Lektürentagebuch 9.12.25
Bücher die mit Liebe kommen
Sind schon dadurch besonders
Was von Liebsten zu mir kam
Trägt das Feuer der Liebe weiter
Klingt kitschig ist aber nüchterne
Beschreibung der Tatsachen denn
Nichts berührt je tiefer als das was
In unserem Geist wirklich eindringt
Doch wie selten trafen Liebste
Den Büchergeschmack des
Zugegeben etwas eigenwilligen
Flaneurs der die Bücher liebt
Wie gut sind die wenigen noch bis
Heute in Erinnerung und wie schön
Dass ihre Zahl nun gewachsen ist
Denke ich das Buch anlächelnd
Nun aber kam Sten Nadolnys neuer
Roman im Roman der sich erzählt die
Herbstgeschichte um die ich schon
Vorher schon lange kreiste so zu mir
Die Einleitung des fiktiven Autors
Der schon über 80 inzwischen im
Auftrag zweier Schulfreunde die
Geschichte einer Begegnung erzählt
Wie es 1998 begann ist schon Teil
Des ersten Kapitels der Reise nach
Zürich kommt erst nach dem Prolog
Des erfundenen Autors namens Titus
Dort erfuhr ich der Nadolny schon
Seit der Entdeckung der Langsamkeit
Als klugen Autor schätzt was auch
Gott der Frechheit über Hermes so
Bestätigte wie der Familienroman
Ullsteinroman noch fortsetzte nun
Mit der gemeinsamen Reise der
Beiden früheren Klassenkameraden
Von Titus Bruno Gnadl und Michael
Waßmuß wie sie in der Schule waren
Was sie in Charakter Herkunft wie
Wesen ganz eklatant unterschied
Erzählt von ihren gemeinsamen
Erlebnissen wie Schulreferaten bei
Dem Michael den chaotischen Vortrag
Von Bruno verteidigte und lobte
Wie Bruno der vom Bauernhof kam
Dialekt sprach bei einem Unfall auf
Der Autobahn optimal versorgte wie
Damit größtmögliche Hilfe leistete
Das Buch widmet der erdachte Autor
Helen d’Arezzo und dies nicht nur
Weil sie darin vorkommt was mit
Februar 2025 Lido di Venezia endet
Nebenbei erzählt Titus alias Nadolny
Noch was 1998 alles geschah von der
Einführung des Euro bis zur Abwahl
Von Helmut Kohl zur Digitalisierung
Er erinnert sich an den damals in
Deutschland herrschenden noch
Zweigeteilten Geisteszustand der
Die Teilung im Kopf fortsetzte
Im Osten dem Gebiet der ehemaligen
DDR herrschte Enttäuschung und
Dazu Pessimismus so hätte die
Vereinigung Wunden hinterlassen
Dagegen gab es in den alten
Bundesländern Aufbruchstimmung
Viele glaubten an eine problemlose
Zukunft das Wort dafür war machbar
Von der anstehenden Digitalisierung
Wurden sich Antworten für die Zukunft
Erhofft vielleicht sogar der Weltfrieden
Dank Vernetzung und Kommunikation
Zugleich war es die Zeit in der sich
Ein Bill Clinton öffentlich für private
Sexuelle Vergehen rechtfertigen muss
Was den Optimismus nicht hemmte
Der Euro das große geniale Erbe
Von Kohl und Mitterrand wurde so
Beschlossen wie Rechtschreibreform
Manche fürchterlich noch aufregte
Zugleich war es auch die Epoche die
Erstmals intensiv über Missbrauch
Von Minderjährigen diskutierte mit
Allen dabei hysterischen Folgen
So führt Nadolny fein an die letzten
Jahre des vergangenen Jahrhunderts
Heran das mir der ich da dreißig erst
Wurde noch ganz nah scheint dabei
Ist es längst ein Vierteljahrhundert
Geschichte war noch bevor ich nach
Berlin zog wo ich nun genau ein
Vierteljahrhundert auch lebe
Ein spannendes Spiel mit der Zeit wie
Mit den älteren Figuren die hier als
Männer unter Männern einfach ihre
Geschichte erzählen möchten
Das Kapitel 3 Initiationen im Tanz mit
Dem Jahrhundert Stéphane Hessels
Erzählt vom Studium und erster Liebe
Beginnt im Oktober 1933 in London
Dort studiert er an der berühmten LSE
Lernte aber zuerst Kricket spielen mit
Den Söhnen eines Cousin von Helen
Die ihn nach England gebracht hatte
Er hatte das Gefühl dem Kontinent
Entkommen zu sein wo in Paris die
Nachrichten jüdischer Flüchtlinge ein
Grauenvolles Bild der Lage gaben
Diesem Jahr in England verdankt er
Das Erlernen der dritten lebenden
Sprache nach deutsch französisch
Nun auch englisch wie auch das
Eintauchen in das britische Universum
Wo er London gleich in sein Herz
Schloss diese königliche Hauptstadt
Die er vor dem Krieg kennenlernte
Es ist noch die Stadt Charles Dickens
Wie Henry James die er durchwandert
In sich aufnimmt und entdeckt dort
Kultivierte er seine Gewohnheiten
Die ihn ein ganzes Leben begleiten
Sollten wie lange Spaziergänge durch
Die Stadt bei Tag und bei Nacht das
Erkunden des öffentlichen Verkehrs
Das Auswendiglernen englischer wie
Französischer Gedichte die er sich
Halblaut aufsagte die Themse dabei
Entlangwandernd immer mit Lyrik
Durch seine Eltern den Vater als
Poeten und die Mutter eine große
Begeisterte Vermittlerin poetischer
Empfindsamkeit war die Dichtkunst
Für Stéphane eine verehrungswürdige
Geistige Dimension wie in gläubigen
Familien die Religion so las Franz
Ihnen seine Homer Übersetzung vor
Helen ließ sie Rilke und Hölderlin
Verse lernen in Frankreich spielten
Ulrich und er Fabeln von La Fontaine
Molière Racine und Corneille vor
Er lernte den Raben von Poe aus
Dem er sich Teile bis heute Teile
Mit schluchzender Stimme aufsagte
So merkte er sich hunderte Gedichte
Diese tauchen dann wie von selbst
Gelegentlich in seinem Bewusstsein
Wieder auf in seinen drei Sprachen
Die ihn lächerlich scheinen lassen
Nicht weil er für seine Rezitationen
Die kurz zu halten ihm schwer fiel
Gerne ein Publikum suchte sondern
Wegen der Rührung die ihn selbst
Dabei immer wieder befiel und die
Er auch nicht verbergen kann sobald
Verse eine gewisse Intensität haben
Wie Wein gewissen Alkoholgehalt
Gelegentlich hätte er auch Verse
Geschrieben und sie an schöne
Damen gerichtet doch ohne damit
Die erhoffte Gunst zu erreichen
Hier lächelt der Dichter und Flaneur
Denkt an sich und seine Musen wie
An seinen Vater allerdings waren die
Verse zum Glück nicht alle erfolglos
In dem Jahr in London beschränkte
Er sich nicht darauf die Stadt sich
Shakespeare Sonette aufsagend
Immer wieder zu durchqueren
Sondern war auch Student der LSE
Vorlesungen besuchte er selten ging
Dafür am Vormittag günstig ins Kino Wenn der Eintritt nur 10 Pence war
Gerne hörte er die Geschichte der
Diplomatie die als Kunst wie sie die
Engländer ausübten subtil wie auch
Effizient dazu ihm erschien
Dort lernte er auch Harold Laski und
Arthur Koestler kennen der erste
Glaubte an die Wirtschaft während
Der andere den Untergang ahnte
Er spürte dass beide recht hatten
Doch Laskis Analyse reizte ihn mehr
Er glaubte dass eine genaue Kenntnis
Der Wirtschaft Freiheit bringen könnte
Sein Verhältnis zur Politik aber wäre
Eher oberflächlich gewesen viel mehr
Verband ihn mit griechischer Mystik
Dazu hätte er ständig noch gelesen
Er erzählt von Charlotte Wolf mit
Der Helen in Paris zusammenlebte
In einer Wohnung die von einer der
Letzten Musen Rilkes stammte
Wolf war promovierte Medizinerin
Als Jüdin aus Deutschland geflohen
Eine Freundin von Franz Hessel
Wie Walter Benjamin mit denen sie
Bei der Übersetzung von Baudelaires
Gedichten konkurrierte und außerdem
Die Chiromantie das Handlesen also
Ernsthaft wissenschaftlich betrieb
Zitiert dann ein Porträt von Helen
Aus Wolfs Biografie dessen Ton
Dem Sohn sehr gefiel diese sah sie
Als perfektes Beispiel für eine befreite
Avantgardistin die egal was sie tat
Erfolgreich war ob als Landarbeiterin
Im Ersten Weltkrieg als Journalistin
Im Bereich Mode als Geliebte wie
Als Ehefrau bezauberte Männer und
Frauen gleichermaßen ihre blauen
Augen waren klar und kalt wie ein
Frostiger Frühlingstag dazu kam
Ihre Eleganz und Selbstsicherheit
Die sie zum Inbegriff verführerischer
Weiblichkeit machte schrieb Essays
Wie sie ein Pferd zuritt oder Auto fuhr
Eine Draufgängerin die darum auch
So leidenschaftlich liebte und hasste
Sie war fasziniert von ihr und hätte
Gern ihre Einladung angenommen
Sie hatte mit Pierre Roché ein Haus
In der Normandie gemietet Wolf ahnte
Nicht auf was sie sich einließ und
Später kam noch ihr Mann Franz
Statt eifersüchtig zu reagieren blieben
Franz und Pierre beste Freunde eine
Selten glückliche Dreierkonstellation
Ist eine treffende Beschreibung wohl
Vor allem zeigt sie Helen Hessel hier
Nicht als überdrehte Hysterikerin wie
Roché sie im Roman nur darstellte
Sondern als faszinierende Frau
Zurück in London nach dem Besuch
Bei seiner Mutter Helen und damit
Auch Charlotte Wolf verliebt er sich
In eine österreichische Dichterin
Diese Freundin von Franz bekam
Von diesem seine Adresse während
Seine Mutter hatte vermutete dass er
Erst homosexuelle Erfahrung suchte
Darauf hatte ihn die Lektüre von
André Gides Croydon mit 12 in der
Bibliothek von Roché vorbereitet
Jedoch blieb er bis 17 noch keusch
Maria Kreitner hätte alle Attribute
Einer Verführung besessen also
Aschblondes Haar wie Gestalt und
Schüchternheit eines Mädchens
Die eben vom Kontinent kommt
Zum ersten mal in England einen
Führer nun suchte sie wurden auch
Intim innig aber nur im Gefühl
Ihren Körper versagte sie ihm ganz
Warum er sich nicht wundert wie
Lebendig diese Episode in seinem
Gedächtnis noch geblieben ist
Im folgenden Jahr geht es wieder
Zurück nach Paris wo er an der
École libre des science politique
Weiter studieren wollte aber war
So wenig eifrig wie an der LSE
Spiele lieber in den Bistros im
Quartier Latin Bridge darauf ergriff
Auf zweierlei Art Helen die Initiative
Damit machte die starke Mutter
Aus dem desorientierten Jüngling
Der ungeschickt mit Frauen war
Einen zielstrebigen jungen Mann
Das erste war ihn mit ihrer Freundin
Einer Redakteurin beim Jardin des
Modes und Mutter einer zwölfjährigen
Tochter bekannt zu machen: Jeanne
Diese ist gebürtige Belgierin deren
Ältere Schwester Aldous Huxleys
Frau ist ihr früherer Mann war ein
Angesehener belgischer Dramaturg
Sie hatte sich nach einer aufreibend
Endenden Liebe einer Psychoanalyse
Unterzogen um der Versuchung zum
Freitod so lieber noch zu entrinnen
Helen fand ihre Tochter habe Charme
Dachte Jeanne könnte später seine
Schwiegermutter vielleicht werden
Doch er verliebte sich Hals über Kopf
In die doppelt so alte Jeanne meint
Dazu manchmal bringe das Schicksal
Zwei Menschen in einem für sie dabei
Entscheidenden Augenblick ganz nah
Jeanne wollte endlich leidenschaftlich
Geliebt werden und er wollte in die
Geheimnisse der Weiblichkeit dafür
Eingeweiht werden was sie gern tat
Mit sehr viel Takt Intelligenz wie
Zärtlichkeit verdanke er ihr mehr als
Er sagen kann diese Liaison von der
Beide wussten sie würde nur eine
Gewisse Zeit dauern weckte in ihm
Die Freude am freien Spiel der Körper
Ohne jeglichen Zwang zur Treue von
Zahlreichen Initiationsreisen blieb eine
Nach Dalmatien besonders noch in
Erinnerung die geplante Radtour an
Der Küste dort die eine Steilküste war
Völlig ungeeignet noch zum radeln
Die zweite wirkungsvolle Initiative
Seiner Mutter bestand darin dem Rat
Ihrer französischen Freunde zu folgen
Die meinten wer in Frankreich etwas
Werden wolle müsse dafür eine der
École normal supérieure durchlaufen
Darum meldete sie ihm darauf zum
Vorbereitungskurs eben dort an
Wählte das Lycée-Louis-le-Grand
Wo er zum ersten mal das Gefühl
Hatte Denken zu lernen anhand von
Argumentativ gegensätzlichen Texten
So entwickelte sich ein kritischer Geist
Der ihn etwas von Helen entfernte
Was noch mehr wurde als er dann
Vitia begegnete deren Eltern erst
Nach der Revolution aus Petersburg
Wo sie geboren war flohen ihr Vater
War Professor für Verfassungsrecht
Eine sich langsam entwickelnde Liebe
Die beiden blieben 49 Jahre danach
Zusammen aber er musste sich erst
Gedulden bis sie Leidenschaft teilten
Wie Lust sich gegenseitig schenkten
Mit bestandener Aufnahme in die
École normale bekam er an seinem
20. Geburtstag die Einbürgerung
Er war nun Franzose geworden
Die fünf Jahre von der Rückkehr
Aus London bis zur Annahme an
Der École von 1934 bis 1939 waren
Für ihn entscheidend und dort fand
Sich der Mensch der er heute wurde
Auch wenn die folgenden sechs Jahre
Des Krieges alles überlagern in ihrer
Bedeutung der eben Franzose ist
Daraus resultiert für ihn ein eigener
Kultivierter Geist der Toleranz wie
Sein geringes Interesse für fremde
Ideologien ihn faszinierte Marx nie
Ohne Kommunismus und Nazismus
Gleichzusetzen sah er jedoch auch
In keiner der Ideologien je ein Ideal
Noch eine gewinnbringende Strategie
Vielmehr kamen ihm beide als eine
Klare Verwirrung des kritischen
Geistes und der Demokratie vor
Die suspekt erscheinen musste
Es brauchte weder die Moskauer
Prozesse noch Berichte über Konflikte
In internationalen Brigaden ihn von Hammer und Sichel fern zu halten
So fand er die marxistische Weltsicht
Immer eine maßlose Vereinfachung
Bewahrte dennoch immer eine Überzeugung die er naiv nennt
Dass die Suche nach mehr sozialer
Gerechtigkeit das normale Ziel der
Demokratie sei die vom Engagement
Zuversichtlicher Bürger dabei lebe
Er hatte immer die Kommunisten
Verdächtigt am Scheitern des guten
Sozialdemokratischen Modells die
Schuld getragen zu haben
Seine Betrachtung der wichtigen
Conditio Humana ging aus von
Der Schnittstelle von Philosophie
Zur Literatur und ihrer Tiefe
So würde der Horizont weit tiefer
In Zusammenhängen erkundet
Als die Schulphilosophie je reiche
Durch Lektüre von Autoren wie
Satre Faulkner D. H. Lawrence Kafka
Joyce stellte er die Gesellschaft viel
Stärker in Frage als Hegel Husserl
Kierkegaard je mit ihren Fragen
Am Ende berichtet er wie sich die
Politische Lage weltweit rasant
Weiter verändert zum autoritären
Wie wir es gerade auch beobachten
Er begrüßte noch voller Freude
Das Münchner Abkommen was
Den Frieden mit Vernunft rettete
Die Vernunft müsse doch siegen
Jeanne meinte das würde nun
Hitler noch dreister machen vor
Ihrer Abreise nach Kalifornien
Sie behielt historisch Recht
Eine geniale Analyse der Situation
Vor Ausbruch des Weltkrieges die
Deutlich macht wie Europa gerade
Wieder als Schlafwandler in die
Diktatur der Oligarchen stolpert
Wie sein Modell der Freiheit für
Einen stupiden Populismus mal
Eben verkauft statt endlich wie
Nötig Kiew zu verteidigen was
Als erstes aufgegeben wird nur
Keinen Fehler zugeben zu müssen
Auch vor Trumps dreisten Lügen
Langsam wird Mord wieder die
Einzig angemessene Verteidigung
Der Freiheit gegen die zu vielen
Weißen alten Männer an der Macht
Dies zumal diese weiterhin Menschen
Nach ihrem Gusto töten lassen ob mit
Verbotenen Kampfstoffen oder durch
Drohnen als Mittel ihrer Wahl
Doch bevor ich Europa nun verrate
Die Todesstrafe wieder relativiere
Folge ich lieber Stéphane Hessels
Positiven Humanismus der Aufklärung
jens tuengerthal 9.-10.12.25
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