Freitag, 1. Dezember 2017
Unvergleichlich
Schon mehrfach hatte ich auf meinen nächtlichen Wanderungen durch die Stadt die Fahnen mit den afrikanischen Kunstwerken und das Logo der Ausstellung am ehrwürdigen Bode wehen sehen. Schon am Abend vor der Eröffnung hatte ich noch die Ausstellungsmacher zu später Stunde beobachtet und mich gefragt, wie sie dies ungewöhnliche Konzept wohl realisieren würden und ob sie nun das Unvergleichliche doch als Vergleich nur gegenüberstellen.
Das bald Humboldt Forum, das zur Heimat der ethnologischen Sammlung wird, die bisher in Dahlem stand, fiel mir dabei ein und ich fragte mich, ob eine solch gewagter Versuch gut gehen kann oder nur zu einem unverbundenen Mischmasch wird, in dem irgendwie auch koloniale Sammlungen eine Art Kultur-Zoo bilden, den Europäer, von der Warte ihrer historischen Überlegenheit aus, staunend betrachten.
So ganz konnte ich diesen Verdacht auch bei der Präsentation der ethnologischen Sammlung im wieder aufgebauten Schloss an zentralster Stelle der Hauptstadt nie leugnen, so fasziniert ich andererseits von der Idee des Humboldt Forums und dem Denken seines Gründungsdirektors Ian MacGregor bin. Auch darum ist diese Ausstellung so wichtig und gibt einen Hinweis auf künftige Wege, zeigt Antworten auf die Frage, ob uns ein respektvoller Umgang gelingt oder wir uns immer nur als eben Europäer im Menschen-Zoo mit Kulturgütern amüsieren.
Die experimentelle Gegenüberstellung von Kunstwerken aus zwei Kontinenten, Afrika und Europa thematisiert mögliche Zusammenhänge auf verschiedenen Ebenen. Inmitten der bekannten Sammlung tauchen plötzlich afrikanische Masken und Kunstwerke auf, die zeigen, wie die Auseinandersetzung mit zentralen Fragen des Lebens hier und dort erfolgt. Spannend ist hierbei die funktionale Übereinstimmung trotz völlig unterschiedlicher Formensprache, bei der wir in unseren Gewohnheiten gestört und hinterfragt werden.
So dienen Kraftfiguren aus dem Kongo dem gleichen Zweck wie gotische Madonnen. Sie sollen höheren Beistand beschwören und uns Ängste nehmen, auch wenn ihr Glaube sie erst beschwört. Doch werden im Gegenüber auch Unterschiede deutlich etwa in der Rolle der Mutter oder dem Verhältnis der Geschlechter.
Jeder Besuch im Museum lässt uns vergleichen und interpretieren, was wir sehen. Auch hier vergleichen wir natürlich und stellen doch auch deutliche Unterschiede fest. Fragte mich sogleich, dem Titel entsprechend und wider die thematisch parallele Präsentation, ob diese Objekte nicht alle unvergleichlich sind, weil Kulturen eben unterschiedlich sind und bleiben.
Die Objekte standen einst gemeinsam in der Kunstkammer der Herrscher von Brandenburg Preußen, wenn sie nicht erst zur Abrundung der Sammlungen nach dem Untergang Preußens erworben wurden. So wird das Bode-Museum zur experimentellen Kunstkammer, die über die Grenzen ihrer Gattung hinausgreift und Brücken schlägt.
Spannend schien mir bei Betrachtung der Objekte die Frage, warum die einen klar der ethnologischen Sammlung zugeordnet wurden, während die anderen zur hehren Kunst erhoben wurden, auch wenn sie ähnlichen Zwecken dienten, vergleichbar hohes Geschick zu ihrer Herstellung bedürfen.
Wieviel Denken in rassistischen Kategorien steckte schon in der Klassifizierung verschiedenster Gegenstände aus den unterschiedlichsten Regionen der Welt als ethnologische Objekte zur Erforschung fremder Kulturen einerseits und als hohe Kunst andererseits?
Die Zuordnung des vergleichbaren, das doch aus unvergleichlichen Kulturen stammt, klassifizierte bereits und unterschied die hohe europäische Kunst vom bloßen Kult der Afrikaner und spiegelt damit eine Haltung, die irgendwann zur Sklaverei führte. Diese Kulturen wurden früher die Primitiven genannt und hinterfragen wir unsere Wortwahl und die Art der Betrachtung der teilweise dem gleichen Zweck dienenden Objekte erfahren wir auch viel über unsere Vorurteile und inneren Grenzen, was zumindest die Chance gibt den eigenen engen Horizont zu erweitern.
Bis zur Eröffnung des Humboldt Forums bleiben diese Objekte aus der ethnologischen Sammlung, die Meisterwerke afrikanischer Kunst sind, im Bode Museum sichtbar. Das ist gut so und hebt sie endlich aus der nur Betrachtung fremder Kultur auf die Ebene der Kunst, lässt beide nebeneinander stehen.
Natürlich vergleiche ich und ertappe mich zugleich in den Mustern meines Denkens, werde überrascht und lerne immer wieder neu hinterfragen, öffne meinen Blick für das Fremde, das mir in der längst gewohnten Umgebung unserer Kunst näher kommt und oft so vertraut wirkt. Einige afrikanische Objekte waren schon immer auch in der Sammlung Berggruen zu sehen, öffnen dort den Blick für die Einflüsse auf die Moderne, die als europäische Avantgarde dort neue Formen des Ausdrucks erkannte und sich von ihnen inspirieren ließ. War das nun ein Blick zurück auf die eigenen Wurzeln oder Ausbruch aus der Strenge europäischer Formen, die uns über Jahrhunderte von unseren Wurzeln entfernt haben könnte.
Bin mit afrikanische Kunst aufgewachsen, die neben Werken der europäischen Kultur im Haus meiner Eltern steht und teilweise etwa, wie der alte Häuptlingsstuhl, der aus einem Stück Stamm geschnitzt wurde, mitlebt im Alltag meiner Familie. Liebend gern erzählt mein Vater immer wieder die Geschichte der Masken oder Kultgegenstände und so hatte diese Ausstellung, so sehr ich damit teilweise fremdelte, weil sie die Gewohnheiten in einer mir eigentlich wohl vertrauten Umgebung, die auch das Bode in den letzten Jahren mir wurde, bei dem ich schon lange blind mich zurechtfände, auch etwas ganz vertrautes für mich.
Da ich die Sammlung, wie gerade erwähnt, ein wenig kenne, lief ich heute nur auf der Suche nach den in den Räumen aufgestellten Vergleichsobjekten durch das Haus. Begann in der Kapelle, die der christlichen Kunst der italienischen Renaissance gewidmet ist und an deren Eingang schon eine großartige afrikanische Figur mich begrüßte, ging dann weiter durch die an der Westseite zur Spree gelegenen Räume in denen sich viele großartige Kunstwerke der Renaissance finden, zu denen die afrikanischen Kunstwerke einen wunderbaren Kontrapunkt darstellen.
Im am Ende gelegenen Treppenhaus ging ich zunächst ins Untergeschoss, wo bei spärlicher Beleuchtung frühe christliche Kunst mit der meist jüngeren afrikanischen Kunst korrespondierte und viele Fragen stellte über die Art der Wahrnehmung in den so scheinbar verschiedenen Kulturen.
Was macht das Menschsein dabei aus und auf welche Art stellt die jeweilige Kultur die Fragen, bei denen wir nach Antworten suchen?
Wer ist näher am Menschen und seiner Natur?
Welche Kunst berührt mich heute stärker?
Fremd scheinen mir manch großartige mittelalterliche Kunstwerke, berührend nah dagegen oft die afrikanische Kunst. Besonders deutlich schien mir der Gegensatz bei den Werken der Gotik oder auch bei Riemenschneider, dessen Meisterwerke der Schnitzkunst so lebendig scheinen, denen gegenüber die afrikanischen Objekte fast schlicht symbolistisch wirken, wenn auch nicht weniger berührend. Dies kehrte sich einen Raum weiter in der Gegenüberstellung zur byzantinischen Kunst wieder um.
Mit dem Wechselspiel ging es in den oberen Etagen weiter, wo unter anderem eine Pieta aus dem 16. Jahrhundert mit einer doppelten Frauenfigur aus Elfenbein, die Tod und Leben Rücken an Rücken als einiges Gegensatzpaar präsentierte und sich mit einer faszinierenden, doppelgesichtigen afrikanischen Holzfigur die Vitrine teilte.
Den befürchteten Kolonialismus aus der Gegenüberstellung feinster europäischer Kunst in ihrer Blüte und naturnäherer afrikanischer Kultur empfand ich nicht. Diese Sorge verflog auch durch die respektvolle und gute Präsentation der afrikanischen Kunstwerke, die eben nicht nur schlicht ethnologisch gezeigt wurden, wie wir es sonst als Völkerkunde gewohnt sind, sondern die zwei Auffassungen von Kunst zeigte, ohne dabei zu werten. Sie standen immer wieder überraschend nebeneinander und zeigten damit den Wert beider als künstlerische Schöpfung. Sie bleiben unvergleichlich, wie es der Titel der Ausstellung schon nahelegt, auch wenn wir natürlich in der Gegenüberstellung, die nur thematische Bögen sucht, immer auch vergleichen, wie es unser Auge vor sich sieht, verzichten die Ausstellungsmacher völlig darauf hier pädagogisch oder wertend zu werden.
Zwei Welten stehen nebeneinander und diese Form der Präsentation stellt zwar viele Fragen an uns, verzichtet aber auf Antworten und regt damit zum Weiterdenken an. Vielleicht hätte noch ein wenig mehr Einordnung der Werke gut getan, um mehr mitzunehmen an kulturellem Hintergrund, doch stellt schon das schlichte Gegenüber ohne ein Übermaß an Erläuterung genug Fragen, regt nachhaltig zum Nachdenken an und erreicht damit das Beste, was eine solche Ausstellung kann - ein lohnender Gang, der durch das Ungewohnte im Blick anregend wurde.
Was sich mir nicht erschloss, war der eher zufällige zeitliche Kontext. Natürlich gab es in Afrika keine Gothik und keinen Barock aber es gab auch entsprechende, teilweise noch ältere Hochkulturen, die zumindest zeitlich parallel lagen - wäre es bei der Gegenüberstellung, die bewusst Parallelen im thematischen Bereich sucht, nicht wünschenswert diese auch in den Zeiten zu sehen, um nicht den Eindruck entstehen zu lassen, die dortige Kunst sei wesentlich jünger.
Die Holzplastiken mögen unter den dortigen klimatischen Bedingungen vielleicht teilweise weniger haltbar gewesen sein, für die Bronzen etwa aus Benin oder andere Kunstwerke aus Stein gilt dies jedoch nicht. Zwar heißt die Ausstellung unvergleichlich und legt doch den Vergleich nahe, wären kulturelle Brücken dort gut gewesen - eine Maske, die zeitlich parallel zum Wirken der Dadaisten in Zürich in Afrika gefertigt wurde und eine frühgotische Plastik kommen aus verschiedenen Epochen der Entwicklung der Menschheit - es wäre so als würden wir die Moderne mit dem Mittelalter zusammenhängen wollen und zeugt zumindest an diesem Punkt wieder von wenig Respekt gegenüber der alten autonomen kulturellen Tradition Afrikas, bleibt einfach unvergleichlich und ein schlichtes nebeneinander, das aus der Zeit fällt.
So ist die Ausstellung eine große Idee, regt auch jetzt schon an und hätte doch deutlich mehr Potenzial, das sie leider ungenutzt lässt, was sehr schade ist. Die Kooperation mit dem Humboldtforum und also auch der Leitung der großen staatlichen Museen in Berlin bietet große Chancen des kulturellen Verständnisses, der Aufklärung und des Brückenschlags, der aber ohne historischen Kontext schnell willkürlich wirken kann, da auch die Entwicklung der Kultur in der Welt relativ parallel lief, wie der Gründungsdirektor des Humboldt Forums noch in seiner damaligen Eigenschaft als Direktor des British Museum in seiner wunderbaren BBC Serie die Geschichte der Welt in 100 Objekten, die auch zum Buch wurde, darstellte.
Dies sei jedem zur Lektüre empfohlen und dort zeigt sich der große und umfassende Geist dieses Briten, der vermutlich auch hinter dieser Sonderausstellung steckt, die leider, wie ich hier vermuten muss, auch durch interne Konkurrenz getrieben, ein wenig zu deutsch-kleinlich umgesetzt wurde. Wie der Nachbau seiner großen Ausstellung zur deutschen Geschichte aus dem British Museum im Gropius Baus, die völlig misslang und kleinlich wurde.
Unvergleichlich ist eine tolle Idee, auch jetzt schon anregend aber noch etwas zu bemüht in der Umsetzung, es wirkt ein wenig als habe jemand einen großen Geist ausgebremst und in enge Schranken gewiesen, wie sie der Berliner Politik seit Jahrzehnten entsprechen, in der plötzlich ein Herr Müller, nomen est omen, die großartige Idee des Grimm Museums für Sprache gegen ein beliebiges Stadtmuseum im Humboldt Forum austauscht, was so auch in Bielefeld von provinziellen Werbern erdacht worden sein könnte.
Es ist leider nicht ungewöhnlich, dass der Mut zur kulturellen Größe Sozialdemokraten aus eher bescheidenen Verhältnissen, nicht unbedingt liegt und der noch Regierende in Berlin führt dies leider immer wieder beispielhaft vor. Sollte ich mich nicht täuschen, spiegelt sich diese Auseinandersetzung auch in dem Konflikt zwischen der Leitung der Staatlichen Museen durch die deutschen Museumsbeamten und dem Briten MacGregor in Berlin wieder, der geniale Ideen hat, die zu kleingeistig verfolgt werden. Ob dies aus Angst geschieht, dem Fremden zu viel Reputation zu geben, zu klein in seinem Schatten zu erscheinen oder weil es wirklich am großen Geist in Berlin heute fehlt, will ich noch nicht beurteilen. Doch sollten wir es aufmerksam verfolgen, weil es darüber entscheiden wird, was einmal aus unserem Hauptdorf wird.
Es lohnt diese Ausstellung sich auf jeden Fall, wie das Bode Museum immer einen Besuch wert ist, aber dort wäre mehr drin gewesen. Vermutlich wird es künftig durch die Kooperation mit der Linken, die sich als kulturaffin gibt, wobei sich fragt, woher das bei den Erben der ehemaligen Funktionäre der Spießerrepublik DDR kommen soll, noch schwerer im schon engstirnig verwalteten Berlin. Aber, wen interessiert solch lokaler Streit, der mehr nach einer dörflichen Komödie als einer weltstädtischen Kontroverse klingt?
Nebenbei zeigt das Bode noch die Ausstellung Wissenschaft und Turbulenz, welche Leben und Wirken von Wolfgang Fritz Volbach vorstellt, dem aus einer zum Katholizismus konvertierten Mainzer jüdischen Familie stammenden Wissenschaftler, der es bis zur Machtübernahme durch die Nazis zum Direktor der byzantinischen Sammlung in den Berliner Museen brachte und viel zu deren Wachstum beitrug. Eine bestimmt interessante Persönlichkeit über die wir viel zu wenig wissen und über die der ahnungslose Besucher auch erstmal nichts erfährt.
Sollen solche Ausstellungen nur mit Führung erschließbar sein, braucht es ein höheres Verständnis der Museologie, um dort den Kern der Sache zu erkennen, fragte ich mich ein wenig verärgert beim Betrachten der bestimmt hoch interessanten Exponate. Als Besucher der Webseite des Museums erschließt sich mir der Kontext dann - aber funktioniert das Museum nur noch im virtuellen Kontext?
Es brauchen Besucher einfache und klare Erläuterungen, die dann vertiefen kann, wer sich für die Details interessiert - aber ein Museum, dass nicht selbst erklärt, was es uns zeigt, verfehlt seinen Job - es ist gut, die Neugier nach mehr zu wecken, aber dazu braucht es anderes als Insiderinformationen für Archäologen nach mehrjährigem Studium. Möchte als unbedarfter Besucher durch die Räume flanieren und dabei auch ohne Aufwand erkennen können, um was es bei der farblich deutlich abgegrenzten Sonderausstellung geht. Es war nicht das wahnsinnig wichtige Thema doch wenn ich schon an ein Opfer des Nationalsozialismus erinnere und des Gesetzes zum Berufsbeamtentum, muss ich mehr tun als seine Tätigkeit für das Museum in feinen Details darzustellen, die sich keinem im Vorübergehen erschließt.
Habe mich dort um ein Verstehen bemüht und bewusst nicht auf die Museumswebseite auf meinem Telefon geschaut und doch nicht wirklich verstanden, was die teils aufwendig präsentierten Exponate und die Erinnerung an diesen Mann mir sagen sollte, der nach dem Krieg noch das römisch-germanische Museum in seiner Heimat Mainz leitete. Gerade bei dem sensiblen Thema des Gedenkens an Opfer des Nationalsozialismus, die zuvor noch verdiente Mitarbeiter des Hauses waren, wäre eine schlichte Einführung wünschenswert, die in wenigen Sätzen und Bildern erläutert, um was und wen es geht, denn Museum sollte für die ahnungslosen Besucher gemacht werden, nicht für die Bewunderung der Kollegen oder um einen Designpreis in Farbgestaltung zu erringen.
Wer nach dem Weg durch die beiden Ausstellungen und dem Gang durch alle Räume noch Energie übrig hat, kann auch noch parallel die dritte Sonderausstellung des Hauses im Münzkabinett besuchen. Dabei widmet sich das weltberühmte Kabinett, in dem sich die einstige Münzsammlung der preußischen Herrscher findet, dem Menschenbild von der Antike bis zur Gegenwart auf dem Weg zum Portrait auf der Münze. Habe kurz geschaut, bin aber zugegeben kein Numismatiker und die Faszination des Geldes blieb mir immer eher fremd. Eine sicher interessante Ausstellung mit auch sehr guten und ausführlichen Erläuterungen , der ich aber gegen Ende des Rundgangs nicht mehr die größte Aufmerksamkeit widmete - vielleicht schaue ich die nächsten Tage nochmal vorbei - mit der Jahreskarte braucht es keine lange Überlegung dazu und die Museumsinsel, keine Stunde zu Fuß vom heimatlichen Platz entfernt, ist ja immer einen Besuch wert.
Wünschte mir nur die Realisierung der Pläne zum Neubau eines Gebäudes für die Gemäldegalerie an der Spree im Monbijoupark gegenüber dem Bode, mit diesem möglichst noch unterirdisch oder durch eine geschlossene Brücke verbunden, aber das ist eine andere Geschichte und wer wagt es schon noch an Neubauten in einer Stadt zu denken, die den ehemaligen Bausenator unter Wowereit, der maßgeblich Verantwortung also für die BER Pleite trägt, zum Regierenden machte, noch an Neubauten ernsthaft zu denken?
Freue mich an dem erhabenen Schatz, den wir auf der Insel schon haben, freue mich auf das bald anscheinend zeitgemäß vollendete Humboldt Forum, freute mich, wenn irgendwelche Islamisten den völlig unpassenden und völlig unproportionierten Berliner Dom sprengten und genieße museal ansonsten, was wir haben, ohne zu hochtrabende Träume.
Ein wenig gefiele mir die Vorstellung dem Senat wegen erwiesener Inkompetenz und kultureller Impotenz die Zuständigkeit für den von ihm zu bespielenden Teil des Humboldt Forums wieder zu nehmen und dort bis zur Realisierung des Neubaus Teile der Gemäldegalerie zu präsentieren, wie es der liebe André Schmitz andachte als er noch Berliner Kulturstaatssekretär war und nicht die Linke dieses Haus besetzte, die noch dem Palast der Republik nachweint. Aber ein Gefühl für historische Zusammenhänge und kulturelle Harmonie erfordert eben eine umfassendere Bildung als es die Führer der Arbeiterparteien wohl genießen durften, warum die Hoffnung gering ist, dass es sich unter diesen Bedingungen bald zum besseren wendet.
Die museale Kultur ist eine zutiefst bürgerliche und wo Menschen regieren, denen der Bürger eher ein Feind als ein Ideal ist, mangelt es leider auch immer wieder am nötigen Respekt vor den aus fürstlicher und bürgerlicher Tradition geerbten Sammlungen. Ob Berlin sich je dem würdig erweisen wird, was es hat oder ob das ein Problem der Demokratie ist, die weniger feine Kultur schätzt als massenkompatibel sein will, wird die Zukunft zeigen. Die Museumsinsel ist Weltkulturerbe und damit mehr als eine Schauhalle des märkischen Provinzialismus.
Um nicht klagend zu enden, sei zugegeben, dies Genörgel geschieht schon auf einem so hohen Niveau, von dem andere kulturelle Kleinstädte wie Hamburg, Düsseldorf, Köln, Frankfurt oder München nur träumen könnten sowohl in der Menge als auch in der Qualität dessen, was Berlin jetzt schon bietet. Aber vielleicht begründet auch der Ärger über die Vergeudung solch edler Ressourcen durch Dilletanten manches Gemecker, egal wie ist das Bode und diese Ausstellungen immer einen Besuch wert und es gibt kaum einen kontemplativeren Ort in der Großstadt als das Münzkabinett, in das sich nur sehr wenige Verwirrte wie ich überhaupt verirren.
jens tuengerthal 1.12.2017
Glückswille
Wenn zwei miteinander
Glücklich sein wollen
Haben sie bereits alles
Was dazu nötig ist
Glückssicherheit gibt es nie
Im Leben wie in der Liebe
Im wissenschaftlichen Sinne
Wenn nur ein Gefühl zählt
Wir bauen dabei auf etwas
Was immer unsicher bleibt
Außer wir sind uns sicher
Und glauben einfach daran
Wo der Glaube allein zählt
Kommt es auf den Willen an
Wer glücklich damit sein will
Hat alles getan es zu sein
Alles andere liegt außer uns
Was außer uns liegt ist nie
Von uns noch beeinflussbar
Es ist wie derTod also egal
Wer sich dazu noch erklärt
Ein Leben teilen zu wollen
Um glücklich zu bleiben hat
Alles irgend mögliche getan
Wo also alles getan wurde
Was wir irgend tun konnten
Haben wir die größtmögliche
Sicherheit im Leben erreicht
Damit beruhigt und zufrieden
Genieße ich nur noch was ist
Mehr ist nicht mehr möglich
Und will also glücklich sein
Am Ende wie am Anfang steht
Also nur der Wille zum Glück
Weil eins plus eins dann eins ist
Bleiben zwei immer glücklich
jens tuengerthal 1.12.2017
Donnerstag, 30. November 2017
Barerotik
Früher schrieb ich sehr viel in Cafés und Bars, hielt das für außerordentlich inspirierend, heute ziehe ich meist die heimische Bibliothek vor, weil mich die Gesellschaft und das Geschwätz der meisten Menschen eher langweilt. Ein Satz der heute in der demokratischen Gesellschaft mit ihrem zwanghaften Hang zur verordneten Gleichheit und der heiligen Kommunikation völlig verpönt ist, wie er aber dem feinen Geist des Huysmannschen Werkes ‘Gegen den Strich’ oder der Proustschen Recherche entspräche, um nicht dem Werk von Ernst Jünger zu sagen, der immer auch elitär dachte.
Manchmal ist es dennoch nett, sich als Beobachter noch einen Moment neben dies Geschehen in den Bars und Kneipen zu setzen und das Tun der anderen zu beobachten. Es birgt Stoff für Geschichten und Lyrik, doch merke ich, wie fremd mir diese Welt da draußen immer mehr wird, wie wenig mich all dies Treiben und die immer gleiche Konversation noch interessiert. Sinnlich finde ich dies Geschwätz angemalter oder aufgeblasener Menschen, die sich mehr oder weniger auffällig um die eigene Begattung bemühen, schon lange nicht mehr. Auch wenn es eigentlich immer nur um das eine geht, auch wenn es selten ausgesprochen wird, was nur den Drahtseilakt der verlogenen Kommunikation noch sozial spannend machte, aber eigentlich nichts als seine Verlogenheit offenbart.
Habe es, bevor ich meine Liebste traf noch gelegentlich mitgemacht, fühlte mich aber immer eher deplatziert und distanziert amüsiert als gereizt. Auch wenn sich zwei näher kommen, läuft es in 99% der Fälle nach dem gleichen Schema immer ab und dann ist auch der eigentliche Akt des Vollzugs kein Höhepunkt mehr, sondern nur das enttäuschende Ende, bei dem jeder für sich Befriedigung suchen soll, ohne noch etwas gemeinsam zu haben.
Nun, wo mich dies sexuelle Treiben nicht mal mehr theoretisch interessiert, bin ich noch amüsierter, wieviele Menschen sich nur damit beschäftigen und wie alles ständig darum kreist und dennoch beide alles tun, zu verhindern, dabei gelassen glücklich zu werden. Das Spiel der Lügen über ihre Bedürfnisse weiter spielen.
Warum stehen Menschen stundenlang bei zu lauter Musik in Bars, unterfordern sich wechselseitig geistig und hoffen dabei noch den Partner fürs Leben oder doch zumindest eine wunderbare Nacht zu finden?
Sicher enthemmt der Lärm in Verbindung mit Alkohol wunderbar und macht die Annäherung der irgendwie geschlechtsreifen Großstädter leichter, doch wäre da nicht ein Gespräch in Gegenwart schöner Bücher viel angemessener?
Es gibt in einer Stadt wie Berlin jeden Tag irgendwo Lesungen, dazu kommen noch literarische Salons und Cafés mit diesem Schwerpunkt, wie das im Literaturhaus in der Fasanenstraße, auch wenn dort mehrheitlich zu stark geschminkte ältere Damen aus Charlottenburg oder Witwen aus Wilmersdorf verkehren und dennoch verkehrt die Mehrheit der auf Partnersuche befindlichen Zeitgenossen in den einschlägigen Etablissements, die fern aller Literatur bei zu lauter Musik das Ziel der Begattung bereits unausgesprochen zu deutlich fühlbar machen, als käme es nur auf die Enthemmung an und nicht den Rahmen dafür.
Vielleicht bin ich inzwischen zu alt, die Versuche der Annäherung in den Bars und Cafés noch irgendwie reizvoll zu finden, interessant ist es dennoch, nicht für mich, habe ja schon das größtmögliche Glück gefunden, sondern als beobachtender Flaneur. Beruhigend finde ich, dass meine doch mehr als ein Jahr jüngere Frau, es ähnlich empfindet und wenn ich ehrlich sein soll, erinnere ich mich auch gut daran, den größten Teil meines Lebens immer ohne Nachtleben verbracht und es gut so gefunden zu haben, vor allem weil ich mehr zum Lesen kam, als wenn ich meinte, ausgehen zu müssen.
Insofern Hauptgrund immer die Partnersuche war, hat sich das Thema für mich vollkommen erledigt. Da ich sicher weiß, es nicht mehr besser dabei treffen zu können, hat sich das Interesse auf weniger als null reduziert. Sollte ich nun glücklich in meiner Bibliothek sitzen vor meinem elektrischen Kamin und das Treiben der anderen nur noch von Ferne belächeln?
Einerseits fühlt es sich so an und die Anziehungskraft der Bücher ist wesentlich höher als die dort draußen im zu lauten, trunkenen Treiben. Andererseits muss der Flaneur flanieren und Teil der Gesellschaft bleiben, die er beschreibt. Ohne Teilnahme keine Anteilnahme und ohne diese keine Leidenschaft in den Worten. Dann beschrieb ich nur noch in gedrechselten Worten meinen Rückzug von der Welt, wie es Huysmans in ‘Gegen den Strich’ so herrlich ironisch tat oder Hesse es etwas schlichter immer wieder auch seine von der Welt angeekelten Protagonisten leben ließ. Kaum einer beschrieb den Weltekel so lyrisch fein wie Rilke, der ein wenig jünger als Huysmans, um genau zu sein 27 Jahre, doch nur 19 Jahre länger lebte.
Als ich Freitag meine geliebte Bibliothek verließ, um nach dem Besuch im Supermarkt im Winskiez, der die guten Holsteiner Cox für den norddeutschen Apfel Liebhaber im Programm hat neben dem üblichen, was weniger allein den Weg lohnte, noch das dortige Sorsi et Morsi auf einen Wein zum Schreiben mit literarischer Inspiration in dieser doch sehr umtriebigen Bar zu besuchen, hatte ich Glück und konnte dort erstmals in dem wunderbaren Chesterfield Ledersofa versinken, um zu schreiben.
Leider entsprach die Musik nicht dem Sofa und meinem Gefühl für diesen so wunderbar italienischen Ort und war dazu noch zu laut, was irgendwie alles in dem bewusst zu engen Laden, in dem sich alles aneinander vorbei drängen muss und sich schon dadurch nicht mehr berührt als gewollt, sondern genau so viel mehr als sonst üblich, wie es sich viele wohl dort wünschen, die nicht nur zum Schreiben hierher kommen wie ich. Wie den Weg von der Bar in den hinteren Teil mit den Toiletten stelle ich mir eine Tokioter U-Bahn vor, nur dürfte es dort wesentlich asexueller und steriler zugehen.
So litt ich letztes mal an diesem Ort, der mir plötzlich nervig und geistlos vorkam, fragte mich, was ich dort tat, warum ich nicht in meiner Bibliothek saß und lieber las. So geht es auch einem Freund von mir immer wieder, der allerdings jahrelang dort mehrmals die Woche verkehrte, um Frauen kennenzulernen, was wohl seltener gelang als die sexuelle Atmosphäre hoffen ließ.
Dennoch werde ich gern wieder am Freitag oder Samstag nach dem Einkauf auf einen Wein dort hingehen, um diese mir fremde Welt als Flaneur zu beschreiben, in diesen an sich absurden Raum einzutauchen und das nicht nur weil Johnny der Wirt so ausnehmend freundlich immer ist, sondern weil dieser Raum die Absurdität der Suche nach Sex in der Großstadt konzentriert auf den Punkt bringt, etwas, was der Flaneur in derselben schon aus Berufung beschreibt.
Beide Seiten wollen und warten sehnlichst darauf, verunmöglichen aber jede Realisierung durch einer Erfüllung zuwiderlaufende Erwartungen, die sie sich als Bedingung stellen und die damit sichere Enttäuschung tröstet über die folgliche Frustration am Nichts hinweg. Dies Muster wiederholt sich immer wieder ohne irgendeinen Lerneffekt bei den Teilnehmern, die dabei nicht alle dumm sein müssen, sondern sich einfach dem Glauben an einen hippen Ort zu sein, an dem doch etwas passieren müsse, weil schließlich alle darum hierher kommen, hingeben
Ein wenig kommt mir diese sehr italienisch laute Bar vor, wie ich mir einen Club-Urlaub vorstelle, den ich nie im Leben machen werde. So liebte auch eine Ex von mir diesen Laden am meisten, die auch am liebsten Cluburlaub in der Türkei machte und so genoss sie es persönlich von dem Barbetreiber Johnny geküsst und begrüßt zu werden.
Danach setzt das Denken nicht nur bei ihr aus, dahingestellt, ob es vorher je kritisch begann und die Anwesenden lassen sich dort unterhalten, wenn sie sich nicht gerade anbrüllen um über die Lautstärke hinweg zu kommunizieren. Wer das vermeiden will, muss sich sehr nah kommen und fördert damit wieder den eigentlich gewünschten Effekt.
Auf dem Chippendale Ledersofa etwas distanzierter noch als sonst schon von Natur aus und in diesem völlig versunken, war ich nur noch Beobachter und nicht mehr Teilnehmer, war mir sehr gut gefiel und meinem Charakter entspricht.
Ein Sofa, dass wunderbar in eine Bibliothek passte, bildete meine Insel an diesem absurden Ort, den ich doch zu gern immer wieder beschreibe und so sollte ich vielleicht noch früher hingehen, um dort einen Platz als Flaneur zu haben und sobald es laut wird und sich füllt, wieder verschwinden, um alles bis dahin zu beschreiben. Bin ich damit schon nur noch Beobachter, mehr Statistiker des Sexualverhaltens derjenigen Berliner, die gerne hipp ssein wollen?
Erstaunlich denke ich, gehe ich an einen Ort, der nur halb irgendwie eine Bibliothek imitiert, statt in diese, um die Stimmung zu nutzen und spiele so mehr mit der Dialektik, als der Natur der Dinge entsprechend zu handeln. Es ist ein hipper Ort in meinem näheren Umkreis, was Grund genug für die meisten der Massen ist, die sich dort jede Nacht durchschleusen. Finde sein Gegenteil eher inspirierend und die meisten Buchläden erotischer als diese überfüllte und zu laute Bar voller Typen, die sich wichtig nehmen und Frauen, die bewundert werden wollen.
Die Vorstellung einen Po oder Busen beim Drängeln dort ungewollt zu streifen, finde ich weniger sinnlich als mit der Hand die Buchrücken meiner heimischen Bibliothek zu streicheln. Der Ort und das Theater sind mir so fremd, wie ich mich im Gegenteil in einer stillen Bibliothek oder einem gut sortierten Buchladen von englischer Gemütlichkeit wohler fühlen würde als dort je. Bücher sind mir meist näher als Menschen und mit diesen pflege ich auch lieber Umgang in der Regel, weil die wenigsten Menschen meinem Geist Widerhaken oder Halt bieten, was vermutlich mein Fehler ist, mit dem ich aber gut leben gelernt habe inzwischen und was glücklich macht, kann nicht schlecht sein.
Vielleicht besuche ich diesen Jahrmarkt der Eitelkeiten so gerne, weil er mich darin bestätigt, wie gut ich es mit meiner Liebsten traf im und wie fern mir dies Leben immer sein wird. Es ist wie ein Besuch im Zirkus, in dem mittelmäßige Artisten der Liebeskunst ihre Kunststückchen vor einem gelangweilten Publikum zum besten geben, das dennoch brav Aaah und Oooh sagt, weil es sich doch so gehört. Vielleicht wäre Menschenzoo noch passender und so finden sich dort regelmäßig vermutlich nur Menschen, die gerne bespaßt werden, wie Cluburlauber und beim eigentlichen Ziel der Annäherung nie Befriedigung finden, warum sie sich auch dieser mäßigen Ersatzform hingeben können, als sei sie der Höhepunkt im Leben.
Natürlich ist jede Bibliothek schöner als solch eine Bar, vor allem meist stiller und friedlicher, geistvoller allemal, doch wie sehr spüre ich erst die sinnliche Schönheit meiner Bücher, die mich still zuhause erwarten, wenn ich von diesem Ort komme, der in so vielem für das Gegenteil steht.
Es geht um unerfüllten Sex, um italienische Lust und katholische Lebenslügen, die sich gerne dem anstatt hingeben. Wie sehr spüre ich dort, wie gut ich es mit meiner Liebsten verglichen habe, was freue ich mich auf die Zweisamkeit in Stille, statt wie die dort auf die laute, ziellose Jagd zu gehen, die nahezu keinen zur Befriedigung führt, von der zusammen ganz zu schweigen und wie träume ich genüsslich davon nur mit meiner Liebsten und unserer Bibliothek das Leben zu verbringen, weil es nichts mehr braucht.
Frage mich, ob diese Bars, die im Ruf stehen, ideal zu sein Sexualpartner zu finden, welchen Grund hätten die meisten sonst an einen Ort zu gehen, an dem sich schlechter unterhalten lässt als anderswo, dem Leben ihrer Besucher entspricht?
Sie leben halt und machen mit, was gemacht wird, auch wenn es dem eigenen Ziel zuwiderläuft, miteinander auf Dauer glücklich zu werden. Es ist ein Sehen und Gesehen werden. Die Sehnsucht danach, vom Wirt erkannt und persönlich begrüßt zu werden als Ersatz für die nie erreichte und den meisten unbekannte gemeinsame Befriedigung, wird zum Ersatz und Zweck an sich, mit dem sich die meisten zufrieden geben, wenn sie unbefriedigt wieder gehen, um bald wiederzukommen.
Die Hoffnung dort das Glück zu finden stirbt vielleicht zuletzt, zumindest fühlen sie sich gut unterhalten und am Gedränge sichtbar, geht es wohl vielen dort so. Dies ließe sich auf die meisten Bars der Stadt so übertragen, aber ich erspare den Lesern weitere Details oder Studien, da es nahezu immer das gleiche ist. Auch kennt jeder irgendwen, der hier schon mal sein Glück gemacht hat, zumindestens flüstern sich alle das zu und hoffen, die nächsten zu sein, auch wenn sie eigentlich wissen, wie kontraproduktiv der Ort dafür ist.
Sex findet in den Bars nahezu nur in den Köpfen der Teilnehmer statt und auch wenn die eine oder andere an der Bar, den neuen dort Geschichten zu raunt, wie es bei dem oder diesem ist, ob es nach der einen Nacht noch ein Frühstück gibt und Männer sich hinter vorgehaltener Hand dezent erzählen, wie diese oder jene war - ich kann da nicht mitreden, habe nie eine dort kennengelernt und war auch nie in dieser Absicht dort, auch wenn ich vielleicht über die eine oder andere dort plaudern könnte, was mir aber fremd wäre, wenn schreibe ich dazu - habe ich von den regelmäßigen Teilnehmerinnen der dortigen Partnerbörse nur frustrierende Geschichten gehört.
Seltsamerweise sind Männer da eher zurückhaltender was die eigene Frustration betrifft und neigen dazu, jedes Abenteuer schön zu reden, auch wenn es nicht mal mäßig war. Auch ich habe meine Geschichten darüber immer verklärend schön geschrieben, obwohl ich aus Erfahrung eigentlich hätte wissen können, wie frustrierend es fast immer war, weil eben nur ganz wenige Menschen wirklich zusammenpassen und der Sex in den übrigen Fällen völlig entbehrlich ist, nur zum gemeinsamen Onanieren ohne geteilte Gefühle führt.
Natürlich gibt es auch mal Männer die lästern aber doch eher selten und vor allem nicht dort, wo sie sich sammeln um erfolgreich eine neue Nummer in ihre Begattungsliste einzutragen und wo sie genau damit glänzen wollen und heute eben auch als solche, die Frauen glücklich zu machen wissen. So sind auch dort viele eigentlich erfahrene Liebhaber mit eher nichts zufrieden und stärken mit dem eben möglichen ihr Ego. Habe mich schon gefragt, ob das mit der männlichen Potenz zusammenhängt, die wirkliche Ehrlichkeit vermutlich schnell erschlaffen ließe.
Wie wenig das meinem Wesen entspricht, habe ich früher mehrfach erlebt, wenn mein Schwanz, wenn er dann gefordert war, schändlich versagte und schlaff blieb, weil mich die Spiele um nichts null reizten. Konnte das immer noch einigermaßen durch sonstige Erfahrung kompensieren aber begriff doch irgendwann, dass es nicht meine Welt war, Sex ohne Liebe fad ist und auch nichts mehr hinterlässt.
Glücklich nur noch Beobachter dieser Spiele zu sein, mein Glück dabei in der Liebe gefunden zu haben, bin ich auch hier wohl nur noch Chronist des Begattungsverhaltens, der sich fragt, ob mehr Ehrlichkeit irgendwem nutzen würde oder keiner mehr erwartet, als alle dort bekommen. Werde ich damit zum Voyeur, der die Suche nach Sex der anderen beobachtet und wie hier beschreibt oder ist das ausgeschlossen, weil der Voyeur ja Befriedigung in der Beobachtung findet, während ich höchstens noch amüsiert bin und mich eher distanziere, um mit mir glücklicher zu sein, als die meisten dort je werden.
Vielleicht aber ist auch diese Annahme eine bloße Verkennung der dort versammelten Talente, die ihrem Wesen nach viel tiefer empfinden können und sich vom dortigen Spiel nur gut unterhalten lassen. Was weiß ich schon, denke ich und freue mich, an dem was ich habe, was mir so unendlich viel Distanz zum dortigen Theater gibt. Möge jeder nach seiner Fasson dort selig werden, wie ich mich darüber freue, es lächelnd zu betrachten.
jens tuengerthal 29.11.2017
Unaussprechlich
Wenn das Glück
Am größten ist
Wird es auch
Unaussprechlich
Wenn ich also
Nun nichts mehr
Schreibe wissen alle
Erstmal überhaupt nichts
Du aber weißt genau
Wie glücklich wir sind
Was uns genügt
Weniger ist heute mehr
Liebe als Worte
jens tuengerthal 30.11.2017
Mittwoch, 29. November 2017
Büchererotik
Für viele Menschen hat wohl die Musik eine ähnliche Wirkung und als wir noch Schallplatten hatten oder benutzten, war es ja auch irgendwie so, war auch die Musik aus der Konserve etwas, was wir in die Hand nehmen konnten. Denke ich an Thomas Manns wunderbare Beschreibung des Musikautomaten im Haus Berghof im Zauberberg, verbinde also Musik und Literatur, denke ich, es genügte wohl auch ein schönes Gerät gleich welcher Art, die Musik zu würdigen und erinnere mich wie ich das erste mal den Ring in der Bayreuther Aufnahme mit Böhm am Pult auf der heimischen Anlage hörte irgendwann Anfang der neunziger. Wie feierlich war es dann alle Stunde die Scheibe zu wechseln, um danach wieder in die Welt des Festspielhauses klanglich einzutauchen.
Doch ist Musik für mich nur Klang, schöner Klang zwar meist und beim Ring auch mit genug schlecht gereimten Versen dazu, aber doch etwas gänzlich anderes als die Erotik eines Buches, das ich in den Händen halte, Seite für Seite erobere, auch einmal gelesen, immer wieder hervorholen kann. Die Musik bleibt etwas unstet luftiges, was kaum erklungen, schon wieder vergangen ist, ohne Dauer und Bestand, hat sie, wenn es hoch kommt ein Echo und eine Niederschrift in Noten, die für mich ähnlich verschlüsselt ist wie chinesische Bücher.
Vielleicht ist es das mir so fremde Rätsel der Notation, dass mich fast immer Bücher vorziehen ließ, denn auch das vorgelesene Buch verhallt nicht anders als die Musik im Nichts der Klangwelten ohne Widerstand, während das gelesene, sich sinnlich in mich eingräbt, eins mit mir wird im Lesen, bis es nach dem Höhepunkt der letzten Seite wieder zugeschlagen wird. Doch mehr noch ist es die Tatsache, dass Notenwerke selten schön gebunden Bibliotheken füllen, keine Bücher eigentlich sind, sondern Mittel zum Zweck, daraus zu spielen - warum meist eine schwache Bindung bevorzugt wird und ich, unmusikalisch wie ein Thomas Buddenbrook, nie eine sinnliche Bindung zu ihnen entwickeln konnte.
Bedenke ich, welch magische Wirkung etwa alte französische Bibliotheken auf mich haben oder die vatikanische Bibliothek, jede Klosterbibliothek wie die wunderbare in St. Gallen hat, selbst wenn es dort nahezu immer nur um Fragen des Aberglaubens geht, den ich völlig uninteressant und irrelevant für mein Leben finde, kann die Lesbarkeit allein nicht entscheidend für mich sein. Natürlich hat gerade die Vatikanische in ihren Giftschränken auch viel, was Rom über Jahrhunderte sich verbat und was also auch geistig spannender ist als das Märchen vom lieben Gott, der dort noch gelehrt wird - auch große Denker wie Montaigne schätzten die dortige Bibliothek sehr und das obwohl er eine wunderbare Bibliothek sein eigen nannte, in dem kleinen Turm am einen Flügel seines Schlosses, mitten in seinen im Perigaud gelegenen Gütern voller Weinberge, in die er sich nach Jahren als Richter und Bürgermeister in Bordeaux völlig zurückzog, um dort seine bis heute genialen Essays zu schreiben.
Bezeichnend für die vatikanische Bibliothek ist vielleicht, dass dort die Bücher in wunderbar bemalten Schränken versteckt, dem profanen Auge auf dem ersten Blick unsichtbar sind. Die Mystiker halten den Geist gern im Verborgenen, was viel auch über die Schranken ihres eigenen Denkens verrät, weil sie die Freiheit mehr fürchten, als sie von ihrem eigenen Glauben überzeugt sind.
Wer fest im Glauben steht, muss nichts verbieten oder verteufeln. Woran wir auch merken, wie vorgestrig und unsicher der islamische Aberglaube noch ist, in dem die Gelehrten noch immer Fatwas gegen die Autoren unliebsamer Bücher aussprechen, was in der Wirkung der Inquisition vergleichbar ist. So ist diese Sekte noch zurückgebliebener als die anderen beiden großen monotheistischen zumindest im Umgang mit Büchern. Andererseits konnten sich viele Schätze der Antike nur über arabische Bibliotheken uns erhalten, weil die römischen Christen, wie jene in Byzanz, bis es an die Mauren für die letzten 500 Jahre fiel, was immer künftig sein wird, mit jener Stadt, die länger Byzanz und Konstantinopel als Istanbul hieß, wesentlich intoleranter früher noch waren, als es Muslime heute sind und darum auch alle Spuren vorheriger Kulturen in Europa auszuradieren bemüht waren.
Der Umgang mit Büchern und die Pflege ihrer Kultur sagt viel über den Grad der Zivilisation einer Gesellschaft. Wir mögen im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz und virtueller Rechenspeicher, die auf Briefmarkengröße das Wissen einer ganzen Bibliothek speichern können und so trage auch ich auf meinem Telefon auch immer eine sehr umfangreiche Bibliothek mit mir herum, ohne dass sie ins Gewicht fiele, doch was bleibt davon in tausend Jahren, wenn schon heute die Programme von vor 30 Jahren keiner mehr virtuell lesen kann - verlieren wir all unser früher gedrucktes Wissen in virtuellen Welten, auf die wir nach Änderung der Programme durch fehlerhaft programmierte KI keinen Zugriff mehr haben?
Wenig wissen wir sicher, als auch uralte Bücher noch einfach aufzuschlagen und uns in sie mit dem, was uns die Natur von Geburt an als Fähigkeiten mitgab, irgendwie zurechtzufinden. Sicher, es hilft Lesen zu können, es sich nicht erst bei der Entdeckung der ersten Bücher selbst beibringen zu müssen aber zumindest können wir auch als Analphabeten noch ein Buch aufschlagen und etwas erkennen, wie ich als musikalischer Analphabet, wenn ich auf ein Notenblatt schaue, zumindest Punkte auf Linien sehe. Daten, die mit einer unbekannten oder vergessenen Software codiert sind, können wir nicht mal erkennen, sie sind für uns wertlos.
So schreibe ich hier zwar über die sinnlichen Vorteile der Bücher, die ihnen eigene Erotik, den Kitzel, der unsere Fortpflanzung noch nach Millionen Jahren reizvoll erscheinen lässt, auch wenn wir eigentlich längst gut wissen, wie es funktioniert, doch schadet es nicht, auch einen ganz manifesten Vorteil des Zugriffs zu erwähnen. Auch Gäste aus anderen Universen, die uns vielleicht irgendwann oder längst unsichtbar besuchten, können ein Buch aufschlagen und sich damit unser kulturelles Erbe ansehen.
Einen Rechner kann nur öffnen und die darauf gespeicherten Daten kann nur lesen, wer die richtige Brille dafür auf hat, also die Software kennt, sonst bliebe nur unlesbarer Datensalat übrig oder Bilder, die auch das zufällig bekannte Format haben müssen, um für andere lesbar zu sein. Ein Buch kann jeder Mensch öffnen. Lesen kann es jeder, der die Sprache kennt oder sich erschließt, was nach unserer Natur und unseren Anlagen möglich ist. Für die Lesbarkeit heutiger Software für kommende Generationen von vielleicht neuronalen Rechnern, die fest mit unseren eigenen neuronalen Netzen verbunden sein könnten, gibt es keinen Schlüssel in den Talenten unserer Natur.
Früher träumte ich davon, meine Bücher hinter Glas geschützt stehen zu haben, wie ich es aus der Familie kannte und es mir immer als Ideal wünsche, heute finde ich diese Vorstellung eher gruselig und beschränkt spießig. Im Gegenteil habe ich inzwischen sogar all meine Bücher nackt ausgezogen, also ohne Umschlag, möglichst vorne im Regal stehen, was nebenbei auch das Einstauben der Bretter verhindert, viel wichtiger aber ihre nackte natürliche Präsenz sichtbar macht.. Berühre gerne Bücherrücken im Vorübergehen, streichle meine Schätze zärtlich und möchte dabei nicht Papier berühren, dass bunt dem gerade aktuellen Geschmack irgendwelcher Verlage entsprechen, mehr Marketing als Kulturgut ist und wechselnden Moden unterliegt.
Die Vorstellung alle Bände einheitlich in Kalbsleder zu binden und mit meinem Wappen zu versehen, wie es früher in fürstlichen Bibliotheken üblich war und noch immer als höchster Luxus gilt, hat zwar etwas verlockendes, doch genügen mir Leinen und Pappe zum Glück vollkommen, solange sie mehrheitlich zumindest gebunden sind. Um mein Bett stehen die wunderbar gestalteten und edel gebundenen Bänder der Anderen Bibliothek und von Galiani und immer wieder ziehe ich den einen oder anderen heraus, sei es auch nur um wenige Seiten etwa Montaigne voller Genuss zu lesen, weil ein schönes Buch in den Händen zu halten, den Inhalt noch erhebender macht.
So gesehen habe ich ein zutiefst sinnliches Verhältnis zu Büchern, dass weit über den Inhalt hinausgeht, das Buch an sich zum Gegenstand meiner Lust macht. Beruhigend ist, dass es meiner Liebsten genauso geht, die sogar gern neue Buchseiten erschnüffelt beim ersten Öffnen, womit keiner auf die Leidenschaft des anderen eifersüchtig sein muss - wir gehen beide einander gern mit Büchern fremd, führen dies betreffend eine völlig offene Beziehung und gönnen gelassen jeder dem anderen die Leselust.
Wer keine sinnliche Beziehung zu Büchern hat, wird diese Ausführungen, fürchte ich, nie verstehen können. Auf eine Sache könne doch keine Mensch eifersüchtig sein, würden sie vielleicht einwenden und wissen nicht, wie viele Männer schon auf den Dildos ihrer Frau eifersüchtig waren, wenn sie je davon erfuhren. Wobei ich vermute, dass dies eher dann eher an der realisierten Frustration liegt, dass der Liebsten ihr Schwanz wohl nicht genügt. So ist jede Eifersucht meist mehr in Selbstzweifeln als in tatsächlichen Ereignissen begründet. Mir ist solches Denken zum Glück völlig fremd und ich könnte meiner Liebsten lieber einen solchen schenken, ohne Neid zu empfinden, wenn sie meiner entbehren müsste, auch wenn ich sicher immer gerne an dessen Stelle wäre.
Wenn beide Bücher lieben und mit diesen und sich eine offene Beziehung führen, scheint dies der Gipfel partnerschaftlicher Harmonie, wenn auch Menschen, die eine Neigung zur Eifersucht oder Verlustängste haben, damit Schwierigkeiten haben könnten. Habe häufiger erlebt, dass Frauen sich von mir gegenüber meinen Büchern zurückgesetzt fühlten und nicht immer konnte ich ihnen, muss ich heute sagen, mit voller Ehrlichkeit widersprechen, sondern tat es nur belustigt amüsiert oder genervt. Andere reagierten eifersüchtig auf mein Telefon, das real mein Schreibgerät auch ist, also eine Art elektronisches Buch, was mir noch absurder vorkam.
Würde heute sagen, dass es nahezu nichts gibt, was ich der Gesellschaft meiner Bibliothek vorzöge. Die einzige, bei der es stets so wäre, teilt meine Liebe zu den Büchern und ist ganz nebenbei auch meine Frau wie ich ihr Mann womit beide ohne jede Büchereifsucht glücklich sind, den Gipfel geteilten Glücks wohl erreichen, der noch andere wunderbar erotische Aussichten gemeinsam hat, aber um unsere Liebe und Lust geht es hier ja nicht, sondern nur um die Erotik der Bücher, die wir beide zu gern streicheln wie einander.
Die Liebe zu den Büchern und die Erotik, die sie unabhängig von ihrem Inhalt für mich ausstrahlen, ist wo sie geteilt wird, schon der Gipfel der Lust. Wer dabei dann noch die Gnade erlebt auch in dem was andere für Erotik halten, die schönsten Höhepunkte zu teilen, hat im Leben wohl alles nur mögliche erreicht. Lehne mich zurück und denke gut so und schaue mir manchmal nur das Treiben der anderen mit einer gewissen Distanz noch an.
jens tuengerthal 28.11.2017
Liebesglaube
Glaube immer an deine Liebe
Weil sie mich glücklich macht
Das genügt mir es zu sein
Was könnte je mehr werden
Liebe ist immer nur ein Gefühl
Dabei spüren wir sie ganz real
Auch wenn sie nur eine Idee ist
Bestimmt sie das ganze Leben
In der Lust wird sie körperlich
Darum ist sie nur so perfekt
Lust ohne Liebe wäre bloß
Befriedigung unserer Triebe
Wir teilen das große Gefühl
Das durch nichts beweisbar
Immer am Glauben nur hängt
Und sind uns dennoch sicher
Jedem Gläubigen der sagte
Er wissen von Gott weil er
Seine Liebe spüre würden wir
Atheisten wohl nur belächeln
Den Gläubigen hat die Liebe
In der Natur den Sex voraus
Der Gefühle spürbar macht
So stärkt Lust den Glauben
Weil uns aber die Liebe stets
Mehr als bloße Lust sein soll
Haben wir am Ende nicht mehr
Als die Gläubigen mit ihrem Gott
Kann dir meine Liebe nicht beweisen
Zumindest wissenschaftlich gedacht
Alle Liebesbeweise täuschen nur vor
Es gäbe dabei mehr als ein Gefühl
So bin ich als Liebender wohl nur
Ein Gläubiger des Gefühl doch was
Könnte mehr sein als darin sich sicher
Miteinander für immer zu fühlen
Wir bauen unser Leben auf nichts
Als den Gefühlsglauben aneinander
Was sehr leichtsinnig erstmal klingt
Doch braucht es mehr zum Glück
Nicht haben als unseren Glauben
Der uns dann glücklich machen soll
Scheint wenig und ist doch viel mehr
Als genug wenn wir ihn auch leben
So glaube ich immer an deine Liebe
Weil sie mich so glücklich macht
Das genügt mir es ewig zu sein
Was könnte je mehr werden
jens tuengerthal 29.11.2017
Dienstag, 28. November 2017
Liebesschlaf
Die Größe einer Liebe
Zeigt sich im Schlaf
Wo uns nur geschieht
Was wir nicht steuern
Es braucht keine Mystik
Einfach nur Ehrlichkeit
Die uns gut schlafen lässt
Bei- wie miteinander
Wer auf kleinstem Raum
Selig verschlungen schläft
Hat die ganze Welt für sich
Weil Nähe zuhause wird
So geht es mir mit der Liebsten
Darum ist meine Frau für immer
Der schönste Teil meines Lebens
Träume ich mit ihr selig zu schlafen
Wo wir nichts tun als entspannen
Sind wir wohl am ehrlichsten stets
Was mit uns geschieht sagt mehr
Als alle Debatten es je könnten
Als Aufklärer liebe ich die Vernunft
Ist mir ein Unterbewusstsein suspekt
Kämpfe ich für mehr Verstand immer
Als Liebender trau ich dem Gefühl
Wer ein Leben teilen will sollte sich
Klar sein wie sich beide im Schlaf
Also ohne Willen dabei noch fühlen
Näher und ehrlicher geht es nicht
So sehne ich mich voller Sehnsucht
Wieder nach Nächten mit der Liebsten
Auch der Lust davor wegen sicherlich
Doch mehr um des Liebesschlafs willen
jens tuengerthal 28.11.2017
Montag, 27. November 2017
Leidensweg
Glücklich preise ich mich
Eine so leidenschaftliche
Frau die meine zu nennen
Auch wenn es Leiden heißt
Unter der zarten Schale verbirgt
Das nur scheinbar stille Wesen
So viel Lust und Liebe wie ich es
Noch nie habe erleben dürfen
So wünsche ich mir manchmal wohl
Weniger Leiden auch daran um im
Ruhigen Glück der großen Liebe
Gelassen genießen zu dürfen
Doch nie wollte ich dafür verzichten
Auf die größte Lust und Liebe wie
Nur leidenschaftliche Menschen sie
Uns schenken können im Leben
Ihre unglaubliche Omnipotenz hat
Wie ihre grenzenlose Liebe auch
Den Preis gelegentlicher Leiden
Was sie immer vielfach wert ist
Wer ein solches Wunder genießt
Tut gut daran es ganz zu lieben
Auch wenn es an Grenzen geht
Eigene Kräfte mal überschreitet
Die Liebe mit echter Leidenschaft
Ist immer auch ein Leidensweg
Doch führt er zum höchsten Glück
Der geteilten befriedigten Erlösung
Wer das gemeinsam immer findet
Hat mehr Glück als möglich schien
Was ist da gelegentliches Leiden
Denke ich verliebt von ihr träumend
So finde ich auch im Wechselbad
Der Gefühle aus der Leidenschaft
Gelassenheit und zahle den Preis
Den auch das größte Glück hat
Frage mich nur ob nicht damit
Die Leidenschaft Feuer verliert
Wenn ich sie gelassen hinnehme
Sie sich ganz vernünftig erledigt
Doch bin ich relativ sorglos dabei
Zu zufällig sind immer die Gründe
Als das ich stets vorbeugen könnte
Sie mich nicht mehr leiden ließe
Glücklich nur macht mich dabei
Zu wissen dies ist halt der Preis
Für das Übermaß sonst an Glück
Bis zum nächsten Ausbruch dann
So werde ich sie immer mehr lieben
Wird das Begehren stets neu wachsen
Es ist anstrengend aber wunderschön
Wie die schönste Frau der Welt für mich
Eine leidenschaftliche Muse ist wohl
Unendlich kräftezehrend und doch
Das größte Glück eines Dichters
Auf seinem wortreichen Leidensweg
jens tuengerthal 27.11.2017
Sonntag, 26. November 2017
Romanform
Wer einen Roman erzählen will, sollte sich 117 Jahre nach dem Erscheinen der Buddenbrooks und 93 Jahre nach dem Zauberberg fragen, was heute zeitgemäß ist. Kunst geht, wenn sie etwas taugt, ihrer Zeit voraus, setzt aber auch gerne einen Kontrapunkt zum üblichen Denken, regt neues an, wenn sie mehr als nur eine Beschreibung dessen was ist, abliefern will.
Werden Romane besser, wenn sie die aktuelle, technisierte und denglisch verbogene Sprache der Jugend nutzen oder werden sie dann nur noch lächerlich?
Kaum denke ich und halte dies wie vieles für eine nur Mode, die ich schreibend nicht zu ernst nehmen sollte, wenn ich Bleibendes schaffen möchte. Es kommen zwar immer mal wieder Jugendworte in den Duden, sind frühere Slang-Worte, die ein Thomas Mann höchstens provokativ in der Umgangssprache mal genutzt hätte, längst keine Provokation mehr, sondern gewöhnlicher Umgang geworden und stören niemand mehr. Zugleich nutzen wir technische Ausdrücke für das Netz, mobile Kommunikation oder soziale Netzwerke, die Worte wie googeln oder tindern zum guten Sprachgebrauch machten.
Das Vokabular wird durch das jeweilige Sozialverhalten geprägt und wenn Jugendliche sich eben über das Netz verabreden und kommunizieren, sich in sozialen Netzwerken eher kennenlernen als in der Bar um die Ecke, prägt dies auch die Sprache und während es von räumlichen Schranken befreit, sich Menschen aus aller Welt verabreden und treffen können, macht es zugleich auch abhängig von der Technik, mit der wir uns verbinden, vom Netzzugang und anderen Ungewissheiten.
Während Goethe noch unruhig mehrmals täglich Boten zur verehrten Charlotte von Stein sandte, als diese sich nicht in der direkten Nachbarschaft sondern auf ihrem einige Kilometer entfernten Landgut befand, sind solche Distanzen heute kaum ein Lächeln wert, verabreden wir uns über jede Distanz via Whatsapp und telefonieren in Europa ohne Ende kostenlos miteinander, dahingestellt, ob diese Möglichkeit in allem immer ein Gewinn gegenüber der Goethezeit darstellt.
Nachdem meine Liebste mich in einem sozialen Netzwerk entdeckt hatte, setzte sie die entsprechenden Zeichen, auf die ich, ahnungslos alt, wie ich in der Beziehung wohl bin, erst mit einiger Verzögerung reagierte. Sie kannte sich dort viel besser aus als ich, obwohl sie doch so viele Jahre jünger ist als ich und war damit wie meine Tochter ein Kind dieser Zeit, in der ich auch lebe, die aber auch eine fremde andere schon für mich ist in vielem, der ich geboren wurde, bevor es Computer wirklich gab, als vom Internet noch keiner was ahnte und der bereits sein Studium beendete, bevor soziale Netzwerke überhaupt erfunden wurde.
Schließlich verständigten wir uns doch, fanden uns über die in jeder Hinsicht große Distanz zwischen Berlin und Schwaben sehr schnell zusammen, überwanden alle Hürden, die sich dem noch entgegen stellten in uns und um uns und lebten die schönste Liebesgeschichte, die sich je in einem sozialen Netzwerk fand, das noch dazu seine Nutzer nur auf oberflächliche Bildchen reduziert, weil das wovon es ausgeht nicht das, was ist, prägen muss.
Warum ich nun wieder von meiner wunderbar romantischen Liebesgeschichte erzähle, die sich in sozialen Netzwerken so unerwartet fand?
Weil sie typisch ist für die Liebe in unserer Zeit, wie ich es auch bei meiner Tochter beobachte, die ihre Flirts dort kennenlernt, länger nur virtuell pflegt, bis beide sich irgendwann ganz real treffen oder auch nicht und dann mehr oder weniger enttäuscht eine Beziehung versuchen oder nicht. Während Goethe noch revolutionär mit dem Werther einen Briefroman schrieb, der wunderbar tragisch mit dem Freitod des Protagonisten endet, der die Jugend Europas bis in die Romantik hinein aufwühlte, den angeblich auch Napoleon las und von da an immer bei sich trug, der ihm später peinlich war, als Autor des Faust und des Wilhelm Meister.
Doch hatte Goethe andere Gefühle als ich oder beschreibt er eine andere Situation als sie meine Tochter heute emotional erlebt?
Es gibt mit der virtuellen Welt einen neuen Raum, in dem sich die Liebenden bewegen, aber verändert dieser, was an der Art, wie sie sich begegnen?
Klar, Goethe kannte keinen Cybersex, aber wirklich spannend ist es doch, wenn du mit wenigen Worten und ohne Technik den anderen verführen und berühren kannst und daran hat sich von damals bis heute nichts geändert. Ob die Worte mit der Feder geschrieben oder ins Ohr gehaucht werden, um zu verführen, zu berühren, ein Herz zu gewinnen oder doch nur mittels Software elektronisch versandt und mittels eines selbstleuchtenden Lesegeräts gelesen werden, ist für die emotionale Wirkung nicht relevant.
Wenn ich mit einem meiner Freunde, der im Rollstuhl sitzt, über Sex plaudere, meinen wir beide das gleiche und beschreiben es nur unterschiedlich. Als ich mal eine einbeinige Geliebte hatte, war das zwar erstmal ungewohnt, wie für Goethe der Umgang mit dem Netz gewesen wäre, aber war dann doch so gut oder schlecht wie immer, da nicht die äußeren Umstände über die Qualität der Lust entscheiden, sondern das Gefühl dahinter.
Doch wie es nicht allen Menschen gegeben ist, sich auch physisch völlige Erfüllung gegenseitig zu schenken, dachte früher, es sei nur eine Frage der Technik, dazu müssten nur die richtigen Stellen korrekt stimuliert werden, und habe aber mit den Jahren lernen müssen, dass es auch an der Natur also der Physiognomie liegt, was zwei miteinander empfinden können oder nicht, dass der gemeinsame Höhepunkt für die meisten ein nur theoretisches Wunder bleibt, während es für andere ganz normal ist, so unterscheiden sich auch die Formen der Zuneigung sehr und haben sich doch auf ihre Art nie verändert. Was Goethe in seinen Briefen an die Stein schrieb oder Casanova in seinen Tagebüchern kann ich genau so nachempfinden und wie oft habe ich mich schon als Werther gefühlt, auch wenn ich nun erst die wirklich große Liebe entdeckte, die alles andere wertlos erscheinen lässt, verglichen, wäre sie nicht immer unvergleichlich.
Wenn sich aber nichts ändert in der Sache, nur die Formen etwas andere sind, wie die Technik beim Sex eine andere ist, wenn wir endlich gelassen begreifen, es kommt auf den nervus pudendus an, von wo aus und wie wir ihn auch immer reizen, um zusammen Befriedigung zu finden und nicht nur fälschlich bloß gemeinsames Onanieren für Sex zu halten, aber über allem doch das durch alle Zeiten gleiche Gefühl füreinander und die Hingabe aneineinander entscheidet, ob es gut war, dann wird es auch nicht darauf ankommen ob der Sex virtuell via Whatsapp-Nachrichten begann oder wie in den Gefährlichen Liebschaften als der eine die Lust der Verehrten in einem Brief beschwört, den er auf der nackten Haut der anderen mit einer sie kitzelnden Feder schrieb, die diese noch stimulierte.
Es müsste sich nichts ändern, es passten sich nur einige Techniken an den heutigen Stand der Technik an aber die Sache bliebe immer die gleiche und so bräuchte ich, was das zentrale Thema der Liebe betrifft, die uns doch alle immer wieder umtreibt, nichts ändern, um darüber noch aktuell schreiben zu können, als bei den Formen der Kommunikation die Werkzeuge anzupassen, doch hat sich da auch seit biblischen Zeiten nie etwas geändert, wie wir leicht in den immer noch erregenden Zeilen des Hoheliedes nachlesen können, einer der schönsten Texte der Erotik und noch dazu aus dem Bereich des Aberglauben.
Bedenke ich, dass König Salomo, der angebliche Erbauer des Tempels zu Jerusalem nach den Angaben des Märchenbuchs Bibel etwa im 10. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung lebte, wenn es ihn historisch außerhalb der Bibel denn überhaupt gab, ist die ganze Geschichte ungefähr 3000 Jahre her. Nehmen wir die indischen Veden mit noch mehr Aberglaube aber nicht weniger Erotik, können wir sogar noch 500 Jahre weiter zurück gehen. Daran gemessen ändert sich nie etwas und seit Menschen schreiben und dichten können sind Liebe und Lust neben dem sie beschränkenden Aberglauben ein zentrales Thema.
Das andere große Thema ist die Geschichte selbst, über die ihre Chronisten mehr oder weniger lyrisch oder objektiv berichten wollten. Homer schrieb tatsächlich Geschichte in Versen in der Illias und vermutlich teilweise auch in der Odyssee - vielleicht werden wir es irgendwann beweisen können. Vierhundert Jahre nach Homer, der mehr als Epiker, denn als Historiker gesehen wird, auch wenn er sicher beides war, schrieb Herodot Geschichte, der noch heute als ein Autor von erstaunlicher Größe und ungeheurer Wirkung gilt. Er versuchte den Menschen einen Eindruck von der ganzen ihm bekannten Welt zu vermitteln, wie er sie sah von den Bräuchen und Sitten der Völker, die er auch selbst besuchte. Er selbst sagte über sein Werk:
„Dies ist die Darlegung der Forschung (griech. Historie) des Herodot aus Halikarnassos, damit die Taten der Menschen nicht durch die Zeitläufe vergehen, damit die großen und bewundernswerten Taten nicht ruhmlos vorübergehen, die auf der einen Seite von den Griechen und auf der anderen Seite von den Barbaren an den Tag gelegt wurden. Das alles hat er dargelegt, sowie aus welcher Ursache sie einander bekriegt haben.“
– Herodot: Proömium der Historien
Er hat den Anspruch, zu sagen, wie es war und hat für seine Schriften gut recherchiert, mit vielen Menschen vor Ort gesprochen und sie befragt. Dennoch kamen schon früh Zweifel an der Wahrhaftigkeit seiner Aussagen auf. Plutarch etwa nannte ihn in einem Traktat einen Lügner. Heute wird er als ein für seine Zeit erstaunlich gut und methodisch arbeitender Berichterstatter gesehen, auch wenn andere immer noch meinen, er habe viele seiner Quellen frei erfunden und täusche immer wieder nur vor, Augenzeuge gewesen zu sein. Nach heutigem Wissen, gibt es dazu immer noch keine einheitliche Meinung. Die Schule der Lügner, wie diejenigen genannt wurden, die Herodot für einen solchen hielten, konnte sich jedoch auch nicht durchsetzen und so wird weiter gestritten. Zumindest wurde durch die Auseinandersetzung die Quelle Herodot ein wenig infrage gestellt aber auch in der Diskussion wach gehalten.
Auf dieses Problem stoßen alle Geschichtsschreiber irgendwann, besonders wenn sie noch dazu sogar politisch Position beziehen wie Herodot slebst, der aufgrund seines Engagements für die Demokratie und gegen die Tyrannis sogar seine Heimat verlassen musste und trotz späterer Aufhebung der Verurteilung nie wieder zurückkehrte.
Das weltweit bekannteste auch historische Werk ist wohl das Märchenbuch Bibel, das die Geschichte des jüdischen Volkes, im Lichte des ältesten noch existierenden Aberglauben erzählt. Es sammelt Sagen und Geschichten des Glaubens, die sie mit wirklichen Teilen aus der Historie mischt, damit war es, auch durch die an seine Tradition anknüpfenden jüdischen Sekten namens Christentum und Islam, unglaublich erfolgreich und kein Buch ist wohl im Laufe der Zeit häufiger gedruckt worden und wurde für so lange Zeit zum Maßstab der Sicht auf die Welt und ihre Geschichte, ist dies in vielem auch noch bis heute.
Noch immer gibt es etwa Kreationisten, welche die dort erzählte Schöpfungsgeschichte als wahr betrachten und zur Grundlage ihrer vom Aberglauben geprägten Wissenschaft machen, es mit ihrer absurden Sicht der Dinge teilweise sogar bis in aktuelle deutsche Schulbücher schafften, in dem sie versuchen, die Wissenschaft, welche die Dinge logisch erforscht und erklärt, auch als einen bloßen Glauben zu betrachten. Ihre Geschichtsschreibung beruht auf der Bibel, nimmt sie als wahr an und erklärt ihren Anhängern damit die Welt. Damit sind sie so erfolgreich, dass sie auch in den USA in einigen Staaten ernsthaft als Sichtweise an den Schulen gelehrt werden dürfen und damit der Infragestellung aller Vernunft und Logik natürlich Vorschub leistet.
Die Wahl des amtierenden amerikanischen Präsidenten lässt sich zwar nicht direkt auf diesen Irrsinn zurückführen, indirekt wirkte diese Lehre aber auch im Glauben breiter unaufgeklärter Schichten, einschließlich des Präsidenten selbst, an Verschwörungstheorien, die zwar jeder Vernunft widersprechen und auf Dummheit basieren, aber gerade historische Dinge mit einfachen Mustern erklären, welche keine Fragen offen lassen, jedoch nie einer wissenschaftlichen Untersuchung standhielten, deren Gültigkeit von den Anhängern dieser Lehren nach dem Prinzip alternativer Wahrheiten bezweifelt wird. Das begann mit den Zahlen über die Zuschauer bei der Einsetzung des Präsidenten und hört bei der Behauptung einer kriminellen Tätigkeit der Gegenkandidatin Clinton noch lange nicht auf, die von eigenen Fehlern ablenken soll.
Großer Beliebtheit erfreuen sich heute auch pseudowissenschaftliche Werke, die komplexe Zusammenhänge in einfacher Sprache aber mit dicken Schlagzeilen erklären. Unter deren Autoren findet sich eine große Zahl an Verschwörungstheoretikern, die so ihre vermeintlichen Wahrheiten unters Volk bringen wollen und mit ihren vermeintlichen Aufdeckungen immer noch erstaunlich viele Leser finden, die schon lange glauben, belogen zu werden, weil sie die realen Zusammenhänge einer komplexen Welt nicht mehr verstehen wollen und lieber an eine weltweite Verschwörung glauben, so absurd diese auch sein mag, als sich ernsthaft den komplexen Zusammenhängen zu widmen, die sich eben nicht einfach erklären lassen und möglicherweise ihre Auffassungsgabe überstiegen.
Was folgt daraus für einen, der sich dem Geist der Aufklärung verpflichtet fühlt, meint eine Kulturgeschichte schreiben zu wollen, in der er in Romanform die Geschichte seiner Familie erzählt?
Will ich nicht die Gläubigen und Zweifler fördern, müsste ich dies Projekt, an dem ich nun schon länger arbeite, auf den Boden der Wissenschaft stellen, eine schlicht lexikalische Historie schreiben, die es ja mit Wikipedia in hoher Qualität bereits gibt. Müsste, was ich behaupte, sorgsam beweisen, mein Werk mit Fußnoten spicken, es also ästhetisch infrage stellen, ohne dadurch einen Gewinn an Glaubwürdigkeit bei denen zu haben, die lieber Verschwörungstheorien glauben und der Wissenschaft muss ich die Richtigkeit ihrer Methode ja nicht beweisen, die für sie längst zum existenziellen Selbstzweck wurde.
Egon Friedell schrieb in der Einleitung seiner Kulturgeschichte der Neuzeit schon, dass jedes historische Werk immer nur die Meinung ihrer Zeit widerspiegelt, ein Feuilleton seiner Zeit ist, der nie Anspruch auf Objektivität erheben könnte und befreit sich damit von jeder Diskussion, weil er zwar die Sicht auf die Kultur dem Stand der Wissenschaft entsprechend erzählt aber dies auch immer wieder wunderbar plaudernd mit seiner Meinung mischt.
So wäre Friedell wohl ein großes Vorbild, um unterhaltsam zu schreiben und dennoch auf eine kluge Art Aufklärung zu betreiben, die aber aufgrund ihrer erklärten bloßen Subjektivität unangreifbar wäre. Könnte alle Kritiker weglächeln und sagen, natürlich ist alle Geschichtsschreibung subjektiv und vom Geist ihrer Zeit geprägt. Es kann ja auch gar nicht anders sein. Auch die beste Wissenschaft arbeitet mit Hypothesen, die dem Geist der Zeit entsprechen.
Durch die Berufung auf die logische Subjektivität aller Geschichtsschreibung hätte ich mich von den Zwängen der Wissenschaft befreit, könnte Geschichte schreiben, wie es mir gefällt, ohne die Aufklärung zu verraten, die der Leitstern all meines Denkens ist. Hätte es nicht schon Friedell so getan, wäre ich nicht nur ein Nachahmer, dächte ich nicht, unsere Zeit bräuchte eine andere Geschichtsschreibung, die ihrem Geist entspricht, um die nötige Aufmerksamkeit zu bekommen unsere Zeit zu spiegeln.
Im Zeitalter der sozialen Netzwerke, das wir zugleich als das Anthropozän wahrnehmen, also das Zeitalter, in dem der Mensch zum wichtigsten Faktor auch der biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde wurde, dreht sich der Mensch auch im Geiste vollständig nur noch um sich, wird sich jedoch langsam der Folgen seines Tuns bewusst.
Dies können wir beklagen und scharfe Warnungen aussprechen, wie es die Wissenschaft derzeit tut, oder ignorieren, wie es der egomane amerikanische Präsident macht, der in seinem nur um sich kreisen, der beste Beleg der Theorien ist, die er unverstanden bezweifelt. Beide Ansätze liegen mir als Aufklärer wie als Epikuräer fern. Möchte weder in den Chor des Jammerns und der Klage über den Egoismus der Menschheit einfallen, noch die Erkenntnisse der Wissenschaft dreist ignorieren, nur weil sie zu komplex sind, als das ich mir anmaßen würde, jedes Detail zu verstehen.
Was weiß ich schon, fragte der hochgebildete Montaigne vor über 400 Jahren und die Weisheit seiner Essays und die in ihnen wohnende Bescheidenheit bei gleichzeitiger Freude am Leben und großer Lebenslust, die sich dennoch bemüht immer mit beiden Beinen auf dem Boden zu stehen, ist bis heute eines der besten Lehrbücher für ein gutes Leben.
Sich zurückziehen um sich auf das Wesentliche zu besinnen, meine eigenen Grenzen wohl erkennen, denn was weiß ich schon, wie könnte ich meinen, besser als ein Friedell oder ein Mann im Zauberberg Kulturgeschichte zu schreiben, und doch voller Gelassenheit mit den mir eben gegebenen Mitteln lustvoll ans Werk zu gehen, scheint mir die Antwort auf die Frage nach der richtigen Form in der zumindest ich heute nur Geschichte schreiben kann. Dabei bin ich mir bewusst, im Zeitalter der sozialen Netzwerke und von Big Brother zu schreiben, in dem es nahezu immer um die bestmögliche Selbstdarstellung geht.
Werde meine Geschichte erzählen, die natürlich immer auch die meiner Familie ist, aus der ich stamme und die mich prägte, deren Erbgut ich weitergebe, nichts sonst. Werde dabei völlig subjektiv bleiben und es, um der Lust am Schreiben willen, eben romanhaft so erzählen, wie es mir gefallen würde zu lesen und wie es die Lücke füllte, die ich schließen könnte. Besinne mich auf meine Kräfte und Wurzeln, nutze meine Phantasie um aus der Wurzel aller Kultur heraus ihre Geschichte zu erzählen oder, was mir eine schöne literarische Freiheit zu sein scheint, noch besser also, lasse meinen längst verstorbenen Großvater dies erzählen, wie er es vielleicht getan hat oder sicher hätte tun können, es zumindest aus meiner Sicht, seinem Geist entspräche und werde nun also die Kulturgeschichte der Familie Tuengerthal erzählen, wie sie mir erzählt wurde und einfiel. Maße mir nichts an, als das zu tun, was ich kann, verkünde keine historischen Wahrheiten, lüge natürlich nicht, sondern schreibe einfach, wie es mir einfällt, wenn ich daran denke, was war. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind kein Zufall, sondern meine Sicht der Dinge, was natürlich dazu führt, dass nichts davon der Realität entsprechen muss, sondern immer nur meiner Sicht auf diese, wie wirklich die Wirklichkeit am Ende auch immer sein soll.
Mehr kann ich nicht, anderes könnte ich nicht verantworten. Keiner ist so, wie ich ihn beschreibe und nichts hat sich für die anderen so zugetragen nur weil ich es nun so sehe oder beschreibe, aber vielleicht macht es dem einen oder anderen außer der Familie Freude, diese kleine Selbstbetrachtung zu lesen, in der sich die Kulturgeschichten in meiner Familie und diese in meiner Sicht spiegelt. Nicht um zu sagen, es sei genau so gewesen, ich muss nichts besser wissen als andere, die es gar studierten, sondern um frei die Geschichte als meine Geschichte zu erzählen. Aus meiner Sicht entspricht diese Idee, Geschichte zu schreiben genau dem Geist der sozialen Netzwerke, in denen wir uns pausenlos selbst spiegeln, am besten auch noch mit Selfies, um der Wirklichkeit den Anschein eines guten Bildes von uns zu geben.
So ist dieser Weg gewiss eitel wie alles Erzählen von sich, doch wenn ich damit auch tue, was alle pausenlos machen, tue ich es zumindest in dem Wissen, nicht über mich hinaus zu können, auf mich beschränkt zu sein und maße mir dieses mal nicht an, etwas besser zu wissen oder die Welt erklären zu können, wie sie ist und wurde, wozu ja alle Geschichtsschreiber der Natur nach irgendwie neigen, warum ich mich auf meine Sicht der Welt und meiner Familie beschränke, die eben ist, wie sie ist. Wen das nun neugierig macht, der wird sicher Wege finden, mehr darüber zu erfahren, wenn es soweit ist.
jens tuengerthal in Berlin am 26. November 2017
Liebesschön
Meine Frau ist die schönste
Das ist ganz offensichtlich
Kann auch keiner übersehen
Entspricht meinem Gefühl
Natürlich macht die Liebe schön
Schöner nur geliebt zu werden
Wie sollte sie also nicht schön sein
Auch wenn sie manchmal zweifelt
Wer an sich äußerlich zweifelt
Kann ganz schnell verzweifeln
Darum fang ich es lieber nie an
Beschäftige mich nicht damit
Liebe meine wunderschöne Frau
Die natürlich viel schöner ist
Als ich sie hier beschreiben kann
Auch weil sie ist wie sie ist
Ihre Bescheidenheit macht sie
Für mich noch schöner als es
Ein strahlend starkes Ego könnte
Wie es so gewöhnlich nur ist
Jeder findet sich heute toll
Oder warum zeigen sie sich
Alle ständig selbst der Welt
Suchten sie nicht Bestätigung
Finde mich eher so normal
Ein Mensch halt mit allem dran
Was die Natur für ihn vorsah
Manches auch fehlt schon
Das Haar wird oben lichter
Der Bart nun langsam grau
Die Knochen schmerzen halt
Die Blase hält nur mühsam
Schön fand ich mich noch nie
Strebte auch nie im Leben
Danach ein Schöner zu sein
Wäre auch vergebens gewesen
Erst meine wunderbare Frau
Sagte mir wie schön ich sei
Glaub es natürlich nicht aber
Freu mich an der Liebe darin
Sie fand ich stets wunderschön
Um so mehr je näher ich kam
Weiß sie könnte jeden haben
Weil sie nicht nur schön ist
Solange sie daran zweifelt
Ist sie mit mir noch zufrieden
Könnte ich ökonomisch denken
Und tue doch das Gegenteil
Bin wohl kein Ökonom
Zumindest in der Liebe
Möchte ich glücklich machen
Wüsste ich nur immer wie
So bleiben beide bescheiden
Glauben großes Glück zu haben
Mit dem anderen und sind es
Ein Leben lang miteinander
Von mehr weiß ich nichts mehr
Na vielleicht doch was kleines
Ich hab natürlich viel mehr Glück
Aber das sag ich jetzt lieber nicht
jens tuengerthal 26.11.2017
Samstag, 25. November 2017
Liebeswert
Die Liebe verschiebt das Leben
Was nichts war wird uns alles
Anderes wird völlig unwichtig
Wird am anderen gemessen
Früher saß ich gerne im Café
Schaute alle Frauen dabei an
Wollte gern jede mal haben
Heute sind sie mir ganz egal
Als ich dich noch nicht kannte
Warst du einfach ein Mensch
Nicht weiter wichtig für mich
Heute bist du alles längst mir
Männer vergleichen sonst gern
Ihre Frauen wie beim Quartett
Wollen die Beste für sich haben
Du bist für mich unvergleichlich
Früher liebte ich die Frauen alle
Konnte an jeder etwas schönes
Noch entdecken heute sehe ich
Nur wieviel schöner du immer bist
Früher hatte ich einen Frauentyp
Später verlor sich auch dieser
Heute bist du die Erfüllung aller
Träume die ich doch nie hatte
Du fragst mich manchmal
Ob mir nun etwas fehlte
Was ich früher immer tat
Und ich verstehe es nicht
Weil du mir einfach alles bist
Kann mir nie etwas fehlen
Habe doch mit dir alle Träume
Erfüllt und bin immer glücklich
Habe meine Träume verloren
Weil sie sich mit dir erfüllten
Lebe den Traum nun lieber
Was mir für ein Leben genügt
So hat sich manches verschoben
In unserer beider Wahrnehmung
Solange es uns glücklich macht
Kann nichts besseres passieren
jens tuengerthal 25.11.2017
Geschichtsgeschichten
Natürlich finden wir absolute Gleichheit wie die Uniformität unter Mao oder die Feiern aller totalitären Organisationen, seien sie nun Nazis oder Kommunisten, was sich ja bekanntlich mehr in der Farbe als in der Überzeugung unterscheidet, schrecklich, wollen unsere Persönlichkeit ausleben und uns unterscheiden - aber bitte doch nicht zu sehr, weil eine gewisse Anpassung einfach nötig ist, um Anerkennung zu finden.
Wollte ich also Anerkennung, würde ich mich hüten von den Standards abzuweichen, damit ich nicht infolge nur ignoriert werde, denn irgendwas muss ich ja wohl auch sein. Oder steht es mir frei, jenseits aller Schemen, einfach zu tun, was mir gefällt?
Geschichte wurde früher von Mund zu Ohr erzählt, stand in der Tradition der Sagen und Märchen, verschwamm mit ihnen oder bildete sie. Die Ilias ist eine wunderbare, uralte Dichtung und zugleich die besterhaltene und am meisten verbreitete Geschichte der trojanischen Kriege, von denen kaum einer mehr wüsste, hätte sie nicht einst Homer so schön in Verse gefasst, die bei uns blieben und immer wieder erzählt werden.
Auch die bloße Heimreise der griechischen Truppen aus diesem Kampf, bei der sich nur einer der lokalen Fürsten ein paar Jahre etwas verfuhr, wurde Teil unserer Literaturgeschichte in der Odyssee, die in Joyce Ulysses wieder den bis heute präsenten Aufbruch in die Moderne wagte und mit der Zeit spielend, die nur ein Tag ist, das Irland der kleinen Leute beschreibt, wie es lange mit Beginn der Moderne und der Ausbreitung der Demokratie als schick galt, sich ausführlich auch mit dem gewöhnlichen zu beschäftigen.
Die von Teilen der Sozialisten erstrebte Diktatur des Proletariats zeigte sich auch in der Panik vor Elite in immer breiteren Schichten der Kulturgeschichte. Der gewöhnliche Alltag galt als dringend zu erforschen, da alles andere doch bekannt wäre und das Leben der gewöhnlichen Menschen bisher sträflich vernachlässigt wurde.
Wenn ich es schaffe dabei noch Schwule, Behinderte, Frauen oder andere, die sich gern benachteiligt fühlen, zu integrieren, bekommt meine Forschung auch reichlich staatliche Förderung. Nicht dass diese irgendwem nutzte - sie führt zum völligen Verlust der Orientierung der meisten Menschen, die sich von der Geschichte abwenden, die genügend damit zu tun hat, sich mit den neu entdeckten Themen der Sozialgeschichte des kleinen Mannes zu beschäftigen.
Schon zu meiner Schulzeit lernte ich mehr nach wechselnden Modellen als in Zusammenhängen über Geschichte, was sich immer danach bemaß, welche Partei wo regierte und welche Ideologie sie dabei durchsetzen wollte. In jedem Jahr mindestens einmal das Dritte Reich und das schlechte Gewissen aus der Schuld der Nation führte zu einer gewissen Desensibilisierung bei Teilen der Bevölkerung besonders im fernen Osten der Republik.
Von Karl V., der Zentralgestalt der deutschen Geschichte zwischen Mittelalter, Renaissance und Reformation, erfuhr ich nahezu nichts. Vom Antisemiten Luther, der den Geist säte, aus dem sich die NSDAP 450 Jahre später so erfolgreich bediente, den der Rache, des Zorns und des damit Antisemitismus, erfuhr ich nichts und wissen bis heute im Jubiläumsjahr viele Menschen nichts und ignorieren, dass die elende Reformation die geistige Befreiung der Renaissance in zentralen Teilen Europas für viele Menschen verhinderte.
Was die Aufklärung und ihren Geist der Freiheit ausmachte, erfuhr ich erst viele Jahre nach der Schule, als ich mich neugierig selbst auf den Weg mache. Hörte in der Schule Namen wie Rousseau statt Diderot, von Kant nur am Rande und warum dieser Geist der Freiheit in der Renaissance und ihrer Wiederentdeckung von Epikur und Lukrez gegen den zu engen Geist des Mittelalters wurzelt, erfuhr ich erst mit vierzig Jahren, stattdessen hatte ich Religionsunterricht, der mit biblischen Märchen wiederum ein Geschichtsbild prägte, das sich selbst zum Wendepunkt genommen hat mit dem Jahr 0 und alles vorige als Wert negierte.
Wir regen uns hier gern kultiviert über die Taliban auf, die gerade die Wurzeln anderer Kultur in den Gebieten, die sie beherrschen zerstört und nichts neben der Sekte des Straßenräubers Mohamed gelten lässt - doch war es hier je anders, was maßen wir uns da an?
Hat nicht der christliche Aberglaube alle vorherigen Traditionen entweder aufgefressen oder zerstört?
Wie war es mit dem römischen Atheismus im Geiste des Lukrez?
Tat Rom nicht alles, dieses große Kapitel der Freiheit vergessen zu machen?
Will weder die Taliban noch sonst eine Sekte verteidigen, es ist keine besser als die andere. Nur, wer andere verurteilt, muss sein Urteil vernünftig begründen können - angesichts der Kultur der Verdrängung, die Europa über Jahrtausende prägte, fände ich mehr Bescheidenheit wünschenswert, doch das bleibt wohl ein schöner Traum.
Jede Kultur versucht die anderen zu verdrängen, um als Sieger der Geschichte ihre Überlegenheit zu demonstrieren. Wem eine einfällt, die es andere machte, wenn sie konnte und nicht musste, der möge mich eines besseren belehren - der Kampf um Herrschaft und Überlegenheit ist immer auch ein Kampf der Kulturen wie wir ihn gerade zwischen dem Westen und der islamischen Welt erleben.
Wir wissen heute wie anmaßend und ungebildet der koloniale Imperialismus auch des britischen Empire war und dennoch wollen wir mit dem Humboldt Forum ein auch durch die Kolonialzeit geprägtes Museum nach dem Modell des British Museum mit dessen ehemaligen Direktor als prägender Gestalt bauen. Ist das noch zeigemäß, ein Rentner die Zukunft gestalten zu lassen?
Bewundere Neil MacGregor, der mit 70 Jahren von Londons bester Position nach Berlin zog, wo so vieles, wenn nicht alles unklar ist, wo auch er sich möglicherweise Anfeindungen aussetzen muss, lese ihn zu gerne und denke er hat eine wunderbare Art Geschichte zu erzählen, wie er es in seiner auch Buch gewordenen BBC Sendung demonstrierte. Doch steht da nicht ein Mann des alten Empire dem Verein zur Füllung des neuen Berliner Schlosses nun vor?
Dies befürchten vor allem Kräfte aus dem radikalen linken Lager, die überall gern Faschismus und Imperialismus wittern, um ihre beiden Lieblingsfeinde nur zu nennen, die ihnen eine Existenzberechtigung erst geben.
Möchte mich hier wie immer lieber jeder Meinung enthalten, auch wenn ich MacGregor sehr schätze, den gebildeten Schotten, der so wunderbar über Geschichte plaudert und den Briten in ihrem Museum in seiner letzten Ausstellung zum Abschied so wunderbar und liebevoll Deutschland an brillant ausgewählten Objekten in seiner Kulturgeschichte erzählte, Auch wenn es der Berliner Martin Gropius Bau schaffte diese Ausstellung schlecht und kleinlich zu präsentieren, war doch der weite Geist des Schotten MacGregor noch spürbar, den konnte nicht mal die gruselige Inszenierung dort zerstören, die ohne jedes Feingefühl die eigene Kultur präsentierte.
In dessen neuem Haus wird sich Berlin nun, statt mit der geplanten sprachlichen Ergänzung der sonstigen Ausstellungen mit einer eitlen Nabelschau präsentieren, die erwartbar peinlich wird und nur vom beschränkten Intellekt eben sozialdemokratischer Amtsverwalter erzählt, nicht aber eine neue geistige Entwicklung aus der Hauptstadt andeutet, die nur ein großer Freizeitpark sein möchte, in dem die Leute sich bespaßen lassen, wie sie es aus der Provinz gewohnt sind.
All dies sind Beispiele dafür, wie unterschiedlich Geschichte erzählt werden kann. Wohin es führt, wenn sie uns nicht ergreift, sie uns nur zu lange primitiv ideologisch geprägt aufs Haupt rieselte, sehen wir in Neufünfland und der Stärke von Pegida und AfD in Sachsen, auch wenn von den primitiven Pegiden und Sachsen am liebsten keiner mehr spräche im Land, sie sind zu peinlich.
Dabei liegen sie mit manchen ihrer Standpunkte nicht mal so falsch, wie die Begrenzung des Zuzugs zeigt und die Schwierigkeiten bei der Integration zeigen, doch zwischen AfD und “Wir schaffen das”-Ideologie war wenig Platz für kritische Vernunft.
Kritische Vernunft aber braucht ein solches Denken, dass aus der persönlichen Identifikation mit dem Fragen resultiert. Es geht nicht um Wissen, vor allem nicht um Besserwissen, was im frustrierten Ergebnis vermutlich den radikalen Kräften mehr Stimmen brachte, sondern um Wege zur Identifikation.
Wenn ich aufhöre ständig Geschichte ideologisch zu verkaufen, werden sich auch wieder mehr Menschen für die Tatsachen interessieren, statt die ideologisch gewünschten Stöckchen zu apportieren. Wann fangen wir damit an?
In meiner Familie wurde immer die FAZ gelesen und früher eben die Frankfurter Zeitung, viele sahen sich als liberal, ohne in einer Partei sein zu wollen - aber auch da laufen die Brüche mitten durch die Familie, in der es Nazis und Widerständler gab. Lernte früh, dass wir jede Meinung vertreten können, wenn wir nur die richtigen Argumente benutzen, es weniger um Überzeugungen geht als darum, wie wir sie erfolgreich vertreten.
Dies klingt nun fast so, als wäre ich ein Fürsprecher neutraler Fakten. Gestehe es lieber gleich, ich glaube nicht, dass es so etwas überhaupt gibt. Alles ist irgendwie Meinung und in jeder Sicht steckt die eigene ideologische Prägung, meine Abneigung gegen die Linke und das Wort Sozialismus, wurzelt auch darin im Kalten Krieg aufgewachsen und aus einer Bremer Unternehmerfamilie mütterlicherseits zu stammen.
Wenn ich Geschichte erzähle, erzähle ich immer auch meine Geschichte und wie ich aufwuchs mit, auch wenn ich es nicht will, denn täte ich es nicht, handelte ich ohne jede Begeisterung und Überzeugung, was auch niemanden erreichte.
So erzähle ich nur noch meine Geschichte als Kulturgeschichte und da mein Leben etwas beschränkt ist, von den 70ern des vergangenen Jahrhunderts bis jetzt, wird es eben die Geschichte meiner Familie, wie sie mir mein Großvater vor seinem Tod noch erzählte. Damit es noch irgendjemand interessiert außer der betroffenen Familie erfinde ich Brücken zur Kulturgeschichte, die wir miterlebten und auch weil ich das kleine private Leben für nicht sonderlich berichtenswert halte, die Tendenz der Kulturgeschichte heute im privaten der kleinen Menschen zu wühlen für eine verfehlte Desorientierung halte, die nur daraus geboren wurde, dass sie meinten eine Vielzahl ganz neuer Themen rekrutieren zu müssen, die noch auf staatlich finanzierte Erforschung künftig warten, zumindest so sie politisch korrekt gegendert werden können.
Beschränke mich auf mich, meine Erinnerung, meinen engenHorizont und nehme ansonsten meine Phantasie zur Hilfe, um ein vollständiges Bild zu malen, das keine objektive Richtigkeit beansprucht und tue es zum Vergnügen, um was sonst soll es auch im Leben gehen?
Es Kulturgeschichte der Familie zu nennen, könnte wissenschaftlich und nach Sachbuch klingen, dabei schreibe ich nur eine Art Familienroman, der sich nur um mich und meine Sicht der Dinge dreht, doch indem ich mich auf das konzentriere, was ich kenne und weiß, mir nicht anmaße , ich könnte über das eine oder andere auch nur objektiv berichten, also am weitesten davon weg bin, komme ich ihm vielleicht am nächsten. So schwanke ich zwischen nichts und allem, schreibe als ich nur, das sich nur eben mit seiner Sicht in den größeren historischen Kontakt stellt, ohne zu behaupten, es sei je anders.
Was es wird, werden wir sehen, solange es Freude macht, wird es gut sein.
jens tuengerthal 24.11.2017
Freitag, 24. November 2017
Freitagsstimmung
Mal wieder Freitag
Im Sorsi suchen Menschen
Im Nebel Anschluss
Über allem noch
Hämmern Bässe in die Nacht
Wer reden will brüllt
Johnny plaudert gern
Küsst wie immer die Damen
Die strahlen dabei
Manche küssten gern
Kommen nur noch nicht dazu
Trinken anstatt mehr
Da freut sich der Wirt
Damen fühlen sich verehrt
Herren mehr trunken
Am Ende fühlen
Alle sich besser dabei
Weil sie da waren
Der Laden ist hipp
Dafür ertragen sie es
Der Flaneur lächelt
Bleibt Beobachter
Völlig ungerührt vom Spiel
Denkt an die Liebste
jens tuengerthal 24.11.2017
Erzählzeit
Schon 1913 fing er an zu schreiben, doch dann kam der Krieg und er schrieb erst den Felix Krull, Herr und Hund sowie die Betrachtungen eines Unpolitischen über die er sich mit seinem Bruder Heinrich entzweite für einige Jahre, bis er dann auf der Flucht vor den Nationalsozialisten in den Vereinigten Staaten selbst politisch schrieb, was wie ein Widerruf der Betrachtungen klingen könnte, den er so nie tat, im Gegenteil ließ er ihn in den sechzigern noch einmal mit Vorwort seiner Tochter Erika neu auflegen. Doch erst 1923 vollendete er seine europäische Kulturgeschichte, die im Guckkasten der abgeschlossenen Welt des Sanatoriums Schatzalp spielt.
Inzwischen war der große Krieg zu Ende, Millionen Menschen in ihm umgekommen und die Welt, in der Mann aufwuchs, untergegangen, somit spielte der Roman real in der tiefsten Vergangenheit, auch wenn diese noch keine zehn Jahre vorher mit dem Ausbruch des Krieges untergegangen war und mit seinem Ende und der Ausrufung der Republik endgültig Geschichte war, obwohl sie sich auf eine Geschichte berief, die mit Karl dem Großen vor über tausend Jahren begann, mehr an Zeit für das Kontinuum als den Wechsel sprach, der doch unwiderruflich und nicht mehr aufzuhalten schien. Dies alles war nur noch tiefste Geschichte, untergegangen im Giftgas- und Geschütznebel auf den Hügeln um Verdun und doch ist die dort beschriebene Kultur lebendiger als manches, was heute so geschrieben wird.
Der Konflikt zwischen Settembrini und Naphta, dem Philosophen und Aufklärer mit dem Jesuiten beschreibt eine Auseinandersetzung, die im 18. Jahrhundert mit der Aufklärung und ihren großen Geistern von Diderot bis Kant begann. Nicht umsonst schreibt auch der italienische Freimaurer in Davos an einer Enzyklopädie und spielt damit auf das große Erbe der Aufklärung an, hält den Geist seines Bruders Garibaldi in humanistisch revolutionärer Tradition wach gegen den scharfen Geist seines Gegners Naphta, der noch für die dunkle Welt des Aberglaubens steht.
Doch ist diese Geschichte zwischen dem Humanisten und dem Mystiker noch viel älter, begann schon mit der Renaissance als der wiederentdeckte gottlose Lukrez, die Menschen neu denken lehrte, kurz nach dem Konstanzer Konzil, auf dem der Papst noch den böhmischen Reformator Jan Hus verbrennen ließ und so steht der Diener des Papstes, der mal Jude war, der zugleich für einen neuen extremen Ton im Diskurs steht, der mit den Faschisten und den Kommunisten aukam, also für Mann 1923, dem Jahr des Putsch von München, der Hitler nur zeitweilig nach Landsberg in den Knast brachte, ist ganz gegenwärtig und kündigt mit seinem extremen Ende zugleich die Zukunft der Faschisten in Europa an, die ihre Länder in den Selbstmord führten, ist auch als humanistische Aufklärung geradezu hellseherisch.
Erzählt in der tiefsten Vergangenheit, beschreibt sie die Gegenwart, während sie von einer Zeit berichtet, die untergegangen ist, schafft sie eine Vision in die Zukunft und zeigt so am Ende wie relativ Zeit immer ist, die alles zugleich und für jeden anderes umfassen kann. Die richtige Erzählform der Geschichte ist sicher die vollendete Vergangenheit. Nicht alles bleibt im Perfekt, manches stand im Imperfekt, um die Zukunft drohend zu beschreiben und die so fein geschriebenen Dialoge sind mir völlig gegenwärtig. Manche Ebenen verschwimmen auch an ihren Rändern, warum sich der Erzähler ehrlich fragt, ob es beim Erzählen der Geschichte ihrer noch bedarf, sondern wir besser gleichsam im Sinne einer völligen Relativität sie alle aufheben.
Wenn ich mir also die tiefste Vergangenheit bis in die so präsente erlebte Gegenwart vom Großvater erzählen lasse, den ich noch lange erlebte und darüber nun in einer anderen Zeit erzähle, um etwa meiner Tochter, die eigene Geschichte gegenwärtig zu machen, bemerke ich plötzlich, wie ich mich rasend schnell im Karussell der Zeiten drehe, gestern morgen ist und die fernste Zukunft längst vergangen scheint. Lässt sich noch sagen, was wir wann sind, was tatsächlich Geschichte ist und wo wir als Teil von dieser schon wieder jenseits der verlorenen Zeit sind, quasi die Quanten-Relativitätstheorie sprachlich uns gegenwärtig wird?
Was bin ich dann noch wirklich und wenn ja wo?
So werde ich im Dialog, der gegenwärtige Gespräche ausdrückt, von der tiefsten Vergangenheit erzählen lassen, sie damit uns vergegenwärtigen, um daraus für die Zukunft zu lernen. Wen das verwirrt, der möge sich nicht wundern, es ging mir lange ähnlich, bis die Suche nach der verlorenen Zeit in der gegenwärtigen Liebe ihr Ende ohne ein solches fand. Erst mit fortschreitender Zeit, verlor der riesen Berg der Geschichte seine Größe, verschwamm die Zeit zwischen den Erlebnissen, die mir ganz präsent sind, weil es eben die Geschichte auch meiner Familie ist. Eine Kulturgeschichte meiner Familie sollte ich schreiben. In dieser werde ich von der tiefsten Vergangenheit erzählen wie von der fernsten Zukunft in der wir vielleicht wissen, was wirklich ist und war und mir solange das Leben erzählend so schön machen, wie es mir gefällt, denn was ist schon real und wo sind wir je zwischen den Zeiten al in der Familie dieser Brücke zwischen den Generationen, die über die Zeit hinaus weist, in der wir jung und alt zugleich werden.
jens tuengerthal 24.11.2017
Liebeszeit
Hat die Liebe eine Zeit
Ist sie natürlich begrenzt
Wie unser Leben immer
Oder doch unendlich
Wer liebt will es für immer
Weil das Gefühl größer ist
Als alles nur vorstellbare
Anders wäre es nur halb
Dennoch sagt der Verstand
Alles Leben ist in der Natur
Endlich und darum auch die
Liebe ans Leben gebunden
Wenn einer stirbt endet nicht
Die Liebe dessen der noch lebt
Nur der andere ist nicht mehr
Wer übrig ist liebt eine Sache
Drum interessiert Liebende nie
Der Tod der sie scheiden wird
Sie lieben sich für die Ewigkeit
Egal ob es eine solche je gibt
Was ewig währt ist unendlich
Für das größte Gefühl gerade
Genug darum ist der Tod uns
Völlig egal wie was sein kann
Dich so für immer zu lieben
Macht mich unendlich glücklich
Das genügt für die Ewigkeit
Die wir in jedem Moment teilen
Goethe dichtete uns einst noch
Voller Sehnsucht der Augenblick
Möge doch verweilen weil er so
Wunderschön ihm wohl erschien
Brauche es nicht mehr zu hoffen
Lebe es längst so mit dir also
Ist der Augenblick uns Ewigkeit
Was mehr an Glück könnte sein
Die Liebe hat keine Zeit mehr
Sie fing irgendwann an aber
Mit ihr endet alles davor wie
Es kein danach mehr gibt
Wie wir uns die Welt machen
Entscheiden wir beflügelt von
Unserer Liebe und also ist es
So wie wir unsere Liebe leben
Endlos glücklich zu sein ist
Das schönste was sein kann
Weil ich gern glücklich bin
Liebe ich dich ohne Ende
Weil ich unendlich glücklich
Mit dir bin ist mir die Natur
In ihren Grenzen ganz egal
Wir lieben jenseits der Zeit
jens tuengerthal 24.11.2017
Donnerstag, 23. November 2017
Beziehungsmarketing
Braucht die Liebe Marketing
Müssen wir uns einander
Noch möglichst gut verkaufen
Um unseren Wert zu schätzen
Die Liebe genügt sich selbst
Stellt dafür keine Bedingungen
Sondern liebt bedingungslos
Zumindest ist es theoretisch so
Praktisch wollen wir gefallen
Tut es gut erkannt zu werden
Oder noch besser bewundert
Wollen toll gefunden werden
Natürlich zeigt sich die Liebe
Da am klarsten wo wir leiden
An uns oder an irgendwelchen
Zweifeln fast verzweifeln
Wer sich dann geliebt fühlt
Ist miteinander in Sicherheit
Dahin zu kommen aber hilft
Das Beziehungsmarketing
Alles im Leben hat seinen
Markt auf dem wir überlegen
Was es uns wert sein könnte
Welchen Preis wir zahlen
Die Liebe gibt es kostenlos
Sie kommt einfach oder nicht
Beziehungen jedoch sind stets
Ein Handel miteinander noch
Sich dabei gut zu verkaufen
Leitet uns der Instinkt natürlich
Da wollen wir toll erscheinen
Um Lust und Liebe zu wecken
Nur es Handel zu nennen ist
Natürlich bei echten Gefühlen
Total verpönt als seien diese
Irgendetwas übersinnliches
Alles was ist ist nur Natur
Glücklich wer in ihr gut lebt
Streben wir mit Liebe danach
Wird gutes Leben natürlich
So verkaufe ich mich meiner
Liebsten ganz natürlich immer
Von meiner besten Seite aber
Weiß auch um meinen Wert
Die Liebe möchte sich reizen
Um sich stets reizend zu finden
Wer dies sorgsam beachtet
Wird sich wertvoll bleibten
Was könnte noch schöner sein
Als meinem Schatz ein solcher
Größter Schatz zu sein immer
Beziehungsmarketing hilft dabei
Scheuen wir nicht der Liebe so
Fremde Worte der Wirtschaft
Wo sie zum natürlichen Ziel
Leichter uns führen sind sie gut
Alles was der Liebe dient ist gut
Manchmal eben auch Umwege
Die mehr wertschätzen lassen
Was uns der größte Schatz ist
jens tuengerthal 22.11.2017
Meinungsfrei
Sicher ist die momentane Situation des Übergangs und des offenen Ende weiterer Verhandlungen besonders dazu geeignet, sich mit einer festen Meinung in den Vordergrund zu spielen, genau Bescheid zu wissen und in Talkshows andere lautstark zu verurteilen, doch finde ich gerade viel mehr Freude daran, mich immer mehr auf diesem Gebiet jeder Meinung zu enthalten.
Nicht weil ich keine hätte oder es mir an Informationen oder Bildung mangelte, mir eine zu bilden, das vielleicht auch, möge die Nachwelt beurteilen, sich selbst da zu betrachten, wirkt immer irgendwie etwas eitel, sondern weil ich es wichtiger finde, viele Meinungen zuzulassen, als eine zu verurteilen.
Viele schreien nun nach Neuwahlen, empören sich über die Unfähigkeit zur Einigung, empören sich über die einen oder die anderen voller Leidenschaft, die selten mit der Ahnung in der Sache konform geht, sondern sich eher umgekehrt proportional verhält. Wer besonders empört den einen oder anderen verurteilt, ist meist nur darum sicher im Urteil, weil eine genaue Kenntnis der Inhalte fehlt.
Die Beschimpfung der Kanzlerin durch die verängstigten Pegiden, die den Untergang des Abendlandes mindestens fürchten, ist ein Beispiel für diese von Vorurteilen und Dummheit geprägte Ahnungslosigkeit, die mit der AfD sogar ein parlamentarisches Gesicht bekam. Spätestens mit dem Einzug dieser latent ausländerfeindlichen Populisten in den Bundestag, wurde es vornehmer, sich dort lieber zu enthalten, als das Krakeelen der Radikalen noch zu fördern. Ignoriere es lieber, statt mich lange mit den Aluhüten dort zu beschäftigen, wo Argumente mit Vorurteilen niedergebrüllt werden, fand der Diskurs ein Ende. Solange der Badenser Schäuble den älteren Wachmann im Bundestag gibt, bin ich aber völlig beruhigt.
Darum braucht dies Land nun eine stabile Regierung, die ihre Arbeit gut erledigt, den Populisten keine Plattform für Angriffe gibt, sondern deutlich macht wo die Grenzen des demokratischen Konsens sind. Diese soll sich auf eine sichere und große Mehrheit im Bundestag stützen können, damit das Parlament für den gewöhnlichen Gang der Geschäfte keine zu große Rolle mehr spielt, die Populisten echolos verhallen.
Die Bürger vor allem im Osten, dort besonders in Sachsen und teilweise auch in Bayern haben den Wert der stabilen Demokratie scheinbar noch nicht ganz verstanden und sind anfälliger für die einfachen Antworten der Populisten, scheint es. Darum werden wir diesen nun Zeit geben über dies Ergebnis in Ruhe nachzudenken, die radikalen Forderungen ins Leere laufen lassen und eine möglichst stabile Regierung aus allen demokratischen Parteien einsetzen, die ruhig und ordentlich ihre Arbeit erledigt.
Manche Sozialdemokraten habe diese historische Notwendigkeit auch noch nicht erkannt und möchten lieber mit ihrem bedingt tauglichen Mr. 100% ihre Wunden lecken, meinen sie würden populär, wenn sie nun nach Neuwahlen schreien und sich der SED-Nachfolgeorganisation, der sogenannten Linken, annähern. Andere die schon in ministerieller Verantwortung waren und sich dort bewährten, wie etwa Andrea Nahles, äußern sich umsichtig viel vorsichtiger, weil sie sachlich mehr verstehen als der ehemalige Bürgermeister von Würselen.
Weiß nicht, ob eine Neuwahl das Ergebnis sicherer und besser gestaltete, habe daran aber gewisse Zweifel, vor allem mag ich die dafür nötige politische Lüge des künstlichen Misstrauensvotums nicht, doch ist es nicht mehr meine Aufgabe, dies nun zu gestalten. Habe als Bürger meine Stimme abgegeben und damit den Auftrag erteilt, eine Regierung zu bilden. Wenn dies schwierig wird, müssen sie sich halt noch ein wenig bemühen und wenn nötig eine Regierung der nationalen Einheit der Demokraten gegen die radikalen Kräfte am linken und rechten Rand bilden.
Sich in der Mitte zu sammeln, gefällt nicht allen, weil sie dabei auch eine Stärkung der radikalen Ränder geben kann. So behaupten manche Demoskopen und Politologen der Aufstieg des AfD sei das Produkt von Merkels Besetzung der breiten Mitte. Bin weder das eine noch das andere, halte nur jede Statistik für die Hure desjenigen, der sie zu seinen Zwecken benutzt, enthalte mich darum einer Meinung dazu.
Die CSU in Bayern besetzt viele Felder, von aufgeschlossen modern und technikaffin bis zu radikal in der rechten Ecke, nahe dem AfD und war damit bisher in diesem Flecken des Landes relativ erfolgreich. Hat sich das S von den Sozen geklaut und in die Mitte gestellt und gibt damit vielen der Eingeborenen das Gefühl einer Allzuständigkeit, die mit dem christlichen C gar noch bis in den Himmel reicht, besonders als wir Papst waren, wie Bild noch du Papa Ratzis Wahl einst titelte.
Merkel hat die CDU weiblicher, grüner und aufgeschlossener gemacht. Die SPD hat eigentlich keinen Platz in der Mitte neben ihr. Das alte Klientel der SPD, das Milieu der Arbeiter ist weggebrochen oder wählt mangels Bildung lieber gleich radikal AfD oder Linke, weil einfache Antworten schlichten Gemütern schon immer mehr lagen, es blieben die frustrierten Oberstudienräte, die längst in Pension sind. Die Situation ist für klassische Strategen der linken Mitte schwierig geworden, zumal die Grünen einiges dort abdecken und die Linke alle unversöhnlich radikalen Geister und die Ewiggestrigen einsammelt, die Marx totalitäre Ideen immer noch für das bessere Gesellschaftsmodell halten und meinen der Sozialismus habe noch irgendwo Zukunft
Nun, wie auch immer, wer sich enthalten will, sollte sich enthalten und also fasse ich mich lieber kurz und widme mich den schöneren Dingen wie der Literatur und einem geruhsamen Blick in die Geschichte, denke an Michel de Montaigne, der sich mit Blick auf die Stoa und Epikur, den er über die Lektüre des Lukrez schätzen lernte selbst schrieb, dass ihm Enthaltung immer mehr als die klügste Philosophie erscheint, nicht weil er keine Meinung haben könnte, er stritt sich gern zu vielen Themen an seiner Tafel oder sonst bei jeder Gelegenheit als Jurist wie als Ritter, sondern weil die Kunst doch eher ist, im Urwald der Meinungen ihre mögliche Vielfalt zu erkennen und stehen zu lassen, weil nichts sicher ist, außer, dass alles fließt.
Mögen sich welche Verhandler auch immer nun einigen, darum möchte ich mich eigentlich nicht weiter kümmern und fände auch weniger mediale Hysterie dazu sehr angenehm. Die Worte des Bundespräsidenten waren deutlich und ich teile diese Sicht - der Wähler, also auch ich, hat seinen Auftrag abgegeben, nun sollen sich verdammt noch mal seine Vertreter bemühen, einen Weg mit stabilen Mehrheiten zu finden, wie ihn das Land für die Zukunft braucht.
Vielleicht ist es bei fehlender Aussicht auf dauerhafte Stabilität weise und politisch höchst verantwortlich, sich zurückzuziehen, damit andere eine Mehrheit finden können, nicht noch mehr Zeit verschwendet wird. Das Kindergartenverhalten, nein, nein, nein, mit dem koaliere ich jetzt nicht, müssen alle ablegen und nach einem gemeinsamen Weg suchen, der gangbar ist. Auch der Bundespräsident hat sich jeder Meinung und Parteilichkeit zu enthalten und nur kraft seines Amtes auf eine Lösung hinzuwirken, die von den Beteiligten aber selbst gefunden werden muss.
Sollen sie mal machen, noli me tangere, sagt der Lateiner und Stoiker, nichts rührt mich an oder regt mich auf. Wir brauchen keinen Liveticker aus den Sondierungen oder Meldungen im Sekundentakt welcher Furz nun wem bei möglichen Wegen quersitzt. Wenn Menschen gemeinsam Verantwortung übernehmen wollen, sollen sie das tun und miteinander reden. Wenn einer es nicht alleine tun will, sollen sie es gemeinsam ruhig und verantwortlich tun.
Möchte auch zu dem Thema nicht mehr mit stündlichen Wasserstandsmeldungen in den Koalitionsgläsern genervt werden. Wenn die Arbeit erledigt ist, gibt es eine Pressekonferenz und bis dahin bleiben die Türen besser geschlossen, damit nicht jeder ständig vom anderen lesen muss, was für diesen völlig unmöglich ist. Das sind erwachsene Menschen, wenn sie eine Regierung bilden wollen, müssen sie wohl einander vertrauen, wie in einer Ehe, wobei beides in der Realität schwieriger scheint, als es die Vernunft gebietet. Bis es eine Einigung gibt ist also Stille im Medienzirkus angesagt und jeder der zwischendurch Interviews oder Wasserstandsmeldungen weiter gibt, wird von allen künftigen Verhandlungen ausgeschlossen.
Dann wird die Hauptstadtpresse laut schreien. Aber damit könnte ich gut leben, sollen sie sich über eine solche vermeintliche Beschränkung der Pressefreiheit zum Wohle der Demokratie ruhig echauffieren, bis sich wer mit wem geeinigt hat, keine Berichte mehr, bitte, es schadet in der Sache mehr als es je nutzen kann.
Weil die versammelten Medien nun nicht unbedingt auf meine Meinung hören werden, vor allem da sie fürchten, es könne ihnen sonst eine gute Story entgehen oder entscheidende Worte, die mehr als das Blubb der letzten Wochen wären, kann ich nur allen vernünftigen Menschen nun raten, sich des Themas zu enthalten, bis es etwas dazu zu sagen gibt, also über irgendein Ergebnis diskutiert werden kann.
Dann sind wir möglicherweise noch Wochen in einem unklaren Schwebezustand, höre ich die Empörten schreien, die arme Wirtschaft, die doch immer Sicherheit bräuchte und viele mehr werden sich fürchterlich fürchten, so sie mit zuviel Zeit anfangen, darüber nachzudenken.
Kann alle diesbezüglich beruhigen. In Deutschland schwebt nichts, wir sind in einem gut verwalteten, ganz natürlichen Zustand, nur weil die Chefsessel der Ämter vielleicht teilweise neu besetzt werden, ändert dies nichts an der Funktionsfähigkeit der Verwaltung. Dabei interessiert mich die normale Arbeit der Verwaltung so wenig wie immer, es sei denn sie betrifft mich zufällig mal direkt. Die sollen ihre Arbeit erledigen, wie ich die meine und gleiches gilt auch für eine künftige Regierung. Das Parlament ist gewählt, Mehrheiten gibt es, nur gegen Merkel halt nicht, also kennen wir das Ergebnis vorher und der Rest ist nicht meine Sache.
Sich in Enthaltung und Gelassenheit üben, tut so gut, wie sich im Sturm hinter den Deich zu verziehen und einen feinen Tee zu trinken, was ich hiermit nun tue und meinen Senf zur deutschen Bundespolitik gebe ich erst, wenn überhaupt wieder, wenn wir eine Regierung haben. Es könnte auch dabei bleiben, um sich wieder wichtigen Dingen zu widmen wie Kunst, Kultur, Geschichte und Liebe. Ziehe mich also in die Welt der Bücher und der Literatur zurück und lasse diesen Sturm in Ruhe vorbeiziehen
jens tuengerthal 22.11.2017
Mittwoch, 22. November 2017
Launendeich
Wider die Launden der Natur
Schützt uns am Meer der Deich
In der Stadt der Regenschirm
Bei den Frauen Gelassenheit
Der Wall dient der Sicherheit
Die es in der Liebe nie gibt
Was wäre auch ein Gefühl
Wenn es nur vernünftig wäre
Wie die Natur auch gegen alle
Vernunft tut was ihrer Laune
Aus ganz komplexen Gründen
Entspricht sind Frauenherzen
Muss nicht mehr alles verstehen
Es genügt für ein Leben im Glück
Sich was auch immer kommen mag
In der Liebe als Mann sicher zu sein
Stürme kommen aus vielen Gründen
Es mag berechenbar vernünftig sein
Doch im Sturm brauche ich nur Schutz
Dann warte ich ab bis alles gut ist
Habe die beste Frau der Welt gefunden
Werde sie immer hüten wie mein Leben
Das sie so ausfüllt wie ich sie überall
In diesem Wissen bin ich in Sicherheit
So sitze ich wohl gut hinterm Deich
Beobachte den Sturm in aller Ruhe
Wenn der Himmel wieder blau ist
Gehe ich raus und grüß die Sonne
Wenn der Deich zu brechen droht
Hole ich Sandsäcke ihn zu stützen
Sonst hilft abwarten und Tee trinken
Alles wird wieder gut irgendwann
Der Deich wider die Launen der Natur
Ist ein guter Ort in Ruhe zu genießen
Bei einer heißen Tasse Tee abwarten
Gibt mehr Gelassenheit in der Liebe
jens tuengerthal 22.11.2017