Montag, 16. Januar 2017

Gretasophie 009

009 Was ist der Mensch?

Acht Kapitel vorausschicken, um endlich zum Kern der Sache zu kommen, scheint geschwätzig. Um was sonst kann es Menschen gehen, die über das Leben nachdenken und sich Fragen stellen?

Nach Kant ist es die Urfrage aller Philosophie und der Kern menschlicher Suche. Doch kann diese Frage beantworten, wer sich nicht zuerst das Umfeld angeschaut hat und sind die Einzelheiten hier nicht ohnehin viel wichtiger als der große weite Blick auf das Ganze, frage ich mich und finde in allem Grund genug, darüber vorher nachgedacht zu haben. Wenn dies nun der Gipfel und Höhepunkt allen Schreibens sein soll, noch bin ich mir da nicht ganz sicher, versuche zu verstehen und schaue es kritisch an, wäre es dumm gewesen, ihn vorzuziehen, das ist beim Schreiben wie im wirklichen Leben, wer das spannende Ende zuerst erzählt, den Höhepunkt vorwegnimmt, kam zu früh und schaut meist hinterher in enttäuschte Gesichter. Wer zu spät kommt, ist auch nicht rechtzeitig da und den, wie Gorbatschow einst die Führung der DDR zum 40jährigen Jubiläum des sozialistischen Sauberländles lehrte, bestraft das Leben.

Nun scheint also der rechte Zeitpunkt da, endlich über den Kern zu schreiben, um den sich alles dreht, auch wenn vorheriges, wie alles, was wir tun natürlich auch menschliches, wenn nicht sogar allzumenschliches betraf. Vorab gleich eine Definition dessen, was Mensch nach Wiki sein soll, sich zu amüsieren, weiter zu denken und zu hinterfragen, allem eine Art Rahmen zu geben.

“Der Mensch oder auch Homo sapiens, was lateinisch verstehender, verständiger bzw. weiser, gescheiter, kluger, vernünftiger Mensch heißt, ist nach der biologischen Systematik ein höheres Säugetier aus der Ordnung der Primaten, gehört dabei zur Unterordnung der Trockennasenprimaten und dort zur Familie der Menschenaffen. Obwohl der Mensch biologisch betrachtet ein Tier ist, wird ihm landläufig (z. B. auch im juristischen Kontext) eine Sonderrolle zugestanden, und der Begriff der Tiere eingeschränkt auf „Tiere mit Ausnahme des Menschen“. Die Weltbevölkerung des Menschen hat heute eine Größe von mehr als sieben Milliarden Individuen. Für die Menschwerdung, also die evolutive Herausbildung der körperlichen und geistigen Eigenschaften des Menschen als Spezies, sind Interdependenzen zwischen genetischen, zerebralen, ökologischen, sozialen und kulturellen Faktoren maßgeblich. Charakteristisch für den Menschen ist, dass er in einer lang andauernden Kindheit auf mitmenschliche Zuwendung und Versorgung angewiesen ist, dass er die Fähigkeit zum Spracherwerb hat, besondere geistige Anlagen besitzt und kulturelle und soziale Bindungen eingeht. Sein Bewusstsein erschließt dem Menschen unter anderem eine zeitliche und geschichtliche Dimension sowie ein reflektiertes Verhältnis zu sich selbst, zu den eigenen Antrieben, Handlungen und ihren möglichen Folgewirkungen. So können sich Menschen auch Fragen stellen, die in grundlegender Weise die eigene Existenz und Zukunft betreffen, etwa nach ihrer persönlichen Freiheit, nach ihrer Stellung in der Natur und ihrem Umgang damit, nach moralischen Grundsätzen des Zusammenlebens und nach einem Sinn des Lebens überhaupt.”

Das mit der Trockennase würde ich für mich meist bezweifeln, aber wer weiß, ob ich damit nicht doch mehr Affe oder Rindvieh bin, solange alles fließt. Saisonal dank verschiedener Allergien, ganzjährig für viele Tiere und Staub und überhaupt finden sich auch jenseits der Allergie immer noch genug Gründe oder Infekte, damit weiterhin alles fließt und ich denke selten nur noch darüber nach, an welchem Tag es nicht so war und stimme einfach gelassen den weisen Worten des Heraklit aus dem 6. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung zu, dass eben immer alles fließt. Dass ich durch die beständige Feuchtigkeit der Nase einen besseren Geruchssinn entwickelte wie etwa Makaken oder Katzen, könnte ich nicht behaupten, eher im Gegenteil vermutlich, aber, was weiß ich schon davon und vermutlich ist diese pathologische Durchbrechung der biologischen Systematik, die alles ordnet einfach Blödsinn, aber auch damit wäre sie wieder typisch menschlich vermutlich.

Wenn ich ein Tier bin, so rein biologisch gesehen, auch wenn wir gerne alle möglichen Dinge phantasieren, dies zu leugnen, fragt sich, was das Fressen der eigenen Gattung von dem anderer noch rein ethisch unterschiede und ob also die neue vegane Sekte nicht für den besseren Humanismus tatsächlich stünde oder einzig die Menschenfresser konsequente Genießer sind.

Doch bevor ich auf diese ethisch sehr schwierige Frage auch nur den Versuch einer Antwort gebe, die jenseits des üblichen schwarz-weiß liegt, stelle ich fest, dass sie sich zu stellen sehr menschlich wohl ist, weil wir über das, was wir tun reflektieren und alles tun wollen, damit es uns so gut wie möglich geht.

Manche leben aus gesundheitlichen Gründen vegan, meinen es zumindest, denn ob Mangelernährung je gesund sein kann und unserer Natur entsprechend, scheint mehr als fraglich. Andere verzichten aus ethischen Gründen auf alles tierische, weil sie die Mitkreatur nicht sich für sie opfern lassen wollen. Ob diese Menschen fleischfressende Tiere darum mehr verachten als vegetarisch lebende, weiß ich nicht. Doch nicht alles, was der Mensch im ethischen Bereich tut, muss schlüssig und logisch sein, vieles steht auch in einem Kontext, der eher einem Glauben als einer vernünftigen Überlegung gleicht, geschieht also auf Grundlage eines Gefühls.

Die Fähigkeit zu glauben und zu meinen, dieser versetze Berge oder ein erdachter Gott habe sich die Evolution ausgedacht, uns genetisch von Affen und Gorilla genau unterschieden und sich nicht einfach diejenige Gruppe Lebewesen durchgesetzt, die am brutalsten und rücksichtslosesten waren, gehört auch zu den besonderen menschlichen Fähigkeiten. Dies auch gegen Gruppen, die möglicherweise intelligenter waren, wie die Neandertaler, die ein größeres Hirn zumindest hatten und eine breitere Stirn, also vielleicht wesentlich gutartiger waren, obwohl sie in der Nähe von Düsseldorf wohnten, was die guten Menschen gern verdrängen, denen der darwinistische Aspekt unserer Entwicklung eher rückschrittlich scheint, auch wenn wir unsere Ursprünge noch sehr deutlich fühlen können - etwa beim Balzen, wenn die Eifersucht der Revierverteidigung dient, auch wenn sie ein völlig unsinniges, überflüssiges und kontraproduktives Gefühl ist. Auch beim Mobbing im Büro und im Krieg ohnehin könnten unsere Ursprünge sichtbar werde, die nach der Natur den Stärksten überleben lassen.

Warum dennoch oder gerade diejenigen als kultiviert gelten, die ihre Gefühle im Griff haben, sich nicht triebhaft hinreißen lassen, lächeln können, auch wenn sie heulen möchten, bleibt spannend. Die Beherrschung gilt so als Kulturleistung und hat sich im Überlebenskampf als das erfolgreichere Mittel gezeigt, warum Coolness heute ein wichtiger Faktor der Fortpflanzungs Attraktivität für menschliche Weibchen ist. Umgekehrt mögen viele Männer die Leidenschaft der Frauen gern, da sie ihnen vielversprechend erscheinen lässt, was sie enthüllt erwartet, die Lust miteinander vergrößert und so langfristig die Begattungschancen maximiert, die wiederum der Arterhaltung dienen.

Doch welche Muster noch natürlich und welche verstellt sind, wie es dann tatsächlich mit einer oder einem ist, erfahren wir erst dabei und auch das kann Monate dauern, weil manche Meister der Verstellung sind. Ob uns dann die Wirklichkeit besser gefällt oder das Spiel, kann entscheidend für die Frage sein, wie lange wir noch miteinander und aneinander spielen, denn vieles an dem, was die Natur  von uns will, um unsere Art zu erhalten, bestmöglich zu überleben, geschieht spielerisch, vieles machen wir uns gar nicht bewusst, auch wenn wir es könnten. Vielfach tun wir dies mit der Begründung, wir wollten den Gefühlen ihren Lauf lassen, diese sollten echt sein und nicht von der Vernunft in unnatürliche Schranken gedrängt werden, als sei die Vernunft weniger Teil unserer Natur als der nur dunkle Trieb.

Die nüchterne Rationalisierung der Kriterien der Partnerwahl etwa, scheint uns völlig unromantisch und dem Gedanken der Liebe eher fern, als sei das Gefühl, was immer diese seltsame neuronale und hormonelle Reaktion auch ist, irgendwie entscheidend für den Erhalt unserer Art. Allerdings können wir mittlerweile sogar neurologisch nachweisen wie gut und auch nötig dieses Liebe genannte Ding für die Aufzucht der Brut meist ist, dass es sich positiv auf die Entwicklung des Gehirns und die soziale Position im Leben auswirkt. Vermutlich daher rührt die ganze Geschichte, die Sex mit Liebe verbindet, die Partnerwahl an romantische und unsinnige Kriterien knüpfen lässt, die für den Erfolg der Begattung im Sinne des sexuellen Aktes keinerlei Rolle spielen. Wir sind vermutlich nicht unserer Natur nach romantisch, sondern werden erst dazu durch erzogen, um die vermeintlich bestmögliche Aufzucht zu gewährleisten.

Aber kommt es überhaupt darauf an, ob wir der Natur nach eher triebhaft wären und das ganze Drumherum nur für den Erfolg beim Akt in Kauf nehmen?

Solange wir es so genießen und uns damit erfolgreich fortpflanzen können spricht nichts für  eine widernatürliche Entwicklung, die nur einen Ausreißer der Evolution darstellt. Nötig ist dies nicht, wie uns die Gewohnheiten anderer Kulturen und ihr teilweise größerer Erfolg bei der Fortpflanzung zeigen. Gerade in Kulturen mit Zwangsehen und starker Diskriminierung der Frauen gibt es eine eklatant höhere Geburtenrate als in modernen Kulturen der westlichen Zivilisation. Jedoch könnte diese Entwicklung auch eine natürliche Folge sein, die auf die Senkung der Säuglingssterblichkeit reagiert und während einer Übergangsphase von einigen hundert Jahren die Zahlen eben erstmal sinken lässt.

Sie könnte jedoch unserem Lebensgefühl am ehesten entsprechen und damit das Zusammenleben wie auch die erfolgreiche Anbahnung sexueller Kontakte erleichtern. Die Möglichkeit zur Kontrolle der Fruchtbarkeit ist so alt wie die Menschheit und auch wenn wir vom Pillenknick reden, ist es eine Illusion zu glauben, dieses zugleich auch lusthemmende Mittel, würde etwas auf Dauer tatsächlich ändern. Real wirkt es sich zunächst nur auf die Zahl der ungewollten Schwangerschaften bei Jugendlichen aus, die teilweise ihren Körper noch nicht so gut kennen und darum weniger Kontrolle haben. Würden die Kinder einen natürlichen Umgang damit lernen und Frauen Männer nicht erst lange Jahre der Erfahrung brauchen, um den Unterschied in der Zusammensetzung des Schleims zu erfühlen oder zu erschmecken, bräuchte es keine Chemie, da es im Falle eines Falles und für die wenigen fraglichen Tage auch andere sichere Methoden gäbe, die mehr der Natur entsprächen.

Aber wollen wir noch nach unserer Natur sein oder gerade nicht mehr. Rasieren sich viele junge Frauen heute dem Hollywood-Ideal folgend zu Nacktschnecken, weil es ihrer Natur entspricht oder gerade nicht?

Mode und Natur ist ein heikles Thema. Sicher ist es nicht natürlich, sich alle Haare abzurasieren, die von der Natur vorgesehen sind und die eine Frau vom Kind unterscheiden, von dem sexuell aktive Personen die Finger zu lassen haben. Andererseits bringen uns Moden zu vielen seltsamen Gewohnheiten. So tragen Männer im Gegensatz und umgekehrt proportional zur Haarpracht der Damen in der Mitte im Gesicht gerade wieder mehr davon und lassen die Natur sprießen, auch wenn es ihnen den höchsten Erfolg bei der Partnersuche meist gewährt, wenn sie ihren Bart gepflegt tragen. Ob Haare haben oder nicht also den sexuellen Erfolg erhöht und eher Ausdruck von natürlich schönem Verhalten dabei ist oder umgekehrt eine glatte Rasur auf Reinlichkeit und Gesundheit hinweist, ist schon unter den Trägern des einen oder anderen umstritten. Für die Fortpflanzung hat das Vorhandensein von Schamhaaren keine positive oder negative Wirkung zumindest, im Gegenteil weisen Kulturen, in denen dies üblich ist, selten sehr hohe Geburtenraten auf und meist niedrigere als Naturvölker, die dafür eine eklatant höhere Säuglingssterblichkeit haben.

Es wird wie bei den meisten Dingen auch dabei darum gehen, was gefällt und wen anmacht und soll doch jeder nach seiner Fasson damit glücklich werden. Gebe zwar gern zu bedenken, dass die Nacktrasur Frauen wie Kinder aussehen lässt, womit sie einem Ideal zu gleichen versuchen, dass sie nie erreichen können, sich also logisch permanent frustrieren und andererseits bei Männern einen Reiz setzen, der dem der Pädophilie äußerlich ähnelt, was ich zumindest fragwürdig finde. Aber auch da verschwimmen die Grenzen. In den 70ern, also der Zeit meiner Kindheit, waren Frauen noch weitgehend unrasiert und trugen wilde Büsche, wie ich gerne am FKK-Strand als Junge begutachtete. Schien mir gut und natürlich so. Heute fände ich vermutlich einen völlig wilden und unrasierten Schoß erstmal irritierend und würde, hätte ich dabei je die Wahl, wohl den gepflegten Streifen oder das schöne Dreieck bevorzugen, solange Haare vorhanden sind und Frau nicht gänzlich nackt vor mir steht, was bei mir eher zum Gegenteil von Erregung führt. Nacktschnecken sind für mich Kinder, da funktioniere ich sexuell nicht und das finde ich auch gut so, aber ich gehörte gerade noch einer kleiner werdenden Minderheit an. Nun dreht sich der Wind in der Schamhaarmode wieder vorsichtig, wie ich erleichtert las.

Handle ich dabei natürlich oder folge ich meiner sozialen Dressur, nach der für mich als Vater einer Tochter die Schöße der Kinder sexuell einfach tabu sind?

Die Grenzen verschwimmen hier vermutlich wie in so vielen Dingen im Bereich Sexualität und Partnerwahl. Ob es einen Wert hat, seiner Natur zu folgen oder dies nur ein pseudo-ethisches Ideal ist, mit dem eine Grüne-Bewegung ihre Sicht von zurück zur Natur auch modisch begleitet, wäre der Frage wohl wert.

Kenne inzwischen einige Frauen, die mit Männern Sex haben und dabei nie Spaß hatten, es nur taten, weil es halt dazu gehört. Konnte zum Glück zumindest einige von der Möglichkeit des Gegenteils überzeugen, aber es schien ihnen ganz natürlich so. Männer wollten das eben und Frauen müssten es ertragen und das beste daraus machen, um dafür die von ihnen mehr geschätzte Zärtlichkeit geschenkt zu bekommen. Sie verschenken sich also für Liebe oder betreiben eine Form der Prostitution mit einem eigentlich nicht käuflichen Gut.

Auf dieser Basis haben sich viele sexuelle Gewohnheiten in Gesellschaften entwickelt, egal wohin wir schauen auf dem Globus, gibt es solche Muster und überall wo Männer herrschten oder männliche Phantasie den Aberglauben lenkte, zeigte sich ein ähnliches Verhalten. Halte diese sozial pathologische Entwicklung für völlig unnatürlich, finde solchen Sex von Frauen, die sich nur ohne eigene Leidenschaft verschenken, schrecklich, er bereitet mir keine Lust, schenkt selten Befriedigung und ist daher völlig entbehrlich, würde es nicht mal Sex nennen, weil dazu für mich die Leidenschaft zweier gehört - es ist nur Onanie mit Beteiligung.

Dies ist die meiner Ansicht nach eher zu verurteilende Form der Prostitution, bei der Liebe für Sex gekauft werden soll und hat mit beidem nichts zu tun. Die meist nur sogenannte Prostitution ist dagegen sehr ehrlich. Sie gibt Sex für Geld, beide wissen, dass die sich verkaufende Seite ihre Lust nur spielt aber sie tut dies zumindest professionell und keiner muss ein schlechtes Gewissen beim Akt an sich haben, wenn es denn den Beteiligten Freude macht und Befriedigung bringt. Für mich ist es völlig uninteressant, weil Sex mich nur mit Frauen reizen kann, die dabei Lust empfinden und Befriedigung erfahren, aber, es ist ehrlicher als viele Ehen und der dort vollzogene Sex.

Der Preis des Sex mit einer unbefriedigten Partnerin soll vermeintlich die Zärtlichkeit danach sein, ist aber tatsächlich ein permanent schlechtes Gewissen, was sich über früher oder später auf die Potenz sensibler Männer auch auswirkt. Ein zu hoher Preis, wie ich finde und nicht lohnend je und es ist mir ein Rätsel warum dennoch viele Paare diesen Zustand leben als sei er ganz natürlich. Was wieder die Frage stellt, was eine gute natürliche Lösung für solche Fälle ist, auch wenn ich zugeben muss, diesen Ausnahmezustand mit allen meinen drei Verlobten erlitten zu haben, was mich zunehmend in Selbstzweifel stürzte, die durch Beschimpfung der Betroffenen noch verstärkt wurde. So wurde ich dabei nicht nur impotent sondern auch nahezu depressiv und das ist also der Liebe Lohn, dachte ich ein wenig frustriert, bis mich die Wissenschaft eines besseren belehrte.

Es gab zu diesen Fällen der Frauen, die dabei nichts oder wenig empfinden einmal Forschungen von einer Geliebten Ludwigs XV., der es auch so ging und die damals die Theorie vertrat, dies könnte am Abstand von Klitoris und Scheideneingang liegen. Um ihre Vermutung zu verifizieren, ließ sie tausende Bäuerinnen in ganz Frankreich untersuchen und befragen, stellte also eine Studie auf, ohne von der Existenz des nervus pudendus zu wissen.

Diese Studie war zuerst ein großer Knaller, machte viele neugierig und wurde später vergessen, galt als laienhaft und unwissenschaftlich, weil eine Betroffene ihren Standpunkt nur mit unmedizinischen Methoden zu bestätigen suchte.

Spätestens seit der vermeintlichen Entdeckung des ominösen G-Punktes mit dem angeblich jede Frau kommen könne, galt diese Studie als völlig veralteter Unsinn einer Hofschranze. Doch trotz der Tatsache, dass führende Sexualforscher sich von diesem Punkt überzeugt gaben, fanden sich immer noch viele Frauen, die nichts dabei empfanden und nur nicht darüber reden wollten, weil die Wissenschaft ja festgestellt hätte, dass sie nicht normal seien.

In dieses Dilemma stieß vorletztes Jahr die Publikation einer Studie italienischer Neurologen, die ganz frech behaupteten, der weibliche Orgasmus sei nur klitoral, es gäbe keinen vaginalen Höhepunkt. Wieder schrien viele Frauen auf, diesmal die andere Hälfte, die sich doch sicher waren, was sie fühlten und es von Innen spürten, wenn sie dabei kamen. Aus der geringen praktischen Erfahrung eines Laien kann ich nur bestätigen, es gibt beides und bis 2010 hätte ich auch gedacht, die bei denen es angeblich anders sei, wären eine ganz geringe Minderheit nur und dann hätte es vermutlich eher psychologische Gründe, sie wären halt zu verklemmt, gehemmt, traumatisiert oder von Familie.

Die statistischen Zahlen sagen aber etwas ganz anderes und die breitere Erfahrung hat mich inzwischen auch eines besseren belehrt, es ist tatsächlich nahezu die Hälfte der Frauen, die dabei wenig oder nichts empfinden, sich aber dennoch meist sicher sind, Mann würde das nicht bemerkten.

Neurologische Studien zu der These der These der Italiener bestätigten, der weibliche Höhepunkt erfolge allein durch Stimulation des nervus pudendus, jenes Stranges eben, der in der Wirbelsäule entspringt und über den Annus zur Klitoris verläuft und je nachdem wie hoch oder tief er verläuft, kann er intravaginal stimuliert werden oder nicht und Frau kann logisch dabei etwas empfinden oder nicht. Falls nicht, wie in Fällen der Klitorektomie ist eine indirekte Stimulation des nervus durch das männliche Glied, wie es von der Natur wohl geplant war, über den anderen Eingang immer möglich, weil er dort direkt verläuft, was aber dank der Tabus auch der Kirchen und einer bigotten Moral ein heikles Thema immer war.

Die Geliebte Ludwigs XV. hatte also instinktiv völlig recht, bin nicht sicher, ob es die Pompadour selbst war, die als aufgeklärte Frau ja viel auch für die Rettung etwa der Encyclopedie tat, an der Diderot zu ihrer Zeit mit seinen Mitarbeitern schrieb. Je größer der Abstand von Scheideneingang und Klitoris, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Frau beim vaginalen Sex etwas empfinden kann, weil ihre Natur eben ist, wie sie ist. Sofern diese Frauen es anderweitig entspannt genießen können, wird diese kleine Veränderung der Natur keine schädlichen Folgen für ihr Sexleben haben. Falls sie da völlig unentspannt sind,  wird es oftmals eher mühsam und viele Beziehungen mit empfindsamen Männern scheitern an der von diesen gefühlten Lustlosigkeit, die auf sie die gleiche Wirkung hat und dann bleiben sie eben als Freunde zusammen oder nicht, was häufiger der Fall ist.

Die Natur und wie wir gebaut sind kann also großen Einfluss auch auf unser Gefühlsleben haben und es ist eine Illusion, zu glauben, dies alles könne die Liebe als nur geistiges Gefühl gegen alle Triebkräfte des Körpers überwinden. Mit einer auch anderen Natur dennoch lustvoll leben zu können und sich nicht nur um das anstatt mehr zu kümmern, was zu noch größerer Frustration und einem permanent schlechten Gewissen beim sexuell begierigen Partner führt, ist die hohe Kunst der Balance zwischen den verschiedenen Kräften, die in uns wirken.

Auch auf das was wir mögen oder nicht, hat unsere Natur und verschiedene Umstände seit ihrer Entstehung starken Einfluss. So mochte ich nie Fisch und dachte immer alles läge an einer Angst vor Gräten und sich tödlich verschlucken zu  können. Dann musste ich über 30 werden, um bei einem Allergietest festzustellen, dass ich hochallergisch auf Fisch und Schalentiere reagiere, obwohl ich Austern und Hummer eigentlich schon mochte. Meine Natur hatte mir also mit meinem natürlichen Geschmack einen Weg zu meiner Gesundheit gewiesen. Vielleicht fehlt mir durch ein kleines Stolpern in der großen Komplexität irgendein halbes Enzym diese Dinger gut abbauen zu können, was weiß ich schon davon, der ich kein Arzt bin. Aber es hat mich doch zufrieden gemacht, nun sagen zu können, es tut mir leid, darf ich nicht essen, bin hochallergisch.

So ähnlich ist es bei mir mit flüssigem Duschgel oder flüssiger Seife und Cremes, der Weichmacher in diesen Dingern, ist für mich ein gefährliches Gift, zumindest reagiert mein Körper darauf ähnlich heftig wie auf Fische und Katzen. Instinktiv mied ich dies immer, als  läge es in meiner Natur.

Ob dies nun daran liegt, dass ich in meiner Kindheit in Frankfurt-Schwanheim viel mit dem wunderbaren bunten Staub spielte, der nach Unfällen bei der Chemiefirma Höchst auf der anderen Seite des Flusses häufig bei uns landete, weiß ich nicht. Sicher wäre das nicht auszuschließen und wäre ich ein gewiefter Anwalt und beschäftigte mich gern mit solchen Themen könnte ich vermutlich den heutigen Nachfolger mit Prozessen überziehen, um mir einen Schadensersatz zu erklagen, doch erschiene mir ein solches Verhalten, völlig gegen meine Natur, die lieber in Frieden lebt, statt sich zu streiten.

So prägt meine Natur ein ethisches Gebot und ein Wunsch nach Harmonie stärker als ein formaler Gerechtigkeitssinn, der unbedingt Ausgleich für erlittene Schäden erhalten möchte. Möchte ich mich mit den Risiken meines Lebens beschäftigen oder will ich es jeden Tag genießen, als ob es der letzte wäre, frage ich mich und mein Gefühl sagte klar letzteres. Darum weiß ich, es ist Unsinn zu rauchen, aber ich beschäftige mich nur damit, wenn ich aufhören will, weil alles andere zu permanent schlechtem Gewissen und schlechter Laune führte, wie der Sex mit Opfern, die sich nur empfindungslos verschenken.

Als ich 17 war, hatte ich einen Fahrradunfall weil ich vermutlich den Abstand des kommenden Wagens falsch einschätzte. Mit Mitte 30 erfuhr ich, dass ich nahezu kein räumliches Sehen habe, verstand plötzlich, warum ich bei einigen der Intelligenztests nach dem Unfall einerseits als hochbegabt und andererseits als schwachsinnig galt, ich konnte es schlicht nicht sehen, was die von mir wollten. So führte ein Teil meiner Natur dazu, dass ich damals tödlich verunglückte und wieder reanimiert werden konnte, auch wenn ich nicht an die Existenz einer Seele mehr glaube, nutze ich mal den üblichen Ausdruck, die Leser nicht weiter zu verwirren.

So durfte ich am eigenen Leib erfahren, dass, wenn das Herz nicht mehr schlägt, nichts mehr ist und kann mich folglich an nichts erinnern, auch die Tage oder Wochen davor, verschwinden bis heute im Nebel, wie der Monat danach, den ich weitgehend bewußtlos war. Sicher ist eine Halbseitenlähmung nicht gerade die Erfahrung, die ich jedem wünschen würde, doch sollte mich einmal ein Schlaganfall ereilen, weiß ich zumindest schon, wie es ist und das Leben danach weitergeht.

Will damit nicht sagen, dass all die Geisterseher, die von einem hellen Tunnel oder ähnlichem reden, bewusst lügen, es wird ihnen vermutlich so vorgekommen sein, als sie wieder zu Bewusstsein kamen und Aberglaube und Phantasie gingen gemeinsam mit der üblichen Indoktrination ein gutes Bündnis ein, von dem die Kirchen bis heute leben.

Mit Epikur und Lukrez sage ich heute, es ist wunderbar sterblich zu sein, nichts mehr zu erwarten, nicht an die Fortexistenz meiner Seele, bei mir verschärft sogar nicht mal überhaupt an eine solche zu glauben, sondern zu wissen, alles Sein ist endlich und wenn ich nicht mehr will, mache ich allem ein Ende und vorher genieße ich alles in vollen Zügen.

Die Fähigkeit zum Glauben und zur Phantasie, die sich jenseitigen Trost sucht, gehört auch fraglos zu den großen menschlichen Fähigkeiten. Ob sie uns mehr nutzt oder schadet, ist eine Frage der Betrachtung und dessen, was wir daraus machen. So wir sie als solche betrachten, erhöht sie unsere Freiheit, da wir uns noch parallele Welten im Geist schaffen können und dann immer da sind, wo wir uns am wohlsten fühlen und dort tun, was uns glücklich macht. Sofern sie uns zum Aberglauben verführt, der unsere Lust nur dialektisch durch Verbote steigert, können wir uns, sofern noch vernünftig, fragen, ob diese eher masochistische Nummer uns glücklich macht. Sofern unsere Bilanz am Ende stimmt, ist alles erlaubt, wenn nicht, wäre es Zeit, etwas an den Gewohnheiten vielleicht zu ändern.

Was außer danach zu streben, glücklich zu sein, in der menschlichen Natur alles liegen kann, zeigt ein Blick in die Geschichte des Aberglaubens und seiner Folterkammern, Inquisitionsgerichte und Scheiterhaufen. Auch die Politik ist gerade im 20. Jahrhundert ein weites Feld des kollektiven Unglücks gewesen, in dem Fanatiker Kriege beginnen und ausdehnen konnten, in denen die Mittel der gegenseitigen massenhaften Vernichtung auch unbeteiligter Zivilbevölkerung immer weiter verfeinert wurden.

Ist es natürlich, sich ab und zu umbringen zu wollen, um das Gleichgewicht zu halten oder ist das unmenschliche Tun der Soldaten dieser Welt, ihrer Kommandeure und ihrer Geldgeber, unserer im Krieg so erfolgreichen Ökonomie völlig widernatürlich. Manch alter Offizier meinte, es gehöre so ein Gemetzel ab und an zur menschlichen Natur und es müsse eben ein jeder schauen dabei möglichst nicht inmitten zu stehen, es sei denn er wolle zum Helden werden.

Was hat ein Toter davon, ein Held zu sein?

Nichts, er ist ja nicht mehr  und wer nicht ist, hat von nichts etwas, es ist also völlig egal, hinterher, ob wir als Held oder als Idiot gingen, solange wir es bis dahin ausreichend genossen haben. Es gibt keinen Grund, sich für sein Vaterland oder eine Idee zu opfern. Wir haben nur ein Leben, wenn wir es verspielen, ist es weg und es kommt nichts mehr. Manchmal profitieren die Angehörigen von einer Opferrente aber selten mehr als vom Lebenden in Summa, auch wenn der IS gern diese Täuschung aufrecht erhält durch relativ großzügige Zahlungen an die Angehörigen ihrer Attentäter ist dieser fanatisch irreale Staat auf Basis der wahhabitischen Auslegung des Koran ohne eine langfristige Perspektive als die kollektive Vernichtung. Wie weit sie damit erfolgreich sind außerhalb der von ihnen besetzten Territorien hängt davon wie lange wir noch mitspielen. Der Krieg der Welt gegen sie eröffnet ein Schlachtfeld ohne Grenzen und damit immer mehr, wie in Deutschland und den USA sichtbar, verantwortungslosen Populisten alle Türen.

Warum die Menschen gerne denen folgen, die Angst und Hass predigen, statt Frieden und Vernunft habe ich noch nicht begriffen aber es verhält sich mit dem Hass vermutlich ähnlich wie mit der Liebe, so war mir die Liebe manch wunderschöner Frau zu einem hässlichen oder langweiligen Knilch immer unverständlich, vor allem, wenn ich bedenke, wie schön, sie es mit mir haben könnte, doch vermutlich schien ihr dieses Ansinnen so unsinnig wie ihr ihre Wahl die einzig wahre zu sein schien, auch wenn der Kerl nach meinen objektivierbaren Kriterien weniger intellektuell war, langweiliger im Bett vermutlich, kein so guter Koch und überhaupt und doch war ihre dann Wahl für sie die einzig richtige, so wenig auch immer ich sie verstehen konnte.

Vielleicht sollte ich mich bei mancher der meinen auch fragen, wie konnte ich nur, um der Auswahl wieder mehr Wert zu geben, doch liegt mir solche Abwertung völlig fern. Hab sie  alle geliebt, auch wenn es keinen Grund gab oder manchmal auch gerade darum. So ähnlich hassen eben manche Menschen und kultivieren dies Gefühl als Teil ihres Charakters, fühlen sich normal und wohl damit, auch wenn es niemand gut tut. Die Einigung der Hassenden unter der kollektiven Ablehnung hat in der Zeit des Nationalsozialismus gegen die Juden hervorragend funktioniert, wie heute wieder gegen den Islam seitens einer unaufgeklärten, weitgehend ungebildeten Bevölkerung, die sich von Fanatikern im Interesse anderer Mächte steuern lassen.

Wer schlecht über seine Lieben redet, wird selten gut leben und genießen können. So wie alle, die sich am Hass aufgeilen, nichts haben, was sie konstruktiv gestalten wollen. Die vorgeschobene Rettung des Abendlandes, das sie überhaupt erst gefährden, durch die vom Ausland finanzierte Destabilisierung, ist kein Gestalterwille sondern eine Provokation auf niedrigem Niveau.

Es sind die Islamisten den Pegiden näher als diese den Demokraten und friedlichen Bürgern verwandt, weil der Hass auf andere sie eint, auch wenn sie sich eigentlich gegenseitig zu  hassen vorgeben. Die Intoleranz versteht sich untereinander gut und ist sich über die Naivität der Demokraten in der offenen Gesellschaft nach allen Verschwörungstheorien oder je Aberglauben einig.

Der Hass eint Menschengruppen, die glücklich miteinander demonstrieren und ihre Hassparolen verkünden oder zum Heiligen Krieg gegen die Ungläubigen aufrufen. Wird er damit menschlich oder bleibt die geleitete Dummheit unmenschlich und hat der Herr im Kreml nur verstanden, wie leicht dumme Deutsche bis heute zu instrumentalisieren sind, wenn ihnen einer erzählt, einer will euch was wegnehmen.

Was tut uns gut und was ist menschlich?

Ob vegan leben besonders menschlich ist oder eine abgedrehte Spinnerei, möge die Nachwelt entscheiden, denke ich und beiße in mein Teewurstbrot, wie ich es mag.  Ob ich selber schlachten würde, wenn ich es müsste, frage ich mich dabei auch nicht. Würde nie einem Veganer mein Teewurstbrot aufdrängen, der soll seine Pasten schön alleine schlabbern. Kann anerkennen, dass es der eine oder andere nicht nur aus phantasierten gesundheitlichen Gründen tut, sondern aus echter ethischer Überzeugung, die ich achtenswert finden kann, ohne sie nachahmen zu müssen und darum mich fragen lassen müsste, wie ich den Konsum von Mitkreaturen denn mit meinem Gewissen vereinbaren könnte, ob ich dem Tier vorm Schlachten in die Augen sehen könnte. Das muss ich nicht, weil ich weder Metzger noch Schlachter bin, auch nicht vorhabe für den Fleischverband noch zu arbeiten.

Aber der nagende Pfeil dieser supermoralischen Veganer nagt natürlich doch nun bei jedem Bissen an mir und meinem Gewissen fragt mich, wie und ob der Konsum von Fleisch noch mit dem kategorischen Imperativ zu vereinen ist.

Kann ich so oder so sehen, merke ich nach Abwägung vieler Argumente. Manches spricht dagegen, andererseits folge ich als auch Fleischfresser einfach meiner Natur und will auch genau das und mich nicht für meine Natur rechtfertigen, weil sie ist, wie sie ist. Liebe auch die Frauen, weil es meiner Natur entspricht und meine Fähigkeit sich dabei zu beschränken, ist vermutlich relativ gering, weiß nicht ob das nun menschlich oder nur natürlich ist und ob es da einen Widerspruch geben muss und was uns eigentlich mehr ausmacht.

Sicher weiß ich nur, dass, wenn ich tue, was mir gefällt, es jensisch ist und mir also gut tut, was mehr, sollte ich noch wollen Leben, als glücklich zu sein, gibt es überhaupt mehr?

Was der Mensch ist, weiß ich nicht so genau, die Definition von Wiki ist ganz nett, trifft aber kaum etwas von dem, auf was es für mich dabei ankommt. Der Sinn des Lebens, den es nicht gibt, weil es einfach ist, auch ohne Sinn, der interessiert mich nicht. Worauf es mir ankommt, ist glücklich zu sein und dieses Glück mit meiner Umgebung teilen zu können. Die  Zeit ist begrenzt und also kommt es mir nur darauf an, jeden Augenblick so zu genießen, als sei es der letzte und andererseits immer wieder zu lieben als sei ich unsterblich, bis die Natur irgendwann natürlich das Gegenteil beweist. Was weiß ich schon vom Menschen und seiner Natur, ihren Grenzen und dem was uns ausmacht, will ein wenig nun darüber nachdenken, ohne Grenzen zu ziehen dabei, was Geist und Natur ausmachen, welches Bild wir uns vom Menschen machen, was es mit der Menschlichkeit so auf sich hat und was Liebesunsterblichkeit bei sterblichen Wesen überhaupt soll.
jens tuengerthal 16.1.2017

Sonntag, 15. Januar 2017

Gretasophie 008c

008c Zukunft der Familie

Hat Familie noch eine Zukunft oder ist das Modell in unserer Zeit überholt?

Früher war die Familie nicht nur emotionaler Rückhalt sondern mehr noch die soziale Absicherung. Wer nicht mitkam, wurde von der Familie durchgefüttert und so sorgte einer für  den anderen und jeder hatte seine Rolle in einem Sozialsystem ohne Staat. Dies hatte den Vorteil einer persönlichen Sicherung und der dadurch Nähe zu den Betroffenen.  Keine riesige anonyme Verwaltung entschied über ihr ferne Sozialfälle nach normierten Kriterien, sondern die Familie beriet sich oder das Familienoberhaupt, gleich welchen Geschlechts, entschied, wie es weiterging.

Ein sehr gutes Modell, solange du dich mit deiner Familie verstehst, mit ihr zusammenlebst, nicht alleine in Not kommst. In allen anderen Fällen, die heute noch häufiger sind, wird es schwieriger für die Beteiligten. Sie sind von den Eltern oder Großeltern abhängig, können sich nicht selbst entscheiden und werden nur geduldet. Ein permanent schlechtes Gewissen kann auch vor jeder anderen Tätigkeit lähmen und das Leben zur Hölle machen, während ein Recht auf Zuwendung des Staates, keinem ein schlechtes Gewissen aufnötigt.

So wäre das viel diskutierte Bürgergeld die große Chance zur Freiheit für viele Menschen, würde die Wirtschaft stark ankurbeln durch den geförderten Binnenkonsum und machte die Menschen von der Willkür anderer unabhängig. Es müsste nicht länger um Hartz IV gebettelt werden, sondern es gäbe einen staatlichen Anspruch für jeden Bürger, der ansonsten von der Steuerleistung am Ende abgezogen wird. Damit würde die  Familie als Solidargemeinschaft überflüssig und es wäre unabhängig, ob du aus armen oder reichen Verhältnissen kommst, möglich ein gutes Leben zu führen und am sozialen Leben teilzunehmen.

Doch ist ein solches Sozialmodell, das der Staat mit Komplettversorgung durch Steuern finanziert, trägt, wirklich ein Zukunftsmodell und eine gerechte Alternative zur Familie?

Wo es einen Anspruch gegen den Staat auf Bürgergeld oder Leistung gibt, fragt sich, was noch ein Ansporn zur Leistung sein könnte und ob diese Komplettversorgung nicht viele Menschen in gering bezahlter Tätigkeit dazu bringt, ihren Job aufzugeben und sich versorgen zu lassen vom Staat, vor dem sich ja keiner mehr rechtfertigen muss, sofern ein Anspruch besteht. Andererseits sind Menschen viel leistungsfähiger, wenn sie nicht permanent unter existentieller Angst stehen und das System wäre im ganzen wesentlich günstiger und ökonomisch deutlich effektiver.

Warum der Staat aus moralischen Gründen nicht tut, was günstiger und besser wäre, wird wohl vielen rätselhaft bleiben aber eine Solidargemeinschaft besteht eben auch aus nicht materiellen, also geistigen Werten und an diesen gemessen ist das Bürgergeld etwas, dass Teile der Politik ablehnen, auch ganz Linke teilweise, weil sie meinen, Leistung müsse sich immer mehr lohnen als bloßes Sein und jeder solle etwas tun müssen, um hier leben zu dürfen und wer das nicht wolle, müsse sich eben rechtfertigen dafür, damit es gerecht zugeht.

Finde an dieser Sicht sehr problematisch, dass sie eine persönliche moralische Sicht damit anderen aufzwingt, von deren Lebensbedingungen ich nichts weiß und Menschen zwingt, sich vor dem Amt zu entblößen, auch um Sozialbetrug zu vermeiden, statt die Bürger frei zu lassen, das günstigere und effektivere System zu nutzen, jedem Bürger einen Anspruch zu geben und die Verwaltung dafür massiv zu verkleinern. Die Populisten machen sich die sozialen Ansprüche derzeit auch zu Nutze, um gegen Flüchtlinge zu hetzen, dem könnte so effektiv entgegengetreten werden. Ist der Fortbestand und die ewige Finanzierung dieser relativ untauglichen Solidarsysteme nur die Krücke, mit der sich eine sonst überflüssige Verwaltung und Politik am Leben erhält?

Dagegen wäre die Familie eine gesunde Sozialstruktur, die aus eigenen Kräften schöpft und damit die Versorgung ihrer sozial schwächeren Teile übernimmt. Um einen Ausgleich für all diejenigen zu schaffen, die durch unglückliche Zufälle nun keine Familie haben, könnte für solche Ausnahmen, die allerdings heute teilweise schon fast wieder die Regel sind, ein Anspruch auf staatliche Hilfe zugesichert werden, entsprechend dem Bürgergeld, das sonst in die Familien ginge. Eine Solidargemeinschaft, die aus lauter freien und voneinander unabhängigen Zellen bestünde, die sich in der Regel selbst versorgen und nur in Ausnahmefällen auf den Staat zurückgreifen, könnte eine große Entlastung für die Gemeinschaft darstellen. Diese brächten die gleiche Leistung, die sonst Heime und die Solidargemeinschaft tragen müssten, deutlich günstiger, was für beide Seiten lohnen sein sollte.

Ob dem Familienverband dann entsprechend seiner Eigenleistung die Steuer erlassen wird, wie es dem augenblicklichen Prinzip ungefähr entspricht, wenn auch noch viel zu kompliziert im Einzelfall geregelt und ohne echtes Primat der Familie, könnte angedacht werde, änderte jedoch nichts am Anspruchdenken nur dann eben der Versorger. Warum es sozial und psychologisch schlecht sein soll, Armen einen Anspruch auf staatliche Leistung zu geben, es aber andererseits gut und gerecht sein soll Reichen die Abschreibung ihrer Leistung an die Armen zu gestatten und wie sich das eine vom anderen unterscheidet, wäre wohl der Diskussion wert, die ein vernünftiges Gefühl, welch sinnige contra dictio, für das soziale Miteinander entstehen lassen könnnte.

Es zeigt sich bei genauerer Betrachtung, darum diskutiere ich das Thema hier überhaupt, wo es doch eigentlich um die Familie und ihre Zukunft gehen soll, wie sehr die Familie dem Sozialstaat ähnelt vom Prinzip her, wo dieser jene überflüssig macht und was diese aber jenem immer voraus hat.

Einige Staaten wie Argentinien, nach ihrem totalen Staatsbankrott, oder Norwegen, nachdem sie mit ihren Ölvorkommen in der Nordsee zu schier grenzenlosem Reichtum kamen, haben ihre Systeme umgestellt vom klassischen Sozialversicherungssystem, das auf die Zukunft hofft und einen Generationenvertrag abschließt, in dem die aktuelle Generation für die vor ihr arbeitende Gelder zurücklegt, in ein am Kapitalmarkt  finanziertes freies System umgewandelt und damit sehr gute Erfahrungen gemacht und Milliarden eingespart, sich zukunftssicher aufgestellt, völlig unabhängig von der jeweiligen Bevölkerungsentwicklung.

Staaten mit einem System wie Deutschland dagegen brauchen ein relatives Bevölkerungswachstum, um ihr System langfristig finanzieren zu können. Da diese Entwicklung in Deutschland aber seit Jahren negativ ist, also mehr Menschen in Rente gehen oder sterben, als Arbeit bekommen und geboren werden, muss der Staat draufzahlen und mit Steurgeldern das theoretisch umlagefinanzierte Sozialsystem stützen. Dies System am Markt orientiert und dennoch sozial so zu reformieren, dass es sich der realen Entwicklung auch der Bevölkerung anpasst, die zur Stabilisierung des Klimas und der Ökologie ohnehin besser schrumpfte, ist die große Aufgabe an der seit Bismarcks großer  Lüge zur Schwächung der Sozialdemokraten wie im Kulturkampf auch des Zentrums, alle Parteien bis heute feige gescheitert sind.

Weil sich keiner hinstellt und sagt, Kinder, das System funktioniert so nicht und kann so nie funktionieren, wir müssen es grundlegend ändern, ihr habt euer Geld an falscher Stelle ein Leben lang investiert, ändert sich nichts. Es traut sich keiner, weil jeder um seine Wiederwahl fürchtet und sich nun noch den Dummheiten der Populisten ausgesetzt sieht.

Eine Krankenkasse ohne jede Zuzahlung. Eine Rente ohne Abschläge mit einem fairen Basisbetrag, den jeder noch privat durch Rücklagen erhöhen kann. Die Arbeitslosenversicherung, die auch als solche funktioniert und nicht zu einem System sozialer Bestrafung wird. All das finanziert durch eine direkte Versicherung und Steuern, kapitalisiert am Markt, führte faktisch zu mehr Gerechtigkeit, raubte aber dem Staat seine Möglichkeit autoritärer Einflussnahme, dahingestellt wie effektiv dies jemals war.

Die Familie als private Organisation muss sich immer am Markt selbst finanzieren. Für Ausgleich und Gerechtigkeit sorgt sie intern und schließt dafür die Gefahr des Sozialbetruges dauerhaft aus. Alle Mitglieder haben ein Interesse daran, dass mit ihrem Geld möglichst effektiv umgegangen wird und keiner Ansprüche missbraucht. So wäre die Familie als Kernzelle sehr geeignet die Umformung eines irrealen Sozialstaates in einen vernünftig auf kapitalbasis finanzierten, der ein Bürgergeld weil effektiver und günstiger jedem gewähren könnte und der nur viele Beamte überflüssig machte.

Eine für viele Bürger durchaus verlockende Vorstellung, die lieber steuerlich absetzbar ihre Familienmitglieder durchfütterten, statt es einem uneffektiven Staat in den Rachen zu werfen, damit langfristig nebenbei ein besseres Sozialsystem etablieren könnte, das sich radilkal verschlankte, weil Familie sich selbst regelte, statt einer gesetzlichen Vorgaben genügenden immer aufwendigeren Verwaltung.

So könnte die Familie beim Umbau eines falsch konstruierten und uneffektiven Sozialstaates eine große und wichtige Rolle in Zukunft spielen. Ob sich die Politik traut diesen mutigen Weg zu gehen, der sowohl liberalen wie konservativen Grundsätzen gut entspräche und nur der alten linken und sozialdemokratischen Tradition widerspräche, die Bürger durch mehr staatliche Fürsorge an den Staat zu binden, scheint noch offen, zumal ich ihn so formuliert noch nirgendwo anders als hier las, aber manchmal bringt ja schon ein Satz einen Stein ins Rollen, was angesichts eines kranken, teuren und uneffektiven Systems, das immer asozialer wird und zu viel  Geld dafür ausgibt, seine Bürger zu überwachen, doch nötig scheint. So könnte dies Essais der Stein des Anstoßes einer Renaissance der Familie als Sozialpartnerschaft für den effelktiven Umbau des Sozialstaates werden, wenn wer den Mut hätte, es aufzugreifen.

Die Aufnahme von noch nicht ganz einer Millionen Flüchtlinge könnte der Politik leider eine Atempause geben, da es die Illusion nährt ein aussterbendes Sozialsystem sei so, trotz aller damit erstmal einhergehenden sozialen Schwierigkeiten noch weiter finanzierbar, was eine falsche Illusion wäre, auch wenn sie dem System der Vermeidung und Verschiebung entspräche, für das die Kanzlerin Merkel vor ihrem großen Mut im Umgang mit Vertriebenen noch bekannter war.

Das deutsche Sozialsystem ist todkrank und hat keine Chance, es befindet sich quasi, um mit Manns Zauberberg zu sprechen, im präfinalen Stadium, vernascht noch einige teure Ballons Oxygen, könnte aber gleich den Geist aufgeben, um effektiv ersetzt zu werden, hätte wer den Mut zu sagen, wir waren zu feige ehrlich zu sagen, dass dies System nicht funktionieren kann und wir sicher pleite gehen, wenn wir es nicht radikal umbauen. Es braucht keine Hilfen mehr, die den kranken Krücken geben, damit noch ein wenig humpelt, wer nicht lebensfähig ist und nur immer mehr kostet, ohne eine Aussicht auf Erfolg zu haben. Hier wäre ich ein Befürworter sozialer Euthanasie am System, was schlimmer klingt, als es gemeint ist.

Darin liegt die größte und wichtigste Chance der Familie, wieder die Rolle zu übernehmen, die sie schon immer hatte und es könnte und sollte sich für diese lohnen, eine staatliche Aufgabe zu übernehmen, die sie effektiver erfüllen kann. Fraglich wäre jedoch, ob diese Übernahme staatlicher Aufgaben durch die Familie, die steuerlich begünstigt würde, noch mit Freiheit und Würde des einzelnen vereinbar wäre, der sich aus der Selbständigkeit plötzlich in der Not in den Schoß der Familie  zurückgeworfen sähe, mit dieser klären müsste, wie er sich die Zukunft vorstellt. Ob es allerdings schlimmer ist, sich vor der Familie zu rechtfertigen, um einen Anspruch zu begründen oder vor einem Amt, was dessen Bestehen sonst überprüfen müsste, wäre wohl der Frage wert.

Sollte ein solches soziales Zerwürfnis in der Familie bestehen, dass eine Kontaktaufnahme unzumutbar wäre, könnte es andere Lösungen eventuell geben, doch wäre wieder die kleinnzelligste Sozialstruktur die Basis der Zukunft und die eines effektiven Umbaus aller Sozialsysteme, die deren Funktionieren unabhängig von absehbaren Entwicklungen der Bevölkerung macht, weil der Staat als Teilhaber am Kapitalmarkt das soziale Vermögen der Bürger im Stile einer Versicherung verwaltete und damit erheblich lukrativer und erfolgreicher arbeiten kann, als es momentan möglich ist.

Anzunehmen, dass die Familie soziale Fragen effektiver und besser löst als der Staat, weil sie näher dran ist und dafür eigenes Kapital  aufwenden muss, auch wenn dieses absetzbar sein sollte, müsste es doch erst wieder als Leistung überhaupt eingebracht werden, um genutzt zu werden, scheint mir sehr naheliegend. Der soziale Druck mag für einzelne sehr hoch sein, aber auch nicht höher als er derzeit bei Ämtern ist und in Härtefällen sind immer auch Ausnahmen dabei denkbar.

Die Familie ist die Welt im Kleinen - ein Markt so sehr wie eine Solidargemeinschaft, die sich erstaunlich flexibel, geänderten Bedingungen anpassen kann. Vielleicht mag die Vorstellung zuerst lästig sein, im Alter mit seinen Eltern zusammenleben zu müssen, zu pflegen oder füreinander zu sorgen, wenn es nötig ist - doch rechneten wir gegen, wie sehr es sich lohnt, könnten wir den entsprechenden Beitrag absetzen oder bekommen, wäre es immer noch besser als die momentane Lösung, vor allem würden sich viele, wenn sie wüssten, sie müssen bis zum Ende miteinander klarkommen, auch anders benehmen miteinander, was dem System und jedem einzelnen gut täte.

So sehe ich die wichtigste Rolle der Familie in Zukunft als effektives Sozialsystem und als Solidargemeinschaft, die viele wichtige staatliche soziale Aufgaben übernehmen könne, ohne dass es dafür einer Verwaltung bräuchte und dafür den Betrag einfach den Familien auf ihr Einkommen gut schrieb. Also vom steuerpflichtigen Einkommen am Ende abzöge oder zum Bürgergeld je nach Leistung dazu zählte. Es bräuchte dann weniger Staat, was schon so viel Geld wiederum sparte, dass dieses System der Familiensozialversicherung sehr viel zukunftsträchtiger scheint als alle bisher probierten. Dass es zugleich eigentlich das alte und natürliche System ist, tut dem keinen Abbruch. Im Gegenteil eine Renaissance der Familie als Solidargemeinschaft könnte im Bewusstsein heutiger bürgerlicher Freiheit und im Lichte der Würde des Menschen langfristig das bessere Modell für die Zukunft wieder sein.

Dies würde auch ein Umdenken in vielen alten Strukturen bedeuten, die Familien so leicht und schnell scheitern lassen. Ein Hauptgrund ist etwa die illusionäre all-in-one-Annahme vieler Menschen, die glauben der Lebenspartner, müsse und dürfe auch nur der einzige sexuelle Partner sein. Der geistige wie der körperliche Totalanspruch an dem so viele scheitern könnte angesichts der Sozialfunktion der Familie zeitgemäß relativiert werden. Du kannst mit den einen Menschen deine soziale Familie glücklich bilden und mit anderen deine sexuelle  Erfüllung finden, mit wieder einer auf geistigen Höhen oder zumindest gleichem Niveau dich bewegen, je nach Gusto.

Eine solch zeigemäße Flexibilität in der Bedürfnisbefriedigung, passte besser zur Familie als  dauerhafter Institution sozialer Absicherung, die nicht an einem kleinen sexuellen Bedürfnis hängen, sondern frei davon sein sollte, da die emotionale Basis der Liebe ohnehin schwer genug ist auf Dauer vernünftig gehandhabt zu werden. Wie groß die sexuelle Erfüllung mit meiner je Partnerin ist, wäre dann viel weniger wichtig, als die sonstige soziale Passung, die Ehen schließen ließe. Ob es dabei weiter auf das große Gefühl ankommen sollte, also  ein Faktor relativer Instabilität sich in eine so wichtige Frage wie die soziale Sicherheit mischen sollte, wäre sicher der Diskussion auch wert. Früher und in anderen Weltregionen heute noch, wurde das selbstverständlich anders gehandhabt. Ob das immer schlechter war oder nicht die Dauerhaftigkeit früherer Ehen für das Gegenteil spricht, wäre im Geiste des 21. Jahrhunderts dabei auch einer Diskussion wert.

Habe keine Antwort auf alle Fragen der Zukunft und der Familie zwischen Liebe, Vernunft, sozialer Sicherung und Sex wo auch immer, aber es scheint mir wichtig, über diese Fragen neu nachzudenken, um die Zukunft jenseits alter eingefahrener Modelle gestalten zu können. Vor allem auch möchte ich meiner Tochter zeigen, Leben ist so vielfältig denkbar, dass wir offen sein sollten, statt einfach nur an Gewohnheiten festzuhalten, um uns die Welt auch in diesem Bereich offen und neu entdecken zu können, nichts muss, alles kann. Zumindest hätte die Familie als Solidargemeinschaft und sozialer Vertrag für das Leben noch eine Zukunft und mehr als wir vielleicht ahnen in einer alten Gesellschaft.
jens tuengerthal 15.1.2017

Samstag, 14. Januar 2017

Gretasophie 008b

008b Familienmacht

Was macht Familie aus und geht es dabei um Macht?

Nach der lateinischen Bedeutung war der pater familias eine Autorität mit Macht über alle, die unter ihm standen, Frauen, Kinder, Freigelassene und Sklaven. Dabei ging es ganz klar um Macht und ein Herrschaftsverhältnis im Inneren. Heute sehen wird das meist anders, zumindest in unserem Kulturraum. Männer und Frauen sind gleichgestellt, die Sklaverei ist abgeschafft und der pater familias ist ein alter Zopf, der nicht mehr in die heutige Zeit der Demokratie passt. Zentral scheint heute eher der soziale Zusammenhalt und das etwas unklare Gefühl der Liebe, mit was immer das jeder auch füllen mag.

Macht haben die Eltern noch über ihre Kinder, für die sie erziehungsberechtigt und also verantwortlich sind. Damit haften die Eltern für allen Blödsinn, den ihre Kinder anstellen, soweit sie nicht selbst dafür verantwortlich gemacht werden können, woran strenge Kriterien geknüpft sind. Während früher diese Macht autoritär ausgeübt wurde - nach dem Prinzip, wer die Füße unter meinen Tisch stellt, hat auch zu tun, was ich sage, sind heute stärker partizipative Modelle üblich, damit die Kinder Schrittweise auf die Verantwortung des Erwachsenen vorbereitet werden.

Dazu dürfen sie etwa Sachen einkaufen, auch wenn rein rechtlich ein Geschäft erst zustande kommt, wenn die Eltern nicht widerrufen, was in der Praxis aber erst Bedeutung bekommt, wenn darüber gestritten wird. Bei Zigaretten und Alkohol müssen die Kassierer heute nach dem Ausweis fragen und kontrollieren, weil der Verkauf an Minderjährige verboten ist. Die Eltern sind verantwortlich und können entscheiden, damit haben sie Macht über das Kind, was bei Heranwachsenden bis zu einem bestimmten Grad auch nötig und sinnvoll ist. So kann ein Neugeborenes rein faktisch noch nicht seine Windeln selbst kaufen und viele Kinder oder Jugendliche übersehen noch nicht die Wirkung von Knebelverträgen, die sie darum rechtlich nicht binden können. Erwachsene zwar oft auch nicht, aber die sind eben verantworlich dafür, solange es nicht gleich sittenwidrig und damit nichtig ist.

Der Weg weg von der Macht über das Kind, das sich noch nicht alleine helfen kann, hin zu immer mehr Autonomie ist rechtlich nicht geregelt. Es gibt da Empfehlungen aber theoretisch könnten Eltern ihr Kind bis 18 behandeln wie ein Kleinkind und würden damit dennoch ihrer elterlichen Verantwortung rein rechtlich gerecht. Da dies faktisch zu einer isolierten Entwicklung führte, die auch mit der Schulpflicht kaum vereinbar wäre, können die Ämter dann zum Kindeswohl einschreiten, doch ist dies alles rechtlich schwammig geregelt mit sehr weichen Paragrafen, bei denen das Kindswohl im Vordergrund stehen soll und was das ist, hängt vom gerade Konsens der Gesellschaft ab.

So ist etwa die Taufe oder Beschneidung den Eltern erlaubt, obwohl diese Bindung an einen Aberglauben und die folgende Mitgliedschaft in einem Verein, die Grundrechte der Kinder auf freie Religionswahl beeinträchtigt. Es ist aber bei uns noch Sitte und wird darum selten infrage gestellt, ob das gut so ist, wäre eine andere Frage und zu was Eltern verpflichtet sein sollten zum Wohle des Kindes, doch da kollidieren verschiedene Freiheitsrechte miteinander und noch entscheidet die Gesellschaft da nach Sitte und Gewohnheit, die aber dringend infrage gestellt werden sollten, um der Freiheit der Kinder wegen.

Eltern, die ihre Sorge um das Kind vernachlässigen, kann vom Jugendamt diese entzogen werden. Wie gut und vorausschauend diese mit Beamten gefüllten Ämter dabei vorgehen, ist unter allen Betroffenen wohl mehr als strittig. Die Leichtigkeit mancher Eingriffe, nachdem einige Katastrophen völliger Vernachlässigung aufgedeckt wurden, stehen andererseits im Gegensatz zur grundgesetzlich geschützten Familie und der elterlichen Sorge, die daraus abgeleitet wird. Da spielen sich zwischen Pflegefamilien und unfähigen Eltern manchmal schlimme Dramen ab und die Ämter müssen dann versuchen, es im Sinne des Kindeswohls zu entscheiden, was immer eine relativ schwer zu beantwortende Frage ist.

Klingt wieder alles furchtbar juristisch und öde, ist in der Praxis aber sehr, sehr spannend und es kann dabei um Leben oder Tod gehen. In diesem Prozess ist derzeit viel im Wandel. Lange hatten vor Gericht die Mütter immer Priorität vor den Vätern, nachdem die davor geltenden patriarchalen Regelungen geändert wurden. Heute gibt es eher eine Gleichberechtigung beider Eltern und diese sollen sich auch nach einer Trennung gemeinsam um das Kind kümmern, das wiederum ab einem gewissen Alter beteiligt wird und selbst entscheiden kann, wo es gerne leben möchte. Auch nicht rechtlich verbindlich, dass tun die Richter dann, aber diese Regelung und die dazugehörige Rechtsprechung zeigen eine Tendenz auf, wie die Macht sich auflöst und die Beteiligung gestärkt wird.

Doch gibt es für alles in diesem Bereich keine klare Regelung, die Eltern sagt, es ist so und das darfst du und so musst du es machen, sondern nur Empfehlungen und bei diesen werden eher weiche Begriffe verwandt, die einerseits nicht zu sehr in die persönliche Freiheit eingreifen sollen, sein Leben nach seinen Vorstellungen zu gestalten und andererseits die Kinder ausreichend vor verrückten Ideen der Eltern oder eventueller Vernachlässigung schützen sollen.

Damit übt der Staat auch Macht über Eltern aus, die in Berlin sogar Hausbesuche vom Jugendamt bekommen, das sich über die Verhältnisse erkundigt, um zu erfahren, ob das Kind unter guten Bedingungen aufwächst. So einen Besuch hatten wir auch und erstaunlicherweise fand die sehr nette Dame, nichts zu beanstanden. Dennoch fragen sich Eltern in so einer Situation, die sie als Eltern überprüft, ob sie auch alle richtig machen, was schon ein komisches Gefühl hinterlässt aber auch gut ist, weil kritische Überprüfung immer weiterbringt, auch wenn ich diese Nähe des Staates im privaten seltsam fand. Was gute Bedingungen sind, legt dabei der Staat für alle einheitlich fest und wer sich nicht an diesen Rahmen halten möchte, etwa Schulpflicht oder Vorsorgeuntersuchungen, braucht dafür gute Gründe.

Dies ist einerseits gut, weil es gewährleistet, dass möglichst alle Kinder im Land unter guten Bedingungen aufwachsen und der Staat für seine Leistungen wie etwa das Kindergeld auch eine gewisse Mitsprache über das Aufwachsen der Kinder haben möchte, deren Schutz er gewährleisten will, andererseits ist ein kontrollierender Staat, der sich in die Privatsphäre mischt auch immer kritisch zu sehen.

Das blöde an den weichen Begriffen in den Normen dazu ist, dass sie viel Auslegungsspielraum lassen und dem Staat viel Macht geben in unser Leben einzugreifen, wenn ein Bild von Erziehung oder Kindeswohl nicht dem Durchschnitt entspricht. Wer mit dem Namen vom Durchschnitt sehr abweicht, braucht schon gute Gründe, um sein Kind, erfolgreich beim Amt anmelden zu können, manche Namen werden nicht akzeptiert und diese Entscheidung ergeht zwar auf Grundlage eines Verwaltungsaktes, der eine rechtliche Grundlage braucht und gegen den Widerspruch möglich ist, aber erstmal greift sie in die Freiheit der Eltern ein, die nicht durchschnittlich sein wollen, auch wenn sie es ihrem Kind damit unnötig schwer machen.

Eine Freundin von mir hat beispielsweise einen indischen Vornamen, weil ihre Mutter  Anfang der 70er gerade auf dem Bhagwan-Trip war, bei dem die Ämter vermutlich sehr die Stirn gerunzelt haben, weil er wirklich nicht durchschnittlich ist. Sie hat als Kind vermutlich teilweise darunter gelitten, wer wollte da schon anders sein, heute weiß sie ihn zu schätzen, denn er ist wirklich sehr schön, besonders und passt zu ihr und freut sich an der Besonderheit zu einem nicht so ungewöhnlichen Nachnamen, die ihr sehr gut steht, wie ich finde und ihr ein kleines Geheimnis gibt.

Für Kinder sind manche Verrücktheiten der Eltern aber schwer zu ertragen. Auch mein relativ durchschnittlicher Name Jens gefiel mir lange nicht, ich wollte lieber Christian, Tim oder Marc heißen - später hatte ich dann einen besten Freund, der auch Jens hieß und damit hatte sich das Problem erledigt und ich trug ihn mit Stolz. Heute hätte ich gerne wie mein Vater viele Vornamen, statt des einen popelig kurzen, den er auswählte, weil er es  Leid war auf  Ämtern immer alle Namen einzutragen, wenn ich auch nicht unbedingt gerne die Namen meines Vaters weitergetragen hätte, die eher dem Geist der 40er entsprach aber dafür teilweise perfekt zu dem meiner Mutter passte, was beide, die noch dazu ganz nahe Geburtstag haben, als ein unausweichliches Paar erscheinen ließ, was sie tatsächlich bis heute blieben und damit schon nicht mehr ganz durchschnittlich sind.

Andererseits, wenn ich bedenke, wie ganze Generationen Kevin, Nancy oder Cindy von Eltern aus eher bildungsfernen Verhältnissen genannt wurden, fragt sich der halbgebildete Vater schon mal, ob nicht auch das Jugendamt Marzahn seiner Verantwortung stärker hätte nachkommen sollen, was aus diesen werden soll, als eine, nomen est omen, Karikatur ihrer selbst, die im Trainingsanzug aufwächst und über RTL II erste Bildung erfährt, was meistens auch die intellektuelle Grenze bleibt. Doch insofern auch das Dschungelcamp seinen Markt hat und viel Geld einbringt, vergesse ich wohl den bürgerlichen Begriff von Bildung lieber wieder, kommt es doch heute eher darauf an, sich gut zu verkaufen und damit irgendwie Geld zu machen, wovon alle anderen mehr Ahnung haben als ich, der sich nur Gedanken macht, liest und darüber schreibt, was in der heutigen Zeit vielleicht für Jugendämter ein viel verdächtigeres Vorbild wäre, denn was nützt klassische Bildung im multimedialen Zeitalter noch?

Soll nicht gerade der Durchschnitt nur erstrebt werden und wenn das durchschnittliche Niveau sinkt, also immer weniger und bereitet ein Mensch ohne Fernseher sein Kind ausreichend auf diese Welt vor?

Das Thema bleibt offensichtlich schwierig. Was unterscheidet fundamentalistische Christen, welche die Evolutionstheorie ablehnen von streng muslimischen Eltern, die von ihrem Kind Verschleierung und die Einhaltung islamischer Fastengebote verlangen oder den Hartz IV-Eltern, die genau dies als beste Perspektive ihrem Kind weitergeben und die alle nicht tun, was der am Durchschnitt orientierte Staat gerne möchte.

Finde klare Antworten da schwierig. Habe auch nur meinen Horizont und ginge es nach dem, sollten alle Kinder möglichst früh auch klassische Bildung erfahren, ganz viel vorgelesen bekommen, erst ganz spät überhaupt Fernsehen dürfen, aber das ist nur meine Sicht und es gibt mehr Eltern, die das völlig anders sehen und die, die es eigentlich genauso sehen, aber einfach vor der normativen Kraft von Alltag und Durchschnitt kapitulieren.

Habe zum Beispiel meiner Tochter aus Prinzip keine Barbie gekauft, weil mir das Frauenbild nicht gefiel, für das dieses Püppchen steht mit  seinen zu großen Titten für zu kleine Füße, die einfach hässlicher, dummer amerikanischer Konsum für mich war. Habe mich daran gehalten und es war aber auch leicht konsequent zu bleiben, weil meine sehr erfolgreiche Schwester, die auch von meiner Mutter aus gleichen Gründen keine Barbie bekam, bin eben doch ein Muttersöhnchen wohl, das Verbot umging und meiner Tochter mit Freude Barbies schenkte. Dafür spielte meine Tochter später im Verein Fußball, war mehr Fußballfan als alle Jungens ihrer Klasse und ihr Vater ohnehin, der ja nur aus traditionell heimatlichen Gründen überhaupt zu Werder hält und sonst kaum die Abseitsfalle erkennt.

Am Anfang meiner Vaterzeit dachte ich auch, ich müsste Prinzipien verfechten und durchsetzen und wenn nötig auch autoritär, damit mein Kind auch Grenzen kennenlernt und nicht so ein verzogenes Balg wird, wie es vielen Kinder hier am Berg als Ruf vorauseilte. Heute finde ich das nur noch bemüht und lächerlich. Sehe ich, wie Mütter mit ihren Kindern alles duskutieren und manches aus Prinzip mit riesigen Dramen und Geheule durchfechten, denke ich nun immer, ich wünschte ihnen mehr Gelassenheit und Erinnerung an die eigene Kindheit.

Es taugt kein Prinzip zur Erziehung. Das einzige was bleibt und wirkt, ist Liebe und Ehrlichkeit. Wer seinen Kindern etwas vorspielt, wird schnell durchschaut und bleibt damit ewig unglaubwürdig. Sie sind unser Gen-Code, zumindest zur Hälfte, denen können wir nicht viel vormachen und es zeigt in meinen Augen heute auch keine gute Haltung.

Erziehung finde ich ein grässliches Wort. Möchte nicht an meinem Kind ziehen. Bin kein Anhänger prinzipieller antiautoritärer Erziehung, bei der sich viele Eltern sadomasochistisch von ihren Kindertyrannen, die sie selbst formen, durch den verbleibenden Rest Leben treiben lassen. Es gelten für Kinder die gleichen Grenzen wie für Erwachsene und das Handlungsprinzip eines guten und offenen Miteinanders ist immer der kategorische Imperativ. Finde es darum gut, auch klare Grenzen zu ziehen, was für mich ok ist und was nicht, auch auf mein Leben zu achten und ein partnerschaftliches nebeneinander zu lernen.

Michel de Montaigne, von dem ich so gern erzähle und der in so vielem mir sicher Vorbild ist, genoß eine relativ spannende Kinderzeit. Die ersten Jahre wuchs er unter Bauerskindern auf einem Hof der heimatlichen Gascogne auf, dann bekam er einen Lateinlehrer und alle im Haus wurden angewiesen mit dem Jungen nur Latein oder altgriechisch zu reden, was kaum einer konnte, warum er bald fließend auch dies sprach und immer alle Klassiker leicht im Original lesen konnte. Diese Erziehung ohne große autoritäre Enge entsprach dem Bildungsideal der Renaissance, dem Michels Vater mit seinem Experiment folgte. Später kam er noch nach Bordeaux auf das dortige Internat, was ihm erst sehr zu schaffen machte, weil er so ganz anders aufgewachsen war als die meisten seiner adeligen Klassenkameraden dort. Doch er spricht immer mit viel Respekt und Dankbarkeit von seinem Vater, der ihm viel Freiheit schenkte und seinem Geist die Chance einer guten Ausbildung gab, ihm neue Welten so öffnete. Und als Fan von Montaigne bin ich so indirekt auch seinem Vater dankbar, der dem Jungen eine so gute Erziehung angedeihen ließ.

Komme immer mehr zu der Überzeugung, dass es auch im Umgang mit Kindern am besten ist, statt aus Prinzip mit Leidenschaft und Überzeugung zu handeln. Es muss nichts ausgefochten oder durchgesetzt werden und mein Kind wird nicht zum ewigen Tyrannen, weil ich mir den einen oder anderen Kampf in einer kritischen Situation lieber erspare, weil es überflüssig ist, um etwas zu kämpfen, mit denen, die du eigentlich liebst und mit denen du dich einigen möchtest viel lieber. Irgendwann zu merken, dass es besser ist, manche Dinge später oder an einem anderen Ort zu diskutieren, befreit sehr im Umgang miteinander und lässt beide Seiten mehr und besser das Gesicht bewahren, statt ein durchgesetzter Anspruch. Es muss nichts und es kann viel mehr, wenn wir es laufen lassen, nicht um antiautoritär zu sein, sondern um partnerschaftlich auch mit seinen Kindern umzugehen und Dinge dann zu klären, wenn es allen Beteiligten ruhig möglich ist.

Kinder sollen selbständig werden und ihr eigenes Leben führen wollen und können. Ab 18 sind sie plötzlich erwachsen und verantwortlich und wenn sie vorher nicht schrittweise die Autonomie und Partnerschaft gelernt haben, wird es danach sehr schwer. Darum befürworte ich heute, so früh wie nur möglich, damit zu beginnen, seinen Kindern Freiheit zu schenken und ihnen als Partner zu zeigen, wie sie damit verantwortlich umgehen. Keine Ansagen machen, sondern, wenn es nicht mehr so geht, eigene Grenzen aufzeigen und zu sagen, ich kann nur so und mehr nicht, was bietest du mir an.

Das dauert länger und klappt bestimmt nicht sofort, weil wir alle anderes gewohnt sind auch von unseren Eltern und die Balance zwischen Verantwortungspartnerschaft und Elternautorität zum Schutz nicht immer einfach ist. Dabei werden wir alle üben müssen, um den richtigen Umgang miteinander zu finden und es geht, denke ich heute, weniger um richtig oder falsch im Umgang miteinander als um die bestmöglichen Kompromisse, nach denen wir miteinander streben sollten, mehr können wir glaube ich nie erreichen.

Was der Gewinn davon sein soll, sich im autoritären Kampf gegen sein Kind durchzusetzen und Prinzipien zu vertreten, gegen dessen ausdrücklichen Willen, verstehe ich nicht. Wenn ich mich durchsetze, unterdrücke ich damit logisch mein Kind und damit einen Teil von mir, zeige Schwäche, die unfähig ist, vernünftig zu verhandeln und Kompromisse zu erreichen. Wo ich im Kampf unterliege, was auch vorkommen kann, stelle ich jede vernünftige Autorität infrage, mache mich lautstark lächerlich und habe es schwer, noch vernünftig für einverständliche Lösungen zu werben. Wie ich es auch drehe, im Kampf verlieren beide immer irgendwie, er kostet unsinnig viel Energie, die konstruktiver verwandt werden kann und es sollten Eltern stolz darauf sein, die Gelassenheit zu haben, abzuwarten, statt sich mit Gewalt durchzusetzen.

Aber auch ich habe lange gebraucht, zu merken, dass dieser Weg der Richtige ist und dies Prinzip zu leben, indem ich mit meiner Tochter aushandle, was für beide Seiten noch okay ist. Der Versuch sich mit der Autorität des Stärkeren durchzusetzen, zumal, wenn wir es gut meinen oder besser zu wissen glauben, was ja manchmal sogar bei Eltern vorkommen kann, raubt viel Energie, die wir besser für anderes wie eine Lösung aufwenden können, scheint aber in unserer Natur zu liegen, weil die Natur, so vernünftig und logisch sie sonst auch ist, manchmal schlicht blöd ist, weil wir nicht mehr im Naturzustand leben, in dem nur der Stärkere überlebt.

Das wissen heute theoretisch fast alle Eltern, trotzdem meinen wir alle immer wieder mal, es besser als die Kinder zu wissen und uns durchsetzen zu müssen, zum Wohle des Kindes, aus Prinzip oder weil wir gestresst sind. Sage heute aus voller Überzeugung, alle Prinzipien sind Mist, was zählt ist, dass es einem möglichst gut geht. Am besten geht es beiden immer mit fairen Kompromissen und wenn die nicht schnell erreichbar sind, sollten wir uns eben Zeit lassen und wenn wir das aufgrund anderer Aufregung nicht können, dann sollten wir den Weg des geringsten Widerstandes wählen, bis es einen guten Kompromiss gibt und der Weg von beiden leicht gegangen werden kann, statt Kämpfe aus Prinzip auszufechten.

Aber auch hier gilt, grau ist alle Theorie und im Alltag geht es immer ganz anders und wir müssen täglich neu auch mit uns um Lösungen ringen, die noch zu oft die Machtfrage stellen. Finde Epikurs Maßstab des persönlichen Glücks hier immer noch den besten. Moderner könnte es auch das Pipi Langstrumpf Prinzip genannt werden, nach dem ich mir die Welt so mache, wie sie mir gefällt.  Nichts anderes zu wollen, kann glücklich genug machen und wenn ich dem anderen dies auch zugestehe ist der Weg zu  mehr Selbstbestimmung ein viel leichterer als alle vorigen Kämpfe.

Denke am Ende die Familie macht Liebe aus und sie hält sie allein zusammen, alles andere können wir auch wieder vergessen. Macht ist meist eher ein Zeichen von Ohnmacht, kommt vor, sollte uns aber als solche bewusst sein, damit wir hinterher vernünftige Kompromisse wieder suchen. Nichts muss, aber viel mehr kann, sollte das Motto im Umgang mit Kindern sein, die weniger Gehorsam als vernünftige Kompromisse schließen von uns lernen sollten. Wenn ich das manchmal schaffen kann, wider meine manchmal kompromißlose Natur, bin ich zumindest ein Stück weiter vom Wollen zum Sollen.
jens tuengerthal 14.1.2017

Freitag, 13. Januar 2017

Gretasophie 008a

008a Heimatfamilie

Was ist die Heimat der Familie oder ist diese selbst Heimat?

Zwei Fragen in einer und noch dazu ein sehr komplexes Thema, auf das ich eigentlich keine Antwort habe und bei dem ich mir nicht mal sicher bin, ob ich überhaupt etwas davon verstehe, auch wenn ich es mir immer gewünscht habe als Kind, eine Heimat zu haben, während ich so oft umzog und nur Familie als Heimat kennenlernte.

Nach Wiki ist Heimat ein ziemlich weites Feld:

“Der Begriff Heimat verweist zumeist auf eine Beziehung zwischen Mensch und Raum. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird er auf den Ort angewendet, in den ein Mensch hineingeboren wird und in dem die frühesten Sozialisationserlebnisse stattfinden, die zunächst Identität, Charakter, Mentalität, Einstellungen und Weltauffassungen prägen. Der Begriff „Heimat“ steht in einer speziellen Beziehung zum Begriff der „Siedlung“; dieser bezieht sich, und damit im Gegensatz zum Wohnplatz, in der Regel auf eine sesshafte Lebensform, d. h. auf ein dauerhaftes bzw. langfristiges Sich-Niederlassen und Wohnen an einem Ort bzw. in einer Region. Der Heimatbegriff befindet sich in ständiger Diskussion.”

Wenn ich gefragt werde, was meine Heimat ist, komme ich immer etwas ins Schwimmen, weil ich nicht sagen kann, was alle sagen, habe nicht einen Ort sondern viele und weiß nicht wo. Geboren bin ich in Bremen, gelebt habe ich dort nur mein erstes Jahr - ganz nah der Weser, am Osterdeich, in dem Haus, in dem schon mein Großvater aufwuchs und an das ich nahezu keine Erinnerungen mehr habe. Laufen gelernt habe ich angeblich am Richard, wie der Platz in der Straße meiner Großeltern mütterlicherseits hieß. Dort war ich aber später noch häufiger, warum sich ganz frühe mit späteren Erinnerungen mischen.

Zu Bremen hab ich ein heimatliches Gefühl, ich mag die Bremer, die Art, wie sie schnacken und ihre Traditionen - von der Eiswette bis zum Bürgerpark und der Schaffermahlzeit. Vieles davon habe ich durch meine Großeltern noch kennengelernt, deren Geburtstage im Schütting oder besser unter ihm, im Club zu Bremen oder im Parkhotel gefeiert wurde, wo meine Mutter wohl auch arbeitete, bis sie mit mir schwanger war. Es sind kleine hanseatische Kreise und seltsam blind fand ich mich immer in Bremen zurecht, ohne zu wissen warum - nicht nur von der Sögestraße zum Schnoor, auch andere Wege fand ich intuitiv, wenn ich mal da war, ohne zu wissen warum.

Der letzte Besuch in Bremen war die Beerdigung meiner Großmutter. Es ist eigentlich damit gestorben für mich und dennoch, wenn ich jemanden bremisch reden höre, oder Werder Fans sehe, fühle ich eine tiefe Verbundenheit zu der alten Hansestadt, ihren hanseatischen Gewohnheiten und rieche wieder das Frühstück bei meiner Großmutter mit frischen Kaiserwecken vom Bäcker gegenüber oder höre die Großmutter am Flügel spielen, sehe das Focke-Museum vor mir, in dem auch so viele Familiengeschichten standen und manche Möbel von den Freundinnen meiner Großmutter, die stundenlang davon erzählen konnte. Denke ich daran, breitet sich ein warmes, wohliges und heimatliches Gefühl in mir aus, sehe ich Bilder von Bremen, in dem ich erwachsen nie lebte, von dem ich, außer als Enkel, nichts weiß, außer den aktuellen Tabellenstand von Werder vielleicht, fühle ich, was andere Heimat nennen.

Mit einem Jahr zog ich nach Frankfurt und lebte dort zunächst in einer hässlichen Siedlung in Schwanheim, die zur Universitäts Klinik gehörte, zehn Jahre lang mit meinen Eltern in wachsenden Wohnungen, während meine Familie noch um zwei Schwestern anwuchs, bis wir an den Stadtrand gen Wetterau für weitere fünf Jahre zogen. Wollte nie umziehen, auch wenn mir das dann Haus mit Garten sehr verlockend gegen die bisher Wohnung schien. In Schwanheim beginnen die Erinnerungen an meine Kindheit, den Kindergarten, die Grundschule, meine Freunde und was wir zusammen alles anstellten. Als ich mit meinen späteren Freundinnen, etwa nach einem Besuch im Städel, dort entlang fuhr, um ihnen zu zeigen, wo ich groß wurde, schien es mir seltsam fremd schon, obwohl ich zehn Jahre dort lebte. Das Seppsche, wie die Dorfkneipe in Alt-Schwanheim heißt, hatte ich noch in aktiverer und besserer Erinnerung als diese Siedlung zwischen Main und Stadtwald gelegen. Der Ort an dem ich den größten Teil meiner Kindheit verbracht habe, löst keine warmen Gefühle in mir aus, ist keine Heimat geworden irgendwie.

Eher erinnerte mich an Frankfurt, den Eisernen Steg, den Römerberg mit dem Weihnachstmarkt, das Museumsufer auf der anderen Mainseite und natürlich das Städel, dessen ausgesuchte Sammlung ich heute noch liebe und bei jeder sich bietenden Gelegenheit besuche. Das Städel, in dem ich als Kind Malkurse machte und der Goethe  mit den zwee linke Fieß, der inzwischen nicht mehr im Eingang hängt, ist mir mehr Heimat in Frankfurt als irgendwas, wenn ich auch eine enge Beziehung zum Senckenberg durch meinen Vater hat, war dieses Naturkundemuseum mit seinen vielen ausgestopften Tieren und den riesigen Dinosaurierknochen immer auch unheimlich für mich, ist weniger Heimat je gewesen als das Städel mit seinen liebsten Bildern und das ist es trotz der etwas mutigen neuen Farbgebung, die etwas viel selbst glänzen will, statt die Bilder schön sein zu lassen, immer noch. So ist nicht die Stadt Frankfurt mir heimatlich sondern einzig ein Museum dort.

Viel mehr Heimat war mir, auch als wir noch in Schwanheim lebten das Haus meiner Großeltern mit ihrem damals gefühlt riesigen Garten in Petterweil, diesem Dorf inmitten der Wetterau. Erinnere die Einrichtung jedes Zimmers genau, die große Truhe im Flur, vor den Glasbausteinen, in denen die Familienfahne verborgen lag, die der Großvater zu großen Festen und zur Freude von uns Enkeln auch mal einfach so, aufzog. Das Biedermaier-Zimmer, in dem die kleinen Mahlzeiten eingenommen wurden, das Kaminzimmer mit dem Tisch mit den Engeln und der Kommode mit den vielen Schubladen voller Geheimnisse, das Arbeitszimmer meines Großvaters in Kirsche, das nun bei meinen Eltern steht, wo es mich immer noch etwas befremdet, so sehr ich diese wunderschönen schlichten Kirschmöbel liebe. Petterweil wurde für mich zum Inbegriff einer glücklichen Kindheit zum oft Sehnsuchtsort, trotz der manchmal Strenge des Großvaters, der Grotepater hieß.

Erinnere mich genau an den Weg in die Felder, wo der Stall stand, von dem aus mein Großvater ausritt bis ins hohe Alter. An den Vorgarten eine Straße weiter, voller Gartenzwerge, an dem wir Enkel gar nicht vorbei gehen wollten. Denke an den Garten und wie wir uns die Wiese herunter rollten, an die Vorratskammer der Großmutter mit der teils viele Jahre alten Erdbeermarmelade, die wir ganz heimlich naschten. Wie wir um das Haus rannten und Fangen oder Verstecken spielten. Dies auch in den grünen Regentonnnen meines Großvaters und das kleine Stück, wo er seine Birnen züchtete. An die Bank hinter der Doppelgarage unter dem großen Baum, ich meine es war auch ein Apfelbaum, auf der wir zum Abschied oder am Abend saßen, auf der Taunusblick stand, auch wenn der Taunus meist nicht mehr zu sehen war und wo wir zum Abschied immer schon ein wenig traurig, Kein schöner Land, zusammen sangen. Denke an die Zeremonie der großen Verehrung, wenn wir uns alle unserer Großmutter oder dem Großvater in zeremonieller Weise nähern mussten, mit Verbeugung und einer genauen Abfolge von Küssen - Details dieses Rituals habe ich leider vergessen und so wird meine Generation, wenn sie denn solchen Unsinn je praktizieren will, sich vielleicht etwas neues ausdenken müssen.

So ist Heimat für mich eng mit Familie verbunden und ihren Festen, ist weniger ein Ort als ein Ritual, denn Petterweil wurde auch von den Erben verkauft, keiner wollte da leben, alle hatten ihre Heimat und Arbeit andernorts. Nun wohnt ein Vetter von mir mit seiner Frau unweit, der den weiten Weg aus Südafrika nahm, sich ganz nah der alten Enkelheimat niederzulassen. Dennoch ist die Wetterau für mich eine Heimat geworden, erinnere mich an bestimmte Bäume, auch durch das große Engagement eines meiner Onkel im Umweltschutz, der uns Kindern die Natur nahe brachte - es breitet sich in mir, wenn ich Wetterau höre, auch dieses warme wohlige Gefühl aus.

Meine ersten Lieben waren dort in Bad Vilbel am Rand der Wetterau, das ich seltsam auch wieder kaum erinnere, auch wenn ich den Plan der Stadt vor meinem inneren Auge sehe, den Fluss Nidda, der durch den Kurpark fließt, das alte Rathaus am Ende der Hauptstraße noch vor mir sehe, auch wenn ich seit Ewigkeiten nicht mehr dort war. Fünf Jahre lebte ich in der Wasserstadt am Rande der Wetterau, erinnere mich aber besser an den Wald, in dem ich viel mit dem Hund spazieren ging, als die Stadt selbst, die für mich in meiner Erinnerung nur aus einer Hauptstraße besteht, um die herum Siedlungen wuchsen - es gab noch den Festplatz, auf dem das jährliche Volksfest stattfand, von dem ich nicht mehr weiß, wie es heißt - als Kind fand ich solche Feste wunderbar, heute sind sie mir eher ein Grauen und ich habe es vollständig verdrängt. Besuchte später noch Freundinnen und wenige Freunde in Vilbel, hatte mal wieder eine Liebe dort, aber es verschwand ohne heimatliche Gefühle aus meiner Erinnerung, obwohl ich dort der Feuerwehr eng verbunden war, nie wegziehen wollte.

Nach fünf Jahren aber war es wieder soweit, nach dem beruflichen Aufstieg meines Vaters zum Chefarzt zogen wir gen Heidelberg.  Wollte nicht weg, nicht meine Freunde verlieren, war todunglücklich darüber und unzufrieden mit der ganzen Welt, fand den Ort, an den wir zogen spießig, kleinkariert und der Dialekt war ja so furchtbar, ich wollte da nicht hin und genau so fühlte ich mich auch dort erstmal.

Das damals noch völlig popelige Walldorf, war nur durch den IKEA und sein Autobahnkreuz bekannt. Heute kennt es dank SAP, die sich dort in der Sparkasse etwa um die Zeit gründeten, als wir auch in die Kurpfalz zogen, die ganze Welt. Mit der Arroganz des Großstädters, der aus einem Vorort der Weltstadt Frankfurt kam, in der ich groß wurde, begann ich die Schule dort und fand alles furchtbar. So blieb ich lange blind auch für die Schönheit dieser neuen Heimat und ihrer Umgebung - wie gut der Wein ist, der dort in der Nähe angebaut wurde, lernte ich erst später schätzen und Heidelbergs romantische Schönheit, hat mich noch nie so sehr beeindruckt. Erst fand ich sie kitschig, dann zu touristisch und als ich selbst dort studierte, zwar schon schön aber auch nichts besonderes, nur nett eben.

Ein wenig Gefühl von Heimat für die Region, in der ich nun lebte, entwickelte ich im Studium, als wir einem Freund, der auf einer nahe gelegenen Burg wohnte und dort wunderbare Weinberge hat, bei der Renovierung in seinem kleinen Schlößchen in der Kleinstadt am Neckar halfen. Seine Familie lebte seit hunderten von Jahren dort, er war ortsverbunden, auch wenn sein Geschlecht erst nach der Zeit des Götz von Berlichingen, dem die Burg einmal gehörte, die Güter dort erwarb, aus Rheinhessen an den Neckar zog, er seine Schulzeit auf einem Internat am Bodensee absolvierte. In seiner Bibliothek noch das letzte Turnierbuch mit ihm durchgeblättert, mit dem seine Vorfahren sich unter den Rittern dort einen Namen machten. Eine Art Poesiealbum für Ritter und ihr Kräftemessen, das einzige Exemplar auf der Welt außer noch einer Ausgabe in der vatikanischen Bibliothek. Bei ihm spürte ich eine enge Verbundenheit zu seiner Heimat, auch beim Gang durch seine Weinberge oder wenn wir dort gerade geschossenes Wild verspeisten, Silvester uns das Feuerwerk von der Burg aus ansahen. Das hatte was, auch die alte Rüstung des Götz, die er oben in der Burgruine ausstellte, gab mir ein Gefühl wie bedeutend diese irgendwie wohl auch meine Heimat historisch einmal war. Sein besonders guter Riesling von den Steilhängen auf dem Weg zu seiner Burg, zeigte mir, was Heimat auch sein konnte und wie schön die Gegend war.

Als ich es meinen späteren Freundinnen aus Berlin kommend zeigte, entwickelte sich erstmals etwas wie Heimatstolz hinsichtlich der Schönheit dort. So wurde es mir mit Abstand erst später zur Heimat und über den Dialekt, den ich früher so schrecklich und primitiv fand, als würde jemand schlecht gelaunt Wortbrocken auskotzen, klang es für mich zuerst, kann ich heute liebevoll lächeln, höre den Anklang des französischen und finde es in Ordnung so. Durch die regelmäßigen Familienfeste, die nun im Haus meiner Eltern stattfinden, das zum neuen Mittelpunkt der Familie wurde, nachdem es Petterweil nicht mehr gab, ist dies popelige aber stinkreiche Walldorf für mich zu einer Heimat geworden, mit der ich meinen Frieden gemacht habe, zumindest, solange ich in Berlin lebe und nur ab und an dort bin.

Auch durch meine Tochter, die ihre Großeltern und ihr Haus liebt, wie ich einst Petterweil, bekam das Elternhaus einen neuen Charakter von Heimat nun. Lese ich in der FAZ, dass mein ehemaliger Klassenkamerad es zum Finanzvorstand des Weltunternehmens in der alten Heimat brachte, lächle ich und denke, wäre ich nicht so arrogant damals aufgetreten, wer weiß, wo ich in dieser Gründerzeit noch gelandet wäre, hätte ich die Chancen gesehen und ergriffen, statt nur trotzig die popelige Gegend und den grässlichen Dialekt abzulehnen, solange ich dort lebte.

Berlin ist der Ort, an dem ich in meinem Leben nun am längsten lebe. Über 16 Jahre nun wohne ich in Berlin, eigentlich in Pankow, noch präziser in Prenzlauer Berg, das nur nach dem nördlicheren Vorort als Bezirk heute heißt, auch wenn es von der Art und Struktur nichts mit diesem popeligen Vorort zu tun, der doch noch sehr ostig sich anfühlt. Aber ist Berlin meine Heimat geworden je?

Sind es die drei Plätze geworden, um die ich die längste Zeit hier lebte in verschiedenen Abschnitten meines sonst eher unaufregenden Lebens?

Beim letzten Platz, an dem ich heute noch lebe, um den ich alle Cafés bis zum Abwinken gut kenne wie die Verkäuferinnen und Kassierer im Edeka-Markt, würde ich es fast sagen. Bin hier zuhause. Aber ein warmes Gefühl bekomme ich da nicht. Als ich mit meiner letzten Verlobten langfristig überlegte, teilweise in ihrer Eigentumswohnung in Charlottenburg und einem noch zu kaufenden Haus in Norddeutschland zu leben, war das für mich völlig ok. Wo meine Bücherregale in Berlin stehen, war mir relativ egal. Charlottenburg ist zwar furchtbar langweilig, aber auch sehr nett irgendwie und mit Frau wandeln sich ja manche Prioritäten und ein Haus an der See noch, irgendwo im Norden, ihr Schloss, wie sie sagte, klang sehr verlockend. Im Norden fühle ich mich ja heimatlich.

Was würde ich wohl vermissen von Berlin, wenn ich nicht nur zu Besuch und manchmal in der Provinz lebte, wo käme ich gerne an und was ist meine Heimat?

Heimat ist für mich Familie eher als ein Ort, denn so kann genausogut der Hof meines Onkels in Mecklenburg nahe Wismar Heimat sein, wenn wir uns dort jedes Jahr zu Ostern treffen, wenn es dort meist noch zu kalt ist, das nahe Meer zu genießen - bescheuert eigentlich, dass wir  uns nicht im Sommer dort treffen, aber gehört halt dazu, ist Tradition geworden und so ist die Tradition allein wohl schon ein Stück Heimat.

Darum ist mir auch so wichtig, die Frau, die ich liebe, in meine Familie einzuführen und zu wissen, ob es passt, weil das eher mit nach Hause bringen für mich ist, als irgendein geografischer Ort, der sich ja beliebig verschieben kann. Von meinen Bremer Großeltern und der Heimat dort ist mir nur ein Anzug und ein Frack meines Großvaters geblieben sowie ein Trenchcoat. Seltsam eine alte Heimat mit Kleidung in Erinnerung bei sich zu haben. Petterweil ist verkauft und das Haus meiner Eltern an dem Ort, an den ich nicht wollte, der aber heute wirklich ganz nett in zauberhafter Umgebung mir zu sein scheint, ist es, wenn die Familie da ist, aber es könnte dies Haus auch irgendwo anders beliebig stehen, sogar in Bielefeld.

Passt die Familie und klappt es im Bett ist eigentlich alles gut. Hakt es beim einen oder anderen, hält es meist nicht lang, sagt die Erfahrung und ich frage mich, ob die Heimatliebe stärker ist sogar als das, was ich große Liebe nennen würde oder ob ich nur zu angepasst bin, um die tragische Romeo und Julia Liebe gegen die Familie durchzuziehen, wenn es nötig wäre und warum mir nicht eines von beidem genügen kann, was doch schon mehr ist als viele in der Liebe je finden. Doch solche Volltreffer sind selten und noch seltener auf Dauer, weiß ich inzwischen, aus Erfahrung kein bisschen klüger geworden.

Mit zunehmendem Alter und abnehmender Potenz vielleicht wandeln sich auch dabei die Prioritäten. Irgendwann heißt gut im Bett nur noch wunderbar anschmiegsam und friedlich, warum die Verbindung mit der Heimat des ortlosen Narren unbeabsichtigt zum zentralen Kriterium wird, das schon meine Auswahl mitbestimmt. Wen ich nicht vorstellen könnte, die hat keine Chance und seltsam genug war da auch die Vernunft bisher immer stärker als alle Leidenschaft und ich denke an Thomas Buddenbrook und seine Liebe zum Blumenmädchen, von der er genau wusste, dass er sie beenden musste, als es nach Amsterdam ging und er sich um eine ernsthafte und gute Partie bemühen würde.

Sich standesgemäß paaren, hieß das früher, nicht über und nicht unter Stand heiraten, war wichtig, um sich wohl zu fühlen, mit dem was war. Dabei waren meine Großeltern, die uns immer als Vorbild einer großen und glücklichen Liebe galten, das beste Beispiel für das genaue Gegenteil - so galt meine Großmutter, deren Vater sogar im Gefängnis gesessen hatte, als nicht standesgemäß für den gut bürgerlichen, dessen Vater zwar als Offizier vor Verdun gefallen war, so wie meine Großmutter Halbwaise war, als schlechte Partie, noch dazu mit ihrer leichten Behinderung, da sie an einer Knochentuberkulose erkrankt war. Der Großvater meines Grotepaters war doch immerhin Hofbibliothekar zu Gotha gewesen und mit den einflussreichsten Familien dort verwandt oder bekannt. Diese Hochzeit aus Liebe, war ein kleiner Skandal, dem aber bald 4 Knaben folgten, was gut in den Geist der Zeit passte und mit der nicht standesgemäßen Partie versöhnte.

Was immer Bürger so als standesgemäß ansahen. Es gibt aber Kreise in denen, das bis heute sehr wichtig ist. So war bei meiner ersten Verlobten, die von Familie war, den Eltern schon wichtig, zu wissen, dass mein Vater auch Chefarzt war, wenn wir schon kein standesgemäßes ‘von’ im Namen trugen, wie sie es sich vielleicht für ihre Tochter gewünscht hätten. Beim Adel ist es relativ einfach was standesgemäß noch ist und was schon nicht mehr. Herrschende Häuser nur untereinander aber das hat sich ja heute glücklicherweise alles erledigt und die jahrhundertelange Inzucht konnte einer gesunden Durchmischung weichen, es darf meist auch aus Liebe geheiratet werden, auch wenn es ein Fitnesstrainer in Schweden als Kronpriesinnengatte wird, was ja zur Frau des jetzigen Königs, jener Silvia Sommerlath aus Heidelberg passt, die Olympia-Hostess in München war, wo sie ihren Prinzen kennenlernte.

Dreimal habe ich mich inzwischen verlobt und also jeweils ein Eheversprechen abgegeben, was dann wohl im Interesse aller Seiten nicht weiter verfolgt wurde. Spannend finde ich, wie nahe das Wort sich versprechen am Versprecher liegt und versprochen und gebrochen sich nicht nur reimen. Finde die Idee, sich zu versprechen, ein Leben miteinander zu wagen, immer noch romantisch und schön, würde es immer wieder tun, dahingestellt, ob ich je heiraten möchte oder es eine Frau ewig mit mir aushalten könnte, was zugegeben am unwahrscheinlichsten ist. Möchte eigentlich gar keine Beziehung ohne beginnen, denn wenn ich nicht aufs Ganze gehe, kann ich es auch gleich lassen, wozu ich gerade ohnehin mehr tendiere, weil Nähe auf Dauer ohnehin überschätzt wird und Männer und Frauen nur bedingt zusammenpassen, es uns nur Gefühl und Trieb gern verdrängen und vieles ertragen lässt, aber, wer weiß - halte jede plötzliche Sinnesänderung im Sinne der Liebe für möglich und wenn sie kommt, ist es gut so.

Das Eheversprechen aber zeigt mir, wie wichtig mir Familie und Anbindung an alte Traditionen ist, wie zuhause ich heimatloser mich dort fühle, der einen Hafen der Liebe so sich wirklich sucht, um zumindest symbolisch vor Anker zu gehen. Dabei sage ich jetzt nichts dazu, ob ich mich überhaupt für fähig halte, eine monogame Beziehung zu führen, nicht mal weiß, ob es überhaupt Menschen gibt, die das ihrer Natur nach können oder solche Stagnation immer nur Konsequenz anderer Ängste ist. Es reden die von Treue und einziger Liebe am lautesten, die am stärksten um sie fürchten, weil sie Versuchung selbst zu gut kennen. Mein Ehversprechen hatte damit auch eher weniger zu tun, auch wenn das meine Verlobten, die alle nicht zu den leidenschaftlichsten Frauen gehörten, denen ich im Leben begegnete, wohl anders sahen, aber auch das ist ein weites Feld.

Wo die Treue von der Natur aus Liebe zum Zwang wird, ist die Leidenschaft längst tot und es halten nur noch Ängste und Formalien aneinander, würde ich mal behaupten und alle Frauen, die noch von der großen Liebe träumen oder überhaupt, würden mir vermutlich zornig widersprechen und kluge Männer mit Erfahrung vermutlich eher schweigen. Diese Erkenntnis und der offene Umgang damit kann den Umgang miteinander sehr entspannen.

Was ist mir wichtig an einer Frau, frage ich mich also.

Zuerst ihre Liebe und Leidenschaft. Wenn es daran mangelt kann gute familienkompatibilität dies glatt ersetzen. Schönheit ist eine sehr relative Größe. So mag ich Frauen gerade sehr, die andere Männer schon mindestens als kräftig bezeichnen würden, an denen was dran ist zum liebhaben. Einige meiner großen Lieben und längeren Beziehungen waren aber das genaue Gegenteil und es hat der Liebe oder Leidenschaft, wenn es denn welche gab, keinen Abbruch getan und so sind Äußerlichkeiten mir mittlerweile egal. Sich intellektuell auf Augenhöhe zu begegnen, ist immer schön und macht das Leben leichter, doch sofern die anderen Faktoren passen, kann darüber auch großzügig hinweggesehen werden und bedenke ich, wovon ich alles keine Ahnung habe, hätte mich ein solches Kriterium bisher sehr einsam gemacht, was mir immer fern lag. Es kann sehr vieles das andere ausgleichen und mancher Kompromiss wird möglich, wenn das Gefühl dabei stimmt. So spielte ich auch gern den Romeo gegen die Familie, wenn sonst alles stimmt, doch zum Glück muss ich das gerade nicht.

Warum rede ich wieder über meine Frauen, wird meine Tochter bei der Lektüre wohl augenrollend denken, die nichts mehr hören will von meinen 180 Frauen, was auch eine rein symbolische Zahl sein könnte, schweige dazu lieber - weil die Liebe mir Heimat ist. Neben meiner Bibliothek, und Familie, ist sie die andere nicht geografische Heimat, die ich habe.

Gerade ist ein Freund von mir auf die Philippinen gezogen, um dort mit über 50 nochmal Vater zu werden mit seiner nicht mal halb so alten inzwischen Frau und freut sich an dem südlichen warmen Glück, dass ihm das Leben beschied. Er hat die alte Heimat verlassen, sein Haus vermietet, die Pferde in Pension gegeben, seine alte Standuhr steht bei mir und eine neue Heimat auf einer der vielen Inseln in der Liebe gefunden und was ich von ihm bei facebook so lese und sehe, scheint er ein glücklicher Mann zu sein. Etwas unkonventionell vielleicht aber doch liebenswert auch und was kann falsch sein, der Liebe zu folgen, kommt es dabei je auf Alter oder Geld an?

Die Heimat ist der Ort, an dem ich mich wohlfühle und mit dem ich mich gut und zuhause fühle. Dabei kann Sex eine Rolle spielen, aber das wichtigste ist es nicht, warum auch manche Ehen ohne Sex wunderbar halten, wenn beide erkennen, was sie verbindet ist mehr und wichtiger als der Austausch von Körperflüssigkeiten, den auch jeder für sich oder andernorts erledigen kann. Als etwas autistischer Leser und Autor bin ich in der Welt meiner Bücher zuhause und bin glücklich dort, wo meine Bibliothek ist.

Es gibt wenig, was mir so nahe kommt wie Bücher und Schreiben, die Welt der Worte. Sicher meine Tochter, qua natura, aber auch da denke ich an Montaigne, der darüber lange philosophierte, ob ihm sein biologisches Erbe an seine Tochter, nur eine Tochter überlebte von den mehreren ehelichen Geburten seiner Frau und wurde erwachsen, oder seine Worte wichtiger wären, dächte er über sein Erbe nach und worauf er mehr Mühe verwendete. Der dem schönen Leben und der Lust als Epikuräer nicht abgeneigte Montaigne, der in diesem Essais, von dem ich gerade spreche, zwar auch viel über seine Nierensteine klagt und wie sie ihn quälten, hat ein schlechtes Gewissen zu rechtfertigen, warum ihm, ehrlich gesagt, das Produkt seines Geistes wichtiger ist als seine Tochter. Er begründet es damit, dass ihre Entstehung Produkt seines Schwanzes sei, während seine Essais ja ein Kind seines Geistes sein und ihm damit natürlich noch näher als die Tochter wäre, die ja nur zur Hälfte aus  ihm bestand.

Diese Rechtfertigung auch in Kenntnis von Montaignes geeier hier umging ich nun geschickt, indem ich dies Kind meines Geistes meiner Tochter widme und für sie schreibe, wann immer sie es auch lesen wird, junge Damen widmen sich nicht immer mit größter Leidenschaft der Philosophie und den wirren Gedanken ihrer Väter. Ob das wirklich geschickt oder geradezu aufdringlich dreist war, möge die Nachwelt entscheiden, mir ist nicht besseres eingefallen, um micht nicht entscheiden zu müssen, denn natürlich kenne ich den Konflikt von dem Michel aus Montaigne mit soviel Gefühl und Witz erzählt, nur zu gut.

Bin ich zuerst Künstler oder Vater und worauf kommt es mir an? Was ist mir wichtiger, was von mir bleibt, die Erinnerung im biologischen Erbe meiner Tochter oder die geistige Erinnerung in meinen Schriften Würde ich meinem Opus den Vorzug geben, wenn ich entscheiden müsste?

Natürlich nicht, verkünde ich aus voller Überzeugung, wieviel wertvoller ist doch ein Mensch als eine nur Sammlung meiner wirren Worte und hoffe, es fragt niemand zu genau nach und die Realität stellt diese Frage nie wirklich, weil ich sie doch, indem ich dies Essais für meine Tochter nun schreibe, quasi genetisch überlistete. Lassen wir es mal dabei und hoffen wir, dass es keine weitere Verwirrung mehr gibt und alle mit dem glücklich sind, was ist. Zu wenig geliebt oder beachtet fühlen sich ja immer eher Menschen, die Probleme mit ihrem Selbstwert haben, wofür vorliegend nichts spricht und wenn sie nur halb so eitel wie ihr Vater wäre, dessen halbes genetisches Erbe sie ja mitschleppen muss, besteht zur Sorge nie Grund.

Die Bibliotheksfamilie ist auch noch so eine Welt für sich. Wer je Bücher liebte, kann es nachvollziehen und versteht, was ich meine, wenn ich sage, es gibt Bücher, wenn ich deren Rücken streichle allein, laufen mir wohlige Schauer der Erinnerung durch den Geist, wer nicht, wird seine Heimat andernorts haben. So lebe ich in einer WG mit meinen Büchern und wir tauschen ab und an Zärtlichkeiten miteinander aus, indem wir ineinander lesen. So gesehen kommt dies Leben meiner natürlichen Polygamie am nächsten wie es auch einer autistischen Neigung entspricht, die andere vielleicht nur die Flucht vor dem Gewöhnlichen nennen würden bei der eben nach oben hin, die Luft dünn wird, aber, was weiß ich schon, und so gehe ich erstmal von einer sozialen Behinderung meinerseits aus, die eine gewisse Inkompatibilität begründet.

Solange es so viele Bücher gibt, mit denen ich glücklich bin, wüsste ich nicht, was ich vermissen sollte in dem zurückgezogenen Leben des Bücherwurms und Autors, dem die meisten sozialen Treffpunkte eher langweilen, zumindest verglichen mit Büchern, außer es geht  um Sex und Liebe, was immer wieder neu erstaunlich aufregend sein kann, auch wenn sich die Frauen nun doch eher im Detail nur unterscheiden in der Erinerung

Sitze und saß ja immer viel im Café und lauschte auch mal den Gesprächen der Nachbarn und denke immer wieder, wie gut, dass ich für mich meist dort bin und nur darüber schreibe, statt mich daran beteiligen zu müssen, was mir nach einer ewigen Wiederholung immergleicher Worte zu klingen, scheint ohne echten Fortschritt - der Mensch dreht sich seit Epikur vor 2300 Jahren aus seinem Garten berichtete, sozial im Kreis, es ist meist langweilig, außer der kleine Schritt vom Gespräch zum Sex und wie sich die Lust miteinander entwickelt, was erahnbar und sichtbar ist und was nicht oder die seltenen Fälle guter philosophischer Gespräche, die jedoch seltsam oft dem Triebbedürfnis in die Quere kommen.

Habe da noch kein taugliches Muster entdeckt und suche darum weiter, es zu verstehen, unsicher, ob es dann auch in der Sache langweilig wird, wie der meist gewissen Mustern irgendwann immer folgende Sex in längeren Beziehungen, außer beide Partner haben entweder viel Phantasie oder vergesse glücklicherweise noch schneller als sie erleben. Liebhaberinnen bleiben immer spannend, Partnerinnen ermüden irgendwann, was in der Natur der Sache liegt. Die Geliebte triffst du zur Lust, mit der Partnerin teilst du ein Leben mit allem auf und ab. Wessen schlechte Laune und Blähungen du manchmal auch nur erträgst, der reizt dich nicht so, wie die du nur gelegentlich siehst und dann nur zur Lust.

Ob es darum richtig ist, wie Montaigne es vorschlägt, die leidenschaftliche Liebe und die wilde Lust von der Ehe zu trennen, damit in dieser der gemächliche Beischlaf zur Fortpflanzung praktiziert, ansonsten aber ein Leben mit Achtung und Respekt geführt wird, das sich in guten wie in schlechten Zeiten kennt, scheint mir einer Überlegung wert. Dann behielte beides seinen Charakter und keines verlöre sich in zu großer Leidenschaft, die schnell auch verwirrt. Vielleicht schätzen wir die Liebe als Heimat falsch ein und überfordern sie auch, wenn sie nicht nur Konstanz und  Sicherheit sondern auch Leidenschaft und Feuer bieten soll und täten darum besser daran bestimmte Bedürfnisse auszulagern, um die Ehe gut und stabil zu halten.

So gesehen diente das Gebot der Treue, wie es die Kirche immer hochhielt, eher der Stabilität der Ehen, da es weniger um die tatsächliche Treue ging als das permanente moderat schlechte Gewissen, dass beide Parteien zu einem besonders aufmerksamen Verhalten gegenüber dem Partner brachte. Vermutlich entspricht diese Regelung am ehesten unserer Natur und ermöglichte dauerhafte Ehen und viel Leidenschaft nebenbei, die Triebe befriedigte und zugleich Quelle der Musen immer wieder wäre.

Eine solche Beziehung hat für beide Seiten Vorteile und ich wollte nicht der Richter über gut und böse wider meine Natur je sein. Wie offen darüber geredet und nachgedacht werden kann, scheint mir eine Frage der inneren und sittlichen Reife und auch der Erfahrung mit schönen Sex zu sein.

Die Partnerinnen, die Befriedigung beim Sex fanden und dies genießen konnten, hatten da eher mehr Verständnis als diejenigen, die es nur mitmachten ohne größere eigene Leidenschaft. Darüber nachzudenken, um Familie und Heimat besser zu erhalten, ohne Eifersucht leben zu können, wäre befreiend für viele Menschen wohl, doch leben zugleich noch mindestens so viele Menschen mit der Illusion der großen Liebe, die alles umfasst und wollen alles mit einem haben, auch wenn das logisch auf Dauer immer unvereinbar wird.

Stehe da gerade zwischen den Welten, betrachte es lächelnd, denk mir meinen Teil und lebe, was mir gefällt. Wer mit sich und seiner Natur im Reinen und des logischen Denkens fähig ist, wird vermutlich zu einem ähnlichen Schluss kommen, aber vielleicht werden sich Männer und Frauen diesbezüglich auch nie ganz verstehen, allerdings kann ich sagen, dass viele der Frauen, die das entspannt sahen, auch zu meinen besten Liebhaberinnen gehören.

Heimat ist kein Ort und Heimat ist ein Ort. Es ist ein Gefühl und eine vernünftige Lokalisierung dessen, was uns ausmacht. Es ist alles und nichts zugleich. Dazu vielleicht eine kleine Geschichte zum Schluss, die dies unklare Gefühl verdeutlicht.

Die Familie, deren Namen ich trage kommt seit ewigen Zeiten aus Thüringen, bis ins Mittelalter dort nachweisbar. Das ist die alte Heimat, aus der mein Großvater mit seinen vier Söhnen mit der Großmutter nach dem Krieg gen Westen flüchtete. Dieses Gefühl von Heimat habe ich jedesmal, wenn ich durch Thüringen fahre. Meine Liebe zu Weimar drückt dieses Gefühl ganz intensiv aus und Frauen aus Thüringen können mit nahezu nichts  meinem Herzen ganz nahe kommen, einfach nur, weil sie von da sind und ich mal von da kam, also meine Familie hat und auch wenn es bis zur Wende für mich in einem anderen Land lag, von dem ich keine Vorstellung hatte und das für mich nur eine schlimme Diktatur war. Ein Leben hinter der Mauer ohne Meinungsfreiheit und Levis Jeans, ohne Bananen und Anannas, wobei ich erstere nur stopfend finde und letztere nicht vertrage, aber egal, ich könnte sie jederzeit kaufen, wenn ich wollte.

Einer meiner Vettern hat eine zauberhafte Thüringerin geheiratet und das ist ein Stück wie ankommen und er hat es geschafft, dachte ich immer wieder, auch wenn das völlig idiotisch ist. Habe inzwischen mehr als eine Frau aus Thüringen näher kennengelernt und phasenweise in mein Herz geschlossen, immer mit dem großen Gefühl von Heimat und mich wieder getrennt ohne Folgen für mein Heimatgefühl. Denke es würde immer wieder funktionieren und gäbe einer Frau bei mir immer einen Bonus, auch wenn es dafür null sachlichen Grund gibt und die Sächsinnen, die ich kennenlernte alle viel zauberhafter waren, zumindest teilweise.

Heimat verführt also auch zu unsinnigen Dingen, gerade in der Verbindung mit Familie und Gefühl. Darum ist es gut, sich dessen bewusst zu sein und auch gegen die Übermacht des Gefühls kritisch noch denken zu können. Wenn ich meiner Tochter das vermitteln kann, könnte sie auch in der Liebe ein riesiges Stück Freiheit  gewinnen und es leichter haben, glücklich zu werden.

Glück ist keine absolute und feste Größe, die starr irgendwo steht und erstrebt sein will, sondern ein flexibler Zustand, mit dem wir mit der Welt leben lernen, sie uns zur Heimat oder Familie machen, denn jede Liebe ist auch immer ein wenig der Versuch eine Kernfamilie und damit ein Stück Heimat zu begründen, vielleicht brauchen wir das irgendwie immer.
jens tuengerthal 13.1.2017

Donnerstag, 12. Januar 2017

Gretasophie 008

008 Familie

Ist Familie noch ein aktuelles Thema oder hat sich das erledigt?

Das Wort bezeichnet heute eine durch Liebe, Partnerschaft, Adoption oder Abstammung begründete Lebensgemeinschaft. In unserem Kulturraum besteht sie meistens aus Eltern und Kindern sowie weiteren im Haushalt lebenden Personen, ob diese nun Verwandte oder andere Lebenspartner und Freunde sind. Die lateinischen Begriffe famulus oder famula heißen Diener oder Sklave. Das Wort familia war im lateinischen vielschichtiger und meinte auch ein Herrschaftsverhältnis etwa des pater familias. Der biologische Erzeuger der Kinder hieß bei den Römern genitor, nicht pater, was nur auf eine Machtposition in den sozialen Strukturen hinwies. Auch bei den Germanen stand das Wort Vater für viele weitere Dinge außer der reinen Zeugungskraft, etwa Schöpfungskraft und übernatürliche Kräfte.

Unklar ist, ob dies daran lag, dass, wie Tacitus uns berichtete, seine Glaubwürdigkeit einmal dahingestellt, die germanischen Männer im Rhythmus der Felderwirtschaft den Hof und die Frau wechselten, um eine gerechte Verteilung zu gewährleisten, die Frau aber als Herrin des Hofes dort blieb, das Schlüsselrecht hatte und darum die Frage der genetischen Vaterschaft wohl weniger wichtig genommen wurde.

Bei den Römern hatte der pater familias volles Verfügungsrecht über die gesamte Hausgemeinschaft, die aus Frauen, Kindern, Sklaven, Freigelassenen und Vieh bestand. Dort hatte er Herrschaftsrechte, was immer das praktisch bedeutete. Seine Stellung hatte er nicht, weil sich sein Samen mit dem Ei der Frau zu Kindern vereinigt hatte, sondern schlicht als Hausherr, sie war also an den Besitz gebunden und nicht an die gerade soziale Stellung aufgrund des vorigen Sex.

Insofern die Herrschaft des pater familias auch Sachen und andere Wesen wie Sklaven und Freigelassene umfasste, ist sie völlig anders zu verstehen als unser eher genetischer Begriff der Vaterschaft, der am Zeugungsakt anknüpft und unabhängig von den jeweiligen sozialen Verhältnissen auch ist.

Auch im christlichen Mittelalter war mit Familie noch kein Begriff der Alltagssprache sondern meinte den Haushalt eines Herrschers und alle die dazu gehörten. Solch ein Haushalt konnte tausende Personen umfassen, je nach Bedeutung des Herrschers. Diese vielen untergeordneten Hausgemeinschaften wurden unter dem Begriff Haus mit dem dazugehörigen Namen zusammengefasst.

Erst ab dem Ende des 17. Jahrhunderts, also nach dem Dreißigjährigen Krieg, kam der Begriff allmählich aus dem französischen in die deutsche Alltagssprache und wurde zunächst auch identisch mit Haus gebraucht. Langsam wurde dann auch die Kernfamilie als Einheit so genannt und auch die weitere Verwandtschaft von dem Wort miterfasst. Der Begriff kam parallel mit dem Aufstieg des Bürgertums auf und dessen Idealbild von der Familie als Kernfamilie mit klaren Abstammungsbeziehungen.

Doch im deutschen blieb der Begriff Haus sehr wichtig und hat sich in zahlreichen Begriffen noch erhalten, wie den Hausaufgaben, der Hausarbeit, der Hausfrau und dem Hausrecht.  Adelige Familien benutzen ihn auch noch gern, um bestimmte Zweige einer großen Familie zu  bezeichnen und sich bezüglich des Erbes auf ihr Hausrecht zu berufen, das stärker ist als das gesetzliche Erbrecht in einigen Fällen, wie sich etwa in der Familie Preußen zeigte, wo die nicht standesgemäße erste Heirat die älteren Brüder vom Familienerben ausgeschlossen hatten und dies so an den jüngsten Sohn übertrug, wie von Gerichten bestätigt wurde, was den Familienzusammenhalt dort nicht wirklich verbesserte.

Die Familie bündelt in sich verschiedene soziale Funktionen, die heute teilweise der Staat übernimmt und deren Notwendigkeit auch strittig ist. Zunächst ist da die Reproduktionsfunktion, in dem die Familie als Basis zur Weitergabe des biologischen Erbes durch die Kinder besteht. Dies entfällt bei Adoption, die aber eine gleichberechtigte Familie rechtlich entstehen lässt und wo der Rechtsakt der Adoption Zeugung, Schwangerschaft und Geburt ersetzt.

Daneben gibt es die soziale Funktion, die bei der Sozialisation hilft und durch ein dichtes soziales Netzwerk dabei unterstützt, den eigenen Platz zu finden in der Gemeinschaft, in dem von Kindesbeinen an bestimmte Arten des Benehmens und des Umgangs im familiären Kreis gelernt werden. Auch die wirtschaftliche Funktion vieler Familien ist wichtig, sie bringt Schutz für Säuglinge und Alte, pflegt, kleidet und versorgt sie.

Die ehemals wichtige politische Funktion ist heute, bis auf den Hochadel weitgehend erloschen und auch dort hat sie nur noch eine repräsentative Funktion, die aber zur Lebensaufgabe werden kann. In nicht staatlichen Gemeinschaften, bei denen Sippen oder Clans herrschen, kann diese Funktion, die dafür sorgt, die eigenen Kinder entsprechend ihrem Erbe sozial zu platzieren, große Bedeutung haben. Hier gibt es noch kleine Überbleibsel etwa in den ausgesuchten Tanzkursen bestimmter Familien und Kreise, die unter sich bleiben möchten. Auch bestimmte Elite-Schulen können solche Funktionen teilweise wahrnehmen, wie die ihnen entsprechend folgenden Elite-Hochschulen, an denen sich eine teils eingeschworene Gemeinschaft weniger Familien immer wieder trifft.

Bestimmte religiöse Funktionen der Familien haben sich bis heute erhalten, wie etwa das Tischgebet, das stets vom ältesten oder jüngsten Sohn zu sprechen war, rituelle Begrüßungen oder der weihnachtliche Gesang um den Baum vor dem großen Festessen. Früher bestimmte der Vater der Familie noch welche Kinder lebensfähig waren und welche ausgesetzt wurden, worüber heute höchstens Ämter und Ärzte entscheiden und wo die Aussetzung eine Straftat wurde. Auch die Aussaat auf dem Feld als früher väterliches Privileg ist heute in einer arbeitsteiligen Gesellschaft ein Job, den die Bäuerin so übernehmen kann wie der Sohn oder die Tochter.

Die besondere rechtliche Funktion der Familie besteht noch teilweise fort. Sie steht darum unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes und ihre Verhältnisse sind in zahlreichen Regelungen bestimmt, die dem Schutz der Gemeinschaft dienen sollen. Die Freizeit- und Erholungsfunktion der Familie spielt heute eine größere Rolle, auch wenn sie von vielen überschätzt wird. Ob Familie eher entspannt oder stresst, ist vermutlich Geschmackssache, jedoch kann sie ein Genuss sein, der das Leben schöner macht.

Eine besondere Rolle spielt die Familie auch bei der Stiftung einer sozialen Identität, die viel zum Selbstbild beiträgt und die Basis für dauerhafte soziale Beziehungen sein kann. Manche sind in ihrer Familie zuhause und fühlen sich dort wohler als mit allen Freunden, andere ziehen die Freunde vor und nehmen die Familie nur hin. Diese engen sozialen Beziehungen, die meist schon in der Kindheit angelegt werden, können durch Familienbesuche und Feste bis ins hohe Alter fortgesetzt und zelebriert werden.

Ob Ur- oder Frühmenschliche Gemeinschaften die Familie kannten, ist nicht klar Einige halten sie für familienlos in der Organisation. Doch werden auch bei manchen indigenen Gesellschaften, die noch unberührt lebten, ähnliche Strukturen entdeckt, die keine Kernfamilie kennen aber darum nicht unbedingt familienlos sind. Teilweise versuchen moderne Gesellschaften Äquivalente der Familie zu entwickeln, die diese auch sozial in vielen Bereichen ersetzen können. Dazu gehören zum einen etwa die Kibbuz seit der Gründung des Staates Israel oder Hausgemeinschaften in denen generationenübergreifendes Leben praktiziert wird, als bestünde eine familiäre Beziehung.

Viele Kinder in der modernen Großstadt vermissen die alte Großfamilie und den schnellen Weg zu den Großeltern, andererseits wünschen sich manche Kinder, die in solchen Gemeinschaften aufwuchsen, die Freiheit der Stadtkinder. Die Gesellschaft scheint dabei momentan in einem Übergangsprozess in dem viele Modelle nebeneinander bestehen und noch nicht klar ist, welches überleben und sich durchsetzen wird. Es gibt teilweise noch die alten Großfamilien in bürgerlichen oder adeligen Kreisen, die viel Wert auf ihre Formen legen, um als Gemeinschaft erhalten zu bleiben. Daneben gibt es die migrantischen Großfamilien, die aus einer teilweise völlig anderen Tradition kommen und bei denen die Mitglieder häufig einen harten Spagat zwischen Alltag und Familie praktizieren. Welchen Weg sie langfristig einschlagen werden ist noch unklar, auch welchen Vorbildern sie nacheifern sollen.  Die meisten Deutschen leben heute eher in Kleinfamilien, von denen auch ungefähr die Hälfte aus gescheiterten Beziehungen neu zusammengesetzt wird oder ganz für sich bleibt. Die durchschnittliche Kinderzahl liegt noch bei etwa 1,8, was deutlich macht, wohin die Tendenz der Familie geht, warum die Frage nach neuen Modellen für die Zukunft, für den Zusammenhalt der Gemeinschaft wichtig sein wird.

Vielen, denen der soziale Hintergrund der Familie fehlt, die dadurch immer neu ihre Position in der Gemeinschaft suchen müssen, fällt der Start ins Leben dadurch schwerer. Auch psychische Probleme können die Folge solche mangelhafter familiärer Bindung sein.

Wie kann die Großfamilie in der heutigen Großstadt ersetzt werden?

Sollten wir sie überhaupt ersetzen wollen oder lieber wieder nach mehr Familie streben, statt ein Alias groß zu machen?

Bin in der Großfamilie aufgewachsen wie in der heilen Kernfamilie, hatte also doppelt Glück und keine Angst war bei mir als Kind größer, als dass sich meine Eltern scheiden lassen könnten, auch wenn ich nicht weiß warum ich mich davor fürchtete und der normale Streit der Eltern, mir häufig gehörig auf die Nerven ging.

Die Großfamilie waren die drei Brüder meines Vaters und deren Kindern, die teils in meinem Alter und teils etwas älter waren. Uns verbinden viele wunderbare Erinnerungen und es müssen nur bestimmte Begriffe fallen, wie der Name des Schaukelpferdes Pipifax oder Petterweil, wo das Haus der Großeltern stand und die Augen der mittlerweile auf die 50 zugehenden Enkelgeneration leuchten heute noch.

War es der strenge pater familias, mein Großvater mit dem Spitznamen Grotepater, der die Gemeinschaft zusammenhielt oder seine liebende Frau, die Omi Elfie, die ihr Nähzimmer mit Kinderbildern tapezierte und immer Zeit für ihre Enkel fand oder war es die Bereitschaft der Elterngenerartion zu den eigenen Eltern zu fahren, sich dort zu treffen, zu regelmäßigen Festen und mehr, die unsere Gemeinschaft bis heute lebendig hielt?

Es ist wohl von allem etwas, wie Familie überhaupt nie etwas einzelnes sondern die Summe der Dinge ist, mit denen wir groß wurden. Das Haus meiner Großeltern haben die Brüder als Erben längst verkauft, die Einrichtung unter sich aufgeteilt und eines Tages werde ich vielleicht das kirschhölzerne Arbeitszimmer meines Großvaters erben, wie mein Vater es schon übernahm. Derjenige von uns, der die Familienfeste weiter führt, wird das Meißen erben, das mein Vater mit dieser Auflage übernahm und so verbinden sich Traditionen auch mit Pflichten, die weitergetragen werden und rituellen Abläufen, die jedes Jahr auf die gleiche Art praktiziert werden.

Zu Familie gehört sich auf eine Partnerschaft einlassen und mit einem Partner zusammenleben zu wollen, zumindest irgendwie. Frage mich das manches mal selbst, da ich gerne inzwischen für mich lebe, auch wenn es Momente gibt, wo ich daran leide. Es ist eine stete Gratwanderung, aber denke ich daran, wie glücklich ich in Kinderzeiten in der Familie war und wie selig meine Tochter bei den Großeltern ist, denke ich, es ist gut so und auch ich sollte das weitertragen. Andererseits, können Familien auch enden, wie wir ja aus den Buddenbrooks wissen und das hat zwar eine gewisse Tragik, wem fällt dann das Erbe zu, wenn die  Generation keine eigenen Kinder mehr hat, fragt sich mancher, aber so ist eben das Leben manchmal. Generationen kommen, Generationen gehen und nicht immer bleibt etwas bestehen.

Ist das Weitergeben von Tradition schon ein Wert an sich, oder wird da nur Kult um etwas gemacht, was keinen eigenen Wert hat, nichts als Gewohnheit ist?

Weiß es noch nicht so genau, will auch in den kommenden Essais danach forschen, was der richtige Weg und das richtige Verhältnis zur Familie ist. Als eigentlich fast autistischer Einzelgänger, der zwar in der Familie aus Gewohnheit großmäulig sein kann, weil  es nötig ist, um zu Wort zu kommen, frage ich mich schon, was sie mir ist außer Erinnerung und wie nah sie meinem Wesen noch ist, der ich in und mit Büchern lebe, gerne in Cafés schreibe und die Reisen zu den Festen eher als Stress empfinde, weil ich reisen immer eher unangenehm fand und lieber vermeide, wenn möglich, um in meiner Bücherhöhle zu leben oder mich wie Montaigne in meinen Turm zurückzuziehen, um die Welt zu betrachten. Dort bin ich völlig glücklich und brauche nichts sonst in der Welt als meine Bücher und meine Worte.

Dennoch liebe ich die Familie, so oft wir uns auch noch mal übereinander ärgern oder die Brauen rümpfen. Sie sind Teil meiner Geschichte und diese möchte ich meiner Tochter weitergeben. War der erste, der einen Enkel bekam, als zumindest meine beiden Großmütter noch lebten und meine Tochter noch kennenlernen konnten, was mich stolz und glücklich machte, auch wenn das kein Verdienst meinerseits war sondern ein bloßer Zufall im Zusammenspiel mit deren Genen.

Es ist manchmal ein schwieriges Verhältnis zu und mit der Familie und doch ist sie eine wichtige Konstante, die mir auch Stabilität gab auf dem Weg zum erwachsen werden. Wusste ich doch woher ich kam, gab es etwas, auf das ich stolz sein konnte ohne eigenes Verdienst, was schon vor mir war und weitegegeben wird.

Erbe ist ein Teil dessen, was Familie bedeutet. Eine schnelllebige Zeit, die mehr Mobilität braucht, passst nicht zu  altem Erbe, das weitergegeben wird, als hätten wir noch Güter, die wir damit füllen können. Ist das je mehr als eine nur Last, wie aller Besitz?

Sollte ich etwa einmal,  was hoffentlich noch lange Zeit hat, das Erbe meines Vaters in der familiären Kunstsammlung antreten, oder kann ich was schon vom Ururgroßvater mindestens stammt und in den Stücken bis ins 14. Jahrhundert zurückreicht einfach verkaufen, um frei zu bleiben?

Gehört Kunst nichts ins Museum, was soll sie in privaten Händen, denke ich einerseits und andererseits, weiß ich um die Schönheit solch einer sozialen Verpflichtung, die von Generation zu Generation weitergegeben wird und so sehen wir wieder den Konflikt in dem die heutige Art zu Leben zum alten Erbe steht und auch dabei suchen wir neue Formen, die Tradition und Gegenwart vernünftig verbinden.

Familie ist nicht immer einfach, aber sie ist einfach da und wir werden in sie hineingeboren, wenn wir das Glück haben, manchmal aber müssen wir uns auch erst eine Familie aufbauen, die dann in den folgenden Generationen Tradition entwickelt. Eine Familie verlangt einen bürgerlichen Beruf am besten und ein regelmäßiges Einkommen, Sicherheit und Verantwortung, alles Dinge, die nur bedingt in mein Leben und zu meiner Kunst passen und wir sehen auch darum, wie treffend Thomas Mann vom Niedergang einer Familie schrieb, die er noch ein letztes mal als pater familias in voller Größe zelebrierte auch fern von der Heimat, die eine Familie auch braucht. Aber was ist heute noch Heimat, werde ich im folgenden Essais mich fragen und die Suche nach Orten oder Wesen beginnen.

Weiß nicht, ob es dazu etwas allgemeines und verbindliches zu sagen gibt, oder jeder es ganz natürlich für sich erlebt und auf die eigene Art. Kenne nur, was ich kennenlernte und später fiel mir auf, wie nah es dem kam, was ich in den Buddenbrooks las. Immer in der Hoffnung lieber Thomas als Christian zu sein und doch den Künstler mehr spürend als den Kaufmann je, fragte ich mich, ob ich damit logisch der Untergang der Familie bin oder sie schreibend neu gebären muss, ihr über nur zufällige Generationenfolgen hinaus heute Ewigkeit im Netz geben, dem flüchtigen virtuellen Raum als Heimat meiner Worte auf der Suche nach einem Platz in der Familie der Geschichten.
jens tuengerthal 12.1.2017