Samstag, 14. Dezember 2024

Mengenverhältnis

Mengenverhältnis

Etwa sechzig Rechtsradikale wollten
In Berlin vom Ostbahnhof in Friedrichshain
Nach Lichtenberg marschieren hatten dafür
Glatt 500 Teilnehmer angemeldet von denen
Nur etwa zwölf Prozent erschienen dafür
Waren bis zu 3000 Gegner kampfbereit
Blockierten Kreuzungen und machten 
Ein wenig Randale ohne Drama aber
Erreichten eine Routenänderung des
Kleinen Haufens und verteidigten so
Die linke Rigaer Straße was wieder
Das Mengenverhältnis in Berlin zeigt
Auf 60 Rechtsradikale kommen hier
Schnell 3000 kampfbereite Gegner
Die sechzig Rechten verteidigten 
Tausend Polizisten in Kampfmonitur
Was Berlin besser steht als eine
Umkehrung der Verhältnisse
Hier bekommen die Rechten
Keinen fußbreit Boden außer
Am östlichen Rand bei Wahlen
Und das ist auch gut so ganz
Egal ob drei Mülltonnen brennen 

jens tuengerthal 14.12.24

Diwansichten

Diwansichten

Vom Diwan aus blicke ich
Gen Osten auf eine Wand
Nördlich und südlich dagegen
Sehe ich schöne Bücher 

Hätte ich hinten Augen wie
Keine Kapuze auf der Glatze
Es ist halt Hoody Zeit in Berlin 
Sähe ich noch mehr Bücher

Was macht eine leider nicht
Mehr weinberankte Wand gegen
Überall Bücher um mich rede ich
Das Grau Berliner Hinterhöfe schön

Geputzte Scheiben ließen sicher
Alles weniger grau erscheinen
Doch Wand bleibt Wand egal
Wie sauber meine Scheiben sind

Senke ich den Blick etwas dominieren
Elektrischer Kamin und Lesesessel
Über Wände hinter Fenstern zwischen
Denen Kant und Diderot hängen 

Die Aufklärung umgibt mich also hier
Nach allen Seiten was in Berlin nur
Wenige Orte von sich sagen können
Damit lebe ich wohl wie Candide

In der besten aller möglichen Welten 
Trotz aller Katastrophen und Kriege
Außerhalb dieser Bibliothek die auch
Darum ein alleinstehender Leser als

Ohne alle Götter glückliches Wesen
Das nur gelegentlich Göttinnen in Gestalt
Der Venus dort huldigt bewohnt 
Aber lieber mehr für sich bleibt

Über den Blick vom Diwan in die
Welt will ich dichten und was auf
Diesem von ihr erlebt wurde der
Horizont ist also beschränkt

Ob dies wen interessiert als den
Bewohner des Diwan der Nachts
Zur Quelle der Träume mir wird
Ist ungewiss bei nur Diwanlyrik

Doch immerhin kreisen diese
Um die beste vorstellbare Welt
Friedlich und gefüllt mit Liebe
Wie der Lust hier zu leben

Im arabischen war der Diwan
Eine Sammlung von Gedichten
Eines Dichters oder auch einer
Gemeinschaft wie eines Stammes 

So wurden die Kassiden wie diese
Verse hießen an den Lagerplätzen
Wandernder Nomaden einst erzählt
Sind älter teils als der Islam noch

Dazu dichtete Al Mutanabbi einst
Ihr habt oh Lagerplätze in den Herzen
Platz genommen womit sie verlassen
Blieben aber die Herzen gewannen

Bleibe auf meinem Diwan so lang
Wie so viel ich nur kann um von
Den Gedanken dort zu erzählen
Wie dem was mir dort geschah

Der Diwan des Dichters der nun
Auf dem Diwan darüber dichtet 
Besteht aus über 16.000 Gedichten 
Veröffentlicht in den Flaneurgedanken

Wie der vermutlich gleichen Menge für
Alle meine Musen bis dahin bis heute
Die keine als sie bisher lasen doch
Gehören sie zu diesem Diwan auch

Der Ort des Schreibens wie auch
Realer Liebesakte dort als Quelle
Lustvoller Lyrik immer wieder
Steht westöstlich im Osten Berlins 

Auf diesen kam ich von Westen her
Erst nördlich dann südlich aber stets
Tief im Westen wo vermutlich auch 
Die Wurzeln seines Rahmens lagen

So wird am Diwan auf dem Diwan
In Dienste der Dichtung weiter noch
Gedichtet und geliebt dankbar für
Die wunderbaren Musen alle bisher

Alles wird Teil des einen Diwan wie
Viel davon hier schon entstand ob
Davor oder danach dahingestellt
Jedenfalls mit Lust an der Dichtung

Weil mehr als einen Diwan seiner
Zeit kein Dichter je erreichen kann
Genieße ich dies auf dem Diwan
In Erinnerung lustvoller Stunden

Der Blick führt längst ins Dunkel
Die Wand wurde unsichtbar dafür 
Flackert der Kamin vor Büchern
Was Paradies mir gerade genug

jens tuengerthal 14.12.24

Morgenstund

Morgenstund

Morgenstund hat Gold
Im Mund meint alte Weisheit
Also einst Löcher

jens tuengerthal 14.12.24

Liebeserwachen

Liebeserwachen

Liebe erwacht nicht
Zusammen sondern lässt sich
Noch friedlich schlafen

jens tuengerthal 14.12.24

Lyriklleistung

Lyrikleistung

Lyrik leistet sich
Wer Sprache tiefer versteht
Als bleibenden Wert

jens tuengerthal 14.12.24

Nachtwach

Nachtwach

Ausgeschlafen schon
Im Dunkeln erwacht beginnt
Der Tag ohne Licht

jens tuengerthal 14.12.24

Freitag, 13. Dezember 2024

BVGehtnicht

BVGehtnicht

Berlin und seine Öffis
Wenn du die Bahn brauchst
Fährt sie nicht und steht
Drei Meter vor der Station
Dann kommt viel Blaulicht
Du wartest und frierst
Dann kommt sie und alle
Müssen aussteigen
Die nächste kommt
Nach zwanzig Minuten
Ist der Spuk vorbei
Alles wäre nie was gewesen
Dit is halt Berlin 

jens tuengerthal 13.12.24

Erlesenerwählt

Erlesenerwählt

Massen von Büchern erschlagen
Die Leser auf dem Markt der sich
Mit mehr als wer je lesen könnte
An Neuigkeiten ständig berieselt

Wozu das alles frage ich mich
Liest das wirklich wer und was
Davon bleibt je bedeutend neben
Gerade bejubelten Sternchen

Freue mich da an meiner kleinen
Bescheidenen Bibliothek die längst
Mehr enthält als ich lesen kann
Doch dabei erwählt erlesen ist

Sammle nur noch die Bände der
Anderen Bibliothek sehr ausgewählt
Brauche nahezu nichts neues mehr
Bin mit allem dabei hoch zufrieden 

In der Beschränkung liegt die Kunst
Welche uns Zufriedenheit schenkt
Das Besondere mit Liebe noch als
Leser in Ruhe zu würdigen 

Ignoriere den Markt und bin mit
Allem was ist zufrieden dabei
Vielleicht verpasse ich etwas
Aber gefühlt ist es besser so

jens tuengerthal 13.12.24

Liebesreise

Liebesreise

Liebende reisen
In Gefühlswelten weiter
Als Wege führen

jens tuengerthal 13.12.24

Bücherreisen

Bücherreisen

Reisen in Büchern
Schaden keinem Klima je
Machen es erlesen

jens tuengerthal 13.12.24

Lebenstraum

Lebenstraum

Das Leben träumen
Wäre unrealistisch
Meinen die ohne

jens tuengerthal 13.12.24

Aussichtsreich

Aussichtsreich

Alles würde gut
Meinen manche immer noch
Schwer es zu glauben

jens tuengerthal 13.12.24

Lusthoffnung

Lusthoffnung

Lust hofft auf Erfüllung beim Sex
Welche viel weniger finden als sich 
Umeinander dabei noch bemühen
Was auch immer sie für wen ist

Sicher erfolgreich ist dagegen die
Onanie ohne großen Aufwand
Wie alle riskanten Folgen meidend
Wären wir also im Trieb vernünftig

Sparten weiter uns den so oft
Peinlichen Sex für den immer
Sicheren Weg und schenkten uns 
Vieles lieber um dafür anderes

Gelassen genießen zu können
Doch hier ist wohl alle Hoffnung
Vergebens wir bleiben blöd sobald
Die Triebe herrschen warum auch

Diese Zeilen überflüssig wohl sind
Aber gut darüber gedichtet zu haben
Well Sex immer spannend bleibt für
Uns triebhaft dumme Menschen

jens tuengerthal 13.12.24

Liebeshoffnung

Liebeshoffnung

Liebe hofft auf geteilte Gefühle
Gemeinsam glücklich zu werden
Was gelegentlich erfüllt Hoffnung
Auf Dauer schnell weckt die dann
Als Erwartung jede Liebe tötet
Dazwischen balancieren wir stets
Von der Hoffnung zum Glück um
Am Ende wieder enttäuscht zu sein
Was den großen Vorteil hat sich
Nicht länger tauschen zu müssen
So zumindest Aufklärung wäre
Auf die wir lieber verzichteten 
Und so siegt am Ende die Vernunft
Die wir Liebesdumm gerne noch
Weiter ignorieren würden auch
Wenn wir es nun besser wissen
Macht die Hoffnung glücklich genug
Auf alle Vernunft zu verzichten 
Was zur Liebe vollauf genügt
Etwas blöd aber glücklich und
Vielleicht ist das irgendwie alles
Was wir vom Leben wissen müssen

jens tuengerthal 13.12.24

Donnerstag, 12. Dezember 2024

Rieslingerfrischung

Rieslingerfrischung

Auf einen frischen Rheingauer Riesling
Trotz recht frischer Temperaturen noch
Zum Crossroads an der Kreuzung 
Gelaufen das mäßig gefüllt heute ist

Tino und den jungen Barkeeper vor
Dem Gang auf die Kinobank begrüßt
Ersterer sitzt vor der Bar im Gespräch
Mit zwei Stammgästen geschlechtlich

Gemischt an der Theke sitzen noch
Zwei Herren vor dem Fenster zwei
Paare seperat während Tino wieder
Die Welt anschaulich hörbar erklärt

Oben in den Ledersesseln haben
Zwei Paare seperat Platz genommen
Die Musik ist noch etwas funky aber
Nicht weiter störend dezent heute

Gelegentlich kommt wer vorbei die
Hier Örtlichkeiten aufzusuchen viel
Spannenderes passiert gerade nicht
Außer noch zwei Stammgästen die

Von Tino mit echt Berliner Höflichkeit 
Begrüßt unten Platz finden worauf
Tino zeitweise zweiseitig plaudert 
Was den Anschein gibt es wäre was los

In dem Moment kommt noch unser
Märchenverkäufer und bietet diese
Allen Gästen an begrüßt als alter
Bekannter den Flaneur noch

jens tuengerthal 12.12.24

Lektürentagebuch 12.12.24

Lektürentagebuch 12.12.24

Begonnen mit dem Zauberberg der
Im Kapitel Forschungen zur gleichen
Zeit als der Herbst zum Winter wird 
Spielt der für Hans der erste wird 

Wie die Planung für Weihnachten
Mit dem Geschenk für Behrens das
Aufregung für viele auch wurde die
Sich nach Abwechslung dort sehnten

Vom Schnee erfahren wir der dort
Im Tale über Davos bald schon über
Sechzig Zentimeter hoch liegt wie
Von Walzen geplättet oder auch

Von dafür gedachten Pflügen
Verschoben wurde um sich durch
Die weiße Pracht Wege zu bahnen
Für die gut bespannten Schlitten

Gut eingewickelt mit Pelzsack wie
Doppelten Decken las Hans Castorp
Lang in anatomischen Lehrbüchern
Über die menschliche Natur manches

Ihm völlig neues auch etwa zum
Bewusstsein was Thomas Mann
Wunderbar ironisch distanziert wie
Es keiner so fein je wieder konnte

Das ist ganz großes Theater was
Mann hier teils in nur Nebensätzen
Für die Leser inszeniert ist ein ernster
Diskurs zur Naturphilosophie lächelnd

Mann reißt Dinge an und weckt so
Die Neugier ohne die Leser mit allen
Details der Gedanken zu belasten
Er lässt der Phantasie noch Raum


Ganz anders als Stanislaw Ignacy
Witkiewicz der besser als Maler bei
Seinen Leisten bliebe statt die Leser
In Abschied vom Herbst mit Sätzen

Ohne Offenheit zu ersticken das
Eigene Denken den Lesern durch
Ausmalen entferntester Winkel noch
Abnimmt uns also verblödet eher

Das ist gut und professionell sicher
Hat auch gelegentlich seinen Witz
Ein guter Lektor aber hätte besser
Nahezu die Hälfte davon gestrichen

Es ist wundervoll sich in kleinen
Details und Gedanken zu verlieren
Diesen literarisch wie bei Mann oder
Montaigne voll Freude zu folgen

Doch Witkiewicz hat für einen guten
Satz der wirklich lohnt drei die eher
Zuviel und entbehrlich sind keine Lust
Am Lesen wecken sondern nerven

Wandert wohl erstmal wieder in
Tiefere Regionen des Stapels ist
Keine erfreulich lohnende Lektüre
Sondern nervt mich jedes mal 

Auch wenn ich zu gerne wüsste
Was aus den erotischen Phantasien
Wie den wilden Paarkonstellationen
Noch wird ist zuviel entbehrlich 

Aber vielleicht ist es auch unfair
Mäßige polnische Literatur eines
Malers nach dem Zauberberg im
Direkten Anschluss zu lesen

Wüsste keinen der hier noch an
Witz und Eleganz gewinnen könnte 
Was den Zauberberg unsterblich machte
Anderes entbehrlich scheinen lässt

Warum den Grundschüler lesen
Wo der Meister daneben liegt 
Könnte die freche Frage sein
Die gleich zum nächsten führt


Weiter ging es darum auch mit
Egon Friedell denn keiner hat je
Humorvoll eleganter Kulturgeschichte 
Geschrieben als der kluge Wiener

Wie er die Pracht der barocken
Opern voller Lust beschreibt
Welche die Königin der Epoche
In all ihrem Überschwang wurde 

Wie 1637 die Oper in Venedig
Den Auftakt setzt bis 1650 schon 
Vier Häuser dort begeistern während
Schütz und Opitz Daphne verarbeiten

Es wird die Frühbarocke zum goldenen
Zeitalter Spaniens obwohl diese in der
Epoche politisch wie ökonomisch dem
Untergang längst viel näher sind

Schwache Herrscher trafen auf
Ökonomische Katastrophen durch
Vertreibung von Molukken und Juden
Eine Perspektive gab es dabei nicht

Dafür wurde die Ehre hochgehalten
Für die gerne getötet wurde in einer
Kultur nahe dem Untergang dabei
Was Friedell humorvoll beschreibt

Zitiert dafür Schopenhauer der die
Ehre die Meinung anderer über uns
In Verbindung mit unserer Furcht vor
Deren Meinung sehr treffend beschreibt

Außer den Palästen gab es nur noch
Lehmhütten und alles war dafür von
Sprichwörtlichen Schmutz bedeckt
Besonders galt dies für Madrid

Beleuchtet waren danach höchstens
Die Heiligenbilder und Trottoirs gab es
In ganz Spanien noch lange nicht dafür
Feierten sie ausgiebig ihre Prozessionen 

Ein goldenes Zeitalter der Kultur mit
Vielen berühmten Künstlern aber einem 
Mittelalterlichen Ehrgefühl und lächerlichem
Stolz auf wenig was wirklich war

jens tuengerthal 12.12.24