Freitag, 6. Mai 2016

Kulturgeschichten 0214

Wiedergeburtsende

Womit die Renaissance begann wird manchmal noch gestritten. Sicher ist, die Wiederentdeckung des Lukrez durch Proggio Braccolini, den ehemaligen Sekretär des gerade auf dem Konzil zu Konstanz abgesetzten Papst, im Jahre 1417 war einer der zündenden Funken, die den Geist des Aufbruchs, der den Menschen in den Mittelpunkt stellte, zünden ließ. Aber wäre Braccolini nicht längst vom Geist der Renaissance getrieben gewesen, nie hätte er sich aufgemacht um im kalten Deutschland nach alten lateinischen Texten zu suchen, für diese Leidenschaft der Entdeckung viel zu riskieren.

Der Text des Lukrez mit dem schlichten Titel de rerum natura findet sich später in einigen der berühmtesten Gemälde und Texte der Renaissance wieder, die nach der dunkel eher religiös geprägten Zeit des Mittelalters wieder zum Licht des Wissens aufbrach, suchte und das Leben lieben lernte, es nicht nur als eine Vorstufe des Himmels verachtete, die wir hinter uns bringen müssen.

Renaissance heißt Wiedergeburt und so ist jene Epoche zwischen dem 15. Und 16. Jahrhundert, die sich von Italien nach Europa verbreitete auch eine der Wiedergeburt der Antike, zu der sich die Kunst und das Denken voller Bewunderung hinwenden, nachdem kluge Köpfe zu erkennen begannen in welch enge Sackgasse sie der christliche Dogmatismus des Mittelalters gebracht haben, der sich in wenig vom heutigen Islamismus  unterscheidet. In der Inquisition ähnliche Methoden anwandte, wie die heute so verurteilten Kämpfer des IS.

Wichtig und neu gegenüber dem Mittelalter, das auch schon teils antike Texte studierte, war die Hinwendung zum Humanismus in der Renaissance, der sich vom Menschen, der plötzlich im Mittelpunkt stand, bis zum Staatswesen erstreckte, das sich an antiken auch demokratischen Vobildern orientierte, statt der christlich schlicht gottgewollten Ordnung, die nur akzeptiert wurde. In Nordeuropa wird der Epochenbegriff der Renaissance von dem der Reformation überlagert, die statt gebildeter freier Geister auf den Spuren der Antike einen fluchenden, antisemitischen Mönch namens Luther in den Mittelpunkt stellte, warum im Norden zwar manche Kirchen lichter wurden aber nur wenige Geister, auch wenn die Reformation wie die Renaissance die Freiheit beförderten und von ihr sprachen.

Als große Künstler der Renaissance gelten Leonardo da Vinci, dessen vermessener Mensch quasi zum Sinnbild der Epoche wurde, Tizian, Donatello sowie der Deutsche Albrecht Dürer besonders nach seiner Reise nach Italien. Auch dazu gehören bedeutende Schriftsteller wie Dante, Shakespeare oder Denker wie Machiavelli und Erasmus von Rotterdam. In der Musik brach Orlando di Lasso in neue Tonwelten auf mit Mehrstimmigkeit und neuen Harmonien.

Erstmals benutzt hat den Begriff Renaissance übrigens der Maler und Künstlerbiograph Giogio Vasari, um die Überwindung der mittelalterlichen Kunst zu bezeichnen. Er unterscheidet drei Zeitalter, die glanzvolle griechisch-römische Antike, deren Verfall im christlichen Mittelalter und schließlich das Wiederaufleben der Antike und ihres Geistes in den Künsten im ausgehenden Mittelalter ab 1250.

Dieses neue freiere Denken entstand auch deshalb in Italien zuerst, weil es von seiner sozialen Struktur her dem Ideal der Antike mehr entsprach. Es gab keinen einheitlichen Staat oder ein Reich, sondern viele mächtige Städte in denen als Republiken relative Freiheit herrschte, auch wenn wir diese Städte unter der Herrschaft der reichsten Familien eher als Oligarchien bezeichnen würden. Nach Italien waren die letzten griechischen Philosophen und byzantinischen Denker mit ihren antiken Texten geflüchtet als Konstantinopel von den Mauren erobert wurde, auch dort lag die Saat des Aufbruchs in den vielen Flüchtlingen, die einen neuen Geist brachten, dem das mittelalterliche Italien zurück  zu seinen Wurzeln folgte.

Manche meinen, die Pest und die durch sie erzwungene Konzentration auf das weltliche Leben und seine Bedürfnisse hätte den Aufbruch im Denken bewirkt. Sicher hat die Pest das Zusammenleben der Menschen verändert, wie sich in Bocaccios Decameron wunderbar nachlesen lässt, doch warum eine Krankheit die Hinwendung zur Antike begründen soll und ihrem freieren Leben, ist nicht ersichtlich. Vor allem wirkte die Pest als Pandemie in ganz Europa und nicht nur oder zuerst in Italien. Doch eine gewisse Auswirkung ist vermutlich auch nicht völlig von der Hand zu weisen. Vermutlich also gab es eine Summe von Gründen, mit denen erst die Renaissance als Epoche begann.

Einer der entscheidenden Vorreiter war der Dichter Francesco Petrarca gewesen, der den Humanismus als Geistesbewegung förderte. Er hat durch seine ausgiebige Beschäftigung mit den Schriftstellern der Antike und seinen Individualismus, den Glauben an den Wert humanistischer Bildung gefördert. Das Studium der Literatur und Philosophie war endlich außerhalb des nur religiösen Zusammenhangs möglich. Das theozentrische Weltbild mit dem erfundenen Gott im Mittelpunkt des Mittelalters wurde durch das anthropozentrische ersetzt.

Es könnte nun noch ewig weiter vom Geist der Renaissance geschwärmt werden und wie er Europa veränderte nach dem düster fundamentalistischen Mittelalter, das zwar auch lichte Momente hatte, aber in der Tendenz gottesfürchtig und unmenschlich blieb. Doch ging es heute weniger um den Anfang als das Ende dieser Epoche, die Europa  wieder zu dem machte, was es heute sein sollte, wenn es sich nicht in nationalen Taumel engstirnig flüchtete und wenn es denn je endete.

Es endete als Epoche, die sich der Freiheit zuwandte, kriegerisch und dieser Ausbruch der Gewalt, dem es heute zu  gedenken gilt, ist so typisch als Gegenbild der Renaissance, nicht wirklich beabsichtigt, halt passiert, weil die  Umstände so waren, wie später der eigentlich verantwortliche Karl  V. erklären lies.

Die Rede ist vom Sacco di Roma, der am 6. Mai 1527 stattfand und bei dem Rom durch kaiserliche Truppen unter Führung von Charles III. de Bourbon-Montpensier geplündert wurde. Darunter waren deutsche Landsknechte und spanische sowie italienische Söldner. Dieses Ereignis wird als das Ende der italienischen Renaissance bewertet, der Wiederaufbau wurde schon manieristisch. Papst Clemens VII. konnte zwar gerade noch über den Passetto di Borgo in die Engelsburg fliehen, wurde jedoch von kaiserlichen Truppen unter Kommando  eines deutschen Söldners wochenlang belagert.

Angefangen hatte es mit dem Streit zwischen Karl V. und Franz I. von Frankreich um die Vorherrschaft in Oberitalien. Papst Clemens versuchte daraus Vorteil für die Kirche zu schlagen und verlangte nach der vernichtenden Niederlage der Franzosen das Herzogtum Mailand für sich, sobald es wieder französich sei, dafür trat Clemens dann aus der Allianz mit Karl V. aus und klagte diesen des ungerechtfertigten Krieges gegen seinen christlichen Mitbruder an, was für den Römischen Kaiser Karl sehr ärgerlich war. Nachdem Karl erfolglos Marseille belagert hatte, drängten ihn die Franzosen bis Pavia zurück, wo es zur Entscheidungsschlacht kam, bei der Franz I. gefangen wurde. Mit wem auch immer der erdachte Gott bei dieser Schlacht war, den Verbündeten seines angemaßten Stellvertreters prüfte er eher als ihn zu unterstützen.

Während seiner Gefangenschaft unterschrieb Franz den Friedensvertrag von Madrid, in dem er auf alle Fürstentümer Norditaliens verzichtete. Nach einem Appell an seine ritterliche Ehre, entließ Karl den Franz wieder aus der Gefangenschaft, auch wenn seine Berater ihm dringend davon abrieten. Und kaum wieder frei verkündete Franz der Vertrag sei ungültig und er habe ihn nur in größter Angst um sein Leben unterzeichnet. Daraufhin erteilte ihm sein Verbündeter Papst Clemens die Absolution, so dass der Friede von Madrid als nichtig galt.

Um die zu große Macht Karl V, dem König Spaniens und Kaiser des Reiches, in dem die Sonne nie unterging, zu beschränken, gründete sich nun Heilige Liga von Cognac, der außer Franz und dem Papst noch Francesco Sforza als Herzog von Mailand und die Republik Venedig angehörten. Bei Karls Truppen sorgten zugleich mehrere Probleme, die sich ergänzten, für Unruhe. Die wegen Ungültigkeit des Vertrages von Madrid nicht erlangten Herzogtümer Oberitaliens, die  zur Finanzierung der Söldner dienen sollten, der Konflikt zwischen Lutheranern und Katholiken innerhalb Deutschlands sorgte für zusätzlichen Zündstoff. Dazu kam der jahrelange Kampf gegen den Papst, der immer indirekt blieb und den sie nicht direkt angreifen durften und der für Unmut bei den Söldnern sorgte.

Diese waren seit der Schlacht von Pavia nicht mehr bezahlt worden, mussten sich selbst versorgen und aufgrund der also brisanten Lage kam es zu einem Söldneraufstand, bei dem dann zusätzlich noch der deutsche Söldnerführer Georg von Frundsberg einen Schlagfall erlitt. Die nun von Charles Bourbon angeführten aber nicht gezügelten Truppen zogen zuerst gen Florenz, um sich dort zu versorgen und zu entschädigen. Florenz aber wurde von einer Armee der Liga gehalten, so dass sich die Söldner statt der schnellen Sättigung und Befriedigung auf die Belagerung verlagern mussten. Der Mangel an Nahrungsmitteln in den umliegenden Landsitzen führte dazu, dass die Unruhe in der Truppe wieder stieg und diese beschlossen, sich nun beim Papst selbst unschädlich zu halten und nach Rom zogen.

Papst Clemens versuchte vergeblich vorab noch Charles Bourbon mit hohen Summen zu bestechen, die dieser jedoch weder annahm, noch hätten sie überhaupt Wirkung gezeigt, da das Söldnerheer auf keinen Anführer mehr hörte, hungernd und unbezahlt. Am 4, Mai 1527 erreichten die Söldner die Ländereien von Rom und setzten am 6. Mai zur Erstürmung an. Die wenigen in Rom befindlichen Truppen konnten dem Ansturm nichts entgegensetzen und so waren die Söldner schon am Vormittag in der Stadt. Der Herzog von Bourbon war beim Ansturm getötet worden und so waren die Truppen vollends führerlos und sich selbst überlassen. Ein Großteil der Schweizer Garde, 147 von 189 Mann stellte sich den Söldnern auf dem Petersplatz entgegen, um den Papst zu schützen, sie fielen bei der Verteidigung alle. Mit den übrigen 42 Schweizern war der Papst in die Engelsburg geflohen, die von den Söldnern belagert wurde.

Ohne einen Anführer geriet die kriegsübliche Plünderung außer Kontrolle und die Söldner raubten, töteten, folterten und vergewaltigten nach Belieben. Es wurden Kirchen, Paläste, Krankenhäuser sowie der Vatikan geplündert. Edelleute und Kleriker mussten enorme Summen an Lösegeld bezahlen und besonders lutheranische Söldner taten sich in der Demütigung kirchlicher Würdenträger hervor. Über 90% der Goldschätze Roms wurden geraubt und mit jedem Erfolg wurden weitere Söldner angestachelt. Der Wert der Beute wird auf über 10 Millionen Dukaten geschätzt.

Nach mehrwöchiger Belagerung kapitulierte auch der Papst und musste 400.000 Dukaten Lösegeld zahlen. Erst am 6. Dezember wurde die belagerte Engelsburg wieder freigegeben. Karl geriet des Verhaltens seiner Söldner wegen in die  Kritik. So warf ihm die Liga vor, die Plünderungen geduldet oder angeordnet zu haben, was er zurückwies. In seinen Erinnerungen schrieb er, dass die Hauptverantwortung dafür nicht bei ihm läge, sondern bei denen, die ihn zwangen eine so große Armee bereit zu halten, die sich eben schwer in Zaum halten ließe. Dennoch war ihm die Besetzung Roms sehr recht, um seine eigenen Machtinteressen wie die Segnung seiner Kaiserwürde durch den Papst durchzusetzen. Im Frieden von Barcelona einigte sich Karl mit dem Papst auf einen Frieden, für den der Papst zahlreiche Herzogtümer und Karl die päpstlich gesegnete Kaiserwürde erhielt. Es dauerte dann noch bis 1529, bis sich Karl und Franz im Damenfrieden einigten. Da beide nicht direkt miteinander verhandeln wollten, taten dies Franz Mutter, Louise von Savoyen und Karls Tante Margarete von Savoyen, da Karls Mutter Johanna ja als eher wahnsinnig galt nach dem Tod  ihres geliebten Mannes des schönen Philipp. Karl wurde sodann an seinem Geburstag am 24. Februar 1530 von Papst Clemens zum Kaiser gekrönt.

Die noch in Rom verbliebene Armee reduzierte sich im Laufe des Jahres wie die Bevökerung durch Seuchen um jeweils die Hälfte. Nach Soldzahlung und Einsetzung neuer Führer zogen sie schließlich im Februar 1528 endlich ab. Noch heute gedenken die Römer der damals gefallenen Schweizer, auch wenn sie zahlenmäßig besser der Hälfte ihrer Bevölkerung gedächten, wäre der Einzelne wichtiger als der Aberglaube.

So endete die Renaissance als Kunstepoche in Rom durch die Brutalität der Söldner. Den einmal freigelassenen Geist konnten sie zum Glück nie wieder einfangen, der sich zu fragen begann, warum es Götter und höhere Wesen geben soll, worum es im Leben geht und was uns glücklich macht, statt, was ist, als gegeben hinzunehmen, wurde nun kritisch gedacht in Europa und so ist, sehen wir von den Wirren der Religionskriege ab, die eben ein kleiner Schritt zurück ins Mittelalter waren, wie wir es in der islamischen Welt derzeit mit dem Islamismus erleben, dem es auch um die wahre Lehre geht, der Weg zur Aufklärung und folgend zum Atheismus nur folgerichtig und logisch, auch wenn manche noch länger brauchen, zu erkennen, was Friedrich der Große schon als Kronprinz vor über 250 Jahren beschrieb. Es braucht der Mensch keine Götter, um glücklich zu sein, seinem Wesen nach, kann er sich frei davon machen. Wer mit Göttern glücklich ist, soll dies sein, wie mit Engeln und Teufeln oder dem Spagettimonster, der Unterschied ist nur ein gradueller, was als wahr gilt, ist nur eine Frage der Macht

Der Weg, den die Renaissance begann und den Kant in der Aufklärung konsequent weiter ging, ist einer zur Freiheit und zum selbstbestimmten Leben, in dem wir nach unserem Gewissen autonom entscheiden, es keine höheren Ratgeber oder Entscheider mehr braucht. Freuen wir uns an dieser Freiheit und würdigen wir sie, so heißt das Abendland in seiner Kultur retten wollen, die Freiheit verteidigen, ohne Götter zu sein und nur seinem Gewissen verantwortlich, wie es in der Renaissance wieder von der Antike gelernt wurde. Der Mensch steht  im Mittelpunkt des Humanismus, nicht weil er über allem wäre, sondern weil er alles ist, was wir erkennen können. Max Stirner schrieb in seinem Einzigen, er habe seine Welt auf sich gestellt, mehr können wir uns ausdenken, wenn es uns gefällt, wir müssen es aber nicht mehr, sondern können einfach genießen, was ist. Glück genug für ein Leben wohl, denke ich und bemühe mich darum, glücklich zu sein, mehr nicht.
jens tuengerthal 6.5.2016

Hinter dir

Hinter dir stehen
Voller Lust und mit
Leidenschaft spüren
Wie sich meine Mitte
Zu deiner hin aufstellt
Die mich feuchtfröhlich
Einfach doppelt erwartet
Um von dir dann ganz
Umschlossen zu werden
Macht nur unten was oben
Viel größer noch ist und so
Stehe ich überall hinter dir
Was zählt auch sonst
Als zu wissen
Was auch kommmt
Hinter mir steht einer
Mit Lust und Liebe
jens tuengerthal 6.5.2016

Maisonnig

Es ist richtig Mai
Die Sonne scheint
Aus himmelblau hinab
Möchte mit dir lieber
In der Sonne sitzen
Um Frühlingsglück
Ganz zu teilen
Lieber noch dich
Egal wo in der Sonne
Lieben als wären wir
Allein in unserer Welt
Nackt umhertanzen
Dich nackter umarmen
Dem Gefühl folgen
Was mich wieder
Mittig wachsen lässt
Zu dir wie in dich wie
Überhaupt ineinander
Frühling halt
Liebeszeit
jens tuengerthal 6.5.2016

Donnerstag, 5. Mai 2016

Kulturgeschichten 0213

Revolutionsgeist

Deutsche sind höchstens bis zur Mittagspause revolutionär, nie jedoch länger als bis zum Jahresurlaub dabei, außer es ist ein Revolutions-Camp mit Outdoor-Expirience, für das Erfahrung als nur deutsche Beschreibung nicht mehr genügt. Auch die Märzrevolution von 1848 schlief über den Sommer wieder ein und der Leipziger Versuch der Reanimation des revolutionären deutschen Geistes zeugte, davon, dass dieser auch unter russischer Führung nicht länger hielt als drei Tage - ob es dann die Nähe zu Frankreich war, die in Baden das Revolutionstheater noch einen Akt länger auf der Feste Rastatt aufführen ließ oder schlicht deren bessere Lage, könnte wohl gestritten werden, hätte einer der beiden Aufstände irgendetwas gebracht als noch mehr Repression unter Preußens Führung.

Bis 1918 dauerte es, dass sich die deutschen nach vier Jahren Krieg, völlig ausgebrannt zur Revolution erhoben, die von den Matrosen initiiert, sich bald wieder in eine neue Ordnung verflüchtigte. Nur die Bayern waren noch etwas allerdings ebenso wirkungslos aufständisch, es hat sich also in den nächsten bald hundert Jahren eigentlich nichts geändert. Der 9. November 1918 ist aus vielen Gründen kein guter Gedenktag im Land, um den Mut zu feiern, sich zur Republik zu machen, die Freiheit vom Adel zu nehmen. So übergehen wir ihn, auch wenn die einzige Revolution, die wirksam blieb 1989 dort auch ein wichtiges Gedenken hätte, als sich die Deutschland teilende Mauer öffnete. Aber auch nur über diesen Tag nachzudenken, die Revolution im Osten zu ehren, an dem von oben herab die Grenzöffnung aus Versehen eher diktiert wurde, zeigt die Wurzeln des revolutionären Geistes in Deutschland.

Mit Revolution und ihrem Gedenken haben es die Deutschen nicht so. Die revolutionären Mai-Garden in Berlin, die weitgehend harmlos wurden, werden von der Bevölkerung mehrheitlich als Schwachköpfe bezeichnet und Gewalttäter, weil Revolution Unordnung bringt und das will keiner in Deutschland verantworten, wo es uns doch so gut geht. Rechtsradikale Revolutionäre nennen ihrem Aufbruch lieber Spaziergang, auch wenn es um nichts als rassistische Propaganda geht und ihre Normalisierung, eine Revolution von Rechts, finanziert durch Russland. Doch haben die Strategen der rechten Gegner der Demokratie inzwischen bemerkt, wo sie als besorgte Bürger auftauchen, die nur ihre Heimat verteidigen, finden sie Zuspruch und Zustimmung, als Revolutionäre werden sie Staatsfeinde.

Die geschickt gestreute Befürchtung, Flüchtlinge könnten die deutsche Ordnung durcheinanderbringen, nicht nur kosten sondern vielleicht sogar im gleichen Haus arabisch kochen, haben genügt, den Unwillen von fast ⅓ der latent fremdenfeindlichen deutschen Bevölkerung zu wecken. Zumindest da ähneln wir den französischen Nachbarn, bei denen die Rechten ähnlich stark sind, breite ungebildete Schichten das Abendland gegen den Islam verteidigen wollen, von dem sie nicht mal wissen, was es einmal war.

Doch gleichen wir uns wirklich?

In Frankreich bricht die Wut kurz aus, wenn die Suppe überkocht, zuvor lange genug gegärt hat, dann gibt es Aufstände und einige brennende Autos oder Barrikaden und dann geht es den gewohnten Gang und die Bevölkerung verehrt die mutigen Revolutionäre, sein sie nun Bauern, die für eher feudale Privilegien der Alimentierung kämpfen, die eigentlich asozial sind, kritisch betrachtet, oder die Schaffner, die ihre bevorzugte Stellung verteidigen im unterfinanzierten aber relativ stabilen Sozialstaat, mit dem sich alle abgefunden haben inzwischen.

Seltener bricht die Wut bei den wirklich Benachteiligten aus, die in den Banlieues leben, keine Chance haben, nichts zu verlieren hätten und doch mit dem wenigen, dass sie haben relativ achtsam sind, wenn sie sich nicht als fanatische Religiöse gleich selbst in die Luft sprengen, was aber mehr Belgier taten als Franzosen und gemessen an der Zahl derer dort eine zu kleine Menge ist, sie statistisch überhaupt als wirksam berücksichtigen zu können. Ihnen fehlt aber scheinbar der revolutionäre Geist, den die Franzosen als edel betrachten, weil er Teil ihrer Geschichte ist, die sie mit Stolz betrachten und die am 5. Mai 1789 mit der Einberufung der Generalstände durch Ludwig XVI. ihren Anfang nahm, da der König Geld brauchte und daraus entwickelte sich schließlich jener Sturm auf die Bastille, den alle Franzosen kennen und Stolz Teil ihrer Geschichte nennen.

Bis dahin waren sie ein absolutistischer Einheitsstaat geworden nachdem ein Hugenotte, der katholisch wurde auf dem Thron, ich meine Henry IV., aber das wissen die geneigten Leserinnen vermutlich längst, den Aufstand der Hugenotten im Südwesten vor allem befriedet hatte, bis sie sein Enkel wiederum vertrieb, um keine Zweifel an seiner absoluten Gott gewollten Macht zuzulassen.

Vielleicht - das als kleiner Exkurs zwischendurch, weil der Gedanke gerade so nahe liegt - war die Begründung als gottgewollt genau das Problem. Es hatte die Abhängigkeit von der Institution geschaffen, die mit diesem erdachten höheren Wesen offiziell kommunizierte und so stritten sich alle freien Geister mit dieser autoritären Dogmenverwaltung in Rom. Die Merowinger noch hatten darauf verzichtet und ihre Herrschaft aus dem Geblütsrecht abgeleitet, die kein höheres Wesen brauchte, auch wenn sie nach ihrer Familiensaga von Maria Magdalena irgendwie abstammten und damit eigentlich doch eine göttliche Legitimatiion irgendwie hatte, wurde diese erst später erdachte Sage auch nur als Ausschmückung und Verzierung betrachtet, sie war nicht der Grund der Herrschaft, womit auch die Kirche sie nicht segnen musste, um legitim zu sein.

Das führte erst der erste Karolinger Pippin der Jüngere ein, der begründen wollte, warum seine Herrschaft legitim war und er den Merowingern ihre wegnehmen durfte. Dazu ließ er sich vom Papst segnen und nach sakralem, israelischen Vorbild zum König salben. Seit dieser Salbung enthalten alle fränkischen Königsurkunden die Formel dei gratia - von Gottes Gnade. Die Idee vom Gottesgnadentum hatte Augustinus von Hippo in seinem Gottesstaat mit dem gerechten König schon angelegt. Karl der Große führte diese durch seinen Vater leichtsinnig nach Rom verlagerte Begründung seiner Herrschaft fort und erweiterte dies mit der Erlangung der Kaiserwürde sogar noch. Der große Otto ließ die dei gratia Formel dann 936 ins Königssiegel einfügen. Auch der Krönungseid der deutschen Könige beginnt mir der Formel, “Wir durch Gunst der göttlichen Gnade König der Römer …” - diese christliche Begründung der Herrschaft findet im Neuen Testament ihre Begründung, dort schreibt Paulus im Brief an die Römer, Röm 13, 1-7, dass jede staatliche Gewalt von Gott verliehen sei und Widerstand gegen diese Gewalt, Widerstand gegen Gott sei.

Aus dem Gottesgnadentum resultierten auch die stärksten Konflikte zwischen den römischen Sektenbeauftragten genannt Papst und den salischen und staufischen Kaisern. Heinrich IV. der einst nach Canossa kroch, um wieder in Gnade in den Schoss der Kirche aufgenommen zu werden, konnte davon ebenso ein Lied singen wie der Staufer Friedrich II., der nicht nur seiner kritischen Intelligenz wegen stupor mundi, das Staunen der Welt, genannt wurde. Es ging immer darum, ob der Kaiser einen eigenen Herrschaftsanspruch hatte oder dieser immer nur ein vom Papst abgeleiteter war, sich die Gottesgnade nur aus der Segnung durch den Papst ergab und dieser seinen Segen auch nach Belieben entziehen konnte, wenn es nicht so lief, wie er es sich vorstellte. Was Friedrich II. erfahren durfte, als er gerade zur Versöhnung zum Kreuzzug für den Papst aufbrechen wollte, der ihn wegen jahrelanger Verzögerung dieses Versprechens längst mal wieder aus der Sekte geworfen hatte, dieser ihm keine Gnade und er ironischerweise exkommuniziert den einzig erfolgreichen Kreuzzug durch Verhandlungen zum Ziel führte und so, als aus der Kirche ausgestoßener, zum König von Jerusalem gekürt wurde. Sie einigten sich dann später doch noch, um sich gleich mit den Erben wieder über Sizilien zu überwerfen, aber das wäre eine andere Geschichte. Spannend nur, dass der erfolgreichste Beweis des Gottesgnadentums, der Kreuzzug gen Jerusalem, nur ein einziges mal alle Ziele erreichte, als der zuständige König vorher aus der Kirche geworfen worden war, also eigentlich ohne Gottes Gnade unterwegs war.

Mit dem Gottesgnadentum blieb es in Frankreich so bis zur Revolution und im Heiligen Römischen Reich, das Deutschland zu großen Teilen war, waren die Kaiser auch stets von Gottes Gnaden, woran auch die Reformation nichts änderte. Luther, einmal nach dem Reichstag zu  Worms für vorgelfrei erklärt, von seinem Kurfürst durch Entführung gerettet und auf der Wartburg versteckt, kannte keine Solidarität mit den aufständischen Bauern, die meist Protestanten waren, im Gegenteil, er begründete sogar jede Gewalt mit dem obigen Römerbrief.

Am 5. Mai 1525 distanzierte sich Martin Luther in seiner Schrift “Wider die Mordischen und Reuberischen Rotten der Bawren” ausdrücklich von deren Gewaltanwendung nach Weinsberger Bluttat. Wörtlich heißt es: „man soll sie zerschmeißen, würgen, stechen, heimlich und öffentlich, wer da kann, wie man einen tollen Hund erschlagen muss“.

Schon vorher hatte die Fürsten, bei  denen Luthers Wort etwas galt, ihre Aktivitäten verstärkt. Zum Zeitpunkt der Publikation des Werkes war die Niederlage der Bauern bereits absehbar, er weckte schlafende Hunde und bestärkte nur den längst eingeschlagenen Weg, zeigte sich als Adelsbüttel ohne jede Solidarität.

Die Weinsberger Bluttat war die Tötung der Grafen Ludwig von Helfenstein und seiner Begleiter vor den Toren der Stadt Weinsberg durch Bauern im Deutschen Bauernkrieg am 16. April 1525, einem Ostersonntag.

Während in Paris 1789 der Dritte Stand in den am 5. Mai 1789 einberufenen Generalstände mit dem Grafen Mirabeau einen Sprecher aus den Reihen des Adels, auch wenn dieser von seinem Vater schon lange verfolgt wurde und wegen Ehebruchs zum Tode verurteilt worden war, zählte er doch nicht zum Dritten Stand wurde aber mit dessen Stimmen zum Präsidenten der Nationalversammlung gewählt, die sich am 17. Juni aus den Generalständen heraus gründete, stellte sich in Deutschland 260 Jahre früher sogar der Reformator Luther gegen die aufständischen Bauern auf Seiten des Adels.

Die französische Nationalversammlung hatte das Ziel eine Verfassung für Frankreich zu erlassen und aus Geldnot, die auch zur Einberufung der Generalstände geführt hatte, musste Ludwig XVI. dem zustimmen, was dann im weiteren zur Revolution und dem Sturm auf die Bastille führte, mit der das alte Regime in Frankreich beseitigt wurde, was die Franzosen noch immer mit Stolz feiern als Gründungstag ihrer Republik, die sie selbst erkämpften, während Deutschland dem Reformator gedenkt, der sich sofort auf die Seiten des Adels schlug, auch wenn die Weinsberger Vorgänge sogar unter den Bauern umstritten waren.

Ob dies den Geist beider Völker prägte, wäre wohl der Frage wert, zumindest erklärt es den unterschiedlichen Umgang mit Aufständen, Demonstranten und Streiks. Frankreich feiert sie als Helden des Wiederstandes während in Deutschland eher hinterfragt wird, warum sie nicht ordentlich arbeiten und sich anmaßen, die Ruhe zu stören.

Der Westen bekam die Freiheit nach dem Krieg von den Alliierten oktruiert, beaufsichtigt eingeführt, bis genug Selbständigkeit zugetraut wurde. Der Osten musste sie sich 1989 erkämpfen und bekam dann die Verfassung des diktierten Grundgesetzes. Dies ist die  freiheitlichste Verfassung, die Deutschland je hatte, aber sie wurde nie  erkämpft, um sie hat das Volk nicht gerungen, zumindest nicht gefühlt. Sie hat sie nach dem erlittenen Krieg, den sie selbst verursachten unter dem Führer, den sie wählten, geschenkt bekommen. Das ist eine grundsätzlich andere Haltung zur Freiheit als beim Nachbarn im Westen, der sich einst die Freiheit erstritt und auch im II. Weltkrieg sich gegen das Hitlerregime, mit dem auch manche kollaborierten, wieder gefühlt erkämpft, während es in Deutschland Jahrzehnte dauerte dem Widerstand gegen Hitler hier Anerkennung zu geben.

Vielleicht sind die Auswüchse von Pegida und die naiven Wähler des AfD darum kritischer zu sehen, als die entsprechenden Bewegungen in anderen europäischen Ländern, weil die Deutschen sich nie ihre Freiheit erkämpften, wenn sie jetzt, wie in Dresden und Leipzig auf die Straße gehen, tun sie das aus Sorge um ihren Wohlstand und ihre Ruhe, was auch das populistische Wahlprogramm des AfD gut wiederspiegelt. Es geht nicht um Perspektiven und die Zukunft, werden keine Lösungen gesucht, sondern es wird polarisiert und Angst verbreitet. Das macht der Front National in Frankreich ähnlich und auch die FPÖ spielt auf dem gleichen Instrument, doch darauf achten, dass Deutschland einen Reformator ehrt, der dazu aufrief, die Bauern wie tollwütige Hunde zu behandeln und umzubringen, weil sie ihre Rechte einforderten und mit dem Adel, der Gott gewollt für Luther war, umging, wie dieser schon lange ohne Aufschrei mit dem Volk, könnte helfen ein Bewusstsein für die Strukturen der Macht im Land zu bekommen und den Umgang des Volkes mit ihr.

Deutschland fürchtet sich mehr um seine Sicherheit und Ruhe als um seine Freiheit und hat in der Geschichte noch nicht bewiesen, dass es selbst für die Freiheit aufsteht. Ob es bei der Wiedervereinigung mehr um Bananen oder den Geist der Freiheit ging, fragte sich mancher schon. Im Gegenteil, eine Volksbewegung rechter Rassisten hatte lange Zeit viel Zulauf, weil sie mit der Angst spielte, der Deutschen Angst zu kurz zu kommen oder nicht genug zu haben. Darauf mehr zu achten, um die Freiheit wieder zu einem Wert im Land zu machen, ist wichtiger als alle Verträge mit der fragwürdigen Türkei. Ob es dies Land dabei schafft auf dem schmalen Grat zwischen Oberlehrer und Vorbild die richtige Seite zu wählen, scheint aus vielen Gründen fraglich, bleiben wir achtsam, es ist nötig und Luther, der auch ein übler Antisemit war, ist kein Vorbild für das heutige Deutschland. Die Reformation brachte im Ergebnis nur Glaubensfreiheit für einige, das große Potential der Freiheit, das in ihr lag, hat sie bis heute im Bewusstsein vieler Deutscher nicht entfaltet und so gesehen ist dies Land weit entfernt davon aufgeklärt zu sein, wie Kant es definierte, es gibt viel zu tun in deutschen Landen.
jens tuengerthal 5.5.2016

Vater unser

Am Vatertag feier ich lieber
Die Mütter wo sie es wurden
Statt mich als solchen durch
Besaufen noch zu blamieren

Noch ist mein Vater nicht
Im Himmel und bis jetzt
Glaube ich nicht es gäbe
So einen Unsinn überhaupt

Ein Himmelfahrtskommando
Ist es jedes Jahr zwischen
Betrunkenen noch zu fahren
Manche Fahrt endet dabei

Glaube an nichts als die Liebe
Und an die glaube ich auch
Eher nicht die spüre ich oder
Nicht dann ist sie nicht da

Sein oder nicht sein ist hier
Ganz real viel wichtiger als
Nur geglaubt darum bete ich
Himmelfahrt lieber Schöße an

So wird jeder Vatertag mir auch
Muttertag oder Frauentag denn
Lieber eine über mir als doch
Allein unter Betrunkenen

Vater längst weiß ich wohl
Zeugen unter Zeugen ist
Unzucht nur weiß ich nicht
Was unzüchtig je sein soll

Feiere also lieber das Delta
Der Venus als den toten Rabbi
Hoffe es macht keiner nach
Damit ich in Ruhe genieße
jens tuengerthal 5.5.2016

Mittwoch, 4. Mai 2016

Kulturgeschichten 0212

Deutschsprachig

Wie wichtig ist die deutsche Sprache für unsere Identität - ist sie das eigentlich einigende Band, wie es im Deutschlandlied einst besungen wurde in ideellen Grenzen einer Nation, die sich erst bilden wollte?

Gerne berufen wir uns auf Karl den Großen, was uns historisch mit unseren westlichen Nachbarn, den Franzosen verbindet, die sogar ihr Land nach seinem Frankrenreich nannten - aber sprach der deutsch oder französisch oder irgendwas dazwischen?

Zur Zeit der Franken und noch lange im Mittelalter und weit über dieses hinaus war Latein die lingua  franca, die allen verständlich Umgangssprache. Karl der Große und sein Geschlecht kamen aus der Gegend zwischen Aachen und Luxemburg. Sie werden kaum gesprochen haben, was wir heute hochdeutsch nennen, sondern einen regionalen Dialekt und Hochdeutsch gab es zu dieser Zeit ohnehin nicht - das Mittelalter über wurde noch eher im Mittelhochdeutschen gedichtet, wenn die lokalen Sprachen verwandt wurden und nicht das feinere Latein oder Französisch.

Die Germanen sprachen irgendwelche anderen Dialekten, teilweise von Stamm zu Stamm unterschiedlich - die Schwaben konnten sich nur schlecht mit den Friesen verständigen und dennoch zogen die Friesen Karl Martell quer durch Europa zur Hilfe als der Hausmeier der vorher Merowinger sich von den Mauren aus dem Süden bedroht sah, wie immer sie sich unterwegs verständigten, aber die Friesen sind halt frei und fürchten nichts.

Was wir so Hochdeutsch heute nennen, kam erst mit der Reformation auf und die einheitliche Schreibweise im ganzen Land verdankt sich der Lutherbibel, der ersten deutschen Ausgabe der Vulgata, der lateinischen Bibel, die in deutsch erschien und damit entscheidend den Geist der Reformation zu den Menschen trug, die sich ihren eigenen Weg zu Gott suchen sollten, keines Vermittlers mehr bedurften.

Am 4. Mai 1521 begann jene geheime Kommandoaktion, die Luther auf die Wartburg und den Deutschen damit ihre Hochsprache zumindest in der Schrift brachte. Reden taten sie weiter und tun sie heute noch, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist, ihrem Wesen entsprechend und mühsam nur ist eine Verständigung zwischen Norden und Süden in allen Feinheiten möglich, wenn sie reden, gelesen dagegen sind sie sich seit Luther schnell einig, was da steht. Luther war auf der Heimreise vom Reichstag zu Worms, wo er seine Thesen verteidigt hatte und der Kaiser hatte die Reichsacht gegen ihn verhängt. Er war also quasi vogelfrei und so war die getarnte Entführung in der Nähe von Schloss Altenstein eine echte Schutzhaft im Auftrag des Kurfürsten Friedrichs des Weisen von Sachsen, der längst zu Luthers Anhängern gehörte, sich vom Kaiser nicht den rechten Glauben befehlen lassen wollte.

Luther wurde auf der Wartburg in Thüringen, damals Teil Sachsens, versteckt und hatte dort viel Zeit zu Schreiben. Er machte sich an die Bibelübersetzung, die mit vielen auch neuen Worten, die deutsche Sprache bis heute prägte. Es entstand das lutherdeutsch, das sich mit der neu gedruckten Bibel, die sich dank der genialen Erfindung des Herrn Gutenberg, der eigentlich Gensfleisch hieß, des Druckes mit beweglichen Lettern, rasend schnell verbreitete und damit den Geist der Reformation, der auch einer der Freiheit war, weiter verbreitete.

Die Ausgaben der Lutherbibel wurden teilweise zweisprachig gedruckt, das lateinische oder griechische Original und die Übersetzung Luthers auf gegenüberliegenden Seiten nebeneinander. Dabei verwendeten sie für jede Sprache andere Lettern. Das Deutsche wurde in Fraktur gesetzt, während der klassische Text in Antiqua stand. Welche Sprache nun deutscher sei und welche eher nicht, darüber stritten sich die Deutschen noch jahrhundertelang. Manchmal ging es auch darum. Welche schöner oder was praktischer sei.

Am 4. Mai 1911 lehnte schließlich der Deutsche Reichstag nach heftiger Debatte und jahrelangem auch öffentlichem Streit die Einführung der Antiqua als Amtsschrift anstelle oder auch nur neben der Fraktur ab. Nach Auszählung aller Stimmen stellte sich allerdings die Beschlußunfähigkeit des Parlaments heraus, weshalb der Antiqua-Fraktur-Streit noch bis zum 17. Oktober weitergeht.

Worum ging es dabei?

Es ging bei diesem Streit um den Stellenwert gebrochener Schriften für die Geschriebene deutsche Sprache. Der gesamte Übergang bis die Antiqua die gebrochenen Schriften im Alltag ablöste dauerte über 200 Jahre und war von viel grundsätzlichem Streit begleitet. Noch Mitte des 18. Jahrhunderts wurde deutsche Sprache ausschließlich in gebrochenen Schriften geschrieben. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts waren die gebrochenen Schriften fast völlig aus dem Alltag verschwunden. Die Titelzeile der Frankfurter Allgemeinen bildet bis heute eine der wenigen Ausnahmen. Bei Buch- und sonstigen Druckschriften erfolgte die Ablösung erst allmählich über den gesamten Zeitraum und war modischen Schwankungen unterworfen. Über die Schreibschiften wurde zwar lange gestritten, die tatsächliche Umstellung erfolgte dort erst 1941 durch den Normalschrifterlass.

Als im 15. Jahrhundert die Gotik noch vorherrschende Stilrichtung in Architektur und Kunst war, fand dies typographisch in gebrochenen Schriften wie Textura, Bastarda, Rotunda und gotischer Minuskel seinen Ausdruck. Die sogenannte alte Schrift Antiqua ist dagegen eine neuere Entwicklung aus der Renaissance und dem Humanismus, der sich stilistisch auf die Antike bezog und im Italien des 15. Jahrhunderts seinen Anfang nahm, sich im 16. Jahrhundert in ganz Europa verbreitete. Die Antiqua entwickelte ihre Typographie aus antik-römischen Vorbildern und der für antik gehaltenen karolingischen Minuskel im 15. Jahrhundert um klassische römische Texte neu aufzulegen. Die Antiqua gewann dabei schnell an Bedeutung für alle lateinischen Texte sowie die aus dem lateinischen entwickelten romanischen Sprachen.

Es ist strittig, ob die Schriftfrage bereits mit der Reformation politisiert wurde. Luthers Bibel Übersetzung wurde jedenfalls in der volkstümlichen gebrochenen Schrift Schwabacher gesetzt, um sie für das Volk leichter lesbar zu machen. Bei zweisprachigen Ausgaben standen beide nebeneinander. Damit sollte sich aber auch von der Textura etwa der lateinischen Gutenbergbibel abgesetzt werden und zugleich auch Distanz von der Antiqua der nüchternen Humanisten gesucht werden. Ein deutscher Sonderweg eben, volkstümlich und auf Abgrenzung bedacht.

Am Hof von Kaiser Maximilian I. entstand ab Anfang des 16. Jahrhunderts die Fraktur im eigentlichen Sinne. Sie wurde noch bevorzugt für deutschsprachige Schriften benutzt. Es wurde zu dieser Zeit auch angefangen, Texte zweisprachig zu drucken - das Deutsche in gebrochener Schrift, alle Fremdwörter oder fremdsprachigen Ausdrücke dagegen in Antiqua. Daher stammen im Deutschen die Ausdrücke lateinische und deutsche Schrift. Diese Zweisprachigkeit galt auch für die Schreibschriften. So wurde deutsches in gotischen Kursiven, Kurrentschrift oder Sütterlin geschrieben, während lateinisches in humanistischen Kursiven verfasst wurde.

Beim deutschen Schriftstreit ging es um die Frage, ob Deutsch überhaupt in Antiqua geschrieben werden könne, sowie um die Überwindung der Zweischriftigkeit zugunsten einer einzigen Schrift. In Frankreich und Italien war dieser Streit bereits Anfang des 16. Jahrhunderts zugunsten der Antiqua entschieden worden.

Durch Aufklärung, französische Revolution und Klassizismus  wuchs in Deutschland das Interesse an Literatur aus Frankreich und der Antike. Dies förderte die Verbreitung der Antiqua. Ein erster Höhepunkt des Schriftstreites fällt in die Zeit der Besetzung Deutschlands durch Napoleon und die Gründung des Rheinbundes, mit dem das Heilige Römische Reich Deutscher Nation endete. In diese Zeit fallen auch die Ursprünge der deutschen Bewegung für einen Nationalstaat, der sich befreien wollte. Die französische Besatzungsmacht verbreitete die meisten ihrer Verordnungen in lateinischer Schrift, womit die Nutzung der gebrochenen Schriften zu einem Zeichen des Widerstandes wurde.

Ob deutsche Sprache auch in Antiqua geschrieben werden könne, wurde immer mehr zur Geschmacksfrage. Konservative und Traditionalisten bevorzugten die gebrochenen Schriften während die Neuhumanisten Antiqua aus philosophischen Gründen bevorzugten. Gebildeten Schichten war die Antiqua längst vertraut, weil französisch sich als internationale Diplomatensprache durchgesetzt hatte und fast die gesamte fremdsprachige Literatur in Antiqua gesetzt war, deren Kenntnis so zum unverzichtbaren Teil höherer Bildung gehörte. Friedrich II. etwa schrieb nahezu nur französisch und verachtete das Deutsche, nutzte die entsprechenden Schriften.

Goethe bevorzugte auch die Antiqua, als humanistisch gebildeter Mensch, während seine Mutter noch mehr an der alten Schrift hing und so ließt er marktgerecht in beiden Schriften drucken, was seine Mutter für die alte Schrift sehr lobte. Auch die Gebrüder Grimm mit ihrer Märchensammlung und ihrem Lexikon gehörten zu den Förderern der humanistischen Antiqua. Alle wichtige Korrespondenz im Adel, unter Diplomaten oder im internationalen Handel war französisch oder englisch, warum die Beherrschung beider Schriftsprachen erforderlich war

Nach der Reichsgründung von 1871 regierte in Deutschland mit Bismarck ein erklärter Befürworter der Fraktur. Als öffentliche Debatte begann der Antiqua-Fraktur-Streit mit den Reformvorschlägen des Schreibwarenherstellers Friedrich Soennecken, der zur Gründung des Vereins für Altschrift führte, wobei Altschrift die eingedeutschte Bezeichnung für die lateinische Antiqua ist. Die völkische Gegenposition vertraten der Oberkorrektor der Reichsdruckerei Adolf Reinecke und der Verleger Gustav Ruprecht, der ein Flugblatt unter dem Titel “Das Kleid der deutschen Sprache” vermutlich in Fraktur veröffentlichte und den Buchhändlerischen Frakturbund gründete. Etwas zeitversetzt lief noch eine Debatte zur deutschen Rechtschreibung, die aber, oh Wunder, 1876 und 1902 auf der I. und II. Orthografischen Konferenz zu einem einvernehmlichen Ergebnis kam.

Ende des 19. Jahrhunderts hatte auch die alldeutsche und die völkische Bewegung an dem Frakturstreit noch teilgenommen. Dabei wurde die Antiqua als eine von den Römern oktruierte Schrift bezeichnet, die eine urdeutsche Schrift ausrotten wollten, nachdem die Römer dies schon mit den germanischen Runen getan hätten, die als heidnische Schrift der Christianisierung zum Opfer gefallen wäre. Adolf Reinecke glaubte in der gebrochenen Schrift das deutsche Wesen zu erkennen und meinte das auch ernst, wenn er schrieb, der wälschen Schrift sei durch diese schöpferische Tat der germanische Geist eingeprägt worden. Jedoch verkannte dieser völkische Rausch die realen historischen Tatsachen, so begann die Wandlung der runden karolingischen Minuskel in eine eckige gotische Schrift in Nordfrankreich. So waren die deutschen Frakturschriften viel runder als die gotische Textura und schnörkeliger als die klare Antiqua, was nicht zu seiner Wesensdefinition passte aber dafür den Charakter völkischer Gesinnung als meist zu kurz gedacht treffend beschreibt.

Die hoch emotionale Debatte bis zum 4. Mai 1911 und dann noch einmal bis Oktober ging auf den Antrag des Vereins für Altschrift aus den 1890ern zurück, der sich dafür aussprach, die Antiqua in den Schulen neben der Fraktur einzuführen. Dem Antrag wurde zunächst zugestimmt, später, als Reinecke und die nationalen Kräfte eine emotionale Debatte entfachten, wurde dieser wieder zurückgenommen und bei der endgültigen Abstimmung im Oktober schließlich von 75% der Abgeordneten im nationalen Interesse abgelehnt, womit alles beim alten blieb.

Auch 1911 erhielt dann der Grafiker Ludwig Sütterlin den Auftrag eine neue Schulausgangsschrift zu entwickeln. Preußen führte daraufhin 1915 die Sütterlinschrift ein, die bis 1935 auch die meisten anderen deutschen Länder übernahmen und die heute kaum einer mehr lesen geschweige denn schreiben kann.

In der Weimarer Republik bestand zunächst die Zweischriftigkeit fort, jedoch setzte sich im Alltag die Antiqua als international gebräuchliche Schrift immer mehr durch. In dieser Zeit gab es auch zahlreiche Untersuchungen zur besseren Lesbarkeit, die erstaunlicherweise auch für die Experten die Fraktur immer wieder gewann - ob sie doch im Wesen näher lag?

Die Nationalsozialisten hatten ein widersprüchliches Verhältnis zu den traditionellen gebrochenen Schriften. Einerseits forderten Studenten bei den Bücherverbrennungen von 1933 ein schärfsten Eintreten gegen den Missbrauch der deutschen Schrift, andererseits spottete Hitler über diese rückwärtsgewandte Haltung. Ob die nach 1933 wieder in Mode gekommenen gebrochenen Grotesken als Nazi-Schrift zu werten sind, ist zumindest umstritten. Der Reichsinnenminister Frick sprach sich für die Rettung der urdeutschen gebrochenen Schrift aus und wollte nur noch Schreibmaschinen mit Fraktur für sein Ministerium beschaffen lassen. Es ist unbekannt, wieviele davon überhaupt je angeschafft wurden. Es nahm nach 1933 bis 1940 erst die Nutzung der Fraktur massiv zu und dann kehrte es sich auf Befehl des Führers wieder radikal um.

Ab 1941 wurde Hitlers Entscheidung bekanntgegeben und verbreitet, dass die gotischen Schriften sämtlich zugunsten der Normal-Schrift, sprich Antiqua, aufzugeben.  Hitler bezeichnete die Schwabacher Fraktur, die Schrift der Luther Bibel, da schon als Judenlettern, deren Gebrauch im Reich nichts verloren hätte. Obwohl dies historisch so unsinnig war wie das meiste, was Hitler in seinem Wahn von sich gab, setzte es sich durch und wurde mitten im Krieg als Erlass an alle Schulen weitergegeben. So wurde angeordnet, dass nur noch das Lesen dieser Schriften in der 2. und 3. Klasse geübt wird. Die Umsetzung dieser Beschlüsse verzögerte sich jedoch durch die mangelhafte Versorgung mit Schulbüchern im Krieg etwas.

Mit der bedingungslosen Kapitulation endete die Rechtshoheit des Deutschen Reichs und der Nationalsozialisten. Die Schullehrpläne und Schriftfragen wurden von den Alliierten geregelt und die Fraktur vielerorts verboten, weil sie diese nicht lesen konnten. Ab 1954 führten einige Bundesländer wieder die deutsche Schreibschrift ein, die sich jedoch nicht mehr gegen die lateinische Schreibschrift durchsetzen konnte. Teilweise wird im öffentlichen Leben heute noch die Fraktur genutzt, um auf lange Tradition hinzuweisen. So stand auf den ab 1990 von der Bundesbank herausgegebenen Banknoten das Wort Banknote in Fraktur. Seit etwa 2000 hat die gebrochene Druckschrift ihre Sonderstellung verloren und verliert zunehmend an Bedeutung. Anders als die Debatte um die letzte Rechtschreibreform stoßen sprachpuristische Forderungen nach gebrochenen Lettern im virtuellen Zeitalter auf kein nennenswertes Interesse. Gerne wird sie von einer leider erstarkten rechtsradikalen Szene genutzt, die vermutlich wie meistens keine Ahnung von ihrer Geschichte haben, noch von Hitlers Ablehnung, aber das ist vermutlich auch gut so, weil diese Kennzeichnung hilft die Spreu vom Weizen zu trennen, Idioten zu benennen.

Die Druckform der Sprache macht scheinbar nicht mehr ihre Identität aus. Ob darum wieder mehr auf Inhalte als auf die Form geachtet wird, scheint fraglich, doch die Hoffnung stirbt zuletzt, zumindest ist eine lästige Debatte über die nur Form von keiner Bedeutung mehr. Ob es in einer globalisierten Welt noch nationale Identitäten braucht, scheint mehr als fraglich. Einigen Menschen scheint es, noch wichtig zu sein, woran immer dieses oft mangelnde Selbstwertgefühl liegt. Was der deutsche Sonderweg gegen den Geist der Renaissance und der Aufklärung gebracht hat, als lange Debatten um den Bart des Propheten scheint angesichts der deutschen Geschichte und dem mühsamen Weg zur Nation mehr als fraglich. Vielleicht war die singuläre Schrift ein Bindeglied im Vielvölkerstaat, der sich so lange nicht modernisierte, bis er unter Napoleon unterging und dafür ein pathologisches Überschwappen der nationalen Ideen im 20. Jahrhundert ertragen musste.

Goethe lehnte es ab, die Brüder Grimm fanden es unsinnig, die Humboldts, international verwurzelt, hatten mit so etwas wenig am Hut, warum es uns vielleicht gut täte, uns mehr auf die humanistischen Inhalte zu konzentrieren, die mit der Einführung der Antiqua zu Beginn der Renaissance verbunden waren. Es braucht keinen Wilhelminismus mehr oder lächerliche Deutschtümelei und wer sich mit Stolz zur deutschen Geschichte bekennt, sollte eher an Goethe denken, der seine Deutschen einst mahnte, sie sollten sich lieber freier zu Menschen ausbilden statt zur Nation, was zu sein, sie vergebens hofften. Auch an den guten Lessing sollte mit Stolz gedacht werden, der in Nathan der Weise, dem Denkmal für seinen jüdischen Freund und Aufklärer Moses Mendelsohn, den Toleranzgedanken auch im religiösen in schönste Form brachte. Wer dann weiter denken möchte noch, kann sich mit Kant fragen, was der kategorische Imperativ als Freiheit des Gewissens unter dem Leitstern der Aufklärung ist, wie er sie als Antwort auf die Frage der preußischen Akdademie definierte und wer dann immer noch nicht genug von deutschen Denkern und deutschem Wesen hat, möge dringend Max Stirner und seinen Einzigen lesen, um zu verstehen wie dieser einzig wirklich freie Junghegelianer Freiheit verstand und wer dann noch Fragen offen hat, was die Nation sein soll, dem seien Thomas Manns Reden aus dem Exil an die Deutsche Nation empfohlen oder Heinrich Manns Untertan, um zu verstehen, wer die Typen waren, die sich so massiv für die Fraktur einsetzten und dann dürften eigentlich alle Fragen zur Nation beantwortet sein - für Bilderfreunde und Liebhaber englischer Plaudereien auf BBC Niveau sei noch Neil Mac Gregors wunderbarer Band Deutschland - Erinnerungen einer Nation angeführt, in dem eine Brite, der nun das Humboldt-Forum leitet, voller Liebe durch deutsche Geschichte führt und dazu 335 passende Bildet zeigt.

Sich von außen betrachten können und sich aus dem liebevoll kritischen Blick der Nachbarn mit einem Augenzwinkern lieben lernen, könnte dem deutschen Wesen einen entspannten Umgang mit seiner Geschichte geben in Zeiten, in denen wieder die Falschen deutsche Fahnen schwenken, könnte das ein guter Weg sein.
jens tuengerthal 4.5.2016

Wortakrobatik

Sex ist auch eine Form von
Akrobatik bei der wir über uns
Hinaus ineinander wachsen
Erotische Dichtung kombiniert es
Macht einen Salto dabei
Will eigentlich alles und ist
Am Ende nichts als Worte
Die dich dort berühren sollen
Wo die Berührung bleibt
Um in dir weiter zu tanzen
Lustvoll zusammen drehen
Immer mehr völlig verdreht
Bis wir uns am Ende
Erschöpft bestaunen
Mit Liebe ist noch mehr
Wie fliegender Walzer
Mit wechselndem Takt
Ob du wohl nun fühlst
Was ich gerne wollte
Mit dir und mir im wir
Wer ist der am Klavier
jens tuengerthal 4.5.2016

Meersehnsucht

Mehr Sehnsucht nach dem Meer
Oder mehr suche nach der dort
Ersehnten nicht mehr zu suchen
Um da zu sein beieinander ohne
Alle Suche und kein Meer mehr
Zwischen uns und unserer
Sehnsucht nacheinander die
Eins sein will im mehr oder
Weniger zumindest ganz nah
Am Meer vielleicht zumindest
Nicht mehr zu fern zum küssen
Während noch mehr oder weniger
Meer zwischen uns sich wellt
Wogt in mir das Gefühl der
Sehnsuche nach dir mein Ozean
jens tuengerthal 4.5.2016

Lippenlesen

Manche können von den Lippen
Lesen was sie nicht hören
Höre nur manchmal schlecht
Komme darum gern ganz nah
Um von deinen Lippen zu schmecken
Wie nah du dich fühlst oder wie
Du dich ganz nah anfühlst oder
Wo du im Zyklus stehst wenn
Die Lippen uns nicht täuschen
So bin ich wohl kein Lippenleser
Manchmal ein Lippenschmecker
Immer ein Lippenliebender
Möchte ich lieber deine Lippen
Um mich um so eins zu sein
Inmitten und am Ende was
Immer dort einen Anfang nahm
Soll kein Ende haben warum
Der Schreiber die Lippen nun
Lieber verschließt um anstatt
Deine lieber zu küssen
Zumindest in Gedanken
Bis sie nah genug kommen
jens tuengerthal 3.5.2016

Dienstag, 3. Mai 2016

Liebestempo

Manche Liebe braucht Zeit
Andere nimmt sie sich
Ohne lang zu fragen ob
Dann ist sie plötzlich da
Gekommen um zu bleiben
Weiß keiner was es ist
Nennt es nur lieber nicht so
Was wissen wir schon
Von der Liebe und sonst
Auch eher wenig
Staunen was geschah
Wissen noch nicht wie
Weiter und überhaupt
Genießen das Wunder
Weil es ist was es ist
Weiß nicht was sonst
Fragt sich nur wieder
Gibt es die richtige Zeit
Oder kommt es darauf
In der Liebe nie an
Jenseits der Zeit
jens tuengerthal 3.5.2016

Kulturgeschichten 0211

Dresdenprotest

Die Sachsen haben schon früher gerne protestiert, auch wenn es nicht immer so zielführend war wie 1989, scheint es dem Völkchen zwischen Böhmen und Brandenburg zu liegen aufzumucken, warum sich fragt, ob der Integrationsversuch, den Merkel gerade startet, nicht sinnvoller ist, als weiteres angewidertes Kopfschütteln, auch wenn dies angesichts des Pegida Rassismus gut begründet ist. Nun werden die Sozialdemokraten um Gabriel zwar bemerken, sehr ihr, dass wollte unser Dicker doch auch nur, aber erstens ist es nicht egal, wer etwas macht, um glaubwürdig zu sein und zweitens ist es noch wichtiger, wann es geschieht, um wirksam zu sein. So wird die Erinnerung an vergangene Verdienste der SPD wieder nichts bringen, weil es keine waren und sie wie üblich nur schrumpfend zu spät kommen oder zu früh, was immer falsch bleibt und nie zum gemeinsamen Höhepunkt führt, eher peinlich am Ende ist. Bachmanns heutige Verurteilung erst ermöglicht es, mit denen, die zurück auf den Boden des Rechts wollen, den Dialog zu suchen. Gabriel kam zu früh und war natürlich der Falsche, dies zu beginnen.

Es darf nie darum gehen, den Pegiden das Gefühl zu geben, sie hätten Recht oder steter Tropfen höhle den Stein, doch kann eine CDU Vorsitzende auf Dauer nicht an der Macht überleben als Mutter der Flüchtlinge, die konservative Ängste überhört - erstaunlich war, wie lange sie dies Spiel spielte und spannender wird, wohin sie nun wendet, nachdem sie öffentlich bemerkte, die fast 20% Idioten die auf den AfD hereinfallen, sollten lieber nicht öffentlich so genannt werden, die hätten es ja schon schwer genug, vielmehr müsse es auch dort um Integration gehen.

In Deutschland muss heute nach zwei Seiten wohl aktive Integrationspolitik betrieben werden, was über Jahre eher ein Fremdwort gerade in der CDU war. Daran, wie weit ihr das gelingt, wird Merkel gemessen werden in Zukunft. Wenn sie dabei einige Linke vor den Kopf stößt oder Sozialdemokraten zum Aufschrei bringt, schadet dies der Demokratie weniger als eine weitere Polarisierung in Gutmenschen und Nazis.

Vielleicht gehört dies aufständische Element zu den Sachsen dazu, auch wenn es gerade die peinlichste Variante ist, scheinen viele den Eindruck zu haben, für eine gute Sache zu kämpfen - denen ständig wieder zu sagen, ihr seid einfach nur blöd, nützt niemandem vermutlich, fraglich bleibt, was helfen könnte. Heute hat zumindest der Rechtsstaat ein klares Wort gesprochen und Lutz Bachmann für seine rassistischen Äußerungen zu einer Geldstrafe verurteilt, was zwar unter der Forderung der Staatsanwaltschaft blieb, die lieber drei Monate Haft hätte, aber zumindest ein deutliches Zeichen ist, wo die Grenzen des Diskurses verlaufen und dass die Demokratie sich auch gegen ihre Feinde wehren muss.

Heute gehen Menschen in Dresden auf die Straße, welche die Grundwerte unserer Demokratie angreifen und diese infragestellen, weil sie sich in ihrem Wohlstand und im übrigen durch Überfremdung bedroht fühlen. Sie verlassen dabei zu einem nicht kleinen Teil die Grenzen des politischen Diskurses, verbreiten Lügen und schüren Hass, der von populistischen Parteien wie dem AfD in ihrem Programm übernommen wird. Damit sind sie Feinde der Republik für die ihre Vorgänger noch in Dresden kämpften, vielleicht ist es darum so wichtig gerade heute auch an diese Dresdner Unruhe einmal zu erinnern.

Am 3. Mai  1849 begann der auf den Sturz von König Friedrich August II. und die Errichtung einer Republik zielende Dresdner Maiaufstand. Ab dem 4. Mai setzte sich der russische Anarchist Michail Bakunin an die Spitze der Revolutionäre zu denen auch Gottfried Semper und Richard Wagner gehörten. Der Aufstand dauerte bis zum 9. Mai.

Nichts scheint Pegida ferner als ein linksnationaler Aufstand, der von einem russischen Anarchisten angeführt wurde. Ist Nation noch revolutionär oder ein bloß reaktionäres Überbleibsel des 19. Jahrhunderts?

Schon im Jahr zuvor war es mit Beginn der Märzrevolution von 1848 in Sachsen zu liberal und demokratisch gesinnten Unruhen gekommen. Neben der Liberalisierung der deutschen Fürstentümer und der Errichtung demokratischer Strukturen war deren Ziel auch die deutsche Einigung in einem einheitlichen deutschen Reich. In diese Richtung zielte auch die gemeinsame Verfassung, die vom Paulskirchenparlament in Frankfurt erarbeitet wurde.

Nach den ersten revolutionären Aufständen 1848 war es zu einem Einlenken der Fürstentümer gekommen, die liberale Reformen begannen wie die Einführung der Pressefreiheit, die Einführung liberaler Märzministerien und die Aufhebung von Feudallasten. Ausgehend von Preußen und Österreich hatte sich jedoch ab Sommer 1848 wieder die Konterrevolution durchgesetzt. Die Frankfurter Nationalversammlung hatte keine Machtmittel, ihre Legitimation durchzusetzen. Friedrich Wilhelm IV. hatte die ihm von der Nationalversammlung angetragene Kaiserkrone für eine kleindeutsche Lösung ohne Österreich als mit dem Sudeldreck der Revolution beschmutzt abgelehnt, obwohl er selbst noch im März 48 unter dem Eindruck der Berliner Aufstände große Zugeständnisse an die Revolutionäre gemacht hatte.

Preußen und Österreich zogen aus der Nationalversammlung aus und auch der sächsische König gehörte zu den Gegnern einer liberalen Verfassung. Verfassung und Einigung Deutschlands waren damit vorerst gescheitert. Zur Rettung der wichtigsten liberalen Fortschritte startete in einigen Staaten nun die Reichsverfassungskampagne, in deren Folge es in einigen Staaten im Mai 1849 zu den radikaldemokratischen Revolutionsschüben kam. Diese Maiaufstände fanden neben Sachsen auch in Baden statt, wo zuletzt in Rastatt die badische Revolution geschlagen wurde. In Sachsen war der Dresdner Maiaufstand der letzte Versuch die liberalen Reformen von 1848 zu retten und fortzusetzen.

In Dresden brach der offene Aufstand am 3. Mai 1849 aus, als sich, wegen des Schleswig-Holsteinischen Krieges nur rund 1800 Soldaten mit 6 bespannten Geschützen in der Stadt befanden. Das Dresdner Zeughaus wurde gestürmt und bewaffnete Angehörige der Turnerbewegung nach Turnvater Jahn besetzten das Landtagsgebäude. Um 4.30h am folgenden 4. Mai verließen der König, die Königin und sämtliche Minister Dresden und verbargen sich auf Festung Königsstein. Damit war das Land ohne Regierung. Die Behörden waren nicht einmal von dieser Nacht und Nebel Aktion in Kenntnis gesetzt worden. Preußische und sächsische Truppen unter Leitung des preußischen Generalleutnants Friedrich von Waldersee warfen dann in seltener Gemeinsamkeit bis zum 9. Mai den Aufstand nieder.

Bakunin und Richard Wagner, der bis dahin Hofkapellmeister war, sowie Gottfried Semper, der Hofbaumeister, konnten zunächst entkommen. Die meisten Gefallenen waren Jugendliche. Dabei stammten von 99 identifizierten Toten 40 nicht aus Dresden, 98 Tote konnten nicht mehr identifiziert werden. Unter den 114 Verwundeten waren nur 67 Dresdner. Insgesamt ist von 250 Toten und bis zu 500 Verwundeten unter den Aufständischen die Rede. Von den beteiligten Soldaten wurden 31 getötet und 94 verwundet.

Bakunin wurde bald darauf in Chemnitz verhaftet, das damals noch nie Karl Marx Stadt hieß. Er wurde zum Tode verurteilt, dann 1851 auf lebenslange Haft begnadigt, schließlich an Russland ausgeliefert, wo er noch weitere 10 Jahre absass. Wagner und Semper retteten sich nach kurzem Aufenthalt in Paris ins Züricher Exil. Erst nach 1864 rettete Wagner dann der junge bayerische König Ludwig II. aus höchster finanzieller Not und errichtete ihm in Bayreuth die Villa Wahnfried und das Festspielhaus auf dem Grünen Hügel, aber das ist eine andere und wengier revolutionäre Geschichte, im Gegenteil stand der Hügel seit dem immer in großer oder zu großer Nähe zu den jeweils herrschenden Regierungen.

Der Dresdner Maiaufstand erreichte nichts bleibendes als heutige Gedenktafeln. Deutschland war scheinbar noch nicht reif für eine Republik und die Einigung auf die kleindeutsche Lösung unter preußischer Führung erfolgte erst nach dem Sieg über Frankreich 1870/71 mit der Kaiserkrönung in Versailles. Es wurden Jugendliche für revolutionäre Ideen verheizt und das Königtum blieb noch bis 1918 an der Macht. Die scheinbar liberalen Reform Bismarcks im späteren Deutschen Reich dienten nur der Durchsetzung seiner politischen Ziele, um eine liberale Verfassung und mehr Freiheit ging es ihm nicht, auch wenn er sie auch mit der Sozialversicherung teilweise weiter realisierte als es viele Revolutionäre noch 1848 träumten. So wurde ein Teil der revolutionären Ziele von 1849 autoritär von oben eingeführt, wenn es half, den Druck zu senken und das System zu stabilisieren.

Erst 1989 beteiligten sich die Sachsen wirksam wieder an einer Revolution vor allem zuerst in Leipzig, wo sie mutig gegen den SED-Staat aufstanden. Dieser Aufstand war vor allem Dank der Fürsprache der Sowjetunion, die vom Einsatz von Militär abriet, so erfolgreich. Auch die immer größere ökonomische Not der Staaten des Ostblocks, die sich im Kalten Krieg tot gerüstet hatten und als totalitäre Systeme sich nicht den Bedingungen des Marktes anpassen konnten, trug zum schnellen Erfolg bei. Doch sollen die politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen, die den Erfolg erst sicherten, nicht die Leistung und den Mut der DDR-Bürger schmälern, die für mehr Freiheit auf die Straße gingen, ohne zu wissen, was ihnen drohte. Diese Revolution blieb friedlich, worin wohl auch ein Verdienst der beteiligten Kräfte aus den Kirchen liegt.

Der Erfolg oder Misserfolg einer Revolution hängt immer mit den ökonomischen Rahmenbedingungen zusammen. Gegen die geballte sächsische und preußische Militärmacht hatten die Aufständischen keine Chance. Die Begeisterung für die revolutionären Ideen in der Bevölkerung war nicht so groß, dass die Aufständischen sich in Dresden auf eine breite Basis stützen konnten. Die über die Burschenschaften vor allem in studentischen Kreisen stark verfolgte nationale Idee begeisterte wenige genug, dafür auf die Straße zu gehen. Die nationale Idee hatte in den Befreiungskriegen gegen Napoleon noch viele begeistert, inzwischen hatte sie sich abgeschwächt und war nach dem Wiener Kongress im Geist des Biedermeier mehr dem Wunsch nach Frieden und Wohlstand in Ruhe gewichen. Die erste Begeisterung vom März 1848 war wieder der gewöhnlichen Lethargie gewichen, in dem sich jeder lieber um sein Wohlergehen als das des Staates kümmert, in dem er lebt.

Die Angst um ihre Ruhe treibt auch die Pegiden, deren gerade verurteilter Führer den wahren Geist dieser Bewegung offenbarte. Es sind dies keine Bürger, die für Freiheit und Republik auf die Straße gehen, sondern ängstliche Menschen, die sich vor Fremden fürchten und den Untergang des Abendlandes beschwören, mit dem sie selbst kaum eine persönliche Verbindung haben. Der nackte, asoziale Egoismus dort, der sich fürchtet, zu  kurz zu kommen, wenn wir Reichen den Armen helfen, hat nichts vom Geist des christlichen Abendlandes, den es zu verteidigen vorgibt. Vielmehr missbraucht eine national chauvinistische Bewegung die Erinnerung an die friedliche Revolution von 1989, um ihre kleinbürgerlichen Ziele aus beschränktem Horizont zu verfolgen.

Das Klientel der AfD Wähler mit ihrer panischen Angst vor dem Islam, als könne eine mittelalterliche Sekte in Europa Fuß fassen, wenn dieses seine Werte entschlossen verteidigte, ist vom selben Geist getrieben. Es bedarf daher der Aufklärung über die tatsächlichen ökonomischen Auswirkungen einer Krise, die keine ist und wäre, wenn nicht zu lange den Aufrufen zur Gewalt wortlos zugesehen worden wäre von staatlicher Seite. Auch von daher ist die Verurteilung Bachmanns ein gutes Zeichen für einen Rechtsstaat, der sich wehrt und seine Werte verteidigt, Grenzen aufzeigt.

Pegiden und AfD-Wähler sind keine nationalen Revolutionäre sondern meist besorgte Bürger, die sich um ihre biedermeierliche Ruhe und ihren Wohlstand fürchten. Sie haben keine Perspektive, keine Antworten und keine Lösungen, nur führte die bloße Feststellung ihrer Dummheit zu einer immer weiteren Radikalisierung, machte sie Argumenten nicht zugänglicher, sondern sorgte für eine immer größere Leichtgläubigkeit untereinander, die mit dem Stichwort Lügenpresse am besten bezeichnet wird. Stattdessen schenken sie den unfreien Propagandaorganen des Kremls und deren Hetze Glauben, wenn sie vermeintlich journalistisch die Gefahren beschwören.

Wer die Radikalisierung in den sozialen Netzwerken beobachtete, in denen die einen als Gutmenschen und die anderen als Nazis beschimpft werden, die aber ein guter Indikator für die Stimmung in der Gesellschaft sind, sieht die Gefahr, die Deutschland in den 20er Jahren schon einmal bedrohte und mit der damals nicht konstruktiv umgegangen wurde und die infolge einen Hitler mit an die Macht brachte, weil er von der Unruhe, die er selbst stiftete, als dann Ordnungsmacht profitierte.

Was wird heute getan, dieser Gefahr zu begegnen?

Wie wird mit Aufrufen zur Gewalt und rassistischen Äußerungen umgegangen?

Sollte nun lieber beruhigt werden, um zu integrieren oder müssen verbale Täter auch genau so verfolgt werden?

Der Tatbestand der Aufstachelung zum Rassenhass ist eine Konsequenz der Nazizeit, ihn erfüllt die antiislamische Propaganda, die von Moskaus Bütteln in AfD und Pegida hier verbreitet werden, vielfach. § 130 I StGB ist weit genug gefasst, die weitere politische Gefahr für die Demokratie durch diese Gruppen rechtlich klar zu begrenzen. Ob dies auf Dauer dem Bestimmtheitsgebot genügen kann oder einer stärkeren Konkretisierung bedarf, um nicht zum Ideologiestrafrecht zu verkommen, ist eine Frage, die Juristen diskutieren sollen und können, um der Freiheit willen. Wo diese aber durch Putins Vorhut und ihre ideologische Verblendung, die zu immer mehr rassistischen Straftaten auch anstiftet, gefährdet ist, tut der Rechtsstaat gut daran, sich mit den vorhandenen Waffen vehement zu verteidigen.

Ob es bei den 120 Tagessätzen für Bachmann bleibt oder die Staatsanwaltschaft weiter Haft fordert in der nächsten Instanz ist dabei weniger wichtig als das Signal, was schon von dieser Verurteilung ausgeht. Wer Rassenhass auch gegen Religionen fördert, wird im Rechtsstaat bestraft und verfolgt, genau wie islamistische Prediger, die zu Gewalt aufrufen.

Bachmann ist ein bereits mehrfach verurteilter Straftäter, der nur bisher durch Flucht seiner Verhaftung entging. Was er und seine Kumpane von sich geben, wird im Rechtsstaat nicht geduldet. Es ist gut und wichtig, dies festzustellen und nun können wir uns, um diejenigen kümmern, die Angst haben, darum der rassistischen Herde mit den einfachen Antworten folgten und versuchen, uns um Integration zu kümmern, die Sorgen der Bürger ernst nehmen. Nicht weil sie ernsthaft bedroht wären, sondern damit sie sich ernstgenommen fühlen und im Rechtsstaat ein Zuhause wieder finden, statt sich nach Moskau zu wenden.

Es gibt auch vieles an Freiheiten in unserem Staat derzeit dringend zu verteidigen, gegen die Feinde von rechter wie von islamistischer Seite. Keine Toleranz für Intoleranz, damit es dauerhaft friedlich bleibt. Es können nur im Diskurs die Lügen widerlegt und aufgeklärt werden, warum weitere Konfrontation zu nichts führt. Mit der Verurteilung des ersten Pegida-Täters wegen Volksverhetzung sind klare rechtsstaatliche Grenzen endlich gezogen. Dieses Land findet diesen Rassismus nicht normal und wird ihn nicht hinnehmen, das ist gut so. Nun können die anderen wieder auf den Boden des Rechtsstaates zurückgeholt werden, um eine weitere Spaltung zu verhindern.
jens tuengerthal 3.5.2016

Zeilenzärtlichkeit

Möchte endlich wieder aufwachen
Neben dir umschlungen liegend
Dich zärtlich liebkosen während
Wir gerade erst aufwachen
Die eine Hand auf deinem Busen
Die andere zwischen deinen Beinen
Tief versunken feucht fröhlich
Beginnen wie enden
Morgenküsse tauschen
Liegenbleiben voller Sehnsucht
Sich wieder und wieder
Inniger zu verschlingen
Du weißt schon wie
Was war die Nacht schon
Ohne unausweichlich eng
Beieinander zu liegen
Ob du dich auch so sehnst
Spürst wie zärtlich dich die
Worte zwischenzeilig streicheln
Vielleicht liest du es lächelnd
Und fühlst mich inmitten
jens tuengerthal 3.5.2016

Lustsehnsucht

Möchte dich überall küssen
Langsam auf deinen Mund
Damit wir anfangen uns voll
Lust zu verschlingen die sich
MIt jedem Zungenschlag mehr
Spürt als trügen wir schweigend
Das Herz auf der Zunge noch
Dann über dich wandernd
Den Rücken hinunter genüßlich
Wirbel für Wirbel innig liebkosen
Bis er sich am Ende dann teilt
Durch deine Teilung fahren
Zungig deine Lust schmecken
Beine hinab und hinauf
Schenkel innenseitig schlecken
Deine Brüste saugend erregen
Ein wenig zart dich nur beißen
Über die Mitte hinweg fliegen
Den Hügel hinauf nun
Zarte Locken an meinen Lippen
Deine Lippen drängend öffnen
Die längst Nässe erschmecken
Tief in dich eintauchen
So weit die Zunge reicht
Um höher hinaus wieder
Dein Perlentaucher zu sein
Bis die Wellen deiner Lust
Mich ganz in dir wollen
Bleibt immer sehnsüchtig
Der träumend dir nun
Nachschmeckt durch die Nacht
jens tuengerthal 2.5.2016

Montag, 2. Mai 2016

Kulturgeschichten 0210

Religionsrelativitätstheorie

Wenn genügend Abstand bei ausreichend hoher Geschwindigkeit von der Erde genommen wird, spielt die zufällige religiöse Überzeugung vom Zusammenhang der Welt keine Rolle mehr. Religion verhält  sich zum Verstand wie die Liebe zur Vernunft. Mit Abstand und genügender Geschwindigkeit sieht manches anders aus und wenn nicht, wird es wohl vernünftig sein, dem zu folgen, was gut tut.

Warum Religion 300 Jahre nach dem Zeitalter der Aufklärung noch immer eine Rolle für die Menschen spielt, ist mir rätselhaft. Vielleicht finden es viele toll, sich vor dem Angst zu machen, für das sich die Religionen eine Tröstung dann ausdenken, um ihre Abhängigen zu binden. Vermutlich finden Menschen auch Trost jenseits der Todesangst und eine Perspektive, weil sie gelernt haben, es sei nötig, dem einen Sinn zu geben, was ist, als sei Sein an sich nicht genug.

Warum der fanatische Islam mit seinen mittelalterlichen Denkstrukturen seine primitiven Propheten derzeit boomt, scheint manchen rätselhaft. Als sei es nicht schlicht die offensichtliche Antwort auf den Zusammenprall verschiedener Lebensformen, bei denen nur die eine am Weltmarkt erfolgreich ist und dafür bigott den Neid der anderen weckt, die zuvor schon lange als minderwertiger Teil der Welt vom europäischen Zentrum aus betrachtet wurden. Warum hier AfD und Pegida boomen, ist auch jedem vernünftigen Menschen ein Rätsel, dennoch gibt es Menschen, die auf komplexe Fragen gern einfache Antworten haben, nicht weil sie Lösungen wollten, sondern weil sie nicht mehr denken müssen. Das hat der Glaube auch seit Jahrtausenden geschafft.

Was ist die einfachste Antwort auf Unterdrückung?

Genau, Unterdrückung und so laufen neidische und zornig stolze Gesellschaften dem Gegenmodell weniger aus Überzeugung denn aus Trotz hinterher, insbesondere wo sich seit bald 1400 Jahren zeigt, wie erfolglos, ökonomisch betrachtet, ihr Religionslebensmodell war, das außer Raub nichts hervorbrachte. Zu Anfang kam der Prophet der Straßenräuber, der die Händler überfiel. Heute rauben die Araber ihren Boden aus und sind nur dadurch wohlhabend, weil westlich, nördliche Industrie den Rohstoff gut bezahlt. Ihre Religion vor ort hat sich vom mittelalterlichen Niveau nicht weiter entwickelt. Innovativ von Innen kommt seit langer Zeit aus der islamischen Welt nahezu nichts verglichen.

Natürlich gibt es hochintelligene Muslime, die auch in der westlichen Welt höchst erfolgreich sind, hängt Begabung nicht am zufällig aufgedrängten Aberglauben, sind die kruden Thesen eines Sarrazin einfach rassistischer Unsinn, der zu kurz gedacht ist. Dennoch ist die Entwicklung im Vergleich relativ auffällig anders. Insbesondere in muslimischen Ländern und an den Wurzeln des Islam, wo ein mittelalterliches Regime auf fettem Öl sitzend, macht, was ihm gefällt.

Was wäre die richtige Antwort auf den islamistischen Trotz und Religion überhaupt?

Ignorieren, weil Kinderkrankheiten das Immunsystem besser stärken und Vernunft schlecht direkt auf das Immunsystem zugreifen kann?

Gibt es eine taugliche Impfung gegen religiösen Wahn?

Bedenke ich, dass der Islam 650 Jahre jünger ist als das Christentum, aus einer bis heute zurückgebliebenen Region von Wüstenräubern und Händlern stammt, nur vorige Hochkulturen mit simplem System platt walzte, könnte ich beruhigt sein und mir sagen, das wird schon, bald haben auch die ihre Reformation. Es sind nur die Wehen einer Weltreligion vor ihrer Bedeutungslosigkeit. Wie das Christentum nur noch ein Marktfaktor aber keine Überzeugung mehr ist. Ein Machtfaktor ist und war es lange auch, arrangierte sich mit den jeweiligen Herren gut und diese wechselten die Religion je nach Dienstauftrag und Rolle. Heiraten, wenn politisch und diplomatisch sinnvoll, führten häufig zum Wechsel der Konfession.

Auch der Gatte der Queen, ein geborener Battenberg und da griechischer Prinz wechselte, um der Ehe mit der Königin willen, von der griechischen Orthodoxie zur anglikanischen Kirche, die manche längst verheiratete Pfaffen aus Reihen der Katholen gut integrierte und nannte sich lieber Mountbatten. Andere Fälle sind auch bekannt, Elisabeth I. etwa heiratete den sehr um sie werbenden Gatten ihrer verstorbenen Schwester der blutigen Maria auch deshalb nicht, weil Philipp II. von Spanien, der Sohn Karl V. erzkatholisch war. Sie war auch im übrigen relativ abgeneigt, sich zu verheiraten, weil dies bedeutet hätte, die Macht aufzugeben und sich ihrem Gatten unterzuordnen, was einer Königin nicht lag. Da verzichtete sie lieber auf Erben und übergab ihr Königreich an Jakob, den Sohn ihrer hingerichteten Kusine Maria Stuart und hatte es im übrigen unter Strafe gestellt in England auch nur über dieses Thema zu reden. Es war in dieser Zeit insbesondere, in der sich die Religion der Bevölkerung noch nach der des Herrschers zu richten hatte, noch durchaus üblich machtpolitisch zu wechseln oder sich zu verbünden. So unterstützte und finanzierte der konservativ katholische Kardinal Richelieu, von dem hatte ich es die Tage gerade, die Schweden im Dreißigjährigen Krieg gegen Österreich, weil der Kampf um die Macht in Europa gegen die Supermacht Habsburg nur so möglich schien. Dennoch wäre es undenkbar gewesen, dass der Vater des Auftraggebers von Richelieu, also Henry IV. als Hugenotte König von Frankreich geworden wäre.

So war ihm Paris eine Messe wert, was einer der bekanntesten der von ihm kolportierten Sprüche noch ist, obwohl der mit dem Hahn, den jeder Bauer Sonntags im Topf haben sollte eigentlich noch wichtiger ist, sein soziales Denken bezeichnete, seine Konversion zur Sekte seiner früheren Feinde in vielen Hugenottenkriegen, war für Heinrich von Navarra nur eine Formsache. Nicht umsonst erließ er bald danach das Toleranzedikt von Nantes, mit dem er seinen früheren Glaubensbrüdern die größtmögliche Freiheit zusicherte, bis sein Enkel Ludwig XIV. sie wieder verdrängte und damit Preußen zur nächsten Supermacht formte, die jenes Frankreich viel später schlug, das zuvor einige seiner Besten vertrieb.

Bis es dahin kam, hatte es etwa noch den Krieg der drei Heinriche gegeben, in dem sich der amtierende König Heinrich III., Heinrich von Navarra und Heinrich von Guise, der die Heilige Liga aufbaute, um Frankreich katholisch zu halten, um die Macht uund den rechten Glauben im Lande schlugen. Es war am Ende ein Kampf der Heiligen Liga,  die das Volk von Paris hinter sich brachte, gegen den eigenen König, Henry III., der Henry IV. als seinen Erben eingesetzt und den Guisen Herzog hatte ermorden lassen, gemeinsam mit dessen Bruder dem Kardinal von Lothringen, warum der Mob, der von der Heiligen Liga aufgehetzt wurde, den König aus Paris vertrieben und dieser mit seinem Schwager Henry Navarra schließlich wieder Paris belagerte, brachte ein fanatischer Dominikaner Mönch den um Toleranz für die Hugenotten ringenden Henry III. um. Auch Heinrich von Navarra wird 21 Jahre später von einem fanatischen Katholiken erstochen, da war er 56 und hatte seinen Glaubensbrüdern bereits 11 Jahre die Toleranz im Edikt von Nantes gesichert.

Im selben Jahr wie das Edikt von Nantes schloss Henry auch Frieden mit Spanien, die als gute Katholiken alles getan hatten, den Protestanten vom Thron Frankreichs zu verdrängen. König Philipp II. hatte den französischen Thron für sich beansprucht gehabt, nachdem Henry III. ermordet worden war, weil er mit Henrys Schwester Elisabeth aus dem Hause Valois verheiratet war und Frankreich seit 1589 von einem illegitimen Protestanten regiert wurde, auch wenn sein Schwager Henry III. diesen zum Erben eingesetzt hatte und der Erbanspruch Henrys ebenfalls aus einer Ehe mit einer Valois resultierte, wenn auch der jüngeren Schwester.

Am 2. Mai 1598 schließen Frankreich und Spanien und damit Henry IV. und Philipp II. den Frieden von Vervins und beenden damit Philipps Teilnahme am achten Hugenottenkrieg. Darin verzichtet Philipp II. für sein Reich auf sämtliche Ansprüche gegen Frankreich. Der Friedensschluß war beiderseitig von völliger militärischer und finanzieller Erschöpfung getragen. Philipp starb noch im selben Jahr, der vitale Henry zeugte noch zahlreiche Kinder quer durch Frankreich und verteilte seine Gene. Eigentlich war der Kriegsgrund schon 1793 nach Henrys endgültigem Übertritt zum Katholizismus weggefallen, der rechte Glaube war in Frankreich nicht mehr gefährdet und die Forderung nach Einführung der Inquisition auch in Frankreich genügte nicht, einen Krieg weiter zu führen, den sich eigentlich keiner mehr leisten konnte.

Dieser Friede gemeinsam mit dem im selben Jahr erlassenen Edikt von Nantes bezeugte die Konsolidierung der bis dahin unsicheren Herrschaft des vormaligen Protestanten Heinrich. Ob Paris oder der Frieden mit der fanatischen Heiligen Liga eine Messe wert war, wie Heinrich es sagte, brauchte sich nur fragen, wer König aller Franzosen sein wollte, die eben zu großen Teilen katholisch waren. Ob es Henry mehr um die Freiheit ging oder seinen Glauben, wäre der Frage wert. Die geistige Nähe zu seinem katholischen Berater Michel de Montaigne, der leider bereits 1592 verstarb, lässt vermuten, dass ihm der Humanismus näher war als der wahre Glauben und er seine mehrfachen Konversionen in seinem Leben eher pragmatisch und machtpolitisch sah. Henry begründete mit seinem Griff nach der Krone das Haus Bourbon als königlich, das dann bis zur französischen Revolution regierte und in Spanien bis heute repräsentiert. Vermutlich kam es Heinrich von Navarra, frei nach Lessing, weniger auf den wahren Glauben an, als darauf, worin sich dieser menschlich zeigt. Mit dem Toleranzedikt von Nantes hob er sehr vorausschauend auch den Alleinvertretungsanspruch einer einzigen Kirche auf, was mit der bisherigen katholischen Lehre eigentlich dogmatisch nicht zu vereinen war.

Der Anspruch auf die einzig wahre Lehre wurde relativiert, es ging um Politik als die Kunst des Machbaren und nicht um einen Heilsanspruch wie er spätestens seit den Kreuzzügen durch die Politik des gesamten Abendlandes wanderte und es dauert teilweise bis heute, diesen Unsinn abzulegen. Aus den USA kam schon im Golfkrieg, mehr noch aber im Kampf gegen Al Quaida der Kreuzzugsgedanke wieder im Umlauf, der nicht zu modernem europäischen Pragmatismus passte. Die Stärkung antiislamischer Gruppen, die das Abendland retten wollen, ist eigentlich eine Folge der stumpfsinnigen Politik der Ära Bush jr. - dass sie nun eine von Moskau finanzierte Form der psychologischen Kriegsführung gegen den amerikanischen Weltmachtanspruch ist, gibt dem ganzen eine ironische Note.

Es gab Zeiten, da musste ein König im heute laizistischen Frankreich noch die Religion wechseln, während heute zu viele Franzosen den Untergang ihrer Kultur im Schatten des Islam aus den nicht integrierten Vorstädten fürchten und sich wieder in Europa längst überholten nationalistischen Ideen zuwenden. Dies tun sie, auch wenn sie wissen könnten, dass auch Le Pens Truppe einer Moskauer Vorhut finanziell längst ist.

Gerade in Ostdeutschland, wo weniger Menschen für die Schuld des II. Weltkrieges sensibilisiert wurden, zeigt sich, wie an vielen Orten Europas, eine ähnliche Tendenz. Doch auch der Westen stand bei der letzten Wahl nicht mehr nach, den Populisten ohne Antworten Glauben zu schenken. Der Aufstieg des AfD ist kein Produkt von Merkels humanistischer Politik sondern der Dummheit ihrer Gegner wie der Unfähigkeit ihrer Regierung pragmatische Lösungen und Notwendigkeiten angemessen zu kommunizieren.

Henry wird von vielen Franzosen noch in der Erinnerung verehrt, weil er Frieden brachte, für Toleranz stand, das Leben zu lieben und zu genießen wusste. Er hat Jahre für seinen Glauben gelitten und gekämpft und dann doch den anderen angenommen, um als König mit pragmatischen Lösungen seine Glaubensbrüder noch besser schützen zu können, weil es weniger darauf ankommt, welche Religion die Wahre ist, es keine Wahrheit mehr geben kann, nach den Prinzipien der Toleranz, wenn wir sie zu Ende denken, sondern alle Recht haben und nur noch zählt, wie wir mit dem was ist, am glücklichsten werden. Vielleicht sollten wir unsere Politiker mehr danach beurteilen, was sie für ein friedliches Nebeneinander und ein gutes Leben tun, nach dem wir doch irgendwie alle streben, statt dem einzig wahren fanatischen Ideal zu folgen. Dann erledigt sich die 3. Kohorte Moskaus in Europa auch bald - zufriedene Menschen brauchen keinen Populismus und keine Fanatiker.

Das Prinzip religiöser Toleranz und weltanschaulicher Neutralität ist es, das Europa heute stark macht. Die rückständigen, islamisch geprägten Länder schauen neidvoll nach Europa und Amerika, auch wenn sie den Neid teils in Hass kleiden, als Antwort auf Jahrhunderte der Unterdrückung. Schauen wir uns an, wo  Menschen glücklich und frei leben, von wo sie dagegen fliehen, stellt sich die Frage, worum es im Leben geht. Die Wahrheit im Glauben oder den Pragmatismus mit möglichst vielen unter den besten Bedingungen zu leben, damit es einem selbst möglichst gut geht.

Warum sollte ein Mensch danach streben, ein Leben zu leben, mit dem es ihm selber schlechter geht, statt den bestmöglichen Weg zu suchen?

Der epikureische Gedanke, das Streben nach Glück hat auch die amerikanische Verfassung geprägt, als sie noch die freiste der Welt war. Vielleicht sollten wir sie dabei wieder mehr an ihren Pragmatismus erinnern, damit es möglichst vielen so gut wie möglich gehen kann.

Die islamischen Regionen der Welt werden kaum den Weg zum Glück finden, den wir ihnen aufdrängen im Sinne einer kommerziellen Strategie der wahren Lehre, entweder sie entdecken selbst, dass es Unsinn ist, sich für einen Aberglauben in die Luft zu sprengen, es das Leben nicht schöner macht, für den Glauben an ein erfundenes Paradies zu sterben, oder sie sprengen sich noch einige hundert Jahre gegenseitig in die Luft, bis keiner mehr übrig ist, der glaubt, sich umbringen sei das bessere Leben. Wer solche fanatischen Überzeugungen teilt, sollte gemeinsam mit Menschen leben dürfen, die seinen Glauben teilen. In Europa haben diese Menschen nichts verloren, außer sie entscheiden sich für unseren Pragmatismus und teilen unser Glücksstreben, egal  welchem Aberglauben sie gerade anhängen. Darum ist es gut momentan für pragmatische Lösungen offen zu sein, Härte gegen Fanatiker und Offenheit gegenüber den Übrigen.

Weil es auf Fanatismus hier wie dort keine einfachen Antworten gibt, immer Spinner bleiben, die allen Frieden stören wollen, vermutlich sind AfD, Front National und Pegida, was die Heilige Liga damals war, geht es nicht um den wahren Weg. Sehr einfühlsam auch schon von Heinrich Mann beschrieben in seinem Henry IV in dem er die Guisen, ohne es sagen zu müssen, Terroristen nennt. Wer nur in Frieden leben und dieses Leben genießen will, sollte sich auch um pragmatische und friedliche Lösungen bemühen, da alles weitere müßig ist. Wer den Stolz der Russen und Araber nicht berücksichtigt, trägt ebensowenig zu einer Lösung bei, wie es jene tun, die sich ins Glück bomben wollen und ist so fern vom Ziel eines glücklichen Lebens wie alle, die sich mit Gewalt durchsetzen wollen. Wem nun fraglich scheint auf welches richtige politische Pferd er setzen soll, könnte näher am Ziel sein, insofern keiner, der etwas verspricht, den goldenen Weg hat, sondern es um größtmöglichen Pragmatismus geht, mit dem es den Beteiligten, am besten geht. Es ist egal, ob Henry sein Haupt gen Rom oder Mekka verneigt, oder innerlich darüber lacht, wie ernst manche den verrückten Rabbi aus Nazareth nehmen, solange er auf dem Weg, den er geht, das bestmögliche für alle erreicht, wird es der Richtige sein, wer erst etwas für ein erdachtes Jenseits verspricht, ist hier egal und sollte keine weitere Berücksichtigung bei der Lösung gesellschaftlicher Fragen finden.
jens tuengerthal 2.5.2016

Berührung

Sehne mich unberührt
Nach deiner Berührung
Möchte dich überall berühren
Wie von dir berührt werden
Um sich so nah zu sein
Als berührten wir uns
Nicht mehr weil schon ein
Ganz mittig miteinander
Verschmolzen einfach
Da sein um unser Dasein
Ineinander versunken
Eins sein zu lassen
Als wir zwei nur eins
Mit einem dritten sich
Verbindend als der
Liebe über allem
Bin ich tief berührt
Allein vom Gedanken
Bald wieder eins zu  sein
Zu zweit um des Dritten
Wegen was ein Wunder ist
jens tuengerthal 2.5.2016

Sonntag, 1. Mai 2016

Kulturgeschichten 0209

Gallery Weekendlos

In Berlin ballt sich gerne alles
Das ist schön wenn es schön ist
Das Gegenteil wenn andersrum
So fragt sich warum wir nun jetzt
Am 1. Mai Wochenende nach der
Walpurgisnacht auch noch das
Gallery Weekend haben durften
Das mit schönstem Frühling
Noch dazu konkurrierte

So ballte sich alles in eins
Manche krochen sodann sonntäglich
Noch erschöpft vom Tanz in den Mai
Schweigsam infolge durch dieses
Wunderwerk der Kunst das sich
Durch die ganze Stadt verteilt

Auch ein wenig erschöpft aber wie
Verliebt in den Frühling wie die Kunst
Wagte ich mich auch in den Strom
Der kunstsinnigen Berliner die so
Fein geputzt durch Galerien schleichen
Nur ein wenig fein gemacht selbst
Zumindest mittig mal unrasiert
Fällt dort weniger auf als aalglatt
Zog ich mit mutig beschuhter noch
Gestriger Tanzpartnerin durch die
Galerien unter heute Himmelblau
Bei erstmals frühlingshaft warm

Es gab wieder viel zu sehen
Nach gestriger dorothenstädtischer
Schon Friedhofskapellenbeleuchtung
Heute Bilder Zeichnungen Figuren
Videoinstallationen und interaktives
Das uns in ihm sich verirrend selbst
Zum Teil des Kunstwerks mitmachte

Eigentlich haben wir all diese vielen
Galerien immer da nur einmal aber
Im Jahr suchen wir sie staunend auf
Mit Massen von anderen die sich
Vor den Werken drängen sogar
Manchmal dem Künstler selbst
Es sollte doch jedes Wochenende
Gallery Weekend sein zumindest
Wenn im Mai die Sonne scheint

Denn wieder nur drehte ich allein
In Mitte meine Kreise wo ich doch
Längst die meisten Galerien kannte
Aber anders als Museen in denen
Der Besucher immer wieder die
Alten Freunde trifft ist es dort
Immer neu und anderes was
Den Blick für neue Welten öffnet

In vielem scheint mir die Kunst
Der ich keine Ahnung eher habe
Weder malen kann noch etwas
Davon wirklich verstünde gerade
Froh vielleicht noch den einen
Oder anderen Altmeister mal
Erkennen zu können aber sonst
So ahnungslos blasiert wie alle
Die hier lächelnd flanieren
Als wüssten sie was sie täten

Vielleicht darum ist es so schön
Herausgeputzte Berliner die sich
Für den Gang zur neuen Kunst
Einfach mal in Schale werfen
Gesehen werden wollen wie
Was sehen möchten sich auch
Mal ein wenig gruseln oder gar
Erregt von dannen ziehen doch
Wie immer überfordert am Ende
Sich versichern wie wunderbar
Doch dieses mal mal wieder war

Touristen auch streunen oft noch
Durch die Reihen der Besucher
Manche unterscheiden sich klar
Von den Einheimischen doch wer
Ist dort einheimisch sind es gar
Die hippen Mitte uniformen die
Wissend blasiert begeistert wie
Soweit männlich bärtig wie
Mutmaßlich weiblich kahl eher
Dort umme Ecke zuhause sind
Ist das ältere Paar nun aus
Reinickendorf oder Padderborn
Kommen wuselnde Asiaten dort
Nun gerade von weit östlich oder
Studieren sie längst in Berlin

So ist dies Wochende so reich
In wie an Erinnerungen sowohl
Beim Beobachten der Menschen
Wie beim Betrachten der Kunst
Das ich mir jedes Jahr schwöre
Im nächsten Jahr nimmst du dir
Das ganze Wochenende Zeit dafür
Einen Tag Kunst dann Menschen
Oder umgekehrt um dann nach
Genug Kunst beim Flaneure
Beobachten Prosecco wieder
Zu schlürfen weil einfach
Gallery Weekend ist was sonst
Wir auch alles verpassen

Die Mai Demos waren wohl
Weitgehend friedlich bis auf
Kleine Randale mit Festnahmen
Scheint auch Teil der Folklore
Die einen betrachten Kunst
Die anderen tragen Kapuzen
Schlagen sich mit der Ordnung
Ansonsten nichts los in Berlin
Aber wunderbar war es doch
Einfach zu betrachten was
Hing und davor rumhing
Voll Vorfreude auf das
Nächste mal im nächsten Jahr
jens tuengerthal 1. Mai 2016

Kulturgeschichten 0208

Erzhuren

Preußen ist untergegangen in den Wirren des 2. Weltkrieges und als Reaktion auf die Verbrechen eines ehemaligen Österreichers, der mit seiner Verbrecherbande, die preußisch korrekt funktionierte, Europa in den Abgrund stürzte. Die Alliierten beschlossen nach dem Krieg, dass von Preußen nie wieder ein Krieg ausgehen sollte, dieser Staat untergehen müsse. Entsprechend und konsequent eigneten sich zur Hälfte Polen und Russland das frühere Ostpreußen an, das Preußen über die Pruzzen erst seinen Namen gab und das dank kurfürstlichen Ehrgeizes vor über 300 Jahren zum Königreich außerhalb der Reichsgrenzen wurde. Eigentlich war das Gebiet wie große Teile der heute baltischen Staaten früher Deutschordensland. Die Ostgebiete eines Ritterordens, der lieber gen Osten als ins Heilige Land zog, um zu christianisieren und über hohenzollersche Hochmeister und den Umweg Nürnberg, den Besitz schließlich an die Kurfürsten der Mark Brandenburg brachte.

Preußen ist auferstanden auf der Museumsinsel, im Neubau des Schlosses, das als Zentrum der Insel ein Museum der Kulturen der Welt wird. Mit seinem Gründungsdirektor Neil Mac Gregor holte es sich einen der genialsten Museumsmacher der Welt dazu an Bord, um Geschichte neu zu erzählen, was kaum einer kann wie der schottische Brite, der lange das British Museum leitete und mit zahlreichen Publikationen Geschichte schrieb. Ein genialer Schachzug von Merkel und ihrer Kulturstaatsministerin Monika Grütters, mit diesem international renomiertesten Mann den Kern Berlins zu einem Anziehungspunkt der Weltkulturen zu machen, der Geschichte erzählen wird.

Lebendig wurde Preußen und seine Geschichte auch in der großen Monographie Preußen von Christopher Clark, dem Australier, der in Cambridge Geschichte lehrt und kongenial mit viel Liebe die Geschichte des untergegangenen Staates schrieb. So reanimierten Briten aus der Kultur den Staat als kulturelle Institution wieder, der auch unter britischer Führung als politisches Wesen nach 1945 endgültig starb. Um den Militärstaat Preußen ist es nicht schade, auch wenn er manch geniale Offiziere hervorbrachte, vom alten Dessauer über Schwerin bis Moltke. Die reiche Kultur zu erhalten und historisch einzuordnen in diesem ehemaligen Kurfürstentum, das seinen Namen erst durch polnische Teilungen und die Landverbindung nach Ostpreußen erhielt, scheint ein Wert zu sein, der keinem Angst machen muss.

Wann aber fing der Wunsch an dies Preußen zu zerschlagen und von wem ging er aus?

Am 1. Mai  1756 schlossen Maria Theresia von Österreich und Ludwig XV. den ersten Vertrag von Versailles. Dieser war von Österreichs Kanzler Wenzel Anton Kaunitz über Madame de Pompadour, der Geliebten Ludwigs XV. und einflussreichsten Gestalt im Frankreich ihrer Zeit, eingefädelt worden. Er stellte eine Umkehrung der alten Allianzen dar, da traditionell Frankreich und Österreich Gegner waren, sich im spanischen Erbfolgekrieg auch noch als Feinde um Spanien gegenüberstanden. Nun verbündeten sie sich, nachdem Österreich zwei erfolglose Kriege gegen Preußens Friedrich II. um die  vom jungen König geraubte österreichische Provinz geführt hatte und den dritten damit wohl vorbereitete, auch wenn im Vertrag davon noch nicht die Rede ist.

Der Vertrag war zunächst ein reines Defensivbündnis, bei dem jede Seite der anderen mit 24.000 Mann an Truppen im Angriffsfalle beistehen solle. Ausgenommen davon waren nur die englisch-französischen Kriege wie sie auch in den Kolonien noch in den nächsten Jahren weitergingen. Die Einigung, die auf geheimen Wegen diplomatisch ausgehandelt wurde, bei  der Kaunitz und die Pompadour ihr Geschick und ihre Macht zeigen konnten, war auch eine Reaktion auf das Bündnis Preußens mit England, weshalb sich Frankreich in Europa plötzlich im Stich gelassen und einsam fühlte.

Österreich hatte dafür in weiser Voraussicht darauf verzichtet, dem englischen Wunsch nach einer Erhöhung der Truppenkontingente in den nach dem spanischen Erbfolgekrieg österreichischen Niederlanden, Folge zu leisten, um Frankreich nicht zu provozieren, dessen expansive Politik England, immer um ein Gleichgewicht bemüht - Checks and Balances eben - begrenzen wollte, so zumindest der offizielle Tenor - ganz real wollten sie französische Truppen an der Grenze zu den österreichischen Niederlanden binden, damit diese in den Kolonien fehlten und England sich dort durchsetzen könnte. Zwar nicht ganz die feine englische Art, Partner zu benutzen, um eigene, expansive, imperialistische Politik zu betreiben aber vermutlich ein realistischer Blick auf englische Interessen in Europa, die gerade wieder auf Messersschneide stehen mit der anstehenden Abstimmung zu Europa.

Ein Jahr später nur am 1. Mai  1757 schlossen Österreich und Frankreich den zweiten Versailler Vertrag. Dieser stellt die politische Reaktion auf den von Friedrich ausgelösten dritten Schlesischen Krieg dar und zielt bereits auf eine Zerstörung Preußens ab. Der dritte Schlesische Krieg wurde zum Siebenjärigen Krieg und viel hat dabei nicht gefehlt, dass Preußen endgültig untergegangen wäre und manche der Ereignisse in diesem Zusammenhang verklärte Friedrich auch selbst später als das Mirakel des Hauses Brandenburg.

Viele beziehen diese Formel heute, auch nach Friedrichs literarischer Bewältigung seiner Kriegserlebnisse auf den Siebenjährigen Krieg als Ganzen und den Tod der Zarin Elisabeth I., nach der ihr Sohn, der kurzzeitige Zar Peter III., der Friedrich verehrte, den Krieg gegen Preußen beendete, was aber historisch eigentlich falsch ist, auch wenn es richtig ist. Friedrich verwendete diesen Ausdruck, der so gut auf Friedrichs Massel in diesem Krieg passt, in dem er ganz Europa gegen sich hatte, erstmals in einen Brief an seinen Bruder Heinrich am 1. September 1759, den er so liebte, dass er ihm, dies sei ganz nebenbei erzählt, sein Jugendschloss Rheinsberg schenkte, wo der noch Kronprinz Friedrich frisch verheiratet seine schönsten Jahre verbrachte, wie er selbst schrieb, wo ihn Voltaire erstmals besuchte und er seine ersten Bücher schrieb und Konzerte gab. Wenige Tage vor diesem Brief am 12. August war er bei Kunersdorf von den verbündeten Russen und Österreichern vernichtend geschlagen worden und wären die Russen oder Österreicher zu diesem Zeitpunkt, als er am Boden lag, nach Berlin vorgedrungen, wäre es wohl mit Preußen vor der Zeit vorbei gewesen.

Wörtlich schrieb Friedrich an Heinrich:

„Ich verkündige Ihnen das Mirakel des Hauses Brandenburg. In der Zeit, da der Feind die Oder überschritten hatte und eine zweite Schlacht hätte wagen und den Krieg beendigen können, ist er von Müllrose nach Lieberose marschiert.“

Im zweiten Versailler Vertrag, der für Preußen noch bedrohlicher als der erste wurde, stockte Frankreich seine Truppenhilfe auf 100.000 Soldaten auf und zahlte 12 Millionen Gulden für weitere 10.000 deutsche Söldner, die mit Österreich gegen Preußen ziehen sollten. Als Gegenleistung verlangte es drei niederländische, ursprünglich brabantische Städte als Abrundung seiner Gebiete. Österreich erklärte sich bei weiterer Hilfe sogar dazu bereit  Frankreich die indirekte Kontrolle über die österreichischen Niederlande zu überlassen, indem erwogen wurde, Don Philip, den Herzog von Parma und Schwiegersohn Ludwigs XV., dort als Statthalter zu installieren, falls Österreich Schlesien zurückgewänne, was aber bis zum Untergang Preußens und der kuk Monarchie nicht mehr gelang.

Der zweite Versailler Vertrag war eine Reaktion auf Friedrichs Einmarsch in Sachsen Ende August 1756, mit der er den Siebenjährigen Krieg auslöste. Ob der damals noch junge Fritz dabei der Auslöser wirklich war oder nur vorbeugend reagierte wurde lange gestritten. Aus Sicht der Franzosen, Sachsen und Österreicher liegt eine klare Aggression Friedrichs vor, der Sachsen ohne Ankündigung angriff, wäre er auch ein schlechter Feldherr gewesen, wenn er seine Eroberung noch angemeldet hätte, wird jeder Militär einwenden, aber davon abgesehen, lag eine klare Aggression vor, militärisch wie strategisch. Vorausgegangen waren schon einige Gefechte der anderen Verbündeten im noch sieben Jahre währenden Krieg.

Begonnen hatte es zwischen Franzosen und Engländern in Nordamerika um Ohio, wo nach der Beschlagnahme französischer Handelsschiffe durch Großbritannien der Krieg unausweichlich schien. Als im Januar 1756 Briten und Preußen die Konvention von Westminster schlossen, in welcher beide Mächte garantierten Norddeutschland von fremden Truppen zu schützen, damals wurde England und Hannover von einer Krone gemeinsam regiert, sollte dieses Abkommen kein Affront gegen Österreich sein, weil Friedrich davon ausgehen musste, dass Österreich immer noch Frankreichs Hauptgegner wäre.Gleichzeitig nahm Friedrich an,  dass Russland nun nichts gegen ihn unternehmen könnte, ohne die Verträge mit Großbritannien zu verletzen. Für Georg II. von Hannover und England war dies Abkommen schlicht ein Schutz seiner Stammlande.

Für Frankreich aber war dieser Vertrag ein Problem, weil er sie an der Besetzung von Hannover hinderte, das sie als Faustpfand in ihrer Auseinandersetzung mit England in Amerika brauchten und dachten, leicht besetzen zu können, da englische Truppen anderweitig gebunden wären. In dieser Situation kam es unter Federführung von Kaunitz und der Pompadour zum ersten Vertrag von Versailles, dem Defensiv-Bündnis  zwischen Frankreich und Österreich, das eine klare Umkehrung der Allianzen bedeutete. Damit würde Frankreich Preußen in einem Krieg gegen Österreich nicht mehr beistehen. Gleichzeitig hatten österreichische Diplomaten bereits Kontakte zum russischen Hof geknüpft,  um ein Bündnis gegen Preußen auszuloten. Damit war Friedrich II. weitgehend isoliert und Österreich konnte sich voll auf die Wiedergewinnung Schlesiens konzentrieren und konnte dazu noch mit dem Beistand Russlands, eventuell Sachsens und Frankreichs rechnen.

Als dann im April französische Truppen die britische Insel Menorca besetzten und Truppen auf Korsika stationierten, eskalierte der Konflikt. Am 17. Mai  1756 erfolgte die offizielle Kriegserklärung Englands an Frankreich, die Frankreich wiederum mit der Kriegserklärung gegen Großbritannien am 9. Juni erwiderte.

Anders als die patriotische preußische und österreichische Geschichtsschreibung behauptete, verfolgten sowohl Österreich wie Preußen Ziele, die weit über die bloße Wiedergewinnung beziehungsweise Verteidigung Schlesiens hinausgingen. So bezeichnete Friedrich schon als Kronprinz Sachsen als nützlichste und größtmöglichste Erweiterung. Friedrich wollte eigentlich Sachsen oder zumindest die Niederlausitz gerne halten und dafür Sachsen mit Erfurt entschädigen, das zum Erzbistum Mainz gehörte. Alternativ hoffte er nach dem Tod des kranken sächsisch-polnischen Königs August III. dann Westpreußen zu erhalten, um die Landbrücke nach Ostpreußen zu schließen. Dann wäre er König von und nicht mehr nur in Preußen, was er erst viel später nach der ersten polnischen Teilung ohne Krieg dann doch noch wurde. Auch in seinem politischen Testament von 1768 wiederholte Friedrich die angestrebte Abrundung durch Einverleibung Westpreußens und Sachsens.

Wien wollte Friedrich schwächen und seinen Staat auf das Gebiet Kurbrandenburgs von 1614 zurückschrumpfen. Das war nur das Kerngebiet um die Mark Brandenburg. Der Rest sollte an die Bündnispartner verschachert werden, die Pläne waren bereits gemacht. Pommern und Hinterpommern sollte an Schweden fallen, was dem Bündnis gegen Friedrich dafür zusätzlich beitrat. Magdeburg sollte dafür an Sachsen gehen, falls Sachsen im Tausch die Lausitz an Österreich gäbe, deren schlesisches Gebiet es damit abrundete. Kleve und die Mark im Westen sollten dafür an die Kurpfalz gehen und Ostpreußen mit Polen vereint werden, wie es heute, von der russischen Exklave abgesehen, der Fall ist. Österreich kaufte sich seine Partner mit Versprechen auf den noch ungejagten Braten, was bei erfolgloser Jagd selten Freunde macht.

Großbritannien wollte neben der Verteidigung der Erblande in Hannover, Frankreich als Rivalen in den Kolonien Amerika und Indien am liebsten ganz verdrängen. Sollten die Franzosen helfen, Schlesien zurückzugewinnen, würde Österreich ihnen die Niederlande abtreten. Rußland sollte Kurland bekommen, da Polen als Verbündeter ja mit Ostpreußen entschädigt würde.

Als Friedrich durch Spione an den europäischen Höfen von den Petersburger und Versailler Verträgen erfuhr, ließ er sein Heer in Schlesien und Ostpreußen mobilisieren, um sich zumindest gegen Angriffe zu schützen. Dem immer mehr drohenden Angriff wollte Friedrich durch den Einmarsch in Sachsen noch zuvor kommen. Warum sich an dieser Stelle fragt, was ihm als Alternative geblieben wäre.

Der Einmarsch in Sachsen hatte militärische und wirtschaftliche Gründe. Militärisch wollte er durch die Besetzung des Erzgebirges einen Schutzwall gegen die österreichische Provinz Böhmen schaffen. Außerdem konnte er dann, die benötigten Kriegsmaterialien von Magdeburg aus die Elbe hinauf transportieren lassen, was die eigene Schlagkraft effektiv erhöhte. Wirtschaftlich sollte das reiche Sachsen schlicht die Kriegskasse des klammen preußischen Königs füllen. Er kam als ein Räuber. In dieser Situation wollte er Prag besetzen, um Maria Theresia aus der Situation der Überlegenheit zu  Friedensverhandlungen zwingen zu können. Dann hoffte er, würde ihn Rußland und die ihm nicht wohl gesonnene Zarin Elisabeth I. ihn nicht einfach angreifen.

Es gestaltete sich dann schwieriger und langwieriger als gedacht, auch wenn Friedrich noch in der Schlacht bei Leuthen, mit 33.000 Preußen den 66.000 Österreichern haushoch unterlegen, dank der schiefen Schlachtordnung einen glänzenden Sieg einfuhr, der ihm wohl auch den Namen der Große einbrachte, war er noch oft nahe dem Untergang, da er dank der geschickten österreichischen und damit auch kaiserlichen Diplomatie ganz Kontinentaleuropa gegen sich sah. So überlebten bei der verheerenden Niederlage in der Schlacht von Kunersdorf nur 3000 von 48.000 preußischen Soldaten.  Danach war der im Krieg häufig auch an Depressionen leidende Friedrich dem Selbstmord so nah wie nie zuvor. In der Schlacht hatte ihn auch eine Kugel tatsächlich getroffen und nur seine goldene Schnupftabaksdose hatte ihm das Leben gerettet. So verabschiedete Friedrich, der stets Gift in einem Amulett bei sich trug, für den Fall der Fälle, sich nach dieser Schlacht bereits von seinem Vertrauten Graf Finck von Finckenstein, weil er alles für verloren hielt und sein Unglück sei, dass er noch lebe.

Es kam am Ende anders, weil Elisabeth I. starb, ihr Peter III. folgte, der Frieden mit Friedrich schloss und seine ihn kurz darauf beseitigende Gattin Katharina die Große nichts an den Plänen ihres Mannes änderte, war doch die Anhaltinerin seit Kindertagen am Berliner Hof eine enge Freundin von Friedrichs Bruder Prinz Heinrich gewesen. Frankreich zog sich, nachdem es im kolonialen Krieg klar gegen England verlor, das nun die dominante Weltmacht in Übersee wurde, aus dem Kriegsgeschehen zurück und auch England verlor sein Interesse an dem nur kontinentalen Konflikt und so einigten sich Preußen und Österreich schließlich im Frieden von Hubertusburg 1763 nach sieben schrecklichen Jahren auf einen Frieden, mit dem alle leben konnten und der Preußen Schlesien erhielt.

Das blieb so bis zur Auflösung Preußens durch den Alliierten Kontrollratsbeschluss Nr.3. Danach war Preußen nur noch Geschichte, wie es Frankreich und Österreich bereits im zweiten Versailler Vertrag angestrebt hatten. Kämpfte das in Deutschland aufgegangene Preußen, das sich allerdings mit Österreich vereinigt hatte, doch zuvor gegen Russland, Frankreich, England und die USA und hatte weder Verbündeten noch Perspektiven.

Die heute erinnerten Versailler Verträge Nummer 1 und 2 zeigen, wie Bündnispolitik plötzlich gewohnte Welten auf den Kopf stellen kann. Geschickt hat Österreich damit Preußen unter Friedrich II. isoliert und es schien als habe er ganz Kontinentaleuropa gegen sich, denn mit Österreich und Frankreich waren auch Spanien, Parma, Russland und das Reich gegen ihn. Nach seinem illegalen Überfall auf Sachsen hatte der Reichstag sogar die Reichsexekution gegen Friedrich verhängt und nur Hannover als Verbündeten, das zwar mit Britannien vereint war, schien wenig. Da halfen auch Portugal, Sachsen-Gotha, Braunschweig-Wolfenbüttel, Hessen-Kassel und Schaumburg-Lippe nur bedingt.

Der rechtzeitige Tod seiner schärfsten Gegnerin, die Erfolge Englands in Übersee und damit der Rückzug Frankreichs und der Zuspruch für Friedrich aus der Bevölkerung im ganzen Reich, sehen wir von Sachsen und Österreich einmal ab, stärkten den König und ließen ihn gegen vielfach überlegene Gegner durchhalten, eine andere Chance hatte er nicht aus seiner Sicht und so  ist sein Einmarsch nach Sachsen zwar ein klar kriegerischer Akt der Aggression gewesen, der Friedrich völkerrechtlich vorgehalten werden könnte, wie der Einmarsch Russlands auf der Krim, nur das Sachsen nicht zur Hälfte mit Preußen besiedelt war, aber aus Friedrichs Sicht militärisch wie strategisch alternativlos gewesen, auch wenn sein Kalkül nicht so schnell aufging, wie er dachte, weil die auch seine Gegner stark waren, zahlenmäßig ohnehin überlegen und wie er längst den Krieg suchten.

Wer war nun der Aggressor, in einer Situation in der sich eine Seite bedroht sah und die andere nur darauf wartete, den aufmüpfigen König in die Schranken zu weisen?

Beginnt einen Krieg, wer faktisch einmarschiert oder wer Bündnisse schmiedet, die den anderen schon vor jedem Krieg erwürgen und begrenzen?

War Putin der Aggressor oder wollte er nur den einzig sicher eisfreien Hafen der russischen Flotte verteidigen, als die USA auf die Aufnahme der Ukraine in die NATO und die Provokation Russlands drängten?

Wird eine militärische Okkupation legitim, nur weil sie strategisch verständlich und eine politisch gute Abrundung der eigenen Territorien ist?

War Friedrich nun der Große oder ein Erzhalunke wie Putin?

Die Geschichte mit den 3 Erzhuren am Ende noch. Friedrich nannte Maria Theresia, Zarin Elisabeth I. und Madame Pompadour so. Damit drückte er seine Verzweiflung über die nun Verschwörung der drei gegen ihn nach den Verträgen von Versailles und Petersburg aus, die ihn isolierten und zur Aggression quasi zwangen, wollte er sich nicht vorab geschlagen geben. Für eine Lösung im Verhandlungswege sah er keinen Raum mehr. Vor allem wusste er nicht, wie er Schlesien gegen diese Übermacht verteidigen sollte. Erzhuren war eine besondere Beleidigung der Majestäten Maria Theresia und Elisabeth, die sie mit der Geliebten des Königs von Frankreich gleichsetzten. Zugleich beschreibt es auch Friedrichs Haltung zu Frauen, zu denen er, außer zu seiner Schwester und seiner Mutter, selten überhaupt einen Draht fand. Dennoch fragt sich 550.000 Tote später, ob das Ergebnis von Hubertusburg, das nur festschrieb, was schon vorher galt, nicht auf friedlichem Wege besser hätte erreicht werden können, wer dafür verantwortlich war.

Sehen wir den Vergleich mit Putin, der sich wie Friedrich einfach nahm, was für ihn militärisch wie strategisch unentbehrlich war, damit aber klar gegen Völkerrecht verstieß, fragt sich, ob die NATO gut beraten ist, weiter Druck auszuüben, um den Aggressor in die Schranken zu weisen oder dies nur die Kriegsgefahr erhöht. Der größte Erfolg Putins in der Blockadeauseinandersetzung ist derzeit ein strategischer in der Propaganda, indem er den von ihm finanzierten AfD und den Front National in seinen Propaganda Medien der Rechten erfolgreich stärkt, damit die Demokratien in Europa nervös macht, dort Bürgerkriege mit dem Mittel der Angst etwa vor Flüchtlingen fast schürt. Dem nur eine militärische Drohung an der russischen Grenze etwa im Baltikum oder der Ukraine entgegenzusetzen, dürfte wenig zielführend sein. Ob da nicht Verhandlungen mit Russland als Partner, der sich europäischem Recht unterwerfen müsste, weiterführten, könnte einer Lösung näher kommen als die Spiele der Provokation.

Hätte Friedrich, statt hoffnungslos unterlegen gegen die neuen Bündnisse Sachsen zu überfallen, um dem Untergang vorzubeugen, lieber auf Verhandlungen setzen sollen?

Was hätte Maria Theresia, der Schlesien geraubt wurde wie der Ukraine die Krim, tun sollen, um ihr Land zurück zu bekommen?

Was wäre Putin in dieser Situation zu raten?

Ist es sinnvoll, eine östliche Front zu eröffnen, während im Süden die Auseinandersetzung mit religiösen Extremisten eskaliert, weil die bisherigen Staaten nach vorigen Interventionen zusammenbrachen?

Wie könnten Bündnisse aussehen, die den Frieden weltweit förderten, statt die Eskalation hier wie dort zu verschärfen?

Ist es klug nach Putins Rückwendung zur Sowjetunion und Erdogans Hinwendung zum osmanischen Reich, sich nur der Mittel des Kalten Krieges zu erinnern?

Was raten wir Kindern, die sich immer mehr bedrohen?

Wie gehen wir im zivilen Leben mit Menschen um, die andere bedrohen?

Bündnisse die sich gegen andere richten, sollten endlich Geschichte sein, sie führen stets nur zu einer Eskalation der Gewalt und mehr  Brutalität der Konflikte. Suchen wir uns lieber Bündnisse, die für etwas sind und Perspektiven schaffen. Eröffnen wir Gegnern Wege, statt ihnen Mauern vor die Nase zu bauen, steigen die Chancen in Frieden zu leben.
jens tuengerthal 1. Mai 2016