Mittwoch, 22. März 2017

Berlinleben 027

Papaleben

Lebe in Prenzlauer Berg und bin Papi, was hier nicht besonderes ist, nur redet und schreibt kaum einer darüber. Die Mamas vom Prenzlberg, die ihre Kinder so sehr behüten, angeblich immer wissen wollen, ob das auch wirklich Öko ist, kennen wir zur Genüge und sie haben ein weites Feld der Aufmerksamkeit - werden auch verspottet, aber mehr noch bewundert und vor allem sie sind ein bundesweites Gesprächsthema, weil sie sich dazu machten - was aber ist mit uns Vätern?

Klar, viele sind ganz normal, gehen arbeiten, helfen Zuhause mit, wo sie können und hüten wenn Mutti zum Yoga geht oder Mädelsabend hat, auch mal die Kinder allein. Kenne diese ganz normalen Papis aus Schule und Kindergarten und habe mich häufiger gefragt, ob sie sich auch manchmal mit ihrer Rolle quälen, es für sie ganz normal ist oder sie sich darin komisch fühlen, als engagierte Pioniere in der noch in unserer Jugend von Müttern dominierten Welt der Elternabende und Spielplätze, die mehr Engagement als Ergebnisse fordert, nüchtern betrachtet nur frustrieren kann.

War viele Jahre hauptberuflich Vater, auch wenn mir die Identifikation mit meinem Job nicht immer leicht fiel, ich gefühlt doch immer Dichter oder Schriftsteller sein wollte, zumindest verkanntes Genie in geheimer Hoffnung. Als unsere Tochter ein halbes Jahr war, wurde abgestillt und ihre Mutter fing wieder an zu arbeiten, irgendwo musste das Geld, von dem wir lebten, ja herkommen.

Bei uns war es noch etwas spezieller, weil es hieß, dass ich die Woche meist allein war, während sie irgendwo in Deutschland Menschen trainierte. Ab da stillte ich und tat es erst mit solchem Ehrgeiz, dass ich die verspotteten Mütter vom Prenzlberg noch übertraf. Trinken ist gut, hatte die Kinderärztin gesagt, soviel sie will und meine Tochter wollte viel, bekam Literweise ihre Milch oder Tee, wenn sie brüllte, pinkelte sich natürlich entsprechend voll und ich war so oft am Milch machen, wie am Wickeln und die Kleine ständig wund. Es nun allein zu tun, war eigentlich keine große Veränderung, vorher stand ihr Korb auch an meiner Bettseite, ich legte sie meiner Liebsten, wenn sie Hunger hatte an den süßen kleinen Busen und wenn diese vom Stillen erschöpft, im wahrsten Sinne des Wortes ausgelutscht war, machte der stolze Papi seine Runde mit unserem inzwischen properen Baby, wickelte danach frisch, legte die Lütte und sich wieder für einige Stunden schlafen, bis eine meiner Damen ein neues Bedürfnis welcher Art auch immer hatte.

Es ist erstaunlich, wie wenig Schlaf am Stück der Mensch wirklich braucht und was wir anstatt alles tun können in all der Zeit, die wir ohne Kinder noch getrost verschliefen. Das zehrt an irgendwann den Kräften und das sexuelle Bedürfnis nimmt vermutlich dadurch stärker ab, als es die Hormone in der neuen Rolle schon von allein reduzieren. Irgendwann ändert sich das wieder und wenn beide dabei ihren Spaß haben, hält es manchmal, andere scheitern trotzdem. Wir hatten, wie ich es heute sehe, eigentlich immer wunderbaren und fast übernatürlich harmonischen Sex, den ich eher noch für ganz normal hielt, wo mich die Praxis längst eines besseren belehrte. Vielleicht etwas zu selten irgendwann, was aber wie in den meisten Beziehungen viele eher kleine Gründe hatte, die weniger mit meiner Vaterrolle zu tun haben, darum hier kein Thema sind.

Unter allen Frauen, die ich vor der Mutter meiner Tochter näher kannte und mit denen ich mehr als einmal im Bett war, waren vielleicht 2-3%, mit denen ich den Spaß dabei nicht teilen konnte, nach ihr war es proportional seltsamerweise eher umgekehrt und ich frage mich, ob das am Alter, meiner Erfahrung liegt oder ein gesellschaftliches Problem ausdrückt, das langsam erst zum Thema wird. Diese später meisten Frauen, waren eher empört, wenn ich den nicht gleichzeitigen Sex als eher langweiliges Vorspiel empfand, immer mehr behaupteten, was ich wolle sei nicht normal und es gäbe kaum eine, die es so mache, sie kenne jedenfalls keine und wenn ich dann auf die vor ihnen verwies, war eine sachliche Diskussion des Themas ohnehin nicht mehr möglich, warum meine Aussagen dazu auch auf einer sehr dünnen meist emotional geprägten Grundlage stehen.

Weiß, dass der Sex nach der Geburt für viele Väter ein Thema ist, weil Mutti geschafft ist, keine Lust hat, sie sich unbefriedigt fühlen und der Sprüche mehr. Das Problem hatte ich nicht, eher war ich übermüdet und der Sex war nach meiner Erinnerung danach so gut wie davor, was nicht heißt, dass es nicht auch besser hätte sein können für beide, alles perfekt war, aber zumindest war es besser als in über 90% der Fälle nach der Mutter meiner Tochter, was aber auch an meiner wirklich empörenden Aufassung zum Sex liegen könnte.

Aus meiner Sicht ist Sex ein Deal von zweien miteinander, die sich gegenseitig Glück und Erfüllung schenken und wenn einer dabei zu kurz kommt, ist das ganze aus dem Gleichgewicht und im Ergebnis schlecht für das Miteinander. Da waren wir relativ einer Meinung und das klappte gut mit uns. Dass dies die Ausnahme und ein gar nicht hoch genug zu schätzendes Glück ist, habe ich erst Jahre später begriffen, nachdem ich genug Ausnahmen im Einzelfall hatte und es eher nach Serie schon aussah, dass viele Frauen es normal finden, dass Männer sich in ihnen befriedigen und sie es halt so hinnehmen, mehr oder weniger freundlich lächelnd oder schauspielernd. Im Gegenteil fiel mir sogar auf, dass unheimlich viele Frauen, sich etwas anderes mit dem Sex erkaufen wollten, was sie dann im Gespräch eindringlich darauf angesprochen auch für sich als wichtiger nennen.

Dabei wurde zuerst Zärtlichkeit genannt, dann ehrlicherweise Liebe, ungefähr so häufig wie Nähe und der Satz, mir geht es dabei nicht um Befriedigung, fiel dabei auch irgendwann immer bei denen, mit denen ich keinen wirklichen Spaß dabei hatte, weil ich fühlte, dass sie nichts empfanden. All diese Erfahrungen haben mich erst schätzen lassen, was mir früher ganz normal erschien und was scheinbar immer noch für die meisten die Ausnahme ist, als habe nicht die Natur uns so gemacht, dass wir die Lust auf ihrem Gipfel teilen können.

So muss ich zu diesem Thema in meiner Vaterrolle eigentlich nichts sagen, war alles in Ordnung, ich war vielleicht doch etwas übermüdet manchmal, um immer Lust zu haben, aber auch das scheint mir normal für diese Zeit im Leben und hätte ich damals die heutige Erfahrung gehabt, wäre ich damit vermutlich noch gelassener umgegangen. Was ich aber allen Vätern sagen kann, sobald sie mehr Verantwortung für das gemeinsame Kind übernehmen, anerkennen, dass Stillen auch erschöpft und harte Arbeit ist, auch wenn es nicht so aussieht, eben an den eigenen Kräften zehrt, lösen sich viele Beziehungsprobleme nach einer Schwangerschaft von alleine. Erstens haben die Männer dann aufgrund größerer eigener Erschöpfung einen geringeren Lustüberschuss und zweitens haben die Frauen mehr Zeit ihre Lust kommen zu lassen, die bei den meisten Frauen, die ich kennenlernte, immer auch im emotionalen Kontext irgendwie steht. Per Knopfdruck funktioniert keine von denen. Wo Frau sich gewürdigt sieht, ergibt sich viel mehr von alleine, als Mann vorher zu hoffen wagte, während es umgekehrt zum genauen Gegenteil eher führt.

Die Mutter meiner Tochter ist zehn Jahre älter als ich, was mir zuerst ziemlich viel erschien, sie vierzig ich gerade dreißig, dann lange egal war, irgendwann vermutlich auch zum Trennungsgrund untergründig wurde, was ich heute auch für völlig unwichtig halte. Ob eine Frau zehn oder zwanzig Jahre älter oder jünger als ich ist, spielt nur für die  Fortpflanzung noch eine irgendwie Rolle, ansonsten kommt es mir nur noch darauf an, ob du miteinander reden kannst, gemeinsam Probleme löst und trotzdem noch Lust aufeinander haben kannst, die du wirklich teilst, weil du sonst von Lust keine Ahnung hast, alles andere verschwimmt im Strom der Zeit zu nichts und du weißt, was gut ist  oder war, erst wirklich zu schätzen, weil du erkennst, wie selten solches ist.

Aber nun genug von diesem kleinen, etwas melancholischen Ausflug in die eigene Geschichte, schön so voller Liebe und zärtlichen Gefühls würdigen zu können, was war, trotz allem, weil es insbesondere das Ergebnis dieser Paarung besonders würdigt und das ist besser als ich es mir je vorstellen konnte. Dieses völlig objektive Urteil eines liebenden Vaters über seine pubertierende Tochter, sollte natürlich total ernst genommen werden, weil es einen wichtigen Punkt betrifft, der dies ganze Vater-Mutter-Kind-Thema betrifft, dass zu  großen Teilen auf Gefühlen beruht, die der Vernunft nicht unbedingt zugänglich sind, aber von der Natur doch ganz vernünftig so angelegt scheinen, da sie auch der Erhaltung der Art dienen. Es geht um Liebe, aber das ist dabei auch gut so und ganz natürlich logisch, wenn wir es nicht verstehen können, ist das nicht schlimm, es scheint in uns angelegt, wie eine Software, die aktiviert wird, sobald wir Eltern werden und das auch zulassen.

Bin kein Psychologe, habe keine Ahnung davon, halte die Psychoanalyse und die erfundene Seele für eine der übelsten Sekten der Gegenwart, die viele Menschen in destruktiver Gefangenschaft hält, weil sie die Freiheit des Einzelnen durch etwas über ihm, was den vorher Gott mit dem Begriff Unterbewusstsein ersetzt, bestimmen will und dies nach normativen Regeln tut. Die Mutter meiner Tochter aber war Psychologin, eine sehr kluge dazu und wir führten viele Gespräche und Diskussionen zu diesem Thema, bei dem es auch um die eigene Rolle und Identität ging und ich entwickelte eine zunehmende Antipathie gegen jede Schematisierung, die ich, wenn ich in eine Schublade gesteckt wurde, als Stigmatisierung empfand, gegen die ich geradezu Abwehrreflexe entwickelte, was genug Konfliktpotential schon an sich bot, dass ich staune, wie lange wir es dennoch aushielten. Vemutlich wussten wir doch, ohne es uns einzugestehen, besser wird es nicht mehr.

Darüber nun friedlich zu schreiben und sie in ihrer auch kritischen Sicht auf den eigenen Berufsstand zu sehen, als reflektierte Frau, die auch ihre Macken hat, wer hätte solche nicht, zu sehen und zu wissen, es war gut so und ich habe viel auch von ihr gelernt für meine heute Haltung zum Leben heute, macht zufriedener als der Unfrieden, den manche um ein Scheitern inszenieren, indem sie ihre vorigen Liebsten als Fehler bereuen - ich will lieber immer sagen können, ich bereue nichts, vor allem nicht, wenn ein solch wunderbares Kind dabei herauskam, womit ich wieder in den hormonell geprägten Papi-Ton falle, der an meiner sonst kritischen Haltung zum Leben vernünftigerweise zweifeln lässt.

So wuchs ich in eine neue Rolle hinein, die für Frauen jahrhundertelang völlig normal schien und für die ich mich aber vor mir rechtfertigen musste, weil das doch nicht mein ganze Sein gewesen sein konnte, was zu geringerer Wertschätzung dessen, was ich tat und tun musste als Papi und Hausmann führte. War mir dessen bewusst und konnte dem doch nicht ausweichen, wenn ich auf dem Spielplatz die anderen Papis sah, die wichtig über Projekte redeten. Mein Projekt war, dass die Wohnung einigermaßen geputzt war, wenn meine Holde am Freitag zurückkam, ich ein schönes Essen auf den Tisch zauberte und mich derweil noch um meine Tochter kümmerte. Darüber zu klagen, schien mir lächerlich, ich tat ja nichts, nur das bisschen Haushalt und sich was nettes zu Essen aus irgendwelchen Kochbüchern raussuchen, um den wirklich gehobenen Geschmack meiner Holden zu befriedigen und sie danach noch voller Lust zu begehren.

Auf dem Spielplatz war ich noch einer der wenigen, Andere Väter kamen eher am Wochenende mit, wenn ich mit Mutti da war und aus meiner sonst Rolle herausfiel, auch keine Lust hatte besonders engagiert zu buddeln und mein Kind zu bespaßen, was ich ja schon sonst jeden Tag um mich hatte und beaufsichtigen musste. Erleichtert denke ich, heute kann ich über Texte wie diesen mit ihr reden, statt Sandburgen und Staudämme zu bauen und damit ist sie mir viel näher, als sie es beim Buddeln je war. Gefühlt ist es dennoch wohl für beide Seiten anders. So spielte ich am Wochenende die Rolle, die sonst die Muttis haben, während sich die Väter als Superpapis und seltene Gäste im Sandkasten beweisen wollen.

Mit dieser bisher sozial eher weiblich geprägten Rolle kam mein Ego weniger gut klar als meine Natur, warum es zwischen beiden zu Spannungen kam, die durch die gesellschaftliche Erwartung an einen Mann, der gefälligst auch ein richtiger Kerl zu sein hat, noch potenziert wurden. Wer war ich in diesem Durcheinander, was war meine Rolle, wo wollte ich hin?

Wusste es nicht so genau und bin da bis heute nicht weiter gekommen. Der Unterschied ist nur, heute nehme ich mich als einen der zwischen den Stühlen steht, viel von beidem in sich hat an und ringe nicht mehr um die Anerkennung der anderen, die mich toll finden sollen aber nicht verstehen. Vielleicht musste ich dazu erst über vierzig werden, um es zu akzeptieren, auch das weiß ich nicht so genau und freue mich nur darüber, heute auf eine solche Zeit in meinem Leben zurückblicken zu können, die vielleicht die wichtigste überhaupt war. Nicht weil ich tolle Sachen geschrieben hätte, der Roman, den ich nächteweise voller Visionen nebenbei schrieb, finde ich heute eher überladen, peinlich und bemüht und freue mich, dass er immer noch eher in der Schublade steckt, trotz der vielen guten Ideen in ihm, sondern weil ich ganz für meine Tochter da sein konnte, wie gut immer ich das war und eine neue Rolle lebte, die mich aus meinen Konventionen ausbrechen ließ. So wenig wir es schafften, dies später noch zu leben, der Versuch war klasse und darüber freue ich mich, weil ich mehr über mich gelernt habe, als all die Jahre vorher, auch wenn ich Jahre gebraucht habe, es zu begreifen, weil ich eben etwas langsam bin, auch im Nachdenken über mich selbst und nur schnell reden und schreiben kann.

Über die Papis in Prenzlauer Berg kann ich also wenig sagen, hatte immer das Gefühl, die meisten seien völlig anders als ich, lebten ein anderes Leben und hätten andere Probleme, darum flüchtete ich mich eher in Bücher, las viel, unter anderem den lieben Montaigne, ein immer guter Ratgeber, den ich in dieser neuen Phase meines Lebens gerade wieder lese und auch wenn mir manches bekannt vorkommt, es mir doch völlig anders scheint und dessen Genie ich noch lange nicht ganz begriffen habe und so freue ich mich darauf, ihn in einer neuen späteren Phase, wieder zu lesen, um darüber nachzudenken, wie er mir heute erscheint.

Lernte einige Mütter kennen, teils auf dem Spielplatz, teils auch in speziellen Kindergruppen wie etwa der PEKiP, dem Prager Eltern Kind Programm, bei dem die Babys in völlig überheizten Räumen miteinander nackt krabbeln durften und zugegeben hätte ich mir manchmal gewünscht, wir Eltern täten dies auch und das nicht nur der Temperaturen wegen. Auch in dieser Gruppe von Muttis, die sich später noch manchmal zum Spielen  oder auf einen Wein traf, hatte ich immer eine Sonderrolle und war weder dabei noch draußen. War eben ein Mann in einer Frauenrunde, der zu den Frauenthemen wie Still-BHs oder Einsetzen der Regel nach dem Abstillen wenig sagen konnte und beim Sex-Thema hielten sich die Damen in meiner Gegenwart sehr zurück. Einzelne stellten mal unter vier Augen eine Frage dazu, aber es wurde eher umgangen. Manches war und doch eigentlich eher nichts.

Belausche ich dagegen heute die Muttis in den Bars oder Cafés umme Ecke, geht es fast immer irgendwann um Sex, dass sie entweder völlig untervögelt sind oder genervt von ihren Typen, die immer nur das eine wollen, manchmal auch darum, wie die Kinder das Sexleben zerstören, wie sie es machten, damit die nichts mitbekommen und ähnliches mehr. Es gibt kaum Details dazu, über die Frauen sich nicht auch wortreich dazu unterhalten könnten. Manchmal habe ich schon gedacht, das Geplauder wurde überhaupt erfunden, damit manche Frauen dem natürlichen Bewegungsdrang ihres Kiefers folgen können, vermute aber auch das griffe vermutlich viel zu kurz, diese komplexen Wesen zu erfassen.

Andere Väter hatten ihre Kinder ausnahmsweise, ich hatte meine Tochter jeden Tag, 24h lang, bis auf die Stunden, die sie schlief, musste ich zumindest irgendwie aufmerksam sein. Die anderen Väter holen alles, was sie in der Woche an Zuwendung verpassen am Wochenende nach und bespaßen ihre Kinder dann mit einem riesigen Aktionismus. Dazu hatte ich weder ein Bedürfnis noch Energie und nie fand ich es je angemessen. Zum Glück sah es die Mutter meiner Tochter ähnlich.

Noch ausgeprägter aber scheint mir das schlechte Gewissen bei den Müttern zu sein, die ständig etwas mit ihren Kindern unternehmen, deren Tage und Wochen völlig verplant sind und die dann noch darüber klagen, wie sich ihre Kinder doch langweilten, wenn sie nichts unternehmen würden. Im Ergebnis sind die Muttis gestresst, die Kinder gestresst, beide genervt und keiner hat etwas von den als Zugewinn gedachten Veranstaltungen. Die genervten Kinder lernten nie, für sich zu spielen und die genervten Mütter beschäftigen sich darum ständig mit diesen, leiten sie auch noch zum Spiel an, wollen dabei noch ihre Fähigkeiten und Talente fördern. Vermutlich sind das auch die Leute, die später die Vereine füllen, um Löcher in ihrer Freizeit zu stopfen, die gefährlich langweilen könnten.

Gemessen an gesellschaftlichen Zielen habe ich nichts erreicht, kein Vermögen, keine Karriere, kein Ruhm und lange litt ich als Vater darunter, der seiner Tochter doch auch Ideal und Vorbild sein wollte und sich fragte mit was, während die Wichtigtuer Papis am Wochenende neben ihren Kindern um die Wette buddelten oder leidenschaftlich mit ihnen Fußball spielten, hoffte ich nur, dieser Krug möge bald an mir vorübergehen. Wenn ich aber nun sehe, dass meine Tochter sogar als fast zu sozial gilt, ihre hohe Empathie überall gelobt wird und ich merke, wie mein natürlich ungetauftes Kind auch in Fragen von Glaube und Philosophie unglaublich kritisch und vernünftig denkt, bin ich stolz wie Oskar, auch wenn ich nichts dafür kann und denke, alles kannst du doch nicht verpasst und falsch gemacht haben. Wie ich als Kind konnte meine Tochter stundenlang alleine spielen, klagte nur ganz selten mal, ihr sei langweilig und so gesehen, denke ich, es ist alles gut, mehr konnte ich nicht erreichen, als ihr diese Freiheit zu geben, nichts machen zu müssen.

Heute sehe ich mehr Väter auf dem Spielplatz, immer noch sind sie für meinen Geschmack zu engagiert im Spiel der Kinder häufig. Die sollen sich miteinander und für sich vergnügen lernen, wenn sie es denn wollen oder einfach in die Landschaft schauen und sich freuen, dass sie da sind, wenn sie das glücklich macht. Freue mich, wenn ich Eltern mit Buch auf dem Spielplatz sehe, die etwas für sich tun, wie die Kinder etwas für sich tun sollen. Habe immer ein Buch mit auf den Spielplatz genommen und daraus hat sich manch gutes Gespräch entwickelt, was mir aber weniger wichtig war, als mir dort etwas gutes zu tun, statt nur meine Tochter zu bespaßen, die ihren eigenen Weg gehen sollte, um herauszufinden, was sie glücklich machte. Dazu mein Kind mit Angeboten an Freizeitaktivitäten zu überschütten, schiene mir unmenschlich und entspricht vermutlich der Haltung von Menschen, die sich auch in ihrem Urlaub gern von einem Animateur bespaßen lassen.

Alle Eltern machen Fehler und kommen irgendwann an ihre Grenzen. Weil sie übermüdet und überfordert nicht mehr weiter wissen. Manche setzen dann die Brut vor den Fernseher, damit sie einen Moment berieselt Ruhe geben. Habe gar keinen Fernseher, wollte nie einen und habe meine Tochter also auch nicht vor diesen gesetzt, als ich noch mit ihrer Mutter zusammenlebte, die immer einen hatte, der aber zum Glück sehr selten nur lief. Ob ich bessere Ideen hatte als den Fernseher, wenn ich genervt war und nicht mehr konnte, weiß ich nicht - mit Abstand scheint ja alles viel gelassener, was in dem Moment so wichtig und ernst ist, dass wir nicht weiter wissen.

Heute beobachte ich manchmal meinen Schwager, der nun in der gleichen Rolle ist wie ich früher nur mit zwei Kindern, der im Unterschied zu mir auch handwerklich sehr begabt ist und gerne mal bastelt und es gibt wenig, was ich weniger mag, vermutlich weil ich um meine begrenzten motorischen Fähigkeiten dabei weiß. Er ist sehr prinzipientreu im Umgang mit seinen Kindern und besteht meist auf eine vernünftige und gerechte Streitlösung. Das nervt manchmal und dauert auch und natürlich geben dann alle hinterher irgendeinen Kommentar dazu ab. Auch meine Eltern, seine Schwiegereltern, die gern meinen er sei zu streng und zu konsequent, aber sich nie einmischen würden.

Das ist gut so, dann können sie als Großeltern großzügiger sein und alle Seiten sind miteinander glücklich in ihrer je Rolle. Finde ihn mutig, wie er seine Rolle lebt, die in dieser Ecke im Südwesten der Republik noch ungewöhnlicher ist, als sie es in Berlin zu meiner Zeit war. Wie er es mit seinen Kindern macht, weiß ich nicht zu beurteilen, wozu auch, nur sehe ich ihn als liebevollen Vater, der aus Überzeugung handelt und das ist für mich das einzige, was zählt. Würde heute sagen, es gibt kein falsch oder richtig in der Kindererziehung, nur mit oder ohne Liebe. Bei ihm spüre ich Engagement und Liebe und also ist alles richtig und gut so und von mehr habe ich ohnehin keine Ahnung, der ich weder Psychologe, noch Pädagoge bin, sondern zufällig beim schönen Sex Vater wurde, was ich jedem Mann nur wünschen kann, weil es eine der wichtigsten Lehren über sich und seine Rolle im Leben ist, du merkst, was Glück ist. Würde es sogar auf das Elternsein überhaupt ausdehnen wollen, dass eine ganz wichtige Erfahrung im Leben darstellt, aber wer wäre ich, zu meinen, ich wüsste, was Frauen gut tut oder was sie wirklich wollten? Zumindest das habe ich von meinen beiden Herzdamen gelernt, zu akzeptieren, keine Ahnung zu haben.
jens tuengerthal 22.3.2017

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