Donnerstag, 9. März 2017

Berlinleben 0014

Gemäldeglückseligkeit

Fragte mich einer, wo in Berlin es am schönsten ist, sagte ich immer in seinen Museen. Beim Flanieren in diesen wunderbaren Sammlungen auch aus der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zeigt sich der wirkliche Reichtum dieser Stadt, offenbart sich jedem Betrachter bei der Reise durch die Jahrhunderte eine Welt.

Unter den staatlichen Museen gibt es zahlreiche Standorte, jeder für sich ist, mit so vielen Erlebnissen und Eindrücken verbunden, dass sie den Rahmen einer kleinen Erzählung sprengen würden. Ein ganzes Buch über diese kulturellen Inseln in der Großstadt zu schreiben, wäre sehr reizvoll und bleibt eines der großen Ziele des sonst eher bescheidenen Autors, der sich schon freut, dies große Glück ausgiebig nur als Besucher gelegentlich betrachten zu dürfen ohne eine größere Ahnung davon zu haben als ein betrachtender Besucher alter Freunde.

Mit der Zeit lernte ich die Bilder und Skupturen an ihren je Standorten kennen. Sie immer wieder sehen, ist wie alte Freunde besuchen und jedesmal erzählen sie mir etwas neues, sehe ich plötzlich anderes, betrachte die Geschichte neu oder lernte etwas, dass mich die Bilder neu lesen lernte.

Die ersten Besuche in Begleitung von M oder A waren noch fast erschlagend, auch wenn ich nicht nach dem Vorbild meines Vaters strebe, eines wirklich großen Kunstliebhabers und in vielem immer mehr auch Kenner, manchmal sogar selbst Künstlers. Nahezu jeder Raum dieser großartigen Gemäldegalerie genügte schon, den neugierigen einen ganzen Tag zu fesseln. M zeigte uns die schönsten Dinge und wies uns mit seinem enormen Wissen auf zahlreiche wunderbare Details hin, die der unerfahrene Laie leicht übersieht.

Schon der Weg hinauf zum Kulturforum, am Rande des Tiergarten zwischen Neuer Nationalgalerie und Philharmonie gelegen, ist beeindruckend. Die lange Schräge, die im Winter schnell zur Rutschbahn wird - an deren Spitze der eher bescheiden anmutende Eingang zu den drei Museen und der Kunstbibliothek unter einem Dach irgendwie verbunden, eine Villa noch integriert.

Manchmal muss der neugierige Besucher sich in lange Schlangen einreihen und sich in Geduld üben, doch wollen die strebsamen Gäste meist in die hochgejubelten Sonderausstellungen während mir schon die umfangreiche ständige Sammlung zum Glück vollauf reicht, die selten nur überfüllt ist und auch zahlreichere Besucher verlieren sich leise murmelnd in den vielen Räumen eher.

Es gab verschiedene Pläne schon diese großartige Sammlung besser zu präsentieren als  sie  es momentan ist in dem meist eher schlecht beleuchteten Neubau, der nahezu keinen der großen Rembrandts ohne Spiegelung oder Lichtreflexe sehen lässt - und es gibt einige dieses niederländischen Meisters oder seines Umfelds hier auch, warum das Leiden an diesem Gebäude so vielfältig ist, wie seine Möglichkeiten beschränkt sind. So war eine der grandiosen Ideen einen Nebau neben der Museumsinsel zu errichten, der mit den Beständen dort verbunden, endlich wieder den kulturhistorischen Zusammenhang präsentierte, wie ihn sich schon der große Direktor und Gründer von Bode einst träumte.

Davon wurde erstmal Abstand genommen, weil keiner absehen konnte, wie schnell dieser Bau finanziert und damit auch realisiert würde, angesichts anderer großer Bauprojekte in Berlin wohl eine weise Entscheidung, um die Ausstellung offen zu halten, nichts über Jahre im Depot verschwinden zu lassen. Wie hätte ich meine lieben Freunde, die Bilder der alten Meister, vermisst, wenn es so lange gedauert hätte wie beim Flughafen, über den ich als Epikuräer lieber schweige, um mich dem Schönen zuzuwenden, statt auf die peinlichen Probleme nur zu starren. Bedenke ich, dass die Planung des 1998 vollendeten Kulturforums bereits in den 60er Jahren in Berlin begonnen wurde, freue ich mich, nun hier zu leben und die Sammlung genießen zu dürfen. Vielleicht wäre es klüger die modernen Sammlungen in schlichten modernen Hallen zu präsentieren als Provisorium sehr passend oft auch zu den ausgestellten Inhalten und wenn der Bau an der Insel vollendet ist, den Umzug in kürzester Zeit zu bewerkstelligen. Dann würde die klassische Moderne zu einem Happening an wechselnden leeren Orten von denen es genug immer gibt und die große Kunst bekäme ihr Gebäude an der Museumsinsel und mit dieser verbunden, damit zusammenkommt, was zusammengehört.

Noch ästhetischer wäre den grauenvollen Berliner Dom abzureißen, dieses peinliche Schandmal des Wilhelminismus und dort einen weiteren Bau im Stile Schinkels zu errichten, der zu dem klassischen Ensemble der Insel passte. Aber für so viel Schönheit muss Berlin und müssen die Märker wohl noch lange reifen, die ihren Dom lieben, vor allem weil seine Kuppel größer ist als die des Petersdoms und größer ist hier ja immer gut.

Der gute André Schmitz, der auf kleinlichem politischen Glatteis ins Rutschen kam, das eben sozialdemokratisch beengt die Weite seines Horizontes nie erreichte, und da war ich völlig seiner Meinung, favorisierte den Umzug der Gemäldegalerie ins Humboldtforum - besser als die Kolonialsammlung aus Dahlems Rostlaube und passender zum Ensemble der Insel wäre es wohl gewesen, wenn auch die kulturelle Idee des Forums eine wirklich große und tolerante ist, die einen Schloßbau mitten in einer europäischen Hauptstadt wohl rechtfertigt. Nun leben wir noch einige Jahre weiter mit der großen Ebene, ihren schlechten Lichtverhältnissen in einem eigentlich großartigen Bau, der vom Geist der Renaissance noch geprägt ist, die dort so vielfältig und schön präsent ist. Die italienische wie die deutsche und niederländische in ihrer je Ausprägung des neuen Geistes.

Wer am Kupferstichkabinett unten vorbei ging, auch wenn dies mit seinen wunderbaren Kabinettausstellungen eigentlich immer mindestens einen Blick wert ist, seine Habseligkeiten besser in einem Schließfach in einer der unteren Ebenen verstaute, die alle durchbrochen immer den ganzen Bau im Eingang zeigen, betritt die Gemäldegalerie am uniformierten Pförtner vorbei und bekommt vorab eine Art Werbeeinlage. In der Rotunde wird den mehr oder weniger großzügigen Spendern gedacht, die Bau und teilweise die  Sammlung ermöglichten.

Den Anfang dazu machte Friedrich Wilhelm III., der traurige  Witwer der Königin Louise und König in Zeiten der Franzosenkriege. Diese verzögerten den Anfang auch ein wenig. Derzeit bewahrt die Sammlung 3500 Gemälde auf, von denen allein 2900 aus eigenen Beständen stammen. Seit der Wiedereröffnung 1998 finden sich zahlreiche Bilder auch aus privaten Sammlungen im ständig präsentierten Schatz des Museums. Die Berliner Gemäldesammlung war übrigens die erste in ganz Europa, die streng nach kunsthistorischen Aspekten konzipiert wurde. Schon 1797 hatte der Archäologe Aloys Hirt sich für die Gründung eines öffentlichen Berliner Bildungsmuseums der europäischen Kunstgeschichte eingesetzt, das sich anders als die von persönlicher Leidenschaft geprägten fürstlichen Sammlungen streng an wissenschaftlichen Prinzipien und deren Systematik orientieren sollte.

Mit dem Architekten Schinkel und dem Gelehrten Rumohr fand diese Idee bald prominente Fürsprecher. Doch wollten diese beiden sich von Beginn an mehr auf die Freude an der Kunst als auf die Belehrung konzentrieren. Schnell begannen sie mit der Umsetzung der Idee, die von König Friedrich Wilhelm III. aktiv unterstützt wurde und der Hirt gestattete, eine Auswahl von 650 Bildern aus der königlichen Sammlung zu treffen, die den Grundstock bildete. Nach dem Sieg über Napoleon kehrten zahlreiche vermisst geglaubte Bilder wieder in die königliche Sammlung zurück und erweiterten die erste Kollektion noch um 113 Bilder.

Die Bilder hatten es vom königlichen Palast zum ersten Ort der Gemäldegalerie später nicht weit. Dieser lag im Alten Museum, das auch die Antikensammlung beherbergte und so mussten sie nur den Lustgarten durchqueren, um zum Ziel zu kommen. Obwohl die königliche Sammlung bereits zahlreiche Exemplare von hohem künstlerischen Rang enthielt, wurden diese nicht den Ansprüchen einer nach wissenschaftlichen Kriterien aufgebauten Sammlung gerecht. Der Bildbestand bot keinesfalls den geforderten Überblick über alle europäischen Malschulen bis zum 18. Jahrhundert, trotz vereinzelter großer Meisterstücke. Es waren also noch zahlreiche Zukäufe erforderlich, um dem Publikum den gewünschten enzyklopädischen Überblick zu geben.

Dann bot sich 1815 die riesige Chance zur Erweiterung der Gemäldegalerie als ein Pariser Kunsthändler 155 Bilder aus der Sammlung Giustiniani zum Verkauf anbot. Der König war nach dem Sieg über Napoleon und die relativen Erfolge des Wiener Kongresses zufällig gut bei Kasse und gab die nötigen 540.000 Francs. Auch die später noch nötigen 64.0000 Francs für weitere 14 Bilder, die wieder Bonnemaison anbot, wurden bereitwillig gegeben.

Die Sammlung umfasste vor allem den italienischen Frühbarock mit Werken von Caravaggio und Carracci. Ergänzt wurde sie durch den Erwerb der bekannten Sammlung Solly, eines in Berlin lebenden englischen Kaufmanns, der ein guter Freund von Hirt und Schinkel war. Die bereits seit 1819 an den Staat Preußen verpfändeten über 3000 Bilder wurden, als Solly nicht mehr fähig war, sie auszulösen, 1821 für 500.000 Reichstaler übernommen und gingen in preußischen Besitz über. Damit kam das Museum in den Besitz einer großen Sammlung aus der italienischen Renaissance, altdeutscher Meister, sowie altniederländischer Gemälde.

Als Schinkel dann 1823 seine Pläne für einen prächtigen Museumsneubau vorlegte, die im heutigen Alten Museum Realität wurden, dessen Bau auch von einer Mehrheit befürwortet wurde, war der Ort der neuen Sammlung klar. Bald gab es auch eine erste Expertenkommission, der auch Schinkel und Hirt angehörten und die eine Auswahl der zu präsentierenden Bilder treffen sollte Hier ging der alte Streit wieder los, ob es eher um Bildung, wie Hirt es sich dachte, oder Freude an der Kunst gehen sollte, was dem genialen Schinkel vorschwebte, warum die erste Kommission bald wieder aufgelöst und durch eine neue ersetzt werden sollte. Dieser neuen gehörten dann preußische Größen wie  Wilhelm von Humboldt, der Bildhauer Christian Daniel Rauch, Jakob Schlesinger und Friedrich Tieck an. Wobei Humboldt die Führung übernahm und die Organisationsstruktur des Museums entwickelte.

Am 3. August 1830 wurde das Museum eröffnet. Die Gemäldesammlung umfasste damals 1198 Gemälde, die in der oberen Etage des Schinkelbaus am Lustgarten ausgestellt wurden. Es kann sich die Leserin also leicht schon das Gedränge an den Wänden vorstellen. Es gab drei Abteilungen, in der ersten hingen die Italienischen Schulen und denen verwandte Kunstrichtungen, in der zweiten die niederländischen und deutschen Schulen und in der dritten schließlich die Altertümer und kunsthistorischen Merkwürdigkeiten. Dabei enthielt die dritte Abteilung all jene Bilder, die aus ästhetischen oder moralischen Gründen vorher aussortiert worden waren und nur ausgewählten Besuchern zugänglich gemacht wurden, wie es eben damaligen moralischen Standards entsprach. Der Eintritt ins Museum war noch frei, musste aber anfänglich vorher angemeldet werden.

Erster Direktor der Berliner Gemäldegalerie wurde Gustav Friedrich Waagen. Die Mittel zum Ankauf waren relativ bescheiden und so nahm der Direktor für einen Tizian den ersten und wenig später einen Raffael den nächsten Kredit auf, was den Haushalt weiter beschränkte. Auf einer ersten Italienreise kaufte Waagen dann im Jahr 1841 mit großzügig vom neuen König Friedrich Wilhelm IV. genehmigten 100.000 Talern ein. Er erwarb manches von Raffael bis Veronese und Tintoretto. Doch blieb die Situation für den ersten Direktor schwierig, insofern er auf kein Netz von Kunstagenten in ganz Europa zurückgreifen konnte, wie es andere große Museen längst taten. Dennoch erwarb er immerhin 400 neue Bilder in seiner Zeit.

Mit der Reichsgründung 1871 begann eine neue Epoche des Museums. Die ehemalige Preußenmetropole als früher Provinzstadt im märkischen Sand sah sich nun nach dem Sieg über Frankreich immer mehr in der Pflicht auch kulturell eine bedeutsame Rolle zu spielen, Paris und London ihren alleinigen Rang streitig zu machen. War es früher noch normal, dass die bedeutendsten Kunstsammlungen in Dresden und München zu finden waren, musste sich Berlin nun bemühen diesen deutlich auch in der Kunst den Rang abzulaufen.

In dieser Zeit traten infolge des wirtschaftlichen Aufschwungs auch immer mehr reiche bürgerliche Sammler auf, mit denen die Museen mit ihren beschränkten Mitteln nicht konkurrieren konnten, die Preise stiegen exponentiell. Damals war Julius Meyer Direktor, dem ab 1872 Wilhelm von Bode als Assistent zur Seite stand. Die beiden sahen es als ihre vorrangige Aufgabe an noch die Lücken der Sammlung zu schließen und lieber ein erstrangiges Werk als viele zweitrangige zu erwerben, was auf dem expandierenden Kunstmarkt nicht einfach war. So begannen auch sie 1872/73 erneut eine Italienreise und hielten sich für viel besser ausgerüstet und vorbereitet als ihr Vorgänger und erlebten eine herbe Enttäuschung, da der Markt überlaufen und leergefegt war, erwarben nur wenige gute Bilder etwa von Tiepolo und Tintoretto. Als Konsequenz begannen sie nun endlich ein europaweites Netz von Händlern aufzubauen, um schnell zugreifen zu können, wenn sich eine Chance bot.

Trotz der neuen Ankaufspolitik, die sich auf einzelne Meisterwerke eher konzentrierte, wollten sie die Chance wahrnehmen, als ihnen die international vielfach gerühmte Sammlung des Aachener Industriellen Barthold Suermondt angeboten wurde. Unter den teilweise wunderbaren Werken dieser Sammlung waren Jan van Eycks Kirchenmadonna und Jan Vermeers Mädchen mit dem Perlenhalsband. Daneben fanden sich noch einige Franz Hals, Hohlbeins und Rubens sowie zahlreiche Zeichnungen von Meisterhand, was sich der Staat Preußen 350.000 Taler kosten ließ.

Im Dienst des Museums und der Sache entwickelte sich Bode zu einem geradezu manischen Sammler, der die Bestände nicht nur erweiterte, sondern auch das Niveau entscheidend hob. Seinem Geschick ist es zu verdanken, dass die Berliner Sammlung zu einer der führenden in Europa wurde. Er trug eine der größten Rembrandtsammlungen zusammen, machte Berlin führend in der italienischen Renaissance. Seinen Verdiensten entsprechend wurde er 1890 zum Direktor von Gemäldegalerie und Skulpturensammlung gewählt.

Irgendwann begannen die Planungen für ein neues Museum an der Spitze der Insel, das später den Namen Kaiser Friedrich Museum trug und heute Bode-Museum heißt nach dem ersten Direktor mit seinen vielen genialen Ideen, der etwa Kunst und Kunsthandwerk parallel präsentieren, ein Renaissancemuseum schaffen wollte, wie es heute im Bode so wunderbare Realität wurde und ganz in dessen Sinne auch der Neubau am anderen Ufer jenseits der Insel wäre, wo früher Schloss Monbijou stand. Das neue Haus an der Spitze der Insel wurde am 18. Oktober 1904 eröffnet und ist, obwohl aus der Epoche Wilhelms II. stammend, des peinlichsten aller denkbaren Kaiser, ein geschmackvoll schöner Bau, der sich gut in die Insel einpasst und den Stil und Geschmack Bodes verrät. Auch hier war der Eintritt wie nach der Eröffnung weiter frei. Ab 1909 musste zumindest Dienstags und Mittwochs ein Eintrittsgeld bezahlt werden und es wird Zeit dies nach dem großen Vorbild des British Museum wieder einzuführen, weil es Werte in einer Kultur gibt, die immer unbezahlbar bleiben, ein Museum ein offener Ort sein sollte.

Einige Werke kamen noch durch den nach dem Krieg finanziell angeschlagenen deutschen Industriellen James Simon hinzu - dazu zählen noch jeweils Rembrandt, Hals und Vermeer, also ganz große Schätze noch der heutigen Sammlung. Sehr erfolgreich war die Gründung des Fördervereins des Museums mit dem bis heute bestehenden Namen Kaiser-Friedrich-Museums-Verein, der einige bedeutende Einkäufe noch vorfinanzieren helfen konnte. Der Verein baute nebenbei noch eine eigene Kunstsammlung auf, die er, seinem Widmungszweck entsprechend, dem Museum kostenlos zur Verfügung stellte.

Trotz des endlich eigenen Museums begannen die Platzprobleme bald von neuem und Bode suchte Räumlichkeiten für das von ihm geplante Deutsche Museum, das auch Museum für  ältere deutsche Kunst heißen sollte und sich auf Meisterwerke deutscher Künstler konzentrierte. Es fand von 1930 -1939 Raum im Nordflügel  des heutigen Pergamonmuseums, wie Bode es sich gewünscht hatte. Während des Ersten Weltkrieges stagnierte die Sammeltätigkeit. In der Zwischenzeit bis zum nächsten Krieg wurde weitere deutsche Kunst in den Nordflügel des Pergamonmuseums ausgelagert und geringe Erwerbungen nur getätigt. Ab 1939 mit Beginn des Zweiten Weltkrieges wurden die Museen wieder geschlossen.

Die Gemälde wurde dann ab 1941 aus Furcht vor Luftangriffen in die Keller der Gebäude verlagert. Weil diese nicht sicher genug erschienen wurden sie noch teilweise in den Flakbunker am Friedrichshain deponiert, in dem unter bis heute unklaren Umständen ein nicht geringer Teil der Sammlung bei Kriegsende verbrannte. Die Liste der dort eingelagerten und damit für immer verlorenen Kunstwerke macht den Kunstliebhaber betroffener als mancher Soldatefriedhof - zum Glück überlebten dennoch einige Werke an anderen Orten und mit am besten diejenigen, die nur im Keller auf der Museumsinsel geblieben waren, statt sie noch sicherer in den Bunker zu bringen.

Nach dem Krieg wurden die verbliebenen Bestände wie die Stadt geteilt und kamen entweder zum Senat oder wurden der Stiftung preußischer Kulturbesitz zugeführt. Bis zur Fertigstellung de Kulturforums gab es noch die Gemäldegalerie in einem Neubau in Dahlem, der ab 1956 von den über tausend Kunstwerken im Westberliner Bestand bevölkert wurde, während der Ostberliner sich über die Insel verteilte. Heute ist die Gemäldegalerie wiedervereinigt, hängt zu großen Teilen im Kulturforum und es gibt eine enge Kooperation mit dem Bode Museum, zu der auch der geplante und vorläufig abgesagte Neubau zählte, der hoffentlich noch realisiert werden kann, bevor der Flughafen fertig sein wird.

Nach der Rotunde, die kunstlos schlicht begrüßt, muss sich der Besucher entscheiden, ob es nach links zur Renaissance, nach rechts zur Gothik oder geradeaus in die Säulenwandelhalle geht, der Kunst am und im Bau ohne mehr zu sein als eine stille Bahnhofshalle mit vielen Zugängen ins Paradies.

Als erstes zieht es mich immer zur Renaissance, die ich liebe, die für die Freiheit des italienischen Geistes steht, mit südlicher Sonne im Gemüt unterkühlten preußischen Geist erwärmt. Auch dort gibt es natürlich noch viel sakrale Kunst und ähnliche vom Aberglauben eben geprägte Werke, doch steht dabei, anders als in der symbolistischen Kunst des eher deutschen Mittelalters, das noch brauchte bis Dürer, Baldung und Cranach das Individuum entdeckten, stets der Mensch auch im Mittelpunkt. So schaue ich auf menschliche Kunst aus der Renaissance bevor ich mitten durch die Wandelhalle gehe und die Altäre ignorierend mich vor den von nackter Vernus umstellten Jungbrunnen stelle, der voller Ironie schon ist, eben Witz hat, der ein wichtiger Wendepunkt vom schlichten monokausalen mittelalterlichen Denken hin zur Freiheit des Menschen ist, der sich und seiner selbst als Wert auch jenseits des Glaubens voller Lust bewusst ist.

In die italienische Renaissance eintauchen ist wie wunderbare Antipasti vor einem großen Menüs zu verkosten. Es hat Leichtigkeit und Freude, ist nie ohne Ironie und den Mut die Dinge voller Lust und Freude an der Schönheit neu zu denken. Was zeichnet die Kunst der Renaissance aus?

Gerne und zu oft wird Leonardos vermessener Mensch oder Botticellis Geburt der Venus oder noch sinnlicher la primavera, der nur im deutschen männliche Frühling, als Sinnbild der Renaissance bezeichnet - es ist viel Wahres daran, denk ich heute, der immer einen italienischen Euro mit dem Abbild des vermessenen Menschen von Leonardo in der Hosentasche hat. Vermessen und durchdacht, auf exakte Proportionen nach der Natur bedacht, nach der symbolistisch überladenen Kunst des Mittelalter, die nur ein einziger großer naiver Gottesdienst war und dem Geist fanatischer Gläubiger eben entsprach - auch wenn es Ausnahmen natürlich  gab, zur Volksbewegung wurde die Individualität und die Lust an ihr im Italien der Renaissance, wo einerseits die erotischsten und frechsten Geschichten erzählt  wurden, welche die Kirche verspotteten, wie es vorher keiner gewagt hätte, andererseits ein Lukrez wieder entdeckt wurde, die Antike hohe Verehrung genoss und und die Epoche davor als eben dunkle Zeit abgetan wurde in ihrer Beschränkung. Eine Zeit voller Lust und Leidenschaft, die Menschlichkeit entdeckend, wie die Unmenschlichkeit auslebend.

Damit beginne ich immer meinen Besuch und wenn ich dann italienisch gut gelaunt nach den ersten beiden Räumen, mich eher auf die weltlichen Gemälde konzentriere, bevor ich genug Lebensfreude getankt habe, mir Hans Baldung, Dürer und Cranach anzusehen, die auch in Teilen ihre Lebenslust nur eben sehr deutsch entwickeln. Denke ich an Dürers Madonna mit dem Zeisig, auf dem das Jesusbaby mit dem Schnuller spielt, die italienische Farbenfreude in diesem Gemälde voller Licht, wird sichtbar was den dunklen Norden vom lichten Süden vielfach unterscheidet. Dürer malte dieses Bild während seiner Italienreise. Großartig dort auch die Gemälde von Karl V. und seinem Großvater Maximilian I. - die sichtbare Inzucht am Kinn dieses Kaisers, der so ganz menschlich natürlich gemalt wurde. Daneben auch Freunde und Nachbarn Dürers, schlichte Gemüter aus  Nürnberg.

Dann eine kleine Kammer, wie ein Abgang voller alter holländischer Meister van Eycks Madonna, die so glitzert und strahlt, wie es unglaublich scheint, als lebe dieses über 500 Jahre alte Bild - welch Meisterschaft aus den Kunstschätzen Burgunds, das später dann Karl erben sollte von seinem Großvater Maximilian, der es noch erheiratet hatte.

Doch da schon begannen sich die reformierten Niederlande abzuspalten, in ständiger Auseinandersetzung um die burgundisch, östereichisch, spanischen Niederlande, was in den Bildern der einen und der anderen Seite immer sichtbarer wird.

Stunden könnte ich vor dem Breughel mit den niederländischen Sprichwörtern verbringen, habe schon häufiger nun Kunsthistoriker dazu referieren hören und doch, entdecke ich immer wieder lachend etwas neues in diesem Wimmelbild für Große, ständen nicht immer auch so viele andere da.

Holländer gibt es noch manche in dieser Sammlung. Ein großer Raum mit Oberlicht voller Rembrandt, könnte eine Kathedrale der Kunst sein und ist doch eher nur eine schlechte Bahnhofshalle mit schwacher Beleuchtung. Als die Rembrandts noch ganz auf Schwarz präsentiert wurden, in der groß aufgemachten Sonderausstellung, einzeln beleuchtet und eben präsentiert, da sah auch ein schlichter Geist wie ich sofort, wie großartig diese Bilder sind. Dort hängen sie eben rum, ziemlich viel und manche irgendwie besonders.

Es hat diese Gemäldegalerie wunderbare hölzerne Sitzecken, schönste Ruhepunkte neben der Wandelhalle als Orte der Besinnung zwischen den Genüssen und schafft es doch nicht die Wände zur Ruhe zu bringen, sie dunkel mit Stoff zu verhängen, von mir aus auch mal in mutiger Farbe wie im Frankfurter Städel derzeit, aber doch bitte nicht so blaß, harmlos, dass die schönsten Meister einfach nur in Reihe hängen und jeder merkt, die haben halt viel hier.

Zwei Vermeer nebeneinander, traumhaft schöne Bilder voller Licht in einem kleinen Kabinett zum Durchgang als Posten an dem alle vorüberlaufen, wie ein Sonderangebot, nicht als Punkt der Anziehung am Ende eines Ganges oder doch zumindest Raumes ins U gehängt, nein, zwischen die Türen quasi, wo alle die stumpf den Wänden nur folgen vorüber laufen. Es fehlt dieser prachtvollen Sammlung jede Show und jeder Sex und den bräuchte sie mehr, um diese Wundertüte voller Bilder angemessen zu präsentieren, die in einem eben langweiligen Bau der Moderne nur hängen, der so gefühllos für sie bleibt, wie sie in ihm nur rumhängen. Hier zündet nichts.

Doch aller Fluche zum Trotz., ich liebe jedes dieser Bilder, begrüße sie wie alte Freunde, verzichte nur auf meine sonst haptische Neigung, keinen Alarm auszulösen. Es ist eine wunderbare Galerie und was könnte mit etwas Mut zur Inszenierung, zum Theater, nicht alles neu gezeigt werden. Die Bilder der holländischen Meister direkt nach der Reformation zeigen die leeren nüchternen Kirchen. Vielleicht mag in diese Zeit und jene Epoche in der sich der Aberglaube des Mittelalters befreite, die reformierte Nüchternheit ein großer Wert gewesen sein. Doch wer Kunst so präsentiert, raubt ihr den letzten Saft, sie ist so spannend wie das Wort  zum Sonntag und gähnend sitzen die letzen Alten in der Kapelle noch - dabei ist diese Kunst so jung, so lebendig, so wild so leidenschaftlich auch, wenn wir nur wagen, dies auch zu sehen.

Manche Bilder erzählen dramatische Geschichten mit der Abbildung andere verraten dies erst auf den zweiten Blick und plaudern von ihrer Herkunft, ihren Leidens und erzählen manches mehr noch aus ihrer Zeit. Ist es Karl V. bei einem der wenigen spanischen Bilder der Sammlung, was für ein anderes Bild des leidenschaftlichen Prinzen und jungen Königs von Spanien als das des deutschen Kaisers mit dem vorstehenden Kinn. Und wie sehen die Italiener ihr Venedig, was lernen wir daraus - wie schön wäre es Bilder zu mischen, um die Unterschiede deutlicher zu machen, statt sich simpel auf Epochen nach dem Lehrbuch festzulegen oder erregt sich da der Kaiser-Friedrich-Museums-Verein, weil in Preußen alles seine Ordnung haben muss?

Und komme ich von Vermeer, der immer noch beeindruckt, obwohl er völlig verfehlt und lieblos im Durchgang nur hängt, zu den Engländern nebenan, Reynoulds und seinen Kameraden, warum bin ich dann nicht in England sondern in einem blass langweiligen Raum, der den Geist hinter diesen oft kraftvoll britisch ironischen Bildern verblassen lässt wie die englischen Dienstherren besonders weiß neben ihrer braunen indischen Dienerin und das ist schade, weil die Feinheiten in der Blässe der Räume verloren gehen. Auch aus den Sammlungen Friedrichs des Großen, zärtlich erotische Watteaus zwängen sich mit Bildern des Kronprinzen, seines Bruders, der Therbusch in zu engem Raum, letzteres auch ein großartiges Bild, was viel Platz bräuchte und Farbe, zu zeigen, wieviel Mut diese frühe Malerin aufbrachte, sich so mit Augenglas zu portraitieren.

Was würde ich wirbeln in diesen Räumen, die Wandelhalle, dieser Anklang an die italienische Renaissance würde bei mir Heimat derselben und ich würde dies Museum einrichten und mit Farbe versehen, es abdunkeln zugleich wo nötig und anstrahlen. Aber so laufe ich durch die Räume und denke, was habt ihr da für eine tolle Sammlung, macht was draus. Kunst ist ein Abenteuer und ich liebe sie auch in dieser lieblos nüchternen Präsentation und die Farben im Städel sind vielleicht doch manchmal etwas gewagt aber zumindest lebt es, regt auf und bewegt. Kunst lebt in ihrer Umgebung und das Kulturforum lebt leider sehr wenig, auch wenn es das Zeug dazu hätte. Es ist protestantisch nüchtern und so sexy wie fleischfarbene Strumpfhosen in Gesunheitssandalen.

Doch trotz dieses Mankos, des leeren Raumes inmitten, der ein Paradies der Renaissance wohl wäre, um den anderen, die Raum brauchen, mehr zu geben, ihre Präsentation zu inszenieren wie im Theater - es ist ein Traumwandelgang durch die Zeiten zu schreiten in dieser Gemäldegalerie, von Saal zu Saal durch die Jahrhunderte zu springen, alte Freunde zu besuchen, die an Wänden hängen und ich kenne keine bessere Form der Meditation. Wenn er mir mal schlecht gehen sollte, von Lebenszweifeln geplagt, ginge ich ins Museum, mich am Zeitsprung zu freuen, diese geballten Gefühle auf Leinwand zu sehen. Zöge immer Museum mit stillstehenden Bildern jedem Film mit rasenden Bildern vor, aber vielleicht bin ich auch etwas verrückt aber dann passe ich ja auch ins Museum.
jens tuengerthal 9.3.2017

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