Sonntag, 12. November 2017
Verstandnis
Wer schon einmal mit den Liebsten stritt, kennt das Problem der Verständigung mit viel Gefühl im Hintergrund. Alle Beteiligten sind sich völlig sicher, es nur gut zu meinen. Sie kennen den anderen ja, meinen sie und handeln ganz in seinem Sinne. Vielleicht scheint ihnen sogar vernünftig, was sie tun, weil sie ohnehin nie böse wollten, nur das Unverständnis des anderen für ihren doch so guten Willen, macht sie wahnsinnig wütend, weil eben sehr viel Gefühl im Spiel ist.
Können wir uns wirklich so gut kennen, stets richtig zu antizipieren, was der andere will?
Wohl kaum, sagen Vernunft und Erfahrung hier mal völlig einig. Nur das Gefühl ist sich in der Liebe gern sicher, immer zu wissen, was der geliebte Mensch will, weil wir ihn doch lieben, was zwar logisch betrachtet eine Tautologie ist, aber wen stören solch unwichtige theoretische Einzelheiten schon, wenn es um große Gefühle geht.
Wir stellen also nur Mutmaßungen an und auch wenn mich alle Erfahrung mit den mehr als zwei Frauen in meinem Leben lehrte, dass es erstens immer anders kommt und zweitens Frauen besser nie kalkuliert werden, wer wäre ich, sollte ich meinen, ich täte das vernünftigerweise nie und bildete mir keine Muster, mit denen ich auf Gewohnheiten reagiere. Jeder braucht diese Muster, um vernünftig im Alltag reagieren zu können.
Wozu gäbe es Erfahrung, wenn wir nichts aus ihr lernten, als nichts lernen zu können?
Dazwischen lavieren wir dann in Auseinandersetzungen bei denen Verstand und Gefühl miteinander ringen. In der Liebe heilen wir manches, so zumindest meine geringfügige Erfahrung mit Lust, wenn Worte nicht mehr weiterhelfen.
Die Leidenschaft, in der wir ja ganz ursprünglich bei uns irgendwie sind, wird gerne mit Gefühl verknüpft und aller meiner geringen Erfahrung nach, erhöht es auch ihren Wert, macht sie von der bloßen Gymnastik miteinander mit artistischen Einlagen, zum sogenannten Liebesakt oder sogar zum friedenstiftenden Beischlaf, wenn Worte nicht mehr weiter kommen. Dahingestellt, ob dies die Beteiligten einer Lösung näher bringt, ist es zumindest schön und kann als solches genossen werden, führt zur Befriedigung, die manches relativiert und damit auch entspannt, so den Beteiligten dies Glück gegeben ist.
Es wäre einfacher, gerade zwischen Mann und Frau, wenn wir uns stets vernünftig verhielten und darüber Verständigung suchten, zumindest theoretisch. Ob die männliche Vorstellung von Vernunft dabei der weiblichen entspricht, möchte ich mal dahinstehen lassen, wenn wir annehmen, es gäbe etwas Vernünftiges, müsste dies auch für alle Fälle gelten.
Suchten wir eine mathematische Lösung unserer Probleme miteinander, würde dies rein logisch völlig unabhängig vom Geschlecht gelten. Finde einen solchen Ansatz zugegeben sehr faszinierend und habe ihn irgendwann einmal in meinem Konzept der Krisenpfade als ressourcenorientierte Open Source Lösung entwickelt, doch bisher hielt sich die Nachfrage dazu in relativ überschaubaren Grenzen, was allerdings auch an fehlender Vermarktung liegen könne, weil mache lieber denken und andere lieber machen.
Die Praxis lehrte mich jedoch immer wieder, dass einfache, logische Antworten zwischen Männern und Frauen eher ekalieren, während die bloß hormonell gesteuerte ansonsten aber eher leidenschaftlich unvernünftige Konfliktlösung in der Horizontalen oder durch andere Maßnahmen jenseits der Vernunft wie Küsse, Liebeserklärungen oder in harten Fällen sogar Heiratsanträgen auch ohne alle Vernunft mehr bewirken als viele Worte.
Sollten wir also der Praxis glauben und mehr küssen als reden?
Alle Vernunft und die Grundsätze der Aufklärung nach Kant definiert sprechen absolut dagegen. Wenn Aufklärung die Befreiung des Menschen aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit ist und Unmündigkeit dabei die Unfähigkeit meint, seinen Verstand, ohne Hilfe anderer zu benutzen, bliebe das Praxismodell immer unaufgeklärt und hätte lediglich den faktischen Erfolg für sich.
Andererseits ist ohne Verstand eine Verständigung in keinem Sinne möglich, warum es vermutlich wieder, wie so oft im Leben, auf eine Mischkalkulation hinausläuft. Erinnere mich immer gern an die Worte meines Vater als Arzt, der sagte, wer heilt hat Recht, auch wenn wir es nicht immer verstehen.
Als überzeugter Aufklärer würde ich stets für die Diskurslösung plädieren und halte sie für den theoretisch einzig möglichen Weg, mit dem beide glücklich werden können und eine langfristige und nachhaltige Verständigung erreichen.
Doch ist in der Liebe alle Theorie grau und nach vielen Jahren, in denen immer alles ausdiskutiert werden musste, neige ich auch aus zeitökonomischen Gründen wieder mehr dem zweiten Modell zu, was nebenbei noch den Vorteil hat, Lust und Sehnsucht zu befriedigen bei zugleich voller Gefühl erhöhter Anziehung, die, was ja auch relativ vernünftig wieder ist, zumindest unserem Hormonhaushalt in relative Ordnung durch das Chaos des Aktes bringt.
Am Ende ergibt sich: Miteinander reden ist gut, Lösungen suchen noch besser, vernünftig sein ist am besten. Aufgeklärt und also moralisch im Sinne Kants handelt nur, wer der Vernunft folgt. Aber Sex und oder Zärtlichkeit kann viel schneller lange Diskussionen zu einem glücklichen Ende führen, beide befriedigen und damit auch glücklich machen. Dies mag unvernünftig sein aber ist dafür wiederum ganz natürlich und die Natur ist ja in sich vernünftig, warum sich der Aufklärer völlig beruhigt in ihren Schoß begeben kann, um zu genießen, was geschieht. Auch kann was ökonomisch in aller Regel wesentlich effektiver und zielführender ist, nicht an sich falsch sein, nur weil die Motivation nicht vernünftig ist. So tut wer unmoralisch die Lust nutzt mehr für beider Glück und handelt also gut, was nicht falsch sein kann. Sein wir unvernünftig und geben uns hin, um möglichst schnell ein vernünftiges Ergebnis miteinander jenseits aller Gespräche zu finden, scheint in Zeiten der #MeToo-Inflation ein mit Vorsicht zu genießender Lösungsansatz, anderes wäre aus dieser Sicht vermutlich vernünftiger, aber das alles gilt natürlich nur mit viel Liebe und da ohne diese immer alles nichts wäre, ist nun jedes weitere Wort entbehrlich.
jens tuengerthal 12.11.2017
Lustplan
Ein Plan für die Lust klingt
Eher nach dem Gegenteil
So gewollt irgendwie weil
Es auch so vernünftig klingt
Wir kommen ohnehin immer
Zusammen was die meisten
Ganz selten real nur schaffen
Konnten wir sogar virtuell
Stecken wir erst ineinander
Sind alle Pläne stets hinfällig
Dann ergreift uns die Lust
Und wir verzehren uns ganz
Trotzdem ist es wunderschön
Sich vorzustellen was alles
Wir miteinander tun wollen
Wenn wir uns wieder haben
Wie ich dich dann von oben
Bis unten nicht nur überall
Küssen werde sondern du
Es auch mit mir tun willst
Wie wir uns dann übereinander
Ergießen werden voller Lust
Noch zuckend von der Spannung
Endlich ineinander wieder erlöst
Doch nicht nur vom Höhepunkt
Träume ich viel mehr noch sind
Es die kleinen Freuden bevor wir
Uns so erlöst in den Armen liegen
Kommst du wieder zehnmal bis
Wir gemeinsam das Schönste
Uns endlich teilen oder auch die
Träume vom lustvollen Vorspiel
Wenn ich ein wenig daneben
Dich lecke was dich noch viel
Verrückter macht als ganz direkt
Wie erogen deine Füße sind
Oder wir ganz langsam beginnen
Verrückt werden vor Sehnsucht
Alles in uns nach Vereinigung schreit
Wir aber noch länger lieber warten
Wie wir das warten immer steigern
Bis wir fast verrückt werden dabei
Uns dann gierig im Wahn verschlingen
Das Bett laut im Takt dazu knarrt
Der gefühlt schönste Plan aber ist
Für das danach wenn wir endlich
Völlig erlöst Arm in Arm liegen
Und alles wieder von vorne beginnt
Der Lustplan ist wohl nur Unsinn
Doch wie schön ist es ihn jetzt
Im Traum schon zu schmieden
Um real alles wieder umzuwerfen
jens tuengerthal 11.11.2017
Samstag, 11. November 2017
Liebesringen
Manchmal müssen wir auch
Um die Liebe ringen damit
Wir weiter gemeinsam gehen
Wie wir es uns versprochen
Sein wir uns immer sicher
Unsere Liebe ist ein Glück
Genießen wir es lieber
Ganz und überall immer
Aus jedem Ringen wächst
Wenn wir es erst überstanden
Eine neue Blüte am Baum
Unserer großen Liebe
Wo Liebe und Lust sich so
Vollkommen ganz fanden
Müssen wir künftig nur noch
Genießen was wir haben
Erinnern wir uns einfach daran
Wenn es mal wieder schwer wird
Das macht es uns viel leichter
Glücklich zu sein statt zu leiden
Wir haben alles miteinander
Mehr Glück findet sich nicht
Es ist also eigentlich ganz leicht
Immer glücklich zu sein
jens tuengerthal 11.11.2017
TB-Balance
Bücher und Tee halten Geist und Körper
Im Gleichgewicht auf der Suche nach Glück
Was in der Natur liegt wo sie eins sind
jens tuengerthal 29.5.2016
Tee und Bücher sind alles, was es zu einem glücklichen Leben braucht. Natürlich gibt es noch kleine Details, die das Ganze ausschmücken, um sich nachhaltig wohl zu fühlen, aber es sind nur Details, der Kern sind Tee und Bücher, um die es sich dreht.
Bücher weil sie uns in geistige Welten holen, die wir als Leser zu unseren machen, ohne den Platz neben unserer Teetasse verlassen zu müssen. Tee weil er mehr eine Haltung zum Leben ausdrückt, als ein Heißgetränk nur ist.
Tee wird vom Teetrinker mit Ruhe und Genuss zubereitet. Mal eben schnell einen Tee machen, funktioniert nicht - du musst dir Zeit nehmen, um das Wasser bei der richtigen Temperatur aufzugießen, den Tee in richtiger Menge zu portionieren, ihn ziehen lassen. Wer sich so Zeit nimmt für den Genuß, würdigt das Leben und weiß zu genießen, lässt sich von niemandem und nichts hetzen dabei.
Prioritäten im Genuss zu setzen und damit Werte im Leben zu erkennen, zeugt von innerer Ausgeglichenheit und Stabilität. Dies ist die Tee-Balance im Leben. Nicht weil der zeremonielle Genuss eines Heißgetränks wie in Japan eine quasi religiöse Bedeutung bekommen soll, dazu dient höhere Kräfte oder ähnlichen Hokuspokus anzurufen, sondern, weil wir uns Zeit nehmen, sie damit haben, uns also unserer Freiheit versichern, um es schön zu haben.
Für eine geruhsame Tasse Tee, wenn nötig auch eine Schlacht zu unterbrechen, gilt als typisch englisch und ich würde diese Zeremonie des Inselvolks nicht geringschätzen, wenn sie nicht in vielem bloß Ausdruck imperialer Macht und Ausbeutung wäre. Doch schätze ich die Traditionen dieses Königreichs hoch genug, weil sie in vielem so gut verstanden haben, was die innere Balance ausmacht und dies in ihrer typisch britischen Haltung in jeder Lebenslage zum Ausdruck bringen.
Könnte glatt zum Briten in vielem mutieren, würden sie nicht so grässlichen Tee meist kochen, der auch mit dem dort üblichen Zucker und der vorher oder danach zum Tee gegebenen Milch nicht besser wird.
Der feine Teetrinker schätzt den Tee als solchen, weiß das Blatt zu würdigen, lässt ihn sich entfalten, trinkt ihn nicht fermentiert sondern grün, bin ich geneigt zu sagen, um zu betonen, wer Tee wirklich liebt, weiß seine Natur zu schätzen, wie es Chinesen und Japaner häufig tun. Das die feinen grünen Teeblätter fermentiert wurden, um sie haltbarer für den langen Transport an Bord von China oder Indien nach Europa zu machen, kann ich nachvollziehen. Doch müssen wir darum heute aus der Not eine Tugend machen und noch trinken, was einst nur der Not gehorchte?
Aber, fällt mir da ein, wie war das noch mit dem Earl Grey, den ich grün besonders liebe, wurde er nicht nach einem Unfall erst entdeckt, als sich aus im Sturm gebrochenen Fässern das feine Bergamotte Öl auf den darunter liegenden Tee ergoss - dieser wurde meist im Rumpf am günstigsten transportiert und schmeckte entsprechend muffig und gelegentlich auch fischig - eine furchtbare Vorstellung, denke ich heute.
Als einmal der Tee auf einem Transport durch Bergamotte Öl verschmutzt worden war, sollte er eigentlich vernichtet werden, doch der verantwortliche Premierminister, Charles Grey, 2. Earl Grey, der nebenbei das Preismonopol der East India Company im Handel mit China aufhob, beschloss vielleicht aus Gründen der Sparsamkeit, immerhin war der Lord an der schottischen Grenze geboren worden, den verschmutzten Tee doch vor seiner Vernichtung noch einmal zu probieren und so ward eine wunderbare neue Teemischung mit dem leicht sauren und frischen Geschmack der Bergamotte geboren, den bis heute Teetrinker aus aller Welt schätzen, der aber vor allem dem muffigen Tee aus dem Kielraum wieder Geschmack schenkte.
So lautet zumindest die Legende zur Entstehung des Earl Grey irgendwann nach 1833. Tatsächlich ist diese Sorte etwa ab 1850 im Handel bekannt. Zunächst trat meine Lieblingssorte noch als Grey’s Tea auf und ab 1880 dann erstmals nachweislich als Earl Grey.
Dieser Charles Grey war ein vielfältig aktiver Mann, der sich übrigens auch einer Affäre mit Georgina Cavendish rühmen konnte, mit der er eine Tochter hatte und diese Vorfahrin der späteren Lady Di, beide waren geborene Lady Spencer, die sie zu ihrer Zeit sogar an Bekanntheit fast übertraf, erhöhte den Ruhm des Earl of Grey, der sich für die Freiheit der Afrikaner und gegen Monopole einsetzte.
Wie entspannt das Verhältnis der beiden war, kann ich gerade nicht beurteilen, zumindest taugte es noch als Vorbild für den Film die Herzogin aus dem Jahr 2008, in dem Keira Knightley die Herzogin spielt, Ralph Fiennes ihren Mann William Cavendish und Dominic Cooper eben jenen Charles Grey, der zum Paten des Tees wurde, auch weil er die imperialistischen Monopole vorausschauend aufhob.
Der Schuss Bergamotte Öl bewahrte den Tee aus China, der so lange Transporte auf den Segelschiffen der Zeit hinter sich hatte, bis er in England ankam, vor einem dauerhaft muffigen Geschmack und spielte darum eine große Rolle für das Marketing des chinesischen Tees nach der Aufhebung des Monopols der East India Company, was den Tee erschwinglicher machte und vielleicht schon die Boston Tea Party verhindert hätte, die später zur Gründung der USA führte, die ohne den übertriebenen Imperialismus der Briten vielleicht so nett wie Kanada geworden wären, statt zur unentspannten Supermacht unter dem Choleriker Trump zu werden, die an ihren anfallsweise abgegebenen Tweets gemessen eher mehr guten Tee benötigte, um zu sich zu finden.
Nun habe ich so lange über Tee geredet und fast die andere Hälfte der TB-Balance, die Bücher, vergessen. Bücher sind heute und schon sehr lange ein Massenmarkt. Gedruckt wird, was sich irgendwie vermarkten lässt. Hat hier jedes Buch die gleiche Wirkung oder kann ein Goethe nie mit einem Konsalik, eine Rosamunde Pilcher nie mit einer Jane Austen verglichen werden, muss der Genießer für die Balance unterscheiden, taugt der eine mehr, der andere weniger, um zu genießen?
Suum cuique, hatten die Hohenzollern in ihrem Wappen und kaum einer von ihnen lebte es so konsequent wie der Alte Fritz, der tatsächlich jeden nach seiner Fasson glücklich werden ließ, wenn er denn ein guter Preuße war, also seine Pflicht tat. So ist das auch bei Büchern. Mit steigender Erfahrung hebt sich der Anspruch und immer weniger kann da noch dauerhaft glücklich machen.Dennoch gibt es auch erfahrene Leserinnen, die etwa einen Martin Walser schätzen, der mich schon immer langweilte und dessen geistige Enge ich immer mehr bei der Lektüre als Beleidigung empfand.
Aber darauf kommt es nicht an, was zählt, ist, dass es uns beim Lesen packt, wir in die Welt der Autoren wandern und sie ganz genießen können - von der italienischen Renaissance über den französischen Hof, zum Turm von Michel de Montaigne, ins beschauliche Weimar der Goethezeit oder mit Manns Ironie durch Lübeck schlendern und den Zauberberg besteigen. Natürlich unterscheidet sich ein Thomas Mann oder ein Goethe von vielem, was heute zum Bestseller wird, was nach meinem Maßstab keiner Lektüre wert ist - aber wie sagt der halb gebildete Lateiner so gern: de gustibus non est disputandum - über Geschmack lässt sich nicht streiten und vielleicht gibt mir genügend Tee und gute Lektüre auch die Ruhe hier nicht werten zu wollen, wo es doch um den Kern der Balance geht.
Sicher bevorzugte ich einen Montaigne oder einen Seneca lange vor dem, was heute die Bestsellerlisten anführt - aber es ändert nichts daran, dass jeder für sich entscheiden muss, was ihn beim Lesen glücklich macht und wenn die Masse gern in der Herde läuft, um sich wohl zu fühlen, weil sie gern wissen, wollen, was sie gelesen haben müssen, um mitreden zu können, dann sollen sie das tun. Wichtiger wäre mir da, sie tränken auch mehr Tee als den ollen Kaffee dabei, um in Balance zu finden, aber vermutlich lässt sich nicht mal dieser Anspruch verallgemeinern.
Die intensivste Kaffetrinkerin unter all meinen Frauen, war ansonsten eher eine völlige Schlaftablette, die selten den Mund aufmachte noch sonst große Leidenschaft entwickelte oder kannte - ob sie Tee leidenschaftlicher gemacht hätte oder sie dann gänzlich zum Nichts zwischen Cluburlaub und Bürojob geworden wäre, weiß ich nicht, weil sie einfach ganz ruhig war, nicht mal der Rede noch wert ist.
Vermutlich verstehen wieder nur wenige Teetrinker, die noch dazu lesen, diesen Text, empfindet der Rest ihn als herablassend arrogant, weil sie die Sprache nicht verstehen, in der ich über eine Welt plaudere, die ihnen unbekannt ist. Das ist wohl das Schicksal der lesenden Teetrinker eine vielleicht gebildete aber auch verachtete Minderheit zu bilden, die es noch so gut meinen kann und doch immer von der Mehrheit unverstanden bleibt. Zumindest dieses Hesse, Demian oder Mann, Kröger -Gefühl beschreibt diese Welt sehr schön, denke ich grinsend, trinke einen letzten Schluck Earl Grey bevor ich noch einkaufen gehe im Supermarkt umme Ecke. Auch als nur scheinbar hehres Wesen aus der Gruppe der belesenen Teetrinker, muss ich das und einiges mehr, was am Ende die Frage stellt, wer von TB-Balance profitiert und wie lange dieses Glück real anhält.
jens tuengerthal 10.11.2017
Freitag, 10. November 2017
Sehnlust
Es ist November und es regnet
Der Wind treibt die Schauer kühl
Schwarz ist der Himmel und nass
Voller Sehnsucht schaue ich hoch
Über das Meer auf die Insel wehn
Die Gedanken zu meiner Liebsten
Mögen ihre Träume so feucht sein
Wie die Berliner Nacht nur heißer
Möchte dich zärtlich verwöhnen
Mit der Zunge über dich wandern
Deinen schönen Körper genießen
Jede deiner Erhebungen liebkosen
Will nächtlich wieder neben dir liegen
Dich so lange streicheln bis du wach
Vor Lust auch alles willst um danach
Ineinander verschlungen einzuschlafen
Die Sehnsucht ist schwer und schön
Wie die Wolken im Novemberhimmel
Über Berlin durch die nun meine Lust
In deine Träume zärtlich sich schleicht
Wort für Wort dir meine Liebe zeigen
Eins sein um es für immer zu bleiben
Wissen wie gut wir es getroffen haben
Miteinander was uns mehr als alles ist
Sehne mich durch den Regen zu dir
Glücklich über das große Gefühl
Das du in mir wecktest und hältst
Schlafe ich in Gedanken in dir ein
jens tuengerthal 10.11.2017
Stralauer
Vom Helmholtzplatz, wie immer, lief ich über den Kollwitzkiez zur Schönhauser Allee, der ich bis zu ihrem Ende folge, dem ehemals Schönhauser Tor, von dem nur eine ausnehmend hässliche, nach ihm benannte Einkaufspassage blieb, die heute das Tor zum schönen Prenzlauer Berg bildet - einer der vielen nichtssagenden Neubauten, an dem ich die Torstraße überquerte, in der nur die Straßenbahnschienen inmitten an die früher hier Mauer als Erhöhung noch erinnern.
Vorbei an der Volksbühne, die direkt am heute Rosa Luxemburg Platz liegt, hier wird der Name zum Programm, an der nichts mehr vom Streik gegen den bösen Kapitalismus und den ungeliebten Intendanten zu sehen war, dem kleinen Aufstand, den das Linke nahe Umfeld dieses Theaters dort gerade noch inszenierte, bis der lange sehr geduldige Intendant dann doch räumen ließ, um wieder Theater zu spielen. Doch die nach Rosa Luxemburg benannte Straße hat mit dem Babylon noch einen Hort altlinker Ideologie - warb doch das Babylon Kino mit einem großen Plakat für die Filmreihe zum hundertjährigen Jubiläum der Oktoberrevolution, die selbst in Moskau nur wenige Ewiggestrige noch feierten.
Frage mich manchmal, wann die Ideologen der untergegangenen DDR den verbrecherischen Sozialismus und die mörderische Revolution endlich begraben, statt dieses große Verbrechen der Menschheit mit seinen Millionen Opfern noch weiter zu bejubeln, als hätte es irgendwas Gutes gebracht und sei nicht seine Überwindung der einzige Grund zu feiern. Darüber dachte ich auch nach, als ich das Plakat über dem Babylon sah und ging kopfschüttelnd weiter, der Sozialismus scheint in manchen Köpfen noch immer nicht tot zu sein, nur seine Millionen Opfer leben nicht mehr und werden durch solchen Kult der unverarbeiteten eigenen Geschichte weiter verhöhnt.
Die DDR war ein Satellit der UDSSR, ein Unrechtsstaat und so gut sich manche dennoch in ihr eingerichtet haben, so wenig die persönliche Biografie infrage gestellt werden soll, so klar muss der Staat von Mauer und Stasi als solcher verurteilt werden, weil er verbrecherisch war und seinen Bürgern grundlegende Freiheiten raubte, eine religiös anmutende Ideologie totalitär verbreitete. Dieser spießige angebliche Arbeiter und Bauern Staat, der real einer der Funktionäre und ihrer Günstlinge nur war ist 1989 untergegangen und seine Regierung von den Menschen auf der Straße gestürzt worden, zur großen Freude aller Deutschen, außer den Funktionären der DDR und ihren Zuträgern.
Warum einen dieser Geist in der Rosa Luxemburg Straße anweht - weil in der oberhalb parallel verlaufenden Kleinen Alexanderstraße im Karl Liebknecht Haus die sogenannte Linke, die eigentlich nichts als die SED Nachfolgeorganisation ist, ihre Bundeszentrale hat und den Geist der DDR als NOSTalgie über den Platz wehen lässt. Wie schön wäre es, wenn dieser Ungeist durch einen neuen Intendanten künstlerisch ausgetrieben würde und statt der Verklärung der Geschichte endlich Freiheit an der Volksbühne und ihrer Umgebung einzöge.
Eine Ende der Verklärung der lokalen Heiligen, als die Linke immer noch mit Vorwurf gegen die mörderischen Sozialdemokraten Rosa und Karl anbeten, wäre Berlin zu wünschen, das wirklich bedeutendere Menschen hervorbrachte, als diese beiden Sektierer mit radikal linker Ideologie, die 1919 unter unschönen Umständen umgebracht wurden. So wenig wie Horst Wessel sollten wir noch Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht verehren.
Über die Zitate von Rosa, die wie Stolpersteine nur eben unbescheiden meterlang in den Boden um die Volksbühne eingelassen wurden, stolpert wer von der Schönhauser Allee in Richtung Bahnhof Alexanderplatz läuft. Sie hat sicher nicht nur schlechtes gesagt, doch ist die Ideologie für die sie stand und die sie in Deutschland nach dem Krieg wie in der UDSSR einführen wollte, nicht rühmenswert und sollte dieser öffentliche Kult um die Spuren eines faktisch verbrecherischen Systems, was der real existierende Sozialismus überall auf der Welt war, wo dieser Glaube erzwungen wurde, endlich ein Ende haben und müssten sich alle Demokraten klar davon abgrenzen.
Die Sozialdemokraten jedoch mit ihrem ewig schlechten Gewissen, wie weit sie immer auch für den Tod verantwortlich waren, sei dahingestellt, werden sich hüten ihren Koalitionspartner aus der angeblich ganz linken Ecke, die in Wirklichkeit nur die reaktionäre eines untergegangenen Systems ist, zu verprellen, um künftig wieder linke Mehrheiten zu haben, auch wenn sie damit Millionen Opfer dieser Systeme verhöhnen und auch die eigene Kollaboration nie aufarbeiten. Das an diesem Ort festzustellen, ist immer noch nötig. Die Linke ist keine harmlose, nette Kulturpartei, die sich angeblich für Künstler und Arme einsetzt, sondern eine populistische Partei wie die AfD auf der rechten Seite.
Dies wird in Berliner Künstlerkreisen zumindest im Osten mehrheitlich anders gesehen und die linke Folklore wird als chic betrachtet, gehört eben dazu. Damit hat mit meiner heutigen Wanderung aber im weiteren zum Glück nichts mehr zu tun, wichtig ist nur, es an dieser Stelle klar zu betonen und nicht den totalitären Ideologen den Antifaschismus zugute zu halten, als legitimierte dieser Glaube alle Taten in seinem Namen. Es bleibt zu hoffen, dass die SPD merkt, dass die gerade gesuchte oppositionelle Annäherung sie langfristig in die Bedeutungslosigkeit führt.
Ohne mich weiter am Namen oder den Ideen der Namensgeberin zu stören, folgte ich der im übrigen längst gut kapitalistischen Rosa Luxemburg Straße bis zur Dircksenstraße , in die ich gen Osten abbog, um nach wenigen Metern die immer noch Karl Liebknecht Straße zu überqueren. Damit genug der Zumutungen für Demokraten und liberal denkende Menschen, denen solch totalitäre Ideologen und verklärte Heilige immer fremd bleiben werden. Am Bahnhof Alexanderplatz entlang kam ich nach Überquerung der Grunerstraße zum gut kapitalistischen Einkaufszentrum Alexa, dessen so große wie langweilige Ansammlung von immer überall gleichen Läden ich gen Osten durchquerte, um danach weiter der Bahnlinie zu folgen, bis diese zum Ostbahnhof abbiegt und die Straße dem Flusslauf folgt.
Von der leicht südlich in Richtung Ufer verlaufenden Dircksenstraße bog ich östlich an der Stelle, an der die Alexanderstraße kreuzt, östlich in die Holzmarktstraße ein, der ich am von dort nördlich gelegenen Ostbahnhof und diversen anderen Gebäuden vorbei immer weiter folgte, bis sie sich nach dem Stralauer Platz, der nichts am Verlauf der Straße ändert, dann Mühlenstraße unverfänglich nennt.
Dort beginnt dann auch die East Side Gallery, zwischen dem Ostbahnhof und der Oberbaumbrücke. Diese dauerhafte Freiluft Galerie ist das längste noch erhaltene Teilstück der ehemals ganz West Berlin umgebenden Mauer, mit der die realen Sozialisten ihr Volk vor der Flucht in den Wohlstand des Westens abhalten wollten, der immer für die meisten verlockender war als die eben totalitäre Ideologie des Ostens. Im Frühjahr 1990 wurde dieses 1316 m lange Teilstück der Mauer von 118 Künstlern aus 21 Ländern bemalt und zu einem Kunstwerk eigener Art, das viel von Berlins Geschichte zeigt.
Die Künstler kommentieren auf der dort ehemals dem Osten zugewandten Mauer die Geschehnisse um den Fall der Mauer im Jahr 1989/90. Anstelle der Originale stehen dort nur noch die 2009 hergestellten Repliken, was den guten Eindruck beim Vorübergehen nicht stört. Die eigentliche Grenze bildete das Kreuzberger Ufer der Spree. So befindet sich die Galerie auf einer sogenannten Hinterlandmauer, die schon die Annäherung an den Fluss verhindern sollte, damit die eingesperrten Bürger gar nicht auf dumme Gedanken kamen.
Die Idee zu dem Kunstwerk war nach der Vereinigung der beiden Verbände Bildender Künstler im Westen und Osten entstanden als erstes gesamtdeutsches Kunstprojekt. So wurde die East Side Gallery noch mit offiziellem Auftrag des Ministerrats der DDR gegründet und internationale Künstler beauftragt. Die Galerie wurde am 28. September 1990 eröffnet, noch in der DDR, also vier Tage vor der Vereinigung, die ein Beitritt war. Zunächst sollte sie um die Welt geschickt und versteigert werden. Dieser Plan wurde nach der Vereinigung aufgegeben, stattdessen wurde die East Side Gallery im November 1991 unter Denkmalschutz gestellt.
Über die Mauer, ihren Erhalt und die Entfernung der Originale wurde wie üblich in Berlin lange und viel gestritten, ohne eine letztliche Einigung zu erzielen. Die Künstler gründeten Initiativen, mit denen sie an die Millionen der Lotto-Stiftung selbst kommen wollten, weil sie meinten, sie stünden allein ihnen zu, was einige der Sanierer unterstützten, aber dennoch nichts erreichte und so wurde irgendwann saniert, wenn auch unter großem Protest und mit Zerstörung einiger Kunstwerke durch die beteiligten, empörten Künstler selbst. Am Ende blieb das schöne Denkmal der Wendezeit, das immer noch viele Touristen anzieht, die auch an diesem Novemberabend den langen Weg nicht scheuten und vielfach für schöne Bilder vor der Wand posierten, was die Erstellung touristenfreier Fotos immer erschwert und viel Geduld erfordert.
Das Denkmal lebt auch durch immer wieder von aktuellen Sprayern angebrachte Tacs und einige der Künstler finden das auch wünschenswert, da damit das Kunstwerk weiter lebe und sich verändere, keine Mauer für die Ewigkeit sein solle.
Nach der Oberbaumbrücke, an der die Galerie endet, heißt die dort Bundesstraße 96a dann zielgemäß Stralauer Allee und führt am Süden des Friedrichshain entlang. Die Straße ist seit dem Alex ständig viel befahren, es ist laut und sehr städtisch. Im Wanderer wuchs die Sehnsucht nach Ruhe, die ich hoffte zumindest an der Spitze der Halbinsel Stralau zu finden, die dort zwischen Rummelsburger See und Spree liegt, die gemeinsam ein Gewässer von der Größe eines Binnensees bilden.
Die Stralauer Allee endet, wo sie auf den Markgrafendamm stößt, der zur dort Elsenbrücke führt, die nach Alt Treptow auf Höhe des Treptower Parks hinüber geht. Überquerte sie etwas waghalsig auf dem Fahrradstreifen, da ich als Fußgänger erst nach Norden über die Stralauer Allee, dann gen Osten über den Markgrafendamm und schließlich wieder südlich die nun Alt Stralau genannte Straße hätte überqueren müssen, was mir, zugegeben, etwas umständlich und eigentlich sogar ziemlich unverschämt vorkam.
Überstand die Überquerung ohne größere Schäden oder ein Verkehrschaos auszulösen mit meiner Liebsten in Dublin im Ohr, die mich schon die ganze Strecke zärtlich aufmunternd und liebevoll begleitete. Bis hierhin war es ein zwar zügiger aber durch den ständigen Verkehrslärm und die immer wieder vorbei rasenden Rettungswagen oder ähnliche Signalhörner keineswegs entspannter Spaziergang. Die Berliner Luft ist dort eher schlecht und voller Abgase.
Der vorher Alexanderplatz, der literarisch so berühmt wurde durch Döblins Roman, auch wenn er in dem Buch so gut wie gar nicht vorkommt, war auch ein einziges Grauen zwischen den Resten der widerlichen DDR Architektur im Geist des Sozialismus, die bis auf wenige Ausnahmen wie den Fernsehturm besonders in ihren Platten immer unansehnlich bleibt und nur ein Denkmal des Schreckensregimes sind, was besser nachhaltiger beseitigt würde.
Konnte diesen Platz mit seiner hohen Kriminalitätsdichte, den immer wieder tödlichen Zwischenfällen, noch nie ausstehen. Nicht weil ich den Tod so fürchtete, sondern weil er einfach menschenfeindlich bebaut ist. Eine zugige Betonplatte mit ihrer Weltzeituhr inmitten, die noch den DDR-VEB Charme großartig verströmt. Gemacht für Aufmärsche und jubelnde Massen, die von der SED gesteuert werden sollten. Finde die Unfreiheit dieses Geistes dort so spürbar wie kaum irgendwo anders in Berlin. Am besten alle DDR Bauten um den Platz abreißen außer zweien oder dreien unter Denkmalschutz wie die Kongresshalle etwa. Was am Haus des Lehrers noch schutzwürdig sein soll, ist mir ein Rätsel.
Was nach der Wende an durchschnittlichen Märkten der großen Ketten und Einkaufszentren dort errichtet wurde, bestätigt diesen Eindruck noch. Es bleibt eine kalte Betonwüste, die leblos und ohne Charakter ist, durchschnittliche Waren anbietet und so tot ist wie die DDR, der schlicht alles Leben und jede Schönheit fehlt. Schrieb nur nichts sonst über den Alex, auch wenn an dieser Stelle, wo ich ihn ganz entlang lief, gute Gelegenheit gewesen wäre, über ihn zu berichten auch historisch betrachtet, weil ich diesen Platz wirklich hasse, was bei mir selten vorkommt, der immer bemüht ist, in allem noch das Schöne zu sehen. Dort gelingt es mir nicht und so will ich mich auch nicht daran erinnern, wie schön es einstmals dort war.
Etwa 1848 als Theodor Fontane noch in der alten Apotheke arbeitete, die gegenüber der Stelle lag, an der heute das langweilige Alexa liegt. Dort stand beispielsweise die einzige Barrikade, die bei den Unruhen am 9. März 1848 nicht erobert und besiegt wurde, auf ihr stand auch der später bei Hof hoch angesehene Fontane, worüber er dann lieber schwieg. Es gab dort Kasernen und ein Gefängnis, manch schöne Architektur an der Straße, die zum Schloss führte und benannt wurde der Platz 1805 nach Zar Alexander I. von Russland, dem Schwager des späteren Friedrich Wilhelms IV. und Schwiegersohn Friedrich Wilhelms III.
Aber dieser Platz ist und bleibt architektonisch ein Grauen und ist, wie der lange Weg nach Stralau am Ufer entlang, sehr städtisch, laut und hektisch und das Gegenteil dessen, was mich nun auf der Halbinsel der Seligen erwartete, wovon ich noch nichts ahnte, als ich die Kreuzung unter Einsatz meines Lebens überquerte. Schwärmen hatte ich mal eine Kollegin gehört, die auch ursprünglich aus Bremen kam und mit ihrer Tochter unbedingt dort hin ziehen wollte, raus aus der lauten Mitte. Verstand es damals nicht, war aber auch nie dagewesen außer einmal bei einem Fußballturnier mit meiner Tochter.
Stralau ist eine Ortslage des Ortsteils Friedrichshain im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Der Name geht auf ein altes Dorf zurück, das unter Namen Stralow hier entstand und 1920 Teil Groß-Berlins wurde. Archäologische Funde schon aus der Steinzeit zeigen, dass die wunderbare Halbindels der älteste Siedlungskern im heutigen Berliner Gebiet ist. Die wussten schon damals, wo es wirklich schön ist. Auch germanische und wendische Siedlungen dort sind belegt worden. Schon im 13. Jahrhundert wurde der Name Stralow erstmals belegt, wobei unklar ist, ob der damals erwähnte Ritter Thidericus von Stralow mit der Siedlung in irgendeinem Zusammenhang stand, was jedoch von Ritter Rudolf von Ystralowe vermutet wird, der sie wenig später erwähnte..
Auch für die erste Erwähnung des Fischerdorfes Stralau werden unterschiedliche Jahre genannt. So legte im Jahre 1288 der Markgraf Otto V. die Grenze zwischen Berlin und Rosenfelde neu mit dem Stralower Damm fest, der zumindest auf das Dorf Stralow verweist. Nur 70 Jahre später taucht im Jahre 1358 Stralow erstmals in einer Urkunde auf, als die damals noch Doppelstadt Berlin-Cölln das Dorf vom damaligen Besitzer, dem Ritter Nicolaus Batolpsdorf kaufte - vermutlich mit Bauern, da es doch rund 450 Jahre vor der preußischen Bauernbefreiung durch den großen Freiherren vom Stein war. Die im Boden der Halbinsel gefundenen Überreste einer Ritterburg aus dem 13. Oder 14. Jahrhundert deuten auch auf einen Rittergutsbesitz hin.
Historisch bekannt war immer auch der Stralauer Fischzug als ein großes Volksfest, das jährlich am 24. August, dem Bartholomäustag, eine Woche lang stattfand. Dies hängt damit zusammen, dass Kurfürst Johann Georg von Brandenburg in einem Edikt vom März 1574 das Fischen von Ostern bis Bartholomäus verbot. An diesen früheren Fischzug erinnert die Figur des Stralauer Fischers vor dem Rathaus Treptow aus dem Jahre 1916. Da das Fest jedes Jahr in wüstere Besäufnisse, Schlägereien und andere orgiastische Feierlichkeiten ausartete, wurde es schließlich 1873 vom Amtsvorsteher verboten. Nach einem kurzen Wiederaufleben des Festes 1923 beschlossen die Behörden, dass es doch besser wäre für Ruhe und Ordnung zu sorgen und verboten es wieder, als nach der Wende sich ein Freundeskreis um ein Wiederaufleben bemühte, mangelte es an Geld und Sponsoren, so starb auch dieser Versuch im Nichts.
Stralau und die am Nordufer gelegene Rummelsburger Bucht gelten als die Geburtsstätte des Segelsports in Deutschland. Hier wurden bereits 1830 die ersten Segelvereine gegründet, die erst später an den Wannsee und in die Umgebung zogen, wo es genug noch größere Reviere gibt. Immer noch finden sich einzelne auch Segelyachten an den Anlegestellen, die ich auf meinem Weg um die Stralau passierte.
Besonders der neue Bahnhof Stralau-Rummelsburg, der heute Berlin-Ostkreuz heißt, trieb die Entwicklung der Halbinsel voran. So gab es eine Brauerei, eine Glasfabrik, Werften und andere Betriebe des Handwerks. Von 1899 bis 1951 fuhr auch eine Straßenbahn auf der Stralau, die bis 1932 durch einen der ersten Unterwassertunnel unter der Spree bis nach Treptow führte. Gegen Ende des Weltkrieges war der Tunnel geflutet worden und wurde später nicht wieder in Gang gesetzt. Erhalten davon blieben nur die Tunnelstraße auf der Stralauer Seite, ein Hinweisschild mit einer Erklärung der Umstände und der Platz am Spreetunnel auf Treptower Seite.
Heute leben etwa 3000 Menschen auf der Halbinsel unter recht idyllischen Bedingungen, um 1910, als es noch Industrie hier gab, waren es noch über 4000 gewesen, während 1817 nur 76 dort siedelten. Als 1920 Groß-Berlin entstand, wurde aus den Teilen Stralau, Stralauer Viertel und Königsstadt der Bezirk Friedrichshain gebildet, der heute eins mit Kreuzberg wurde.
Kaum hatte ich die laute Straße verlassen und tauchte in die Welt der Insel ein, überlegte ich auch schon, wie ich das Dorf Alt-Stralau wieder verlassen, um am Flussufer die Halbinsel umrunden zu können. Die erste Chance vergab ich noch, weil ich mit dem Hinweis zu dem Parknamen nichts anfangen konnte, fürchtete, die Brücke führte mich nur auf die andere Spreeseite abe nicht an deren Ufer. Dann mit Hilfe von Google wagte ich den nächsten Stichweg, der zwar auch noch mehr nach einer Einfahrt der vielen quadratischen Neubauten hier aussah und kam ans traumhaft schöne Ufer. Ganz von Ferne nur hörte ich noch den Lärm der Straßen, die ich gerade verließ, sanft plätscherten die Wellen der Spree gegen das Ufer, hier und da schaukelte ein kleines Motorboot, Trauerweiden ließen ihre hängenden Äste über dem Fluss baumeln und bewegten sich im sanft herbstlichen Wind eher schüchtern vornehm.
War in einem ruhigen, vornehmen Paradies angekommen und genoss die Ruhe dort nach der Hölle des Weges über den Alex und die viel befahrenen Straßen entlang um so mehr. Nichts als ein Plätschern, mal das Quaken einer Ente, das Rauschen des Windes in den Weiden, die dort standen und mit den Trauerweiden um die Wette sich hängen ließen.
Bis zur Dorfkirche kurz vorm Ende der Halbinsel flanierte ich so ruhig am Ufer, begegnete einigen viel zu hektischen Joggern, die mich wieder verstehen ließen, warum ich lieber lange Strecken flanierte als kürzere Zeit hektisch zu rennen. Auch einzelne ältere Menschen, die sich oder ihre Hunde spazieren führten, traf ich dort und konnte in die Häuser am Weg sehen - neue Bauten aber nicht höher als drei Etagen, über die sich schicke Wohnungen mehr oder weniger spießig eingerichtet verteilten. Weniger Lichterketten oder Gartenzwerge als im Wedding und, oh Wunder, einige ganz ansehnliche Bibliotheken, zumindest von Menge und Ansicht aus der Ferne, über Inhalte kann ich natürlich nichts sagen, da ich mich hütete, sie nah heran zu zoomen, doch schien so manche Wohnung relativ kultiviert eingerichtet, während in anderen nur riesige Fernseher leuchteten und das trotz dieser traumhaften Aussicht auf das Ufer, aber, was du immer hast, weißt du selten auch zu schätzen.
Die Dorfkirche und der sie umgebende Friedhof zwangen mich dann, ein wenig Abstand vom Flussufer zu nehmen, um diese älteste Dorfkirche Berlins zu umrunden und zu würdigen. Die Kirche wurde 1462 fertiggestellt und natürlich traditionell am Bartholomäustag, dem 24. August, geweiht. Sie steht etwa 500m vor dem Ende der Landzunge auf der Stralau. Der weithin sichtbare Glockenturm ist nicht alt sondern neugotisch aus dem Jahre 1834 nach Plänen von Langerhans gebaut worden. Auch sonst erfuhr das Gotteshaus einige Veränderungen in seiner Geschichte und sichtbar alt sind nur noch der einschiffige Mittelbau und der diesen abschließende Chor in schlichter Schönheit.
Groß stehen vor der Kirche die Stelen, die von ihrer Geschichte stolz erzählen als sei sie mindestens ein Speyrer Dom diese kleine Dorfkirche auf der Halbinsel. Der Chor zeigt die typische Gestaltung der Kirchen in der Spätgotik, wie sie sonst in Berlin nur noch die Dorfkirche in Dahlem aufweist, in der ich vor kurzem die Taufe der Tochter meines besten Freundes erleben durfte, da mich sonst in diese Tempel des Aberglaubens wenig zieht als die Kunstgeschichte, wo sich in und um Berlin der Besuch selten lohnt, wofür der gruselige Berliner Dom immer noch das beste und abschreckendste Beispiel ist. Auch für den Geschmack der DDR Regierung, die dieses Machwerk des späten Wilhelminismus stehen ließ aber das schöne Schloss daneben abriß, um ihren unterdurchschnittlichen Palast der Republik an die Stelle des Schlosses zu platzieren - zumindest gaben sie damit dem folgenden Alexanderplatz mit Dom und ihrem Palast einen an Hässlichkeit kaum zu überbietenden Eingang, den sie dann doch noch dort zu unterbieten schafften.
Der in der Kirche vorhandene spätgotische Altar kam erst nach 1962 dorthin, als der dortige Pfarrer ihn auf Hamsterfahrten in die Umgebung wiederentdeckte und die Gemeinde Finsterwalde diesen der gerade renovierten Kirche schenkte. Der Taufstein, der auch spätgotisch, wohl möglich sogar älter als die Kirche ist, wurde aus dem Märkischen Museum zurück auf die Insel geholt und eine Orgel haben sie auch noch, aber dies ist alles nur theoretisch, ich betrat die verschlossene Kirche nicht, sondern lief lieber wieder ans Ufer und folgte diesem die letzten Meter bis zu seinem Ende, um dann an der anderen Seite zurück zu gehen. Von dort sind dann auch die beiden Inseln, der größere Kratzbruch und die kleinere Liebesinsel zu sehen.
Folgte dem wunderbaren Weg an der Küste der Halbinsel entlang und es war zeitweise wie ein Hafenspaziergang, die Boote klapperten am Rand, ich blickte auf den Rummelsburger See wie die Bucht nördlich der Halbinsel heißt und nach Rummelsburg hinüber, wo die neuen Siedlungen bis ans Ufer reichten. Lief um die See genannte Bucht, gen Rummelsburg herum, betrat dieses ein Stück nach der Biegung des U auf der anderen Seite, der Stralau gegenüber, warf noch einen Blick zurück auf dieses Paradies der Ruhe und Entspannung, bevor ich mich wieder in die Stadt stürzte.
Die Marktstraße führte mich von dort zur Boxhagener Straße, der ich teilweise folgen wollte. Teilweise nur, weil ich endlich auch den berühmten Boxhagener Platz umrunden wollte, dessen Berühmtheit mir danach noch schleierhafter ist. Aber was für ein Wechsel, von der ländlich ruhigen Insel, an der Schiffe am Rand und Bäume noch das lauteste waren, mitten in die Boxhagener im Friedrichshain. Diese wird von der Straßenbahn durchquert, dazwischen Autos und Rettungswagen, die mit vollem Presslufthorn um die Aufmerksamkeit der Massen ringen, die sich hier von Kneipe zu Bar und Späti schleppen, um ihren Spaß zu haben.
Dett ist eben Berlin, massenhaft Partyvolk auf der Suche nach der neuesten Action, reichlich bekifft oder betrunken, obwohl Donnerstagabend nur. Daneben einige Anwohner, die ihre Einkäufe genervt an den Horden vorbei transportieren wollen oder mit dem Herren vom Späti sich um eine Diskussion bemühen. Ähnlich wie auf meinem Berg nur etwas jünger und wilder, nerviger und hektischer. Späti wechselt sich mit Bar, Kneipe, Restaurant, Schnellimbiss, Boutique und Tattoo-Studio ab. Wird mir immer ein Rätsel bleiben, warum sich so viele nicht gerade schöne Menschen noch zusätzlich durch diese grässlichen ewigen Körpergemälde verunstalten müssen. Es ist halt geil und Mode ein Tattoo zu haben, bei manchen zumindest und so wird diese schon länger Mode der Matrosen und Hafenarbeiter zu einer der Massen und dadurch noch lächerlicher und Mitleid erregender.
Verließ die zu laute Boxhagener so bald es ging, nur leider eine zu früh, was ich dann aber mit Googles Hilfe, Google sei Dank, wieder korrigieren konnte und beim dritten Versuch bei meinen Wanderungen im Friedrichshain endlich den Boxhagener Platz fand. Naja, Platz im dunkeln halt. Wenige nette Bäume, einige Lichter an Bars und Pinten drumherum, nicht hässlich, aber auch nichts irgendwie besonderes, ein Platz mitten in Berlin eben, hässlicher als der Helmholtzplatz natürlich aber wohl hipp, auch des sonntäglichen Flohmarkts wegen - vielleicht muss ich noch mal wiederkommen.
Verließ den Szenekiez über die Straße nördlich des Platzes, lief auf ziemlich direktem Weg dann zum Volkspark Friedrichshain, den ich durchquerte, um dann durch Bötzow Kiez, Wins Viertel und Kollwitz Kiez zum heimischen Helmi zu kommen, an dem ich mir nach gut 30 km einen schönen Riesling vor dem Misirlou gönnte.
jens tuengerthal 9.11.2017
Mittwoch, 8. November 2017
Geschlechtlich
Darum müssen nun alle Formulare geändert werden, Behörden sich umstellen, alle ihr Denken ändern, es wird viel kosten und die Reaktionäre werden wieder nölen, ob dieser Links-Grüne Unsinn denn sein müsse und wenn sie rechtsradikal sind, werden sie alles Links-Grüne noch versifft nennen, weil alles, was von der Gewohnheit abweicht, doch nichts taugen kann.
Fragte mich wer, wie ich das denn finde, würde ich sagen, dass es bei Dingen der Natur und ihrer Wahrnehmung nicht um mein Empfinden sondern um Fakten geht. Genau wie keiner mehr wegen seiner Religion oder Rasse ausgegrenzt werden darf, dies eine Straftat darstellte, muss es auch beim Geschlecht sein und steht so wörtlich im Grundgesetz in Artikel 3 III, der das Geschlecht sogar zuerst nennt. Finde die Entscheidung also nicht verwunderlich sondern nur logisch und konsequent.
Schon die alten Griechen benannten die Hermaphroditen als zweigeschlechtlich nach ihren Göttern Hermes und Aphrodite. Ovid erzählt die Geschichte vom schönen Hermaphroditos, in den sich die Nymphe Salmakis verliebt und die daraufhin mit ihm von den Göttern Hermes und Aphrodite, die sie um Hilfe rief, zu einem doppelten Geschlecht vereint wird, während sie im See baden, damit nichts sie mehr trennen könne und der so verwandelte Jüngling wünscht sich von seinen Eltern, dass es jedem Knaben, der künftig dort bade, genauso ergehen solle
Es gibt viele Varianten des Seins und wenn wir nicht nach dem Geschlecht diskriminieren dürfen, meint das eben nicht nur die neue #MeToo-Hysterie als Betroffenheits-GAU sondern auch die Offenheit für neue Formen des Seins, die in kein Schema passen. Finde das gut so und es zeigt, wie lebendig eine Gesellschaft ist, wenn das Denken auch die Richtung wechseln kann - geben wir den Gedanken diese Freiheit, können sie sich ungestört entfalten.
Alle die das Denken beschränken oder in geistigen Schranken leben, wie Trump es mit seinem Verbot für das Dritte-Geschlecht in der Army jüngst wieder bewies, offenbaren nur ihre Armut und zeigen sich als Verlierer der Evolution, die längst über sie hinweg ging. Wie es ein Putin mit seiner Intoleranz gegenüber Homosexuellen beweist und es die chinesische Führung auch immer wieder zeigt.
Es gibt Zeiten, in denen die Zurückgebliebenen wie Trump und seine Anhänger mehr Zulauf finden, weil nicht jeder fähig ist, flexibel zu denken und sich neuen Bedingungen zu stellen - doch sind diese auf die Evolution betrachtet völlig unbeachtliche Ausreißer, die sich überleben werden. Der höhere Zuspruch für die Partei der starren, unflexiblen Geister im Osten Deutschlands zeigt, wie nachhaltig und langfristig Diktaturen dem Denken und damit der Entwicklung schaden, sie ganze Kulturen stagnieren lassen, wie bei Polen und Ungarn auch zu beobachten ist.
Gut, wenn das Bundesverfassungsgericht nun dem stagnierenden Stand der Richter auch bestätigte, wie falsch er lag, eine Diskriminierung weiter für zulässig zu halten. Vielleicht können sich diese nun im Sinne der Evolution zu höherer Flexibilität weiter entwickeln, um ihr Überleben zu sichern, die Notwendigkeit ihrer Existenz zu begründen, darwinistisch gesprochen. So wird es den Pegiden mit ihrer Furcht vor dem linksgrünversifften Multikulti auch gehen. Dieser kleine Ausreißer der Evolution als stagnierendes Element mit geringer Offenheit für Veränderung, wird sich als zu unflexibel bald von alleine überleben und auch das drückt das neue Urteil treffend aus, Intoleranz hat sich erledigt.
Es gibt viel mehr als wir gewohnt sind und das ist gut so. Die Zukunft gestaltet, wer offen bleibt und lernt mit Neuem umzugehen, während die Unflexiblen nur Verwalter des eigenen Nachlass einer aussterbenden Gesellschaft sind. Eine vielleicht Randnotiz in den Geschichtsbüchern, mehr nicht.
Wir können nun in Ruhe beobachten, wie sich das Denken auch zum Thema Geschlecht weiter verändern wird und das wird auch den Umgang miteinander wie mit Rollen und Mustern verändern, die wir gewohnt sind. Gut so, davon leben wir und damit überleben wir besser. Spannend wird dabei auch die Diskussion werden, wieviel Rolle tatsächlich genetisch bedingt und damit angeboren ist und welche Teile durch eine wie auch immer geprägte Erziehung bedingt sind.
Was ist wirklich unsere Natur im Geschlecht und wo verhalten wir uns den Mustern unserer Erziehung entsprechend?
Es ist gut manchmal ein wenig aus der Rolle zu fallen, um seinen eigenen Weg zu finden, der selten vorgegebenen Mustern entspricht. Sicher darf es nicht nur um Selbstfindung gehen, sollten wir solche Bedürfnisse auch anderen Aufgaben unterordnen können - doch ist immer leistungsfähiger, wer in sich ruht.
Diktaturen zerstören die Kreativität. China ist meisterhaft in Plagiaten und schwach in der Innovation. In Russland zeigt sich ähnliches. Die Amerikaner, die Trump folgen, bewegen sich auch auf dem Pfad der simplen Antworten, die keinen Fortschritt bringen. Wie gut, wenn Europa noch für Entwicklung des Geistes, Flexibilität und Offenheit steht und wer das nicht versteht, sollte sich aus Europa in die intoleranten Regionen verziehen, hier braucht sie keiner.
So werden all diese intoleranten Regionen der Welt geistig immer träger und weiter abgehängt werden, wie hochgerüstet und reich sie auch sein mögen, sie sind für die Entwicklung des Menschen nicht von Interesse, an dessen Spitze ihrer toleranten Flexibilität wegen lange die USA standen. So sehe ich dies Urteil zum Geschlecht und seiner Vielfalt im globalen Kontext und denke Europa ist auf einem guten Weg und kann sich solche Ausreißer für die Zurückgebliebenen wie AfD und FN auch mal leisten, die lediglich Grabpflege auf dem Friedhof der Ideologien betreiben.
jens tuengerthal 8.11.2017
Liebesgröße
Wie groß ist die Liebe
Die ich mit dir endlich fand
Reichen meine Worte dafür
Oder genügt nichts auf der Welt
Größer als alles was ich kannte
Größer als ich hier nur dichte
Größer als mein Leben allein
Größer als alle meine Träume
Habe alles mit dir gefunden
In dir fühle ich es noch mehr
Unter dir kommt es uns beiden
Nach dir kommt nichts mehr
Weiß es nicht zu beschreiben
Bin einfach unendlich glücklich
Was eben unbeschreiblich bleibt
Weil diese Liebe kein Ende hat
So lehne ich mich nun zurück
Genieße ganz ruhig was ist
Dankbar für die große Liebe
Ist das Leben wunderschön
Muss nicht mehr dazu sagen
Weil wir wissen was wir haben
Das Glück in Sehnsucht genießen
So bleibt die Liebe stets größte
jens tuengerthal 8.11.2017
Dienstag, 7. November 2017
Oktobermörder
Hundert Jahre Oktoberrevolution - kein Grund zum Feiern, sage ich ganz entschieden, der mörderische Weg zur Diktatur der Proleten zerstörte viel Kultur und seine Folgen sind bis heute nicht ganz überwunden.
Das fängt schon mit dem Datum an. Im Oktober war diese Revolution nur nach dem völlig veralteten und überholten julianischen Kalender aus der Zeit Julius Cäsar, den die orthodoxe Kirche noch nutzt, weil sie so rückständig ist und nicht den reformierten und verbesserten Kalender benutzen will, der nach Papst Gregor heißt, den sie nicht anerkennen. Es geht also nur um Formen der Intoleranz im Aberglauben und Russland richtete sich eben, rückständig wie es war, nach dem veralteten Kalender und die Orthodoxie tut das bis heute.
Die Oktoberrevolution war also seriös gezählt eine Novemberrevolution und der Rest ist schlicht alter Aberglaube, mit dem wir klugerweise so wenig wie möglich zu tun haben wollen.
Um die Ereignisse, welche die Massenmörder Lenin und Stalin und ihre totalitäre Partei mit dem primitiven Anspruch, die auf der schlichten wie falschen Philosophie eines Marx aufbauen wollte, an die Macht brachte, mache ich lieber einen großen Bogen. Zwar wird manches schwadroniert, was nach der Auslegung Hegels klingt, der in seinem Irrtum Kant zu vollenden in seinem schlicht schwäbischen Denken, aber zu uninteressant und bis heute weit überschätzt wird, weil die Gläubigen seine wirren Lehren als Rechtfertigung nutzen konnten, statt mit Kant konsequent von jedem höheren Wesen in Ethik und Moral Abschied zu nehmen.
Auch der Aberglaube aus dem Hause Marx, der sich Kommunismus nannte und sich nur atheistisch wähnte, tatsächlich aber nur ein primitiver Aberglaube auf materialistischer Grundlage war, ist zwar aufgrund seiner mörderischen Folgen historisch bedeutend, inhaltlich aber für jeden vernünftigen Menschen vernachlässigenswert. Sogar die ihm noch von manchen lange zugute gehaltene Analyse der Verhältnisse ist im Lichte ihrer dogmatischen Einordnung real wertlos.
Die Oktoberrevolution erinnert nur daran, wie mörderisch Menschen auch unter sozialen Vorzeichen sein können, wenn sie meinen eine wahre Lehre zu vertreten. Von diesem Irrtum könnte die Beschäftigung mit der primitiven Kultur des kommunistischen Aberglaubens und seiner Nachfolger, die sich real sozialistisch nannten, heilen, so die Gläubigen lieber selbständig und kritisch dächten.
Der Grundsatz Kants aus seiner Antwort auf die Frage, was Aufklärung sei, gilt auch hier - es geht um die Befreiung des Menschen aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit, jenes berühmte sapere aude, das auffordert endlich Mut zu haben, selbständig zu denken. Unmündigkeit ist die Unfähigkeit sich seines Verstandes ohne Hilfe anderer zu bedienen und selbst verschuldet ist sie, wenn sie nicht aus dem Mangel an Verstand sondern bloß der Unfähigkeit, ihn zu nutzen beruht, die auf Faulheit und Trägheit zurückzuführen ist.
Mehr gibt es zum heutigen Gedenken nicht zu sage. 100 Jahre Oktoberrevolution sind hundert Jahre Angst und Schrecken durch Mörder im Dienste einer totalitären Ideologie, die sich gut wähnte, weil sie sich sozial nannte, als sei die bloße Handhabung der Vermögensverhältnisse ein Wert an sich, was sie nie waren. Der Kommunismus ist tot, der Sozialismus auch und hat vor allem keine Zukunft in der Freiheit. Wie gut, dass der linke Spuk ein Ende fand, zumindest in Europa. China ist da noch ein wenig zurück auf der Stufe der Zivilisation und dank der religiösen Jünger Marx und seines Apologeten Mao noch weit davon entfernt eine zivilisiert freiheitliche Kultur zu werden, so gesehen ist es noch in einem primitiven Zustand, wie er den früheren Jahrhunderten unserer Hochkultur entspricht.
jens tuengerthal 7.11.2017
Nebelwanderer
In der längst Dunkelheit am Platz gen Mitte losgelaufen, schien die Nacht noch klar wie der Tag sonnig, doch je weiter ich den Berg hinab gen Mitte kam, desto mehr, schien es sich zu bewölken. Die Museumsinsel lag schon im leichten Dunst als ich sie über die Brücke an der Alten Nationalgalerie betrat, der nicht mehr ganz runde Mond dort oben wirkte leicht umflort, als wüsste das Wetter noch nicht, was werden soll.
Ahnte nicht, was mich bald erwartete, lief am Haus der Kanzlerin vorbei, bewunderte zuvor noch die schlanken Säulen des Neubaus zwischen Pergamon und Neuem Museum. Nebel schien nur um die Koalition zu liegen, die noch verhandelt, ob sie sich die nächsten vier Jahre vertragen möchte - die Spree dagegen lag still und starr, als wäre sie bei den deutlich gesunkenen, sehr herbstlichen Temperaturen bereits gefroren.
Am Reichstag hinab zum Fluss, zwischen den Häusern der dort Abgeordneten hindurch am südlichen Ufer war die Sicht noch klar aber es wurde langsam feuchter in der Luft. Nach der dem Feldmarschall Moltke geweihten Brücke zum Kanzleramt am Wasser flanierend stieg erster Dunst in Schwaden auf, doch schien alles vor mir noch klar. Auf dem dunklen Weg zwischen dem Haus der Kulturen der Welt, ein Name, der schon wie verzaubert klingt, und Schloss Bellevue schließlich stieg der Nebel aus Fluss und Wiesen, legte sich wie ein weißer Schleier über die Landschaft.
Die große Stadt wurde weichgezeichnet, verlor ihre Ecken und Kanten, alles hüllte sich langsam in zarte Watte. Der einsame Wanderer mit seiner Liebsten in Dublin im Ohr folgte dem Ufer bis zum Schloss, schaute fasziniert gen Siegessäule, die schon unsichtbar war, überquerte die Lutherbrücke, auf der sich das Spiel von Licht und Nebel in den alten Laternen so wunderbar zeigte, schaute noch weit über den Fluss, dessen anderen Ufer er nun folgen wollte.
Dort am schön beleuchteten Magnus Hirschfeld Ufer wurde der Nebel langsam aber stetig immer dichter, vorbei an den Wohnungen der Abgeordneten in ihren Neubauten von halbrunder Form zwischen Ufer und S-Bahn, kam das blumig schöne Denkmal für die verfolgten Homosexuellen inmitten und war schließlich das Kanzleramt bereits in den Nebel eingetaucht. Das weißgrau umgab mich feucht kühl, wärmend nur die Stimme der Liebsten im fernen Dublin und wie groß wird die Sehnsucht des Wanderers, wenn er allein im Nebel spaziert, dessen kalte Feuchtigkeit immer zudringlicher wurde, der mich umgab, als liefe ich in Wolken.
Auf Höhe des Bahnhofs dann wieder aufgestiegen vom Fluss, um auf der Hugo Preuß Brücke die Einmündung zum Nordhafen zu überqueren. Sah den Bahnhof und die ganzen neuen Häuser um ihn bereits vom Nebel eingehüllt - die sonst klare Formensprache moderner Architektur schien romantisch weichgezeichnet, als hole sich die Natur mit einem starken Atemzug zurück, was ihres immer bleibt, stiege die, von manchen Urmutter genannte, aus der Spree und legte ihr weißes Band über alles.
Menschen bauen Städte, in denen die Natur unbemerkbar manchmal wird. Ihr Werden und Vergehen nur beim Besuch im Park noch sicher sichtbar ist, zwischen den Häusern aber, den Bürotürmen und Bettenburgen am Bahnhof im ehemaligen Grenzgebiet, scheint sie verdrängt und das Wetter egal, bis es plötzlich sich wieder über alles legt und die Landschaften der vermeintlichen Zivilisation weichspült im Nebel, bis sie ganz darin verschwinden. Nichts wird der Mensch im Nebel, der alles bedeckt, die Orientierung nehmen kann und manchen Wanderer schon in die Irre führte.
Der Wanderer kannte den Weg am Flussufer und doch erkannte er seine Stadt kaum wieder, als immer mehr verschwand im weißen Dunst, klare Linien, wie sie in der Hauptstadt des früher Preußens sonst vorherrschen, verschwanden unter dem überall Weichzeichner der Natur, manches wurde schon unsichtbar - vom Fernsehturm, der sonst immer Orientierung auch im nächtlichen Berlin, war nichts mehr zu sehen. Die klaren Kanten der Angeordnetenhäuser in ihrer schicken modernen Architektur verschwammen mit dem immer noch starren Wasser im Nebel zu etwas unklarem.
Wieder durch die Mitte in Richtung Ackerstraße, schien der Nebel weniger, bis ich mich über die Ackerstraße dem Gesundbrunnen näherte und am dort Humboldthain vorbei lief aus dem, als habe sich die Natur an ihren letzten Wohnorten in der Stadt aufgerafft, die große Stadt weich zu zeichnen, die weißen Schwaden sich über den alten Arbeiterstadtteil legten. Die S-Bahngleise hinunter an der Wiesenbrücke leuchtet sonst in der nahen Ferne schon das Gesundbrunnencenter durch die Nacht - heute waren es nur matte Lichter irgendwo ohne Form. Über die Brücke der dort vielen Gleise, hatte sich der Nebel bereits weit gelegt, das unendliche Gewirr von Schienen und Tunnels, Brücken und Wegen verschwand an den Rändern bereits völlig, der alte Grenzübergang an der Bornholmerbrücke, war nicht mehr zu sehen. Die Baustellen am Rande des Mauerparks, um die so lange gekämpft wurde, verschwanden weichgezeichnet im Nebel mit wenigen noch sichtbaren Lichtern.
Auch der heimatliche Platz schien bei der Rückkehr weichgezeichnet, noch war nichts verschwunden, der Nebel brauchte vom Fluss bis auf den Berg ein wenig, als der einsame Wanderer mit der Liebsten im Ohr das gemeinsame Haus schließlich nach 22 km wiederfand, froh der feuchten, kühlen Landschaft ins trockene wärmere Heim zu entkommen.
So nimmt sich die Natur im Nebel die Landschaft wieder und verbirgt alles, was uns sicher scheint im weißen Dunst, der sich wie Watte über alles legt. Dies mag nur eine Illusion sein und wenn sich der Nebel am Morgen wieder verzogen hat, wird vermutlich alles noch an seinem Ort stehen, doch zeigt sie uns zugleich, wie klein wir sind und wie wenig mehr als eine Nebelschlussleuchte wir ihr entgegen stellen können, wie vergeblich alle Versuche, sie zu beherrschen sind. Ob es darum illusionär ist, zu meinen, wir könnten das Klima durch Wohlverhalten beeinflussen oder Katastrophen vermindern, wenn wir mehr auf die Natur hören, möchte ich nicht sagen. Im Gegenteil macht der Nebel mich eher bescheiden, weil er deutlich macht, wie schnell die Natur alles, was uns sicher und fest scheint, zumindest für das Auge verschwinden lässt und wie wirklich ist die so Wirklichkeit schon?
jens tuengerthal 6.11.2017
Lustwanderung
Mit der schönsten Frau im Ohr
Durch Berlin wandern ist schon
Glück genug doch wie viel mehr
Wird es wo wir Lust dabei teilen
Zärtlich plauderten wir verliebt
Die Spree hinunter und hinauf
Vom Reichstag bis Bellevue
Genossen wir unsere Liebe
Doch die Leidenschaft wuchs
Auf der Ackerstraße noch mehr
Von Lust gepackt streicheltest
Du dich durch Worte verführt
Als ich die Mauer überquerte
Mit dir durch Gesundbrunnen
Am Humboldthain vorbei lief
Kamst du gleich zweimal noch
Stöhnte dir ins Ohr und erzählte
Was ich täte auf menschenleeren
Straßen lauter noch am Parkrand
Bis mich eine Fußgängerin überholte
Dann stöhnte ich lieber nur leiser
Bis zum Gesundbrunnen Center
Warst du nach zwei Höhepunkten
Selig befriedigt voller Zärtlichkeit
Durch die Wohngebiete wieder
Plauderten wir unauffällig zärtlich
Begleitetest du mich bis zu uns
Um dann glücklich einzuschlafen
Welch Glück auch die Lust so
In der Ferne teilen zu können
Wie glücklich bin ich wie wenig
Genügt sich unendlich zu wollen
Beim wandern siehst du die Welt
Wie schön wenn diese dann geteilt
In allem so innig Erfüllung findet
Worte zur Befriedigung führen
jens tuengerthal 6.11.2017
Montag, 6. November 2017
Paradiesisch
Es wird sich über die bösen Reichen und Superreichen erregt, die Steuern vermeiden wollten, weil sie ja so asozial wären, auch wenn sie im gestaffelten System schon viel mehr als alle anderen ohnehin zahlen. Als verpflichtete Eigentum und Verdienst dazu, es mit der Gesellschaft zu teilen. Dies zutiefst sozialistische Denken scheint immer noch in vielen Köpfen zu stecken, was schon bei der Affäre um Hoeneß deutlich wurde. Keiner dieser Schreihälse und Ankläger käme auf die Idee, selbst Verantwortung zu übernehmen, seine Rücklagen oder sein Vermögen freiwillig zugunsten der Gesellschaft oder wohltätiger Zwecke einzubringen - dafür regen sie sich lieber über andere auf, die ihr Vermögen, auch wenn ganz legal, nicht übermäßig besteuern wollen, wenn es Wege dazu gibt.
Im Fall Hoeneß ging es um die Straftat eines einzelnen, der dafür angeklagt wurde und die Haft verbüßen musste. Darüber zu berichten, war angesichts der Prominenz des Täters in Ordnung und er hat sich die Folgen, durch sein voriges Verhalten selbst zuzuschreiben. Wusste um seine Spielsucht und hat die Zeit selbstkritisch genutzt, ist nun wieder als Kopf der Bayern in Amt und Würden, muss als Repräsentant mit erhöhter Aufmerksamkeit leben.
Hier jedoch werden gierig die Steuerdaten von Privatpersonen veröffentlicht, die zumindest indirekt der Steuerhinterziehung öffentlich verdächtigt werden, sicher aber an den Pranger gestellt werden, auch wenn ihr Verhalten völlig legal war. Dies ist ein moralischer Pranger, der hauptsächlich der Verurteilung von Reichtum dient, um Leistungsträger der Gesellschaft im Wege der Neiddebatte moralisch anzuklagen.
Es wird dabei auch um Unternehmen gehen und die auf Schlagzeilen geilen Medien werden wieder exzessives namedropping betreiben, als würde das jemand helfen oder zu irgendwie mehr Gerechtigkeit führen, nicht nur den Kampf um Auflagen wiederspiegeln.
Es ist gut und wichtig für eine Demokratie eine freie Presse als vierte Gewalt und Kontrollorgan zu haben. Ohne diese fehlte etwas für die Kontrolle der Regierung. Darum ist die Presse oder heute eher die Medien, wie auch immer sie sich nun verbreiten, die Druckerpresse braucht es dazu immer weniger, im Grundgesetz besonders geschützt. Dies soll der Freiheit dienen und nicht der moralischen Aufsicht oder Diktatur, wie es die Medien in Diktaturen immer taten. So verbreitete das Neue Deutschland die Regierungslinie der DDR und ist heute das Organ der Linken, wie es der Stürmer im Nationalsozialismus war.
Das an dieser Aktion mal wieder die Süddeutsche Zeitung beteiligt ist, die in etwas unklaren Besitzverhältnissen mit der SPD Medienholding immer noch verschlungen bleibt, auch wenn beide Seiten sich gern öffentlich davon distanzieren, macht den moralischen Druck besonders anrüchig.
Eine Partei, die gerne im Wahlkampf die moralische Karte spielt und über eine Reichensteuer schwadroniert, freut sich, wenn die bösen und gierigen Kapitalisten und Reichen öffentlich angeklagt werden, es spielt ihr zumindest moralisch in die Karten, auch wenn es diesem eher kopflosen Haufen vermutlich sachlich nichts nutzen wird, weil es an Führung so sehr wie an Inhalten fehlt, die Sozen froh sein können, wenn sie Merkel dienen dürfen.
Aber jenseits solch kleiner parteipolitischer Spitzen und des Geschachers um die Macht im Bund, wie wir es gerade erleben dürfen, fragt sich, wie es um ein Land bestellt ist, in dem die öffentliche moralische Anklage anderer auch durch ein Organ, das eigentlich den Staat und nicht seine Bürger bewachen soll, von manchen bejubelt wird, weil wir es so gewohnt sind auf die verkommenen Reichen zu schießen.
In Fußballstadien der Bundesliga kann der Hass auf Reiche an jedem Wochenende bei Spielen von Leipzig oder Hoffenheim beobachtet werden, auch wenn ein Verein wie Dortmund als AG wesentlich kapitalistischer schon seit Jahren sind, wird der Investor Hopp angegriffen, der das Softwareunternehmen SAP mit aufbaute und in der Kurpfalz, aus der er stammt und in der er lebt, als großzügiger Mäzen und sehr nachhaltig sozialer Spender geschätzt wird. Er ist ein Milliardär und das genügt einer Gruppe von Menschen, ihn als bösen Buhmann zu bezeichnen, auch wenn er einen großen Teil seines mit den richtigen Ideen zur richtigen Zeit verdienten Kapitals für soziale Zwecke investiert. Den gleichen Hass erlebte auch Uli Hoeneß, weil hierzulande es verpönt scheint, zu gönnen und Neid wichtiger ist als Realismus.
Was interessiert mich, wieviel Geld ein anderer verdient - wenn es der Markt hergibt und er dann noch verantwortlich damit umgeht, gönne ich immer gerne, nichts ist mir fremder als Missgunst. Wollte nie ein Milliardär sein, nicht mal Millionär - bin froh ein freier Habenichts zu sein, der unbeeinflusst in seinem Denken, sich nicht ständig Sorgen um sein wohlverdientes Kapital machen muss. Käme ich auf seltsamen Wegen zu Geld, übergäbe ich es ungesehen meiner Liebsten, die sich damit besser und wirklich auskennt und wünschte mir, um mit so etwas nicht belastet zu werden, irgendeine Stiftung an die es fließen könnte. Reichtum ist eine Last, die ich nicht erstrebenswert finde - von mir aus könnte ich meine Fähigkeiten für den Staat einsetzen und würde von ihm dafür ein auskömmliches Bürgergeld bekommen und wäre damit zufrieden. Aber das ist meine Sicht und mein Problem - muss keiner so machen und sollte nie vorgeschrieben werden.
Nur was mich sehr stört, ist, wenn die Medien, die eigentlich den Staat kontrollieren sollen, dessen Aufgaben übernehmen, Jagd auf Steuerflüchtlinge machen und also quasi im Dienst des Staates gegen die eigenen Bürger kämpfen. Dann haben wir einen Überwachungsstaat, der im Sinne einer fiktiven höheren Steuergerechtigkeit sogar private Jäger findet, die ihre Opfer vor sich her treiben und mit privaten Mitteln an den öffentlichen Pranger stellt.
Was soll das und wer entscheidet darüber, wessen Steuerdaten hier ungefragt veröffentlicht und ausgewertet werden?
Solange keine Straftat vorliegt, nicht mal eine Anklage im Raum steht, verrät eine Presse, die ihre Bürger öffentlich als Volksverräter anklagt, denn nichts anderes geschieht hier, ihre Aufgabe als Kontrollorgan und macht sich moralisch lächerlich. Dabei ist völlig egal, wie wer seinen Reichtum verdient hat, den er steuerlich günstig anlegt. Der Hass auf Reichtum und Reiche, wie er hier immer wieder befördert wird, ist in der Sache sehr schädlich, könnte die besten des Landes vergraulen, auch wenn der Staat durch diese Anklage eines möglicherweise legalen Verhaltens keinerlei realen Gewinn hat als noch mehr Informationen über das Steuerverhalten der Bürger.
Es ist darum so wichtig, sich gerade jetzt zu überlegen, wie wir künftig miteinander leben wollen, wie viel Macht und Kontrolle der Staat haben darf, diese immer durstige Krake und wie sehr die Bürger auch vor ihm geschützt werden müssen. Wer Geld verdient und dabei so investiert, dass er weniger Steuern zahlen muss, ist ein kluger Investor. Viele Großbanken haben einen Sitz auf diesen kleinen steuerlich günstigen Inseln - damit verdienen diese wiederum viel Geld - wer wollte die erfolgreiche Politik eines Unternehmens verurteilen und auf wessen Seite stehen alle, die es tun?
Diese öffentliche Anklage und dieser wieder eingeführte Pranger gefallen mir nicht. Dagegen laut zu werden, scheint mir dringend geboten. Anklage erheben im Rechtsstaat nur Gerichte als dritte Gewalt im Staat. Wo Journalisten öffentlich anklagen, verurteilen und mit dem Pranger foltern, haben sie ihren Job nicht verstanden und sollten über ihre Aufgabe nachdenken, statt vermeintlich gewinnträchtige Skandale zu produzieren. Mit der Herausgabe von Büchern und Filmen war diese Süddeutsche Zeitung unschädlich erfolgreicher.
jens tuengerthal 6.11.2017
Aufregungsglück
Alles Neue regt uns erstmal auf
So war es bei unserem ersten mal
So wird es mit allem neuen sein
Das befreit und fesselt zugleich
Wir kennen uns nun schon gut
Haben unsere Körper erforscht
Auf alle Arten möglichst überall
Und genießen es immer mehr
Mit der Zeit vergeht die Aufregung
An ihre Stelle tritt die Gewohnheit
Die uns miteinander genießen lässt
Wie schön wir es dabei noch haben
Manche verlieren mit der Gewohnheit
Die Lust aneinander und entwickeln
Muster die ihnen langweilig werden
Suchen dann bald wieder neue Reize
Freue mich jedesmal neu an dir
Möchte dich ewig glücklich machen
Finde dich dabei sogar immer schöner
Als schärfte die Zeit meinen Blick
Nun erobern wir ganz neues Terrain
Lernen als Paar die Familien kennen
Das wird für beide aufregend werden
Wie gut sich da schon gewöhnt zu sein
Jede neue Aufregung miteinander bringt
Uns noch näher zusammen was wiederum
Dem Moment aufregenden Reiz verleiht
Wie wir uns darin wieder finden werden
So ist auch diese Aufregung eine Lust
Die wir voll Freude genießen können
Wo wir doch immer so nah wie möglich
Ineinander verschlungen sein wollen
Sehne mich ganz aufgeregt nun wieder
Nach der eigentlich gewohnten Nähe
Um mich an deinen Reizen zu freuen
Das Glück täglich neu zu entdecken
So bleibt es aufregend miteinander
Auch wenn alles schon ausprobiert
Die schönste Gewohnheit gefunden
Das Ineinander bereits perfekt ist
Freue mich auf alles Neue mit dir
Genieße wie es sich bestätigt
Nach jeder Aufregung wie schön
Wir es miteinander doch haben
jens tuengerthal 6.11.2017
Sonntag, 5. November 2017
Von gut und böse
Reagiere allergisch auf alles, was mit der Diktatur des Proletariats, dem Sozialismus und anderen totalitären Ideen zu tun hat. Bin ein Kind des Westens, das im Kalten Krieg groß wurde und habe so viele Dinge inhaliert, die mein um Freiheit bemühtes Denken fesseln. Somit kann ich zumindest für mich dieses Schema bestätigen und habe die Erfahrung, auch wenn auf ganz unterschiedliche Art mit Menschen aus dem Westen oder Osten gemacht, die je nach Prägung an ihren Schemen festhalten.
Die aus dem Osten Deutschlands mussten nach der Wende und dem Scheitern des Systems zwangsweise umlernen und neigten infolge mehr oder weniger zur Verklärung. Der Westen breitete sich weiter aus und stülpte sein System dem vorher totalitären Osten über. Dies war von der ganz großen Mehrheit so gewünscht worden und sie hatten dafür mutig, teilweise unter Einsatz ihres Lebens gekämpft.
Nur wenig entfernt von meiner Wohnung am Helmholtzplatz im ehemaligen Osten Berlins, in dem hier allerdings inzwischen deutlich mehr Wessis leben, liegt die Gethsemanekirche gen Nordwesten. Während der Wende war dies ein Hort des Widerstandes. Nur unwesentlich weiter gen Südwesten von meinem Platz aus liegt die Zionskirche, an der einst Dietrich Bonhoeffer noch wirkte, der über gute Mächte einst dichtete, bei der 1989 ein Punkkonzert und die dabei vielleicht von der Stasi begünstigten Schlägertrupps der Rechten, woher immer sie kamen, dafür sorgten, dass der Widerstand noch lauter und stärker wurde, die friedliche Revolution gegen die Diktatur der SED ihren Lauf nahm.
Sprach inzwischen mit einigen, die bei diesem Konzert dabei waren, die Verhaftungen erlebten und heute sagen, es war ganz klar die Stasi, solche Methoden kannten sie ja - Einschüchterung und Unterdrückung. Vor der Wende hätte es keine Rechten in der DDR gegeben und keine Skinheads und ähnliches. Glaube bei solchen Erzählungen gerne, dass die Stasi zu totalitären Methoden neigte - wenn ich mich daran erinnere, wie mir andere Freunde erzählten, was sie erlebten, als sie in Weißensee das dortige Waffenlager der Stasi stürmten, irgendwann im November oder Dezember 1989 war das, wie sie die Ausrüstung einer ganzen Armee fanden, die darauf ausgerichtet war, das eigene Volk in Schach und klein zu halten, merke ich, wie ich mich in meinem Bild von der DDR bestätigt fühle. Nie glaubte ich, dass es keine gewalttätigen Rechten in der DDR gab, was Historiker inzwischen bestätigen - der sächsische braune Sumpf und andere Feuchtgebiete sind keine überraschende Veränderung sondern langsam gewachsen.
Auch die Geschichte einer anderen Verflossenen, die mir erzählte, wie schrecklich und rücksichtslos ihr Bruder schon immer gewesen wäre, der es wagte im Sommer 1989 gegen den Einsatz der Panzer auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking zu protestieren und wie er damit der Familie nur Ärger brachte, weil er eben nur an sich denke. Der sei einfach etwas rücksichtslos und darum hätte sie ein Problem mit ihm. Verdrängte die Geschichte erst, weil ich sie in ihrer Wut auf den Bruder, der die ganze Pflege der Eltern ihr überließ, unterstützen wollte, sie wirklich belastet war. Später wurde mir klar, was sie sagte, insbesondere nachdem ich den Bruder erst voller Misstrauen kennengelernt hatte und ihn als einen offenen, kritischen und intelligenten Mann erlebte, der bewusst und verantwortlich handelte, während ihr schönster Lebensinhalt war, dass sie sich mit einer Freundin zusammen jedes Jahr mindestens zwei Wochen Cluburlaub in der Türkei leisten konnte, wo sie an nichts denken musste und Schaumpartys der Gipfel eines erfüllten Lebens sind.
Sie fand den Bruder unverantwortlich, der einem schon sterbenden Regime widerstand, während in Leipzig bereits montäglich demonstriert wurde, weil er für seine Meinung das Wohl der Familie gefährdete. So würde sie vermutlich auch über die Widerständler im Dritten Reich urteilen, sei es der Kreis um Stauffenberg, die Weiße Rose oder der Kreisauer Kreis - alle gefährdeten ihre Familien und ihr eigenes Leben, weil sie nicht angepasst handelten, sondern Widerstand leisteten, während sie völlig angepasst war. Sie hatte auch Leiden müssen, wollte Medizin studieren aber da sie getauft war und die Mutter sich in der Kirche engagierte und warum auch immer, sie hatte da nie nachgeforscht, wurde sie gezwungen die Schule früher zu verlassen und Krankenschwester zu werden, obwohl sie angeblich die Klassenbeste war. Ein Opfer des Regimes also, das erst nach der Wende über Umwege noch studieren konnte, wenn auch nicht Medizin, und sie hatte keinerlei Verständnis für den Widerstand des Bruders, fand es sollte lieber angepasst gelebt werden, um sich nicht alles kaputt zu machen. Derjenige, der seinen Überzeugungen folgte und Widerstand leistete, war darum für sie unzuverlässig und unverantwortlich.
Sie redete das Regime der DDR nicht schön, war froh, dass es unterging aber stand nicht mal in der dritten Reihe des Widerstands, verurteilte den eigenen Bruder dafür, dass er ihre Ruhe störte. Denke ich heute daran, könnte ich mich immer noch aufregen und frage mich, was ich je für diese Frau empfand, die so angepasst, desinteressiert und im Wesen langweilig war, wie meine Tochter auf den ersten Blick treffend urteilte.
Es macht mich richtig wütend über diesen Geist nachzudenken und zu sehen wie in Berlin wieder mit der SED Nachfolgeorganisation regiert wird, die sich heute Linke nennt und doch nur ein Überbleibsel alter Seilschaften vielfach angepasster Menschen ist, sehen wir mal von den linken Träumern iim Westen ab, die immer noch glauben der Sozialismus sei das Paradies auf Erden und die Diktatur des Proletariats nur der nötige Übergang nicht immer der falsche Weg.
Wut ist in der Politik ein schlechter Ratgeber und eignet sich keinesfalls, die Dinge philosophisch betrachtet, vernünftig in gut und böse zu teilen, um eine Ethik der Freiheit zu finden. Wut macht blind und verführt noch mehr dazu, in den immer gleichen Mustern zu denken, die einerseits verharmlosen und andererseits dramatisieren, ohne etwas zu ändern.
Eine andere Ex von mir hasste den Osten, in dem sie nahe Rostock groß werden musste und hat sich ihm verweigert, solange er bestand, sie darin eingesperrt war, wollte nie wieder im Osten wohnen und sah zu schnell wieder die alten Stasi-Gesichter überall. Sie wollte auf der ganzen Welt zuhause sein lieber als im alten Osten, den sie verachtete. Ihr Ex, mit dem sie noch zusammenlebt, war in den 70ern abenteuerlich geflohen und hatte vorher in Hohenschönhausen eingesessen - beide sprachen voller Abneigung und Hass über diese engstirnige, spießige Diktatur und ihre Funktionäre, die wieder auf die Füße fielen. Sie war traumatisiert und bildete mit ihrem Ex eine Art Symbiose voller Hass gegen die ehemalige DDR - war mir auch etwas zu extrem, vor allem zu undifferenziert, da sie sich konsequent weigerte, sich mit Politik zu beschäftigen, Geschichte sie nicht sonderlich interessierte.
So könnte ich noch viele Geschichten erzählen von Fremdheit und Anbiederung, den Kompromissen, die alle machen mussten, die in einer Diktatur und also einem Unrechtsregime lebten.
Denke daran wie lange die Linke darüber diskutierte, bis sie sich dazu durchrang, die DDR endlich ein Unrechtsregime zu nennen, zumindest zum Teil und in Thüringen, während es die rote Sahra für den Bundestag verweigerte und damit ein sehr gutes Bild des dort Selbstverständnisses gab.
War die DDR böse oder gab es auch Gutes dort, was erinnerungswert ist jenseits des Ampelmännchens?
Natürlich gab es wie in jeder Diktatur auch gute Menschen und Momente in denen sich Menschen in den Zwischenräumen eben menschlich einrichteten. Eine Kindheit in einer Diktatur muss nicht schlecht erinnert werden, wenn sie schön war, nur weil das System drumherum idiotisch und primitiv war, Menschen unterdrückte.
Diese Unterscheidung scheint mir wichtig und Kern des Problems vieler Menschen heute, die das Gefühl haben, ihre Lebensleistung werden nie anerkannt, die Treuhand hätte als Werkzeug der Großbanken die DDR verkauft und zerstört, die vorher gut funktionierte. Auch wenn jeder mit nur etwas Vernunft begreifen kann, dass die DDR ohne Ostblock keine Zukunft mehr gehabt hätte, auch ökonomisch nicht, ist es völlig in Ordnung und wünschenswert sich seiner Kindheit voller Liebe zu erinnern. Es sollte niemand das Leben der Menschen schlecht reden, nur sollte jeder die Dinge beim Namen nennen und nicht eigene Erinnerungen mit der Bewertung eines Systems vermischen.
Dies geschieht unter vielen Menschen in Neufünfland so sehr wie bei anderen Bewohnern des ehemaligen Ostblocks oder anderer totalitärer Regime. In meiner Jugend im Westen hörte ich manchmal die alten Menschen raunen, es wäre ja nicht alles schlecht gewesen beim Hitler, er hätte schließlich die Autobahnen gebaut und für Ordnung gesorgt,nicht mehr die ständigen Schlägereien auf der Straße und sie hätten nie etwas von Gewalt gegen Juden mitbekommen. Das änderte sich irgendwann im Bewusstsein auch der Beteiligten.
Während meine Großmutter früh noch stolz von ihrer Deutschnationalen Gesinnung sprach, was natürlich nicht nationalsozialistisch ist, die waren ihr zu primitiv, wie sie meinte, sie waren schließlich Nachbarn von Hindenburgs in Hannover, erzählte sie im ganz hohen Alter stolz von der Ehrung ihrer Schwiegereltern, die angeblich ein jüdisches Ehepaar über den Krieg versteckten, in Yad Vashem geehrt wurden, wie sie zu einer Ordenverleihung für diese geladen wurde, die schon 50 Jahre nicht mehr lebten. Ob das stimmt, weiß keiner so ganz genau und ich weiß nicht, ob ich es überprüfen möchte, um meine tote Großmutter, sie starb kurz vor ihrem hundertsten doch noch, der Lüge zu überführen. Sie war zeitlebens eine große Märchenerzählerin für uns Kinder und was weiß ich schon, was wirklich damals war?
Zumindest änderte sich das Verhalten in der Bewertung der Beteiligten deutlich. Während meine Eltern, beide Jahrgang 1941, noch nicht mit ihren Eltern über ihr Verhalten während der Diktatur von 1933-45 reden konnten, sprach ich viel mit ihnen darüber und die Berichte änderten sich im Laufe der Zeit. Anfangs waren sie alle nur Mitläufer und haben nichts mitbekommen. Das mit den Juden lief ja nur im Geheimen. Dann veränderte sich auch ihre Selbstwahrnehmung scheinbar und sie bemühten ein anderes Bild von sich zu geben. Erzählten mir von ihrem Widerstand, der Ablehnung der Nazi-Proleten durch die meisten gebildeten Menschen, erzählten von überraschenden Geheimnissen ihres Lebens, die ihr Leben doch zu dem eines zumindest stillen Widerstandskämpfers gegen die NS-Diktatur machte. Von ihren Ängsten und der Anpassung, damit der Familie nichts passierte, denn es gab ja Sippenhaft.
Mit meinem Großvater, der auf dem Russlandfeldzug in Gefangenschaft geriet und dies über sehr lange Zeit blieb, redete ich viel über Geschichte. Er lehnte die damals in Bremen gastierende Wehrmachtsausstellung vehement ab. Er wäre ja dabei gewesen. Da würde übertrieben und wem bringe das jetzt noch was, fragte er mich. Nahm das so hin und blieb aber im Gespräch mit ihm auch zu diesem Thema und mit der Zeit veränderte sich seine Haltung dazu. Irgendwann erzählte er nach einigen Gläsern Wein wie ein Geständnis, dass sie alle gewusst hätten, was passierte. Aber es wäre die SS im Hintergrund gewesen, nicht die Reichswehr, verteidigte er lange die letzte Bastion der guten Reichswehr.
Irgendwann fiel im Gespräch auch diese. Die Beweise waren einfach zu erschlagend. Dann sagte er plötzlich, wie gut, dass wir endlich offen darüber reden könnten. Es wäre schrecklich gewesen mit den immer wieder Gemetzeln aber er wäre daran nie beteiligt gewesen, hätte getan, was er konnte, sich rauszuhalten aber es hätte überall Verbrecher gegeben, meist mit Parteibuch.
Das Beispiel zeigt, wie sich auch bei der älteren Generation über oder kurz vor neunzig noch die Wahrnehmung für gut und böse verändern kann. Kurz vor ihrem Tod taten sie alles, sich dem neuen Bild der Zeit in ihrem vergangenen Verhalten anzupassen. Was immer wahr war, halte meinen Großvater mütterlicherseits für deutlich weniger phantasiebegabt als meine Großmutter, sie hatten das Bedürfnis ein anderes Bild der Zeit zu geben, in der sie ihre zwanziger und dreißiger verbrachten und wie sich für sie auch die Bewertung von gut und böse je nach Position veränderte.
Als ich meiner Großmutter von meinen Freunden erzählte, deren Großväter im Widerstand waren, hingerichtet wurden dafür und wieviel Hochachtung ich vor diesen alten Familien empfand, die vielfach seit Jahrhunderten große preußische Offiziere stellten, änderte sich ihre Bewertung der eigenen Geschichte und sie bemühten sich eine neue Rolle zu finden, die sie an diese Helden ihrer Zeit heranrückte, über die sie vorher kein Wort verloren.
Der Großvater väterlicherseits etwa, gab sich seinen Söhnen gegenüber als ehemaliger preußischer Kadett und übte strengen Drill, sprach sich für die Sekundärtugenden aus und ähnliches, was dem Geist der Zeit entsprach, verharmloste die Nazizeit, in der er nach eigener Aussage keine große Rolle spielte und sich lieber um Kultur und Familie kümmere. Dagegen erzählte er mir in einem der letzten Gespräche Anfang 1991 die wahre Geschichte seines Kontaktes zum Widerstand und seiner Degradierung in Belgien, was immer nun wahr wirklich an Geschichte sein kann als die eigene Wahrnehmung.
Dies wäre nach dem 20. Juli 1944 geschehen, er hätte als zuverlässiger Beamter und Kamerad aus Lichterfelde für viele der Offiziere im Widerstand auf den Listen von Goerdeler gestanden Da die Nazis ihm aber sonst nichts nachweisen konnten, wurde ihm ein Betrug angehängt. Den er nie beging und er hätte die Wahl zwischen KZ und Ostfront gehabt und wählte als Offizier die Ostfront bei irgendeinem Himmelfahrtskommando, das er mit Glück überlebte und floh erst nach dem Zusammenbruch der Front von der Truppe, wie es sich für einen preußischen Offizier gehörte, worauf er immer noch wert legte. Die Nazis waren Idioten unter der Führung eines Österreicher, so etwas war nicht preußisch für ihn, der den Alten Fritz verehrte.
So ordnete er sich erst kurz vor seinem Tod selbst dem Widerstand zu, was er seinen Söhnen nie erzählte, auch wenn er seinen Nazi-Bruder, den die Kirche mit offenen Armen wieder als Pfarrer aufnahm, verfluchte. Hellhörig war ich geworden, als ich die Geschichte von den Resistance Kämpfern aus Belgien hörte, die ihn nach dem Krieg vor alliierten Gerichten entlasten und sein Urteil als Unrecht aufheben halfen. Es gab zu dieser Zeit wenige aufgehobene Urteile - kam in großer Welle erst Jahre später.
Lag das an der anderen Rolle als Großvater, weil ich als Enkel mit einer Liebe für Preußen fragte oder weil sich seine Begriffe von gut und böse mit der Zeit veränderten, die rege Publikationstätigkeit auch von Marion Gräfin Dönhoff dazu beitrug, das Bewusstsein der Bevölkerung zu verändern?
Interessant ist zu beobachten, wie in Russland unter Putin gerade ein ganz seltsamer Spagat versucht wird, bei dem einerseits die alten Heiligen der Oktoberrevolution noch verehrt werden und andererseits die orthodoxe Kirche wieder eine stärkere Rolle bekommt, die Zarenfamilie rehabilitiert wird. Der noch im Sozialismus als Geheimdienstmann groß gewordene Putin, der ja wie Schröder sein guter Freund, ein kleiner großer Mann ist, hängt an den alten Traditionen der UDSSR und lässt sie im Rahmen des möglichen feiern. Versucht zwischen Kult mit der Geschichte der blutigen Revolution und mit der neuen Verehrung der Zaren beide Kulturen zu seinen Zwecken einzubinden im kapitalistischen Großreich ohne klare ideologische Richtung.
Die blutige Oktoberrevolution durch Verbrecher wie Lenin und Stalin, die mit einem Hitler auf einer Stufe stehen, kostete mehr als fünf Millionen Menschen das Leben, eher ein Grund zur Trauer, realistisch betrachtet, doch darum geht es weniger, als aus dem Kult mit der Vergangenheit Gewinn zu schlagen. Die dort vertriebene Kirche der Zaren, die das Volk mit ihrem Aberglauben jahrhundertelang unterdrücken half, wird gleichzeitig in die Gegenwart zurückgeholt.
Ist das die neue Freiheit oder der Anfang einer schizophrenen Gefangenschaft in zwei Welten?
Was ist da noch gut und was ist böse?
Ähnliches kann in China beobachtet werden, wo die KP Chinas die Macht vom Kaiserreich übernahm, den Kurs radikal mehrfach unter wechselnden Führern änderte und Millionen Menschen tötete oder sterben ließ, weiter eine Diktatur führt, die als totalitäres Regime gerade alles tut, den Westen vorzuführen, aber etwa die brutale und bis heute grausame Eroberung Tibets im Bewusstsein weiter Kreise der Bevölkerung als völlig legitim verankerte, weil der Dalai Lama als ein Diktator im Aberglauben dargestellt wird und wer kann es sich schon leisten, um eines Flecken im Himalaya das Einvernehmen mit der bald größten Wirtschaftsmacht zu riskieren, die wieder auf die Seidenstraße und Asiens Mitte setzt?
Sind Chinesen, die unter der Diktatur der KP ihr möglichstes versuchen im real existierenden Kapitalismus zu überleben und vielleicht der Führung zujubeln, darum gut oder böse wo steht das bis heute in Fragen der Hinrichtung mörderischste Reich der Mitte?
Die noch größte Macht der Welt in ökonomischer und militärischer Sicht, die unter dem ungebildeten Großmaul Trump gerade alles tut, ihre weltweite Bedeutung zu Gunsten Chinas zu verspielen, ohne es zu merken, steht auch am Scheideweg zwischen gut und böse. Sind die Anhänger von Trump, die in Deutschland AfD wählen würde oder zu Pegida Aufmärschen gehen nun böse oder gut? Sind sie am Ende weder noch, schlicht blöd und lassen sich von einem senilen, ungebildeten Idioten an der Nase herumführen, weil er laut genug brüllt und das mediale Zeitalter das Feingefühl für die Unterscheidung zerstörte?
Auch hier wird manches verschwimmen, keine Antwort alle gleichermaßen treffen und wäre jede darum immer auch falsch.
Die deutsche Kanzlerin, die ich früher heftig kritisierte und die vor allem im Osten von schlichten Gemütern sich harten Anfeindungen gegenüber sieht, ist für mich der Inbegriff guter und verantwortlicher politischer Führung in Zeiten der Krise. Die Personifikation einer aufgeklärten Herrscherin, die ich noch lieber als Führerin Europas jenseits aller Wahlämter noch lange installiert sähe, weil sie ihr Amt unbestechlich, verantwortungsbewusst und dabei doch kritisch und reflektiert wahrnimmt, einen guten Job macht, ist für manche Menschen der Inbegriff des Bösen in der Politik, weil sie ihr Land verraten hätte, Verbrechen und Vergewaltigung die Tore öffnete, den Frieden in Sachsen etwa bedrohte.
Was ist am Ende gut und was ist böse, wer ist es wirklich oder sind wir alle immer so ein bisschen von allem, verschwimmt alles im großen Teich der Geschichte?
Wie müssen wir dann handeln, um einen guten Kurs zu halten?
jens tuengerthal 5.11.2017
Beischlafglück
Zusammen schlafen ist schöner
Nur merken wir dabei meist nichts
Vom großen Glück weil wir schlafen
Warum aber heißt der Sex Beischlaf
Davon bekommen manche noch
Etwas mit bevor sie einschlafen
Glücklicher nur wer Lust teilte
Und danach zusammen schläft
Am glücklichsten sicher ist
Wer befriedigt miteinander
Danach einschläft ineinander
Eng verschlungen als eines
Das ist wohl himmlischer Sex
Sagt sogar der sonst Ungläubige
Der sich paradiesisch wohl fühlt
In der doch menschlichsten Natur
Bezeichne den Akt nie als Beischlaf
Nur das befriedigte danach wärs
Wäre das Wort nicht viel zu klein
Das größte Glück zu beschreiben
Wie viel besser aber passt es
Wenn einer selig einschläft
Voller Vertrauen beim anderen
Der den Schlafenden bewacht
Es ist dies dabei einschlafen
Wenn der Traum auftaucht
Stärker ist als aller Wille noch
Das willenlos glücklich macht
Wo wir uns dann geborgen fühlen
Sind wir immer in Sicherheit wohl
Ganz angekommen beieinander
Können wir es Beischlaf nennen
So wache ich gern über den Schlaf
Der Liebsten im Arm oder Ohr
Als heimlicher Hüter ihrer Träume
Freue mich am echten Beischlaf
jens tuengerthal 5.11.2017
Samstag, 4. November 2017
Herbsterotiker
Im Herbst stirbt die Natur, die Blätter fallen ab, um im nächsten Frühjahr erst zu neuer Blüte zu kommen. Vorher lässt der Winter noch die erstarrte Natur ordentlich erfrieren und räumt so von den Bäumen, was der Herbst bis zur Wintersonnenwende nicht beseitigte. So geht der ewige Zyklus, der älter ist als das Menschengeschlecht und doch ein wunderbarer Spiegel unserer Natur.
Ob die Jugend der Frühling ist, in dem die zarten Knospen treiben, wie junge Brüste bei den Mädchen oder erste Erektionen beim Knaben und der größte Teil des Lebens dann ein ermatteter Sommer ist, in dem wir uns bei Hitze mühsam plagen und verbrauchen, voller Vorfreude auf den Herbst des Lebens, in dem wir alles nachholen wollen, was wir nie taten, bis wir im Winter des Alters vergehen, fragt sich wohl mancher und überlegt dann, warum wir uns nur lange Sommer je wünschten und nicht lieber einen ewigen Herbst leben, weshalb die meisten Menschen die Lust am Herbst verpassen in unvernünftiger Sehnsucht nach den Extremen.
Bin ein Kind des Herbstes, Ende September geboren, verbrachte ich im Bremer Herbst meinen erste Zeit, in grau feuchter Umgebung mit wenig Licht draußen, was mir vermutlich in den ersten Monaten meines Lebens, nicht viel ausmachte, da wir gehegt und gepflegt, sowie warm eingepackt werden, damit wir gedeihen, erst mühsam sehen lernen und das Grobe vom Feinen in ersten Blicken noch nicht unterscheiden könnenm suchen wir zunächst nach Konturen des Lebens.
Vielleicht haben im Winter geborene Kinder mehr von ihrem ersten Herbst, während ich Frühjahr und Sommer vermutlich als erste Erfahrung bewusst erlebte. Würde lügen, behauptete ich, mich daran zu erinnern und die Märchen vom Unterbewusstsein interessieren mich nicht auf der Suche nach dem Glück und der Freiheit. Weiß also nicht, ob es auf den Zeitpunkt der Geburt für meine Herbstliebe ankommt - so ist meine Liebste im späten Sommer geboren, den sie eher gar nicht mag, weil er ihr zu warm ist und sie liebt wie ich den Herbst über alles.
Ob es das bunte Laub ist oder die Wohligkeit bei Tee und Buch zuhause, wüsste ich nicht sicher, für mich zu unterscheiden oder gar die im Nebel verhangenen Landschaften, die weich gezeichnet werden. Aber ich liebe den Herbst, freue mich auf ihn wie auf meine Liebste und finde ihn die sinnlich schönste Zeit im Jahr, wenn es wieder Spekulatius zum Tee gibt, die Äpfel und Trauben reifen und damit die Früchte, die ich am höchsten schätze.
Die tropische Pampelmuse, die wir nur importieren, lasse ich mal außen vor, sie kommt aus Gegenden ohne oder mit weniger ausgeprägten Jahreszeiten als wir sie hier kennen, spielt darum keine Rolle für diese sinnliche Beziehung.
Die Kleider des Herbstes, die uns nicht ganz entblößen und die schönen Farben außen wie an uns, mich mal ausgenommen, der meistens ohnehin schwarz trägt, machen diese Zeit für mich zur ansehnlichsten, wenn ich als Flaneur durch die Straßen streife und die Menschen betrachte.
Die Franzosen sprechen vom kleinen Tod, la petite mort, und meinen den Höhepunkt der Lust damit, weil dieses Wort das füreinander und miteinander sterben dabei so trefflich beschreibt. Es ist dieses letzte Aufbäumen der Lust in größter Spannung, bis wir uns dann völlig gelöst ineinander ergießen.
So ist der Herbst in seinen bunten Farben und starken Schwankungen beim Sterben der Natur für mich der Höhepunkt des Jahres, der kleine Tod, in den sich die ganze Schönheit der Natur ergießt. Wer je den gemeinsamen Höhepunkt genießen durfte, sich ineinander ganz ergoß im gleichen Moment und sich danach gelöst befriedigt im Arm lag, wird das Bild des kleinen Todes vor sich sehen und wissen, was ich meine.
Dieser monatelange Orgasmus der Natur, bis zu ihrer postkoitalen Erschlaffung im Winter, der die Geburt wieder folgt, ist mir darum der erotischste Teil des Jahres und nichts ist schöner als ihn gemeinsam voller Hingabe zu genießen, nie kann die Sehnsucht schmerzvoll größer werden als in einsamen Herbstnächten.
Darum weiß ich, das spüre ich gerade genau, während ich die Liebste auf der grünen Insel so sehr vermisse, mich nicht in kühler werdenden Herbstnächten an sie kuscheln kann. So leide ich im Herbst am Vermissen mehr als das ganze Jahr und bin doch zugleich glücklicher als je, weil die Größe der Liebe so prächtig, eben herbstlich spürbar wird. Da reifen die Trauben unseres künftigen Wein der Liebe, färben sich die Gedanken in der Trauer mit allem Gefühl noch bunter, weil der Herbst alles intensiver macht und einfach wunderbar schön alles macht.
Der Herbst ist ein Sterben, da trauern manche und Rilke dichtete noch, wer nun kein Heim hat, findet keines mehr. Daran leiden manche, bekommen mit dem Nebel ihre Depression, der sie sich lustvoll hingeben, weil ja alles zu Ende geht. Der Epikuräer aber, den der Tod nichts angeht, weil er dann nicht mehr ist und dem was nicht ist, nichts macht, genießt das prächtige Sterben, in dem sich das Leben noch einmal in schönsten Farben zeigt, die Konturen weich zeichnet, wie in manch schwülstigen Erotikfimen der 70er und frühen 80er. Diese erotische Stimmung des Herbst zu genießen, sich ihr lustvoll auch in der Natur hinzugeben, ist alles, was sein kann, wenn wir einen Höhepunkt jenseits der arbeitsreichen Sommer suchen.
Die Lust im Herbst zu leben, heißt das Leben zu lieben in seiner Natur, worum ich mich gerne jedes Jahr wieder bemühe und wie glücklich bin ich, diese Liebe mit meiner Liebsten so zu teilen wie die unendliche Lust, die uns fliegen lässt miteinander als wäre immer Herbst im kleinen Sterben miteinander, das die Natur uns monatelang vorspielt.
jens tuengerthal 4.11.2017