Weiß nicht, ob andere Parteien weniger verlogen sind, kenne ja nur die eine von Innen näher und das hat mir für mein Leben gereicht, denke es wohnt dieser Art der kollektiven Meinungsbildung inne und es ist nicht meine Art miteinander umzugehen - diese ewigen Intrigen und Lügen zugunsten der Partei sind mir wesensfremd, auch wenn mich Politik schon immer interessierte, pass ich in keine Partei wirklich und suchte darum auch den Kontakt zu der bürgerlichen Minderheit der vertriebenen Ossis in der eigentlich linken Pankower SPD, die schon früh zu den Speerspitzen eines Bündnisses mit der Linken gehörte, was nun auch die Führung der geschrumpften Bundestagsfraktion meiner zum Glück ehemaligen Partei betreibt.
Bin also ein Wessi und noch dazu zutiefst bürgerlich liberal von der Herkunft und Überzeugung her. Als ein solcher bin ich in nahezu jeder Partei verloren und im Osten ein Fremdkörper auch von der Gesinnung her. Sind meine Betrachtungen zur uneinigen Republik also bloß die einer kleinen Splittergruppe?
Denke ich etwa an meine eine Ex aus Thüringen, die Cluburlaub in der Türkei liebte und nach der Wende in Duisburg studierte, schien sie mir besser integriert und zur Mehrheitsmeinung passender als ich, der so etwas furchtbar findet und dem nichts fremder ist, als sich bespaßen zu lassen oder im Erdoganland Urlaub zu machen, was ihr, die auch in der DDR sehr angepasst lebte, normal erschien. Sie war in nahezu allem ziemlich durchschnittlich und normal und auch wenn meine Tochter über sie sagte, sie sei einfach langweilig gewesen, würde ich nicht so streng urteilen wollen - sie lebte einfach in einer anderen Welt uns unsere Welten waren nicht kompatibel und wurden es auch in keiner Hinsicht und nur die Gewohnheit ließ uns ein halbes Jahr lang von Ehe schwärmen, die nie eine Basis hatte.
Das genaue Gegenteil war die Ex aus Mecklenburg, die Kapitänin und Schauspielerin, die nie im Leben in einen Club Urlaub machen würde, dafür professionell auf den für mich Horrorschiffen der Tourismusindustrie arbeitete und beide blieben mir im Wesen fremd. Konnte mit ihnen nicht streiten und wenn hielten beide mir noch ewig jedes Wort vor, was dabei gefallen war, ohne es im größeren Kontext zu verstehen nach meinem Gefühl.
Beiden blieb ich wesensfremd und so habe ich immer noch das Gefühl, vielfach in einem fremden Land zu leben, ist mir meine nun Frau, die aus Schwaben kommt und kroatische Wurzeln hat viel vertrauter als alle vor ihr und das auch wenn sie 25 Jahre jünger ist als ich, während meine Damen aus dem Osten alle eher mein Alter waren. Ob das an einer geistigen Rückentwicklung bei mir liegt, ich wieder jünger werde, oder daraus sich eine gewisse Inkompatibilität von Ost und West ableiten lässt bis heute, weiß ich nicht zu sagen.
Die eine hasste den Osten, sprach voller Verachtung über die kleingeistige Diktatur der Spießer in der DDR, die sie nur auf Hiddensee erträglich fand, während die andere still erlitt, was ihr alles verboten wurde aber auch nicht alles schlecht fand, irgendwie angepasst lebte, sich immer noch über ihren unmöglichen Bruder aufregte, der gegen die DDR Regierung 1989 demonstrierte beim Massaker von Tiananmen in Peking und damit die ganze Familie in ein schlechtes Licht stellte und unnötig gefährdete, wie sie bis heute meinte.
Könnte noch viele verschiedene Geschichten erzählen dazu, so unterschiedlich wie die Menschen, die sie erlebten - diese eint, dass sie sie in der DDR groß wurden, die Erfahrung der Diktatur kannten, wie immer sie diese empfanden, jene dass ihnen diese Erfahrung fehlt, sie aber im Selbstverständnis der Freiheit und der Schuld am Krieg groß wurden.
Meine Liebste ist fünf Jahre nach der Vereinigung geboren - sie kennt nur ein Deutschland in ihrem Leben, wie meine Tochter für die es nur musealen Charakter hat über die Grenze zu fahren. Dachte immer, wenn Mann und Frau sich in der Liebe finden und über die alte Grenze vereinen, höbe es diese auf und sage heute, welch Überschätzung der Liebe, zu denken, sie könne unser Wesen ändern und welch Unterschätzung der Natur.
Die Gegensätze werden in der Liebe noch spürbarer, wir können sie nur ignorieren, weil wir uns vom Trieb der Natur ablenken lassen oder die Vernunft uns hilft, ignorant zu sein, gegen alles Gefühl.
Solange Menschen leben, die in zwei Welten groß wurden, wird es diese zwei Welten geben - darüber hinaus, wirken die traditionellen Fesseln der Regionen auch noch weiter bei denen, die lange nach der Wende geboren wurde. Wir sind, auch wenn die Trennung nur 40 Jahre währte ein Land mit zwei Kulturen und zwei Völkern. Manches wird vereinheitlicht und dennoch fühle ich mich in Weimar immer noch mehr zuhause als in Heidelberg je, doch bleibt das Gefühl der Fremdheit immer, so absurd es mir zugleich wieder scheint.
Anlässlich meines Geburtstages saß ich neulich mit Freunden aus Ost und West zusammen, wir führten intensive Gespräche über Kultur und mehr - es gibt unterschiedliche Erinnerungen aus den je Lebenswelten aber es zählten in der Diskussion mehr individuelle Sichten und Erfahrungen für den jeweiligen Standpunkt. Der Ossi, der seit der Wende politisch engagiert ist, weiß besser über die Demokratie und ihr Funktionieren bescheid, als der leicht monarchistisch gesinnte Wessi. Die Pfarrerin aus dem Osten setzt sich eher natürlich für Freiheit und Gleichheit ein als der adelige Wesi, der mehr intellektuell argumentierte, ganz anders als der intellektuelle Wessi, der sich ohne praktische Ahnung von Politik zu haben gern elitär konservativ gibt.
Wir leben nebeneinander und manchmal auch zusammen, gelegentlich ist es auch schon egal, wo jemand herkommt - die zwei Teile bleiben in vielem bestehen und wie wichtig sie uns sind, entscheiden wir selbst. Verdächtig sollte nur sein, wer sie betont, um sie zu benutzen und gefährlicher ist nur, wer sie einfach ignoriert.
jens tuengerthal 3.10.2017
Montag, 2. Oktober 2017
Wahlheimat
Lebe in Berlin, mitten in Prenzlauerberg einem irgendwie relativ linksgrün geprägten Szeneviertel und das nunmehr den längsten Teil meines Lebens. Der Flair des Viertels wandelte sich von ehemals linksalternativ zu bürgerlich-grün und wie ich immer mehr graue Haare bei mir sehe, werden sie auch auf den Straßen des Viertels normaler und während sich einige auch nur schlesische Ureinwohner des Kollwitzkiezes noch medienwirksam über die Schwäbisierung des hiesigen Vokabulars aufregten, zeigt sich auch an solchem Lokalpatriotismus die Verbürgerlichung des ehemals alternativen Lebens. Wo wird solche Intoleranz gegenüber Zugereisten zur nationalen Bewegung, wann dominiert die Angst in der Dekonstruktion?
Es sind hier tatsächlich mehr Kinderwagen zu sehen, als in irgendeinem anderen Viertel und vor allem mehr stolze Menschen, die sich bewusst für diese Rolle und diesen Weg entschieden haben. Sie leben damit in einer Gegend die sehr stadtnah ist, wunderbare Altbauten bietet und zugleich, im Gegensatz zum benachbarten Wedding ethnisch relativ rein blieb, warum sich von dort aus leicht Toleranz und Multikulti predigen lässt.
In den Schulen oder Turnhallen gab es eine zeitlang einige Flüchtlinge zu bestaunen, nun sind sie in Container und andere Behausungen an den Rändern umgesiedelt worden. Mein Berg gab sich solidarisch und auch ich stand am Anfang begeistert als Helfer an der Essensausgabe für Geflüchtete, wie die Asylanten in immer neuen Sprachsaltos auf der Suchen nach der gerade maßgebenden politischen Korrektheit genannt wurden, weil Asylant ein Schimpfwort der Rechten geworden war und keiner hier in den Verdacht geraten wollte, mit diesen Leuten zu sympathisieren.
Wir achten auf unsere Sprache, kleiden uns auf eine bestimmte Art modisch, die uns deutlich sichtbar von den Bewohnern Pankows oder gar Brandenburgs unterscheidet. Dafür kaufen wir lächelnd schrumpelige Äpfel beim Bio-Markt, dem wir ohnehin unseren monatlichen Obolus ableisten, um eine Vergünstigung für Dinge zu bekommen, die wir beim Discounter noch günstiger und meist besser aber mit weniger sozialem Prestige bekämen. Es ist eine relativ geschlossene, nur vorgeblich tolerante, faktisch aber in ihrem Konsens sehr enge Welt, die vor allem über alle, die nicht ihre Dogmen teilt mit bitterer Härte urteilt.
Der überschaubare Bereich bis zum S-Bahn-Ring ist relativ homogen besiedelt. Hier gibt es nur wenige Ausreißer noch, wie es auch kaum noch Alteinwohner gibt, zu denen Wolfgang Thierse, der sich über zu viel schwäbisch an seinem Platz einst erregte, sich wohl zählte, auch wenn der Katholik ein erst länger nach dem Krieg über den Umweg Thüringen zugereister Schlesier eigentlich ist. Manche derer, die vor der Wende hier lebten treffen sich noch in der Blues Kneipe namens Die Speiche bei mir am Platz, natürlich eine Raucherbar, geführt vom Betreiber des ehemaligen Café Gabaty, das am Rand der gleichnamigen ebenfalls längst ehemaligen Pankower Tabakfabrik stand, bis Linke Verbindungen es anderen zu schob, dahingestellt, wer dazu mit wem und so weiter. Sie ist ein Sammelpunkt für ehemalige Bewohner geworden. Hier trifft sich ein Publikum jenseits der 50 vermutlich schon, mitte 40 zumindest sicher, die zu Wendezeiten noch jung waren und der alten Zeiten gedenken, in irgendwie “weeßte noch”-Manier eine Art verlorene Heimat Gefühl zelebrieren.
Keiner der Besucher käme wohl auf die Idee, jene Rock-und Blueskneipe einen Vertriebenenverband zu nennen und doch hat sie verdammt viel davon auch in der Brauchtumspflege, findet sich hier eine geschlossene Gesellschaft. Wie jene geschlossene Gesellschaft gebildeter Akademikerkinder, die sich hier nach der Wende immer mehr ansiedelten und den ehemals alternativen Kiez immer mehr sanierten, bis Glänzelberg, wie es auf manchen unserer Mülleimer nun steht, besser passte als Prenzlberg.
An meinem Platz gibt es immer noch einige Platzbewohner über die sich manch neue Mutti mit Designerkinderwagen noch aufregt und gelegentlich mal Streit sucht, bis sie von den anderen Muttis zurechtgewiesen oder sichtbar ignoriert wird. Die letzten Penner oder Alkis gehören hier zur Folklore, wer angekommen ist, wird gegrüßt und die Neubewohner geben sich gern tolerant, um sich gut und Grün fühlen zu können, auch wenn das Leben derer am Platz mit ihrem nichts zu tun hat.
Einer der Bio-Läden um den Platz nennt sich Ost-Kost, ist Teil des heimatlichen Kiezes und vermittelt dieses Wohlfühlgefühl, biologisch und politisch korrekt, wenn auch ein wenig teurer als beim Discounter einzukaufen und dient auch mehr der Gewissenvermittlung für Zugereiste als tatsächlich OSTalgie zu betreiben. Der alte Osten wird ein wenig hochgehalten, auch wenn keiner in dieser spießig engen und piefigen Welt würde leben wollen.
So sind manche der leicht alternativen, immer schickeren Kieze, die sich über die bösen Kapitalisten und Makler nach vorne und offiziell aufregen, während sie nach hinten die Hand aufhalten, wenn es um ihre Wohnung und ihre Kohle geht, so verlogen wie alle Welt, nur dass sie sich hier gern die schöne Maske leicht alternativer Toleranz gibt.. Es ist ein etwas nobles Biotop, was immer bürgerlicher wird, auch wenn es sich gern noch ein wenig alternativ gibt. Dies ist meine Wahlheimat, ich habe sie mir ausgesucht und fühle mich wohl hier, auch wenn diese Kieze in ihrer pseudo alternativen Manie eher peinlich sind, sich etwas vorspielen mit ihrer vermeintlichen Toleranz, die ganz schnell endet, wenn tatsächlich für eine zeitlang Sinti oder Roma Familien aus Flüchtlingskreisen in ihren schicken Hinterhöfen angesiedelt werden.
Zuerst erkundigen sich alle noch ganz freundlich bei den Neulingen. Dann wundern sie sich über manch ungewohntes, schließlich wird hinter vorgehaltener Hand getuschelt, Bestätigung gesucht, was sich in bekannten Mustern steigert - “ist bei dir auch was verschwunden?”, “klauen die vielleicht?”, “hab die gehört, geht gar nicht hier” - dann wird festgestellt, die passen ja gar nicht hierher und dann verschwinden sie irgendwann wieder ganz dezent.
Den einen verschwand ein Fahrrad, den anderen ein Kinderwagen oder Spielzeug und es begann Misstrauen und als sie wieder weg waren, erzählten wir uns die Geschichten unserer Sorge - wussten alle was wirklich war, ohne eine Ahnung zu haben, weil die ja einfach nicht hierher passten, stellten erleichtert fest, dass sie ja nun weg waren. Wohin die “Zigeuner” kamen, was natürlich politisch korrekt in meinem guten Hinterhof niemand sagte, wusste keiner, hauptsache sie waren weg - 1933 - 1945 hätten wir uns da noch Gedanken machen müssen, aber heute doch nicht mehr, denk ich mir und gleichzeitig über Homogenität in Siedlungen nach und wie wichtig sie ist.
Der vordere Prenzlauerberg ist eine sehr homogene Siedlung in seiner ganzen Verlogenheit, kaum noch Alteinwohner, viele Zugereiste, zu einem ganz großen Teil Akademiker, die sich gern ein wenig alternativ tolerant oder künstlerisch geben. Geld wird beim Staat oder im Netz verdient, wenn überhaupt. Wir leben hier relativ ungestört, unsere Kinder gehen mit Kindern aus nahezu gleichen Umständen in die Schule und wir paaren uns gern im gleichen Bereich, warum es immer wieder auch welche gibt, die mehr als einen Liebhaber miteinander teilten, wie ich es selbst einst schon erleben durfte. Es sind alle Bedingungen einer geschlossenen Gesellschaft gegeben, die sich an der Illusion ihrer weltbürgerlichen Toleranz aufgeilt, die Intoleranz der Spießer vom AfD ablehnt, sich dazu inzüchtig fortpflanzt und durch die ab und an gern begrüßten “Anstandsneger” nicht bemerkt wie rassisch rein und geschlossen sie lebt und sein will.
Lebe gern hier und fühle mich wohl auch in den Cafés mit ihrem homogenen Publikum und den immer um die gleichen Themen kreisenden Fragen, es ist wohl so etwas wie meine Heimat, auch wenn es eine mit wie immer beschränkten Horizont ist. Bezeichnend mein Blick in den Hinterhof, der an einer nahen Wand endet, die als ich hier einzog noch von wildem Wein grün wuchernd bewachsen war, heute aber schlicht grau-gelb und kahl ist mit wenig Licht von Oktober bis März und einem inzwischen abschließbaren Guantanamo-Käfig für unsere vielen Mülltonnen ist. Das schöne Grün musste entfernt werden, weil es den Putz zu beschädigen drohte.
Zelebriere mein Gefühl von bürgerlichen Leben mit Tee und Büchern, weil mir nichts so wertvoll erscheint und habe dennoch eine irgendwie dumpfe Ahnung, dass all dies furchtbar verlogen einfach ist und ich Teil einer begrenzt haltbaren Inszenierung bin, die sich im Untergang feiert, als sei sie für die Ewigkeit.
Das ist meine Wahlheimat mitten im Bionade-Biedermaier, der noch beschränkter wirkt, wo er sich gern großzügig, weltoffen und tolerant geriert, auch wenn es eigentlich nur um Schöner Wohnen mit globaler Deko geht. Wir erregen uns kollektiv über die dumpfen Ossis in mittlerweile Pankow, die AfD wählen - wie kann man nur - einige wählen hier nun schick als Künstler die Linke, ohne zu bedenken, dass es sich dabei um die SED-Nachfolge-Organisation handelt und nennen Sahra Wagenknecht lieber eine linke Intellektuelle als eine olle Stalinistin mit Stallgeruch im Kadersozialismus. Hier wird mittlerweile der Kandidat jener ominösen Linken mit Mehrheit gewählt, der sich mit seiner Ray-Ban-Brille abbilden lässt, um ein Lebensgefühl auszudrücken, zwischen Bio-Mate, Designer-Thermoskanne und Hartz IV.
Als frei denkender Mensch, fühle ich mich in diesen ganzen Konventionen spießiger Selbstbetrachtung irgendwie eingesperrt. Fraglich nur, was besser wäre oder eine echte Alternative. Das überaltete und irgendwie scheintote Charlottenburg? Der null innovative Westen, der nur noch seine Erinnerung kultiviert? Das noch gläubiger, alternative Kreuzberg oder Friedrichshain in dem ich neben den Multi-Kulti-Jüngern auch noch echte Araber, Muslime und ihre Kinder in den Schulen teilweise in der Mehrheit haben mit entsprechend durchgreifenden Lernerfolgen für meine Kinder?
Vermutlich wäre nur das wirklich vornehme Dahlem oder eine noble Villa im Grunewald, wo nur wohnt, wer es sich leisten kann und Geschmack hat, eine taugliche Alternative, wäre es nicht so langweilig dort, denn mit viel Geld, lässt es sich ebenso leicht tolerant und weltoffen sein, wie mit naiven Lügen hier.
Wir wissen, warum wir hier in dieser geschlossenen Welt leben, in der wir die Ossis weitgehend erfolgreich verdrängten, über diese heute Bewohner des Speckgürtels oder Brandenburgs gern lästern, auch wenn wir natürlich tolerant sind und alle unseren einen guten Ossi als Freund haben oder unter Männer früher auch die Qualitäten der lockeren Ossi-Frauen im Bett lobten, von denen sich manche eine Scheibe abschneiden könnte, wie wir zwinkernd dann bemerkten, was ein ebenso rituelles wie inhaltsleeres Gerede ist, für das ich keine sachliche Bestätigung geben könnte, im Gegenteil, löge ich nicht die üblichen Spiele hier mit, wenn es geboten ist.
Habe ich nun eine Schwäbin zur Frau gewählt, die in kein Schema passt, weil ich aus dieser schlicht uniformen Welt ausbrechen will, in der wir schön hochdeutsch reden, immer politisch korrekt sind und Sex nur so haben, dass es die Kinder nicht stört?
Natürlich nicht, sondern weil ich sie liebe und sie die Beste ist, der ich je begegnen konnte, ein Glück für jeden denkenden Mann in jeder Hinsicht. Aber das ich mir eine solche Frage stellen muss, zeigt die Enge der Welt in der ach so toleranten Großstadt Berlin im ehemals Preußen, wo nach dem alten Fritz noch jeder nach seiner Fasson selig werden sollte.
Lebe in einem Bereich, den sich manche NPD oder AfD Funktionäre für ihre Dörfer in Mecklenburg oder der Mark wünschen - eine national befreite Zone, die sogar so reinrassig und geschlossen ist, dass sie sich, ohne sachliche Probleme befürchten zu müssen, das Gegenteil auf die Fahne schreiben und für geträumten Multikulti, den es faktisch hier nicht gibt, Grün wählen.
Die DDR war auch so eine geschlossene Welt, die international für den Sozialismus auf der ganzen Welt und die internationale Solidarität eintrat, intern aber die wenigen Nordkoreaner und Afrikaner oder Kubaner eher in geschlossene Siedlungen steckte, um ihrer homogenen Bevölkerung nur nichts ungewohntes zuzumuten. Natürlich gab es hier wie dort die “Anstandsneger”, wie manche sie sogar nannten in völliger Verkennung politischer Korrektheit, aber was interessieren die nur Symbole im realen Leben.
Gestern lief ich mit meinem Schatz gen Weißensee und wir wagten mal einen Blick in die dort Kneipen, sahen Gesichter mit denen wir nicht über die Wahl diskutieren oder die Prinzipien bürgerlicher Toleranz erörtern wollten. Das ist sicher nicht typisch Weißensee, war vermutlich reiner Zufall und doch wunderte es mich kein bisschen. Die Musik klang nach Böhse Onkelz oder schlimmer und mehr in mir, möchte nicht mit solchen Menschen in einer Stadt leben, als sich in Toleranz zu üben.
Nahe meiner Wahlheimat und sogar heute unter einem Dach des künstlich vereinten Bezirk Pankow, der diesen Namen dank eines Schildbürgerstreichs der von daher schwäbischen Pankower trägt, prallen Welten aufeinander. Ossis, die sich benachteiligt fühlen, Wessis, die alles besser wissen und noch dazu politisch korrekt, die Welt zu einer Toleranz erziehen wollen, die sie selbst nicht kennen, weil sie in einer abgeschlossenen Welt leben. Keiner versteht den anderen aber jeder weiß genau, was besser wäre.
Es ist wirklich nett hier. Gibt sogar manchmal gute Gespräche mit gebildeten Menschen, wenn auch der größte Teil, seinem realen Niveau entsprechend, die Mode des Tiefstapelns gerne mitmacht, weil es schicker und einfacher ist, sich als akademischer Proll zu geben, denn die eigene Kultur in der separierten Welt konsequent zu leben, weil hier doch keiner so richtig konservativ sein möchte.
Die Gegend ist mehrheitlich irgendwie Grün, nur hinter der vorgehaltenen Hand ist sie auch mal ehrlich aber nicht vor sich selbst und darum lebt es sich so nett hier, weil sich alle über ihre wahren Absichten freundlich belügen, sich gern besser spielen, als sie sind und sich nicht mal in der anonymen Wahlkabine trauen dem Aufstand ihres Inneren gegen die Dummheiten politischer Korrektheit nachzugeben.
Das Eis auf dem wir uns hier noch etwas vorlügen ist dünn und es gibt gute Gründe, zu fragen, wie lange es halten wird und ob nur der Wohlstand noch die Schminke über der anderen Seite der Bürgerlichkeit ist, die gern intolerant ihre Welt abschirmt. Bedenke ich, wie intolerant sich hier gern gegenüber nicht alternativen Positionen gegeben wird, frage ich mich, wie bald die Stimmung kippt und was dann passiert. Ist die Toleranz echt oder gedeiht sie nur im geschützten Biotop meiner Wahlheimat?
jens tuengerthal 2.10.2017