Samstag, 25. März 2017

Berlinleben 030

Um Pergamonien

Superlative zu Anfang erschlagen jeden Leser, was dem einfühlsamen Autor, der dessen Aufmerksamkeit gewinnen möchte, fern liegen sollte. Also erzähle ich nun nicht gleich, welche dies Museum aufzuweisen hat, was ich heute beschreiben werde, sondern erst später. Das Schloss ist noch im Bau, was auch eine Geschichte wert wäre, aber nicht jetzt und der Dom ist mir keiner weiteren Worte wert als den bereits verkündeten Unwillen über diesen geschmacklosen Gigantismus des zweiten Wilhelm. Passt nicht, am besten abreißen oder sprengen und wenn Al Quaida irgend Sympathien bei mir in ihrem albernen Kampf um einen überholten Aberglauben mit mittelalterlich, frauenfeindlichen Sitten gewinnen wollte, wäre es, wenn sie dieses gruselige Machwerk sprengten oder einen Flieger hinein steuerten, um ein dunkles Kapitel der Geschichte hinter sich zu lassen, wie wir es auch beim Palast der Republik taten, trotz hoch emotionaler Geschichten vieler Ossis. Dazu verweise ich gerne auf Franz Hessel und Harry Kessler, die sich beide deutlich dazu äußerten und für guten Stil stehen, was bei mir schon fragwürdiger sein könnte, warum ich es nicht zur Diskussion stelle.

Das Pergamonmuseum aber, um das es nun geht, steht zwischen Bode Museum und Neuen Museum hatte damit bereit zwei bildhübsche Nachbarinnen bevor es entstand und so jemand hat es einerseits immer schwerer, befindet sich andererseits stets in guter Gesellschaft. Der erste Versuch dies Museum zu bauen war schief gegangen und nach Rissen in der Bodenplatte wieder abgerissen worden und der auch etwas zu gigantische Eingang, der teilweise scheint, als wäre er nicht drei Jahre vor der NS-Zeit gebaut sondern auch auf Speers einfältigen Mist gewachsen, zeugt von weniger Stil und Eleganz als die übrigen Bauten, wirkt aber gewaltig und zieht die Massen an, was ich immer schon eher fragwürdig fand.

Natürlich ist der Pergamonaltar dort ganz wunderbar, die Vielzahl der griechischen Sagen, die wir in den Resten lesen können, die ausgegraben und nach Berlin schifften wurden, wie es damals mit dem noch osmanischen Reich verabredete worden war und das Ischtar-Tor ist von bezaubernder Schönheit, zeigt uns ein wenig der Welt von Babylon mitten in Berlin. Die Hauptstadt wollte mit der Planung ab Anfang des 20. Jahrhunderts und der schließlich Fertigstellung 1930 wieder etwas darstellen in der Welt. Überhaupt ist das wohl auch der Grund des zu groß geratenen Eingangs in ein graues eher mäßig schönes Gebäude, bei dem der Besucher noch nach Kontrollen durch seltsame Seiteneingänge und Flure geführt wird, bevor er vor der namensgebenden Schönheit steht. Das Pergamon, das erst später so genannt wurde, sollte wie das ganze Ensemble in Konkurrenz zum British Museum stehen, was es auch fraglos überholt, wenn der Masterplan für die Museumsinsel endlich ohne peinliche Knausrigkeit realisiert wird. Ein imperiales Museum ohne Empire mit einem für Reichsparteitage tauglichen Aufgang über die Spree, muss schon viel bieten, um nicht nur peinlich zu wirken.

Komme diesmal also mit einigen Zweifeln ins Museum, auch wenn ich weiß, dass es angeblich das beliebteste ist, was auch die höchsten Besucherzahlen aufwiese, weil der Weg hin nicht wirklich so schön ist wie bei Bode, meinem Liebling, dem neuen Museum, der Alten Nationalgalerie oder auch Schinkels Altem Museum - es steht halt dazwischen, ist irgendwie etwas unförmig, es sei denn wir wollen anerkennen, dass es vielleicht babylonische Formen aufnimmt, was aber etwas weit gegriffen scheint.

Der schlechte Eindruck verstärkt sich beim piefigen Eingang, durch den die Besuchermassen geschleust werden noch mehr, spreche ich auch über das Raumklima, was häufig eher an subtropische Regionen oder die Fundorte der dort Schätze erinnert, scheint es genug Gründe zu geben, diesen Besuch kurz zu halten und nach Erledigung des Pflichtprogramms wieder zu verlassen.

Pflichtprogramm ist auch so ein Wort zum Zehennägel aufrollen. Wie der Bücherkanon, alles was “man” wissen muss und ähnlich hilflose Versuchen den Bildungskonsens einer untergegangenen Gesellschaft, des Bürgerlichen in Deutschland, noch als Pflichtprogramm zu rechtfertigen. Habe solche Bücher zur Bildung anfangs als bildungsbegeisterter Bürger verschlungen, der wissen wollte, was Konsens ist, was zum guten Allgemeinwissen gehört, aber nur einen Wert hat, wenn dieser besteht und wir es in einen solchen einordnen können. Ohne ist solches Wissen überflüssiger Ballast. Lese nur noch, was mich interessiert und fasziniert, statt massenhaft Bücher zu stapeln, die ich gelesen haben muss oder sollte und habe nie auch das Lesen der Klassiker mehr genossen als jetzt, wo ich sie nur mit Lust zur Hand nehme. Wenn das Pergamon also eine Pflicht wäre, würde ich sie ignorieren - als ich zum ersten mal noch frisch in Berlin dorthin ging, dachte ich noch anders und so kam es mir auch vor - ging hinein voller Ehrfurcht, weil alle Welt den Namen Pergamonmuseum raunte und fand schon den Eingang piefig und schlimmer noch von der Luft in den Räumen, die mit vielen schwitzenden Besuchern aus der ganzen Welt die typische Raubtierhaus Atmosphäre von Muff schuf.

Dann vor dem nur als Modell nachgebauten riesigen Pergamonaltar kommt das Aaah und Oooh, die Begeisterung und das Staunen von alleine - aber was wir dort erstmal sehen und was uns schön und beeindruckend erscheint, ist nur der Nachbau und das Modell - die  eigentlichen Teile sind eher zerbröckelt am Rand dekoriert. Zwar bestimmt von beeindruckender archäologischer Bedeutung, erzählen jedem, der sich in die Geschichte vertieft oder schon vorher ganz viel über die griechischen Sagen und die Geschichte der Giganten und ihren Kampf mit den Göttern weiß, sehr viel, sonst aber eher Pflichtprogramm nur. Wer das nicht weiß, sieht Bruchstücke aus Marmor, vor denen Massen fotografierend flanieren, auf denen sichtbar wird, dass die Menschen zwischen 170 und 160 vor Christus schon einiges konnten und größere Kunst produzierten als im primitiven symbolischen Mittelalter und genau auf den Menschen schauten. Sie kannten den menschlichen Körper und wussten, ihn darzustellen. Lebendig, voller Lust oder Erregung, echt und nicht wie später in christlicher und orthodoxer Kunst zu lange nur auf dem ollen Aberglauben fern von der Natur konzentriert.

Das ist eindrucksvoll und ein Bad in der Geschichte, was Freude macht, auch wenn die üblichen Schulklassen, die ewig auf den Treppen herumlungern oder die asiatischen und schwäbischen Touristen mit ihren langen Stöcken für das, was früher Selbstportrait hieß und heute Selfie geschimpft wird, den Eindruck ein wenig trüben. Dies ist kein ruhiges museales Ereignis, es ist ein Massenauflauf - da will eben jeder mal gewesen sein, auch wenn der größere Teil nach meinem Gefühl nur die nachgebaute Requisite bestaunt und für die in Splittern vorhandenen Originale wenig übrig hat, geschweige denn bemerkt, um was es dabei geht.

Es gab zur Zeit des großen Direktors Bode, der noch einen Teil des heutigen Pergamonmuseums für seine Bestände nutzte und das Deutsche Museum auch dort einrichtete, die Diskussion um Gipsabgüsse und darum wurde in Berlin wie immer bei Museen sehr heftig gestritten. So mischte sich auch etwa der Millionär, Merkel-Fan und Quassel-Meister Jauch aus Potsdam in die Diskussion um den Neubau des Eingangs nach dem Masterplan für die ganze Insel ein und manche fühlten sich angesichts der Unterschriftenaktionen für eine Volksabstimmung gegen den ersten Entwurf schon ans 19. Jahrhundert erinnert, wo über die Frage, ob mehr Abgüsse günstig nicht besser war als wenig Originale sehr teuer, inbrünstig gestritten wurde, sich ganze Familien überwarfen zur Frage. Ähnlich emotional wurde nur der Ballast der Republik, der sich Palast nannte, und sein Abriß debattiert.

Hätte ich dazu heute ein Urteil zu sprechen, wäre ich immer für mehr Gips und eine bildhafte Erzählung der Geschichte im Kontext, die mehr vermittelt als einzelne Artefakte, die aus ihrem kulturellen Zusammenhang gerissen wurden. Wir regen uns über den IS auf, der in Syrien und dem Irak Weltkulturstätten sinnlos zerstört und unsere Archäologen haben sie in imperialer Überzeugung in der Welt eingekauft und abgebaut, um sie ins Reich zu bringen, wo sie nie zuhause waren. Ob das Original oder ein Abguss in Berlin hängt, wird kaum ein Besucher ernsthaft unterscheiden können. Dass es in Syrien gerade besser wäre, wenn die Dinge in europäischen Museen stünden, ist jetzt zufällig so, ändert aber nichts am Grundsatz. Während des Zweiten Weltkrieges hätten sie sicherer dort gestanden und am Zufall der Geschichte können wir nicht aufhängen, wo Dinge hingehören und wie ich Geschichte erzähle.

Der Schatz des Priamos, den der Hobbyarchäologe Schliemann fand, weil er die Ilias für wahr nahm, ist heute russische Kriegsbeute und trotz anderslautender Gesetze und Abkommen verweigert das ja auch sonst sehr revolutionäre und ungehorsame russische Parlament die Herausgabe dieser sowjetischen Kriegsbeute. Steht ihnen nicht zu, wurde illegal in Berlin beschlagnahmt, verstößt gegen Völkerrecht. Interessiert aber auch keinen, der den Schatz faktisch hat und nicht hergeben will.

Irgendein türkischer Minister hat mal verlauten lassen, der Pergamon Altar gehöre der Türkei als Rechtsnachfolgerin des osmanischen Reiches, weil Pergamon heute in diesem Staat liegt. Es gab kein offizielles Ersuchen oder eine Beschwerde, darum wurde diese einmalige Äußerung geflissentlich ignoriert. Es heißt dazu dann immer, es bestünde Einigkeit unter den großen europäischen Museen, dass solchen Forderungen in der Regeln nicht nachzugeben sei. Kein besonders sachliches oder juristisch wasserdichtes Argument in meinen Augen. Fraglich wäre für mich eher inwieweit die Türkei den Vertrag, den das Kaiserreich mit dem osmanischen Reich über die Funde schloss, anfechten kann. Solange dafür kein Grund ersichtlich ist, wird der Erwerb auch dann nicht rechtsgrundlos, wenn die Türkei nun hinterher ein Gesetz erließe, dass jede Ausführung alter Kulturgüter verböte, was es ja längst gibt.

Sofern sich die Türkei, was sie ja gerade immer wieder gerne tut, auf den moralischen Standpunkt stellte, dies sei ihr gutes Recht, fände ich die Frage angemessen, woraus ein solches resultieren solle, vor allem warum die Türkei als inzwischen immer islamischer geprägter Staat die kulturelle Nachfolge der griechischen Hochkultur angetreten haben sollte und darum mehr Recht an der musealen Erhaltung dieser Kulturschätze hätte als das humanistische Europa, denn die islamische Kultur hat sich ja deutlichst von der griechischen abgegrenzt, die Griechen vertrieben.. Aber, das ist alles graue Theorie, noch steht der namensgebende Altar und vieles anderes unbestritten in diesem großartigen Museum.

Großartig?

Doch, ist es, der Massen, dem Raumklima, der fragwürdigen Architektur und aller Umstände zum Trotz. Was sich dort an Geschichte der Menschheit mal eben erlaufen werden kann, ist so beeindruckend, dass es den Besuch auch unter diesen zugegeben widrigen Umständen lohnt. Gerade ist dies alles übrigens nur graue Theorie, denn bis voraussichtlich 2023 ist der Teil des Museums mit dem Pergamonaltar wegen Renovierung geschlossen und wie es danach sein wird, werden wir sehen, um dann weiter kritisch über die dann endlich verbundene Kulturinsel mit Humboldtforum zu berichten.

Bevor ich nun noch mehr Details über den hässlichen Bau und die ansonsten sehr spannenden Sammlungen erzähle, sei noch kurz der Gedanke der Abgüsse weiterverfolgt. Wie wäre es, wenn wir statt zu teurer Originale, die von mir aus sich auch Privatleute in ihren Safe legen könnten, möglichst perfekte Reproduktionen mehr ausstellten und für das ersparte Geld oder die Erlöse aus der Veräußerung einen umfassenden Gang durch die Weltgeschichte inszenierte, statt uns noch weiter mit Unikaten und Originalen einst kolonialer Herrschaft irgendwo zu schmücken?

Museen als Orte der Begegnung und der Erzählung von Geschichten, bei denen es mehr auf die Kunst der Vermittlung ankommt als auf die zu teuer versicherten Originale. Sollen sich die Türken die Bruchteile aufhängen und sie teuer versichern, mag sich dieser oder jener Milliardär das eine oder andere wunderbare Kunstwerk bei sich aufhängen - eine perfekte Fälschung, könnte nicht durch Laien vom Original unterschieden werden und dafür könnten wir die großen Klassiker in allen Museen der Welt zeigen und die Menschen dafür begeistern. Die Chinesen haben ein sehr lockeres Verhältnis zu Kopie und Original, was sich etwa bei den Tonsoldaten zeigte, die massenhaft kopiert und als Originale um die Welt geschickt wurden und auch Profis bemerkten den Unterschied selten sofort.

Natürlich fragt sich im Zeitalter der Fake-News was ist noch wahr und original, was in der Kultur eine Fälschung. Es wird für die Kunstgeschichte weiter wichtig sein, mit Originalen auch arbeiten zu können, um sie zu untersuchen und verstehen zu können. Doch brauchen Museen keine Originale sondern einen repräsentativen Querschnitt, der Geschichte und Kunst erklärt und anschaulich macht. Wer offen mit der Reproduktion umgeht, kann sie vielfältig nutzen und besser und anschaulicher mit ihr arbeiten, als es die notwendig vorsichtige Arbeit am Original erlaubt, wäre flexibler und freier.

Die Idee wieder Bilder und Figuren bei Bode und in einer ergänzend benachbarten Gemäldegalerie gemeinsam zu zeigen, auf der Insel im Schwerpunkt von Gotik bis Renaissance, im Neubau den Rest, ist klug und sinnvoll, macht die Kunst anschaulich und erlebbar. Doch ob die Figuren dort im Original stehen oder die Bilder auch nur ein nicht zu  unterscheidendes Replikat sind, wäre mir völlig gleichgültig. Wenn ich mich dafür plötzlich an allen Vermeer freuen könnte im Bad aus Licht, wäre mir gleichgültig, ob diese Bilder 3 Wochen oder 300 Jahre alt sind.

So gelange ich über den Pergamonaltar zur Grundfrage des Zwecks eines Museums in der heutigen Zeit. Ist es sinnvoll empfindliche Originale auf die Reise zu schicken, um sich in Besuchergruppen minutenweise davor zu drängen, streng beaufsichtigt, wie etwa bei Leonardos Dame mit dem Hermelin, die im Rahmen der Köpfe der Renaissance im Bode zu Gast war?

Ja, war ein tolles Gefühl davor zu stehen - wie vor der Mona Lisa im Louvre, auch wenn mich Courbets Ursprung der Welt mehr beeindruckt hat, mit wesentlich weniger Gedränge was an einer persönlichen Neigung liegen kann, der ich lieber intim in den Schoss schaue, als in der Masse ein Bild kaum sehe, aber wenn mir hinterher jemand gesagt hätte, ätsch, war gar nicht das Original, wäre zu gefährlich, da hing nur eine perfekte Kopie, wäre ich noch genauso glücklich.

Die Museen hätten viel Geld ihrem Bildungsauftrag nachzukommen, könnten aufklärerisch wirken, würden viel Geld für die Versicherung der Originale sparen und es gäbe einen entspannten Umgang mit der Kunst und nicht diese ehrfurchtsvoll raunende Anbetung der Werke, vor denen sich die Kunstgemeinde gläubig versammelt. Wir haben heute so viele Möglichkeiten Geschichte erlebbar zu machen und zu erzählen, dem sollten wir nachkommen und die Chance lieber nutzen die Gebäude zu angenehmen Erlebnisorten zu gestalten, als zu meinen, wir müssten noch irgendwo Originale präsentieren.

Neben der Antikensammlung beherbergt das Pergamonmuseum heute das Vorderasiatische Museum und das Museum für Islamische Kunst, was uns an vielen wunderbaren Objekten zeigt, wie feinsinnig und künstlerisch großartig diese gerade etwas außer Rand und Band geratene Sekte in der Geschichte schon war. Der sehr freundlich monumental genannte Dreiflügelbau des Museums wurde ab 1907 von Alfred Messel im Auftrag von Generaldirektor Bode geplant. Die Bauarbeiten begannen schon 1910 und 1930 wurde der misslungenste Bau der ganzen Museumsinsel, sehen wir von den grandiosen Inhalten mal ab, endlich fertig gestellt. Dazwischen kam dann ein Weltkrieg 1914-1918, eine Revolution 1918, eine Weltwirtschaftskrise und die Hyperinflation 1923. In Berlin brauchen große Bauprojekte manchmal etwas und nicht immer ist das Ergebnis entsprechend großartig.

Zu den absoluten Höhepunkten des Museums gehören daneben die Mschatta-Fassade aus Jordanien, die aus der Frühzeit des Islam um 700 etwa stammt und das Markttor von Milet, ein römischer Torbau aus dem 2. Jahrhundert nach Christus und, wie schon erwähnt, das berühmte Ischtar-Tor aus dem sagenumwobenen Babylon, was aus der Zeit von Nebukadnezar II. stammt, also etwa 600 vor Christus. Diese riesigen Objekte brauchten wie der von Carl Humann entdeckte Pergamonaltar besondere Räume zu ihrer Präsentation, forderten eben ein entsprechend gigantisches Museum.

Vermutlich ist es die Größe die anzieht und bedenke ich, was im Iran derzeit los ist, seit die USA ihn von den Briten übernahmen und dann um ihn spielten, sind die dortigen Kunstschätze sicher besser hier aufgehoben - doch ob die blauen Kacheln aus Babylon nach 200 Jahren noch so aussehen oder nur eine billige industrielle Reproduktion sind, wäre mir völlig gleichgültig, um ein Gefühl für Babylon zu bekommen. Wünschen würde ich mir weniger Konzentration auf solche Höhepunkte und mehr Gefühl für die Zeit. Verstehen lernen, was dort war, statt sich an Objekten aufzugeilen, schiene dem Bildungsauftrag eher angemessen. Das Ischtar Tor gehörte nebenbei zu den sieben Weltwundern der Antike und war Teil der Stadtmauer von Babylon. Da gehörte es, wenn überhaupt hin, auch wenn der Berliner Erwerb rechtmäßig war.

Dieses Museum braucht viel Zeit, weil es eigentlich mit dem islamischen Museum, dem vorderasiatischen Museum und der Antikensammlung, die sich noch in zwei anderen Museumsgebäuden befindet, eigentlich drei Museen beherbergt. Im Strom der Massen wird der aufgeschlossene Besucher oft schnell an den großen obengenannten Wundern entlang geschoben, ohne sie in Ruhe genießen zu können. Zeit findet sich in abgelegenen Räumen oder in den oberen Etagen des islamischen Museums und wer es schafft die anderen auszublenden, kann sich ab 2023 auch wieder in Ruhe dem Pergamonaltar widmen.

Wir sollten in solch wunderbaren Museen, wie auch in den anderen großen Sammlungen die Wende schaffen von der großen Show, die sich auf singuläre Objekte stürzt, hin zu einer ruhigen Erzählung der Geschichte und ihrer Zusammenhänge. Gerade die feine und hohe vorderasiatische Kultur sollte dringend in den größeren kulturellen Kontext eingebettet werden, wie die Welt des Islam, um auch mehr Verständnis für die Kultur unserer neuen Bürger zu bringen, die teils als Flüchtlinge kamen. Hier hätten Museen eine wichtige Aufgabe zur Aufklärung für ein Volk in dem ungebildete Dumpfbacken von Pegida und AfD noch teilweise erfolgreich Vorurteile über ganze Völker verbreiten können, die ein Besuch im islamischen Museen in vielem leicht widerlegen könnte. Auch dafür lohnt sich selbst jetzt während des Umbaus der Besuch im Pergamon Museum auch ohne Pergamon Altar aber bitte mit ganz viel Zeit.
jens tuengerthal 25.3.2017

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