Oktober - Dezember 2000
Berlinbesucher
Wie lange würde es dauern, bis diese fremde Großstadt meine würde, wann kannte ich sie wirklich und wieviele Jahre würde ich noch fremdeln, fragte ich mich nach dem netten Abendessen mit der zauberhaften rothaarigen Opernsängerin aus der französischen Schweiz - gerne hätte ich mehr versucht und wäre der Schönen näher gekommen, doch leider ging es nie über die Bisous zu Abschied und Willkommen hinaus, sie war von Familie, unsere Familien waren irgendwie befreundet, für einen nur Flirt zu riskant und dann dieses strahlende Selbstbewusstsein einer wundervollen rothaarigen Opernsängerin - schien mir einige Nummern zu groß für mich, auch wenn ich noch hauptstädtischer Redakteur war.
Wieder verfuhr ich mich auf dem Rückweg irgendwo zwischen KaDeWe und Bundesallee und diesem Tunnel, hatte ich keine Ahnung mehr, wo ich war - folgte schließlich der Beschilderung zur Autobahn, fuhr über die völlig verwirrenden Auffahrten am leer stehenden Kongresszentrum beim westlichen Messegelände auf, natürlich in die falsche Richtung erstmal, drehte dann nach einigen Kilometern bei der nächsten Ausfahrt und fuhr wieder über den Wedding in den Prenzlauer Berg - über jene Brücke, die 1989 als erster Grenzübergang geöffnet wurde. Dabei war es doch eigentlich ganz einfach, wenn ich es auf den Plan anschaute - brauchte wohl seine Zeit, bis ich mich aus dem Gefühl schon auskannte, wie es mir in Bremen ging, wo ich keinen Plan brauchte, auch keinen im Kopf hatte und dennoch intuitiv richtig durch die Stadt fand, weil ich nur zufällig da geboren und ein Jahr nicht mal dort gelebt hatte.
Noch fremdelte ich mir der Stadt, war nur ein Besucher irgendwie, hatte nichts gesehen, während N, die fabelhafte Opernsängerin vom Genfer See wie zuhause schien - lag vielleicht auch daran, dass sie hier schon studiert hatte, viele aus der Anthroposophen Szene kannte, war sie nicht selber auch auf solch einer Schule gewesen irgendwo am See, fragte ich mich. Ob das wohl automatisch aufhörte und ich nur eine Berliner Freundin bräuchte, fragte ich mich. Zumindest war ich offen nun eine solche zu finden, die Arbeit in der Redaktion spielte sich ein, es wurde etwas ruhiger - zwar immer noch sieben Tage die Woche aber nicht länger täglich mehr als 14h.
Begann statt mit der wunderbaren, rothaarigen Opernsängerin einen Flirt mit einem Mädel, die in der Firma am Empfang saß. Freche Westberliner Schnauze und irgendwie ganz sexy angezogen, zumindest ihre Weiblichkeit betonend, schien sie mir eine nette Abwechslung nach der frigiden I und wie immer hatte ich natürlich ganz ernste Absichten und träumte vom Himmel auf Erden, zumindest ein wenig. Ihr schien dieser irgendwie seriöse Redakteur zu gefallen und sie lud mich auf einen Wein in ihre Wohnung ein im 2. Hinterhof der Kantstraße, also wieder tief im Westen, aber da die Straßen wirklich nur geradeaus führten, fand ich es diesmal ohne größere Verwirrung. Geküsst hatten wir uns ja schon mehrfach sehr leidenschaftlich im Raucherraum, wenn keiner da war und sie schien zu wissen, was sie wollte und wie das mit der Lust ging, zumindest hatte sie schon lustvoll an die richtigen Stellen gefasst und mir ins Ohr gehaucht, ich will dich.
Kam natürlich mit Blumen und Champagner, sie erwartete mich im neckischen Negligé, das, so schien es mir, doch eindeutige Absichten erhoffen ließ. Sie lümmelte sich gelangweilt auf ihrem Bett, gab mir ein Bussi, wehrte aber jeden weiteren Versuch der Annäherung ab, bis sie auf die Idee kam, darüber zu jammern, wie sehr ihr Busen weh tat, weil der Bügel so eingeschnitten hätte - sie zeigte mir die Stelle, ließ sich bedauern, dann auch meinerseits die Stelle berühren und den armen Busen darüber sogar küssen. Einen Moment entwickelte sich etwas wie echte Leidenschaft, sie rieb sich an meinem Oberschenkel und als meine Hand zwischen ihre Beine schließlich wanderte, fand sie das erhoffte Feuchtgebiet dort, die sie aber nur sehr kurz streifen durfte. Danach drehte sie sich beleidigt spielend um und warf mir vor, wir Typen wollten ja immer nur das eine, gleich vögeln und dann sei Frau wieder vergessen und nichts wert, ne, ne, ne - so eine sei sie nicht, sagte sie mit dem Brustton tiefster Überzeugung aus ihrem mädchenhaften Busen und klemmte die Beine zusammen.
Versuchte es erst vernünftig, dann flehend und verstand die Welt nicht mehr - es war doch eindeutig, sie erwartete mich in sexy Unterwäsche, ließ mich ihren Busen küssen, stöhnte beim Griff zwischen ihre Beine und wollte mir dann eine Szene machen, weil alle Männer nur das eine wollten, sie nicht so eine sei und überhaupt - irgendwann war es mir zu blöd, ich vergaß meine Lust, erinnerte meinen Stolz und verabschiedete mich höflich, was ihr aber auch nicht zu passen schien - was, du gehst schon wieder, war ja ein kurzer Besuch - als ich darauf sagte, bisher sei ja auch jeder Versuch der Annäherung unerwünscht gewesen, dann könne ich ja auch wieder gehen, bekam ich noch ein schnipppisches - typisch die Kerle, wenn se dich nicht gleich flach legen können, ziehen se beleidigt wieder ab. Man könnte sich ja auch mal einfach nett unterhalten, aber nein, Sex oder weg. War ob dieses Wortschwalls einer echten Berlinerin, der für mich nichts mit der gefühlten Realität zu tun hatte, so perplex, dass ich noch versuchte, mich zu rechtfertigen, von den Küssen im Büro sprach und ähnliches, worauf sie blitzschnell konterte, na und, watt willste, bischen knutschen ist ja nicht gleich mehr, aber das kapiert ihr Kerle eben nicht, was eine Frau wirklich will, es geht um G E F Ü H L buchstabierte sie mir wie einem Analphabeten, der vermutlich auch beim letzten Wort nur noch an die ersten vier Buchstaben dachte
Nein, ich verstand nicht, was diese völlig ungebildete Frau mit einer Wohnung ohne Bücher, in der pausenlos der Fernseher lief, wirklich wollte - einige Monate später kam sie mit dem Finanzvorstand zusammen, wurde schwanger und heiratete ihn nach Gerüchten, die mir einer der beruflich natürlich geschwätzigen Vertriebler erzählte, als ich ihn mal in einem Café traf - genau das hatte sie also gesucht und gefunden. Ihr Maß der Zuwendung zu mir hatte plötzlich rapide abgenommen, nachdem ich ihr erzählt hatte, was am Vormittag in der Firma für ein wieder empörender Skandal passiert war, der endgültig der Anfang von meinem Ende dort war, was ich noch nicht verstanden hatte. Sie war weder gebildet, noch sonderlich intelligent, aber sie wusste genau bescheid, wie es ablief, wie sie Männer steuerte und sich hielt, welche lohnten und welche nicht, sie war unglaublich gewitzt in ihrem sonst eher schlichten Gemüt und ich, der noch nie eine solche Frau näher kennenlernte, merkte nichts davon, war harmlos, vertrauensvoll und bekam die erwartbare Quittung.
Ganz locker hatte ich von dem Mobbing erzählt, dass meine Praktikantin nun gestartet hatte und aus dem die Personalerin einen riesen Skandal machte, den ich absolut lächerlich nur fand in Verkennung der wahren Wirkung solcher Dinge in Unternehmen, die gerade über Dinge, die unter tiefstem Stillschweigen erzählt werden, am meisten redeten. Das Mädel vom Empfang meinte nur, na du gehst ja schon ganz schön ran, wundert mich nicht und ich dachte nur noch, es wird Zeit, den Ausgang zu finden.
Die Kleine war nach dem Krankenhausaufenthalt mit ihrem Freund tränenüberströmt zur Personalerin gegangen, hatte dort weiter geheult und behauptet, ich hätte sie belästigt, begrapscht und versucht zu vergewaltigen und sie hätte sich dem nur fast mit Gewalt entziehen können. Ein Witz war das und so nahm ich es auch zuerst - eine ihrer Drogengeschichten - ja, musste ich dann irgendwann zugeben, ich war alleine mit ihr bei mir, ja, es gab keine Zeugen, aber es war doch absolut lächerlich, weil es umgekehrt gelaufen war. Die sehr blonde Personalerin schaute mich an und sagte nur, da steht jetzt Aussage gegen Aussage. Da steht nun wohl ein offizielles Verfahren an. Weiß nicht, ob wir die Polizei einschalten müssen.
Da rutschte mir plötzlich das Herz in die Hose, was vermutlich auch meinem Gesicht in diesem Moment anzusehen war - wieso Polizei? - aber da war doch nichts, sie hätte es versucht, ich wollte nicht, ich war doch verliebt in meine Freundin in Heidelberg und wollte von keiner anderen etwas. Ob diese Freundin für mich aussagen könnte, fragte die Personalerin mich wie ein Detektiv aus. Mir brach der Schweiß aus - verfluchter Mist, einen Teufel würde die blöde Ziege vermutlich tun, dachte ich - hatte sich denn alle Welt gegen mich verschworen - das Gespräch war der Horror, bis mein Freund J, der mir den Job vermittelt hatte dazu kam, das Gespräch unterbrach und von einem Skandal sprach, den sie da inszeniere, was Folgen haben würde, er wäre mit dem Vorstand im Gespräch.
Er hat mich da rausgehauen und dankbar für dieses Glück, fragte ich ihn auch, als wir später einen Trinken waren, um Rat, was ich nun tun sollte. Kündigen sagt er, schnellst möglich kündigen, damit du es noch selbst kannst, bevor mehr daraus wird. Aber warum denn, erwiderte ich fassungslos - ich hab doch nichts getan. Erzählte ihm nochmal die ganze Geschichte, er hörte geduldig zu, nannte mich einen Deppen, weil ich so naiv wäre. Er glaubte mir, meinte, er vermute auch, dass ich den Vorstand wohl überzeugen könnte, aber der Dreck würde an mir kleben, solange ich in der Firma wäre - für die Entlassung der Personalerin würde er sorgen, die Rache gönnte er mir und die Praktikantin würde keinen Tag länger in der Firma arbeiten, wollte sie aber wohl ohnehin nicht.
Hörte auf ihn und kündigte zum 1. Dezember und wurde mit sofortiger Wirkung auf eigenen Wunsch freigestellt bei Fortzahlung des Gehalts bis Februar, die gesetzlichen drei Monate eben. Die Mitglieder des Vorstandes bedauerten den Verlust gegenüber mir sehr, wo sie doch gesehen hätten, wie engagiert ich arbeitete, das übliche nette Blabla ohne Folgen. Nun hatte ich viel Zeit. Würde sich schon bald was neues finden, meinte J, hier boome es ja gerade im Internetbereich.
Ausschlafen, viel lesen, im Sessel sitzen, meinen Nachbarn durch die Wand beim Vögeln lauschen und ab und zu ins Café oder zum Griechen - nach Monaten, ohne Erholung gönnte ich mir erstmal die Pause und hatte gedacht, ich könnte sie lustvoll mit der Kleinen vom Empfang ein wenig füllen. Sie entschied sich für die größere Sicherheit, ließ sich vom jungen und sehr netten Finanzvorstand schwängern und hatte damit ausgesorgt. Die wunderbare A traf ich nochmal, aber wieder war ich irgendwie unentschlossen und auch bei N wusste ich nicht, ob ich es innerlich wieder wagen sollte, mich ganz darauf einzulassen, nachdem ich das letzte mal so schmerzvoll baden ging und halb oder mal probieren ginge da ja nicht, also hielten sich meine Bemühungen in überschaubaren Grenzen.
Irgendwann hatte ich in dieser innerlich unklaren Phase noch Besuch von meinem früher besten Freund J, der mittlerweile im Schwarzwald liiert war mit einer gemeinsamen Freundin, eigentlich die Dritte oder vierte, mit der ich vorher etwas hatte oder anfing und die er dann übernahm, doch schien es ihm diesmal ganz ernst - er fühlte sich wohl im Schwarzwald und mit seinem bald Schwiegervater. Der früher radikale Linke, der das autonome Zentrum in Heidelberg mitgegründet hatte, war dabei in die dortige Narrenzunft einzutreten, gab sich großmäulig und bot mir irgendeinen Hilfsjob an und war ansonsten wie immer. Eigentlich nett, ohne echte eigene Meinung, ziemlich gebildet und neugierig, für jeden Blödsinn zu haben, ein irgendwie unklarer Typ dennoch, der bei diesem sicheren Fisch fürs Leben im engen Schwarzwaldnest nun zugegriffen hatte und ich fragte mich, wie lange er das wohl aushalten würde, ob Geld ihn glücklich machte, Golfspielen geistige Betätigung ersetzte.
Keine Ahnung, was aus ihm wurde, er hat tatsächlich geheiratet, wurde Vater, wenn auch einige Zeit nach mir, er musste ja vorher ordnungsgemäß verheiratet sein, hat ein Haus von seinem Schwiegervater zur Hochzeit bekommen, sitzt für die CDU im Gemeinderat und hat wohl eine Arztpraxis. Mein Interesse, den Kontakt wieder aufzunehmen, hält sich in überschaubaren Grenzen und ich wüsste auch nicht mehr, worüber ich mit ihm reden sollte. So verfliegt wohl manches entbehrliches im Leben irgendwann, Welten trennen sich oder bleiben für immer verbunden, je nachdem, was an Energie oder Eigeninterese dahinter steckt. Habe es noch einige male überlegt, war auch zu seiner Hochzeit eingeladen, als meine Freundin hochschwanger war - konnte mich aber nicht durchringen, dort hinzufahren.
Er hatte mich mehrfach bestohlen gehabt, mit drei meiner Ex geschlafen, was ich völlig ok fand und die geheiratet, bei der ich, als ich seiner dann Frau einmal ziemlich nahe war, die Flucht ergriff, weil mir dieser schwarzwäldische Geist zu eng war, ich zu ersticken, mich fürchtete. Wir lebten in verschiedenen Welten, gönnte ihm seine Urlaube in der Villa der Schwiegereltern im Tessin und seine Golftouren, nur wollte ich nichts mehr damit zu tun haben - eigentlich merkte ich das schon bei seinem Besuch an seinen Bemerkungen und der Art unseres Umgangs - aber weil wir uns da ja schon bald 15 Jahre kannten, rang ich noch sehr der Hochzeit wegen mit mir. Aber fragte ich mich ehrlich, war mir seine Mutter innerlich näher, mit dem ich mich irgendwann einmal nach einem Kinobesuch rumgeknutscht hatte.
Wir trugen den gleichen Vornamen, sonst verband uns wenig vom Wesen, denke ich heute, vermisse nichts und lächelte neulich darüber, als ich bei facebook las, wie seine kleinste Schwester, die ich noch als Babysitter betreut hatte, nun Lehrerin und bildhübsch wurde. Geschichte und Deutsch unterrichtet sie und ich wäre wirklich neugierig, wäre sie nicht seine kleine Schwester und ich möchte nicht über eine Fortsetzung des Verhältnisses nachdenken - ähnlich ist es mit seinem Besuch damals, den ich fast vergessen hätte - er kam irgendwann, blieb einige Tage, wir waren einmal zusammen bei IKEA, kauften das Falsche, er beleidigte und erniedrigte mich auf eine vermeintlich kumpelhafte Art, alles übrige, habe ich längst vergessen und das ist auch gut so. Vermutlich waren wir auf diversen Flohmärkten und erlebten dies und das, aber ich weiß nichts mehr davon, was mir als Aussage zu diesem einmal besten Freund heute genügt.
Ein aufregenderes, typisch berlinerisches Erlebnis hatte ich dafür mit dem kleinen Bruder meines Freundes aus dem Studium, der schon länger in Berlin war und mich auf eine heiße Party mitnahm, bei der schöne Models erotischen Schmuck vorführten. Es war irgendwo tief im Westen und am heißesten wurde die Rückfahrt, bei der ich mich heute noch frage, wie es kam, dass ich dieses eine Rennen unbeschadet überstanden habe, auch wenn alles dagegen sprach, nach meiner Erfahrung. Aber der Reihe nach.
L, der aus einer uralten für Preußen sehr bedeutenden Familie stammte, hatte mich gefragt, ob ich Lust hätte und wir hatten uns da getroffen. Die ganze Show war sehr sinnlich, auch wenn wir von den wirklich intimen Teilen des Intimschmucks nichts zu sehen bekamen und die jungen Damen, die ihn vorführten noch relativ züchtig bekleidet waren. Dafür wurden die Gespräche daneben um so heißer. Es war zu einem Teil Westberliner Erotik-Schikeria und zum anderen Neugierige und eben einige der sehr schlanken schönen Modelle, die aber den Abend über noch beschäftigt schienen.
Die ganze Veranstaltung fand im ersten Stock eines Gebäudes statt, das ich als eher aus einem Industriegebiet stammend in Erinnerung habe, auch darum vielleicht dachte ich an die Bordellbesuche, zu denen mich ein Mainzer Freund einige male eingeladen hatte, bis ich feststellte, dass mir der gekaufte Sex nicht wirklich Freude machte. Die Gastgeberin war eine sehr weiblich gebaute und sehr blonde Dame in den mittleren vierzigern oder fünfzigern wohl, die ihre Rundungen gut zur Geltung brachte und munter mit ihren Gästen plauderte, sie zum Kauf animierte und die Vorführungen sehr geschäftstüchtig kommentierte.
Sie war schon reizvoll, wenn auch kein Vergleich zu ihren Modellen, doch da diese eben beschäftigt waren, mit Vorführen oder Umziehen, was aufgrund der intimen Details des Schmuckes, die wir leider nicht sahen, relativ lange dauerte, so tanzte ich zwischendurch mit ihr und irgendwann standen wir leidenschaftlich knutschend in einer Ecke, wie auch einige der anderen Gäste wenig Scheu kannten, sich ihrer Lust dort hinzugeben, wo sie gerade standen und da ich nicht schüchtern erscheinen wollte, die Gastgeberin wohl ihrer Vorbildrolle auf dieser Werbeshow, die langsam zu einer Orgie wurde, gerecht werden wollte, taten wir uns keinen Zwang an.
Es kam jedoch über verschiedene Berührungen an den üblichen Orten nicht weit hinaus, da auch ihr Geschlecht mit einem besonderen Schmuck verziert und so quasi für Eindringlinge verschlossen war, was ich etwas frustrierend fand, mich aber vor weiteren Peinlichkeiten verschonte, dann waltete sie wieder ihres Amtes, kümmerte sich auch um ihre Gäste und wir verloren uns aus den Augen. Überlegte nicht lange, ob ich das nun bedauern sollte, sondern freute mich lieber mit L darüber, dass nun die Modelle erschienen, mit den Gästen ins Gespräch zu kommen und wir lernten gleich eine kennen, die, wenn sie nicht als Modell für Intimschmuck oder sonstiges arbeitete, Logopädin war. Eine nicht nur schöne, sondern auch gebildete und kultivierte Frau, die nebenbei noch ein Schmuckteil trug, zu dem wir sie detailliert befragten und sie antwortete zwar sicher auftragsgemäß aber doch immer noch auf eine besondere Art keusch und cool.
Sie gefiel uns beiden gut und wir rangen nun um ihre Gunst. L schlug nach einiger Zeit vor noch nach Mitte zu fahren, in irgendeine Bar, die gerade ein Geheimtipp war, von der im übrigen schon Joseph Roth schrieb, also eher wieder ein Geheimtipp war, wie so vieles hier in wechselnder Beleuchtung. Nun begann das männliche Balgen um ihre Gunst, was mich immer an Quartettspielen erinnerte. Wer ist größer, stärker, reicher, toller, cooler - vor allem bei letzterem hatte ich keine Chance gegen L - dafür war ich etwas beredter, was aber auch nicht immer zielführend war - da wir mit zwei Wagen da waren, musste sie sich für einen Fahrer entscheiden und schließlich war es L, der sich ja schon besser auskannte und vorfahren sollte.
Wie sein Vater in früheren Zeiten, war auch L beim Fahren ein echter Herrenreiter. Ob er tatsächlich beabsichtigte mich abzuhängen oder nur mit Spaß und seiner unwiderstehlichen Collness durch die Stadt raste, die er schon lange so gut kannte und also genau wusste, wo er rasen durfte und wo nicht, weiß ich nicht. Mein zwar riesiger Audi der leider völlig untermotorisiert war, hatte Schwierigkeiten sein Tempo zu halten, ganz abgesehen von mir und meinem Gewissen. War es als korrekter Bürger gewohnt in der Stadt höchstens 50 zu fahren, vielleicht mal 55 aber mehr nur mit schlechtestem Gewissen. Nun rasten wir teilweise mit 90 oder schneller den 17. Juni hinunter und dann die Linden, dass ich mich heute noch frage, wie es kam, dass wir niemanden umfuhren oder keinen Unfall bauten.
Heftete mich möglichst eng an Ls Stoßstange, um ihn nicht zu verlieren, blendete alle Verkehrsregeln aus - nun ging es nur noch darum L mit dieser traumhaften Frau auf der Spur zu bleiben. Beinahe hätte ich ihn mehrmals verloren, doch unter ebenfalls Missachtung sämtlicher Verkehrsregeln und bei Überfahren auch dunkelroter Ampeln, schaffte ich es, die Verfolgungsjagd heil zu überstehen - nur froh, dass ich mir dabei nicht auch noch in die Hose gemacht hatte, nass geschwitzt und völlig erschöpft war ich dagegen schon, der nicht zum Rennfahrer gemacht ist, während L mit seiner zumindest scheinbar immer Gelassenheit lächelnd aus dem Auto stieg, ihr die Tür öffnete und nur meinte, ah, da bist du ja auch schon...
Sie hatte sich ja noch für keinen ihrer Verehrer entschieden und die Bar war zumindest näher an meiner Wohnung als an seiner, dachte ich noch hoffnungsfroh. Wir plauderten dann ein wenig im Keller jener Bar an der Alten Schönhauser, sie spielte mit beiden, doch irgendwann schien eindeutig, dass er das Glück haben würde, sie nach Hause zu bringen, das Spiel gemacht hatte und ich zog mich unter besten Wünschen für die Nacht dezent und nur mäßig frustriert zurück.
Einige Zeit später heiratete L dann wie ich von seinem Bruder meinem Freund M erfuhr, eine ehemalige Logopädin, die nun Jura studierte, inzwischen Richterin ist - kenne ihn und seine wunderschöne Frau, wir sehen uns manchmal an Geburtstagen des Bruders oder sonstigen Familienfeiern, habe es noch nie geschafft, ihn zu fragen, woher sie sich eigentlich kennen... - ist vielleicht auch in diesen Kreisen besser so, denke ich - jedenfalls bin ich nie wieder so schnell von Charlottenburg nach Mitte gekommen, habe es allerdings auch nie wieder versucht und auch meine Karriere als Herrenreiter endete nach Abschaffung des letzten Wagens, den ich noch selbst fuhr, relativ bescheiden.
So vergingen die Monate - einmal war ich noch mit L auf einer Fisch sucht Fahrrad Fete im Zelt am Schlossplatz, was aber auch vor der zuerst erzählten Geschichte gewesen könnte, was logisch passte, aber egal ist, da sie ohnehin relativ erfolglos endete, die anwesenden Damen keinen von uns zu großen casanovaesken Herausforderungen animierte und dann ergab sich ja manches anderes und ich verschwand für viele Jahre vom großen Markt der Singles in der Großstadt.
Für Anfang Dezember hatte ich die Einladung zum 60. eines meiner besten Freunde aus Mainz, die ich gerne wahrnehmen wollte und beschloss, da der Job sich ja erledigt hatte, schon etwas früher als Weihnachten in die alte Heimat zu fahren. Was dort dann im Dezember alles passierte, wie ich mich wieder zum Narren machte, gehört natürlich nicht zum Berlinerleben, sondern nur zu meinem, was vermutlich keinen weiter interressiert, dennoch werden ich es in den folgenden Kapiteln erzählen, weil es teilweise bis Berlin weiter wirkte und neue Verwirrungen auslöste, die am Ende einen neuen Höhepunkt fanden.
jens tuengerthal 26.2.2017
Sonntag, 26. Februar 2017
Berlinleben 003
Umzugschaos
Vor dem rauschenden Fest in meiner wunderbaren Altbauwohnung im Winskiez stand noch der Umzug - auch wenn Partys in leeren Räumen ja viel haben, war mein Plan gerade ein anderer, obwohl ich eigentlich, seit mich die eine große Liebe verließ, schon keinen Plan mehr hatte, wie das Leben werden sollte, machte ich einfach mal weiter und so lief es halt irgendwie.
Das Warum hatte ich mit dem Traum von der großen Liebe, für die ich sorgen wollte, verloren - ging es also ohne Grund weiter und das war vielleicht ganz gut so, denn wozu brauchte das Leben einen Grund oder Sinn, es war ja genug zu tun mit der Tatsache an sich überhaupt fertig zu werden oder war es eine Katastrophe, einfach zu genießen, was ist, ohne auf mehr Sinn oder sonstiges zu hoffen?
Diese Fragen stellte ich mir erst viel später wieder und es sollte dann noch etwas dauern, bis ich eine vernünftige Antwort darauf fand, wenn es überhaupt eine solche geben kann, Epikur kannte ich noch nicht und den guten Lukrez hatte ich nie gelesen, gerade arbeitete ich wie ein Verrückter, um alles vor dem Umzugswochenende zu schaffen und dies zumindest frei zu haben. Die Zeit des mobilen Office war noch nicht wirklich angebrochen und den mobilen Zugang ins Firmennetzwerk, diskutierten wir gerade erst theoretisch in der Firma, es würde wohl noch etwas dauern - das modernste Mobiltelefon kam damals von Nokia und hatte noch Tasten, die Revolution wartete noch auf ihren Ausbruch auf dem Markt.
Manchmal kommt es mir vor, als schriebe ich aus fernster Vergangenheit, wenn ich daran denke, dass ich völlig ohne Mobiltelefon und Computer groß wurde - hatte nicht mal einen Atari, noch interessierten mich Computerspiele je, außer den kleinen Partien Strip-Poker, die wir vor dem Fernseher meines besten Freundes von dreizehn bis fünfzehn spielten und auch da interessierte mich der Anblick einer nackten Frau mehr als das Computerspiel, warum ich mich irgendwann entschloss, lieber mehr Zeit mit dem Original zu verbringen, als mein Können bei solchen Spielen zu perfektionieren und so hatte ich lange vor meinen mehr spielenden Freunden auch Freundinnen und Geliebte, was ich immer noch interessanter als alles andere finde, außer ich habe sie bereits, dann verkehrt es sich manchmal, besonders direkt danach oder wenn sie etwas von mir erwarten.
Während ich erlebte, worüber ich hier nun schreibe, dachte ich meist wenig nach, was so gar nicht meine Art ist, eigentlich. Arbeitete, plante und erledigte, was zu erledigen war - auf der Bahnfahrt hatte ich einen Moment zum nachdenken, den ich aber, völlig erschöpft von den Wochen davor, fast verschlief. Fuhr diesmal mit dem Zug gen Heidelberg, um den Rückweg mit einem mit meinen Möbeln und Habseligkeiten beladenen Kleinlaster anzutreten. Musste meine alte Wohnung im Seitenflügel des Hauses meiner Eltern mit all ihren Büchern ausräumen, dabei waren es eigentlich noch wenige damals, denke ich gerade, zumindest verglichen zu heute, aber egal, mit schien es wahnsinnig viel und ich wusste kaum wo hinten und vorne war, wie ich das alles erledigen sollte.
Am nächsten Abend sollte ich nach langer Autobahnfahrt mit meinem Kleinlaster wieder in Berlin ankommen - hatte einen Bekannten und den Freund meiner Mitarbeiterin mit seinen Pfadfindern organisiert, mir zu helfen. Weiß nicht, wie ich auf diese idiotische Idee kam, nach all dem, was vorher schon lief - aber ich kannte ja keinen in Berlin, außer der Theologin und dem Bruder eines Freundes, also war es vielleicht doch verständlich, dass ich ihr Angebot annahm, als sie es mir, wohl mit schlechtem Gewissen im Büro vorschlug. Hätte Männer mieten sollen, die diese Arbeiten professionell erledigen, die ich angemessen wie vereinbart bezahle und gut wäre es gewesen, sage ich mit viel Abstand, in der Situation war ich froh, dass es irgendwie lief.
Doch zu erschöpft, zu lesen, träumte ich halb wach im Zug, von dem, was mir nur bevorstand und der Horror wuchs mit jedem Kilometer, dem ich mich dem Ziel näherte. Als ich schließlich ankam und von meinen großartigen Eltern abgeholt wurde, schien alles vergessen. Diese hielten mir, wie sie nur konnten, den Rücken frei, weiß gar nicht, ob ich das schon mal gebührend gewürdigt habe, aber, wenn ich die Geschichten von anderen so höre, hatte ich wirklich mehr als Glück mit meiner Familie. Sie unterstützten, wo sie konnten, halfen so viel wie nötig und hielten sich aber ansonsten völlig raus, neigten also nicht dazu, plötzlich als Eltern wieder bestimmen zu wollen, was meist die Ursache größter Konflikte ist. Das ist weder alltäglich noch normal, wie ich inzwischen weiß, denn entweder, es gibt diese Eltern eher gar nicht und sie kümmern sich überhaupt nicht mehr um ihre Kinder, weil sie so mit ihren Hobbys beschäftigt sind, dass keine Zeit bleibt, sind einfach desinteressiert, außer sie erwarten etwas von ihnen, oder sie tun zu viel des Guten, fallen voll in die Elternrolle und lieben es, wenn ihre Kinder sie immer brauchen und bloß nicht zu selbständig werden.
Auch diesmal fanden sie das genau richtige Mittelmaß, was dafür sorgte, dass ich die ganze Zeit beschäftigt war, meinen Auszug mit Freunden organisierte und so nicht viel Zeit, zum nachdenken hatte, was gut so war. Mein lieber ungarischer Freund J leistete wieder enormes und auch einige andere der Heidelberger Freunde standen bereit, es klappte alles besser als gedacht und so fuhr ich am Sonntagmorgen mit dem voll beladenen Kleinlaster aus der Kurpfalz in die neue Heimat, von der ich eigentlich noch nichts gesehen hatte. Die Freunde, die fragten - und, wie ist Berlin so, was geht ab? - musste ich alle enttäuschen, geht bestimmt viel ab, nur ich hatte keine Ahnung, außer meinem Büro und einigen Kneipen um den Kollwitzplatz oder auf dem Weg in den Wedding, hatte ich noch nichts gesehen - von meinem Liebesglück erzählte ich auch, mit gehöriger Selbstironie und alle bestätigten mich darin, dass die Frau wohl etwas verrückt war, noch wusste ja keiner, mich eingeschlossen, warum sie gegangen war.
Eigentlich weiß ich es immer noch nicht, es ist zwar inzwischen egal, die Ahnung, die mir kam, als ich den Anrufbeantworter ungeplant abhörte, genügte, nichts mehr hören zu wollen, sagte ich mir noch, während ich beim Packen ganz locker darüber redete - die Freunde meinten nur - du bist Redakteur in Berlin, du siehst gut aus, was zeigt, es waren wirklich liebe Freunde, die sogar bereitwillig logen, die stehen doch bald wieder Schlange bei dir, kennen wir doch schon. Kannte es zwar nicht, wusste auch nicht so genau, was sie damit meinten, aber ich nahm es mal so hin und fühlte mich großartig von meinen Freunden gestärkt, so lange ich beschäftigt war.
Das erste mal im Leben einen Kleinlaster von Heidelberg nach Berlin zu fahren, noch dazu eigentlich ohne räumliches Sehvermögen, also halbblind, was ich damals zum Glück noch nicht so genau wusste, auch wenn die Praxis es mir schon oft genug bewies, war ein Abenteuer für sich, was dann doch relativ problemlos und ohne zu große Schäden verlief und die kleinen, die eben mal so passieren, glichen dann irgendwie die großzügigen Eltern aus, ohne dass ich mich je weiter darum gekümmert hätte. Kann dazu also nichts weiter erzählen und denke, es ist wohl auch besser so. Manchmal hat der Mensch eben Glück im Leben, denke ich, wenn ich mich daran erinnere - in der Liebe zu den Frauen war mein Glück eher vielfältig als nachhaltig, in der meiner Eltern habe ich dafür immer im Leben etwas gehabt, auf das ich mich verlassen konnte, was mehr wert ist, als alles und so nehme ich die kleinen oder größeren Katastrophen meines Lebens inzwischen mit relativ stoischer Gelassenheit hin, obwohl ich doch aus Überzeugung Epikuräer bin, dafür hatte ich eine wunderbare Kindheit und großartige Eltern, die das genau richtige Mittelmaß zwischen Freiheit und Kümmern fanden - auch wenn es bis dahin doch mancher Kämpfe brauchte, weil kein Mensch perfekt geboren wird. Zumindest habe ich mir vorgenommen, es wäre gut, wenn meine Tochter ähnliches irgendwann über mich sagen würde.
Tatsächlich waren die Pfadfinder und der Freund mit meiner Praktikantin, die auch noch ihre Hilfe angeboten hatte, auf die ich gern verzichtet hätte, aber in der Not war jede Hand willkommen und so nahm ich es, wie es kam, ganz pünktlich da und erwarteten mich schon. Außerdem kam ein weiterer Bekannter aus dem Westen der Stadt und so entluden wir den randvoll beladenen Kleinlaster relativ zügig. Kein besonders spannendes Ereignis im übrigen, wer jemals umzog, wird es kennen. Kisten rein, Kisten raus, Treppe rauf, Treppe runter, Treppe rauf - die Sachen waren gut beschriftet, glaube J hatte die geniale Idee, kann mir nicht vorstellen, dass ich in meiner real existierenden Kopflosigkeit darauf gekommen wäre und da es nur zwei Räume, einen Keller und eine Küche gab, hielt sich das Chaos in Grenzen.
Plötzlich dann wurde meiner Mitarbeiterin, die mich in der ersten Berlinerleben Geschichte so stürmisch küssen wollte, schwindlig und sie musste sich einen Moment hinsetzen. Kannte das ja schon von ihr, war also erstmal nicht zu sehr verwundert. Dann kippte ihr der Kreislauf weg und ich musste mich real als Lebensretter bewähren, konnte aber dabei von meiner jahrelangen Erfahrung im Krankenhaus und als Sanitäter eiin wenig zehren. Ganz abgesehen davon, dass ich es ja schon von ihr kannte, war diesmal auch ihr Freund dabei, der sich kümmern könnte. Sie bekam wahnsinnige Magenkrämpfe, krümmte sich, als wollte sie sterben und ihr Freund wurde immer aggressiver und aufgeregter, während ich, seltsamerweise, der ich Stress eigentlich nicht ausstehen kann, in solchen Situationen immer ganz ruhig werde, sie hinlegte, ihren Puls öffnete, den Freund ihre Hose öffnen ließ, wie gut, dass er diesmal da war, und einen Rettungswagen rief.
Etwas weltfremd dachte ich nur, sie hätte wohl Regelschmerzen oder zuwenig gegessen, während die Kollegen aus dem Vertrieb im Büro, als ich ihnen die Geschichte am nächsten Tag erzählte, nur meinten, sie wären ja mal neugierig, welche Pillen die wohl geschluckt hat und auf welcher Droge sie jetzt war, ob ich der noch nie in die Augen geschaut hätte - musste zugeben, dass ich noch nie auf die Idee gekommen war und mir auch nichts aufgefallen war - wer einmal Jane Austen las, weiß, manche Frauen fallen eben immer mal auch gerade passend um.
Ob Jane Austen nun der beste Ratgeber zum Umgang mit vielleicht Drogen affinen jungen Frauen im Berlin der Gegenwart ist, kommen mir heute manchmal Zweifel, so wie die Ratschläge des Hausarztes der Buddenbrooks heute auch nicht mehr unbedingt lege artis wären - “etwas Franzbrand, etwas Porter, ein wenig Taube, das wird schon…” Aber, war wären wir ohne die große Literatur noch, denke ich immer und zweifel lieber an der Tauglichkeit der meisten Ärzte, solange ich es kann.
Der Moment passte natürlich überhaupt nicht, mit großem Tatütata kamen der Notarzt und der Rettungswagen, versperrten die ohnehin schon schmale Straße und so wurde ich im ganzen Haus als erstes als der bekannt, bei dem der Notarzt war - bestimmt Drogen hätte sie schon vermutet, meinte eine Nachbarin, die ich später kennenlernte, man kenne das ja - ich stritt das erstmal ab, die Praktikantin auch, die fast eine Woche im Krankenhaus blieb, vollkommen durchgecheckt wurde und nach ihrer Auskunft dabei ohne jeden Befund blieb.
Vielleicht nahm sie Drogen und ich war nur zu blöd, es zu merken, ist vermutlich am realistischsten und auch sonst sehr wahrscheinlich, vielleicht war es ihr auch psychisch zu viel mit ihrem Chef, den sie übel verleumdet hatte, was ich noch nicht wusste, den sie geküsste hatte, ohne dass er es wollte, was ich lieber verdrängte und ihrem Freund, der innerlich zu kochen schien, als sei es meine Schuld, wenn seiner Süßen der Kreislauf wegkippt und als hätte ich sie aufgefordert, mir beim Einzug zu helfen. So schaute er mich an und so behandelte er mich, bis die Sanitäter kamen, mit denen ich dann wie mit Kollegen sprechen konnte, ihnen den Status der Patientin schilderte und nüchtern professionell blieb, während ihr Freund eher nichts auf deren Fragen hin zu sagen hatte, schüchtern auf die Drogenfrage stotterte, er wisse von nichts.
Danach war er etwas freundlicher, der Notarzt und die Sanis hatten mich völlig übertrieben so überschwänglich gelobt - ist ja selten, dass einer mal alles richtig macht, klasse und dabei so ruhig bleibt - dass er ihm wohl nichts mehr einfiel, warum er mich nun hassen sollte, was immer sie ihm über mich erzählt hatte. Nach dem Ausräumen, zeigte sich nochmal das hässliche Gesicht dieses Pfadfinders, als er plötzlich fast das doppelte verlangte, wegen Gefahrenzulage und so. Hatte keine Lust auf Diskussionen, war immer noch günstiger weggekommen als mit Profis, wenn auch nicht viel vermutlich und wollte nur meine Ruhe.
Die Art wie ihr Freund sich verhielt und um das Geld in einer Ecke mit mir verhandelte, so dass die Jungens seines Stammes nichts davon hören konnten, hätten vermutlich bei jedem kritisch und vernünftig denkenden Menschen den Verdacht geweckt, dieser habe etwas mit Drogen zu tun - die beiden jungen Vertriebler, waren sich da auch sicher, machten mir klar, der habe mich übers Ohr gehauen und das hätten sie mir billiger organisiert - all solche tollen Ratschläge, die hinterher immer besonders gut helfen, da sie am Abend selbst leider schon ganz lange verplant waren. Die beiden rieten mir ohnehin, die Alte, wie sie das Mädchen nannten, rauszuschmeißen, die sei doch nicht ganz koscher, das gäbe nur Ärger und die brauchst du doch nur anzuschauen, um zu merken, dass sie auf Drogen ist.
Stritt es ab, sagte ich sei Pfadfinder gewesen, die machen so etwas nicht, er hätte halt verhandelt um mehr rauszuholen, wäre ja legitim, vielleicht war es ja für einen guten Zweck und sie interessiere sich eher für Lyrik als für Drogen. Könnte mir das nicht vorstellen. Sie war doch so nett, hatte mir von ihren Eltern in Hamburg erzählt und ihrer Liebe zu Goethe und ihrem Freund - den Ohnmachtsanfall auf meinem Balkon verschwieg ich lieber, ging ja keinen was an und hätte sie vermutlich noch bestätigt. Die Vertriebler blieben dabei, schmeiß sie raus, solange sie nicht da ist, die macht nur Ärger, die Drogis würden dir sonstwas vorlügen und erzählen, auch der Freund, der mir den Job besorgt hatte, äußerte sich ähnlich und sagte, Vertrauen sei ja schön und gut aber manchmal sei Misstrauen einfach gesünder.
Hatte keine Argumente, nur Überzeugungen und ein hohes Gerechtigkeitsempfinden. Einen feuern, der krank ist, kam nicht infrage. Erledigte ihre Arbeit noch mit, musste ich halt doppelt so viel tun, war egal, mich erwartete ja keiner, außer meine Wohnung voller Zeug, dass ich irgendwann aufstellen und einräumen musste, wovor mir schon wieder ein wenig grauste. So kündigte ich ihr nicht, behielt auch die anderen Praktikanten, zog keinerlei vernünftige Konsequenzen, weil ich naiv und blöd war und zu viel damit zu tun hatte, die Dinge zu erledigen, die eben zu erledigen waren und froh war, wenn es einigermaßen lief - ich managte nicht, ich versuchte irgendwie neben dem inneren Chaos und meiner Bude, den Sender am Laufen zu halten.
Ein großer Lichtblick, nur getrübt von meiner noch posttraumatischen Blödheit, war dafür die Hilfe der A., die mich eines Abends, wie verabredet im Büro abholte, mit mir in die neue Wohnung ging, damit schon was steht, bevor am Freitag die Freunde aus Heidelberg kämen, die mir helfen wollten, damit am Samstag meine erste große Party in Berlin steigen konnte, zu der ich auch das halbe Büro, vor allem die netten Vertriebler mit den guten Ratschlägen, auf die ich leider nie hörte, eingeladen hatte. Sie war zwar klein, aber unglaublich stark und patent und wir schafften richtig viel, bauten Regale auf, räumten Kisten aus und es sah schon ziemlich eingerichtet aus, als wir schließlich erschöpft einen Wein zusammen tranken.
Natürlich landeten wir dann doch noch zusammen im Bett, oder lass es auf dem Sofa gewesen sein, es war, egal wo, wild und schön, freute mich an ihrem riesigen Busen, ihrer lauten Lust und der geteilten Leidenschaft, die am Ende beide erfüllte. Eigentlich wäre A., die intelligent war, liebevoll, wunderbar Cello spielte, als Theologin auch sehr gebildet und neugierig, deren Eltern ein kleines Weingut hatten, die ideale Frau, hätte ich so etwas je vernünftig ausgesucht. Befriedigt und glücklich lag sie in meinen Armen und freute sich darauf, dass wir uns nun die Nacht aneinander kuscheln würden. Und nichts liebe ich eigentlich mehr, angekuschelt mit einer Frau zu schlafen, zärtlich umschlungen, finde die nächtliche Nähe, fast wichtiger als Sex. Doch da überkam mich plötzlich Panik, ich dachte an die Liebe zu I., mit der ich zuletzt so innig irgendwie nach unbefriedigendem Sex gekuschelt hatte und ich konnte nicht, ließ sie sogar allein auf dem Bettsofa schlafen und verzog mich in mein noch relativ uneingerichtetes Schlafzimmer.
Sie nahm mir das verständlicherweise übel, es war ja auch ein völlig idiotisches Verhalten, noch dazu dieser Ziege wegen, mit der ich nicht einmal schönen Sex genießen durfte und die mich an meinem 30. so schändlich verließ, die vermutlich nie in ihrem Leben so schönen, wilden Sex haben würden wie A. und ich nur mal so nebenbei ohne weitere Absichten, aber ich spielte innerlich wieder den Werther, das geknickte Pflänzlein, nachdem der Schwanz wieder hing und wollte für mich sein und sie nahm es, wenn auch deutlich knurrend, hin und half mir dennoch weiter, weil sie eine tolle und zuverlässige Frau war.
Bedaure manchmal, wie sich der Kontakt zu solch wunderbaren Menschen wie A. völlig verlor, die irgendwann zu ihren theologischen Examina wieder in die Pfalz zog und vermutlich irgendwo dort gelandet ist. Wie gerne hätte ich sie nochmal Cello spielen gehört voller Leidenschaft wie damals, als wir das erstemal noch in Heidelberg Sex hatten und ich leider noch verlobt war, warum ich auch da nie das Bett für eine Nacht mit ihr teilte, sondern nur mal ab und an mit schlechtem Gewissen meinerseits, der auch damals, wie ich es später, seltsam genug, noch wiederholt tat, mit einer sexuellen Schlaftablette verlobt war.
Vielleicht hätte sie mehr gewollt, wären wir zusammen glücklich geworden, wir konnten wunderbar diskutieren, teilten geistige Welten, auch wenn mir ihr Glaube relativ fern war - es hätte in ganz vieler Hinsicht wunderbar werden können, wenn ich es gewagt hätte, die Chance zu ergreifen, die sich dort bot und vermutlich wäre ich damit so glücklich wie möglich geworden. Aber, sie war klein, leicht alternativ, nicht besonders schick - kein Vergleich zur rothaarigen Opernsängerin aus der Schweiz, von der ich aber eher nur träumte, und sie hatte Lust auf mich, was vermutlich für viele Männer das sexuell abschreckendste überhaupt ist, weil die Lust immer noch ein idiotisches Paradoxon ist und Typen wie ich solch frigiden, katholischen Germanistinnen wie I. hinterherheulen, statt sich an der echten Lust, dem klugen Geist und der Natürlichkeit einer A. genüsslich zu freuen.
Vermutlich sind Idioten wie ich, die solchen Frauen wie den Is dieser Welt ihr Herz schenken, der Grund, warum es schon immer so viele Bordelle gab und diese Branche nie aussterben wird, weil die Männer in diesen Beziehungen ewig frustriert sind, während wahrlich gute Liebhaberinnen wie A. viele Männer in die Flucht schlagen mit ihrer echten, natürlichen Lust, die sie einfach leben. Zumindest lebte ich die Lust mit ihr und ging nicht ins Bordell und so hatten wir zumindest für Momente ein kleines Glück, von dem ich mich aber bald wieder zu sehr ablenken ließ, weil ich eben nicht sonderlich lernfähig bin.
Ob das, wie eine meiner anderen großen Lieben meinte, am Geschlecht liegt, also genotypisch ist, weiß ich nicht, wenn ich andere Männer reden höre, verhält sich kaum einer so idiotisch wie ich - aber auch ich erzähle solche Geschichten natürlich nicht in Männerrunden, wenn es wie früher beim Quartettspielen um das gegenseitige sich überbieten geht, was wohl auch große Jungens nie ablegen. Dieses Muster wird noch in einige Geschichten auch dialektisch wiederholt auftauchen, denn auch Frauen reagieren nicht ihrer natürlichen Lust entsprechend, hab ich das Gefühl, sondern wollen auch wirken und kämpfen um ihre Achtung, als sei die keusche Jungfer ein Ideal unserer Zeit und ihrer Natur. So scheinen mir manche Sitten unserer Kultur zutiefst atavistisch und noch immer von den kranken Sitten des Aberglaubens geprägt, als hätte es nie eine sexuelle Revolution gegeben.
Die Freunde aus Heidelberg kamen dann wie versprochen, drei Frauen und J in seinem roten BMW Cabrio schon etwas älteren Baujahrs, wie der Fahrer auch. Von den Damen halfen besonders J, die auch in Heidelberg meine Liebhaberin neben der sexuell etwas frustrierenden Verlobten war, eine hochgebildete Kunsthistorikerin, die noch dazu alte italienische und französische Literatur studierte und eine in jeder Beziehung wunderbare Frau war, auch wenn sie aus Bayern stammte, was mir eher fern innerlich lag und darum auch immer Kinesen sagte und dann noch C, die einige Jahre vor mir auch an meiner Schule Abitur gemacht hatte, zeitweise auch meine Liebhaberin war und eine vielfältig wunderbare Frau und gute Freundin einfach blieb. Der J und die C übertrafen sich gegenseitig in ihrer Leistung, er als Handwerker, der unermüdlich anpackte und alles hinkriegte und sie, als sie mein Bad putzte, was danach nie wieder so schön aussah, wie an jenem Abend der Party.
Habe mich schon manchmal gefragt, ob Frauen ein besonderes Gen zum Badputzen haben, dass uns Männern einfach fehlt, doch genug männliche Profis im Putzen beweisen dabei leicht das Gegenteil dieser chauvinistischen These, wenn ich auch in meinen Beziehungen die Erfahrung gemacht habe, dass es besser ist, diesen Bereich, den Frauen zu überlassen und sie dabei dann auch über alle Maße zu loben. In der jahrelangen Beziehung mit der Mutter meiner Tochter, war ich für das Bad und die abendliche Küche zuständig, was zwar funktionierte aber mich dauernd so nervte und frustrierte, dass ich heute noch manchmal denke, dies könnte der Grund unseres Scheiterns gewesen sein, auch wenn es vermutlich noch viele andere gab.
Die Party, für die ich kistenweise guten Bordeaux bei Aldi besorgt hatte und auch ein wenig Bier, das übliche Knabberzeug, sei hier nicht erwähnt, tatsächlich zauberten die Damen in meiner überschaubaren Küche zum Hinterhof noch etwas Schönes zum Dippen und tunken, wurde ein voller Erfolg. Die neuen Bekannten aus dem Büro kamen relativ zahlreich zeitweise, auch der Bruder eines meiner besten Freunde aus dem Studium und unterhielten sich angeregt. Alle schienen es, gut zu finden, wie es war, nur ich war nicht so ganz sicher, hatte ich mich doch mit kaum jemand richtig unterhalten, nur mal hier und dort etwas Smalltalk und dann zogen die anderen weiter in Clubs oder zum nächsten Fest irgendwo in der großen Stadt, was mir seltsam vorkam, ihnen aber völlig normal erschien.
War Feste gewohnt, bei denen du von Anfang bis Ende zusammenbleibst und irgendwann ins Bett fällst, wenn der letzte Gast ging in der Morgendämmerung betrunken ging. War hier wohl anders - hier tauchst du irgendwann auf der einen Party auf, entschuldigst dich, dass bei dieser oder jener oder mehreren Einladungen es doch länger gedauert hat, trinkst etwas, plauderst und ziehst weiter um die Häuser oder in Clubs. Hatte nichts damit zu tun, ob es ihnen bei mir gefiel oder nicht, lag einfach nur daran, es gab immer so viel und jeder war immer irgendwo eingeladen oder kannte jemanden, der jemanden kannte, der gerade etwas neu aufmachte, was du unbedingt sehen musstest und keiner wollte ja was verpassen.
Vermutlich waren die drei bis vier Stunden, die sie tatsächlich bei mir waren sogar ziemlich lang und als der größere Teil der Meute abgezogen war, merkten wir verbliebenen, wie erschöpft wir von der Arbeit bis zur letzten Minute waren.
Es gab ein Bettsofa und mein 1m breites Bett für 5 Personen, von denen die eine noch mit einem Freund durch die Clubs zog und irgendwann am Morgen kommen wollte. Da mein Freund J meinte, er schnarche, beschlossen meine beiden früheren Liebhaberinnen C und J mit mir in meinem 1m breiten Bett zu schlafen, während J bis die andere käme alleine auf dem 2m breiten Bettsofa schlafen sollte, da diese seine Ex war, kannte sie sein Schnarchen und käme vermutlich so trunken und müde wieder, dass wir uns über sein Schnarchen ihretwegen keine Sorgen machen mussten.
Eine nicht sehr logische oder sinnvolle Raumaufteilung, aber es wurde eine wunderbare Nacht, von der ich leider dank der Menge des vorher genossenen Rotweins, der gute Bordeaux von Aldi wirkte nachhaltig, nicht viel erinnere. Es war zärtlich, kuschelig, wunderschön vertraut, ich glaube, hätte mich jemand in diesem Moment gefragt, hätte ich gesagt, ich liebe sie alle beide und bin der glücklichste Mensch. Wir schliefen irgendwie wechselnd über Kreuz und im Arm, aneinander gekuschelt, sich streichelnd, kichernd und irgendwann tatsächlich - die schönste Nacht in meiner neuen Wohnung, obwohl ich keine Erinnerung habe, ob wir tatsächlich erfüllenden Sex hatten, nur darüber flüsterten, wer wen streichelte, wann und wo und überhaupt - am Morgen zwinkerten wir uns zu und ich tat auch so, als wüsste ich wovon die Rede war, tatsächlich hatte ich keine Ahnung, was in dieser Nacht in meinem Bett alles passiert ist, aber ich kann mir viel schönes vorstellen und das reicht an dieser Stelle wohl auch.
So endete meine erste Party sehr glücklich, wenn auch überraschend nah und anders als gedacht und gerne dachte ich bei den kommenden Katastrophen an diese wunderbare Nacht, auch wenn ich immer noch aus voller Überzeugung sagen würde, Sex zu Dritt lohnt nie, kommt immer einer zu kurz, ist eher sportlich und überhaupt - aber da ich nicht mehr weiß, was passierte, was auch sehr gut so ist, habe ich eine angenehm wohlige Erinnerung und denke es war wohl alles gut so.
jens tuengerthal 25.2.2017
Vor dem rauschenden Fest in meiner wunderbaren Altbauwohnung im Winskiez stand noch der Umzug - auch wenn Partys in leeren Räumen ja viel haben, war mein Plan gerade ein anderer, obwohl ich eigentlich, seit mich die eine große Liebe verließ, schon keinen Plan mehr hatte, wie das Leben werden sollte, machte ich einfach mal weiter und so lief es halt irgendwie.
Das Warum hatte ich mit dem Traum von der großen Liebe, für die ich sorgen wollte, verloren - ging es also ohne Grund weiter und das war vielleicht ganz gut so, denn wozu brauchte das Leben einen Grund oder Sinn, es war ja genug zu tun mit der Tatsache an sich überhaupt fertig zu werden oder war es eine Katastrophe, einfach zu genießen, was ist, ohne auf mehr Sinn oder sonstiges zu hoffen?
Diese Fragen stellte ich mir erst viel später wieder und es sollte dann noch etwas dauern, bis ich eine vernünftige Antwort darauf fand, wenn es überhaupt eine solche geben kann, Epikur kannte ich noch nicht und den guten Lukrez hatte ich nie gelesen, gerade arbeitete ich wie ein Verrückter, um alles vor dem Umzugswochenende zu schaffen und dies zumindest frei zu haben. Die Zeit des mobilen Office war noch nicht wirklich angebrochen und den mobilen Zugang ins Firmennetzwerk, diskutierten wir gerade erst theoretisch in der Firma, es würde wohl noch etwas dauern - das modernste Mobiltelefon kam damals von Nokia und hatte noch Tasten, die Revolution wartete noch auf ihren Ausbruch auf dem Markt.
Manchmal kommt es mir vor, als schriebe ich aus fernster Vergangenheit, wenn ich daran denke, dass ich völlig ohne Mobiltelefon und Computer groß wurde - hatte nicht mal einen Atari, noch interessierten mich Computerspiele je, außer den kleinen Partien Strip-Poker, die wir vor dem Fernseher meines besten Freundes von dreizehn bis fünfzehn spielten und auch da interessierte mich der Anblick einer nackten Frau mehr als das Computerspiel, warum ich mich irgendwann entschloss, lieber mehr Zeit mit dem Original zu verbringen, als mein Können bei solchen Spielen zu perfektionieren und so hatte ich lange vor meinen mehr spielenden Freunden auch Freundinnen und Geliebte, was ich immer noch interessanter als alles andere finde, außer ich habe sie bereits, dann verkehrt es sich manchmal, besonders direkt danach oder wenn sie etwas von mir erwarten.
Während ich erlebte, worüber ich hier nun schreibe, dachte ich meist wenig nach, was so gar nicht meine Art ist, eigentlich. Arbeitete, plante und erledigte, was zu erledigen war - auf der Bahnfahrt hatte ich einen Moment zum nachdenken, den ich aber, völlig erschöpft von den Wochen davor, fast verschlief. Fuhr diesmal mit dem Zug gen Heidelberg, um den Rückweg mit einem mit meinen Möbeln und Habseligkeiten beladenen Kleinlaster anzutreten. Musste meine alte Wohnung im Seitenflügel des Hauses meiner Eltern mit all ihren Büchern ausräumen, dabei waren es eigentlich noch wenige damals, denke ich gerade, zumindest verglichen zu heute, aber egal, mit schien es wahnsinnig viel und ich wusste kaum wo hinten und vorne war, wie ich das alles erledigen sollte.
Am nächsten Abend sollte ich nach langer Autobahnfahrt mit meinem Kleinlaster wieder in Berlin ankommen - hatte einen Bekannten und den Freund meiner Mitarbeiterin mit seinen Pfadfindern organisiert, mir zu helfen. Weiß nicht, wie ich auf diese idiotische Idee kam, nach all dem, was vorher schon lief - aber ich kannte ja keinen in Berlin, außer der Theologin und dem Bruder eines Freundes, also war es vielleicht doch verständlich, dass ich ihr Angebot annahm, als sie es mir, wohl mit schlechtem Gewissen im Büro vorschlug. Hätte Männer mieten sollen, die diese Arbeiten professionell erledigen, die ich angemessen wie vereinbart bezahle und gut wäre es gewesen, sage ich mit viel Abstand, in der Situation war ich froh, dass es irgendwie lief.
Doch zu erschöpft, zu lesen, träumte ich halb wach im Zug, von dem, was mir nur bevorstand und der Horror wuchs mit jedem Kilometer, dem ich mich dem Ziel näherte. Als ich schließlich ankam und von meinen großartigen Eltern abgeholt wurde, schien alles vergessen. Diese hielten mir, wie sie nur konnten, den Rücken frei, weiß gar nicht, ob ich das schon mal gebührend gewürdigt habe, aber, wenn ich die Geschichten von anderen so höre, hatte ich wirklich mehr als Glück mit meiner Familie. Sie unterstützten, wo sie konnten, halfen so viel wie nötig und hielten sich aber ansonsten völlig raus, neigten also nicht dazu, plötzlich als Eltern wieder bestimmen zu wollen, was meist die Ursache größter Konflikte ist. Das ist weder alltäglich noch normal, wie ich inzwischen weiß, denn entweder, es gibt diese Eltern eher gar nicht und sie kümmern sich überhaupt nicht mehr um ihre Kinder, weil sie so mit ihren Hobbys beschäftigt sind, dass keine Zeit bleibt, sind einfach desinteressiert, außer sie erwarten etwas von ihnen, oder sie tun zu viel des Guten, fallen voll in die Elternrolle und lieben es, wenn ihre Kinder sie immer brauchen und bloß nicht zu selbständig werden.
Auch diesmal fanden sie das genau richtige Mittelmaß, was dafür sorgte, dass ich die ganze Zeit beschäftigt war, meinen Auszug mit Freunden organisierte und so nicht viel Zeit, zum nachdenken hatte, was gut so war. Mein lieber ungarischer Freund J leistete wieder enormes und auch einige andere der Heidelberger Freunde standen bereit, es klappte alles besser als gedacht und so fuhr ich am Sonntagmorgen mit dem voll beladenen Kleinlaster aus der Kurpfalz in die neue Heimat, von der ich eigentlich noch nichts gesehen hatte. Die Freunde, die fragten - und, wie ist Berlin so, was geht ab? - musste ich alle enttäuschen, geht bestimmt viel ab, nur ich hatte keine Ahnung, außer meinem Büro und einigen Kneipen um den Kollwitzplatz oder auf dem Weg in den Wedding, hatte ich noch nichts gesehen - von meinem Liebesglück erzählte ich auch, mit gehöriger Selbstironie und alle bestätigten mich darin, dass die Frau wohl etwas verrückt war, noch wusste ja keiner, mich eingeschlossen, warum sie gegangen war.
Eigentlich weiß ich es immer noch nicht, es ist zwar inzwischen egal, die Ahnung, die mir kam, als ich den Anrufbeantworter ungeplant abhörte, genügte, nichts mehr hören zu wollen, sagte ich mir noch, während ich beim Packen ganz locker darüber redete - die Freunde meinten nur - du bist Redakteur in Berlin, du siehst gut aus, was zeigt, es waren wirklich liebe Freunde, die sogar bereitwillig logen, die stehen doch bald wieder Schlange bei dir, kennen wir doch schon. Kannte es zwar nicht, wusste auch nicht so genau, was sie damit meinten, aber ich nahm es mal so hin und fühlte mich großartig von meinen Freunden gestärkt, so lange ich beschäftigt war.
Das erste mal im Leben einen Kleinlaster von Heidelberg nach Berlin zu fahren, noch dazu eigentlich ohne räumliches Sehvermögen, also halbblind, was ich damals zum Glück noch nicht so genau wusste, auch wenn die Praxis es mir schon oft genug bewies, war ein Abenteuer für sich, was dann doch relativ problemlos und ohne zu große Schäden verlief und die kleinen, die eben mal so passieren, glichen dann irgendwie die großzügigen Eltern aus, ohne dass ich mich je weiter darum gekümmert hätte. Kann dazu also nichts weiter erzählen und denke, es ist wohl auch besser so. Manchmal hat der Mensch eben Glück im Leben, denke ich, wenn ich mich daran erinnere - in der Liebe zu den Frauen war mein Glück eher vielfältig als nachhaltig, in der meiner Eltern habe ich dafür immer im Leben etwas gehabt, auf das ich mich verlassen konnte, was mehr wert ist, als alles und so nehme ich die kleinen oder größeren Katastrophen meines Lebens inzwischen mit relativ stoischer Gelassenheit hin, obwohl ich doch aus Überzeugung Epikuräer bin, dafür hatte ich eine wunderbare Kindheit und großartige Eltern, die das genau richtige Mittelmaß zwischen Freiheit und Kümmern fanden - auch wenn es bis dahin doch mancher Kämpfe brauchte, weil kein Mensch perfekt geboren wird. Zumindest habe ich mir vorgenommen, es wäre gut, wenn meine Tochter ähnliches irgendwann über mich sagen würde.
Tatsächlich waren die Pfadfinder und der Freund mit meiner Praktikantin, die auch noch ihre Hilfe angeboten hatte, auf die ich gern verzichtet hätte, aber in der Not war jede Hand willkommen und so nahm ich es, wie es kam, ganz pünktlich da und erwarteten mich schon. Außerdem kam ein weiterer Bekannter aus dem Westen der Stadt und so entluden wir den randvoll beladenen Kleinlaster relativ zügig. Kein besonders spannendes Ereignis im übrigen, wer jemals umzog, wird es kennen. Kisten rein, Kisten raus, Treppe rauf, Treppe runter, Treppe rauf - die Sachen waren gut beschriftet, glaube J hatte die geniale Idee, kann mir nicht vorstellen, dass ich in meiner real existierenden Kopflosigkeit darauf gekommen wäre und da es nur zwei Räume, einen Keller und eine Küche gab, hielt sich das Chaos in Grenzen.
Plötzlich dann wurde meiner Mitarbeiterin, die mich in der ersten Berlinerleben Geschichte so stürmisch küssen wollte, schwindlig und sie musste sich einen Moment hinsetzen. Kannte das ja schon von ihr, war also erstmal nicht zu sehr verwundert. Dann kippte ihr der Kreislauf weg und ich musste mich real als Lebensretter bewähren, konnte aber dabei von meiner jahrelangen Erfahrung im Krankenhaus und als Sanitäter eiin wenig zehren. Ganz abgesehen davon, dass ich es ja schon von ihr kannte, war diesmal auch ihr Freund dabei, der sich kümmern könnte. Sie bekam wahnsinnige Magenkrämpfe, krümmte sich, als wollte sie sterben und ihr Freund wurde immer aggressiver und aufgeregter, während ich, seltsamerweise, der ich Stress eigentlich nicht ausstehen kann, in solchen Situationen immer ganz ruhig werde, sie hinlegte, ihren Puls öffnete, den Freund ihre Hose öffnen ließ, wie gut, dass er diesmal da war, und einen Rettungswagen rief.
Etwas weltfremd dachte ich nur, sie hätte wohl Regelschmerzen oder zuwenig gegessen, während die Kollegen aus dem Vertrieb im Büro, als ich ihnen die Geschichte am nächsten Tag erzählte, nur meinten, sie wären ja mal neugierig, welche Pillen die wohl geschluckt hat und auf welcher Droge sie jetzt war, ob ich der noch nie in die Augen geschaut hätte - musste zugeben, dass ich noch nie auf die Idee gekommen war und mir auch nichts aufgefallen war - wer einmal Jane Austen las, weiß, manche Frauen fallen eben immer mal auch gerade passend um.
Ob Jane Austen nun der beste Ratgeber zum Umgang mit vielleicht Drogen affinen jungen Frauen im Berlin der Gegenwart ist, kommen mir heute manchmal Zweifel, so wie die Ratschläge des Hausarztes der Buddenbrooks heute auch nicht mehr unbedingt lege artis wären - “etwas Franzbrand, etwas Porter, ein wenig Taube, das wird schon…” Aber, war wären wir ohne die große Literatur noch, denke ich immer und zweifel lieber an der Tauglichkeit der meisten Ärzte, solange ich es kann.
Der Moment passte natürlich überhaupt nicht, mit großem Tatütata kamen der Notarzt und der Rettungswagen, versperrten die ohnehin schon schmale Straße und so wurde ich im ganzen Haus als erstes als der bekannt, bei dem der Notarzt war - bestimmt Drogen hätte sie schon vermutet, meinte eine Nachbarin, die ich später kennenlernte, man kenne das ja - ich stritt das erstmal ab, die Praktikantin auch, die fast eine Woche im Krankenhaus blieb, vollkommen durchgecheckt wurde und nach ihrer Auskunft dabei ohne jeden Befund blieb.
Vielleicht nahm sie Drogen und ich war nur zu blöd, es zu merken, ist vermutlich am realistischsten und auch sonst sehr wahrscheinlich, vielleicht war es ihr auch psychisch zu viel mit ihrem Chef, den sie übel verleumdet hatte, was ich noch nicht wusste, den sie geküsste hatte, ohne dass er es wollte, was ich lieber verdrängte und ihrem Freund, der innerlich zu kochen schien, als sei es meine Schuld, wenn seiner Süßen der Kreislauf wegkippt und als hätte ich sie aufgefordert, mir beim Einzug zu helfen. So schaute er mich an und so behandelte er mich, bis die Sanitäter kamen, mit denen ich dann wie mit Kollegen sprechen konnte, ihnen den Status der Patientin schilderte und nüchtern professionell blieb, während ihr Freund eher nichts auf deren Fragen hin zu sagen hatte, schüchtern auf die Drogenfrage stotterte, er wisse von nichts.
Danach war er etwas freundlicher, der Notarzt und die Sanis hatten mich völlig übertrieben so überschwänglich gelobt - ist ja selten, dass einer mal alles richtig macht, klasse und dabei so ruhig bleibt - dass er ihm wohl nichts mehr einfiel, warum er mich nun hassen sollte, was immer sie ihm über mich erzählt hatte. Nach dem Ausräumen, zeigte sich nochmal das hässliche Gesicht dieses Pfadfinders, als er plötzlich fast das doppelte verlangte, wegen Gefahrenzulage und so. Hatte keine Lust auf Diskussionen, war immer noch günstiger weggekommen als mit Profis, wenn auch nicht viel vermutlich und wollte nur meine Ruhe.
Die Art wie ihr Freund sich verhielt und um das Geld in einer Ecke mit mir verhandelte, so dass die Jungens seines Stammes nichts davon hören konnten, hätten vermutlich bei jedem kritisch und vernünftig denkenden Menschen den Verdacht geweckt, dieser habe etwas mit Drogen zu tun - die beiden jungen Vertriebler, waren sich da auch sicher, machten mir klar, der habe mich übers Ohr gehauen und das hätten sie mir billiger organisiert - all solche tollen Ratschläge, die hinterher immer besonders gut helfen, da sie am Abend selbst leider schon ganz lange verplant waren. Die beiden rieten mir ohnehin, die Alte, wie sie das Mädchen nannten, rauszuschmeißen, die sei doch nicht ganz koscher, das gäbe nur Ärger und die brauchst du doch nur anzuschauen, um zu merken, dass sie auf Drogen ist.
Stritt es ab, sagte ich sei Pfadfinder gewesen, die machen so etwas nicht, er hätte halt verhandelt um mehr rauszuholen, wäre ja legitim, vielleicht war es ja für einen guten Zweck und sie interessiere sich eher für Lyrik als für Drogen. Könnte mir das nicht vorstellen. Sie war doch so nett, hatte mir von ihren Eltern in Hamburg erzählt und ihrer Liebe zu Goethe und ihrem Freund - den Ohnmachtsanfall auf meinem Balkon verschwieg ich lieber, ging ja keinen was an und hätte sie vermutlich noch bestätigt. Die Vertriebler blieben dabei, schmeiß sie raus, solange sie nicht da ist, die macht nur Ärger, die Drogis würden dir sonstwas vorlügen und erzählen, auch der Freund, der mir den Job besorgt hatte, äußerte sich ähnlich und sagte, Vertrauen sei ja schön und gut aber manchmal sei Misstrauen einfach gesünder.
Hatte keine Argumente, nur Überzeugungen und ein hohes Gerechtigkeitsempfinden. Einen feuern, der krank ist, kam nicht infrage. Erledigte ihre Arbeit noch mit, musste ich halt doppelt so viel tun, war egal, mich erwartete ja keiner, außer meine Wohnung voller Zeug, dass ich irgendwann aufstellen und einräumen musste, wovor mir schon wieder ein wenig grauste. So kündigte ich ihr nicht, behielt auch die anderen Praktikanten, zog keinerlei vernünftige Konsequenzen, weil ich naiv und blöd war und zu viel damit zu tun hatte, die Dinge zu erledigen, die eben zu erledigen waren und froh war, wenn es einigermaßen lief - ich managte nicht, ich versuchte irgendwie neben dem inneren Chaos und meiner Bude, den Sender am Laufen zu halten.
Ein großer Lichtblick, nur getrübt von meiner noch posttraumatischen Blödheit, war dafür die Hilfe der A., die mich eines Abends, wie verabredet im Büro abholte, mit mir in die neue Wohnung ging, damit schon was steht, bevor am Freitag die Freunde aus Heidelberg kämen, die mir helfen wollten, damit am Samstag meine erste große Party in Berlin steigen konnte, zu der ich auch das halbe Büro, vor allem die netten Vertriebler mit den guten Ratschlägen, auf die ich leider nie hörte, eingeladen hatte. Sie war zwar klein, aber unglaublich stark und patent und wir schafften richtig viel, bauten Regale auf, räumten Kisten aus und es sah schon ziemlich eingerichtet aus, als wir schließlich erschöpft einen Wein zusammen tranken.
Natürlich landeten wir dann doch noch zusammen im Bett, oder lass es auf dem Sofa gewesen sein, es war, egal wo, wild und schön, freute mich an ihrem riesigen Busen, ihrer lauten Lust und der geteilten Leidenschaft, die am Ende beide erfüllte. Eigentlich wäre A., die intelligent war, liebevoll, wunderbar Cello spielte, als Theologin auch sehr gebildet und neugierig, deren Eltern ein kleines Weingut hatten, die ideale Frau, hätte ich so etwas je vernünftig ausgesucht. Befriedigt und glücklich lag sie in meinen Armen und freute sich darauf, dass wir uns nun die Nacht aneinander kuscheln würden. Und nichts liebe ich eigentlich mehr, angekuschelt mit einer Frau zu schlafen, zärtlich umschlungen, finde die nächtliche Nähe, fast wichtiger als Sex. Doch da überkam mich plötzlich Panik, ich dachte an die Liebe zu I., mit der ich zuletzt so innig irgendwie nach unbefriedigendem Sex gekuschelt hatte und ich konnte nicht, ließ sie sogar allein auf dem Bettsofa schlafen und verzog mich in mein noch relativ uneingerichtetes Schlafzimmer.
Sie nahm mir das verständlicherweise übel, es war ja auch ein völlig idiotisches Verhalten, noch dazu dieser Ziege wegen, mit der ich nicht einmal schönen Sex genießen durfte und die mich an meinem 30. so schändlich verließ, die vermutlich nie in ihrem Leben so schönen, wilden Sex haben würden wie A. und ich nur mal so nebenbei ohne weitere Absichten, aber ich spielte innerlich wieder den Werther, das geknickte Pflänzlein, nachdem der Schwanz wieder hing und wollte für mich sein und sie nahm es, wenn auch deutlich knurrend, hin und half mir dennoch weiter, weil sie eine tolle und zuverlässige Frau war.
Bedaure manchmal, wie sich der Kontakt zu solch wunderbaren Menschen wie A. völlig verlor, die irgendwann zu ihren theologischen Examina wieder in die Pfalz zog und vermutlich irgendwo dort gelandet ist. Wie gerne hätte ich sie nochmal Cello spielen gehört voller Leidenschaft wie damals, als wir das erstemal noch in Heidelberg Sex hatten und ich leider noch verlobt war, warum ich auch da nie das Bett für eine Nacht mit ihr teilte, sondern nur mal ab und an mit schlechtem Gewissen meinerseits, der auch damals, wie ich es später, seltsam genug, noch wiederholt tat, mit einer sexuellen Schlaftablette verlobt war.
Vielleicht hätte sie mehr gewollt, wären wir zusammen glücklich geworden, wir konnten wunderbar diskutieren, teilten geistige Welten, auch wenn mir ihr Glaube relativ fern war - es hätte in ganz vieler Hinsicht wunderbar werden können, wenn ich es gewagt hätte, die Chance zu ergreifen, die sich dort bot und vermutlich wäre ich damit so glücklich wie möglich geworden. Aber, sie war klein, leicht alternativ, nicht besonders schick - kein Vergleich zur rothaarigen Opernsängerin aus der Schweiz, von der ich aber eher nur träumte, und sie hatte Lust auf mich, was vermutlich für viele Männer das sexuell abschreckendste überhaupt ist, weil die Lust immer noch ein idiotisches Paradoxon ist und Typen wie ich solch frigiden, katholischen Germanistinnen wie I. hinterherheulen, statt sich an der echten Lust, dem klugen Geist und der Natürlichkeit einer A. genüsslich zu freuen.
Vermutlich sind Idioten wie ich, die solchen Frauen wie den Is dieser Welt ihr Herz schenken, der Grund, warum es schon immer so viele Bordelle gab und diese Branche nie aussterben wird, weil die Männer in diesen Beziehungen ewig frustriert sind, während wahrlich gute Liebhaberinnen wie A. viele Männer in die Flucht schlagen mit ihrer echten, natürlichen Lust, die sie einfach leben. Zumindest lebte ich die Lust mit ihr und ging nicht ins Bordell und so hatten wir zumindest für Momente ein kleines Glück, von dem ich mich aber bald wieder zu sehr ablenken ließ, weil ich eben nicht sonderlich lernfähig bin.
Ob das, wie eine meiner anderen großen Lieben meinte, am Geschlecht liegt, also genotypisch ist, weiß ich nicht, wenn ich andere Männer reden höre, verhält sich kaum einer so idiotisch wie ich - aber auch ich erzähle solche Geschichten natürlich nicht in Männerrunden, wenn es wie früher beim Quartettspielen um das gegenseitige sich überbieten geht, was wohl auch große Jungens nie ablegen. Dieses Muster wird noch in einige Geschichten auch dialektisch wiederholt auftauchen, denn auch Frauen reagieren nicht ihrer natürlichen Lust entsprechend, hab ich das Gefühl, sondern wollen auch wirken und kämpfen um ihre Achtung, als sei die keusche Jungfer ein Ideal unserer Zeit und ihrer Natur. So scheinen mir manche Sitten unserer Kultur zutiefst atavistisch und noch immer von den kranken Sitten des Aberglaubens geprägt, als hätte es nie eine sexuelle Revolution gegeben.
Die Freunde aus Heidelberg kamen dann wie versprochen, drei Frauen und J in seinem roten BMW Cabrio schon etwas älteren Baujahrs, wie der Fahrer auch. Von den Damen halfen besonders J, die auch in Heidelberg meine Liebhaberin neben der sexuell etwas frustrierenden Verlobten war, eine hochgebildete Kunsthistorikerin, die noch dazu alte italienische und französische Literatur studierte und eine in jeder Beziehung wunderbare Frau war, auch wenn sie aus Bayern stammte, was mir eher fern innerlich lag und darum auch immer Kinesen sagte und dann noch C, die einige Jahre vor mir auch an meiner Schule Abitur gemacht hatte, zeitweise auch meine Liebhaberin war und eine vielfältig wunderbare Frau und gute Freundin einfach blieb. Der J und die C übertrafen sich gegenseitig in ihrer Leistung, er als Handwerker, der unermüdlich anpackte und alles hinkriegte und sie, als sie mein Bad putzte, was danach nie wieder so schön aussah, wie an jenem Abend der Party.
Habe mich schon manchmal gefragt, ob Frauen ein besonderes Gen zum Badputzen haben, dass uns Männern einfach fehlt, doch genug männliche Profis im Putzen beweisen dabei leicht das Gegenteil dieser chauvinistischen These, wenn ich auch in meinen Beziehungen die Erfahrung gemacht habe, dass es besser ist, diesen Bereich, den Frauen zu überlassen und sie dabei dann auch über alle Maße zu loben. In der jahrelangen Beziehung mit der Mutter meiner Tochter, war ich für das Bad und die abendliche Küche zuständig, was zwar funktionierte aber mich dauernd so nervte und frustrierte, dass ich heute noch manchmal denke, dies könnte der Grund unseres Scheiterns gewesen sein, auch wenn es vermutlich noch viele andere gab.
Die Party, für die ich kistenweise guten Bordeaux bei Aldi besorgt hatte und auch ein wenig Bier, das übliche Knabberzeug, sei hier nicht erwähnt, tatsächlich zauberten die Damen in meiner überschaubaren Küche zum Hinterhof noch etwas Schönes zum Dippen und tunken, wurde ein voller Erfolg. Die neuen Bekannten aus dem Büro kamen relativ zahlreich zeitweise, auch der Bruder eines meiner besten Freunde aus dem Studium und unterhielten sich angeregt. Alle schienen es, gut zu finden, wie es war, nur ich war nicht so ganz sicher, hatte ich mich doch mit kaum jemand richtig unterhalten, nur mal hier und dort etwas Smalltalk und dann zogen die anderen weiter in Clubs oder zum nächsten Fest irgendwo in der großen Stadt, was mir seltsam vorkam, ihnen aber völlig normal erschien.
War Feste gewohnt, bei denen du von Anfang bis Ende zusammenbleibst und irgendwann ins Bett fällst, wenn der letzte Gast ging in der Morgendämmerung betrunken ging. War hier wohl anders - hier tauchst du irgendwann auf der einen Party auf, entschuldigst dich, dass bei dieser oder jener oder mehreren Einladungen es doch länger gedauert hat, trinkst etwas, plauderst und ziehst weiter um die Häuser oder in Clubs. Hatte nichts damit zu tun, ob es ihnen bei mir gefiel oder nicht, lag einfach nur daran, es gab immer so viel und jeder war immer irgendwo eingeladen oder kannte jemanden, der jemanden kannte, der gerade etwas neu aufmachte, was du unbedingt sehen musstest und keiner wollte ja was verpassen.
Vermutlich waren die drei bis vier Stunden, die sie tatsächlich bei mir waren sogar ziemlich lang und als der größere Teil der Meute abgezogen war, merkten wir verbliebenen, wie erschöpft wir von der Arbeit bis zur letzten Minute waren.
Es gab ein Bettsofa und mein 1m breites Bett für 5 Personen, von denen die eine noch mit einem Freund durch die Clubs zog und irgendwann am Morgen kommen wollte. Da mein Freund J meinte, er schnarche, beschlossen meine beiden früheren Liebhaberinnen C und J mit mir in meinem 1m breiten Bett zu schlafen, während J bis die andere käme alleine auf dem 2m breiten Bettsofa schlafen sollte, da diese seine Ex war, kannte sie sein Schnarchen und käme vermutlich so trunken und müde wieder, dass wir uns über sein Schnarchen ihretwegen keine Sorgen machen mussten.
Eine nicht sehr logische oder sinnvolle Raumaufteilung, aber es wurde eine wunderbare Nacht, von der ich leider dank der Menge des vorher genossenen Rotweins, der gute Bordeaux von Aldi wirkte nachhaltig, nicht viel erinnere. Es war zärtlich, kuschelig, wunderschön vertraut, ich glaube, hätte mich jemand in diesem Moment gefragt, hätte ich gesagt, ich liebe sie alle beide und bin der glücklichste Mensch. Wir schliefen irgendwie wechselnd über Kreuz und im Arm, aneinander gekuschelt, sich streichelnd, kichernd und irgendwann tatsächlich - die schönste Nacht in meiner neuen Wohnung, obwohl ich keine Erinnerung habe, ob wir tatsächlich erfüllenden Sex hatten, nur darüber flüsterten, wer wen streichelte, wann und wo und überhaupt - am Morgen zwinkerten wir uns zu und ich tat auch so, als wüsste ich wovon die Rede war, tatsächlich hatte ich keine Ahnung, was in dieser Nacht in meinem Bett alles passiert ist, aber ich kann mir viel schönes vorstellen und das reicht an dieser Stelle wohl auch.
So endete meine erste Party sehr glücklich, wenn auch überraschend nah und anders als gedacht und gerne dachte ich bei den kommenden Katastrophen an diese wunderbare Nacht, auch wenn ich immer noch aus voller Überzeugung sagen würde, Sex zu Dritt lohnt nie, kommt immer einer zu kurz, ist eher sportlich und überhaupt - aber da ich nicht mehr weiß, was passierte, was auch sehr gut so ist, habe ich eine angenehm wohlige Erinnerung und denke es war wohl alles gut so.
jens tuengerthal 25.2.2017
Freitag, 24. Februar 2017
Berlinleben 002
28./29. September 2000
Geburtstagsglücksspiel
Hatte meine Traumfrau zum Bahnhof Zoo bestellt, auch wenn sie meinte der Ostbahnhof sei näher, wie ihr eine Freundin gesagt hätte und wie sie es meist besser wusste, auch diesmal zugegeben, den ich aber wie überhaupt die große Stadt noch gar nicht kannte und so fuhr ich am Alex vorbei Unter den Linden entlang, durch das Brandenburger Tor auf den 17. Juni, diesen herunter, um den Stern herum und am nächsten Stern nach links, um von der Redaktion aus pünktlich am Gleis zu stehen, wenn meine Prinzessin kam.
Sie stieg mit ihren schwarzen kurzen Locken aus dem Zug, ich stand mit dem breitesten Lächeln der Welt als gefühlt glücklichster Mann auf dem Bahnsteig des häßlichen Vorstadtbahnhofs, der nur durch Christiane F.s Roman traurige Berühmtheit erlangte, ansonsten heute weitgehend abgehängte Station zur Durchfahrt nur noch ist. Im Vorort Charlottenburg eben, das alte West Berlin, was noch um seine künftige Rolle im irgendwie noch nichts ein wenig überaltert ringt. Zu behaupten, sie sei so glücklich gewesen wie ich, als wir uns endlich in den Armen lagen, wäre wohl ein wenig übertrieben. Der leidenschaftlich, stürmische Typ war sie ohnehin nicht, eher ein wenig schüchtern, aber ich war guter Hoffnung diese Leidenschaft in aller Ruhe zu wecken und es ging ja auch eher um Liebe als bloße Lust, dachte ich, ohne zu wissen, was sie dachte oder wollte. Konnte mir auch nicht vorstellen, was sie wollen sollte, außer wie ich verliebt glücklich zu sein, was sollte Frau sonst wollen, dachte ich vielleicht noch in der völlig irren Anmaßung, die meint, Mann wüsste, was Frau wollte. Zum Glück verliert sich zumindest dieser Wahn mit der Zeit ein wenig.
Fuhr sie mit meiner Staatskarosse auf dem königlichen Weg wieder zurück durch die Stadt. Mit Begeisterung schaute sie aus dem Fenster, kommentierte, wo sie arbeiten wollte, wie wir zusammenziehen würden, Kinder bekämen und alles was verliebte Paare so säuseln. Freute mich schon sehr auf das Machen der Kinder, zu sehr vielleicht, denn ihre verliebten Äußerungen bezogen sich weniger auf den Vollzug der Ehe als das Ankommen in der Hauptstadt, deren Schönheit sie kundig kommentierte, wie sie überhaupt immer sehr feste und sichere Urteile hatte, so absurd und ahnungslos diese auch teilweise waren.
So wischte sie meine Hand, die während der Fahrt zwischen ihre Beine rutschte, den Urgrund der ihrerseits geplanten Familie erkundend, ein wenig empört weg und ich war mir nicht ganz sicher, ob sie nun nur spielte, den Reiz erhöhen wollte oder wirklich ein wenig prüde war. Diese Unsicherheit blieb das bestimmende Gefühl. Zuerst, bevor wir in mein noch Wohnsilo im Wedding fuhren, wollte sie die neue Wohnung sehen, die ich ihr zu ihrer riesigen Enttäuschung aber nur von außen zeigen konnte, da ich den Schlüssel an den Typen gegeben hatte, der die Böden abschliff und mich neben den 14h mindestens täglich in der Redaktion noch nicht weiter um diese, wie sie plötzlich sagte, unsere Wohnung zu kümmern, es war mir egal gewesen, kein Thema, bis sie fertig war. Nun aber wollte meine Prinzessin I. unser Liebesnest sehen, wie sie es nannte, war mit der Straße einverstanden, fand sie zwar etwas tief, die hohen Decken mit dem Stuck von außen aber sehr ansehnlich und alberte gleich wieder, dort werde sie einziehen.
Die Hoffnung sie würde, kaum schlösse sich die Tür hinter uns, vor Leidenschaft entflammen und wir würden es tun, noch bevor wir Essen gingen, trog. Sie war, auch da ganz die angekündigte Katholikin, eine Meisterin der Verzögerung - Sex interessierte sie noch gar nicht - sie inspizierte die Räume, fand sie hässlich, was ich mit der schnellen nötigen Wahl quasi über Nacht entschuldigte, die sie gnädig nochmal gewährte. Jedenfalls wollte sie schnell wieder weg von dort, damit wir Essen gehen könnten und ich machte mich mit ihr auf den Weg zum Kollwitzplatz, wo ich im Gugelhof mit ihr Essen gehen wollte, wie vor uns schon Schröder und Clinton, was ich nicht unterlassen konnte zu erwähnen, um den Elsässer am Platz anzupreisen.
Es war noch sehr warm für Ende September, wir saßen draußen und sie bestand darauf, mir gegenüber zu sitzen - “sonst komme ich ja gar nicht zum Essen, wenn du dauernd an mir rumfummelst und knutschen willst, ne ne ne, das fangen wir gar nicht erst an…” - wimmelte sie mein sehnsüchtiges Bedürfnis nach Nähe noch ab und erhöhte damit die Spannung. Was ich an dieser Frau fand und warum ich sie außer ihres Studiums der Literaturwissenschaft wegen so traumhaft fand, rätsel ich bis heute. Zumindest schaffte sie auf ihre gut katholische Art durch dauernde Entziehung ihrer Reize, deren Wert umgekehrt dialektisch zu erhöhen und meine Lust stieg, gemessen am realen Angebot, überproportional und nur meine hingebungsvolle Liebe hielt sie noch irgendwie im Zaum.
Sie hatte die schnelle Lust nach dem Ankommen in der, wie sie sagte, Absteige, sofort verweigert, ich müsste mich doch noch auf etwas an meinem Geburtstag freuen und ich gehorchte, als sei die Lust ein einseitiges Geschenk ihrerseits an mich und nicht eine gegenseitige Freude, wovon sie aber scheinbar bisher wenig Ahnung hatte. Beim letzten mal, hatte sie noch aus unerfindlichen Gründen ihre Eingänge alle verschlossen gehalten, zumindest für das Eindringen meines Schwanzes, auch wenn sie es vorher noch wagemutig angekündigt hatte, verließ sie beim ersten Versuch der Mut dabei schnell und sie ließ sich anstatt nur genüsslich von mir lecken, ohne aber auf die Idee zu kommen, dass Sex doch logisch etwas gegenseitiges sein müsse und ich hatte es hingenommen, weil sie mir vorher schon vom Tod ihrer Mutter, dem Nichtverhältnis zum Vater erzählt hatte und ich sie ja lieben wollte, nicht nur vernaschen, sie mir leid tat, ich der große Kümmerer mit dem noch größeren Herz sein wollte, der alles für sie tat.
Dies ist übrigens eine Rolle, die ich immer wieder gern, ich weiß nicht aus welchen Gründen, bei Frauen einnahm und schon immer eingenommen hatte mit relativ leidlichen Erfolg, so lag die Zahl derer, die sich bei mir ausheulten lange deutlich höher als die derjenigen, mit denen ich ins Bett ging. Erst als ich von meinem Vater erfuhr, dass es ihm genauso ging, begann ich mich einerseits mit der wohl natürlichen Anlage abzufinden und andererseits die Taktik mit mäßigem Erfolg zu ändern - so schloss sich Fummeln und Kümmern nicht immer grundsätzlich aus und es entstanden zeitweise seltsame Mischformen, die damals aber noch kein Thema waren.
Über einen Monat hatten wir uns nun nicht gesehen. Die Sehnsucht war meinerseits auch im körperlichen schon so groß geworden, dass nicht mal das gewollte tiefe Gefühl der großen Liebe sie noch lange ausbremsen konnte und dennoch geduldete ich mich weiter. Wir plapperten fröhlich, sie plante nach Berlin zu ziehen, irgendwann bald, oder hier zu arbeiten, es gäbe ja doch viel bessere Lektüre in der Hauptstadt und ich freute mich auf ein gemeinsames Leben. Der Riesling zum Essen und der Champagner zum Geburtstag, als ich schließlich wirklich 30 war, ließen ihre Laune steigen und sie machte schon Andeutungen auf die Freude, die mich gleich erwartete.
War gespannt, was sie meinte und was mich tatsächlich nun erwarten würde, was sie sich zum Geburtstag ausgedacht hatte als große Überraschung. Sie hatte einen kleinen Kuchen meiner Mutter und deren Geschenke überbracht - das Hauptgeschenk aber wolle sie selber auspacken, wie sie sagte, die bisher jeden weiteren Versuch ihr körperlich nahe zu kommen, verweigert hatte. Sie gab mir genaue Anweisungen, was ich zu tun hätte und die ich ahnungslos, was mich nun erwartete, getreu befolgte.
Grübelte leicht erregt, ein wenig beschwipst und in großartiger Geburtstagslaune ein wenig, was sie wohl plante, fügte mich aber ohne Widerspruch, legte mich so ins Bett, wie ich schlafen ging, also nackt und als sie sich darüber empörte, zog ich dann doch die Boxer noch an und wartete, was nun käme. Sie löschte das Licht, machte Musik an und begann sich auszuziehen. Wollte aufstehen und ihr dabei zur Hand gehen, denn was ist schöner, als eine Frau auszuziehen, einen BH zu öffnen und vieles mehr, aber ich durfte nicht, streng wies sie mich, fast wie eine Domina an, im Bett zu bleiben, die Überraschung käme, wenn es soweit sei.
Schließlich, nachdem sie sich auch, nicht wirklich tänzerisch aber doch ein wenig sinnlich ihrer letzten eher mädchenhaften denn erotischen Wäschestücke entledigt hatte, rief sie: “Tatata - ein Tusch für das Geburtstagskind - hier ist dein Geschenk!”
Dabei drehte sie sich, präsentierte ihren nackten Körper, verbot mir aber durch Zeichen immer noch aufzuspringen und den in meinen Augen traumhaften Anblick endlich anzufassen. Machte ihr in meiner Begeisterung, vom längst hoch erregten Schwanz gesteuerte Komplimente, die vermutlich vor Superlativen nur so strotzten und so völlig überladen, natürlich um so unglaubwürdiger waren, aber sie war selbstbewusst genug, gelassen zu erwidern, ja, er sei schon ziemlich perfekt ihr zarter Körper, nur die Brustwarzen, die noch nach innen gingen an dem winzig süßen Busen, seien der einzige Makel, aber das ändere sich ja vielleicht mit der Schwangerschaft, zwinkerte sie mir zu und kam endlich zum Bett.
Wieder bestimmte sie das Tempo, wies jeden Versuch zurück, mich mit Leidenschaft auch ihrem wunderbar runden Po zu widmen - was ich denn da wolle, der ginge mich gar nichts an, das käme nie in Frage, sei Tabu, nein niemals, lachte dabei aber und so wusste ich wieder nicht, ob sie nur spielte oder es ernst meinte und begnügte mich irgendwann nach genüsslichem Vorspiel endlich wirklich in sie einzudringen, auf die ich so lange gewartet hatte. Voller Lust und Glück tauchte mein Schwanz zwischen die kleinen engen rosa Lippen unter dem süßen schwarzen Busch, ganz vorsichtig dabei, als sei sie eine Jungfrau, was sie längst nicht mehr sei, wie sie mehrfach betonte, auch wenn sie sich benahm, als sei es das erste mal.
Es wurde für sie sehr leidenschaftlich und schön, zwischendurch ließ sie mich auch in Momenten höchster Lust ihren Po berühren, kam dann ganz überraschend und unangekündigt und war erstmal erschöpft, brauchte eine Pause und ich ließ sie ihr, in Erwartung der nächsten Tage und Stunden, immer noch unbefriedigt, immerhin 30 mit der erschöpften Frau meiner Träume im Arm, wollte ich mich gedulden, wir hatten ja ein lustvolles Leben vor uns, dachte ich.
Erregt erwachte ich in der Nacht, versuchte ihr meinen Schwanz zwischen die Beine zu schieben, was sie dann empört zurückwies und ich war wieder unsicher, ob dabei gespielt. Nun sei doch Nacht und müsse geschlafen werden. Argumentierte noch, dass ineinander einschlafen doch am schönsten sei, doch davon wollte sie nichts hören und ich hätte doch schon mein Geschenk bekommen, biss mich und küsste mich danach, als ich empört Aua ausrief. So ganz verstand ich sie noch nicht, was sie wollte, wann sie spielte, ob sie wirklich dachte, dass wäre es mit dem Sex, nachdem sie einmal gekommen war. Auf Nachfrage hin, sagte sie mit voller Überzeugung, natürlich, das reiche für diesen Monat, sie sei doch keine Maschine, lachte dann wieder, küsste mich, drehte sich in meinen Arm und wollte schlafen und ich nahm es, glücklich diese wunderbare Frau im Arm zu haben, einfach hin, vielleicht hoffend, es sei ihr Humor.
Am Morgen weckte uns der Kohlelaster im harmonischen Zusammenklang mit dem Schrottplatz vor meinem Fenster, doch statt die Zeit zu ausgiebiger Lust am Morgen zu nutzen, nannte sie den Gedanken völlig abwegig, Sex am Morgen, sei ja wirklich pervers und sie sei doch katholisch und aus dem Münsterland, aber wir könnten ja noch zusammen duschen. Wusste nie wie ernst oder ironisch sie meinte, was sie sagte, nahm es aber einfach hin und ging mit ihr in die zumindest riesige Dusche in der kleinen Wohnung im Wedding. Dies in der Hoffnung, dass unter der Dusche doch einiges möglich sei, manches besser flutsche und sie mir vielleicht zum Geburtstagsmorgen nun ihren gestern streng verschlossenen Po schenken könnte.
Welch Illusion, unter der Dusche ging das Spiel weiter, sie wollte keinesfalls zu viel Nähe und bloß keinen Sex und mein Ansinnen auf ihren Hintern, fand sie völlig pervers und sagte mit diesem Lachen, bei dem ich nie wusste, wie ernst sie es meinte, sie hätte mir doch gestern schon gesagt, der sei tabu, sie sei Katholikin, aus dem Münsterland und daran würde sich nie etwas ändern. Nahm es frustriert und immer noch unbefriedigt hin, hoffte heute Nacht besser zum Zug zu kommen, immerhin war es mein Geburtstag - dies auch wenn sie mir sagte, ich hätte doch mein Geschenk nun gehabt, es sei genug Sex für diesen Monat und wenn ich es nicht genutzt hätte, sei das ja nicht ihr Fehler - ich könne ja jetzt nicht um jede Uhrzeit kommen und Sex haben wollen, wo solle das nur hinführen, schließlich sei sie Münsterländer Katholikin.
Sie sagte dies mit einem schelmischen Lachen unter ihren süßen schwarzen Locken, dass ich nie wusste, wie ich darauf reagieren sollte, ob sie hoffte, ich würde mich darüber hinwegsetzen, sie einfach packen und nehmen und richtig durchvögeln, bis ihr der Katholizismus mit meinem Sperma aus den Hirnwindungen geschwemmt wird, sie also auf eine dialektische Reaktion meinerseits hoffte, nur provozierte oder dann ernsthaft empört wäre und ich, wohlerzogen wie ich war, den Willen einer Frau achtend, kannte nur solche Frauen, vermutlich meist protestantisch, die wussten, was sie wollten oder auch nein meinten, wenn sie nein sagten, was ich einigermaßen zu akzeptieren gelernt hatte.
Diese I. aber war anders, noch beim Frühstück reizte und provozierte sie mich einige mal, um sich danach wieder um so weiter zu entziehen. Später sollte ich noch lernen, dass diese Dialektik im Wesen für Katholikinnen nicht untypisch ist. Eine von mir sehr geliebte leider immer nur Liebhaberin, die nebenbei Mutter und Ärztin war, beherrschte diese perverse Kunst auch bis zur Perfektion und irgendwie habe ich das Gefühl, dass wir auch daran letztlich scheiterten, weil ich nie begriff, was sie wirklich wollte. Allerding war es mit dieser ein Traum im Bett verglichen zu meiner mädchenhaften Literaturwissenschaftlerin, die aber auch schon um die dreißig damals vermutlich war. Auch über ihr wahres Alter sprach sie ganz damenhaft lieber nicht.
Ist es das unterschiedliche Weltbild von Katholiken und Protestanten, was eine Annäherung beim Sex und eine Verständigung nahezu unmöglich machte, fragte ich mich. Sprach in allen meinen Beziehungen immer offen und gerne über Sex, damit beide es so sehr wie möglich genießen konnten Das war mit I nicht möglich. Allerdings ergab sich ja auch nur in zwei Nächten die Gelegenheit überhaupt, aber dazu später.
Wir frühstückten schön, dabei riefen noch meine Eltern an, die herzlich zum Geburtstag gratulierten, dann ging ich ins Büro und freute mich dort vielleicht auch irgendwie gefeiert zu werden, schließlich wussten meine Mitarbeiter ja, dass mein Schatz zu meinem Geburtstag gekommen war und insgeheim hoffte ich auf eine kleine Geburtstagsüberraschung, als ich in die Redaktion kam.
Die gab es wirklich, allerdings ganz anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Die Praktikanten hatten sich über mich beschwert. Angestachelt von dem zuletzt eingestellten Sachsen aus Dresden, der sich sehr freundschaftlich bei mir eingeschleimt hatte und mit dem ich manches zu viel an langen Abenden nach dem Büro besprochen hatte. Seine Liebe saß in Dresden, meine in Heidelberg, also hatten wir immer noch nach langer Arbeit in der Redaktion Zeit, auf ein Bier umme Ecke. Er hatte alles, was ich ihm vertrauensvoll erzählt hatte und was ich kritisches über die beiden jungen Praktikanten sagte, weitergegeben und die Stimmung angeheizt.
Sie meinten, sie arbeiteten zuviel, bekämen zu wenig dafür und wollten nicht mehr von mir angemeckert werden, dass sie ihre Arbeit nicht vollständig machten.Sie täten ja, was sie könnten und viel mehr als sie müssten. Es war mein 30. Geburtstag, ich hatte auf eine kleine Feier und eine freundliche Begrüßung gehofft und bekam eine Mahnung von jemandem, der eigentlich nicht mein Vorgesetzter war, sondern nur dem Vertrieb vorstand, dem die Redaktion aber rein formal unterstellt worden war, weil ja alles irgendwie in die Unternehmenshierarchie passen musste und der Vorstand sich nicht vorstellen konnte, dass eine Redaktion vom Wesen her frei und unabhängig sein musste.
Verteidigte meine Kritik und knickte dennoch halb ein, weil ich mich alleine, immer noch unbefriedigt, an meinem 30. Geburtstag einer Wand gegenüber sah. Das Vertrauen war zerstört, eigentlich. Hätte drei meiner vier Praktikanten sofort entlassen müssen, wie es im Rahmen meiner Kompetenz möglich gewesen wäre, was allerdings bedeutet hätte, dass ich in der Zeit, in der mein Schatz da war, nur noch in der Redaktion sitzen würde, um die Sendungen zu gewährleisten. Sie wussten das, hatten die Situation geschickt genutzt und so stand ich irgendwie wehrlos einer Wand gegenüber und gab nach, suchte einen Kompromiss. Wollte doch heute früher gehen, um mit meinem Schatz ins Konzert zu gehen, Zeit mit ihr zu verbringen.
Hatte die Wochen vorher mehr gearbeitet, damit ich an diesen Tage frei nehmen könnte, schließlich ging es um die Liebe meines Lebens, da könnten meine Mitarbeiter doch mal ein Wochenende lang mehr tun und der Sachse hatte mir noch, volle Kooperation zugesichert, damit ich viel Zeit mit meinem Schatz hätte - “nu klor, is doch verschtändlich…”
Ergebnis dieser Konferenz am Morgen meines Geburtstages war, die Praktikanten durften nur noch so lange arbeiten, wie sie bezahlte wurden, keine Überstunden mehr und nie mehr als 6h oder höchstens 8h. Falls der Vorstand es genehmigen würde, bekäme ich noch neue Praktikanten aber erstmal müsste ich den Ausfall übernehmen und sehen, wie ich die Sache zum Laufen brächte. Wochenendarbeit bräuchte einer besonderen Vereinbarung und gäbe es nicht automatisch, sondern nur nach Einigung und gegen mehr Freizeit in der sonstigen Zeit.
Damit war die schöne Zeit, die ich mit meiner Liebsten geplant hatte, eigentlich gestorben, dachte ich und freute mich darauf meinen 30. Geburtstag vermutlich allein bis Mitternacht in der Redaktion zu verbringen. Weil meine Praktikanten keine Unmenschen seien, sagten sie mir noch ganz versöhnlich, für heute, meinen Geburtstag würden sie noch mal eine Ausnahme machen, damit ich zum Konzert könne wie geplant. Die Rollen hatten sich verkehrt, sie erwiesen mir Gnade und ich hatte dankbar zu sein. Eine Revolution in der Redaktion unterstützt von einem ahnungslosen Vertriebler, der nur zufällig in der Hierarchie zuständig war und ihnen ahnungslos half, aus formalem Gerechtigkeitsempfinden mir das Messer in den Rücken zu stoßen.
Weltmeister im Verdrängen, redete ich mir dennoch die Dinge schön und es musste ja weitergehen. Die Prozesse mussten optimiert werden, damit die gleiche Arbeit in der Hälfte der Zeit von weniger Leuten geleistet werden konnte, wenn ich nicht alles alleine machen wollte. Begann strategisch nachzudenken und suchte, schließlich war es ja mein Geburtstag, das versöhnliche Gespräch. Sie gaben sich einsichtig und zu Zugeständnissen unter Bedingungen bereit, erklärten, dass es nicht gegen mich ging, sondern sie sich durch die unverhältnismäßige Ausbeutung in diesem Unternehmen wehren mussten und irgendwie musste ich ihnen innerlich Recht geben. Sie waren ausgebeutet worden, klar, wie ich auch - nur bekam ich das zehnfache für die gleiche Arbeit, Leben eben.
Während ich plante und überlegte, wie ich angesichts, dieser katastrophalen Niederlage nun noch einige Stunden freie Zeit mit meiner Traumfrau verbringen sollte, klingelte das Telefon und I. war dran. Sofort zauberte ihre Stimmen ein Lächeln auf mein Gesicht, die große Katastrophe schien vergessen, würde schon alle werden und zumindest hätte ich ja noch einige Stunden in der Nacht mit ihr, dachte ich, bis sie zu reden begann und mir das Lächeln im Gesicht gefror.
“Wollte dir nur, weil ich so fair bin, Bescheid geben, habe dir hier auch einen Brief hinterlassen, bin nicht mehr da, Danke für alles, mach es gut.”
Das war es, kurz korrekt, höflich, sonst nichts. Fragte sie, was wäre, wie sie das meine, verstand die Welt nicht mehr, aber sie hatte schon aufgelegt und war nicht mehr erreichbar und ich beschwor den Anrufbeantworter mit verzweifelter Liebe, den Tränen nah und meine Mitarbeiter saßen und schauten innerlich grinsend zu. Wollte wegrennen und ihr hinterher, aber ich konnte ja nicht weg, ich musste arbeiten, viel arbeiten, damit ich heute Abend - heute Abend, mein Geburtstag - ach verflucht - meine Praktikanten sahen, wie mir das Gesicht runtefiel und danach musste ich mich erstmal für eine Zigarette nach nebenan verabschieden.
Die Traumfrau hatte mich verlassen, ohne Gründe zu nennen oder irgendwas zu erklären - nach einem zärtlichen Abschied am Morgen und ich verstand die Welt nicht mehr, die über mir zusammenbrach. Wozu sollte ich noch arbeiten, wozu Geld verdienen, wenn jene, für die ich all dies wollte, weg war. Das Leben hatte keinen Sinn mehr. Leider befand sich das Büro nur im dritten Stock - auch bei einem Hechtsprung aus dem Fenster wäre mir der Tod nicht sicher gewesen und zu feige so etwas zu tun, war ich ohnehin. Zu denken, dass eine Frau, die mich so schnöde an meinem Geburtstag verließ, dies nicht verdiente, kam mir nicht in den Sinn. Es war einfach nur schrecklich.
Der stolze Redakteur, der es geschafft hatte, gutes Geld verdiente, ein schöne Wohnung im Szene-Kiez hatte, war plötzlich ein Nichts, ein armer verlassener Arsch, dessen Leben keinen Pfifferling mehr wert schien. Wie hatte ich das nur verdient - ein Aufstand der Mitarbeiter, die versuchten mich aus dem Unternehmen zu mobben, nicht ahnend, dass sie es tatsächlich versuchten und noch viel mehr hinter dieser Sache steckten, als ich mir vorstellen konnte. Die ganze Bösartigkeit dieser Aktion wurde mir erst Monate später durch einen Zufall klar, als ich meinen Anrufbeantworter am neuen Anschluss installierte und sich daraufhin die alten eigentlich gelöschten Nachrichten nochmal abspielten und ich hörte, wie die eine Paktikantin in einer Nachricht vom 29.9.2000 um 9.15h auf das Band sprach, meine Freundin aufforderte ran zu gehen, sie müsse ihr etwas wichtiges erzählen, von Frau zu Frau. Was die beiden zu besprechen hatten, was sie ihr sagte, weiß ich bis heute nicht - habe später nochmal versucht I. zur Rede zu stellen, doch sie verweigerte jeden Kontakt und bevor mich die Polizei von vor ihrer Wohnungstür in Heidelberg entfernte, setzte dann doch wieder mein Verstand ein und eine liebe Freundin half mir dabei.
Davon ahnte ich an diesem Tag nichts, ich verstand die Welt nicht mehr, versuchte freundlich zu bleiben, erledigte meine Arbeit, schickte meiner Mitarbeiter nach Vorschrift nach Hause und verließ irgendwann spät das Büro, alleine, einsam und als einer der letzten überhaupt. Das war mein 30. Geburtstag - die netten Vertriebler hatten noch gefragt, ob ich mit einen Trinken gehen wollte, als sie vor Stunden verschwanden, aber ich hatte ja zu tun, dank der Revolution meiner Praktikanten. Was für ein beschissener Tag. Mein 30. Geburtstag war wirklich ein Tag zum Vergessen, dachte ich.
Ging dann doch noch kurz zu den netten Kollegen vom Vertrieb, die immer so gut drauf waren und gerne Späßchen machten, Vertriebler eben, deren Berufung es ist, andere zu beschwatzen, damit sie kauften, was sie nicht wollten oder brauchten, trank ein Bier mit ihnen und verzog mich dann aber lieber, mir war nicht nach feiern - meine Traumfrau hatte mich verlassen und das Leben war einfach furchtbar geworden. Gerade dann, sagten sie zu mir, eine ist keine, vergiss die Alte, viele Mütter haben schöne Töchter, lass dich nicht runterziehen und ich gab mich stark. Als mich einer von ihnen hinter vorgehaltener Hand fragte, ob denn der Sex mit der so Granate gewesen wäre, dass sie der Trauer wert war, führte dies leider nicht zu meinem Erwachen sondern zu noch viel tieferer Trauer - es wäre nicht um Sex gegangen, ich hätte sie geliebt, wir wollten eine Familie gründen - und wie lange wart ihr schon so, fragte er mich, die seriösen Absichten bewundernd. Sein breites Grinsen als ich sagte, naja ein Monat oder so, wir hätten uns ja erst zweimal vorher gesehen, sprach bereits Bände, er klopfte mir auf die Schultern, meinte, komm, war doch nix, vergiss sie, besauf dich, kotz an die nächste Laterne und gut ist.
Vielleicht wäre das gut gewesen, aber ich wollte ja noch ihren Brief lesen, von dem sie am Telefon sprach und der mir in diesem Moment plötzlich wieder einfiel. Wie angestochen, stürzte ich mein Bier hinunter, zahlte und eilte geschwinden Schrittes nach Hause, gespannt, was mir der Brief offenbaren würde.
‘Sei nicht traurig, dass es vorbei ist, freu dich, dass es war. Gruß I.’
Das war alles, was sie einen Brief nannte, die Erklärung auf die ich hoffte, waren elf knappe Worte, die nichts erklärten. Den riesigen Strauß Rosen hatte sie umgekehrt zum Trocknen aufgehängt und ich entsorgte ihn bald im zentralen Müllschacht, den mein Etablissement im Wedding noch neben dem Aufzug hatte und der Besucher schon mit einem unangenehmen Duft beim Verlassen des Fahrstuhls begrüßte, wenn irgendeiner der Nachbarn in morgendlicher Eile, wie gewöhnlich den Schacht nach dem Entsorgen nicht richtig verschlossen hatte.
Nichts war das, ich saß vor dem Nichts und sie hatte meinen Anrufbeantworter gelöscht und abgeschaltet, bevor sie ging es erwarteten mich also auch keine sonstigen guten Wünsche. Fragte mich, ob es sich lohnte von diesem Balkon zu springen oder ich mich lieber vor eine Bahn werfen sollte. Dann erinnerte ich mich an den Dreck den das machte und wie ich selbst früher bei der Feuerwehr solche zerstückelten Leichen kilometerlang aufsammeln musste. Das wollte ich niemand zumuten. Eine Knarre hatte ich nicht, taugliches Gift auch nicht, nur das langsam wirkende der Zigaretten, sagte ich mir und rauchte noch eine, als dann doch kurz vor Mitternacht noch das Telefon klingelte.
Es war J. mein lieber ungarischer Freund aus Heidelberg, der mir zum Geburtstag gratulieren wollte und dem ich die ganze Katastrophe erzählte und dem ich sagte, ich hätte nun echt genug und wolle einfach nicht mehr. Irgendwie baute er mich mit seinem Humor wieder auf, wir blödelten einige Stunden am Telefon, er sagte er würde mir beim Umzug helfen und käme zum Aufbauen nach Berlin - wir sollten meine Einzugsparty planen - wenn schon der Geburtstag so ein Reinfall gewesen wäre, würde das der große Hit. Er wollte drei liebe Freundinnen von mir mitnehmen und sie wollten alle irgendwie bei mir übernachten.
Nun, dachte ich, Frau weg und die Mitarbeiter haben mich vorgeführt aber ich habe ja zumindest noch Freunde und es gab etwas, auf das ich mich freuen konnte - er hatte mir von seinen Scheidungen, seinen Kindern und seinen Katastrophen mit Frauen erzählt, mit denen verglichen meine gerade noch harmlos eigentlich war. Das Leben ging also weiter irgendwie und noch ahnte ich ja nicht, wie weit der Verrat dieser Mitarbeiter ging, die mich loswerden wollten und was mir in den folgenden Monaten noch bevorstand, erstmal freute ich mich auf meine erste Party in Berlin, die ich noch dazu selber gab, ohne irgendwas von Berlin bisher zu kennen. Vielleicht hat J. mir in dieser Nacht das Leben gerettet, aber all das hört sich etwas groß an, zumindest gab es eine Perspektive vor der nächsten Katastrophe.
jens tuengerthal 23.2.2017
Geburtstagsglücksspiel
Hatte meine Traumfrau zum Bahnhof Zoo bestellt, auch wenn sie meinte der Ostbahnhof sei näher, wie ihr eine Freundin gesagt hätte und wie sie es meist besser wusste, auch diesmal zugegeben, den ich aber wie überhaupt die große Stadt noch gar nicht kannte und so fuhr ich am Alex vorbei Unter den Linden entlang, durch das Brandenburger Tor auf den 17. Juni, diesen herunter, um den Stern herum und am nächsten Stern nach links, um von der Redaktion aus pünktlich am Gleis zu stehen, wenn meine Prinzessin kam.
Sie stieg mit ihren schwarzen kurzen Locken aus dem Zug, ich stand mit dem breitesten Lächeln der Welt als gefühlt glücklichster Mann auf dem Bahnsteig des häßlichen Vorstadtbahnhofs, der nur durch Christiane F.s Roman traurige Berühmtheit erlangte, ansonsten heute weitgehend abgehängte Station zur Durchfahrt nur noch ist. Im Vorort Charlottenburg eben, das alte West Berlin, was noch um seine künftige Rolle im irgendwie noch nichts ein wenig überaltert ringt. Zu behaupten, sie sei so glücklich gewesen wie ich, als wir uns endlich in den Armen lagen, wäre wohl ein wenig übertrieben. Der leidenschaftlich, stürmische Typ war sie ohnehin nicht, eher ein wenig schüchtern, aber ich war guter Hoffnung diese Leidenschaft in aller Ruhe zu wecken und es ging ja auch eher um Liebe als bloße Lust, dachte ich, ohne zu wissen, was sie dachte oder wollte. Konnte mir auch nicht vorstellen, was sie wollen sollte, außer wie ich verliebt glücklich zu sein, was sollte Frau sonst wollen, dachte ich vielleicht noch in der völlig irren Anmaßung, die meint, Mann wüsste, was Frau wollte. Zum Glück verliert sich zumindest dieser Wahn mit der Zeit ein wenig.
Fuhr sie mit meiner Staatskarosse auf dem königlichen Weg wieder zurück durch die Stadt. Mit Begeisterung schaute sie aus dem Fenster, kommentierte, wo sie arbeiten wollte, wie wir zusammenziehen würden, Kinder bekämen und alles was verliebte Paare so säuseln. Freute mich schon sehr auf das Machen der Kinder, zu sehr vielleicht, denn ihre verliebten Äußerungen bezogen sich weniger auf den Vollzug der Ehe als das Ankommen in der Hauptstadt, deren Schönheit sie kundig kommentierte, wie sie überhaupt immer sehr feste und sichere Urteile hatte, so absurd und ahnungslos diese auch teilweise waren.
So wischte sie meine Hand, die während der Fahrt zwischen ihre Beine rutschte, den Urgrund der ihrerseits geplanten Familie erkundend, ein wenig empört weg und ich war mir nicht ganz sicher, ob sie nun nur spielte, den Reiz erhöhen wollte oder wirklich ein wenig prüde war. Diese Unsicherheit blieb das bestimmende Gefühl. Zuerst, bevor wir in mein noch Wohnsilo im Wedding fuhren, wollte sie die neue Wohnung sehen, die ich ihr zu ihrer riesigen Enttäuschung aber nur von außen zeigen konnte, da ich den Schlüssel an den Typen gegeben hatte, der die Böden abschliff und mich neben den 14h mindestens täglich in der Redaktion noch nicht weiter um diese, wie sie plötzlich sagte, unsere Wohnung zu kümmern, es war mir egal gewesen, kein Thema, bis sie fertig war. Nun aber wollte meine Prinzessin I. unser Liebesnest sehen, wie sie es nannte, war mit der Straße einverstanden, fand sie zwar etwas tief, die hohen Decken mit dem Stuck von außen aber sehr ansehnlich und alberte gleich wieder, dort werde sie einziehen.
Die Hoffnung sie würde, kaum schlösse sich die Tür hinter uns, vor Leidenschaft entflammen und wir würden es tun, noch bevor wir Essen gingen, trog. Sie war, auch da ganz die angekündigte Katholikin, eine Meisterin der Verzögerung - Sex interessierte sie noch gar nicht - sie inspizierte die Räume, fand sie hässlich, was ich mit der schnellen nötigen Wahl quasi über Nacht entschuldigte, die sie gnädig nochmal gewährte. Jedenfalls wollte sie schnell wieder weg von dort, damit wir Essen gehen könnten und ich machte mich mit ihr auf den Weg zum Kollwitzplatz, wo ich im Gugelhof mit ihr Essen gehen wollte, wie vor uns schon Schröder und Clinton, was ich nicht unterlassen konnte zu erwähnen, um den Elsässer am Platz anzupreisen.
Es war noch sehr warm für Ende September, wir saßen draußen und sie bestand darauf, mir gegenüber zu sitzen - “sonst komme ich ja gar nicht zum Essen, wenn du dauernd an mir rumfummelst und knutschen willst, ne ne ne, das fangen wir gar nicht erst an…” - wimmelte sie mein sehnsüchtiges Bedürfnis nach Nähe noch ab und erhöhte damit die Spannung. Was ich an dieser Frau fand und warum ich sie außer ihres Studiums der Literaturwissenschaft wegen so traumhaft fand, rätsel ich bis heute. Zumindest schaffte sie auf ihre gut katholische Art durch dauernde Entziehung ihrer Reize, deren Wert umgekehrt dialektisch zu erhöhen und meine Lust stieg, gemessen am realen Angebot, überproportional und nur meine hingebungsvolle Liebe hielt sie noch irgendwie im Zaum.
Sie hatte die schnelle Lust nach dem Ankommen in der, wie sie sagte, Absteige, sofort verweigert, ich müsste mich doch noch auf etwas an meinem Geburtstag freuen und ich gehorchte, als sei die Lust ein einseitiges Geschenk ihrerseits an mich und nicht eine gegenseitige Freude, wovon sie aber scheinbar bisher wenig Ahnung hatte. Beim letzten mal, hatte sie noch aus unerfindlichen Gründen ihre Eingänge alle verschlossen gehalten, zumindest für das Eindringen meines Schwanzes, auch wenn sie es vorher noch wagemutig angekündigt hatte, verließ sie beim ersten Versuch der Mut dabei schnell und sie ließ sich anstatt nur genüsslich von mir lecken, ohne aber auf die Idee zu kommen, dass Sex doch logisch etwas gegenseitiges sein müsse und ich hatte es hingenommen, weil sie mir vorher schon vom Tod ihrer Mutter, dem Nichtverhältnis zum Vater erzählt hatte und ich sie ja lieben wollte, nicht nur vernaschen, sie mir leid tat, ich der große Kümmerer mit dem noch größeren Herz sein wollte, der alles für sie tat.
Dies ist übrigens eine Rolle, die ich immer wieder gern, ich weiß nicht aus welchen Gründen, bei Frauen einnahm und schon immer eingenommen hatte mit relativ leidlichen Erfolg, so lag die Zahl derer, die sich bei mir ausheulten lange deutlich höher als die derjenigen, mit denen ich ins Bett ging. Erst als ich von meinem Vater erfuhr, dass es ihm genauso ging, begann ich mich einerseits mit der wohl natürlichen Anlage abzufinden und andererseits die Taktik mit mäßigem Erfolg zu ändern - so schloss sich Fummeln und Kümmern nicht immer grundsätzlich aus und es entstanden zeitweise seltsame Mischformen, die damals aber noch kein Thema waren.
Über einen Monat hatten wir uns nun nicht gesehen. Die Sehnsucht war meinerseits auch im körperlichen schon so groß geworden, dass nicht mal das gewollte tiefe Gefühl der großen Liebe sie noch lange ausbremsen konnte und dennoch geduldete ich mich weiter. Wir plapperten fröhlich, sie plante nach Berlin zu ziehen, irgendwann bald, oder hier zu arbeiten, es gäbe ja doch viel bessere Lektüre in der Hauptstadt und ich freute mich auf ein gemeinsames Leben. Der Riesling zum Essen und der Champagner zum Geburtstag, als ich schließlich wirklich 30 war, ließen ihre Laune steigen und sie machte schon Andeutungen auf die Freude, die mich gleich erwartete.
War gespannt, was sie meinte und was mich tatsächlich nun erwarten würde, was sie sich zum Geburtstag ausgedacht hatte als große Überraschung. Sie hatte einen kleinen Kuchen meiner Mutter und deren Geschenke überbracht - das Hauptgeschenk aber wolle sie selber auspacken, wie sie sagte, die bisher jeden weiteren Versuch ihr körperlich nahe zu kommen, verweigert hatte. Sie gab mir genaue Anweisungen, was ich zu tun hätte und die ich ahnungslos, was mich nun erwartete, getreu befolgte.
Grübelte leicht erregt, ein wenig beschwipst und in großartiger Geburtstagslaune ein wenig, was sie wohl plante, fügte mich aber ohne Widerspruch, legte mich so ins Bett, wie ich schlafen ging, also nackt und als sie sich darüber empörte, zog ich dann doch die Boxer noch an und wartete, was nun käme. Sie löschte das Licht, machte Musik an und begann sich auszuziehen. Wollte aufstehen und ihr dabei zur Hand gehen, denn was ist schöner, als eine Frau auszuziehen, einen BH zu öffnen und vieles mehr, aber ich durfte nicht, streng wies sie mich, fast wie eine Domina an, im Bett zu bleiben, die Überraschung käme, wenn es soweit sei.
Schließlich, nachdem sie sich auch, nicht wirklich tänzerisch aber doch ein wenig sinnlich ihrer letzten eher mädchenhaften denn erotischen Wäschestücke entledigt hatte, rief sie: “Tatata - ein Tusch für das Geburtstagskind - hier ist dein Geschenk!”
Dabei drehte sie sich, präsentierte ihren nackten Körper, verbot mir aber durch Zeichen immer noch aufzuspringen und den in meinen Augen traumhaften Anblick endlich anzufassen. Machte ihr in meiner Begeisterung, vom längst hoch erregten Schwanz gesteuerte Komplimente, die vermutlich vor Superlativen nur so strotzten und so völlig überladen, natürlich um so unglaubwürdiger waren, aber sie war selbstbewusst genug, gelassen zu erwidern, ja, er sei schon ziemlich perfekt ihr zarter Körper, nur die Brustwarzen, die noch nach innen gingen an dem winzig süßen Busen, seien der einzige Makel, aber das ändere sich ja vielleicht mit der Schwangerschaft, zwinkerte sie mir zu und kam endlich zum Bett.
Wieder bestimmte sie das Tempo, wies jeden Versuch zurück, mich mit Leidenschaft auch ihrem wunderbar runden Po zu widmen - was ich denn da wolle, der ginge mich gar nichts an, das käme nie in Frage, sei Tabu, nein niemals, lachte dabei aber und so wusste ich wieder nicht, ob sie nur spielte oder es ernst meinte und begnügte mich irgendwann nach genüsslichem Vorspiel endlich wirklich in sie einzudringen, auf die ich so lange gewartet hatte. Voller Lust und Glück tauchte mein Schwanz zwischen die kleinen engen rosa Lippen unter dem süßen schwarzen Busch, ganz vorsichtig dabei, als sei sie eine Jungfrau, was sie längst nicht mehr sei, wie sie mehrfach betonte, auch wenn sie sich benahm, als sei es das erste mal.
Es wurde für sie sehr leidenschaftlich und schön, zwischendurch ließ sie mich auch in Momenten höchster Lust ihren Po berühren, kam dann ganz überraschend und unangekündigt und war erstmal erschöpft, brauchte eine Pause und ich ließ sie ihr, in Erwartung der nächsten Tage und Stunden, immer noch unbefriedigt, immerhin 30 mit der erschöpften Frau meiner Träume im Arm, wollte ich mich gedulden, wir hatten ja ein lustvolles Leben vor uns, dachte ich.
Erregt erwachte ich in der Nacht, versuchte ihr meinen Schwanz zwischen die Beine zu schieben, was sie dann empört zurückwies und ich war wieder unsicher, ob dabei gespielt. Nun sei doch Nacht und müsse geschlafen werden. Argumentierte noch, dass ineinander einschlafen doch am schönsten sei, doch davon wollte sie nichts hören und ich hätte doch schon mein Geschenk bekommen, biss mich und küsste mich danach, als ich empört Aua ausrief. So ganz verstand ich sie noch nicht, was sie wollte, wann sie spielte, ob sie wirklich dachte, dass wäre es mit dem Sex, nachdem sie einmal gekommen war. Auf Nachfrage hin, sagte sie mit voller Überzeugung, natürlich, das reiche für diesen Monat, sie sei doch keine Maschine, lachte dann wieder, küsste mich, drehte sich in meinen Arm und wollte schlafen und ich nahm es, glücklich diese wunderbare Frau im Arm zu haben, einfach hin, vielleicht hoffend, es sei ihr Humor.
Am Morgen weckte uns der Kohlelaster im harmonischen Zusammenklang mit dem Schrottplatz vor meinem Fenster, doch statt die Zeit zu ausgiebiger Lust am Morgen zu nutzen, nannte sie den Gedanken völlig abwegig, Sex am Morgen, sei ja wirklich pervers und sie sei doch katholisch und aus dem Münsterland, aber wir könnten ja noch zusammen duschen. Wusste nie wie ernst oder ironisch sie meinte, was sie sagte, nahm es aber einfach hin und ging mit ihr in die zumindest riesige Dusche in der kleinen Wohnung im Wedding. Dies in der Hoffnung, dass unter der Dusche doch einiges möglich sei, manches besser flutsche und sie mir vielleicht zum Geburtstagsmorgen nun ihren gestern streng verschlossenen Po schenken könnte.
Welch Illusion, unter der Dusche ging das Spiel weiter, sie wollte keinesfalls zu viel Nähe und bloß keinen Sex und mein Ansinnen auf ihren Hintern, fand sie völlig pervers und sagte mit diesem Lachen, bei dem ich nie wusste, wie ernst sie es meinte, sie hätte mir doch gestern schon gesagt, der sei tabu, sie sei Katholikin, aus dem Münsterland und daran würde sich nie etwas ändern. Nahm es frustriert und immer noch unbefriedigt hin, hoffte heute Nacht besser zum Zug zu kommen, immerhin war es mein Geburtstag - dies auch wenn sie mir sagte, ich hätte doch mein Geschenk nun gehabt, es sei genug Sex für diesen Monat und wenn ich es nicht genutzt hätte, sei das ja nicht ihr Fehler - ich könne ja jetzt nicht um jede Uhrzeit kommen und Sex haben wollen, wo solle das nur hinführen, schließlich sei sie Münsterländer Katholikin.
Sie sagte dies mit einem schelmischen Lachen unter ihren süßen schwarzen Locken, dass ich nie wusste, wie ich darauf reagieren sollte, ob sie hoffte, ich würde mich darüber hinwegsetzen, sie einfach packen und nehmen und richtig durchvögeln, bis ihr der Katholizismus mit meinem Sperma aus den Hirnwindungen geschwemmt wird, sie also auf eine dialektische Reaktion meinerseits hoffte, nur provozierte oder dann ernsthaft empört wäre und ich, wohlerzogen wie ich war, den Willen einer Frau achtend, kannte nur solche Frauen, vermutlich meist protestantisch, die wussten, was sie wollten oder auch nein meinten, wenn sie nein sagten, was ich einigermaßen zu akzeptieren gelernt hatte.
Diese I. aber war anders, noch beim Frühstück reizte und provozierte sie mich einige mal, um sich danach wieder um so weiter zu entziehen. Später sollte ich noch lernen, dass diese Dialektik im Wesen für Katholikinnen nicht untypisch ist. Eine von mir sehr geliebte leider immer nur Liebhaberin, die nebenbei Mutter und Ärztin war, beherrschte diese perverse Kunst auch bis zur Perfektion und irgendwie habe ich das Gefühl, dass wir auch daran letztlich scheiterten, weil ich nie begriff, was sie wirklich wollte. Allerding war es mit dieser ein Traum im Bett verglichen zu meiner mädchenhaften Literaturwissenschaftlerin, die aber auch schon um die dreißig damals vermutlich war. Auch über ihr wahres Alter sprach sie ganz damenhaft lieber nicht.
Ist es das unterschiedliche Weltbild von Katholiken und Protestanten, was eine Annäherung beim Sex und eine Verständigung nahezu unmöglich machte, fragte ich mich. Sprach in allen meinen Beziehungen immer offen und gerne über Sex, damit beide es so sehr wie möglich genießen konnten Das war mit I nicht möglich. Allerdings ergab sich ja auch nur in zwei Nächten die Gelegenheit überhaupt, aber dazu später.
Wir frühstückten schön, dabei riefen noch meine Eltern an, die herzlich zum Geburtstag gratulierten, dann ging ich ins Büro und freute mich dort vielleicht auch irgendwie gefeiert zu werden, schließlich wussten meine Mitarbeiter ja, dass mein Schatz zu meinem Geburtstag gekommen war und insgeheim hoffte ich auf eine kleine Geburtstagsüberraschung, als ich in die Redaktion kam.
Die gab es wirklich, allerdings ganz anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Die Praktikanten hatten sich über mich beschwert. Angestachelt von dem zuletzt eingestellten Sachsen aus Dresden, der sich sehr freundschaftlich bei mir eingeschleimt hatte und mit dem ich manches zu viel an langen Abenden nach dem Büro besprochen hatte. Seine Liebe saß in Dresden, meine in Heidelberg, also hatten wir immer noch nach langer Arbeit in der Redaktion Zeit, auf ein Bier umme Ecke. Er hatte alles, was ich ihm vertrauensvoll erzählt hatte und was ich kritisches über die beiden jungen Praktikanten sagte, weitergegeben und die Stimmung angeheizt.
Sie meinten, sie arbeiteten zuviel, bekämen zu wenig dafür und wollten nicht mehr von mir angemeckert werden, dass sie ihre Arbeit nicht vollständig machten.Sie täten ja, was sie könnten und viel mehr als sie müssten. Es war mein 30. Geburtstag, ich hatte auf eine kleine Feier und eine freundliche Begrüßung gehofft und bekam eine Mahnung von jemandem, der eigentlich nicht mein Vorgesetzter war, sondern nur dem Vertrieb vorstand, dem die Redaktion aber rein formal unterstellt worden war, weil ja alles irgendwie in die Unternehmenshierarchie passen musste und der Vorstand sich nicht vorstellen konnte, dass eine Redaktion vom Wesen her frei und unabhängig sein musste.
Verteidigte meine Kritik und knickte dennoch halb ein, weil ich mich alleine, immer noch unbefriedigt, an meinem 30. Geburtstag einer Wand gegenüber sah. Das Vertrauen war zerstört, eigentlich. Hätte drei meiner vier Praktikanten sofort entlassen müssen, wie es im Rahmen meiner Kompetenz möglich gewesen wäre, was allerdings bedeutet hätte, dass ich in der Zeit, in der mein Schatz da war, nur noch in der Redaktion sitzen würde, um die Sendungen zu gewährleisten. Sie wussten das, hatten die Situation geschickt genutzt und so stand ich irgendwie wehrlos einer Wand gegenüber und gab nach, suchte einen Kompromiss. Wollte doch heute früher gehen, um mit meinem Schatz ins Konzert zu gehen, Zeit mit ihr zu verbringen.
Hatte die Wochen vorher mehr gearbeitet, damit ich an diesen Tage frei nehmen könnte, schließlich ging es um die Liebe meines Lebens, da könnten meine Mitarbeiter doch mal ein Wochenende lang mehr tun und der Sachse hatte mir noch, volle Kooperation zugesichert, damit ich viel Zeit mit meinem Schatz hätte - “nu klor, is doch verschtändlich…”
Ergebnis dieser Konferenz am Morgen meines Geburtstages war, die Praktikanten durften nur noch so lange arbeiten, wie sie bezahlte wurden, keine Überstunden mehr und nie mehr als 6h oder höchstens 8h. Falls der Vorstand es genehmigen würde, bekäme ich noch neue Praktikanten aber erstmal müsste ich den Ausfall übernehmen und sehen, wie ich die Sache zum Laufen brächte. Wochenendarbeit bräuchte einer besonderen Vereinbarung und gäbe es nicht automatisch, sondern nur nach Einigung und gegen mehr Freizeit in der sonstigen Zeit.
Damit war die schöne Zeit, die ich mit meiner Liebsten geplant hatte, eigentlich gestorben, dachte ich und freute mich darauf meinen 30. Geburtstag vermutlich allein bis Mitternacht in der Redaktion zu verbringen. Weil meine Praktikanten keine Unmenschen seien, sagten sie mir noch ganz versöhnlich, für heute, meinen Geburtstag würden sie noch mal eine Ausnahme machen, damit ich zum Konzert könne wie geplant. Die Rollen hatten sich verkehrt, sie erwiesen mir Gnade und ich hatte dankbar zu sein. Eine Revolution in der Redaktion unterstützt von einem ahnungslosen Vertriebler, der nur zufällig in der Hierarchie zuständig war und ihnen ahnungslos half, aus formalem Gerechtigkeitsempfinden mir das Messer in den Rücken zu stoßen.
Weltmeister im Verdrängen, redete ich mir dennoch die Dinge schön und es musste ja weitergehen. Die Prozesse mussten optimiert werden, damit die gleiche Arbeit in der Hälfte der Zeit von weniger Leuten geleistet werden konnte, wenn ich nicht alles alleine machen wollte. Begann strategisch nachzudenken und suchte, schließlich war es ja mein Geburtstag, das versöhnliche Gespräch. Sie gaben sich einsichtig und zu Zugeständnissen unter Bedingungen bereit, erklärten, dass es nicht gegen mich ging, sondern sie sich durch die unverhältnismäßige Ausbeutung in diesem Unternehmen wehren mussten und irgendwie musste ich ihnen innerlich Recht geben. Sie waren ausgebeutet worden, klar, wie ich auch - nur bekam ich das zehnfache für die gleiche Arbeit, Leben eben.
Während ich plante und überlegte, wie ich angesichts, dieser katastrophalen Niederlage nun noch einige Stunden freie Zeit mit meiner Traumfrau verbringen sollte, klingelte das Telefon und I. war dran. Sofort zauberte ihre Stimmen ein Lächeln auf mein Gesicht, die große Katastrophe schien vergessen, würde schon alle werden und zumindest hätte ich ja noch einige Stunden in der Nacht mit ihr, dachte ich, bis sie zu reden begann und mir das Lächeln im Gesicht gefror.
“Wollte dir nur, weil ich so fair bin, Bescheid geben, habe dir hier auch einen Brief hinterlassen, bin nicht mehr da, Danke für alles, mach es gut.”
Das war es, kurz korrekt, höflich, sonst nichts. Fragte sie, was wäre, wie sie das meine, verstand die Welt nicht mehr, aber sie hatte schon aufgelegt und war nicht mehr erreichbar und ich beschwor den Anrufbeantworter mit verzweifelter Liebe, den Tränen nah und meine Mitarbeiter saßen und schauten innerlich grinsend zu. Wollte wegrennen und ihr hinterher, aber ich konnte ja nicht weg, ich musste arbeiten, viel arbeiten, damit ich heute Abend - heute Abend, mein Geburtstag - ach verflucht - meine Praktikanten sahen, wie mir das Gesicht runtefiel und danach musste ich mich erstmal für eine Zigarette nach nebenan verabschieden.
Die Traumfrau hatte mich verlassen, ohne Gründe zu nennen oder irgendwas zu erklären - nach einem zärtlichen Abschied am Morgen und ich verstand die Welt nicht mehr, die über mir zusammenbrach. Wozu sollte ich noch arbeiten, wozu Geld verdienen, wenn jene, für die ich all dies wollte, weg war. Das Leben hatte keinen Sinn mehr. Leider befand sich das Büro nur im dritten Stock - auch bei einem Hechtsprung aus dem Fenster wäre mir der Tod nicht sicher gewesen und zu feige so etwas zu tun, war ich ohnehin. Zu denken, dass eine Frau, die mich so schnöde an meinem Geburtstag verließ, dies nicht verdiente, kam mir nicht in den Sinn. Es war einfach nur schrecklich.
Der stolze Redakteur, der es geschafft hatte, gutes Geld verdiente, ein schöne Wohnung im Szene-Kiez hatte, war plötzlich ein Nichts, ein armer verlassener Arsch, dessen Leben keinen Pfifferling mehr wert schien. Wie hatte ich das nur verdient - ein Aufstand der Mitarbeiter, die versuchten mich aus dem Unternehmen zu mobben, nicht ahnend, dass sie es tatsächlich versuchten und noch viel mehr hinter dieser Sache steckten, als ich mir vorstellen konnte. Die ganze Bösartigkeit dieser Aktion wurde mir erst Monate später durch einen Zufall klar, als ich meinen Anrufbeantworter am neuen Anschluss installierte und sich daraufhin die alten eigentlich gelöschten Nachrichten nochmal abspielten und ich hörte, wie die eine Paktikantin in einer Nachricht vom 29.9.2000 um 9.15h auf das Band sprach, meine Freundin aufforderte ran zu gehen, sie müsse ihr etwas wichtiges erzählen, von Frau zu Frau. Was die beiden zu besprechen hatten, was sie ihr sagte, weiß ich bis heute nicht - habe später nochmal versucht I. zur Rede zu stellen, doch sie verweigerte jeden Kontakt und bevor mich die Polizei von vor ihrer Wohnungstür in Heidelberg entfernte, setzte dann doch wieder mein Verstand ein und eine liebe Freundin half mir dabei.
Davon ahnte ich an diesem Tag nichts, ich verstand die Welt nicht mehr, versuchte freundlich zu bleiben, erledigte meine Arbeit, schickte meiner Mitarbeiter nach Vorschrift nach Hause und verließ irgendwann spät das Büro, alleine, einsam und als einer der letzten überhaupt. Das war mein 30. Geburtstag - die netten Vertriebler hatten noch gefragt, ob ich mit einen Trinken gehen wollte, als sie vor Stunden verschwanden, aber ich hatte ja zu tun, dank der Revolution meiner Praktikanten. Was für ein beschissener Tag. Mein 30. Geburtstag war wirklich ein Tag zum Vergessen, dachte ich.
Ging dann doch noch kurz zu den netten Kollegen vom Vertrieb, die immer so gut drauf waren und gerne Späßchen machten, Vertriebler eben, deren Berufung es ist, andere zu beschwatzen, damit sie kauften, was sie nicht wollten oder brauchten, trank ein Bier mit ihnen und verzog mich dann aber lieber, mir war nicht nach feiern - meine Traumfrau hatte mich verlassen und das Leben war einfach furchtbar geworden. Gerade dann, sagten sie zu mir, eine ist keine, vergiss die Alte, viele Mütter haben schöne Töchter, lass dich nicht runterziehen und ich gab mich stark. Als mich einer von ihnen hinter vorgehaltener Hand fragte, ob denn der Sex mit der so Granate gewesen wäre, dass sie der Trauer wert war, führte dies leider nicht zu meinem Erwachen sondern zu noch viel tieferer Trauer - es wäre nicht um Sex gegangen, ich hätte sie geliebt, wir wollten eine Familie gründen - und wie lange wart ihr schon so, fragte er mich, die seriösen Absichten bewundernd. Sein breites Grinsen als ich sagte, naja ein Monat oder so, wir hätten uns ja erst zweimal vorher gesehen, sprach bereits Bände, er klopfte mir auf die Schultern, meinte, komm, war doch nix, vergiss sie, besauf dich, kotz an die nächste Laterne und gut ist.
Vielleicht wäre das gut gewesen, aber ich wollte ja noch ihren Brief lesen, von dem sie am Telefon sprach und der mir in diesem Moment plötzlich wieder einfiel. Wie angestochen, stürzte ich mein Bier hinunter, zahlte und eilte geschwinden Schrittes nach Hause, gespannt, was mir der Brief offenbaren würde.
‘Sei nicht traurig, dass es vorbei ist, freu dich, dass es war. Gruß I.’
Das war alles, was sie einen Brief nannte, die Erklärung auf die ich hoffte, waren elf knappe Worte, die nichts erklärten. Den riesigen Strauß Rosen hatte sie umgekehrt zum Trocknen aufgehängt und ich entsorgte ihn bald im zentralen Müllschacht, den mein Etablissement im Wedding noch neben dem Aufzug hatte und der Besucher schon mit einem unangenehmen Duft beim Verlassen des Fahrstuhls begrüßte, wenn irgendeiner der Nachbarn in morgendlicher Eile, wie gewöhnlich den Schacht nach dem Entsorgen nicht richtig verschlossen hatte.
Nichts war das, ich saß vor dem Nichts und sie hatte meinen Anrufbeantworter gelöscht und abgeschaltet, bevor sie ging es erwarteten mich also auch keine sonstigen guten Wünsche. Fragte mich, ob es sich lohnte von diesem Balkon zu springen oder ich mich lieber vor eine Bahn werfen sollte. Dann erinnerte ich mich an den Dreck den das machte und wie ich selbst früher bei der Feuerwehr solche zerstückelten Leichen kilometerlang aufsammeln musste. Das wollte ich niemand zumuten. Eine Knarre hatte ich nicht, taugliches Gift auch nicht, nur das langsam wirkende der Zigaretten, sagte ich mir und rauchte noch eine, als dann doch kurz vor Mitternacht noch das Telefon klingelte.
Es war J. mein lieber ungarischer Freund aus Heidelberg, der mir zum Geburtstag gratulieren wollte und dem ich die ganze Katastrophe erzählte und dem ich sagte, ich hätte nun echt genug und wolle einfach nicht mehr. Irgendwie baute er mich mit seinem Humor wieder auf, wir blödelten einige Stunden am Telefon, er sagte er würde mir beim Umzug helfen und käme zum Aufbauen nach Berlin - wir sollten meine Einzugsparty planen - wenn schon der Geburtstag so ein Reinfall gewesen wäre, würde das der große Hit. Er wollte drei liebe Freundinnen von mir mitnehmen und sie wollten alle irgendwie bei mir übernachten.
Nun, dachte ich, Frau weg und die Mitarbeiter haben mich vorgeführt aber ich habe ja zumindest noch Freunde und es gab etwas, auf das ich mich freuen konnte - er hatte mir von seinen Scheidungen, seinen Kindern und seinen Katastrophen mit Frauen erzählt, mit denen verglichen meine gerade noch harmlos eigentlich war. Das Leben ging also weiter irgendwie und noch ahnte ich ja nicht, wie weit der Verrat dieser Mitarbeiter ging, die mich loswerden wollten und was mir in den folgenden Monaten noch bevorstand, erstmal freute ich mich auf meine erste Party in Berlin, die ich noch dazu selber gab, ohne irgendwas von Berlin bisher zu kennen. Vielleicht hat J. mir in dieser Nacht das Leben gerettet, aber all das hört sich etwas groß an, zumindest gab es eine Perspektive vor der nächsten Katastrophe.
jens tuengerthal 23.2.2017
Donnerstag, 23. Februar 2017
Berlinleben 001
August-September 2000
Wie ich in Berlin ankam
Es war im noch wunderbaren Monat August, an dessen letztem Tag ich in Berlin ankam. Die Sonne verschwand langsam im Westen, aus dem ich kam und es sollte noch dauern, bis ich den schönsten Weg in die Stadt kennenlernte. Ein echter Berliner, der nur beruflich südlich wohnte, hatte mir geraten quasi hintenrum, über den Wedding zu fahren, Staus zu vermeiden und die Einfahrt war so hässlich wie in jede andere beliebige Großstadt auf dieser Welt. Wer einmal mit dem Auto um Paris auf den Stadtautobahnen fuhr, weiß, wie hässlich Städte sein können, von denen alle Welt schwärmt. Das kannte ich schon und so wunderte mich auch der Weg in die wieder deutsche Hauptstadt über das ehemalige Arbeiterviertel nicht weiter.
Hatte meinen Wagen mit allem voll beladen, was mir in der neuen Heimat unentbehrlich schien, zum Glück war der Kofferraum meines damals großen Audi so riesig, dass ich leicht mehr mitnahm als je nötig. Neben riesigen Koffern voller Kleidung, die ich kaum brauchte, hatte ich natürlich Bücher, Musik und viele Kleinigkeiten mitgenommen, dass möblierte Appartement möglichst schön auszustatten. Wie wenige Stunden ich dort tatsächlich verbringen sollte, ahnte ich ja noch nicht.
Als ich mit meinem Schlachtschiff von der berühmten Bernauer Straße aus in die Wolliner einbog, die von der Zionskirche in Mitte bis in den Wedding läuft und so die alte Mauer überquert, was heute nur noch merkt, wer es weiß, erwarte mich schon meine liebe Freundin A., eine Theologin und gebürtige Pfälzerin, die ich schon aus Heidelberg so nah wie nur möglich kannte und die so wunderbar Cellos spielte. Die dunkelblaue Karosse im Format einer staatstragenden Limousine hatte einen eigenen Parkplatz hinter der Schranke und später sollte ich sehnsüchtig an diesen Luxus zurückdenken, denn Parkplätze waren längst ein seltenes und begehrtes Gut in Berlin. Zumindest da, wo ich später lebte und arbeitete - im Wedding dagegen, wo in der Dämmerung die Herren in Jogginghosen ihre Kampfhunde spazieren führten, die nur teils von sehr südländischem Aussehen waren, die Herren nicht die Hunde, gab es noch keinen Mangel davon.
Endlich ausgeladen und die bloß durchschnittliche Wohnung gefüllt - auch die Goethe Büste stand im Regal, es gibt Dinge, die sind auch und gerade in der Fremde unverzichtbar, schlug A. vor in ihren Kiez zu gehen, der doch viel netter wäre als der Wedding. Später fiel mir auf, dass genau diesen Satz nahezu jeder Berliner über seinen Kiez sagt und sogar meine Geliebten aus Marzahn verteidigten die besonderen Schönheiten ihrer Plattenbausiedlung im Grünen mit großer Vehemenz. Der Freund, der aus einer alten Eisenbahnerfamilie stammte, die seit Generationen im Wedding lebte, hatte schon gemeint, die Ecke wäre wohl nichts für mich, etwas zu rauh für einen Dichter und eben richtig Großstadt.
Er lernte dort mit Blick auf die Mauer laufen, später fand ich einen Freund, der um die selbe Zeit auf der anderen Seite der Mauer stehen lernte und doch, obwohl sie nur wenige hundert Meter voneinander groß wurden, aus einer völlig anderen Welt stammte. Seine Eltern waren Kulturmenschen, die Mutter machte Kinderbücher, der Vater Filme für das östliche Sandmännchen. Er wurde in den Intellektuellenkreisen um die Oderbergerstraße in Prenzlauer Berg groß und lebte also auch sozial in einem ganz anderen Umfeld als der Freund, den ich aus meiner Mainzer Loge kannte und der sich eher als Arbeiterkind mit rotem Hintergrund verstand, stolz die alten Sagen vom roten Wedding erzählte. Viel später bemerkte ich dann doch auch wieder Ähnlichkeiten zwischen den beiden, die sich nie kennenlernten, in verschiedenen Ländern groß wurden, sich höchstens über die Mauer verbotenerweise winken konnten.
So folgte ich dem Rat von A. gerne, wir ließen den Wagen stehen und schlenderten gemütlich den Berg hinunter gen Mitte bis zum Café Honigmond, dass sie in bester Absicht für uns ausgesucht hatte. Es lag um die Ecke von ihrem Wohnheim, sie kannte es gut und es ist ein schönes romantisches Café mit dazugehörigem Hotel. Eine wunderbare Café Atmosphäre in schönem Ambiente erwartete mich und ich genoss den ersten Abend in der Großstadt, die hier ganz dörflich wirkte in den kleinen verkehrsberuhigten Straßen der Spandauer Vorstadt, wie das Viertel noch hieß als Bettina von Arnim mit viel sozialem Engagement darüber schrieb. Leider musste ich Idiot ihre weitergehenden Hoffnungen auf die Fortsetzung unserer zauberhaften Liaison noch aus Heidelberger Zeiten später enttäuschen. War gerade frisch verliebt und liiert mit I., einer Germanistin, die über die Reiseliteratur des 19. Jahrhunderts promovierte und die mir noch als der Traum von einer Frau erschien, auch wenn ich nur eine halb keusche Nacht und einen wirklich keuschen Nachmittag mit ihr verbracht hatte, war ich mir mal wieder sicher, die Frau fürs Leben gefunden zu haben, obwohl diese betonte, eine Münsterländer Katholikin zu sein und ich damals noch keine Ahnung hatte, was das bedeuten würde, auch und gerade in der Horizontalen.
Thomas Mann nannte die Horizontale im Zauberberg über seinen Protagonisten Hans Castorp die einzig aufrechte Lebenslage und meinte damit noch die Liegekur, was immer dabei einigen Nachbarn vielleicht vom schlechten Russentisch sonst aufrecht stand, ist die Harmonie in der Horizontalen, auch wenn sie mal aufrecht genossen werden kann, wichtiger als viele Ideale der Liebe, die nichts taugen, wenn in der Horizontalen irgendwann nichts mehr aufrecht steht als die Frustration und hätte ich dies damals gewusst, wäre schon der erste Abend so viel schöner geworden, als ich zu träumen wagte, doch sollte es noch viele Jahre und Erfahrungen brauchen, dies wirklich zu verstehen.
Die erste Nacht in Berlin verbrachte ich also allein, statt mit der wunderbaren, gebildeten, leidenschaftlichen, zwar kleinen aber an den richtigen Stellen um so üppigeren Theologin aus der heimatlichen Pfalz, weil ich noch an die große Liebe, Treue und ähnlichen Blödsinn glaubte und nicht ahnte, was mir tatsächlich bevorstand. Bevor ich Schlafen ging in der schmalen Bettecke in meinem möblierten Zimmer im hässlichen 70er Jahre Betonbau, rauchte ich noch eine auf dem Balkon und schaute in Richtung des benachbarten Parks, dem berühmten Mauerpark, der mit jetzt in mitternächtlicher Ruhe als ein Ort des Friedens erschien, ohne eine Ahnung zu haben, was dort tatsächlich los war.
Der Schein trog, der Mauerpark und sein Randgebiet, waren kein Ort des Friedens - morgens um 5.30h, wenn vermutlich die letzten Musiker und Kiffer aus dem benachbarten Park gerade von den Wiesen feucht aber selig bedröhnt abzogen, wurden direkt vor meinem Balkon, so schien es mir zumindest, Kohlelaster beladen. Fiel aus dem Bett, schloss die Fenster, aber war nun wach, es half nichts, es war Montag der 1. September, mein erster Arbeitstag stand bevor - hatte zwar noch viel Zeit, bis ich um 10h in der Firma sein sollte, aber so konnte ich mir in Ruhe einen Tee bereiten, noch etwas schreiben oder lesen, mich auf den ersten Arbeitstag einstellen, überlegen, was aus meiner Vielzahl von Jackets und Hemden ich diesmal tragen wollte.
Fuhr mit meinem Wagen diesmal zur Arbeit und parkte direkt gegenüber auf dem früher wohl Grünsteifen in der Mitte der Schönhauser Allee, wo sie sich auf den Weg den Berg hinauf macht. Hatte mir den eigentlich ganz einfachen Weg genau auf der Karte angesehen, mich dennoch eine halbe Stunde vorher aufgemacht, was ich später in einer Viertelstunde zu Fuß lief und so hatte ich Zeit genug und kam überpünktlich.
Die etwas seltsame, blassblonde Personalerin begrüßte mich falsch freundlich und ziemlich formal, zeigte mir mein Büro und dann kam auch schon mein Freund, der mir diese Stelle organisiert hatte von seinem Gespräch mit dem Vorstand und wies mich in meine neue Arbeit ein. Als Redakteur war ich verantwortlich für alle lokalen und kulturen Sendungen, die der Sender auf die entsprechenden Empfangsgeräte in ganz Deutschland sendete. Textfunk via Radiowelle, der auch Nachrichten und noch wichtiger für die meisten, Sport und Börsenneuigkeiten verbreitete.
Es war die Zeit vor den ersten Smartphones. Es gab noch kein iPhone und die früher von der Post vertriebenen Nachrichtensender schienen noch eine gute Zukunft zu haben - vor allem durften sie auch im Flugzeug oder OP benutzt werden, wo Mobiltelefone der Strahlung wegen lange als verboten galten, während der Radiowellenempfang des Textfunks überall funktionierte. Ob der Glaube an die Strahlung immer schon schädlicher war als diese selbst je, wäre vermutlich eine spannende Frage für manche, die auch über den Nutzen der Homöopathie gerne diskutieren - beschäftige mich ungern mit allem, was schadet, der zumindest mentale Schaden der vergeudeten Zeit so deutlich spürbar ist, dass ich in dieser Zeit schon immer lieber ein gutes Buch las. Vielleicht wäre es wichtig, den Aberglauben gesetzlich zu regeln und zu begrenzen, statt ihn über gesetzliche Kassen zu finanzieren, vielleicht ist auch relativ egal, was wirklich ist, solange sich Menschen damit wohl fühlen, wird alles gut sein, was dazu beiträgt.
Diese Geräte mit den nur Radiowellen scheinen von heute betrachtet wie eine anachronistische Anekdote aus der Frühzeit des Mobilfunks und wurden es auch bald, doch noch schien es mir als meine Zukunft und ein Arbeitsplatz mit großer Perspektive. Erhielt einen Stapel Visistenkarten als Redakteur, ein neues Mobiltelefon mit dem ich nun beliebig telefonieren konnte, wie ich es eben für nötig hielt. All die Statussymbole impotenter werdender Männlichkeit füllten mein aufgeregtes Herz mit Stolz und vor der Tür stand mein riesiger Audi, dem keiner ansah, dass ich ihn erst vor einigen Monaten für 100,-DM aus einem Konkursverkauf erworben hatte und bei dem auch nur Kenner wussten, dass sich unter der langen Motorhaube des riesigen Wagens nur kümmerliche 75PS verbargen.
Die zu erstellenden Nachrichten über lokale kulturelle Ereignisse in der ganzen Republik, die höchstens 95 Zeichen haben durften, also SMS-Länge, waren eher mechanisch denn intellektuell anspruchsvoll. Bestellte noch in Papierform alle wichtigen Magazine aus dem ganzen Land, statt sich über das noch etwas in den Anfängen steckende Internet schneller zu informieren und stellte Praktikanten und Praktikantinnen ein. Verbrachte täglich 12-14h in meiner Redaktion, es war eben die Aufbauphase und es machte ja auch Spaß, das Kind zum Laufen zu bringen, Verantwortung zu haben wie ein Profi.
Wie einer schrieb ich, denn irgendwie konnte ich diesen 95 Zeichen Textfunk auch nicht ganz ernst nehmen, bremste er meine von FAZ-Feuilleton und Zeit Lektüre geprägten Ansprüche auf ein sehr beschränktes Maß zurück. Was ich dort tat, war eher Fließbandarbeit ohne jeden intellektuellen Anspruch, dennoch war ich Redakteur, also ein Journalist in der Hauptstadt, der zu seinem Posten als Redakteur eher kam wie die Jungfrau zum Kind. Wenn es dort noch um höheren Einfluss eines Gottes ging, der angeblich schwängerte, war es hier der Freund, der mit dem Eigentümer und geschäftsführenden Vorstand darüber sprach und ihm mich empfahl und mich dann zum Vorstellungsgespräch bat.
Die Tage verflogen im steten öden Arbeitsrhythmus, nebenbei suchte ich mir noch eine Wohnung und nahm gleich die zweite oder dritte besichtigte, ein schöner 2-Zimmer, oder wie es hier im Osten hieß, 2-Raum, Altbau im Winskiez, was mir damals noch nichts sagte und wovon ich erst etwas kennenlernte, nachdem ich schon fast nicht mehr dort wohnte.
Die Tätigkeit eines Redakteurs in der Hauptstadt hört sich sehr spannend an - real war es jedoch eine öde Fließbandarbeit mit geringer Abwechslung, die weder alleine noch mit zwei Praktikanten, die relativ frisch von der Schule kamen, in normaler Arbeitszeit zu bewältigen war. So wuchs die Redaktion weiter und mein Freund, der weiter gelegentlich als Berater tätig war, riet mir, mich mehr auf administrative Aufgaben zu konzentrieren. Ein schöner Ratschlag und gerne hätte ich mehr als Redakteur an der strategischen Planung des Internetauftritts der Firma mitgewirkt, an der ich immerhin durch den Einfluss des Freundes beteiligt wurde.
Von Berlin sah ich nichts, als den täglichen Weg ins Büro, vom Wedding an der Zionskirche vorbei über den Teutoburger Platz bis zur Schönhauser Allee. Manchmal ging ich noch mit den Kollegen vom Vertrieb in eine der Kneipen umme Ecke, wie sie sagten - aber meist war noch zu viel zu tun. Beschäftigte mich mit der Kultur im ganzen Land, theoretisch auch der in Berlin, erlebte aber real nichts davon und war nur damit beschäftigt die Nachrichten in das passende Format zu pressen und sie mit der simplen Maske zu senden. Insoweit wir auswählten, welche kulturellen Nachrichten wir sendeten, gab es noch eine gewisse redaktionelle Freiheit, aber es war nur ein eigentlich unwichtiger Zusatz, wirklich interessant fanden die Nutzer anderes.
Gefangen in dieser Mühle aus ständiger Produktion, schlief mein Geist ein und ich versuchte nur die Sache an sich im Schema zu optimieren, statt dieses zu hinterfragen und über die Sache hinaus zu denken - wie es besser werden könnte, was die Abläufe optimieren würde. Trug die Scheuklappen des Fließbanarbeiters, der nur unter körperlicher Anstrengung, die eben nötige Arbeit erledigte. Zumindest war ich so viele Stunden täglich im Büro, dass es auch die Vorstände immer wieder mit Wohlwollen bemerkten und ich suchte ja nichts sonst in Berlin, wo ich ja eigentlich nie hinwollte, der ich mein Herz hatte noch in Heidelberg verloren hatte an jene katholische I. aus dem Münsterland, nach der ich schmachtete und mit der ich in kurzen Momenten des Glücks manchmal telefonieren durfte.
So raste die Zeit durch den Monat, indem ich ständig mit täglich neuem Druck Dinge produzierte, die eher keiner brauchte, die aber eben gut bezahlt wurden. Rückmeldungen gab es nahezu gar nicht - die Medien waren noch nicht interaktiv, Facebook, Twitter und Google lagen noch in der Zukunft. Auswahl lokaler Nachrichten, deren Umsetzung auf Sendeformat von 95 Zeichen und dies täglich neu beschäftigte mich so sehr, dass ich mich heute noch frage, wie ich das monatelang aushielt, ohne völlig durchzudrehen. Eine Hilfe war, dass ich zu Anfang als leitender Redakteur die Arbeit aufteilen konnte und damit wenigstens den Produktionsprozess mit den Praktikanten gleichberechtigt organisierte.
Doch ich dachte nicht über die Zukunft nach, außer wenn ich zu strategischen Gesprächen mit dem Vorstand gebeten wurde oder mit einem Vertriebler mal zu Kunden etwa bis nach München fuhr. Dann durfte ich wieder Pläne entwickeln, strategisch planen und Ideen umsetzen, statt nur stupide am Fließband zu arbeiten und blühte dabei richtig auf. Leider nahm mir niemand in dieser Zeit meine Arbeit in der Redaktion ab und wenn ich das Glück hatte, einige Stunden solch sinnvolle strategische Arbeit für die Zukunft der Firma leisten zu dürfen, blieb ich danach mindestens so viele Stunden länger in der Redaktion, um nachzuholen, was in der Zwischenzeit nicht geleistet wurde.
Nicht gelernt hatte ich vor meiner ersten realen Führungsaufgabe, die ich kurz vor 30 übernahm, wie ich Arbeit sinnvoll delegiere. Was es heißt, sich als Chef durchzusetzen und den Mitarbeitern, mit denen ich noch dazu einen Redaktionsraum teilte, klare Anweisungen zu geben, was zu erledigen war, wie ich motivierte und lobte bei gleichzeitiger Kritik. DAs berühmte divide et impera kannte ich nur theoretisch, bedachte ich in der Mühle nie. Zuvor hatte ich zwar als Geschäftsfüher mal einen Internet-Start-up für Hochbegabte als Geschäftsführer mit ins Leben gerufen - doch war ich dabei nur der primus inter pares, der mit 5 Freunden ein großes Projekt plante, was dann genauso großartig wieder versandete, wie wir es geplant hatten. Immerhin hatte mir einer meiner damaligen Gesellschafterkollegen diesen großartigen Job verschafft, mit dem ich mich besser fühlte, als ich real je war.
So qualifizierte mich eigentlich nichts für diese Tätigkeit als das gute Wort, das mein Freund für mich eingelegt hatte und ich machte alles falsch, was ich nur falsch machen konnte, würde ich mit Abstand sagen. War zwar in allem ehrlich bemüht und engagiert, wollte es so gut machen, wie ich nur konnte und verlor mich dabei aber völlig in der stupiden Tätigkeit der Nachrichtenproduktion, die ohne jeden intellektuellen oder redaktionellen Anspruch war. Mit meinen Praktikanten war ich, der ich noch relativ frisch von der Uni kam, um ein möglichst kameradschaftliches Verhältnis bemüht und besonders die eine Praktikantin mochte ich und sie erklärte sich sogar bereit, mir in unserer Freizeit, die es praktisch nicht gab, weil wir jeden Tag neue Nachrichten senden mussten, beim Renovieren meiner neuen Wohnung zu helfen.
Kaufte Farbe, Rollen und lieh mir alles weitere irgendwo zusammen und machte mich eines Sonntags mit der frisch von der Schule kommenden Abiturientin aus Hamburg an die Arbeit. Wir schafften, was wir wollten, verstanden uns gut, ich fühlte mich eher als Kumpel denn als Chef und lud sie danach noch statt in ein Café zu mir in das möblierte Zimmer im Wedding ein, weil sie sagte, sie wolle nicht gerne ins Café oder Essen gehen, was ich zunächst vorgeschlagen hatte. Das war mir sehr recht, konnte ich mich doch kurz umziehen und sie vielleicht danach davon überzeugen, doch noch Essen zu gehen, zumindest einen Tee mit ihr trinken und sah ihre Hilfe als rein freundschaftlich an.
Als sie meine Gedichtbände und den Goethe stehen sah, geriet sie ins Schwärmen, sie offenbarte mir ihre große Liebe zur Dichtung und Literatur und ich gestand ihr, nichts ahnend meine ebensolche - dies mit meiner Praktikantin allein in meiner Wohnung und mir kam nicht mal die Idee, dies könnte gegen mich ausgelegt werden, da ich ja meine große Liebe in jener katholischen Germanistin aus dem Münsterland, die noch in Heidelberg weilte, gefunden zu haben meinte, ohne jegliche Absicht war, überhaupt nichts dachte. Las ihr sogar noch meine Liebeslyrik und einige erotische Texte vor, schwärmte ihr von meiner Liebe vor und sie sprach von ihrem Freund, der Pfadfinder war und alles schien mir gut so.
Wollte sie nun nach Hause fahren oder mit ihr Essen gehen, sie einladen, was sie sich ja verdient hatte, aber sie fragte nur, ob ich ihr nicht noch einige Gedichte vorlesen könnte und hatte ganz große feuchte Augen und ich ahnte nichts. Sagte es zu, aber nur, wenn ich erst mal eine Rauchen dürfte und wollte allein auf dem Balkon verschwinden - ein Moment Abstand hätte mir wohl ganz gut getan, vielleicht hätte sich dann mein Verstand wieder eingeschaltet, der sehr von diesem jungen blonden Mädchen mit den blonden langen Haaren bis zum Po besetzt war, die so für meine Gedichte schwärmte. Nicht als Mann, sie war ja viel zu jung und ich hatte ja mein Herz, wenn auch noch unbefriedigt, in Heidelberg verloren aber doch der Natur nach, gegen die wir uns manchmal kaum wehren können als Männer von schlichtem Wesen. Außerdem war ich ja ihr Chef, irgendwie war das tabu, dachte ich noch, während ich mir eine auf dem Balkon mit Blick auf dem Mauerpark ansteckte.
Der Blick ging real nur auf die Birken im Hof und glücklicherweise, sah ich sie nicht mehr kahl, denn dann wäre er nur auf den dahinter liegenden ab 5.30h lärmenden Kohlehandel und Schrottplatz gegangen und von Romantik war ohnehin wenig in diesem hässlichen Neubau am Rande des Wedding, dachte ich noch, als meine Mitarbeiterin auf dem Balkon kam, mich fragte, ob sie einen Zug haben dürfte, zu tief für meinen Geschmack an meiner Zigarette zog, um sich dann in einem plötzlichen Anfall von Schwindel in meine Arme fallen zu lassen.
Fing sie auf, wie ich es als Rettungssanitäter gelernt hatte, hielt sie mit einer Hand unter ihrer festen jungen Brust und fühlte nach ihrem Puls. Alles ok, dachte ich, als sie die Augen wieder aufschlug und nur, “mein Retter”, flüsterte. Fragte sie dann, ob sie sich hinlegen wollte, sie nickte, ich führte sie zu meinem Bett, zog ihr die Schuhe aus, legte ihre Beine hoch, sie öffnete den Gürtel und den obersten Knopf ihrer Jeans, fühlte noch mal den Puls, als sie etwas unverständliches flüsterte. Besorgt, ob es ihr wirklich so schlecht ginge, beugte ich mich zu ihr herunter, um sie besser zu verstehen und in diesem Moment umschlang sie meinen Hals und küsste mich.
Einen kurzen Moment packte mich die Leidenschaft, die Hände wanderten mehr schon in Gedanken und aus Gewohnheit über den mädchenhaften Körper mit leichtem Babyspeck, dann siegte das Gewissen als Chef und der Gedanke an die katholische I. in Heidelberg, mit der ich noch nicht wirklich geschlafen hatte und der ich dennoch die Treue halten wollte, wie sie es von mir als ihrem künftigen Mann erwarten konnte. Riss mich aus ihren Armen, sagte, dass ginge gar nicht, schließlich sei ich ihr Chef, statt mir zu überlegen, dass dies schon alles kaum ging, dass meine gerade volljährige Praktikantin mit geöffneter Hose, weil ihr ja etwas übel war, auf meinem Bett lag, aber entsprechend meiner reinen Absichten, lag mir jeder Gedanke an die eigentlich Unmöglichkeit dieser Situation, die mich später erpressbar machen könnte, völlig fern.
Sie erholte sich dann erstaunlich schnell, während ich ihr versicherte schon ihrem Freund einem Pfadfinder gegenüber würde ich nie etwas mit ihr anfangen, auch wenn sie nicht meine Mitarbeiterin wäre und ich nicht mein Herz in Heidelberg verloren hätte. All das interessierte sie plötzlich nicht mehr. sie wollte auch nicht mehr nach Hause gefahren werden, sie fände sich schon zurecht, nach einigem höflichen Widerstreben, gab ich schließlich nach, ließ sie gehen und dachte nur sehnsüchtig an meine I., ohne zu überlegen wie brenzlig diese Situation im kritischen Fall werden könnte.
Es war nichts passiert, wir hatten uns vielleicht eine halbe Minute geküsst und dann hatte ich mich wieder aus ihrem Griff befreit, auch wenn ihre Hand schon in meinen Schritt wanderte und meine Finger sich nicht weit von ihrer schon offenen Hose waren, dort die entsprechende Reaktion auslösten und ich heute noch staune, wie ich damals überhaupt noch zu einem klaren Gedanken fähig war. Vermutlich war es die sehnsüchtige Liebe zu jener I, mit der ich nur einmal für mich völlig unbefriedigenden Sex hatte, die ich aber für das, was sie studiert hatte und ihre Rolle im Leben als quasi Waisenkind, ihre Mutter war früh an Krebs gestorben, um so mehr liebte, geradezu vergötterte, die mir als die ideale Frau erschien, die Brücke in die Heimat war, in der ich auch nie wirklich Zuhause war und die ich so überraschend für die Stelle in Berlin verlassen hatte, die ich an diesem Abend zu verspielen begonnen hatte, was ich allerdings noch nicht ahnte.
Das Glück dieser Welt lag für mich immer in den Armen der geliebten Frauen, natürlich nur der einen, die es dann wirklich war. Was sonst, sollte lohnen, fragt ich mich nicht wirklich, ich lebte immer für die Liebe und wusste, dass die Erfüllung am Ende die Ehe mit der einen wäre, bei der alles stimmte. Warum ich auf die in vieler Hinsicht nur hypothetisch tolle I. alles setzte und mein Leben für sie gegeben hätte, der ich mit meinem Job Sicherheit und langfristig eine Familie bieten wollte, weiß ich nicht. Es schien mir gut und normal so - der Liebe folgen, für sie alles tun und dann zusammen glücklich sein, etwas anderes, war nicht denkbar und es sollte noch über 17 Jahre dauern, bis ich begriff, dass Frauen mir kein Glück bringen sondern es nur, wenn überhaupt zeitweise in sehr guten Momenten teilen können und ich für mein Glück ganz allein verantwortlich bin, ein bis jetzt noch schwer zu formulierender Satz. Lieber sage ich mit Goethe, zu lieben welch ein Glück, geliebt zu werden, ich verdient es nicht und lebte, immer wenn es dramatisch wurde in der Liebe innerlich sehr die Rolle des Werther. Lange mit dem Unterschied zu Goethe, dass dieser darüber schrieb und ich mich so fühlte und es tun wollte, dafür habe ich in meinem Leben vermutlich deutlich mehr Frauen geliebt und bedichtet als Goethe und so gleicht sich manches wieder aus. Coll war ich jedenfalls nicht, was die Liebe anging, ob ich es je werde oder bin, weiß ich nicht und theoretische Mutmaßungen zu Liebe und Leidenschaft sind müßig.
Familie, geteilte geistige Welten und schöner Sex, so stellte ich mir mein Leben vor und so dachte ich es mir auch mit I, die mir inzwischen angekündigt hatte, mich anlässlich meines 30. Geburtstages in Berlin besuchen zu wollen. Der Monat September verflog bis zu diesem am 29. gelegenen Ereignis in der Tretmühle des Nachrichtenfließbandes dann wie im Flug. Kein Gedanke an die Ereignisse in meiner Wohnung mehr und auf Rat meines Freundes, der immer wieder als Berater der Firma zu Besuch war, gab ich der Redaktion klare Anweisungen, überprüfte deren Arbeit und kontrollierte auch die Qualität der Leistung meiner inzwischen vier Praktikanten, gab Rückmeldung, durch Zettel mit kurzen Briefen, die kritisierten, was nicht so gut lief, ohne dabei gleich an eine Kündigung, an eine Abmahnung oder sonstige rechtliche Folgen zu denken.
Im übrigen fieberte ich nur noch den Tagen mit I entgegen, die für meinen Geschmack viel zu selten mit mir telefonieren wollte, aber nun fand ich mich damit ab und freute mich voller Seligkeit auf ihren Besuch, der am 28. September, dem Tag vor meinem Geburtstag beginnen sollte.
Plante den Tag mit einem klassischen Konzert im Schloss Pankow und einem feinen Essen, reservierte Karten und alles übrige, besorgte einen riesigen Strauß Rosen, um sie am Abend vor meinem Geburtstag mit meiner Staatskarosse am Bahnhof Zoo abzuholen. Den kannte ich schon, dort hatte ich eine befreundete Opernsängerin aus der französischen Schweiz, die wunderbare rothaarige N., der ich Narr aber auch nur von meiner großen Liebe zu der katholischen Germanistin I. vorschwärmte, statt sie anzubeten, wie sie es ohne Frage viel mehr verdient hätte, doch übersah ich sie verliebt, wie ich schon zuvor A, trotz klarem Wunsch ihrerseits einen Korb gab, weil ich ein an die große Liebe glaubte. Der Besuch von I. und die Katastrophen des folgenden Tages gehören zwar noch zum September, sind aber ein Kapitel für sich mit allen Folgen. Von Berlin erlebte ich in diesen ersten 28 Tagen nahezu nichts, als Kulturredakteur erlebte ich ein Konzert obiger wunderbarer Diva, die von einer ebenfalls zauberhaften Freundin am Klavier begleitet wurde, sonst nichts.
jens tuengerthal 22.2.2017
Wie ich in Berlin ankam
Es war im noch wunderbaren Monat August, an dessen letztem Tag ich in Berlin ankam. Die Sonne verschwand langsam im Westen, aus dem ich kam und es sollte noch dauern, bis ich den schönsten Weg in die Stadt kennenlernte. Ein echter Berliner, der nur beruflich südlich wohnte, hatte mir geraten quasi hintenrum, über den Wedding zu fahren, Staus zu vermeiden und die Einfahrt war so hässlich wie in jede andere beliebige Großstadt auf dieser Welt. Wer einmal mit dem Auto um Paris auf den Stadtautobahnen fuhr, weiß, wie hässlich Städte sein können, von denen alle Welt schwärmt. Das kannte ich schon und so wunderte mich auch der Weg in die wieder deutsche Hauptstadt über das ehemalige Arbeiterviertel nicht weiter.
Hatte meinen Wagen mit allem voll beladen, was mir in der neuen Heimat unentbehrlich schien, zum Glück war der Kofferraum meines damals großen Audi so riesig, dass ich leicht mehr mitnahm als je nötig. Neben riesigen Koffern voller Kleidung, die ich kaum brauchte, hatte ich natürlich Bücher, Musik und viele Kleinigkeiten mitgenommen, dass möblierte Appartement möglichst schön auszustatten. Wie wenige Stunden ich dort tatsächlich verbringen sollte, ahnte ich ja noch nicht.
Als ich mit meinem Schlachtschiff von der berühmten Bernauer Straße aus in die Wolliner einbog, die von der Zionskirche in Mitte bis in den Wedding läuft und so die alte Mauer überquert, was heute nur noch merkt, wer es weiß, erwarte mich schon meine liebe Freundin A., eine Theologin und gebürtige Pfälzerin, die ich schon aus Heidelberg so nah wie nur möglich kannte und die so wunderbar Cellos spielte. Die dunkelblaue Karosse im Format einer staatstragenden Limousine hatte einen eigenen Parkplatz hinter der Schranke und später sollte ich sehnsüchtig an diesen Luxus zurückdenken, denn Parkplätze waren längst ein seltenes und begehrtes Gut in Berlin. Zumindest da, wo ich später lebte und arbeitete - im Wedding dagegen, wo in der Dämmerung die Herren in Jogginghosen ihre Kampfhunde spazieren führten, die nur teils von sehr südländischem Aussehen waren, die Herren nicht die Hunde, gab es noch keinen Mangel davon.
Endlich ausgeladen und die bloß durchschnittliche Wohnung gefüllt - auch die Goethe Büste stand im Regal, es gibt Dinge, die sind auch und gerade in der Fremde unverzichtbar, schlug A. vor in ihren Kiez zu gehen, der doch viel netter wäre als der Wedding. Später fiel mir auf, dass genau diesen Satz nahezu jeder Berliner über seinen Kiez sagt und sogar meine Geliebten aus Marzahn verteidigten die besonderen Schönheiten ihrer Plattenbausiedlung im Grünen mit großer Vehemenz. Der Freund, der aus einer alten Eisenbahnerfamilie stammte, die seit Generationen im Wedding lebte, hatte schon gemeint, die Ecke wäre wohl nichts für mich, etwas zu rauh für einen Dichter und eben richtig Großstadt.
Er lernte dort mit Blick auf die Mauer laufen, später fand ich einen Freund, der um die selbe Zeit auf der anderen Seite der Mauer stehen lernte und doch, obwohl sie nur wenige hundert Meter voneinander groß wurden, aus einer völlig anderen Welt stammte. Seine Eltern waren Kulturmenschen, die Mutter machte Kinderbücher, der Vater Filme für das östliche Sandmännchen. Er wurde in den Intellektuellenkreisen um die Oderbergerstraße in Prenzlauer Berg groß und lebte also auch sozial in einem ganz anderen Umfeld als der Freund, den ich aus meiner Mainzer Loge kannte und der sich eher als Arbeiterkind mit rotem Hintergrund verstand, stolz die alten Sagen vom roten Wedding erzählte. Viel später bemerkte ich dann doch auch wieder Ähnlichkeiten zwischen den beiden, die sich nie kennenlernten, in verschiedenen Ländern groß wurden, sich höchstens über die Mauer verbotenerweise winken konnten.
So folgte ich dem Rat von A. gerne, wir ließen den Wagen stehen und schlenderten gemütlich den Berg hinunter gen Mitte bis zum Café Honigmond, dass sie in bester Absicht für uns ausgesucht hatte. Es lag um die Ecke von ihrem Wohnheim, sie kannte es gut und es ist ein schönes romantisches Café mit dazugehörigem Hotel. Eine wunderbare Café Atmosphäre in schönem Ambiente erwartete mich und ich genoss den ersten Abend in der Großstadt, die hier ganz dörflich wirkte in den kleinen verkehrsberuhigten Straßen der Spandauer Vorstadt, wie das Viertel noch hieß als Bettina von Arnim mit viel sozialem Engagement darüber schrieb. Leider musste ich Idiot ihre weitergehenden Hoffnungen auf die Fortsetzung unserer zauberhaften Liaison noch aus Heidelberger Zeiten später enttäuschen. War gerade frisch verliebt und liiert mit I., einer Germanistin, die über die Reiseliteratur des 19. Jahrhunderts promovierte und die mir noch als der Traum von einer Frau erschien, auch wenn ich nur eine halb keusche Nacht und einen wirklich keuschen Nachmittag mit ihr verbracht hatte, war ich mir mal wieder sicher, die Frau fürs Leben gefunden zu haben, obwohl diese betonte, eine Münsterländer Katholikin zu sein und ich damals noch keine Ahnung hatte, was das bedeuten würde, auch und gerade in der Horizontalen.
Thomas Mann nannte die Horizontale im Zauberberg über seinen Protagonisten Hans Castorp die einzig aufrechte Lebenslage und meinte damit noch die Liegekur, was immer dabei einigen Nachbarn vielleicht vom schlechten Russentisch sonst aufrecht stand, ist die Harmonie in der Horizontalen, auch wenn sie mal aufrecht genossen werden kann, wichtiger als viele Ideale der Liebe, die nichts taugen, wenn in der Horizontalen irgendwann nichts mehr aufrecht steht als die Frustration und hätte ich dies damals gewusst, wäre schon der erste Abend so viel schöner geworden, als ich zu träumen wagte, doch sollte es noch viele Jahre und Erfahrungen brauchen, dies wirklich zu verstehen.
Die erste Nacht in Berlin verbrachte ich also allein, statt mit der wunderbaren, gebildeten, leidenschaftlichen, zwar kleinen aber an den richtigen Stellen um so üppigeren Theologin aus der heimatlichen Pfalz, weil ich noch an die große Liebe, Treue und ähnlichen Blödsinn glaubte und nicht ahnte, was mir tatsächlich bevorstand. Bevor ich Schlafen ging in der schmalen Bettecke in meinem möblierten Zimmer im hässlichen 70er Jahre Betonbau, rauchte ich noch eine auf dem Balkon und schaute in Richtung des benachbarten Parks, dem berühmten Mauerpark, der mit jetzt in mitternächtlicher Ruhe als ein Ort des Friedens erschien, ohne eine Ahnung zu haben, was dort tatsächlich los war.
Der Schein trog, der Mauerpark und sein Randgebiet, waren kein Ort des Friedens - morgens um 5.30h, wenn vermutlich die letzten Musiker und Kiffer aus dem benachbarten Park gerade von den Wiesen feucht aber selig bedröhnt abzogen, wurden direkt vor meinem Balkon, so schien es mir zumindest, Kohlelaster beladen. Fiel aus dem Bett, schloss die Fenster, aber war nun wach, es half nichts, es war Montag der 1. September, mein erster Arbeitstag stand bevor - hatte zwar noch viel Zeit, bis ich um 10h in der Firma sein sollte, aber so konnte ich mir in Ruhe einen Tee bereiten, noch etwas schreiben oder lesen, mich auf den ersten Arbeitstag einstellen, überlegen, was aus meiner Vielzahl von Jackets und Hemden ich diesmal tragen wollte.
Fuhr mit meinem Wagen diesmal zur Arbeit und parkte direkt gegenüber auf dem früher wohl Grünsteifen in der Mitte der Schönhauser Allee, wo sie sich auf den Weg den Berg hinauf macht. Hatte mir den eigentlich ganz einfachen Weg genau auf der Karte angesehen, mich dennoch eine halbe Stunde vorher aufgemacht, was ich später in einer Viertelstunde zu Fuß lief und so hatte ich Zeit genug und kam überpünktlich.
Die etwas seltsame, blassblonde Personalerin begrüßte mich falsch freundlich und ziemlich formal, zeigte mir mein Büro und dann kam auch schon mein Freund, der mir diese Stelle organisiert hatte von seinem Gespräch mit dem Vorstand und wies mich in meine neue Arbeit ein. Als Redakteur war ich verantwortlich für alle lokalen und kulturen Sendungen, die der Sender auf die entsprechenden Empfangsgeräte in ganz Deutschland sendete. Textfunk via Radiowelle, der auch Nachrichten und noch wichtiger für die meisten, Sport und Börsenneuigkeiten verbreitete.
Es war die Zeit vor den ersten Smartphones. Es gab noch kein iPhone und die früher von der Post vertriebenen Nachrichtensender schienen noch eine gute Zukunft zu haben - vor allem durften sie auch im Flugzeug oder OP benutzt werden, wo Mobiltelefone der Strahlung wegen lange als verboten galten, während der Radiowellenempfang des Textfunks überall funktionierte. Ob der Glaube an die Strahlung immer schon schädlicher war als diese selbst je, wäre vermutlich eine spannende Frage für manche, die auch über den Nutzen der Homöopathie gerne diskutieren - beschäftige mich ungern mit allem, was schadet, der zumindest mentale Schaden der vergeudeten Zeit so deutlich spürbar ist, dass ich in dieser Zeit schon immer lieber ein gutes Buch las. Vielleicht wäre es wichtig, den Aberglauben gesetzlich zu regeln und zu begrenzen, statt ihn über gesetzliche Kassen zu finanzieren, vielleicht ist auch relativ egal, was wirklich ist, solange sich Menschen damit wohl fühlen, wird alles gut sein, was dazu beiträgt.
Diese Geräte mit den nur Radiowellen scheinen von heute betrachtet wie eine anachronistische Anekdote aus der Frühzeit des Mobilfunks und wurden es auch bald, doch noch schien es mir als meine Zukunft und ein Arbeitsplatz mit großer Perspektive. Erhielt einen Stapel Visistenkarten als Redakteur, ein neues Mobiltelefon mit dem ich nun beliebig telefonieren konnte, wie ich es eben für nötig hielt. All die Statussymbole impotenter werdender Männlichkeit füllten mein aufgeregtes Herz mit Stolz und vor der Tür stand mein riesiger Audi, dem keiner ansah, dass ich ihn erst vor einigen Monaten für 100,-DM aus einem Konkursverkauf erworben hatte und bei dem auch nur Kenner wussten, dass sich unter der langen Motorhaube des riesigen Wagens nur kümmerliche 75PS verbargen.
Die zu erstellenden Nachrichten über lokale kulturelle Ereignisse in der ganzen Republik, die höchstens 95 Zeichen haben durften, also SMS-Länge, waren eher mechanisch denn intellektuell anspruchsvoll. Bestellte noch in Papierform alle wichtigen Magazine aus dem ganzen Land, statt sich über das noch etwas in den Anfängen steckende Internet schneller zu informieren und stellte Praktikanten und Praktikantinnen ein. Verbrachte täglich 12-14h in meiner Redaktion, es war eben die Aufbauphase und es machte ja auch Spaß, das Kind zum Laufen zu bringen, Verantwortung zu haben wie ein Profi.
Wie einer schrieb ich, denn irgendwie konnte ich diesen 95 Zeichen Textfunk auch nicht ganz ernst nehmen, bremste er meine von FAZ-Feuilleton und Zeit Lektüre geprägten Ansprüche auf ein sehr beschränktes Maß zurück. Was ich dort tat, war eher Fließbandarbeit ohne jeden intellektuellen Anspruch, dennoch war ich Redakteur, also ein Journalist in der Hauptstadt, der zu seinem Posten als Redakteur eher kam wie die Jungfrau zum Kind. Wenn es dort noch um höheren Einfluss eines Gottes ging, der angeblich schwängerte, war es hier der Freund, der mit dem Eigentümer und geschäftsführenden Vorstand darüber sprach und ihm mich empfahl und mich dann zum Vorstellungsgespräch bat.
Die Tage verflogen im steten öden Arbeitsrhythmus, nebenbei suchte ich mir noch eine Wohnung und nahm gleich die zweite oder dritte besichtigte, ein schöner 2-Zimmer, oder wie es hier im Osten hieß, 2-Raum, Altbau im Winskiez, was mir damals noch nichts sagte und wovon ich erst etwas kennenlernte, nachdem ich schon fast nicht mehr dort wohnte.
Die Tätigkeit eines Redakteurs in der Hauptstadt hört sich sehr spannend an - real war es jedoch eine öde Fließbandarbeit mit geringer Abwechslung, die weder alleine noch mit zwei Praktikanten, die relativ frisch von der Schule kamen, in normaler Arbeitszeit zu bewältigen war. So wuchs die Redaktion weiter und mein Freund, der weiter gelegentlich als Berater tätig war, riet mir, mich mehr auf administrative Aufgaben zu konzentrieren. Ein schöner Ratschlag und gerne hätte ich mehr als Redakteur an der strategischen Planung des Internetauftritts der Firma mitgewirkt, an der ich immerhin durch den Einfluss des Freundes beteiligt wurde.
Von Berlin sah ich nichts, als den täglichen Weg ins Büro, vom Wedding an der Zionskirche vorbei über den Teutoburger Platz bis zur Schönhauser Allee. Manchmal ging ich noch mit den Kollegen vom Vertrieb in eine der Kneipen umme Ecke, wie sie sagten - aber meist war noch zu viel zu tun. Beschäftigte mich mit der Kultur im ganzen Land, theoretisch auch der in Berlin, erlebte aber real nichts davon und war nur damit beschäftigt die Nachrichten in das passende Format zu pressen und sie mit der simplen Maske zu senden. Insoweit wir auswählten, welche kulturellen Nachrichten wir sendeten, gab es noch eine gewisse redaktionelle Freiheit, aber es war nur ein eigentlich unwichtiger Zusatz, wirklich interessant fanden die Nutzer anderes.
Gefangen in dieser Mühle aus ständiger Produktion, schlief mein Geist ein und ich versuchte nur die Sache an sich im Schema zu optimieren, statt dieses zu hinterfragen und über die Sache hinaus zu denken - wie es besser werden könnte, was die Abläufe optimieren würde. Trug die Scheuklappen des Fließbanarbeiters, der nur unter körperlicher Anstrengung, die eben nötige Arbeit erledigte. Zumindest war ich so viele Stunden täglich im Büro, dass es auch die Vorstände immer wieder mit Wohlwollen bemerkten und ich suchte ja nichts sonst in Berlin, wo ich ja eigentlich nie hinwollte, der ich mein Herz hatte noch in Heidelberg verloren hatte an jene katholische I. aus dem Münsterland, nach der ich schmachtete und mit der ich in kurzen Momenten des Glücks manchmal telefonieren durfte.
So raste die Zeit durch den Monat, indem ich ständig mit täglich neuem Druck Dinge produzierte, die eher keiner brauchte, die aber eben gut bezahlt wurden. Rückmeldungen gab es nahezu gar nicht - die Medien waren noch nicht interaktiv, Facebook, Twitter und Google lagen noch in der Zukunft. Auswahl lokaler Nachrichten, deren Umsetzung auf Sendeformat von 95 Zeichen und dies täglich neu beschäftigte mich so sehr, dass ich mich heute noch frage, wie ich das monatelang aushielt, ohne völlig durchzudrehen. Eine Hilfe war, dass ich zu Anfang als leitender Redakteur die Arbeit aufteilen konnte und damit wenigstens den Produktionsprozess mit den Praktikanten gleichberechtigt organisierte.
Doch ich dachte nicht über die Zukunft nach, außer wenn ich zu strategischen Gesprächen mit dem Vorstand gebeten wurde oder mit einem Vertriebler mal zu Kunden etwa bis nach München fuhr. Dann durfte ich wieder Pläne entwickeln, strategisch planen und Ideen umsetzen, statt nur stupide am Fließband zu arbeiten und blühte dabei richtig auf. Leider nahm mir niemand in dieser Zeit meine Arbeit in der Redaktion ab und wenn ich das Glück hatte, einige Stunden solch sinnvolle strategische Arbeit für die Zukunft der Firma leisten zu dürfen, blieb ich danach mindestens so viele Stunden länger in der Redaktion, um nachzuholen, was in der Zwischenzeit nicht geleistet wurde.
Nicht gelernt hatte ich vor meiner ersten realen Führungsaufgabe, die ich kurz vor 30 übernahm, wie ich Arbeit sinnvoll delegiere. Was es heißt, sich als Chef durchzusetzen und den Mitarbeitern, mit denen ich noch dazu einen Redaktionsraum teilte, klare Anweisungen zu geben, was zu erledigen war, wie ich motivierte und lobte bei gleichzeitiger Kritik. DAs berühmte divide et impera kannte ich nur theoretisch, bedachte ich in der Mühle nie. Zuvor hatte ich zwar als Geschäftsfüher mal einen Internet-Start-up für Hochbegabte als Geschäftsführer mit ins Leben gerufen - doch war ich dabei nur der primus inter pares, der mit 5 Freunden ein großes Projekt plante, was dann genauso großartig wieder versandete, wie wir es geplant hatten. Immerhin hatte mir einer meiner damaligen Gesellschafterkollegen diesen großartigen Job verschafft, mit dem ich mich besser fühlte, als ich real je war.
So qualifizierte mich eigentlich nichts für diese Tätigkeit als das gute Wort, das mein Freund für mich eingelegt hatte und ich machte alles falsch, was ich nur falsch machen konnte, würde ich mit Abstand sagen. War zwar in allem ehrlich bemüht und engagiert, wollte es so gut machen, wie ich nur konnte und verlor mich dabei aber völlig in der stupiden Tätigkeit der Nachrichtenproduktion, die ohne jeden intellektuellen oder redaktionellen Anspruch war. Mit meinen Praktikanten war ich, der ich noch relativ frisch von der Uni kam, um ein möglichst kameradschaftliches Verhältnis bemüht und besonders die eine Praktikantin mochte ich und sie erklärte sich sogar bereit, mir in unserer Freizeit, die es praktisch nicht gab, weil wir jeden Tag neue Nachrichten senden mussten, beim Renovieren meiner neuen Wohnung zu helfen.
Kaufte Farbe, Rollen und lieh mir alles weitere irgendwo zusammen und machte mich eines Sonntags mit der frisch von der Schule kommenden Abiturientin aus Hamburg an die Arbeit. Wir schafften, was wir wollten, verstanden uns gut, ich fühlte mich eher als Kumpel denn als Chef und lud sie danach noch statt in ein Café zu mir in das möblierte Zimmer im Wedding ein, weil sie sagte, sie wolle nicht gerne ins Café oder Essen gehen, was ich zunächst vorgeschlagen hatte. Das war mir sehr recht, konnte ich mich doch kurz umziehen und sie vielleicht danach davon überzeugen, doch noch Essen zu gehen, zumindest einen Tee mit ihr trinken und sah ihre Hilfe als rein freundschaftlich an.
Als sie meine Gedichtbände und den Goethe stehen sah, geriet sie ins Schwärmen, sie offenbarte mir ihre große Liebe zur Dichtung und Literatur und ich gestand ihr, nichts ahnend meine ebensolche - dies mit meiner Praktikantin allein in meiner Wohnung und mir kam nicht mal die Idee, dies könnte gegen mich ausgelegt werden, da ich ja meine große Liebe in jener katholischen Germanistin aus dem Münsterland, die noch in Heidelberg weilte, gefunden zu haben meinte, ohne jegliche Absicht war, überhaupt nichts dachte. Las ihr sogar noch meine Liebeslyrik und einige erotische Texte vor, schwärmte ihr von meiner Liebe vor und sie sprach von ihrem Freund, der Pfadfinder war und alles schien mir gut so.
Wollte sie nun nach Hause fahren oder mit ihr Essen gehen, sie einladen, was sie sich ja verdient hatte, aber sie fragte nur, ob ich ihr nicht noch einige Gedichte vorlesen könnte und hatte ganz große feuchte Augen und ich ahnte nichts. Sagte es zu, aber nur, wenn ich erst mal eine Rauchen dürfte und wollte allein auf dem Balkon verschwinden - ein Moment Abstand hätte mir wohl ganz gut getan, vielleicht hätte sich dann mein Verstand wieder eingeschaltet, der sehr von diesem jungen blonden Mädchen mit den blonden langen Haaren bis zum Po besetzt war, die so für meine Gedichte schwärmte. Nicht als Mann, sie war ja viel zu jung und ich hatte ja mein Herz, wenn auch noch unbefriedigt, in Heidelberg verloren aber doch der Natur nach, gegen die wir uns manchmal kaum wehren können als Männer von schlichtem Wesen. Außerdem war ich ja ihr Chef, irgendwie war das tabu, dachte ich noch, während ich mir eine auf dem Balkon mit Blick auf dem Mauerpark ansteckte.
Der Blick ging real nur auf die Birken im Hof und glücklicherweise, sah ich sie nicht mehr kahl, denn dann wäre er nur auf den dahinter liegenden ab 5.30h lärmenden Kohlehandel und Schrottplatz gegangen und von Romantik war ohnehin wenig in diesem hässlichen Neubau am Rande des Wedding, dachte ich noch, als meine Mitarbeiterin auf dem Balkon kam, mich fragte, ob sie einen Zug haben dürfte, zu tief für meinen Geschmack an meiner Zigarette zog, um sich dann in einem plötzlichen Anfall von Schwindel in meine Arme fallen zu lassen.
Fing sie auf, wie ich es als Rettungssanitäter gelernt hatte, hielt sie mit einer Hand unter ihrer festen jungen Brust und fühlte nach ihrem Puls. Alles ok, dachte ich, als sie die Augen wieder aufschlug und nur, “mein Retter”, flüsterte. Fragte sie dann, ob sie sich hinlegen wollte, sie nickte, ich führte sie zu meinem Bett, zog ihr die Schuhe aus, legte ihre Beine hoch, sie öffnete den Gürtel und den obersten Knopf ihrer Jeans, fühlte noch mal den Puls, als sie etwas unverständliches flüsterte. Besorgt, ob es ihr wirklich so schlecht ginge, beugte ich mich zu ihr herunter, um sie besser zu verstehen und in diesem Moment umschlang sie meinen Hals und küsste mich.
Einen kurzen Moment packte mich die Leidenschaft, die Hände wanderten mehr schon in Gedanken und aus Gewohnheit über den mädchenhaften Körper mit leichtem Babyspeck, dann siegte das Gewissen als Chef und der Gedanke an die katholische I. in Heidelberg, mit der ich noch nicht wirklich geschlafen hatte und der ich dennoch die Treue halten wollte, wie sie es von mir als ihrem künftigen Mann erwarten konnte. Riss mich aus ihren Armen, sagte, dass ginge gar nicht, schließlich sei ich ihr Chef, statt mir zu überlegen, dass dies schon alles kaum ging, dass meine gerade volljährige Praktikantin mit geöffneter Hose, weil ihr ja etwas übel war, auf meinem Bett lag, aber entsprechend meiner reinen Absichten, lag mir jeder Gedanke an die eigentlich Unmöglichkeit dieser Situation, die mich später erpressbar machen könnte, völlig fern.
Sie erholte sich dann erstaunlich schnell, während ich ihr versicherte schon ihrem Freund einem Pfadfinder gegenüber würde ich nie etwas mit ihr anfangen, auch wenn sie nicht meine Mitarbeiterin wäre und ich nicht mein Herz in Heidelberg verloren hätte. All das interessierte sie plötzlich nicht mehr. sie wollte auch nicht mehr nach Hause gefahren werden, sie fände sich schon zurecht, nach einigem höflichen Widerstreben, gab ich schließlich nach, ließ sie gehen und dachte nur sehnsüchtig an meine I., ohne zu überlegen wie brenzlig diese Situation im kritischen Fall werden könnte.
Es war nichts passiert, wir hatten uns vielleicht eine halbe Minute geküsst und dann hatte ich mich wieder aus ihrem Griff befreit, auch wenn ihre Hand schon in meinen Schritt wanderte und meine Finger sich nicht weit von ihrer schon offenen Hose waren, dort die entsprechende Reaktion auslösten und ich heute noch staune, wie ich damals überhaupt noch zu einem klaren Gedanken fähig war. Vermutlich war es die sehnsüchtige Liebe zu jener I, mit der ich nur einmal für mich völlig unbefriedigenden Sex hatte, die ich aber für das, was sie studiert hatte und ihre Rolle im Leben als quasi Waisenkind, ihre Mutter war früh an Krebs gestorben, um so mehr liebte, geradezu vergötterte, die mir als die ideale Frau erschien, die Brücke in die Heimat war, in der ich auch nie wirklich Zuhause war und die ich so überraschend für die Stelle in Berlin verlassen hatte, die ich an diesem Abend zu verspielen begonnen hatte, was ich allerdings noch nicht ahnte.
Das Glück dieser Welt lag für mich immer in den Armen der geliebten Frauen, natürlich nur der einen, die es dann wirklich war. Was sonst, sollte lohnen, fragt ich mich nicht wirklich, ich lebte immer für die Liebe und wusste, dass die Erfüllung am Ende die Ehe mit der einen wäre, bei der alles stimmte. Warum ich auf die in vieler Hinsicht nur hypothetisch tolle I. alles setzte und mein Leben für sie gegeben hätte, der ich mit meinem Job Sicherheit und langfristig eine Familie bieten wollte, weiß ich nicht. Es schien mir gut und normal so - der Liebe folgen, für sie alles tun und dann zusammen glücklich sein, etwas anderes, war nicht denkbar und es sollte noch über 17 Jahre dauern, bis ich begriff, dass Frauen mir kein Glück bringen sondern es nur, wenn überhaupt zeitweise in sehr guten Momenten teilen können und ich für mein Glück ganz allein verantwortlich bin, ein bis jetzt noch schwer zu formulierender Satz. Lieber sage ich mit Goethe, zu lieben welch ein Glück, geliebt zu werden, ich verdient es nicht und lebte, immer wenn es dramatisch wurde in der Liebe innerlich sehr die Rolle des Werther. Lange mit dem Unterschied zu Goethe, dass dieser darüber schrieb und ich mich so fühlte und es tun wollte, dafür habe ich in meinem Leben vermutlich deutlich mehr Frauen geliebt und bedichtet als Goethe und so gleicht sich manches wieder aus. Coll war ich jedenfalls nicht, was die Liebe anging, ob ich es je werde oder bin, weiß ich nicht und theoretische Mutmaßungen zu Liebe und Leidenschaft sind müßig.
Familie, geteilte geistige Welten und schöner Sex, so stellte ich mir mein Leben vor und so dachte ich es mir auch mit I, die mir inzwischen angekündigt hatte, mich anlässlich meines 30. Geburtstages in Berlin besuchen zu wollen. Der Monat September verflog bis zu diesem am 29. gelegenen Ereignis in der Tretmühle des Nachrichtenfließbandes dann wie im Flug. Kein Gedanke an die Ereignisse in meiner Wohnung mehr und auf Rat meines Freundes, der immer wieder als Berater der Firma zu Besuch war, gab ich der Redaktion klare Anweisungen, überprüfte deren Arbeit und kontrollierte auch die Qualität der Leistung meiner inzwischen vier Praktikanten, gab Rückmeldung, durch Zettel mit kurzen Briefen, die kritisierten, was nicht so gut lief, ohne dabei gleich an eine Kündigung, an eine Abmahnung oder sonstige rechtliche Folgen zu denken.
Im übrigen fieberte ich nur noch den Tagen mit I entgegen, die für meinen Geschmack viel zu selten mit mir telefonieren wollte, aber nun fand ich mich damit ab und freute mich voller Seligkeit auf ihren Besuch, der am 28. September, dem Tag vor meinem Geburtstag beginnen sollte.
Plante den Tag mit einem klassischen Konzert im Schloss Pankow und einem feinen Essen, reservierte Karten und alles übrige, besorgte einen riesigen Strauß Rosen, um sie am Abend vor meinem Geburtstag mit meiner Staatskarosse am Bahnhof Zoo abzuholen. Den kannte ich schon, dort hatte ich eine befreundete Opernsängerin aus der französischen Schweiz, die wunderbare rothaarige N., der ich Narr aber auch nur von meiner großen Liebe zu der katholischen Germanistin I. vorschwärmte, statt sie anzubeten, wie sie es ohne Frage viel mehr verdient hätte, doch übersah ich sie verliebt, wie ich schon zuvor A, trotz klarem Wunsch ihrerseits einen Korb gab, weil ich ein an die große Liebe glaubte. Der Besuch von I. und die Katastrophen des folgenden Tages gehören zwar noch zum September, sind aber ein Kapitel für sich mit allen Folgen. Von Berlin erlebte ich in diesen ersten 28 Tagen nahezu nichts, als Kulturredakteur erlebte ich ein Konzert obiger wunderbarer Diva, die von einer ebenfalls zauberhaften Freundin am Klavier begleitet wurde, sonst nichts.
jens tuengerthal 22.2.2017
Abonnieren
Kommentare (Atom)