Mittwoch, 6. April 2016
Frauenliebe 045
Es ist Frühling und wieder sitze ich vor meinem Lieblingscafé, neben mir plaudern zwei schöne junge Frauen in blond und dunkel und ich erinnere mich, wie ich drei hier kennenlernte,weil sie mich ansprachen, während ich dort saß und schrieb.
Das Café Misirlou liegt direkt an der schmalen Ostseite des Helmholtzplatzes, hier kommt die letzte Sonne an langen Sommerabenden hin und die Bürgersteige sind so breit, dass zwischen den Bäumen an der Straße und dem Café noch mehr Platz ist, wenn in den Cafés zwei Reihen Tische stehen, als es in Kleinstädten auf den dort schmalen Gehsteigen sonst je ist. Die Laternen leuchten gelblich hier im Osten auf dem Berg, ab und zu fahren Autos vorbei und die Parkplätze sind längst besetzt, wenn selten mal einer frei wird, füllt er sich so schnell wieder, dass unbemerkt wohl doch ständiger Verkehr ist, der lautlos kaum über das hier Kopfsteinpflaster vorüber gleiten kann.
Es war im Sommer, als mich die erste ansprach, die mit ihren Freundinnen an einem langen Tisch saß. Eine Gruppe von Frauen, wie sie hier meist so sind, eher ungeschminkt, dezenter Chic und beim Wein oder Apperolspritz plaudernd. Hatte sie beobachtet, kannte aber keine von ihnen, die eine oder andere schien mir attraktiv, machte neugierig, aber ich war ja mit Dichten beschäftigt, saß hier, um zu schreiben, nicht, um Frauen kennenzulernen. Noch nie hatte ich hier im Café eine einfach so kennengelernt, verabredet hatte ich mich schon mit mancher hier, mit einigen kam ich davor mit anderen erst danach.
Mein Lieblingscafé, das eigentlich eine Bar ist, zumindest des Nachts und dem Namen nach, aber wer will das schon an einem milden Sommerabend so streng unterscheiden. Die Stimmung am Nachbartisch war ausgelassen und sie planten wohl ein Picknick, was ich gehört hatte. Sollten sie mal, ich schrieb über Lust und Liebe in Sommer und meine Lieben im Netz, die meine Worte lasen und manchmal auch kamen, um da zu sein, mit mir Lust und Liebe zu teilen.
Da schaute eine vom Nachbartisch, die mir am nächsten saß, auf meinen Rechner, was ich denn da schrieb und ich grinste sie an, zog die Brauen hoch, fragte, ob sie neugierig sei und sie reagierte lustig und offen mit leicht norddeutschem Klang in der Stimme. Sie war mir sofort sympathisch und die Dichtung wurde zeitweise zugunsten des Gesprächs zurückgestellt.
Dunkle Haare, die sie hochgesteckt trug, schöne offene Augen und ein bezauberndes Lachen begeisterten mich. Eine frauliche Figur und ein ruhigerer, nachdenklicherer Geist als ihre Freundin, die Wortführerin in der Damenrunde, die schon alles tat, das Picknick zu organisieren aber ähnlich schnell trank wie meine neue Bekannte, die mich nur als Tischbekanntschaft erfreute, ohne bisher weiter zu denken, und ich erzählte ihr von meinem Schreiben, meinen Blogs und der Dichtung überhaupt und sie konnte zuhören, war dabei auch leicht angetrunken noch so aufmerksam, dass sie witzige Bemerkungen zwischendurch machte, keine Intellektuelle, eher eine Technikerin, dachte ich und tatsächlich war die erste, die mich ansprach im Café, eine Programmiererin und arbeitete so in einer Welt, von der ich nur theoretisch Ahnung hatte, was mich die mir immer schöner erscheinende noch bewundern ließ, als ich ohnehin gerne jede Frau bewundere, der ich näher kommen durfte.
Dann kam ein Freund von mir vorbei, nur auf ein Bier wollte er bleiben und blieb dann doch länger mit der langsam schrumpfenden Damenrunde, die über Männer, Urlaub, Politik und Kinder gesprochen hatten, wobei die Wortführerin zu allem etwas sagte, während die von mir ausgeschaute, die ja in Wirklichkeit mich angesprochen hatte, mehr zuhörte ab und an lächelte und so mit nichts noch mehr mein Herz gewann und begeistert sagte ich zu, als mich ihre Freundin spontan auch noch zum morgigen Picknick einlud, das im Monbijou-Park stattfinden solte. Mein Freund war auch begeistert, sagte erst zu und entschuldigte sich dann, weil er doch schon irgendeine andere Einladung hatte, worüber ich nicht böse war.
Brachte meinen neuen Schwarm noch am Ende des Abend, der lang und angeheitert wurde, längst morgen also war, zu ihrem Rad, doch noch gab es keinen Kuss, nur Bussis zum Abschied und eine Umarmung.
Weiter ging diese Geschichte dann beim Picknick, fern des Platzes, in Mitte eben, wo wir uns in den frühen Morgenstunden nach wieder sehr viel Wein zum ersten mal küssten und ich schmolz dahin, wollte die Nacht mir ihr verbringen, woraus dann wieder nichts wurde, weil einige der Mädels noch in einen benachbarten Club fuhren und ich im schon Morgengrauen mein Rad mit dem riesigen Picknickkorb und meinem als Salatschüssel genutzten Wok ziemlich angetrunken lieber nach Hause schob, warum es bereits hell war, als ich alleine in mein Bett fand.
Immerhin hatten wir Nummern getauscht und wollten uns wiedersehen. Das taten wir auch, diesmal zu zweit, am späten Nachmittag auf einen Tee im bereits bekannten Café und von großer Leidenschaft war nichts mehr zu spüren. Sie ließ sich Zeit und mich zappeln, vielleicht weil sie unentschlossen immer in dieser Hinsicht war, vielleicht, weil sie es ernst meinte und es nicht verspielen wollte - vermutlich waren die Zweifel stärker als die Begeisterung sage ich nun im Nachhinein, wo wir uns lange später nochmal trafen, um über den irgendwann verunglückten Flirt eines Sommers zu reden, uns wieder zu betrinken und Freunde zu bleiben.
Davor aber erlebte ich mit der wunderbaren Liebe aus dem Café, die irgendwann doch mit zu mir gekommen und in meinem Bett gelandet war, wo ich in völliger Begeisterung ob der Schönheit ihres großen und festen Busens ausbrach, ansonsten weniger Erfüllung in der Lust mit ihr fand als sie, um die ich mich immer mit der üblichen Begeisterung kümmerte und mich dabei vergaß, die aber dabei so locker sie sonst war, etwas reserviert blieb, was aber bei den Geschichten vom Platz und aus dem Café weniger eine Rolle spielt, noch traumhaft schöne Stunden mit einer Flasche Wein oder auch mehreren auf einer Bank im Park.
Nach dem ersten Versuch, als ich ihr Zögern bemerkte und mich nicht aufdrängen wollte, hatte ich das Thema schon abgehakt, dachte gut, dann plaudern wir nett, über Geschichte und Philosophie und bleiben Freunde. Zweimal saßen wir so beim Wein auf einer Bank und genossen die Sommernächte unter Sternen am Platz, der in den Nächten des Sommers ein Leben für sich führt. War ohne jede Erwartung, was sie wohl reizte, denn nichts wollen, war auch nicht gut, warum sie sich am Ende einer langen Nacht auf der Bank am Platz wieder auf meinen Schoß setzte und mich völlig unerwartet küsste und fragte, ob ich nicht mit zu ihr kommen wollte, weil ihr Bett doch breiter sei als das meine, das sie von dem einen gescheiterten Versuch zusammen zu schlafen doch schon kannte.
Begeistert erwiderte ich ihre Küsse ein, freute mich, dass sich der anfängliche Traum mit leichter Verzögerung und nach dem ersten Versuch miteinander Sex zu haben, doch noch in einer gemeinsamen Nacht endete und wollte nur meine Zahnbürste bei mir oben holen, vor dessen Haus wir ja im Park auf der Bank gesessen hatten und wir gingen hinauf, auch um Gläser und leere Flaschen zu entsorgen.
Oben dann, verschwand sie kurz auf dem Klo und ich wartete und wartete, wunderte mich, aber dachte nur, so sind Frauen eben manchmal und als sie wieder herauskam, sagte sie nur, sie wolle jetzt doch lieber allein nach Hause gehen und ich war perplex und dann ein wenig angesäuert. Sie hatte es inszeniert, angefangen, mich heiß gemacht, nachdem ich mir nach langen Gesprächen die Verliebtheit schon aus dem Kopf geschlagen hatte, die verlorene Hoffung wieder geweckt, um mich eine halbe Stunde später, wieder vor den Kopf zu stoßen.
Nun hatte ich wirklich genug von meiner ersten Café Bekanntschaft, mit der ich mangels Gegenseitigkeit immer noch keine Befriedigung gefunden hatte. Dies war vermutlich auch der Grund meiner mangelnden Gelassenheit, die sie mir danach eine längere Zeit verständlicherweise etwas übel nahm, aber schließlich doch mit selbst schlechtem Gewissen ihres blöden Verhaltens wegen verzieh und wir trafen uns nochmal im Café am Platz, betranken uns noch mehr als die male davor und als ich sah, wie sie trunken ihr Rad besteigen wollte, hinderte ich sie daran und brachte sie im plötzlich einsetzenden Gewitter noch nach Hause, was sie dankbar annahm, die doppelt so viel, wie ich getrunken hatte, der schon deutlich zu viel des guten Weins intus hatte. Es war theoretisch der Anfang einer wunderbaren Freundschaft ohne weitere Erwartung, bei dem sie mir am Abend riet, den Frauen mehr Zeit zu lassen, damit sie entdecken könnten, was ich doch für ein wunderbarer Mann sei und ich fühlte mich im Schatten dieser Komplimente großartig, als ich nass vom Regen wieder bei mir ankam - hatte sie als Gentleman nach Hause gebracht, sich mit einem Bussi verabschiedet und so bleibt manche Lust ewig unerfüllt und weicht dafür einer Freundschaft am Platz.
Im gleichen Sommer sprach mich die zweite an, mit der ich sogar an einem Tisch vor dem Café saß und die wie ich hinter ihrem Rechner saß und schrieb, bis wir irgendwann auf ihre Initiative hin ins Gespräch kamen und sie neugierig wurde den Dichter kennenzulernen. Sie war Professorin für Film irgendwo und kam ursprünglich aus Lübeck, was ich sofort am leicht nordischen Zungenschlag hörte.
Sie war sehr groß und blond. Eine gebildete, kultivierte Frau, ein wenig älter als ich, sehr schlank, mit eher mädchenhafter Figur und einem schönen klugen Gesicht zu ihrer eigentlich Model-Figur mit den ewig langen Beinen - aber sie war überhaupt kein Modeltyp, eher einen Hauch alternativ und vor allem eine kluge Frau aus dem Norden, die Thomas Mann liebte und ich war drauf und dran mich völlig zu verlieben.
Riskierte erste Berührungen, die sie erwiderte, irgendwann küssten wir uns und sie kam mit zu mir. Leider war ich zu diesem Zeitpunkt noch etwas schwach in der Prioritätensetzung und so landeten wir zwar am Ende bei mir im Bett und sie hatte vor meinen Mann Ausgaben andächtig gestanden wie auch sonst vor meiner Bibliothek und es wurde schön im Bett auch wenn wir es nur relativ konnventionell taten, freute ich mich an einer nicht nackt rasierten Frau in deren Geist ich noch mehr verliebt war als in ihren Körper, der wunderschön war, keine Frage, aber weniger wichtig gerade. Doch ich Idiot schaute auf mein Telefon, als sie auf Klo war und schrieb mit meiner eigentlich anderen Freundin zu diesem Zeitpunkt, die nie zu mir passte und bei der es auch nur bei einer zweimaligen Begegnung bliebt, die es aber gab und die 17 Jahre jünger als ich war und rote Haare hatte und sie, die klug war und mich schon im´Café genau beobachtet hatte, reagierte darauf verständlich und verabschiedete sich freundlich und es half kein betteln und keine Liebesschwüre, ich sah sie nie wieder, was bedauerlich war, wovon ich lernte, nie wieder im falschen Moment auf mein Telefon zu schauen und den inneren Prioritäten konsequent zu folgen, statt zu versuchen, alles haben zu wollen, wovon meist nichts bleibt, sich zu entscheiden, wenn es passt und dem Gefühl zu trauen.
Die Dritte, die mich in meinem Lieblingscafé ansprach, war dort auch ein Stammgast, wohnte nebenan und kannte auch den Betreiber noch näher als wir uns je kennenlernten, aber das ist eine andere Geschichte, von der ich hier nichts erzählen kann und will, weil ichh von Lust und Liebe der anderen nichts weiß.
Sie setzte sich zu mir und sprach mich mit ihrem leicht süddeutschen Dialekt, der mehr aus dem Klang als aus Grammatik und Wortwahl zu hören war, sie sprach hochdeutsch, war gebildet und offen. Mochte sie sofort, eine klasse Frau, die noch dazu im Museumsbereich arbeitete, Ausstellungen als Unternehmerin konzipierte - ein Traum, ich war begeistert und bedauerte schon, dass noch ein Tisch zwischen uns stand.
So nutzte ich die Gelegenheit, als ich vom Klo kam, vor ihr stehen zu bleiben und zu sehen, wie weit ich gehen könnte und wir küssten uns nach kurzem Zögern. Begeistert von dieser Frau und dem wunderbaren Moment, wieder hatte mich eine angesprochen, die mich schon vorher häufiger schreibend beobachtet hatte und neugierig geworden war, wer der Schreiberling wohl war und ich hatte sie immer übersehen in meine Wortwelten vertieft.
Eine wunderbare Frau, die mich geistig noch mehr als körperlich reizte, ich hatte sie übersehen, der ich sonst immer als Flaneur beobachte, weil sie mich als Frau auf den ersten Blick überhaupt nicht ansprach, dafür auf den zweiten geistig um so mehr begeisterte mit ihrer Arbeit, den zufällig gemeinsamen Bekannten, ihrer geistigen Haltung und zu sehr viel mehr kamen wir nicht mehr, als wir uns schließlich nach innen verzogen, um nebeinander auf dem Sofa in der Ecke des Raucherraums Platz zu nehmen und irgendwann dann doch mehr zu knutschen als zu reden aber das war nun auch gut so.
Wir blieben so lange, bis es deutlich wurde, dass sie lieber schließen wollten, wir fast die letzten waren und ich ging fest davon aus, dass wir gemeinsam nun bei ihr oder bei mir in der Horizontale landen würden. Doch diese Vorstellung sollte täuschen.
Stattdessen knutschten wir auf der Straße vor ihrer Tür weiter, die ja quasi nebenan war und selten oder nie, war ich einer begegnet, die noch näher an meinem Lieblingscafé wohnte als ich. Im Zauber der Spätsommmernacht, die schon fast Morgen wurde, aber doch einsam genug war, nur von gelegentlichen Fußgängern unterbrochen, taten wir alles miteinander, was auf der Straße noch irgend möglich war, ohne sich völlig auszuziehen und eigentlich taten wir sogar mehr als noch wohl zulässig war, wäre ein Nachtwächter oder Polizist vorbeigekommen und hätte uns dabei beobachtet - doch kam keiner und jenseits der angeheiterten Leidenschaft, fand ich dann doch noch, vielleicht bedauerlicherweise die Beherrschung wieder, die mich vorschlagen ließ nun doch zu ihr oder zu mir gehen, um uns nicht der öffentlichen Unsittlichkeit strafbar zu machen, was ich augenzwinkernd und lachend bemerkte. Das aber wollte sie nicht, weder zu mir, noch mich zu sich mitnnehmen und so ließen wir es bei der Leidenschaft auf dem Bürgersteig neben dem längst geschlossenen Lieblingscafé, das eine Bar ist.
Euphorisiert von dieser spannenden Frau, voller noch unbefriedigter Lust schrieb ich ihr noch in der Nacht heiße Gedichte voller Gefühl und Verehrung auf die keine Antwort kam, tagelang nichts und auf meine wiederholte schon zurückhaltendere Nachfrage hin, ein so habe sie das nicht gemeint und sie wollte gar nicht so weit gehen - dann war es eben ein heißer Flirt und ein geplatzter Traum, schade, dachte ich, aber was sollte ich um nichts trauern, genoss ich lieber, was war in der Erinnerung.
Wir sahen uns noch einige male im Café, plauderten nett, sie sah mich mit meiner großen Liebe und fand sie schön und sehr sympathisch, meinte wir passten gut und ich hatte sie wieder nicht bemerkt, als ich mit der anderen des Nachts am Platz an ihr vobei gelaufen war.
So wurde aus den drei Liebesgeschichten, die mit Frauen begannen, die mich im Café ansprachen nie etwas, aus völlig unterschiedlichen Gründen, doch hat es mein liebstes Café, das eigentlich eine Bar ist, des Nachts zumindest, mir noch lieber und vertrauter gemacht und so schrieb ich auch diese Zeilen wieder dort, erst auf der Straße und als der Gewittersturm aufzog schließlich auf einem der uralten Sessel im hier Raucherraum, wo nebenan eine Gruppe griechisch plauderte, was zu diesem Laden gehört wie viele andere Sprachen, die hier gesprochen werden von Gästen oder denen, die hier arbeiten. Bunt und wechselnd wie die Bilder an den Wänden bei der immer etwas schummerigen Beleuchtung, die es so gemütlich hier macht und so begegnet sich hier auch überraschend die Lust, um sich an ihr zu freuen und zieht weiter um den Platz, lächelt sich an, wenn sie sich sieht - ein Leben und Lieben um den Platz und in seinen Cafés.
Drei völlig verschiedene Frauen, die nur gemeinsam haben, dass sie mich ansprachen und es zauberhaft voller Hoffnung begann und in einer netten Erinnerung endeten. Am intensivsten und spontan nächsten kam mir wohl die zweite, mit der ich bei mir glücklich schlief und die auch gerne mit mir glücklich vielleicht geworden wäre, wenn ich da gewesen wäre, statt nicht wirklich da und unentschlossen. Die erste kam mir über die Zeit und das hin und her am nächsten und verletzte mich darum am meisten, gab mir dafür im Gespräch, nachdem wir uns verloren hatten, mehr als viele Frauen je, denen ich näher kam. Wobei ich mich schon frage, wie ich einer Frau näher kommen sollte, als in ihr zu sein, was ich ja unerfüllt war. Die dritte und letzte, die mich hier ansprach, hat mich durch ihre Arbeit und ihre Art am meisten angeregt. So bleibt viel von dem eigentlich Nichts in mir übrig, während ich wieder im Misirlou sitze, die Schönen beobachte, die hier ein- und ausgehen oder auf einen Wein bleiben und warte, wie immer schreibend, nicht darauf angesprochen zu werden, bin nur ein beobachtender Flaneur in dieser Welt nebenan, in der immer wieder längst vertraute Gesichter grüßend auftauchen, manchmal einen Moment plaudern, ohne das ich jemanden kennen würde, bemerken wir einander doch irgendwie und spüren, was mit dem anderen los ist, wenn wir uns nicht nur etwas vorspielen in den Nächten im Halbdunkel.
jens tuengerthal 5.4.2016
Dienstag, 5. April 2016
Kulturgeschichten 0180
Was macht einen Herrscher groß, wann stellen wir das fest und was bewirkt das Gegenteil?
Am 5. April 1355 wird Karl IV. in Rom zum römisch-deutschen Kaiser gekrönt. Gleichzeitig erfolgt auch die Krönung seiner Frau Anna von Schweidnitz zur Kaiserin des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nationen. Karl IV. gilt als einer der bedeutendsten Herrscher des ausgehenden Mittelalters und zählt zu den einflussreichsten europäischen Herrschern jener Zeit.
Als Königin oder Kaiserin Europas galt lange und gilt vielen immer noch Merkel, die still ihre Fäden zog, bevor sie im Glanz ihrer Macht auch so auftrat, eine Meinung vertrat, statt nur beamtisch das eben notwendige zu tun, ihr handeln bescheiden als alternativlos zu bezeichnen. Die Kanzlerin sieht sich derzeit, Angriffen von allen Seiten ausgesetzt.
Alte Feinde ihres schwäbischen Sparkurses freuen sich und suchen ihr vorige Machtpolitik heimzuzahlen, tragen stets den Dolch im Gewand, sie mit Gewalt natürlich nur von hinten zu stoppen. So wird eine Einladung des altersschwachen Helmut Kohl, ihres einstiegen Ziehvaters an den Ungarn Orban übermittelt, mit dem sich kein demokratischer Europäer noch gerne zeigt, der keine Lösung hat, aber Merkel schaden möchte, um seine nationalistische Politik durchzusetzen und so übt der Alte von Oggersheim aus Rache wie einst der raunende Bismarck aus dem Sachsenwald, nur dass es einfach offenbart, wie vorgestrig die Politik ihrer Gegner ist, die bereits senile weit über achtzigjährige als Fürsprecher braucht, um wahrgenommen zu werden.
Frühere politische Gegner sind verwirrt, weil sie ihr nichts entgegensetzen könnnen, sie verteidigen müssen, auch wenn ihnen manches sonst nicht passt, sie nicht wissen, was sie sagen sollen, wer gegen Merkel Partei ergreift, verteidigt ihre Gegner aus dem Lager der Rechtsradikalen und Feinde der Demokratie oder ist CSU Bayer, was beides aber nicht ganz und noch etwas anderes auch ist.
Politische Freunde sind auch verwirrt, wird doch die Kanzlerin in ihrer Politik für die Mitte derzeit verbal ständig rechts von peinlichen Sozialdemokraten überholt, die nicht mehr wissen, wie sie noch gute Menschen und dennoch eigenständig sein sollen, wirtschaftspolitisch ihr Klientel verraten und sich zugleich rechts von einer CDU Kanzlerin positionieren wollen, ohne ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren, logisch also an Schizophrenie leiden und entsprechend wenig von den Wählern geachtet werden.
Neue Feinde rechtsaußen, die sich vor Zuwanderung fürchten und innerlich noch den Rassenideen eines nationalsozialistischen Deutschland mit Blut und Boden anhängen, keifen laut und wollen die Kanzlerin am liebsten hängen sehen - der Ton gegen sie auch in der Partei wird giftiger und schärfer, wobei die Kanzlerpartei noch nicht genau weiß, was sie eigentlich will und wo es hingeht, während Merkel mit dem Autokraten Erdogan schlechte Deals aushandelt, um Zeit zu gewinnen für ihren richtigen und vernünftigen Kurs, wenn sie denn einen hat und nicht nur auf Notwendigkeiten alternativlos reagiert.
Ihre Größe wird daran gemessen werden, wie sie Europa zusammenhält und die Krisen überwindet - die verbalen Ausrutscher und der Hass ihrer Feinde stärken sie politisch nur, weil sich die Kanzlerpartei gegen Angriffe von außen noch immer eng zusammenschloss und die CSU dort keiner zu ernst nimmt, nur akzeptiert und toleriert. Sollte sie die Steuersümpfe trocken legen, die gerade wieder dank der Panama-Papers offenbar wurden, London zum Handeln in seinen Oasen zwingen, wenn es sich nicht aus dem Bündnis der Rechtsstaaten verabschieden will und wie lange noch die Briten dies mittragen, scheint mehr als fraglich.
So gesehen könnte die Könign Europas diese kleine Krise gelassen überstehen, auch wenn noch lästige Landtagswahlen anstehen und der hässliche Wurmfortsatz AfD dem Ansehen Deutschlands in der Welt schadet, wird er sie nicht stürzen, sondern nur stärken, weil sie noch alternativloser wird angesichts der peinlichen Populisten und ihres Narrenstadels zwischen Pegida, CSU und NPD, den Deutschland nicht braucht, der aber letztlich nur die Mitte stärken wird. Ein Urteil über ihre Herrschaft ergibt sich daraus aber noch nicht, sondern hängt an verschiedenen Faktoren, deren Wirkung sich erst langfristig zeigen werden.
Obama, der mit großer Bugwelle und Nobelpreis gestartet ist, landete hart auf dem Boden der Realität, in der sich die USA im System gegenseitiger Kontrolle nahezu überhaupt nicht bewegen können, was die Macht des Präsidenten sinnvoll beschränkt aber Entwicklung im reinen Mehrheitssystem auch dauerhaft ausbremst, Stagnation fördert. Aber hängt Größe von Herrschaft an den Veränderungen, mehr am Erhalt oder gar an etwas Drittem, das wir noch nicht benannten und was schwer zu fassen scheint?
Kohl, der vieles nur aussaß, galt nach der Einheit als Großer ohne welche ihn wohl ein Lafontaine weggefegt hätte, der mit später geringerer Bedeutung mangels äußerer Größe nie mehr klar kam und sie mit jüngeren Frauen kompensieren musste. Was macht davon Größe aus, außer aus dem kleinen Saarland zu kommen?
Was wird von einem Schröder bleiben, außer den Mut zur Hartz IV Reform gehabt zu haben? Wo hat er Größe bewiesen? Genügt ein Rilke Gedicht in Paris und Zigarren im Kanzleramt?
Wird Seehofer der Schreihals, der in all seinen Projekten und Forderungen lauthals versagte und nichts als Ärger erzeugte, als peinlichster Ministerpräsident in die peinliche Geschichte eingehen, woran bemisst sich im Land Größe?
Wird ein Klaus Wowereit am politischen Versagen beim BER gemessen, an mangelhafter Integrationspolitik bei hohen Schulden oder am schwulen Geständnis und fröhlicher Repräsentation auf den Partys der Hauptstadt?
Warum ist Elisabeth I. fraglos eine große Königin, während bei Elisabeth II., gegen die es nichts zu sagen gibt, mancher fragt, was ihre Größe für Britanien ausmachte als die Dauer der Zeit?
Was scheint uns über die Zeiten groß und welche nur Repräsentanten der Macht vergessen wir schnell wieder, kaum haben wir ihren Namen gehört?
Hinterlässt alter Adel und Familie mehr Spuren in der Politik oder gerade nicht mehr?
Karl IV. der, als er 1355 in Rom zum Kaiser gekrönt wurde, schon neun Jahre gewählter römisch-deutscher König war und acht Jahre zuvor zum König von Böhmen gekrönt wurde, war zumindest noch ganz frischer König von Italien und damit Träger der lombardischen Eisenkrone, als der Papst dem Luxemburger die heilige römisch deutsche Kaiserwürde verlieh, bekam nochmal zehn Jahre später 1365 auch noch die Krone von Burgund.
Getauft wurde Karl eigentlich Wenzel, womit seine Eltern dem Schwiegervater gedachten, Wenzel II., der noch vor Karls Vater, Johann von Luxemburg, der auch als Johann der Blinde bekannt wurde, in Böhmen und Ungarn König war. Karl wurde am Hof des französischen Königs Karl V. erzogen, der gute Kontakte zu den Luxemburgern unterhielt und dem jungen Prinzen eine umfassende Bildung zukommen ließ, was für sein späteres Wirken von Bedeutung sein sollte. Vater und Sohn waren dabei sehr unterschiedlich, während Johann als sehr verwegen und ritterlich galt, prompt auch im Kampf starb, war Karl Tunieren eher abgeneigt und galt als nachdenklich.
Nach seiner Autobiografie beherrschte Karl fünf Sprachen, Latein, Deutsch, Tschechisch, Italienisch und Französisch. Er war von seinem Erzieher am französischen Hof, dem dann Papst Klemens VI. bereits gegen Ludwig den Bayern gefördert worden und mit Unterstützung seines Onkels Balduin von Trier, einem dem mächtigsten Kurfürsten, zum Gegenkönig 1346 gewählt worden, und am falschen Ort in Bonn gekrönt worden, warum er sich 1349 noch einmal in Frankfurt wählen und in Aachen krönen ließ, was sich wegen einer Wallfahrt mit Geißlern gegen die überall Pest einige Tage verzögerte. Karl festigte seine Macht durch ein Heiratsbündnis mit den Pfalzgrafen und dem falschen Woldemar, der angeblich ein Nachkomme der Askanier war, später einigte er sich auch noch mit den Wittelsbachern und den Habsburgern, was seine Macht konsolidierte.
Während er seine Herrschaft festigte, wurde Europa von schweren Pestepidemien heimgesucht und die daraus von ungebildeter Bevölkerung folgenden Judenprogrome, da die Masse der Ungebildeten Schuldige suchte, wie heute in Sachsen und anderen Regionen vor allem Neufünflands. Dies tolerierte der Kaiser zwar nicht direkt, doch indem er der Stadt Frankfurt sein Judenregal verkaufte, das die Juden gegen Geldzahlung unter kaiserlichen Schutz stellte, leistete er der Verfolgung zumindest Vorschub und schritt nicht gegen sie ein. Karl schützte zwar die Juden in seinem Herrschaftsbereich sehr effektiv, jedoch reagierte er auf die Städte, in denen Progrome stattfanden eher pragmatisch und wurde so zum Mittäter am massenhaften Judenmord.
Die Kaiserkrönung in Rom wurde nicht von Papst Innozenz VI. selbst durchgeführt, da dieser, wie alle Päpste seit Clemens V. nur in Avignon residierte, sondern von einem beauftragten Kardinal. Sein Verhalten gegenüber dem Vatikan brachte ihm die Bezeichung Pfaffenkönig ein, was so wohl übertrieben scheint aus historischer Betrachtung, allerdings setzte er mehr auf ein Einvernehmen mit dem Papst als auf Konfrontation. Die Italienzüge des Kaisers erreichten eigentlich nichts, außer die Zahlung fälliger Tribute und die Anerkennung seiner Stellung als Kaiser auch durch Florenz und Mailand. So bezeichnete etwa der zeitgleich lebende Petrarca seine Politik als die eines Kaufmanns, was keine ritterliche Ehre war, aber pragmatisch effektiv schien und denken wir an unsere Zeit und überlegen, wer pragmatisch handelt, statt sich im dogmatischen Streit zu verlieren, wird offenbar, dass die Kanzlerin, dem Geschrei ihrer Gegner zum Trotz gerade vermutlich mehr an ihrer Größe arbeitet als ihre hysterischen Gegner, die ständig hyperventilierend vor Angst nach Luft schnappen aus Sorge ums Vaterland.
Mit Frankeich pflegte er weiter die freundlichen Kontakte aus Kinderzeiten und vermied jeden Konflikt, entließ Avignon aus der Lehensherrschaft seines Imperiums, gab die Stellung als Reichsverweser für Burgund, aus dem Erbe des Vaters seiner Frau, wieder auf, löste aber Genf und Savoyen aus dem Königreich Burgund und gliederte beide direkt ins Reich ein, was das Könirgreich in Italien räumllich einte.
Der wichtigste Beschluss, den Karl durchsetzte, war die Goldene Bulle, jene Verfassung des Reiches, die danach bis zu seiner Auflösung 1806 Gültigkeit hatte. Dabei ist strittig, ob die darin genau geregelten Bedingungen der Wahl eher ein Erfolg des Kaisers oder der Kurfürsten war. Bemerkenswert ist, dass die Bestätigung durch den Papst in der Goldenen Bulle nicht mehr als Notwendigkeit geregelt wurde, damit auch faktisch entbehrlich wurde. Bis zum Ende des Reiches über 400 Jahre später, wurde die dynastische Tradition der Luxemburger und der ihnen eng verwandten Habsburger nur noch durch zwei Wittelsbacher unterbrochen, Ruprecht von der Pfalz, wie Karl VII. von Bayern, der auf Maria-Theresias Vater folgte und eine Folge der pragmatischen Sanktion als Ausreißer nur war, die Rache der Kurfürsten für die Inthronisierung Maria-Theresias.
Karl wurde auf die Hanse aufmerksam und besuchte Lübeck, sein Versuch Tangermünde als neue Residenz und Hauptstadt in Brandenburg aufzubauen scheiterte jedoch und verlief sich unter den Nachfolgern, auch wenn die Hohenzollern dort zunächst anfingen, ließen sie das Nest doch lieber für die Spreeinsel, aus der das spätere Berlin erwuchs, im märkischen Sand versauern. Das ursprünglich schwäbische Geschlecht der Hohenzollern war als Burggrafen von Nürnberg unter Karl zu gewisser Bedeutung gelangt, die erst die spätere Karriere ermöglichte.
Karl starb 1378 in dem Jahr des abenländischen Schismas, an dem er nichts ändern konnte, bei dem der persönlich fromme Herrscher aber klar zum Papst hielt. Unter Karl war durch seine intensive Bautätigkeit Prag zur Goldenen Stadt geworden, so errichtete er die Karlsbrücke, die bis heute steht und eröffnete die dortige Universität. Er scheiterte mit seinem Versuch eines Landfriedens, gliederte jedoch Schlesien endgültig ins Reich ein, was sein Vater noch versucht hatte. Neben Schlesien hatte er noch durch den Vertrag von Fürstenwalde die Herrschaft in der Mark Brandenburg übernommen und damit die zweite Kurwürde gewonnen. Um seine Hausmacht, wo es ihm nötig schien, taktisch zu stärken, scheute er auch nicht davor, Reichsteile wie Burgund aufzugeben oder andere zeitweise zu verpfänden. Durch die hohen Kosten, die Bestechung und der Kauf von Stimmen verursachten, war Karl ständig am Rand der Pleite und sein dynastisches Erbe zerfiel finanziell schon unter seinem Sohn durch die in seinem Testament vorgesehenen Versorgungsregeln.
Karl war viermal machttaktisch sehr klug verheiratet und hinterließ 10 Kinder, die mit den wichtigsten Fürstenhäusern Europas verbunden waren. Durch diese Ehen wurde das Haus Habsburg nach dem Tod seines Sohnes langsam als nächste Verwandte direkt an die Kaiserwürde herangeführt.
Über seine Bewertung wird natürlich unter Historikern noch gestritten. Unstrittig ist jedoch, dass er die größte Herrscherpersönlichkeit des Spätmittelalters war zumindest im Heiligen Römischen Reich als dessen letzter mittelalterlicher Repräsentant er gilt. Kritisch wird seine Politik in Italien gesehen, insbesondere von Petrarca, der es auch überlieferte, weil es der Kaiser nicht schaffte, dort eine Ordnung nach seinen Vorstellungen herzustellen. Andererseits war einer der wenigen, der sich überhaupt mit den italienischen Städten friedlich einigte, seine päpstliche Krönung ohne großen Streit oder Waffengewalt erreichte, was kaum einem zuvor je gelang. Kritisch wird teilweise gesehen, dass er durch seine Verpfändungspolitik das Kaisertum zu einem reinen Hausmachtkönigtum entwickelte, was aber ja in seinem dynastischen Sinne war und sich bis 1806 als erfolgreich erwies. Auch seine Haltung gegenüber den Juden, die eigentlich seinem Schutz unterstanden, wofür sie teuer bezahlten, wird wie oben bereits erwähnt, heute bemängelt - er nutzte die Chance, auf sehr unfaire Weise einen Teil seiner Schulden auf Kosten einer Minderheit loszuwerden, die niemand mehr vertedigte und die zum Ziel von Volkes Zorn während der Pest missbraucht wurde.
Karl IV. ist weniger Menschen ein Begriff als der 200 Jahre später regierende Karl V., der Kaiser in dessen Reich die Sonne nie unterging, aber er wirkte nachhaltiger und findet sich in Brückennamen oder verbunden mit der Goldenen Bulle und der danach Hausmacht von Habsburg und Luxemburg als eine der wichtigsten Herrscherfiguren Europas und jedenfalls des Deutschen Reiches. Die Erinnerung an ihn ist teils gespalten und es gibt eben auch kritische Stimme, wie immer in der Politik eben, doch überwiegt klar die Anerkennung seiner Größe bis heute.
Wie wird der Nachruhm von Merkel im Vergleich zu anderen Zeitgenossen wie dem Präsident heute genannten König von Frankreich oder dem Herrscher der USA?
Wird sich diese Wahrnehmung nach der Machtergreifung von Hillary, die im nächsten Januar immer wahrscheinlicher wird, noch einmal verändern mit den beiden mächtigsten Frauen?
Was macht ihren Ruhm langfristig aus und wird ihre Flüchtlingspolitik historisch betrachtet sie eher angreifbar machen oder zur ruhmreichen Figur erheben, die über den Moment hinaus dachte?
Können wir über den gerade Moment aktueller politischer Befangenheit hinausdenken und Größe in politischen Prozessen und Verhandlungen erkennen?
Was macht Größe einer Herrscherin aus und steht Merkel inzwischen eher auf einer Ebene mit Katharina der Großen als mit Maggie Thatcher?
Wie wird Merkel Europa als ihr Vermächtnis gestalten wollen oder geht es ihr weniger um große symbolische Gesten als die Kunst des Machbaren?
Ähnelt Merkel in ihrem alternativlosen Pragmatismus mehr Karl IV., der eben Kompromisse irgendwie auch in Italien suchte oder Barbarossa, der sich zur Not mit den italienischen Städten und dem Papst schlug?
Was scheint uns wirklich groß und was übersehen wir im lauten Alltag gern?
jens tuengerthal 5.4.2016
Von hinten
Während du gerade losfuhrst
Aus Santa Cruz gen Gibraltar
Wo wir uns vielleicht in 2 Tagen
Wieder hören oder lesen können
Dich Sturm und hohe Wellen
Auf dem Atlantik erwarten
Träume ich allein in nur Berlin
Auf festem Grund in unserm Bett
Mich innig von hinten an dich
Umfasse dich so zärtlich lustvoll
Während mein Beben mittig
Sich an und in dich drängt
Ob von vorne oder hinten
Ist uns dabei egal solange
Dein hinten ganz dicht
An meinem vorne liegt
Ist uns eins sein wichtiger
Als die nur Richtung dabei
Ineinander verschlungen
Schlafe ich etwas von dir
Um mich gewickelt doch
Irgendwie bei dir nun ein
jens tuengerthal 5.4.2016
Kulturgeschichten 0179
Am 4. April 1925 gründete Julius Schreck im Auftrag von Adolf Hitler einen Saalschutz (SS) für Veranstaltungen der NSDAP, der später den Namen Schutzstaffel erhält. Zunächst besteht der bloße Wachdienst der Saalschutz SS aus nur acht Mann, er wurde jedoch rasch ausgebaut und wird zum Haupttäter der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik.
Private Wachdienste haben wieder Konjunktur und vereinzelt stellten besorgte Bürger schon Bürgerwehren auf, um sich vor den von ihnen inszenierten Gefahren zu schützen oder ist die Gefahr real, die Furcht begründet und bürgerliche Abhilfe eine gute Sache?
Die Polizei ist offensichtlich überfordert mit einer steigenden Kriminalität auch durch teilweise mit den Flüchtlingen eingeschleuste kriminelle Banden, ob sie nun aus dem Maghreb, vom Balkan oder aus Rumänien kommen sei völlig dahingestellt. Es kommt zu sexuellen Übergriffen und verstärkt Eigentumsdelikten. Darüber wird nicht gerne geredet, um nicht den Populisten, die auch keine Lösung haben, noch Wähler in die Arme zu treiben. Nur schweigen, ändert weder etwas, noch bringt es uns einer Lösung näher. Im Gegenteil leugnet es die Probleme und hofft auf eine natürliche Lösung, die in Zeiten der Eskalation schnell Gefahr läuft aus dem Ruder zu laufen, was, um im Bild zu bleiben, es dann zweifelhaft macht, ob die Demokratie noch auf Kurs bleibt oder dem Untergang geweiht ist.
Wäre es eine gute Antwort darauf staatlich unterstützt nun Bürgerwehren einzurichten?
Wo Bürger sich verunsichert und bedroht fühlen und der Staat nicht hilft, werden sie sich selbst schützen. Damit wird das Gewaltmonopol infrage gestellt, ohne eine Alternative zu bieten.
Es hat gute Gründe gehabt warum noch im Heiligen Römischen Reich das Fehdewesen massiv auch rechtlich bekämpft wurde, dies spätestens seit Karl V. zur Straftat wurde, um Strafe und Entscheidung von Streitigkeiten zu einer staatlichen Sache zu machen. Vorher galt, gerade in Zeiten ohne Kaiser oder mit schwachen Herrschern im Mittelalter noch immer das Recht des Stärkeren, dem viele zu Unrecht zum Opfer fielen, das eklatant ungerecht war. Konflikte sind nicht mit Gewalt zu lösen sondern werden dadurch nur potenziert ist eine Erkenntnis so alt wie die Menschheit und zugleich so selten befolgt wie weniges, von dem wir wissen.
Heute noch führen wir einen Bombenkrieg gegen islamistische Fundamentalisten, die in einer Region nach der Macht greifen, die zuvor im Auftrag und Interesse der USA destabilisiert wurde. Stigmatisieren eine Gruppe als terroristische Mörder während wir mit der anderen Gruppe genauso fundamentalistischer Muslime, die nach den gleichen Gesetzen urteilen, gute Geschäfte machen und wundern uns entsetzt, wie sie es wagen können, den Krieg in unsere Heimat zu tragen, die doch nichts mit den Kriegen dort zu tun hat, friedlich leben will, um weiter ihre präzisen Waffen dorthin exportieren zu können.
Betrachten wir uns also die Dummheit der Staatslenker, die dieses Spiel schon lange spielen, ohne sich einig zu sein, was sie eigentlich wollen und wohin es gehen soll, wird es verständlich, warum Menschen sich überlegen, sich lieber selbst zu schützen, kein Verständnis dafür haben, dass die Sicherheit hier für die Konflikte dort, die uns nichts angehen müssten, gefährdet werden.
Lenkt hier eine verantwortliche Politik das Geschehen oder nur eine gierige Ökonomie auf der Suche nach neuen Geschäften?
Die gerade offenbarten Panama-Papers stärken das Vertrauen in die Entscheidungsträger auch der Demokratien nur bedingt. Schlimmer noch, machen es die mangelnden Möglichkeiten der Unterscheidung zwischen Politik und Wirtschaft in der globalen Ökonomie deutlich, in der eine Masse brav Steuern zahlt, sich schärfster Verfolgung ausgesetzt sieht, wenn sie es wagt diese zu umgehen, während eine Führungselite der Reichen aus Banken und den von diesen Privilegierten alles tut, ihre Steuern zu vermeiden und der Staat, bis es ärgerlicherweise publik wird, nichts unternimmt, diese Schlupflöcher zu schließen.
Wäre es darum angemessen die Bürger privat an der Kontrolle zu beteiligen, um Sicherheit und Gerechtigkeit wieder herzustellen?
Ist die Bürgerwehr eine Gefahr für die Gesellschaft oder ist der Gewinn an Sicherheit wichtiger als der Verlust an Freiheit?
Die SS wurde zur Elite der NSDAP, die den Massenmord in den Konzentrationslagern organisierte, eine eigene Armee bildete, Treue als ihre Ehre definierte, auch wenn sie nur als ein Dienst von 8 Saalordnern anfing, wie sie alle Parteien längst kennen. Hier wurde der Wachdienst zur Ehrensache gemacht, die auf den Chef eingeschworen, zu allem bereit waren, was dieser zur Aufrechterhaltung der nationalen Träume für nötig hielt - wenn es Auslesen war, dann wurde eben gehorsam vernichtet und ausgelesen.
Würde der Staat in Zeiten der Krise klug agieren, statt nur hilflos zu reagieren, nutzte er die Chance aus der Angst der Bürger ein Potential zu wecken, das die innere Stabilität auch etwa der DDR trotz Mangelwirtschaft lange gewährleistete. Er ließ sie sich organisiert überwachen zur Sicherheit und bezahlte dies Sicherheitswesen mit dem, was er bisher für sachlich überflüssige Geheimdienste ausgibt und könnte sich sicher sein, bald ein bestens informiertes Spitzelsystem mit gegenseitiger Denunziation und Kontrolle zu haben, das sich selbst kontrollierte.
Ob ein solches Spitzelsystem nicht gegen Grundrechte verstieße und die totale Überwachung durch aufmerksame Bürger, die dafür auch noch bezahlt würden, nicht gegen den Rechtsstaat verstieße und der Stasi zu sehr ähnelte, fragt vermutlich nur, wer noch nicht den Umfang der Spionage des BND und der anderen Dienste auch in Deutschland erkannt hat, die jedes mobile Telefonat mitschneiden, ohne dafür auf eine richterliche Genehmigung warten zu müssen, das Netz an zentralen Schnittstellen bereits vollständig überwachen und auch die sozialen Netzwerke massiv kontrollieren, ohne dass es eine Folge oder Wirkung bisher hätte.
Warum also nicht den Gedanken der Saalordner aufnehmen und die neuen Bürgerwehren noch romantisch als Ritter der Demokratie bezeichnen, eine neue Elite schaffen, die das Abendland in Ordnung halten und dem Staat melden, was ihnen auffällt, für ihr Berichtwesen gut bezahlt werden, als neue Elite gelten?
Weil uns vor einer solchen Spießerelite gruselt, die sich gegenseitig überwacht?
Ist die Gefahr nicht größer, wenn wieder Populisten solche Saalordner anstellen und beschäftigen, private Sicherheitsdienste für Ordnung sorgen?
Sollte die neue Sicherheitsstaffel des Abendlandes, sehen wir mal von der Ankürzung SSA ab, nicht eine Chance sein, die Bürger am Staat und seiner Ordnung zu beteiligen, bis es von alleine funktioniert?
Ist die Gefahr einer Militarisierung der Gesellschaft durch solche bürgerliche Schutztruppen größer als das Risiko für die Demokratie, welches durch das Erstarken der perspektivlosen Populisten entsteht?
Schauen wir auf die Geschichte der SS, sehen wir, was aus einer Organisation wird, die vom privaten Wachdienst über die parteiinterne Polizei zum Staat im Staat wird, der alles kann. Als Leib- und Prügelgarde Hitlers gegründet unterstand die SS zunächst der SA, was sich nach den durch sie organisierten und durchgeführten Röhm-Morden am 30. Juni 1934 nach dem erfundenen Röhm-Putsch schlagartig änderte. Ab da war sie eine eigenständige Organisation in der NSDAP, die maßgeblich den Holocaust durchführte, die Vernichtungslager betrieb und deren Organisation als Eliteaufgabe übernahm.
Die offizielle Einführung als Schutzstaffel erfolgte übrigens am 9. November 1925 auf dem NSDAP Reichsparteitag. Bis 1926 vergrößerte sich dieser Dienst der Saalordnerelite auf 75 Staffeln mit insgesamt etwa 1000 Angehörigen. Diese wurde am 9. November 1926 auf dem nächsten Reichsparteitag mit der Betreuung der Blutfahne betraut. Blutfahne war jenes Exemplar der unsäglichen Hakenkreuzfahne, das schon bei Hitlers und Ludendorffs Putsch 1923 an der Feldherrenhalle in München mitgeführt wurde, der Hitler nur in den Knast nach Landsberg brachte, wo einst auch Hoeneß saß und wo dieser sein grauenhaftes Machwerk Mein Kampf schrieb, in dem der wohl schon damals wahnhafte Psychopath seine Pläne schon sehr genau beschrieb und ankündigte.
Nach einigen wechselnden Reichsführern der SS kam ab Januar 1929 Heinrich Himmler in das Amt des Reichsführers SS. Er blieb es bis zum Untergang des NS-Staates 1945 und baute den Dienst zur mächtigsten Organisation im Reich aus, womit er nach Hitler zum mächtigsten Politiker wurde, der später im Krieg auch noch Innenminister war. Die SS erledigte in dieser Zeit die Drecksarbeit der Tötung und Vernichtung, wenn die Reichswehr es nicht selbst tat, die es jedoch nach dem Krieg sehr gut schaffte, diese Verantwortung vollständig bei der bösen SS abzuladen. Was insoweit richtig war, dass diese für alle Lager und viele Vernichtungen verantwortlich war, aber nicht allein sondern teilweise auch gemeinsam mit der Reichswehr und in deren Schatten.
Hitler nannte 1930 noch als zentrale Aufgabe der SS eine Art innerparteiliche Polizei zu bilden. Das Symbol der SS, die beiden nebeneinander liegenden weißen, blitzartigen Sig-Runen auf schwarzem Grund, bildete sich ab 1930 heraus. Diese Rune hat nichts mit germanischer Tradition zu tun, sondern stammt von dem Eso-Autor Guido von List, der sie Anfang des 20. Jahrhunderts in seinen Büchern publik machte, denen auch der persönliche Okkultist Himmlers, Karl Maria Willigut nachlief und es damit zum Zeichen der SS machte.
Bis 1934 war die SS der SA personell und organisatorisch sehr nah und fiel nur dadurch auf, dass ihre Mitglieder proportional noch häufiger mit dem Gesetz in Konflikt gerieten. Die SA, der die SS weiter unterstellt blieb, war aber wesentlich größer und blieb es noch lange. Nach dem Stennes-Putsch einiger SA-Leute in Berlin 1931, bei dem die SS treu zu Hitler gestanden hatte, bedankte sich Hitler beim Berliner SS-Führer mit den Worten, SS-Mann, deine Ehre heißt Treue. was Himmler, nachdem er davon hörte, sofort zum Motto der SS machte, die auf sämtliche Koppelschlösser und Fahnen graviert wurde, es hieß dann, meine Ehre heißt Treue, was immer das heißen sollte.
Ab 1931 begann Himmler mit dem Aufbau eines SS eigenen Nachrichtendienstes, dem Sicherheitsdienst des Reichsführers SS, genannt SD, Dabei war sein engster Mitarbeiter Reinhard Heydrich federführend, der ab 1932 den SD auch leitete. Nach der Machtübernahme bekam der SD ein Zentralamt und eine besondere Organisationsstruktur. Die SS versuchte wie in Bayern auch immer mehr Polizeileitungen zu übernehmen. Als Belohnung für ihre besonderen Verdienste bei der Ermordung des Reichsführers SA Röhm und anderer Störefriede, denen ein Putsch unterstellt wurde, war sie von da an Hitler direkt unterstellt.
Mit der SS-Verfügungstruppe und den SS-Totenkopfverbänden stellte die SS ab 1934 eigene militärische Verbände, die somit das militärische Monopol der Reichswehr aushöhlten. Ab 1936 wurde Himmler als Staatssekretär die gesamte deutsche Polizei unterstellt, die er nach dem Vorbild der SS organisierte. Mit der neuen Sicherheitspolizei und dem Reichssicherheitshaupamt konsolidierte er die Führungsrolle der SS im NS-Staat. Die Verschmelzung von Parteistrukturen mit denen des Staates war ein zentrales Element des NS-Staates, das damit endgültig deutlich wurde.
Beim Einmarsch nach Österreich und Böhmen, wie bei der Besetzung der Rest-Tschechei als Protektorat Böhmen und Mähren spielte die SS eine herausragende Rolle. Der stellvertetende Chef des Reichssicherheitshauptamtes Heydrich wurde stellvertretender Reichsprotektor der besetzten Gebiete und fiel dort 1942 einem Attentat zum Opfer, für das als Vergeltung alle Bewohner des Ortes Lidice getötet wurden.
Die Leibstandarte, die Verfügungstruppe und die SS-Totenkopfverbände wurden im Herbst 1939 zur Waffen-SS verschmolzen, die von Himmler zu einem umfassenden Staatsschutzverband ausgebaut werden sollte, der den NS-Staat vor seinen inneren und äußeren Feinden schützen sollte. Dabei war die SS auf ein einheitliches ideologisches Ziel ausgerichtet, für das die Führungskader in den SS-Junkerschulen ausgebildet wurden, egal, ob sie im SD, an der Front, in der Verwaltung oder in den Konzentrationslagern eingesetzt werden sollten.
Die Waffen-SS Divisionen unterlagen dabei weiterhin dem Oberkommando der Wehrmacht und kämpften in Polen wie in Frankreich. Sie erlitten dabei hohe Verluste, da sie als hochmotivierte und besser ausgerüstete Freiwilligentruppe an den gefährlichsten Einsatzorten verwendet wurden. Sie begingen dabei auch in Frankreich zahlreiche Kriegsverbrechen und verübten Massaker an Gefangenen und Résistance Kämpfern. Beim Polenfeldzug kamen hinter den kämpfenden Verbänden die Einsatzgruppen zu sogenannten “Säuberungsaktionen” zum Einsatz, bei denen sie systematisch mit der Verfolgung und Ermordung von Juden und Angehörigen der polnischen und russischen Intelligenz begannen. Rassenideologisch verfolgte Menschen mussten sich auf einem Platz versammeln, wurden dann an abgelegene Orte gefahren, wo sie noch ihre Gräber ausheben durften, in denen sie ermordet wurden. Die mobilen Einsatzgruppen spielten bei der Vernichtung der jüdischen Bevölkerung Osteuropas eine entscheidende Rolle. Im Verlauf des Krieges waren die SS-Verbände an Massenexekutionen wie der Durchführung des Holocaust auf Weisung des Reichssicherheitshauptamtes entscheidend beiteiligt. Dabei war das Vorgehen der SS Agehörigen derart barbarisch, dass es sogar der Wehrmacht inakzeptabel schien, doch wurde die Verfolgung derartiger Verbrechen der SS auf Befehl Hitlers 1939 eingestellt.
Die SS war treibender Faktor wie zugleich Werkzeug des Holocaust und der ethnischen Säuberung Osteuropas. Die SS betrieb auch das Vernichtungslager Auschwitz, das von SS-Totenkopf-Wachdivisionen direkt und eigenverantwortlich betrieben wurde, womit die SS direkt für die Ermordung von Millionen Menschen in Osteuropa verantwortlich ist.
Nach Himmler war die SS ein nationalsozialistischer, soldatischer Orden nordisch bestimmter Männer von denen jeder bedingungslos jeden Befehl befolgt, der vom Führer kommt. Dabei baute Himmler die SS gleichzeitig zu einer Elite und zu einer Massenorganisation aus. Der elitäre Charakter wurde auch intern in der Rasseniedeologie mit quasi religiösem Charakter weitergeführt. Nach der Machtübernahme bekamen SS, SA und Stahlhelm polizeiliche Befugnisse zur Verfolgung von Regimegegnern, von denen 25.000 sich bereits im April 1933 in Schutzhaft in von der SS betriebenen Lagern befanden. Die SS bildete eine eigene Wirtschaftsmacht unter dem Decknamen Deutsche Wirtschaftsbetriebe (DWB) mit 30 Unternehmen zu denen über 100 Betriebe gehörten und kaufte auch Konzerne wie etwa den Mineralwasserbetrieb Appolinaris, den sie bis 1945 betrieben und der heute zu Coca Cola gehört.
Die SS hatte als Himmler sie 1929 übernahm 280 aktive Mitglieder und als Höchststand 271.060 Mitglieder. Der militärische Teil der SS stieg von 1938 23.000 auf fast 600.000 Ende 1944 und war damit ein militärisch bedeutender Faktor geworden. Nebenbei warb die SS für sich durch einen eigenen Olympiakader sowie ihren Einsatz für die NS-FKK-Bewegung als Stolz auf die arischen Körper. Im Juni 1944 hatte die SS insgesamt fast 800.000 aktive Mitglieder.
Angehörige der allgemeinen SS, die sich zu Kriegsbeginn zur Waffen-SS gemeldet hatten bekamen eine Blutgruppentätowierung am rechten Oberarm, was ihre spätere Identifikation in den Prozessen erleichterte. Heinrich Himmler wurde von den Briten in der Uniform eines Unteroffiziers der Geheimen Feldpolizei verhaftet und beging, nachdem er erkannt worden war, Selbstmord mittels einer in einer Zahnlücke versteckten Zyankalikapsel. Nach der bedingungslosen Kapitulation ordnete der alliierte Kontrollrat die Auflösung der SS und das Verbot der Neugründung durch Kontrollratsgesetz Nr. 2 an.
In den Nürnberger Prozessen wurde die gesamte SS mit Ausnahme der Reiter-SS und des Lebensborn als verbrecherische Organisation eingestuft. Bei der Flucht wurden ehemalige SS-Führer von teils hochrangigen Vertretern der katholischen Kirche unterstützt und gedeckt. Die Flucht erfolgte über die sogenannte Rattenlinie durch katholische Klöster in Italien und ging von dort meist nach Südamerika. Zu den geflüchteten Tätern gehörten Josef Mengele und Adolf Eichmann.
Die Bundesrepublik verschärfte die Alliierten Verbote noch und stellte auch die Verwendung der Symbole der SS unter Strafe. Dennoch konnten sich viele auch hochrangige SS-Offiziere lange einer Bestrafung entziehen und bis heute kommt es noch zu Prozessen gegen die letzten lebenden Täter.
Die Geschichte der SS zeigt wie gefährlich es wird, wenn eine private Sicherheitsorganisation sich neben der staatlichen etabliert und die Aufgaben der Polizei übernimmt. Auch jenseits der verbrecherischen Taten der SS-Mörder zeigt sich die Gefahr einer Elitenbildung von Wächtern, die sich als gehorsame Vorbilder fühlen. Jede Verherrlichung ihrer Taten oder Relativierung ihrer Verbrechen muss strafrechtlich verfolgt werden.
Doch spricht die fest in der NS-Ideologie grundsätzlich gegen die Idee einer Bürgerwehr zur besseren Gewährung der Sicherheit?
Könnte eine Verbürgerlichung der Sicherheitsfrage diese heute ziviler machen?
Sollte eine solche Truppe vom Rechtsstaat betrieben und geschult werden, könnte zumindest der Gefahr einer ideologischen Vereinnahmung vorgebeugt werden und eine Kontrolle gewährleistet werden. Sollte sich die Situation in Fragen der Sicherheit und Kriminalität weiter verschärfen, stellt sich die Frage, was eine angemessene staatliche Reaktion wäre.
Eine Erhöhung der Polizeipräsenz zur Gewährung von Sicherheit und Ordnung wäre der einfachste und rechtsstaatlich sauberste Weg. Ob dies genügen kann scheint fraglich angesichts der aufgewühlten Situation in vielen Gebieten. Hier wäre die Schaffung einer zivilen Truppe, die von der Polizei ausgebildet und geführt wird, sicher besser als eine weitere Expansion privater Sicherheitsdienste, die keiner so strengen Kontrolle unterlägen, Sicherheit zu einer Frage der Finanzen machte. Doch fragt sich, ob eine solche Überwachung der Bürger durch Bürger nicht den sozialen Frieden mehr störte, als es je Gewinn an Sicherheit brächte.
Sollten die Ängste zunehmen und die Situation eskalieren, was zu einem Erstarken der rechtsradikalen Kräfte führen könnte, wäre es zu spät noch eine zivile Vorsorge zu treffen. Wenn stattdessen schon jetzt ein verpflichtender Bürgerdienst eingeführt würde, der von der Polizei gut und in Ruhe rechtsstaatlich ausgebildet würde, um sie bei der Sicherung von Recht und Ordnung zu unterstützen, könnte dies langfristig die bessere Perspektive sein, als zu hoffen, dass sich alles von alleine beruhigt.
Die Ängste ernst nehmen und Wege zu einer Lösung suchen, ist die vernünftigere Perspektive, auch jungen Frauen die Angst zu nehmen und damit der Gefahr von Hass und Ausländerfeindlichkeit vorzubeugen. Es geht dabei nicht um eine möglichst kosteneffektive Lösung sondern um eine soziale, bürgerliche Pflicht, die vermutlich durch die bloße Präsenz unbewaffneter Bürger gewährleistet werden könnte, die beschränkte polizeiliche Befugnisse hätten. Es müsste sich jeder beteiligen, womit sich die Truppe nicht auf die üblichen Radikalen und Angstapologeten beschränkte und würde das Vertrauen ineinander stärken, weil jeder irgendwann dran wäre und also mit Verantwortung übernähme.
Ob diese Lösung vielleicht sogar besser wäre als eine Erhöhung der Polizeipräsenz vermag ich nicht zu entscheiden, zumindest verbreiterte sie die Verantwortung füreinander und wenn dadurch das Gefühl von Sicherheit erhöht und radikale Kräfte geschwächt werden, bekäme das “Wir schaffen das” der Kanzlerin eine realere Basis in der Menschen etwas dafür tun, dass wir uns miteinander wohl fühlen, statt uns zu fürchten und Angst zuviel Raum geben.
Die Geschichte der SS zeigt uns, wie gefährlich es wird, wenn sich die Falschen um die Sicherheit kümmern. Warum es klüger ist, wenn der Staat die Ängste ernst nimmt und sich gemeinsam daran macht, sie zu beseitigen, möglichst viele Verantwortung übernehmen lässt, damit sich nicht nur eine reiche Elite noch schützen kann und es rechtsstaatlich und zivil abläuft. Mehr Geld für Geheimdienste und Überwachung der Bürger erhöht dagegen nur das Misstrauen, was für den Staat schädlicher sein dürfte als die gegenseitige Kontrolle der unbewaffneten Bürger zur Sicherheit.
Bisher sind Bürgerwehren meist nur Projekte rechter, ängstlicher Bürger, die ihre rassistischen Phantasien ausleben wollen und entsprechend unangenehm immer wieder auffielen. Darum sollte sich die Zivilgesellschaft der Sicherheit annehmen und im Rechtsstaat verankert, ein gemeinsames Projekt starten, mit dem sich alle wohler fühlen und das ohne Hass und Ausgrenzung auskommt, noch können die Bürger dies gemeinsam in die Hand nehmen und es mit dem Staat auf die Beine stellen. Handeln wir, bevor wieder Saalordner von Minderheiten die Mehrheit rechtswidrig dominieren wollen, denn zivil für Sicherheit sorgen, raubt den Rechtsradikalen mehr Stimmen als Ignoranz oder nur mehr Polizeipräsenz.
jens tuengerthal 4.4.2016
Montag, 4. April 2016
Schatzfinder
Lange war ich sein Schatzsucher
Grub einen Schatz nach dem andern
Aus oder an um zu schauen ob sich
Nicht noch was besseres fände
Immer mit dem Blick in die Ferne
Verglich was nicht zu vergleichen
Meinte zu lieben wo ich begehrte
Griff nach allen Körpern die nah
Genug kamen sie zu berühren
Vereinte mich und meinte so
Liebe zu machen oder zu haben
Und wusste doch nichts
Von der Liebe oder was es heißt
Angekommen zu sein
Nun suche ich nicht mehr
Nur noch einen Weg mit dir
Glücklich zu bleiben
Dich glücklich zu machen
Vielleicht ist es das was alle
Liebe nennen auch wenn ich
Nicht glauben kann
Dass es das nochmal gibt
Aber was weiß ich schon
Bin nur ein glücklicher Schatzfinder
jens tuengerthal 4.4.2016
Sonntag, 3. April 2016
Kulturgeschichten 0178
Während in Ostelbien minderbegabte Pegiden begannen Lügenpresse zu skandieren, weil freie Medien ihre rechtsradikalen und islamfeindlichen Aufmärsche kritisch betrachteten und sich dafür lieber über russische Medienprodukte aus Putins Propagandamaschine informierten, der ja schon früher wusste, was die Menschen im Tal der Ahnungslosen wissen sollten, begann Sultan Erdogan seinerseits einen Kreuzzug, was bei einem islamischen Fundamentalisten amüsant klingt, gegen freie Medien und fühlte sich durch Satire persönlich beleidigt, weil er sie nicht verstand. Um der Eskalation zumindest Grenzen zu ziehen, den lächerlichen Pascha im illegalen Palast in Ankara daran zu hindern, sich noch weiter lächerlich zu machen, was den Verhandlungen mit ihm schaden könnte.
Das Wort Lügenpresse aus dem Mund von Bürgern, die meinen das Volk zu repräsentieren, auch wenn sie nur dessen rechtsradikaler Abschaum von Angsthasen sind, die keine Perspektive haben als mehr Angst zu schüren, um Zuspruch zu gewinnen, ist erschreckend und auch darum im Einklang mit einer Bewegung kollektiver Verblödung, die wieder starke Führer sich wünscht und aus Angst vor Veränderung neue Feindbilder propagiert. Das neue Feindbild Islam entspricht dem Judenhass früherer Zeiten, der nur in Deutschland außer im ganz links- und rechtsradikalen Millieu nicht mehr vermittelbar ist, warum nun Muslime als Bösewichte geoutet wurden, ungeachtet der Tatsache, dass die meisten, die hierher kommen vor den Untaten fliehen, die diese Angstprediger ihnen anhängen wollen bei der Rede vom nahen Untergang des Abendlandes.
Pegida und AfD sind eine Bewegung ängstlicher Menschen, die nicht bemerken, wie sie sich von russischen Medien zur Destabilisierung benutzen lassen und eine Stimmung verbreiten, die nicht zu Deutschland passt und Sachsen schon nachweislich großen ökonomischen Schaden zufügt. Der Sachsen-Boykott nimmt langsam Form an und hat schmerzhafte Folgen. Welcher kritische Mensch kauft noch, wo er es verhindern kann, Produkte aus Sachsen und wer fährt dort noch freiwillig hin?
Was aber hat es mit der Lügenpresse auf sich und wie kommen Menschen dazu solchen Unsinn kollektiv zu skandieren, Journalisten immer wieder gewalttätig anzugehen, weil sie kritisch über sie berichteten?
Ist das Wort Lügenpresse und seine Verwendung schon eine Form der Volksverhetzung?
Wer etwas behauptet und anderen der Lüge zeiht, sollte dafür Beweise haben und sich auf mehr als ein dumpfes Gefühl berufen können. Es gibt presserechtlich strenge Vorgaben für die Prüfung von Nachrichten und Quellen. Zwar wird dagegen mal von diesem, dann von jenem im Eifer des Gefechts verstoßen, doch ist der Vorteil des freien Marktes und der gegenseitige Kontrolle der Konkurrenten, dass diese langfristig funktioniert, wer lügt auffliegt, auf Dauer nicht bestehen kann. Das Netz tut ein übriges zur strengeren Kontrolle der Medien, da sich jeder in Echtzeit informieren kann, einseitige Lügen schnell publik werden, Zensur offensichtlich wird.
Das Problem der Pegiden mit der freien Presse ist jedoch, dass diese sie und ihre Verschwörungstheorien kritisch betrachtet, ihren Führern Lügen nachweist und Propaganda als solche offenbart, der Menge, die weiter jubelt und mitläuft ihre Dummheit vor Augen führt und die peinliche Verfehlung für alle offensichtlich macht. Es kann unter einer freien Presse ein verurteilter Betrüger und Kokser wie Bachmann, sich nicht als Führerfigur geben, ohne kritisch überprüft zu werden. Dass ihm das nicht gefällt und er die Kritiker Mundtot zu machen versucht, indem er sie als Lügner bezeichnet und stattdessen der russischen Propaganda, die ihn wie sonst der Kreml auch bezahlt, ein Loblied singt, verwundert nicht weiter, er handelt im persönlichen finanziellen Interesse, bei dem ein verurteilter Dealer und Betrüger vermutlich keine zu strengen sittlichen Grenzen kennt. Seltsam ist nur, wie viele diesen Unsinn nachbeten und unkritisch hinterherlaufen, weil sie sich von der Politik und denen da oben betrogen fühlen, statt zu fragen, wem sie blind hinterherlaufen.
Was verrät es über eine Bewegung, wenn sie sich mit den Medien, die kritisch über sie berichten, anlegt und diese der Lüge zeiht?
Will diese Frage gar nicht beantworten, wenn sie den einen oder anderen zum nachdenken über die Bedingungen der Freiheit in einer Demokratie anregt, ist genug gewonnen. Überhaupt scheint mir das Stellen von Fragen heute wichtiger als das Geben von Antworten, die so vielfältig sind wie die Zahl der möglichen Wahrheiten.
Nur engstirnige Dogmatiker bestehen noch darauf, dass es nur eine Wahrheit geben kann, denn wer könnte diese Sicht für alle an jedem Ort und zu jeder Zeit bezeugen?
Wenn ich nicht wissen kann, was Wahrheit sein soll, sondern dies gerade im politischen immer von meinem zufälligen Standpunkt abhängt, es also nur um Meinung nicht um Wahrheit oder Lüge geht, die ohnehin nur ein vom Aberglauben beschworendes Gegensatzpaar ist, frage ich mich, was die Behauptung Lügenpresse sagen soll. Es wird dabei auch gern das Wort Systempresse verwendet, warum sich diese Aufständischen gegen das System als solches wenden, von dem sie sich geknechtet und unterdrückt fühlen.
Wird eine Demokratie zur Diktatur und ein freies Land unfrei, weil es eine eher belächelte Minderheit am rechten Rand behauptet und was verrät es uns über deren Verständnis von Demokratie?
Heinz von Foerster schrieb ein Buch darüber, warum die Wahrheit die Erfindung eines Lügners ist und bahnte damit dem Konstruktivismus einen neuen Weg, nicht um ethisch zu relativieren, sondern um der Vielfalt eine Chance gegen den Dogmatismus zu geben. Es sei allen Symphatisanten der Pegiden dringend empfohlen, allerdings läuft der Leser Gefahr seine Gewissheiten zu verlieren, nachdenklich zu werden.
Behauptet nicht, wer den anderen Lügner nennt, im Besitz der der Wahrheit zu sein?
Was spricht dafür, dass es eine Wahrheit geben könnte in der Beurteilung einer politischen Frage?
Macht nicht, wer sich im Besitz irgendeiner Wahrheit wähnt, den anderen automatisch zum Lügner und jede weitere Erklärung also entbehrlich?
Wenn ich mich all dies frage, scheint mir der Geist hinter dem Wort Lügenpresse noch schrecklicher als zuvor, weil er von Wahrheitsbesitz ausgeht, der den anderen zum Lügner stempelt und dafür anklagt. Oder irre ich mich, sind die Pegiden die tolerantesten Menschen, die nur feststellen, was offensichtlich ist, eine Presse die behauptet, die Wahrheit zu verkünden, muss denklogisch lügen?
Weiß nicht, wer oder was gut oder böse ist und frage mich, ob das wer je wissen kann und kann mit meinen nun 45 Jahren nur feststellen, dass sich schon in meiner kurzen erinnerten Lebensspanne der Begriff dessen was gut oder böse ist, in zentralen Punkten gewandelt hat, wie ich Menschen lieben lernte, die ein System mitgetragen haben, das ich noch hassen lernte, weil es die Unfreiheit propagierte. Es änderten sich viele Bewertungen, die mir absolut erschienen im Laufe dieser Jahrzehnte, auch wenn sich nichts an meinen bürgerlichen Wurzeln und meinem humanistisch aufklärerischen Weltbild änderte, ist doch, was ich in Kants zentralen Text, was Aufklärung ist, als Antwort auf die Frage der preußischen Akademie, hineinlese, heute etwas gänzlich anderes als zu der Zeit, wo ich mich für Greenpeace an Bäume band oder meinte Widerstand gegen die Staatsgewalt sei ein nötiges Bürgerrecht, das auf jeder Demo auszuleben sei.
Haben sich gut und böse durch die Veränderung der Rahmenbedingungen verändert?
Während die Beschimpfung des türkischen Präsidenten als ethisch wertvoll gilt, würde die des isrelischen eher isolieren - ist das näher an der Wahrheit und wo bewegen wir uns auf dem dünnen Draht der die Wirklichkeit nur von der Ideologie trennt?
Gute Presse stellt Fragen und berichtet, was ist. Natürlich kommentiert sie auch und bildet Meinungen - aber was ist ihre zentrale Aufgabe heute?
Information ist in Echtzeit frei verfügbar. Es gibt Nachrichtenticker, doch schon der Filter dessen, was veröffentlicht wird, wie darüber berichtet oder was die Verantwortlichen lieber weglassen, prägt das Bild der Wirklichkeit und wie wir sie wahrnehmen und das in einer Zeit in der das Grundgesetz vor jeder Zensur schützt, die Freiheit der Presse staatlich garantiert wird, über deren Neutralität die Parteienvertreter in den Landesmediengremien paritätisch wachen, was manchen wiederum an der Neutralität, der nur dem System gehorsamen Medien, die Presse schlicht genannt werden, zweifeln lässt.
Warum Reporter des öffentlichen Rundfunks von den rechtsnationalen Pegiden unter Skandierung des Wortes Lügenpresse verprügelt wurden und wem das nutzen soll, lässt sich logisch nicht erklären. Weder handelt es sich dabei um Presseorgane noch hat es je etwas am Kern der Botschaft geändert, ihren Überbringer, sollte sie nicht gefallen, zu töten. Dabei ist völlig egal, wie ich die wilden Thesen von der jüdisch-amerikanischen Medienverschwörung bewerte, die Deutschland an den Islam verrate oder ähnliche dort hörbare Thesen, die sich lieber noch auf die Kanzlerin als den Bösewicht stürzen und sie hängen möchte, um alles zum Guten zu wenden.
Spannend ist aber, wie sich die vermeintlichen Aufrüher und nationalen Freiheitskämpfer von Vertretern und Verteidigern der freien Presse, wie 1989, 1918, 1848 und 1833 zu deren Gegner wurden und dafür sich Medien hörig machten, die genau das sind, was sie der hiesigen Systempresse vorwerfen, wie bereits mehrfach sachlich beweisbar wurde. Wie war das Verhältnis der aufständischen nationalen Kräfte, die auch vorgaben für die Freiheit zu kämpfen, früher, was hat sich daran geändert?
Am 3. April 1833 versuchten 50 Aufständische unter Gustav Bunsen, Gustav Körner und Theodor Engelmann die Frankfurter Hauptwache und auch die Konstablerwache zu erstürmen, um dort inhaftierte Journalisten zu befreien. Mit der folgenden Niederschlagung des Frankfurter Wachensturmes scheitert vorläufig der Versuch einer gesamtdeutschen revolutionären nationalen Erhebung.
Etwa 100 Aufständische hatten versucht, die Wachen zu stürmen und neben dem Wartburgfest und dem Hambacherfest gehört der Frankfurter Wachensturm so zu den bedeutendsten Ereignissen der nationalen Erhebung im Vormärz. Frankfurt, als Sitz des Bundestages und des Gesandtenkongresses, galt den aufständischen Verschwörern als Instrument der Fürsten ihre restaurative Politik durchzusetzen und damit als Hindernis auf ihrem Weg einer deutschen Einheit ohne Grenzen in Freiheit. Der Plan der Buschenschaftler, zu denen sich auch der erfahren polnische Offizier und Exilant Jan Pawel Lelewel gesellte, war es, die beiden Frankfurter Polizeiwachen zu stürmen, sich der dort lagernden Kasse des Deutschen Bundes und der Waffen zu bemächtigen, um danach die Gesandten der deutschen Fürsten, die im nahen Palais Thurn und Thaxis tagten, gefangen zu nehmen und damit das Signal für eine allgemeine nationale Erhebung auszusenden.
Der Plan war jedoch bereit im Voraus verraten worden und damit zum Scheitern verurteilt. Die Wachen erwarteten die Aufständischen bereits gut gerüstet und hatten ein leichtes Spiel mit den Studenten. Bei dem folgenden Schusswechsel gab es 9 Tote und 24 Verletzte. Die Verschwörer hatten eigentlich noch rechtzeitig von dem Verrat erfahren, hätten es abblasen können und sich dennoch zum Sturm entschlossen, da sie auf die tatkräftige Unterstützung der Frankfurter Bürger und der hessischen Bauern hoffte, die jedoch aus blieb, warum der Aufstand schnell beendet war.
Auch wenn die Aktion überstürzt war und deshalb von vielen kritisiert wurde, brachte sie den Aufständischen viele Sympathisanten in ganz Deutschland ein. Ganz anders der Bundestag, der im Auftrag der Fürsten sofort die Bundesexekution gegen Frankfurt beschloss, was die sofortige Stationierung von 2500 preußischen und österreichischen Soldaten in der freien Reichsstadt zur Folge hatte. Dabei wurde Frankfurt von den fürstlichen Bundesdiplomaten künftig als liberales Nest geschmäht. Die Flucht der Aufständischen mit Hilfe ihrer Gefangenenwärter wurde in vielen Lieder und Flugblättern von der Anteil nehmenden Bevölkerung gefeiert. Es wurde von der Fürstenversamlung noch im Juni 1833 eine Bundeszentralbehörde geschaffen, die als Inquisitionsorgan bis zu ihrer Auflösung 1842 gegen die mehr als 2000 im schwarzen Buch registrierten Verdächtigen ermittelte, warum viele von ihnen in die USA flohen, wie auch die Anführer des Wachensturmes, und dort teilweise noch erfolgreich Karriere machten. Es wurden am Ende 39 Personen zum Tode verurteilt. Jedoch wurden die Urteile nie vollstreckt sondern später in lebenslängliche Haftstrafen umgewandelt.
Der Versuch eines revolutionären Umsturzes war am Verrat und am falschen Vertrauen in den revolutionären Geist der Bevölkerung gescheitert. Die gefangenen Journalisten konnten nicht befreit werden, dafür starben viele im leichtsinnig riskierten Kampf. Zwar stärkte der Kampf die nationale Zustimmung zu einem Umsturz, änderte aber nichts zum positiven, sondern führte nur zu noch mehr Kontrolle und Restriktion auch gegen die eigentlich freie Reichsstadt, die nun fremdes Militär beherbegen musste, ständiger Kontrolle unterlag. Sicher ist die Bewegung einer der Tropfen gewesen, die 1848 das Fass, wenn auch ohne langfristige Folgen, zum Überlaufen brachte, doch auch dort fehlte es an organisierter Solidarität, die eine langfristige Veränderung und Liberalisierung ermöglicht hätte.
Die abgewanderten Aufständischen bereicherten die politische Kultur der USA, ob als Publizisten, Politiker oder Diplomaten und fehlten dafür in Deutschland, dass weiter den reaktionären Kurs der Ära Metternich steuerte, welche den Wunsch nach Einheit in Freiheit im liberal verfassten Staat, der in den Befreiungskriegen gegen Napoleon erstmals aufkam, so gut sie konnte unterdrückte. Die nationale Bewegung auch aus den Burschenschaften war im 19. Jahrhundert eine freiheitliche und liberale gegen die Fürsten und die reaktionäre Bewegung der Karlsbader Beschlüsse. In Deutschland hieß nationales Denken eben nicht, sich zu beschränken sondern die vielen Staaten vereinen zu wollen ohne Zollschranken und mit liberalen Bürgerrechten. Was daraus wurde, nachdem die Nation ohne Österreich unter Preußens Führung geeint wurde, konnten wir Ende des 19. Jahrhunderts und am breiten Zuspruch für die Nationalsozialisten in den 30ern sehen, die auch an den alten Traum der Burschenschaftler und Turner anknüpften. Heinrich Mann hat in seinem Untertan für diesen Geist eine wunderbare Karikatur geschrieben und die Folgen eher vorausgesehen als sein Bruder Thomas, der zu Beginn des 1. Weltkrieges noch nationale Appelle schrieb, sich erst als Exilant klar zur Demokratie bekannte und gegen die Nazis äußerte, sehen wir von einigen kurzen Ansprachen für die Weimarer Demokratie kurz vor der sogenannten Machtergreifung ab.
Der nationale Geist hat sich mit dem Dritten Reich in Deutschland auf Dauer unmöglich gemacht und so ist das in Europa aufgehende noch immer föderale Gebilde Bundesrepublik ein besseres Abbild unserer Geschichte, als es sich nationalbeschränkte Pegiden derzeit träumen. Es gelten weiter die Worte Goethes: Zur Nation zu bilden ihr Deutschen, ihr hofft es vergebens, bildet lieber freier zu Menschen euch aus. Deutschland als Land der Stämme ist, sehen wir vom Freizeitvergnügen Fußball einmal ab, unter keine nationale Idee zu einen und der Wohlstand im Freizeitpark ist den meisten Bewohnern wichtiger als eine abstrakte nationale Idee. Die Angst um die deutsche Gemütlichkeit aber, die Ruhe und Ordnung, in der sie ungestört in ihren Regionen leben wollen, denen sie meist inniger verbunden sind als der Nation als Ganzes, lässt in Krisenzeiten immer wieder Populisten erstarken, die über die Angst auf das hier untaugliche Pferd der Nation setzen.
Das Abendland, für das sich die Pegiden vorgeblich einsetzen, ist ein europäischer Kulturraum, der einzig in der EU eine politische Verbindung fand, warum die Gegnerschaft dieser vermeintlich nationalen Kräfte gegen Brüssel die Lächerlichkeit ihres Unternehmens noch besser offenbaren. Früher einigte sich das Abendland in Kreuzzügen unter dem Christentum mit meist verheerenden Folgen und hat es doch nicht geschafft, füreinander einzustehen, wenn es in Not geriet, wie der Fall Konstantinopel zeigte. Ansonsten schlug es in bis zu hundertjährigen Kriegen immer wieder auch in den heute zufälligen Nationen aufeinander ein. In Sachsen, wo diese vermeintlichen Kulturretter ohne eine solche entstanden, ist der Grad der Christianisierung in der Bevölkerung niedriger als in Indien, was deutlich macht, wie wenig Hintergrund diese bloß ausländerfeindliche Bewegung von islamängstlichen Menschen tatsächlich hat.
Der Frankfurter Wachensturm war, auch wenn national, eine freiheitlich, liberale Bewegung, die sich für mehr Demokratie, Verfassungen und Öffnung der Grenzen einsetzte. Nach ihrem früher vorbildlichen Einsatz für Bürgerrechte und Freiheit verloren die Burschenschaften irgendwann nach der erzwungenen nationalen Einigung den Bezug zur Freiheit und es blieb ihnen nur noch die allerdings historisch beschmutzte Nation als Bezugspunkt, was sie zu einer nur noch Anekdote der Geschichte heute machen.
Ob das seltsame Verhältnis zur Nation eher an schlechten historischen Erfahrungen liegt oder einer starken Vernunft, die jedem kritisch denkenden Menschen, die Hohlheit dieses Begriffes offenbart, kann dahinstehen - in zwei Weltkriegen gescheitert, bei allen Versuchen dies natürlich zu werden, nur im Fußball und der Kultur erfolgreich gewesen, macht uns die Ökonomie vor, das Nation auf weltweiten Märkten nicht mehr interessiert und Identität nur lokal ist, so liegt den meisten Hanseaten und Preußen die Gegnerschaft zu den Bayern innerlich näher, als was sie national vereinen würde.
Viele gescheiterte Versuche später könnten wir die Pegiden und den AfD getrost belächeln, wenn sie nicht die Xenophobie benutzten, um auf der untauglichen nationalen Welle schwimmend, ohne Lösung nur Unruhe zu stiften. Halte ich mich an Goethe und betrachte die Nation nur noch als kulturell bedeutende Form der Identität, die bei Sportwettkämpfen noch benutzt wird, weil Menschen aller Zeiten ihre Zirkusspiele wollen, kann ich das Schwenken der deutschen Fahne auf der Fanmeile getrost belächeln, während der Versuch die Farben einer Freiheitsbewegung für Ausgrenzung, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu benutzen entschieden bekämpft werden muss. Sonst machen die Pegiden Deutschland so lächerlich wie Erdogan derzeit die Türkei, auch wenn es viele Türken noch nicht merken in nationaler Blindheit. Im Namen der deutschen Kultur ist es wichtig dem chauvinistischen Mißbrauch nationaler Symbole entgegen zu treten. Wer die Nation als Kulturraum versteht und zugleich deren Vernetzung in Europa erkennt, kann sich ohne Hass und Ausgrenzung identifizieren und damit konstruktiv gestalten. Mehr ist vom Begriff Nation, nicht mehr zu erwarten, vergessen wir ihn lieber für mehr Menschlichkeit.
Das der Begriff Lügenpresse, wie ihn diese national gesinnten Pegiden gern verwenden, offenbart, wie sehr sie sich als Wahrheitsbesitzer fühlen und damit alle anderen als Lügner bezeichnen, genügt sie politisch in der Demokratie endgültig zu disqualifizieren, die nicht von Wahrheiten sondern vom Diskurs der gegensätzlichen Kräfte lebt, auch wenn diese immer wieder Unsinn erzählen wie ein Seehofer, zählen Streit und Diskurs und es geht nicht darum den anderen als Lügner im Diskurs zu disqualifizieren, der damit schon beendet wird, bevor er überhaupt begonnen wurde. Pegida sucht keinen Diskurs, sondern verkündet ihre Wahrheiten auf Kosten anderer, sie sind Feinde der Demokratie und nicht Volkesstimme, so gilt es auch diese Gegner der offenen Gesellschaft zu bekämpfen. Die geistigen Brandstifter sind die Anstifter der terroristischen Brandstifter im Land und gegen diese muss mit gleicher Härte und Entschlossenheit vorgegangen werden, wie gegen islamistische Terroristen, mit denen sie gemeinsam haben, Gegner einer offenen Gesellschaft zu sein. Es gilt dabei der Grundsatz des Strafrechts, dass ein Anstifter wie ein Täter zu bestrafen ist. Gegen Intoleranz hilft nur Entschlossenheit, wer die offene Gesellschaft verteidigen will, darf ihre Feinde nicht tolerieren.
jens tuengerthal 3.4.2016
Samstag, 2. April 2016
Kulturgeschichten 0177
Am 2. April 1453 erreichten die ersten Truppen des osmanischen Heeres von Mehmed II. Konstantinopel und beginnen die Belagerung, die bis zum 29. Mai dauern wird. Das osmanische Reich eroberte damit Europa an seinen Wurzeln und bedrohte es im Kern und diese Bedrohung sollte sich noch 300 Jahre fortsetzen, sie kamen bis vor Wien und es dauerte bis ins 20. Jahrhundert, sie wieder vom europäischen Kontinent zu vertreiben, den sie bis heute mit geprägt haben.
Wo steht die Türkei heute, gehört sie zu Asien oder Europa?
Die Türkei ist unter Sultan Erdogan, der eigentlich nur ein gewählter Präsident ist, dabei sich von einem aufgeklärt laizistischen Staat, wie iihn Atatütk gründete, zurück in ein islamisch geprägtes Land in osmanischer Tradition zu verwandeln, als das es einst Europa bedrohte und das nun täglich zeigt, wie fern ihm europäische Werte sind. Der Prozess begann schleichend mit der Zulassung des Kopftuchs und der Umbesetzung der Führungsstellen im Militär und zeigt sich immer mehr im Kampf gegen die Kurden wie die Pressefreiheit. Auch die vermutete Nähe zu den Islamisten des IS, die offiziell geleugnet wird, zeugt für diese Entwicklung und sollte dem Westen, der über die NATO mit der Türkei auch militärisch verbunden ist, mehr Aufmerksamkeit wert sein, als der inszenierte Konflikt mit dem russischen Oligarchen Putin, der auch kein lupenreiner Demokrat ist aber doch lange die Annäherung suchte.
Erdogan provoziert und sucht Abgrenzung. Es ist schwer vorstellbar, dass die Berater des Präsidenten so naiv sind, dass sie die Provokation einer Einbestellung des deutschen Botschafters für geboten und angemessen halten. Sie wissen genau, dass die Pressefreiheit in westlichen Medien auch kritische Berichterstattung schützt, die Regierung nicht eingreifen wird oder kann, nur weil sich ein türkischer Pascha sich provoziert fühlt.
Warum also diese alberne Provokation, die Erdogan nur lächerlich macht?
Ist es Zeichen der Erschütterung seiner Macht, weil seine Mitarbeiter ihn öffentlich lächerlich machen, das entsprechende Video erst in der Türkei bekannt machte, oder ist der Sultan schon so weit entfernt von der Realität, dass er seine persönlichen Wutanfälle für angemessen und normal hält?
Der Umgang mit Pressevertretern durch die Leibwächter des Sultans auf seiner jüngsten Amerikareise zeigt die gleiche Tendenz. Entweder der türkische Präsident ist größenwahnsinnig geworden und denkt, er könne sich alles erlauben oder der in seinem Aufstieg intelligente und agile Taktiker provoziert, um sich in der Türkei als starker Mann zu präsentieren, der sich nichts bieten lässt, was im orientalischen Denken eine positive Wirkung haben soll. Es gibt viele Türkinnen, die zu mir sagten, die Türkei sei eben so, die Strukturen und die Macht der Familie könne nicht verändert werden.
Ist das der Hinweis auf den Traum von der Wiederherstellung des osmanischen Reichs, als die Türkei noch eine Weltmacht war, die von Konstantinopel aus die Welt mit bestimmte?
Vergleichbar dem Agieren des russischen Präsidenten in sowjetischer Tradition, könnte Erdogan meinen, die osmanische Tradition gebe ihm Größe und eine Perspektive für die Zukunft. Auch wenn alle Logik zeigt, wer sich nach hinten wendet, kommt selten weiter nach vorne, sichert es dem autokratischen Präsidenten, der sich nicht nur über Regelungen des Naturschutzes und die türkische Verfassung hinwegsetzt, dennoch die Zustimmung in einem Land, das ländlich noch immer traditionell autoritär geprägt ist im Sinne eines chauvinistischen Islam, wie ihn auch der Erdogan vertritt, die Zustimmung der Bevölkerung, die sich im neuen patriotischen Wahn wieder von den Kurden verfolgt und bedroht sieht.
Der Krieg gegen die PKK, auf den wesentlich mehr Kraft verwendet wird als auf den Kampf gegen den IS, lenkt die Bevölkerung ab und schart auch sonst vernünftig und kritisch denkende Türken wieder hinter den Präsidenten, weil sich alle in Erinnerung der langen Auseinandersetzung bedroht fühlen, ohne kritisch zu fragen, woher diese Bedrohung stammt. Auch wenn die PKK kein Knabenchor ist, der stets den Frieden sucht, ist doch deutlich, von wem die Provokation ausging und wie Erdogan eine Bedrohung inszeniert hat, die seine Macht bedrohte, etwa durch den immer stärker werdenden Vertreter der moderaten kurdischen Partei. Der Umgang mit diesem, wie mit seinen sonstigen politischen Gegnern zeigt woher der Wind weht.
Die kurdischen Truppen waren die erfolgreichsten Kämpfer gegen den IS, bis Ankara anfing kurdische Dörfer zu bombadieren, um vorgeblich gegen IS Terroristen vorzugehen. Dies sind weitere Provokationen, die austesten, wie weit der Sultan gehen kann, ohne dass ihn die westlichen Partner stoppen. Die Abhängigkeit von der Türkei beim großen Handel mit Flüchtlingen, die Ankara bisher ohne Hindernis weiter ziehen ließ, macht eine vernünftige Position dabei nicht leichter. Wie können wir in einen totalitären Staat Flüchtlinge zurückschicken, nur weil es europäische Innenpolitik leichter macht, den Populisten den Wind aus den Segeln nimmt?
Wie groß ist die Bedrohung Europas durch eine osmanische Türkei oder sollte Ankara als Partner eingebunden werden, um es zu disziplinieren?
Stellt sich Erdogan hier klar in die osmanische Tradition oder pokert er nur wie alle Europäer es vorher untereinander taten um Kosten wie auf dem Basar?
Ein Blick auf die Eroberung Konstantinopels durch das osmanische Heer könnte hier weiterhelfen. Mit der Eroberung Konstantinopels durch Sultan Mehmed II. 1453 ging das byzantinische Reich unter. Mehmed stand mit einem Heer von 80.000 Mann vor der Stadt, die er belagerte, während Kaiser Konstantin XI. etwa 7000 Mann zur Verteidigung zur Verfügung hatte.
Zum Zeitpunkt der Eroberung bestand Byzanz nur noch aus der Hauptstadt Konstaninopel, deren näheren Umland sowie einigen kleineren griechischen Inseln. Die Stadt selbst war von einer Größe von bis zu 500.000 Einwohnern bis ins 13. Jahrhundert bereits auf nur noch 40.000 Einwohner geschrumpft. Die Republik Venedig besaß größere Flächen im ehemals byzantinischen römischen Reich als dieses selbst noch sein eigen nannte. Die Kornkammer der Byzantiner, Anatolien, war längst an die Osmanen verloren wie auch große Teile Griechenlands, der Wurzel europäischer Kultur.
Das osmanische Reich war erst 1299 gegründet worden und hatte seit dem ungeheuer expandiert. Nach auch Niederlagen und dem osmanischen Interregnum setzte sich Mehmed I. durch, der die Expansion weitertrieb und dessen Sohn Murrad II. erstmals Konstantinopel belagerte aber noch dabei scheiterte. Erst sein Sohn Mehmed II. nahm dies Vorhaben wieder in Angriff, nachdem sein Vater die letzten Jahre sehr friedlich mit den Byzantinern gelebt hatte. Doch Konstantinopel war in vieler Hinsicht zu wichtig für die Osmanen, dass sie auf Dauer auf die Eroberung verzichten konnten. Zum einen war es als Endpunkt der Seidenstraße und als Tor zum Schwarzen Meer ein wichtiger Handels- und Umschlagpunkt, zum anderen war die christliche Dominanz auf dem Meer sehr lästig für die Osmanen, die immer wieder Probleme hatten Truppen vom europäischen in den asiatischen Teil zu transportieren und umgekehrt, selten erfolgreich gegen europäische Seemächte war.
Kurz nach seiner Thronbesteigung unternahm Mehmed II. den ersten Schritt zur Belagerung, indem er an der engsten Stelle des Bosporus eine Festung bauen ließ. Die Rumeli Hisari oder europäische Festung genannte Burg war strategisch gut positioniert, um den gesamten Schiffsverkehr am Eingang zum Schwarzen Meer zu kontrollieren. Schon gegen den Bau gab es Aufstände der Bevölkerung von Konstantinopel und Kaiser Konstantin versuchte noch Sultan Mehmed zu bestechen, um ihn zur Einstellung der Bauarbeiten zu überreden. Als dann aber zwei Gesandte des Kaisers vom Sultan geköpft wurden, konnte es keine Zweifel mehr an den Absichten des jungen Herrschers geben.
Nach Fertigstellung der Festung legte Mehmed fest, dass alle Schiffen die passieren wollten, eine Gebühr zu entrichten hätten oder versenkt würden. Als sich drei venezianische Schiffe weigerten zu zahlen, wurden sie beschossen und eines von ihnen vesenkt, während die anderen beiden entkamen. Die aufgegriffene Mannschaft wurde vom Sultan geköpft, der Kapitän dagegen gepfählt.
Konstantin, dem mit Fertigstellung der Festung und spätestens seit Hinrichtung seiner Gesandten klar war, was ihm bevorstand, schrieb alle christlichen Herrscher um Hilfe an. Kaiser Friedrich III. hatte jedoch keine finanziellen Mittel, um zu helfen, England und Frankreich hatten gerade erst den hundertjährigen Krieg beenden, konnten nicht mehr, König Alfons von Aragon hätte wohl gekonnt, kümmerte sich aber lieber um seine italienischen Besitzungen, Ungarn hatte innenpolitische Schwierigkeiten, Serbien war osmanischer Vasall und wollte daran auch nichts ändern, Georgien und Trapezunt hatten an den eigenen Grenzen genug Druck, konnten auch nicht helfen. Es war aussichtslos. Noch hoffte Konstantin auf Genua, Venedig und den Papst. Venedig einigte sich nach langem Streit mit dem Papst über die Schulden seines Vorgängers mit diesem, der zum Preis der Kirchenunion helfen wollte, die Konstantin notgedrungen zusagte, über die Entsendung einer Flottille, die aber erst drei Wochen nach dem endgültigen Fall Konnstantinopels überhaupt in See stach. Genua bot nur Hilfsgüter, wollte sich aber nicht am Kampf beteiligen sondern lieber bei einer diplomatischen Lösung helfen, so dass der genervte Papst Nikolaus schließlich eine eigene Galeere anmietete.
Genua hatte jedoch seinen Bürgern erlaubt auf eigene Kosten Konstantinopel bei der Verteidigung zu helfen, woraufhin etwa 700 bewaffnete Helfer aus Genua, Rhodos und Chios in die Stadt zogen. Gleichzeitig verließen 700 Italiener auf 7 Galeeren die bedrohte Stadt. Einzelne vornehme venezianische und genueser Familien schickten noch Söhne mit teils selbst ausgestatteten Truppen zur Verteidigung. Es blieben sehr wenige - so standen nach einer ersten Zählung 4900 Griechen und 2000 Ausländer zur Verteidigung der Stadt bereit, worauf alle Matrosen, die in der Stadt weilten, zwangsverpflichtet wurden und alles verfügbare Gold eingeschmolzen wurde, um weitere Truppen zu verpflichten, was die Zahlen auf 6000 zu 3000 steigen ließ, in Summa 9000. Was nicht mal ⅛ der osmanischen Truppen war, zu denen noch ein vielfaches an Hilfstruppen hinzu zu zählen ist, die Gräben bauten und sonstige Versorgung sicherten.
Als Mehmed nach seinen Truppen und kleinen Scharmützeln im Vorfeld zur gut vorbereiteten Belagerung am 2. April 1453 vor Konstantinopel eintraf, waren nahezu alle 80.000 Mann eingetroffen. Konstantinopel war mit 21km Stadtmauern wahrscheinlich die am besten gesicherte Stadt der damaligen Welt. Jedoch reichten die maximal 10.000 Verteidiger nicht mal aus, um das Mauerwerk ausreichend zu bemannen. Gegen die Kanonen wurden mit Stroh gefüllte Stoffsäcke über die Mauern gehängt, die Gräben zwischen den Mauern wurden geflutet und die Kanonen in Stellung gebracht, was jedoch zu wenig führte, da es nicht ausreichend Salpeter gab, sie zu nutzen und die Kanonen beim Abschuss das Mauerwerk so sehr erschütterten, dass die Gefährdung größer war als der Verteidigunszweck.
Angesichts der zahlenmäßigen Unterlegenheit lag die einzige Hoffnung der Byzantiner nun darin, dass sich irgendeine Macht zur Hilfe aufmachen würde, wenn sie nur lange und tapfer genug verteidigten. Aufgrund der geschrumpften Bevölkerungszahl gab es in der Stadt genug Freiflächen für Ackerbau und ähnliches, die Vorratskammern waren gut gefüllt worden, sie konnten es wohl eine zeitlang aushalten, dachten sie. Je nach Quelle umfasste die osmanische Armee zwischen 50.000 und 400.000 Mann, den türksichen Quellen zufolge waren es 80.000, was am wahrscheinlichsten noch klingt. Mehmed wollte den Hauptangriff entlang der Theodisianischen Landmauer führen, um eine langfristige, verlustreiche Belagerung zu vermeiden, sollten die Kanonen die Mauer zerstören. Der Beschuss führte bald zum Einsturz erster Mauerteile, die von den Verteidigern über Nacht notürftig repariert wurden. Doch die Osmanen ließen sich mit dem ersten Angriff noch Zeit.
Am 18. April kam es nach tagelangem Beschuss zum ersten kleinen Sturmangriff, gegen den sich die Stadt aber noch verteidigen konnte, da er sich auf einen schmalen Streifen nur konzentrierte. Die Verluste der Osmanen lagen bei etwa 300 Mann, die Verteidiger hatten nur Verletzte. Die folgende Seeschlacht endete ähnlich hoffnungsvoll für die belagerten Christen, dabei starben über 100 Osmanen und etwa 23 christliche Seeleute, aber das Schiff erreichte die Stadt mit Waffen und Nahrung. Mehmed II. reagierte wie Sultan Erdogan mit einem cholerischen Wutanfall, wollte seinen Komandanten sofort enthaupten lassen und ließ sich nur langsam beruhigen, sich mit dessen Absetzung, Enteignung und Verbannung zu begnügen. Beim nächsten Versuch gelang dann unter wieder großen Verlusten die Eroberung des Goldenen Horns über das Mehmed eine Pontonbrücke anlegen ließ. Nach einigem Hokuspokus und Geschichten um Vorhersagen und herunterfallenden Ikonen bei Prozessionen stieg die Panik in der Bevölkerung immer mehr. Aber auch im osmanischen Lager sank die Stimmung, auch wenn Vorhersagen gutes bekundeten, wuchsen die Zweifel, da, desto länger die Belagerung dauerte, die Wahrscheinlichkeit wuchs, dass christliche Heere den Belagerten zu Hilfe kämen.
Mehmed entschloss sich daher am 29. Mai eine Entscheidung mit einem Großangriff zu erzwingen. Dieser begann auf der vollständigen Länge der Landmauer in der Nacht um 1.30h und eine Gruppe Soldaten löste die andere ab, den Druck aufrecht zu halten. Gleichzeitig griff die Flotte die Mauern vom Goldenen Horn aus an. Bei Sonnenuntergang brach die Verteidigung endgültig zusammen und den Janitscharen gelang der Durchbruch. Aus Kreisen der Byzantiner hieß es dann, die Stadt sei verloren, weil die Angreifer durch die Kerkoporta kamen, wie es die Volkssage für den Untergang der Stadt verkündete. Diese These aus dem sagenhaften Bereich des Aberglaubens kann jedoch historisch nicht verifiziert werden. Es ist vieles unklar geblieben. Bereits am 30.5. morgens um 8.30h sollen die osmanischen Truppen bereits die ganze Stadt eingenommen haben. Darauf lösten sich die Truppen der Verteidiger schnell auf und die Stadt wurde von den osmanischen Truppen geplündert, wobei es zu vielen blutigen Übergriffen gegen Einwohner kam. Mehmed soll seinem Historiker zufolge angesichts der Gewalt der Plünderung beim Anblick der Schönheit der Stadt zu Tränen gerührt gewesen sein.
Konstantin soll beim Kampf an der Theodosischen Mauer gefallen sein, genaueres dazu ist nicht bekannt. Am Tag nach dem Sieg verkündete Mehmed allen byzantinischen Adeligen, dass diejenigen, die sich bei ihm melden würden, in ihren Besitz wieder eingesetzt würden. Alle, die so naiv waren dem muselmanischen Heerführer zu glauben, wurden sodann mit ihrer ganzen Familie geköpft. Den übrigen wurde angeboten, sie könnten zum Islam konvertieren oder seien des Todes. Keiner, soweit bekannt, nahm das Angebot an.
Mit der Eroberung Konstantinopels konnte das osmanische Reich seine Herrschaft and der Schnittstelle Europas noch weiter ausbauen und für die folgenden Expansionen eine sichere Basis schaffen. Mehmed verlegte seine Hauptstadt in das wunderschöne Konstantinopel und nannte es Istanbul. Die Hagia Sophia, in die sich viele Christen geflüchtet hatten, die dort niedergemetzelt wurden, war künftig eine Moschee und ist heute ein Museum. Für die italienischen Händler, die vorher den Bosporus kontrollierten, war die Eroberung ein schmerzhafter und teurer Einschnitt, der den Handel am Schwarzen Meer und mit der Levante stark beeinträchtigte.
Viele griechische Gelehrte flohen mit ihren Schriften nach Italien wodurch mit dem parallel entdeckten Buchdruck ein schwunghafter Handel mit antiken Schriften begann, die sehr nachgefragt wurden, von dort den Geist der Renaissance in Europa beflügelten und den Humanismus erstarken ließen. Unter dem Eindruck der Schilderung der blutigen Einnahme Kosnstantinopels, bei der die Grausamkeiten in Europa noch stark ausgeschmückt wurden, schrieb Nikolaus von Kues sein Werk De pace fidei - Über den Glaubensfrieden - indem er sich für eine Verständigung der Religionen einsetzt. Zugleich mehrten sich unter den weniger gebildeten die Stimmen, die den Fall Konstantinopels als eine Strafe Gottes ansahen, den die Griechen durch ihren Abfall von der katholischen Kirche und ihre Beibehaltung des orthodoxen Glaubens über sich gebracht hätten. Gegen diese Strafe Gottes solle nun mit einem rechtgläubigen Leben vorgegangen werden. Papst Nikolaus und sein Berater Piccolomini wollten die Christenheit zu Kreuzzügen gegen die Türken gewinnen und riefen zu drei Türkenreichstagen in Regensburg, Frankfurt und Wien. Auch Philipp der Gute schwor als König von Fraankreich beim Fasanenfest seine Ritter zum Zug gegen die Türken ein. Doch blieben all diese Aufforderungen und Bekenntnisse letztlich erfolglos bis auf eine siegreiche Belagerung Belgrads. Die Figur des Türken fand als Topos nun Eingang in die abendländische Kultur und blieb ihr über Jahrhunderte und verschiedenen Varianten erhalten.
Ostrom oder Konstantinopel fiel an die Türken, weil sich Europa nicht einig war. Zu sehr mit sich beschäftigt, kümmerte es sich lieber um eigene Probleme, statt den Untergang der griechischen Kultur zu verhindern, die sie nur indirekt über die Flüchtlinge in ihrer Kultur wieder adaptierte, die dadurch einen großen Entwicklungsschritt vom Mittelalter zur Neuzeit machte. Die Veränderung und der Untergang eines Teils der eigenen Kultur beeinflusste die Kunst stärker als die Politik und im Ergebnis änderte Europa seine Politik nicht, wehrte zwar mehrfach mühsam die Türken vor Wien ab, fand aber erst im 19. Jahrhundert eine Antwort für Griechenland als Königreich. Eine eigene Kultur ging verloren und hat nur in einigen griechischen Klöstern wie den orthodox geprägten Staaten Europas überlebt. Die Solidarität in Europa ist immer noch schwächer ausgeprägt als der lokale Egoismus und so sind die kleinen nationalen Helden Mittäter beim Selbstmord Europas.
Kann aus dieser Eroberung etwas für den künftigen Umgang mit Sultan Erdogan und den neuen Osmanen gelernt werden oder ist Geschichte nicht übertragbar?
Europa hat sich durch Populisten lange erpressen lassen und damit Erdogan zuviel Macht gegeben, die er nutzte Europa zu erpressen. Sein augenblickliches Benehmen erinnert sehr stark an das mancher Paschas, doch fragt sich dabei eher, ob er die Zeichen der Zeit nicht erkannt hat oder tatsächlich für die Auferstehung des osmanischen Reiches kämpft und damit an den Patriotismus seiner Landsleute apelliert, austestet, wie weit er gehen kann, bevor ihm Grenzen gezogen werden. Hätte Europa zu Konstantinopel gehalten und den Fall der Stadt verhindert, einig die Türken zurück geschlagen, wäre ihm wohl mancher der folgenden Türkenkriege und die jahrhundertelange Besetzung von Teilen Europas erspart geblieben.
Auch wenn “hätte” und “wenn” in historischen Betrachtungen müßig sind, kann doch aus der Geschichte gelernt werden, dass Europa, wo es sich nicht einig ist, um so schneller angreifbar wird und gegen die Dynamik junger Reiche keine angemessene Reaktion finden kann. Schon das Inseldasein von Byzanz war eine Folge von dessen Schwächung auch durch die Kreuzzüge gegen Ostrom im 13. Jahrhundert. Religiöse Zwistigkeiten über den Vorrang der einen oder anderen christlichen Sekte haben einen Kulturraum untergehen lassen, weil der lokale Egoismus größer als der Zusammenhalt angesichts einer Bedrohung war.
Erdogan überschreitet sämtliche Grenzen, die einen Dialog mit Europa möglich machen. Die Türkei dieses Osmanen hat in Europa nichts verloren, auch wenn sie sich nun Sonderkonditionen für die nicht mehr Weitersendung von Flüchtlingen erpresst hat. Darf Europa ihn gewähren lassen oder müssen wir ihm dringend Grenzen ziehen, damit der lächerliche Popanz dieses Paschas Grenzen findet?
Die Angst ist selten ein guter Ratgeber. Ein Kompromiss mit der Türkei, der die Flüchtlingssituation auch in Griechenland entspannt, das wahrlich noch andere Sorgen derzeit hat, ist nötig gewesen, um zu entspannen. Doch wird es in der nun Phase der Entspannung, in der sich auch der Zulauf zu den rechtsextremen Parteien, die keine Perspektive haben, wieder reduzieren wird, nötig sein, langfristige gemeinsame und gerechte Lösungen zu finden. Die fast rassistische Verweigerung der Verantwortung einiger europäischer Länder ist dabei genauso wenig tragbar wie die weitere Erpressung durch Erdogan und sein Sultanat. Es wird in Europa keine Lösung geben, wenn wir uns nicht einigen und gemeinsame Wege suchen. Dabei kann weder Deutschland alleine die Verantwortung tragen, noch seinen Weg allen anderen aufdrängen, sondern muss kritisch und rational nach einer Perspektive suchen.
Wo Europa einig ist, stellt der wildgewordene Sultan auch in seinen Wutanfällen keine Bedrohung mehr da. Es können ihm Grenzen gewiesen werden, soweit uns sein Verhalten etwas angeht, im übrigen ist es in der Hand der Türken, wen sie sich zum Staatsoberhaupt küren und wohin sie sich wenden. Europa könnte seinen alten Kulturraum wieder aufnehmen und gut integrieren, sofern ein demokratisch verfasster Staat ohne Anklänge einer mittelalterlich religiösen Sekte, die europäische Grundrechte missachtet, als Partner kommt. Europa ist notwendig laizistisch als Staatengemeinschaft, um zu funktionieren. Das sie eine Erfolgsgemeinschaft sind, ist ein gutes Zeichen. Es ist die Türkei als alter Teil Europas, in dem Troja stand und die Hauptstadt des früher Ostrom lag immer willkommen, sofern sie sich an Europa anpasst und seine Spielregeln beachtet. Sofern sie, wie gerade von Sultan Erdogan, osmanisch regiert wird, hat sie dort nichts verloren. Europa muss sich nur einig sein, dann kann es mit seinen 720 Millionen Einwohnern und seinem enormen Reichtum leicht einige Millionen Syrer für eine gewisse Zeit mit Gewinn integrieren und eine Türkei an ihren Kurs anpassen, unter ihre rechtlichen Regeln zwingen. Dieser Export des guten Lebens und der europäischen Werte in den islamisch asiatischen Kulturraum ist sehr gut und unbedingt zu befürworten. Wir können sie alle integrieren und mit ihnen nach unseren Idealen von Freiheit und Toleranz leben. Wir müssen sie nur konsequent vertreten und uns einig sein, dann erledigen sich Erogan und seine schlechte Manieren von alleine. Das osmanische Reich war siegreich, weil Europa sich nicht einigen konnte, noch füreinander einstand, etwas wichtigeres kann Geschichte nicht lehren
jens tuengerthal 2.4.2016
Samstagssonne
Sonne scheint in den Hof
Erstmals wieder ins Zimmer
Wind bewegt leicht die Vorhänge
Das Leben wird zärtlich geweckt
Aus dem grauen Winterschlaf
Stimmen sind zu hören
Es ist noch frischer Frühling
Unser erster ohne einander
Wirkt die Welt verkleidet
Ob die Sehnsucht nun
Blüten tanzen lässt
Frage ich mich
Sehe rieche höre
Den Frühling
Und fühle nichts
Als die Sehnsucht
Es zu teilen
Endlich mit dir
jens tuengerthal 2.4.2016
Leseträume
Träume nun lesend davon
Dir wieder vorzulesen
Während wir Tee trinken
Oder schon im Bett liegen
Du an mich gekuschelt
Erlöst nach der Lust
Selig verschlungen
Lieben wir uns lesend
So innig wie vögelnd
Und sind uns noch näher
Fast als beim Sex zuvor
In dem sich Körper fanden
Während alles beieinander ist
Wenn dein Busen sich
Zart gerundet an mich drückt
Deine Scham mich tiefer kitzelt
Die Worte der Bücher
Vorgelesen zwischen uns
Schweben sind wir ganz
Im lustvollen Leseglück
Noch einsam geträumt
Aus dem Himmel über Berlin
Auf das wogende Meer
jens tuengerthal 2.4.2016
Füreinander
Füreinander da sein
Nicht um etwas
Zu erreichen
Sondern weil wir
Einander innig spüren
Aus unserer Natur
Es einfach ist
Was es ist
Ist mehr als ich je
Zu träumen wagte
Noch im Ich gefangen
Habe ich mich verloren
Um uns zu finden dafür
Mit dem nun wir
Nicht mehr allein
Habe ich nun alles
Mit dir als wir in uns
jens tuengerthal 2.4.2016
Leck mich
Er kann mich im Arsche lecken
Lässt Goethe den Götz sagen
Leck mir den Arsch fein schön sauber
Soll Mozart als Kanon komponiert
Einst haben auch wenn er das wohl
Nicht selbst war liebte er es doch
Auch mit seiner Schwester schon
Wie uns die Briefe heute bezeugen
Und ach wie gern leckte ich dich nun
Auch da voller Lust und innig
Um dir von hinten wie von vorn
Ganz nah zu sein Liebste
Die du mir den schönsten Arsch hast
Den ich zu lecken nun träume
Während du von Wellen gewogt
Übers Meer getrieben liest wie
Nah du mir bist am Ein- und Ausgang
Überwindet die Lust alle Scheu
Spüren wir einander im Traum
Überall nah versunken geleckt
Mit heißer Zunge gezaubert
jens tuengerthal 2.4.2016
Freitag, 1. April 2016
Kulturgeschichten 0176
Es ist leider kein Aprilscherz, auch wenn es sich in vielem so anhört. Am 1. April 1956 wurde die Organisation Gehlen unter der Leitung ihres Gründers und Namensgebers Reinhard Gehlen als Bundesnachrichtendienst (BND) in den Dienst der Bundesrepublik Deutschland übernommen, nachdem sie zuvor noch der amerikanischen Besatzungsmacht als Instrument des nun Kalten Krieges gedient hatte, eine Unterorganisation der CIA war.
Wer war diese seltsame, geheime Organisation Gehlen?
Es handelte sich um einen 1946 von den US-Behörden in der amerikanischen Besatzungszone aus deutschem Personal gegründeter Nachrichtendienst.
Warum, bevor wir weiter über Gehlen und sein Kommando berichten, vorab zu klären ist, was überhaupt ein Nachrichtendienst ist, auch wenn diese nun in aller Munde sind, eine nüchterne Betrachtung doch hilfreich sein kann. Definitionsgemäß ist er eine als Behörde geformte Organisation, die über die außen- oder innenpolitische Lage Informationen mit nachrichtendienstlichen Mitteln gewinnt. Solche sind alle Mittel der heimlichen Informationsbeschaffung durch Geheimdienste, was als Generalklausel im deutschen Recht auch nicht präziser definiert wird, um die Mittel der Informationsbeschaffung nicht einzuschränken. Also staatliches Handeln ohne präzisen gesetzlichen Rahmen, das beliebig in Grundrechte eingreifen darf, soweit es geboten scheint - wem das geboten scheint und wer dem Grenzen setzt, ist ähnlich unpräzise definiert und in vielem geheim wie die Aufsicht über diese seltsamen Behörden - aber vor der Kritik zur Geschichte jener Organisation die heute 60 wird und deren Abschaffung dringender geboten scheint als die Feier dieses Jubiläums.
Die Vorgängerorganisation Gehlen bestand aus den Angehörigen der 12. Abeilung des Generalstabs des Heeres der gerade untergegangenen Reichswehr, der Abteilung Fremde Heere Ost. Nach der Gründung hatte sie ihren Sitz zunächst in Camp King in Oberursel im Taunus bei Frankfurt am Main. Ab 6. Dezember 1947 hatte sie ihren Sitz in der ehemaligen Reichssiedlung Rudolf Heß in Pullach bei München, die bis heute Sitz des BND ist, da die andere Dauerbaustelle in Berlin noch immer keine Vollendung meldet. Das Datum des Umzuges verschaffte dem Geheimdienstsitz auch den Namen Camp Nikolaus. Ende der 1940er Jahre hatte die Organisation Gehlen bereits über 4000 Mitarbeiter. Es gab ja genug verdiente Nazis, die anderweitig gerade schwer zu vermitteln waren.
Reinhard Gehlen war Generalmajor gewesen, der sich kurz vor Ende des Krieges den Amerikanern ergab und in ihre Dienste trat. Gehlens Abteilung Fremde Heere Ost hatte als Aufklärungsabteilung einen sehr guten Ruf genossen und galt als systematisch, exakt und detailversessen und damit als zuverlässiger als andere NS-Geheimdienste. Gehlen konnte auch deshalb so viele seiner ehemaligen Mitarbeiter für den neuen Dienst gewinnen, weil sie dafür mit einer neuen Identiität versehen wurden, was manchem NS-Täter gut passte. Eingestellt wurden vor allem viele ehemalige von SS, SD, Gestapo und Abwehr sowie Offiziere der Wehrmacht. Eine Untersuchung von 1970 ergab, dass noch zu diesem Zeitpunkt bis zu 30% der BND Mitarbeiter in einer der genannten Organisationen des NS-Staates waren. Die USA tolerierten mit Beginn des Kalten Krieges diese hohe Quote an ehemaligen Nazis, weil sie ihnen Informationen und Aufklärung über die Sowjetunion und ihre Armee geben konnten. Die Aufklärer der Reichswehr freuten sich still über den gut bezahlten neuen Job im Nachkriegsdeutschland voller Armut und Mangel.
Zu den bekanntesten Nazi-Tätern unter den bald Mitarbeitern des BND gehören Klaus Barbie, der Gestapo-Chef von Lyon, der als Schlächter von Lyon in die Geschichte einging und der bereits von den Amerikanern getarnt und angeheuert worden war, obwohl die Franzosen ihn mit Haftbefehl suchten und der sich erst später nach Kolumbien absetzte, was der BND dann fortsetzte, Alois Brunner, einer der wichtigsten Mitarbeiter Eichmanns bei der Endlösung der Judenfrage, Wilhelm Krichbaum, der Leiter der Geheimen Feldpolizei, Franz Rademacher, der Leiter des Judenreferats im Auswärtigen Amt, Walter Rauff, der Erfinder der mobilen Gaskammer und andere Verbrecher mehr, die durch ihre Verwendung beim BND lange einem Prozess entgingen, denen der Kalte Krieg ein gutes Auskommen sicherte und eine neue Identität bescherte.
Die Amerikaner betrieben den neuen Geheimdienst zunächst als eine Art Außenstelle der US-Armee, die erst in Pullach der CIA unterstellt wurde. Der erste wichtige Auftrag der Organisation war die Funkaufklärung während der russischen Berlin-Blockade und der nachfolgenden Luftbrücke.
Am 1. April 1956 wurde die Organisation Gehlen parallel zur Gründung der Bundeswehr in den Dienst der Bundesrepublik übernommen. Dies geschah ohne jede gesetzliche Grundlage auf Basis geheimer Vereinbarungen im Bundeskanzleramt. Bis 1990 gab es kein Gesetz, das die Tätigkeit des BND regelte, begrenzte oder die Aufgabe präzisierte. Erst mit dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts und den daraus folgenden Festlegungen zur informationellen Selbstbestimmung, das als Grundrecht postuliert wurde, wovon heute nur noch wenig zu spüren ist, wurde ein irgendwie gesetzlicher Rahmen geschaffen.
Als Gehlen eine Annäherung der Bundesrepublik unter einer möglichen SPD-Regierung an die Sowjetunion fürchtete, hatte er bereits Pläne für eine Schattenregierung und einen Staatsstreich in der Schublade, die mit der amerikanischen Militärführung abgesprochen waren. Wahlverhalten der Bundebürger und noch stärkere Westbindung durch Adenauer machten diese Pläne dann obsolet. Spannend ist dennoch zu sehen, wie sich eine Organisation auch über einen möglichen Wählerwillen nach Vereinigung oder Ostbindung hinwegsetzte und im amerikanischen Sinne die Ordnung im geheimen gesichert hätte.
Bereits von Bestehen der Organisation Gehlen an hatte der KGB mit Heinz Felfe einen Maulwurf dort platzieren können, der erst 1961 aufflog und den der KGB im Wege der Erpressung zu Felfes Verwicklung in NS-Verbrechen leicht gewinnen konnte. Woran sich wieder zeigt, im Geheimen gedeiht der Unrat geschützt am besten.
Der heutige BND ist eine Bundeoberbehörde und unterliegt formell der Aufsicht durch das Kanzleramt. Daneben gibt es ein parlamentarisches Kontrollgremium, das seine Tätigkeit kontrollieren soll, aber keinerlei inhaltliche Kontrolle hat, da die Arbeit ja geheim ist. Aufgabe des BND ist die Auslandsaufklärung und nebenbei damit die Telefon- und Netzüberwachung, was die Pullacher ehemaligen Gehlen Mitarbeiter heute zur deutschen NSA macht.
Was manche nicht wissen oder nicht beachten, seit Jahren wird in Deutschland vor jedem mobilen Telefonat die 0049 geschaltet, womit es ein Auslandstelefonat ist, das dem Aufklärungsbereich des BND unterliegt, der all diese Gespräche gesetzlich legitimiert ohne zusätzliche richterliche Anweisung mitschneiden darf, womit der BND heute nebenbei das vollständige mobile Telefonnetz in Deutschland auch überwachen lässt und der grundrechtlich garantierte Schutz des gesprochenen Wortes durch eine simple Zahlenkombinationn ganz legal ausgehebelt wurde. Für diese vertrauenvolle Tätigkeit der totalen Überwachung, die sich auch auf das Internet und seine Knotenpunkte bezieht und natürlich weiter eng mit der CIA zusammenarbeitetet, stellt der Bund dem BND dieses Jahr 723,8 Millionen Euro zur Verfügung.
Zumindest polizeiliche Exekutivbefugnisse hat der BND nach § 2 des BND Gesetzes keine, ansonsten darf er zur Gewinnung von Erkenntnissen über das Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik sind, alle Informationen sammeln, die dabei helfen und dazu zählen auch personenbezogene Daten. Seine Erkenntnisse gibt der BND an die Bundesregierung und die Abgeordneten des Deutschen Bundestages weiter. Dabei erstellt der BND nach eigenen Angaben rund 300 Berichte im Monat und beantwortet etwa 800 Anfragen zu Krisengebieten oder konkreten Sachverhalten.
Auch mit Diensten anderer Länder arbeitet der BND seit Jahren erfolgreich zusammen. Nachdem durch Snowdens Angaben bekannt wurde, wieviele Daten der BND an die NSA transferiert, wozu auch die Mobilnummern verdächtiger Islamisten gehören, kann heute mit Sicherheit gesagt werden, dass der BND an der Hinrichtung Verdächtiger durch Drohnen des US-Militärs aktiv beteiligt ist und damit rechtlich Mittäter dieser Tötungsdelikte ist. Gäbe es einen Ankläger, der diese Tätigkeit jenseits aller Gesetze rechtlich prüfen lassen würde, wären solche Tötungsdelikte strafbar. Laut BND Gesetz hat der deutsche Geheimdienst, anders als die CIA, keine solchen Exekutivbefugnisse zur Durchführung von geheimen Kommandoaktionen, zu denen auch die gezielte Tötung mittels Drohnen gehört. Doch wo der Ankläger fehlt und die Aufgabe gehörig unbestimmt bleibt, agiert dieser Staat im Staat weiter, ohne dass es einen Aufschrei der Betroffenen gibt, die sich lieber über Beschränkungen im Freizeitpark oder Tempolimits erregen, statt zu begreifen, wie wenig die Tätigkeit und Organisation des BND mit dem Grundgesetz vereinbar ist, wie sehr sich im Laufe der Jahre und in der Informationsgesellschaft noch mehr, ein Staat im Staat gebildet hat, der dringend der Begrenzung bedürfte, die keiner wagt, womöglich auch aus Sorge, der Dienst könnte, über diese Entscheider zu viel wissen.
Helmut Kohl sagte über den teuer finanzierten Dienst nach Ende seiner Dienstzeit, sein Nutzen wäre nahezu null gewesen, sie hätten überhaupt nichts gewusst, wie sich bei allen Anschlägen und sonstigen Fragen heute immer wieder zeigt, regte Kohl sich darüber auf, dass der uneffektiv und miserabel geführte Dienst ihm die Zeit mit Nichtigkeiten gestohlen hätte. Von den gut bezahlten Mitarbeitern in der DDR waren über 90% auch bei der Stasi als Mitarbeiter geführt und also als Doppelagenten tätig und damit letztlich überflüssig wie vermutlich 99,99% aller geheimdienstlicher Tätigkeit, die nur viel kostet und nichts als Überwachung bringt, die nicht ihre Aufgabe eigentlich ist.
Angeblich war der BND auch über den bevorstehenden Mauerbau 1961 in Berlin informiert, tat jedoch nichts, was dieses Wissen für irgendwen nutzbar gemacht hätte. Den Fall der Mauer, den Zusammenbruch der UDSSR und des gesamten Ostblock hat er nicht vorausgesehen. Das wurde ihm, leider ohne weitere Konsequenzen, auch zum Vorwurf gemacht und deutlich die Unfähigkeit des auch nach dem NSA Skandal mit immer mehr Geld und Macht ausgestatteten Geheimdienst, der zum bloßen Machtinstrument der Kontrolle der einheimischen Bevölkerung wurde und illegale Geschäfte wie den Steuerdeal mit Schweizer Banken einfädelte, der angesichts der totalen Kontrolle über die Telekommunikation und das Netz eher voll Schrecken in die Zukunft denken lässt.
So gesehen kann der Staat zwar einen Teil der Ausgaben wieder realisieren, indem er Steuerflüchtlingen auf die Spur kommt, aber das ein Auslandsgeheimdienst allein diese Aufgabe effektiv erfüllt und dafür die totale Kontrolle hat, ist rechtsstaatlich so fragwürdig wie es die Frage stellt, welche Legitimation dieser Dienst als Finanzamtshelfer haben kann und ob das nicht schlimmer noch als bei der Stasi ist.
Der BND wird heute 60. Höchste Zeit ihn kritisch zu betrachten und endlich abzuschaffen. Wir brauchen keinen Geheimdienst mehr, seine Ausgaben sind nicht als Helfershelfer des Finanzamtes zu rechtfertigen und die Überwachung der vollständigen mobilen Kommunikation verstößt weiterhin gegen Grundrechte. Diese Macht und Kontrolle darf in einer Demokratie keiner haben. Schaffen wir den peinlichen Dienst endlich ab und verwenden wir seine Mitarbeiter künftig lieber zur Straßenreinigung und im Umweltschutz oder zur Verstärkung einer rechtsstaatlich arbeitenden Polizei, deren Handeln gerichtlicher Kontrolle unterliegt. Es ist Zeit, gegen den Terror der Geheimen aufzustehen.
jens tuengethal 1.4.2016
In dir
Bin in Gedanken versunken schon
Ganz in dir meine Liebste die du
Mir fern so nah bist als wäre Liebe
Einfach ortlos spürbar wenn ich
Träume wie ich hinter dir liege
Mich an dich schmiege innig
Sich meine Mitte schon beim
Nur Gedanken steil aufstellt
Um in dich zu dringen in mehr
Als nur Gedanken fühle ich dich
Um meine zuckende Schwanzspitze
Von Innen nach Außen ganz um
Wieder ineinander beides in einem
Miteinander zu sein ob das wohl
Liebe ist frage ich nicht mehr
jens tuengerthal 1.4.2016