Freitag, 10. November 2017

Stralauer

Bei diesigem Novemberwetter ging es mit dem letzten Licht des Tages los in Richtung der Halbinsel Stralau, die mir schon oft als Ort der Ruhe mitten im unruhigen Berlin gepriesen wurde.

Vom Helmholtzplatz, wie immer, lief ich über den Kollwitzkiez zur Schönhauser Allee, der ich bis zu ihrem Ende folge, dem ehemals Schönhauser Tor, von dem nur eine ausnehmend hässliche, nach ihm benannte Einkaufspassage blieb, die heute das Tor zum schönen Prenzlauer Berg bildet - einer der vielen nichtssagenden Neubauten, an dem ich die Torstraße überquerte, in der nur die Straßenbahnschienen inmitten an die früher hier Mauer als Erhöhung noch erinnern.

Vorbei an der Volksbühne, die direkt am heute Rosa Luxemburg Platz liegt, hier wird der Name zum Programm, an der nichts mehr vom Streik gegen den bösen Kapitalismus und den ungeliebten Intendanten zu sehen war, dem kleinen Aufstand, den das Linke nahe Umfeld dieses Theaters dort gerade noch inszenierte, bis der lange sehr geduldige Intendant dann doch räumen ließ, um wieder Theater zu spielen. Doch die nach Rosa Luxemburg benannte Straße hat mit dem Babylon noch einen Hort altlinker Ideologie - warb doch das Babylon Kino mit einem großen Plakat für die Filmreihe zum hundertjährigen Jubiläum der Oktoberrevolution, die selbst in Moskau nur wenige Ewiggestrige noch feierten.

Frage mich manchmal, wann die Ideologen der untergegangenen DDR den verbrecherischen Sozialismus und die mörderische Revolution endlich begraben, statt dieses große Verbrechen der Menschheit mit seinen Millionen Opfern noch weiter zu bejubeln, als hätte es irgendwas Gutes gebracht und sei nicht seine Überwindung der einzige Grund zu feiern. Darüber dachte ich auch nach, als ich das Plakat über dem Babylon sah und ging kopfschüttelnd weiter, der Sozialismus scheint in manchen Köpfen noch immer nicht tot zu sein, nur seine Millionen Opfer leben nicht mehr und werden durch solchen Kult der unverarbeiteten eigenen Geschichte weiter verhöhnt.

Die DDR war ein Satellit der UDSSR, ein Unrechtsstaat und so gut sich manche dennoch in ihr eingerichtet haben, so wenig die persönliche Biografie infrage gestellt werden soll, so klar muss der Staat von Mauer und Stasi als solcher verurteilt werden, weil er verbrecherisch war und seinen Bürgern grundlegende Freiheiten raubte, eine religiös anmutende Ideologie totalitär verbreitete. Dieser spießige angebliche Arbeiter und Bauern Staat, der real einer der Funktionäre und ihrer Günstlinge nur war ist 1989 untergegangen und seine Regierung von den Menschen auf der Straße gestürzt worden, zur großen Freude aller Deutschen, außer den Funktionären der DDR und ihren Zuträgern.

Warum einen dieser Geist in der Rosa Luxemburg Straße anweht - weil in der oberhalb parallel verlaufenden Kleinen Alexanderstraße im Karl Liebknecht Haus die sogenannte Linke, die eigentlich nichts als die SED Nachfolgeorganisation ist, ihre Bundeszentrale hat und den Geist der DDR als NOSTalgie über den Platz wehen lässt. Wie schön wäre es, wenn dieser Ungeist durch einen neuen Intendanten künstlerisch ausgetrieben würde und statt der Verklärung der Geschichte endlich Freiheit an der Volksbühne und ihrer Umgebung einzöge.

Eine Ende der Verklärung der lokalen Heiligen, als die Linke immer noch mit Vorwurf gegen die mörderischen Sozialdemokraten Rosa und Karl anbeten, wäre Berlin zu wünschen, das wirklich bedeutendere Menschen hervorbrachte, als diese beiden Sektierer mit radikal linker Ideologie, die 1919 unter unschönen Umständen umgebracht wurden. So wenig wie Horst Wessel sollten wir noch Rosa Luxemburg und Karl  Liebknecht verehren.

Über die Zitate von Rosa, die wie Stolpersteine nur eben unbescheiden meterlang in den Boden um die Volksbühne eingelassen wurden, stolpert wer von der Schönhauser Allee in Richtung Bahnhof Alexanderplatz läuft. Sie hat sicher nicht nur schlechtes gesagt, doch ist die Ideologie für die sie stand und die sie in Deutschland nach dem Krieg wie in der UDSSR einführen wollte, nicht rühmenswert und sollte dieser öffentliche Kult um die Spuren eines faktisch verbrecherischen Systems, was der real existierende Sozialismus überall auf der Welt war, wo dieser Glaube erzwungen wurde, endlich ein Ende haben und müssten sich alle Demokraten klar davon abgrenzen.

Die Sozialdemokraten jedoch mit ihrem ewig schlechten Gewissen, wie weit sie immer auch für den Tod verantwortlich waren, sei dahingestellt, werden sich hüten ihren Koalitionspartner aus der angeblich ganz linken Ecke, die in Wirklichkeit nur die reaktionäre eines untergegangenen Systems ist, zu verprellen, um künftig wieder linke Mehrheiten zu haben, auch wenn sie damit Millionen Opfer dieser Systeme verhöhnen und auch die eigene Kollaboration nie aufarbeiten. Das an diesem Ort festzustellen, ist immer noch nötig. Die Linke ist keine harmlose, nette Kulturpartei, die sich angeblich für Künstler und Arme einsetzt, sondern eine populistische Partei wie die AfD auf der rechten Seite.

Dies wird in Berliner Künstlerkreisen zumindest im Osten mehrheitlich anders gesehen und die linke Folklore wird als chic betrachtet, gehört eben dazu. Damit hat mit meiner heutigen Wanderung aber im weiteren zum Glück nichts mehr zu tun, wichtig ist nur, es an dieser Stelle klar zu betonen und nicht den totalitären Ideologen den Antifaschismus zugute zu halten, als legitimierte dieser Glaube alle Taten in seinem Namen. Es bleibt zu hoffen, dass die SPD merkt, dass die gerade gesuchte oppositionelle Annäherung sie langfristig in die Bedeutungslosigkeit führt.

Ohne mich weiter am Namen oder den Ideen der Namensgeberin zu stören, folgte ich der im übrigen längst gut kapitalistischen Rosa Luxemburg Straße bis zur Dircksenstraße , in die ich gen Osten abbog, um nach wenigen Metern die immer noch Karl Liebknecht Straße zu überqueren. Damit genug der Zumutungen für Demokraten und liberal denkende Menschen, denen solch totalitäre Ideologen und verklärte Heilige immer fremd bleiben werden. Am Bahnhof Alexanderplatz entlang kam ich nach Überquerung der Grunerstraße zum gut kapitalistischen Einkaufszentrum Alexa, dessen so große wie langweilige Ansammlung von immer überall gleichen Läden ich gen Osten durchquerte, um danach weiter der Bahnlinie zu folgen, bis diese zum Ostbahnhof abbiegt und die Straße dem Flusslauf folgt.

Von der leicht südlich in Richtung Ufer verlaufenden Dircksenstraße bog ich östlich an der Stelle, an der die Alexanderstraße kreuzt, östlich in die Holzmarktstraße ein, der ich am von dort nördlich gelegenen Ostbahnhof und diversen anderen Gebäuden vorbei immer weiter folgte, bis sie sich nach dem Stralauer Platz, der nichts am Verlauf der Straße ändert, dann Mühlenstraße unverfänglich nennt.

Dort beginnt dann auch die East Side Gallery, zwischen dem Ostbahnhof und der Oberbaumbrücke. Diese dauerhafte Freiluft Galerie ist das längste noch erhaltene Teilstück der ehemals ganz West Berlin umgebenden Mauer, mit der die realen Sozialisten ihr Volk vor der Flucht in den Wohlstand des Westens abhalten wollten, der immer für die meisten verlockender war als die eben totalitäre Ideologie des Ostens. Im Frühjahr 1990 wurde dieses 1316 m lange Teilstück der Mauer von 118 Künstlern aus 21 Ländern bemalt und zu einem Kunstwerk eigener Art, das viel von Berlins Geschichte zeigt.

Die Künstler kommentieren auf der dort ehemals dem Osten zugewandten Mauer die Geschehnisse um den Fall der Mauer im Jahr 1989/90. Anstelle der Originale stehen dort nur noch die 2009 hergestellten Repliken, was den guten Eindruck beim Vorübergehen nicht stört. Die eigentliche Grenze bildete das Kreuzberger Ufer der Spree. So befindet sich die Galerie auf einer sogenannten Hinterlandmauer, die schon die Annäherung an den Fluss verhindern sollte, damit die  eingesperrten Bürger gar nicht auf dumme Gedanken kamen.

Die Idee zu dem Kunstwerk war nach der Vereinigung der beiden Verbände Bildender Künstler im Westen und Osten entstanden als erstes gesamtdeutsches Kunstprojekt. So wurde die East Side Gallery noch mit offiziellem Auftrag des Ministerrats der DDR gegründet und internationale Künstler beauftragt. Die Galerie wurde am 28. September 1990 eröffnet, noch in der DDR, also vier Tage vor der Vereinigung, die ein Beitritt war. Zunächst sollte sie um die Welt geschickt und versteigert werden. Dieser Plan wurde nach der Vereinigung aufgegeben, stattdessen wurde die East Side Gallery im November 1991 unter Denkmalschutz gestellt.

Über die Mauer, ihren Erhalt und die Entfernung der Originale wurde wie üblich in Berlin lange und viel gestritten, ohne eine letztliche Einigung zu erzielen. Die Künstler gründeten Initiativen, mit denen sie an die Millionen der Lotto-Stiftung selbst kommen wollten, weil sie meinten, sie stünden allein ihnen zu, was einige der Sanierer unterstützten, aber dennoch nichts erreichte und so wurde irgendwann saniert, wenn auch unter großem Protest und mit Zerstörung einiger Kunstwerke durch die beteiligten, empörten Künstler selbst. Am Ende blieb das schöne Denkmal der Wendezeit, das immer noch viele Touristen anzieht, die auch an diesem Novemberabend den langen Weg nicht scheuten und vielfach für schöne Bilder vor der Wand posierten, was die Erstellung touristenfreier Fotos immer erschwert und viel Geduld erfordert.

Das Denkmal lebt auch durch immer wieder von aktuellen Sprayern angebrachte Tacs und einige der Künstler finden das auch wünschenswert, da damit das Kunstwerk weiter lebe und sich verändere, keine Mauer für die Ewigkeit sein solle.

Nach der Oberbaumbrücke, an der die Galerie endet, heißt die dort Bundesstraße 96a dann zielgemäß Stralauer Allee und führt am Süden des Friedrichshain entlang. Die Straße ist seit dem Alex ständig viel befahren, es ist laut und sehr städtisch. Im Wanderer wuchs die Sehnsucht nach Ruhe, die ich hoffte zumindest an der Spitze der Halbinsel Stralau zu finden, die dort zwischen Rummelsburger See und Spree liegt, die gemeinsam ein Gewässer von der Größe eines Binnensees bilden.

Die Stralauer Allee endet, wo sie auf den Markgrafendamm stößt, der zur dort Elsenbrücke führt, die nach Alt Treptow auf Höhe des Treptower Parks hinüber geht. Überquerte sie  etwas waghalsig auf dem Fahrradstreifen, da ich als Fußgänger erst nach Norden über die Stralauer Allee, dann gen Osten über den Markgrafendamm und schließlich wieder südlich die nun Alt Stralau genannte Straße hätte überqueren müssen, was mir, zugegeben, etwas umständlich und eigentlich sogar ziemlich unverschämt vorkam.

Überstand die Überquerung ohne größere Schäden oder ein Verkehrschaos auszulösen mit meiner Liebsten in Dublin im Ohr, die mich schon die ganze Strecke zärtlich aufmunternd und liebevoll begleitete. Bis hierhin war es ein zwar zügiger aber durch den ständigen Verkehrslärm und die immer wieder vorbei rasenden Rettungswagen oder ähnliche Signalhörner keineswegs entspannter Spaziergang. Die Berliner Luft ist dort eher schlecht und voller Abgase.

Der vorher Alexanderplatz, der literarisch so berühmt wurde durch Döblins Roman, auch wenn er in dem Buch so gut wie gar nicht vorkommt, war auch ein einziges Grauen zwischen den Resten der widerlichen DDR Architektur im Geist des Sozialismus, die bis auf wenige Ausnahmen wie den Fernsehturm besonders in ihren Platten immer unansehnlich bleibt und nur ein Denkmal des Schreckensregimes sind, was besser nachhaltiger beseitigt würde.

Konnte diesen Platz mit seiner hohen Kriminalitätsdichte, den immer wieder tödlichen Zwischenfällen, noch nie ausstehen. Nicht weil ich den Tod so fürchtete, sondern weil er einfach menschenfeindlich bebaut ist. Eine zugige Betonplatte mit ihrer Weltzeituhr inmitten, die noch den DDR-VEB Charme großartig verströmt. Gemacht für Aufmärsche und jubelnde Massen, die von der SED gesteuert werden sollten. Finde die Unfreiheit dieses Geistes dort so spürbar wie kaum irgendwo anders in Berlin. Am besten alle DDR Bauten um den Platz abreißen außer zweien oder dreien unter Denkmalschutz wie die Kongresshalle etwa. Was am Haus des Lehrers noch schutzwürdig sein soll, ist mir ein Rätsel.

Was nach der Wende an durchschnittlichen Märkten der großen Ketten und Einkaufszentren dort errichtet wurde, bestätigt diesen Eindruck noch. Es bleibt eine kalte Betonwüste, die leblos und ohne Charakter ist, durchschnittliche Waren anbietet und so tot ist wie die DDR, der schlicht alles Leben und jede Schönheit fehlt. Schrieb nur nichts sonst über den Alex, auch wenn an dieser Stelle, wo ich ihn ganz entlang lief, gute Gelegenheit gewesen wäre, über ihn zu berichten auch historisch betrachtet, weil ich diesen Platz wirklich hasse, was bei mir selten vorkommt, der immer bemüht ist, in allem noch das Schöne zu sehen. Dort gelingt es mir nicht und so will ich mich auch nicht daran erinnern, wie schön es einstmals dort war.

Etwa 1848 als Theodor Fontane noch in der alten Apotheke arbeitete, die gegenüber der Stelle lag, an der heute das langweilige Alexa liegt. Dort stand beispielsweise die einzige Barrikade, die bei den Unruhen am 9. März 1848 nicht erobert und besiegt wurde, auf ihr stand auch der später bei Hof hoch angesehene Fontane, worüber er dann lieber schwieg. Es gab dort Kasernen und ein Gefängnis, manch schöne Architektur an der Straße, die zum Schloss führte und benannt wurde der Platz 1805 nach Zar Alexander I. von Russland, dem Schwager des späteren Friedrich Wilhelms IV. und Schwiegersohn Friedrich Wilhelms III.

Aber dieser Platz ist und bleibt architektonisch ein Grauen und ist, wie der lange Weg nach Stralau am Ufer entlang, sehr städtisch, laut und hektisch und das Gegenteil dessen, was mich nun auf der Halbinsel der Seligen erwartete, wovon ich noch nichts ahnte, als ich die Kreuzung unter Einsatz meines Lebens überquerte. Schwärmen hatte ich mal eine Kollegin gehört, die auch ursprünglich aus Bremen kam und mit ihrer Tochter unbedingt dort hin ziehen wollte, raus aus der lauten Mitte. Verstand es damals nicht, war aber auch nie dagewesen außer einmal bei einem Fußballturnier mit meiner Tochter.

Stralau ist eine Ortslage des Ortsteils Friedrichshain im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Der Name geht auf ein altes Dorf zurück, das unter Namen Stralow hier entstand und 1920 Teil Groß-Berlins wurde. Archäologische Funde schon aus der Steinzeit zeigen, dass die wunderbare Halbindels der älteste Siedlungskern im heutigen Berliner Gebiet ist. Die wussten schon damals, wo es wirklich schön ist. Auch germanische und wendische Siedlungen dort sind belegt worden. Schon im 13. Jahrhundert wurde der Name Stralow erstmals belegt, wobei unklar ist, ob der damals erwähnte Ritter Thidericus von Stralow mit der Siedlung in irgendeinem Zusammenhang stand, was jedoch von Ritter Rudolf von Ystralowe vermutet wird, der sie wenig später erwähnte..

Auch für die erste Erwähnung des Fischerdorfes Stralau werden unterschiedliche Jahre genannt. So legte im Jahre 1288 der Markgraf Otto V. die Grenze zwischen Berlin und Rosenfelde neu mit dem Stralower Damm fest, der zumindest auf das Dorf Stralow verweist. Nur 70 Jahre später taucht im Jahre 1358 Stralow erstmals in einer Urkunde auf, als die damals noch Doppelstadt Berlin-Cölln das Dorf vom damaligen Besitzer, dem Ritter Nicolaus Batolpsdorf kaufte - vermutlich mit Bauern, da es doch rund 450 Jahre vor der preußischen Bauernbefreiung durch den großen Freiherren vom Stein war. Die im Boden der Halbinsel gefundenen Überreste einer Ritterburg aus dem 13. Oder 14. Jahrhundert deuten auch auf einen Rittergutsbesitz hin.

Historisch bekannt war immer auch der Stralauer Fischzug als ein großes Volksfest, das jährlich am 24. August, dem Bartholomäustag, eine Woche lang stattfand. Dies hängt damit zusammen, dass Kurfürst Johann Georg von Brandenburg in einem Edikt vom März 1574 das Fischen von Ostern bis Bartholomäus verbot. An diesen früheren Fischzug erinnert die Figur des Stralauer Fischers vor dem Rathaus Treptow aus dem Jahre 1916. Da das Fest jedes Jahr in wüstere Besäufnisse, Schlägereien und andere orgiastische Feierlichkeiten ausartete, wurde es schließlich 1873 vom Amtsvorsteher verboten. Nach einem kurzen Wiederaufleben des Festes 1923 beschlossen die Behörden, dass es doch besser wäre für Ruhe und Ordnung zu sorgen und verboten es wieder, als nach der Wende sich ein Freundeskreis um ein Wiederaufleben bemühte, mangelte es an Geld und Sponsoren, so starb auch dieser Versuch im Nichts.

Stralau und die am Nordufer gelegene Rummelsburger Bucht gelten als die Geburtsstätte des Segelsports in Deutschland. Hier wurden bereits 1830 die ersten Segelvereine gegründet, die erst später an den Wannsee und in die Umgebung zogen, wo es genug noch größere Reviere gibt. Immer noch finden sich einzelne auch Segelyachten an den Anlegestellen, die ich auf meinem Weg um die Stralau passierte.

Besonders der neue Bahnhof Stralau-Rummelsburg, der heute Berlin-Ostkreuz heißt, trieb die Entwicklung der Halbinsel voran. So gab es eine Brauerei, eine Glasfabrik, Werften und andere Betriebe des Handwerks. Von 1899 bis 1951 fuhr auch eine Straßenbahn auf der Stralau, die bis 1932 durch einen der ersten Unterwassertunnel unter der Spree bis nach Treptow führte. Gegen Ende des Weltkrieges war der Tunnel geflutet worden und wurde später nicht wieder in Gang gesetzt. Erhalten davon blieben nur die Tunnelstraße auf der Stralauer Seite, ein Hinweisschild mit einer Erklärung der Umstände und der Platz am Spreetunnel auf Treptower Seite.

Heute leben etwa 3000 Menschen auf der Halbinsel unter recht idyllischen Bedingungen, um 1910, als es noch Industrie hier gab, waren es noch über 4000 gewesen, während 1817 nur 76 dort siedelten. Als 1920 Groß-Berlin entstand, wurde aus den Teilen Stralau, Stralauer Viertel und Königsstadt der Bezirk Friedrichshain gebildet, der heute eins mit Kreuzberg wurde.

Kaum hatte ich die laute Straße verlassen und tauchte in die Welt der Insel ein, überlegte ich auch schon, wie ich das Dorf Alt-Stralau wieder verlassen, um am Flussufer die Halbinsel umrunden zu können. Die erste Chance vergab ich noch, weil ich mit dem Hinweis zu dem Parknamen nichts anfangen konnte, fürchtete, die Brücke führte mich nur auf die andere Spreeseite abe nicht an deren Ufer. Dann mit Hilfe von Google wagte ich den nächsten Stichweg, der zwar auch noch mehr nach einer Einfahrt der vielen quadratischen Neubauten hier aussah und kam ans traumhaft schöne Ufer. Ganz von Ferne nur hörte ich noch den Lärm der Straßen, die ich gerade verließ, sanft plätscherten die Wellen der Spree gegen das Ufer, hier und da schaukelte ein kleines Motorboot, Trauerweiden ließen ihre hängenden Äste über dem Fluss baumeln und bewegten sich im sanft herbstlichen Wind eher schüchtern vornehm.

War in einem ruhigen, vornehmen Paradies angekommen und genoss die Ruhe dort nach der Hölle des Weges über den Alex und die viel befahrenen Straßen entlang um so mehr. Nichts als ein Plätschern, mal das Quaken einer Ente, das Rauschen des Windes in den Weiden, die dort standen und mit den Trauerweiden um die Wette sich hängen ließen.

Bis zur Dorfkirche kurz vorm Ende der Halbinsel flanierte ich so ruhig am Ufer, begegnete einigen viel zu hektischen Joggern, die mich wieder verstehen ließen, warum ich lieber lange Strecken flanierte als kürzere Zeit hektisch zu rennen. Auch einzelne ältere Menschen, die sich oder ihre Hunde spazieren führten, traf ich dort und konnte in die Häuser am Weg sehen - neue Bauten aber nicht höher als drei Etagen, über die sich schicke Wohnungen mehr oder weniger spießig eingerichtet verteilten. Weniger Lichterketten oder Gartenzwerge als im Wedding und, oh Wunder, einige ganz ansehnliche Bibliotheken, zumindest von Menge und Ansicht aus der Ferne, über Inhalte kann ich natürlich nichts sagen, da ich mich hütete, sie nah heran zu zoomen, doch schien so manche Wohnung relativ kultiviert eingerichtet, während in anderen nur riesige Fernseher leuchteten und das trotz dieser traumhaften Aussicht auf das Ufer, aber, was du immer hast, weißt du selten auch zu schätzen.

Die Dorfkirche und der sie umgebende Friedhof zwangen mich dann, ein wenig Abstand vom Flussufer zu nehmen, um diese älteste Dorfkirche Berlins zu umrunden und zu würdigen. Die Kirche wurde 1462 fertiggestellt und natürlich traditionell am Bartholomäustag, dem 24. August, geweiht. Sie steht etwa 500m vor dem Ende der Landzunge auf der Stralau. Der weithin sichtbare Glockenturm ist nicht alt sondern neugotisch aus dem Jahre 1834 nach Plänen von Langerhans gebaut worden. Auch sonst erfuhr das Gotteshaus einige Veränderungen in seiner Geschichte und sichtbar alt sind nur noch der einschiffige Mittelbau und der diesen abschließende Chor in schlichter Schönheit.

Groß stehen vor der Kirche die Stelen, die von ihrer Geschichte stolz erzählen als sei sie mindestens ein Speyrer Dom diese kleine Dorfkirche auf der Halbinsel. Der Chor zeigt die typische Gestaltung der Kirchen in der Spätgotik, wie sie sonst in Berlin nur noch die Dorfkirche in Dahlem aufweist, in der ich vor kurzem die Taufe der Tochter meines besten Freundes erleben durfte, da mich sonst in diese Tempel des Aberglaubens wenig zieht als die Kunstgeschichte, wo sich in und um Berlin der Besuch selten lohnt, wofür der gruselige Berliner Dom immer noch das beste und abschreckendste Beispiel ist. Auch für den Geschmack der DDR Regierung, die dieses Machwerk des späten Wilhelminismus stehen ließ aber das schöne Schloss daneben abriß, um ihren unterdurchschnittlichen Palast der Republik an die Stelle des Schlosses zu platzieren - zumindest gaben sie damit dem folgenden Alexanderplatz mit Dom und ihrem Palast einen an Hässlichkeit kaum zu überbietenden Eingang, den sie dann doch noch dort zu unterbieten schafften.

Der in der Kirche vorhandene spätgotische Altar kam erst nach 1962 dorthin, als der dortige Pfarrer ihn auf Hamsterfahrten in die Umgebung wiederentdeckte und die Gemeinde Finsterwalde diesen der gerade renovierten Kirche schenkte. Der Taufstein, der auch spätgotisch, wohl möglich sogar älter als die Kirche ist, wurde aus dem Märkischen Museum zurück auf die Insel geholt und eine Orgel haben sie auch noch, aber dies ist alles nur theoretisch, ich betrat die verschlossene Kirche nicht, sondern lief lieber wieder ans Ufer und folgte diesem die letzten Meter bis zu seinem Ende, um dann an der anderen Seite zurück zu gehen. Von dort sind dann auch die beiden Inseln, der größere Kratzbruch und die kleinere Liebesinsel zu sehen.

Folgte dem wunderbaren Weg an der Küste der Halbinsel entlang und es war zeitweise wie ein Hafenspaziergang, die Boote klapperten am Rand, ich blickte auf den Rummelsburger See wie die Bucht nördlich der Halbinsel heißt und nach Rummelsburg hinüber, wo die neuen Siedlungen bis ans Ufer reichten. Lief um die See genannte Bucht, gen Rummelsburg herum, betrat dieses ein Stück nach der Biegung des U auf der anderen Seite, der Stralau gegenüber, warf noch einen Blick zurück auf dieses Paradies der Ruhe und Entspannung, bevor ich mich wieder in die Stadt stürzte.

Die Marktstraße führte mich von dort zur Boxhagener Straße, der ich teilweise folgen wollte. Teilweise nur, weil  ich endlich auch den berühmten Boxhagener Platz umrunden wollte, dessen Berühmtheit mir danach noch schleierhafter ist. Aber was für ein Wechsel, von der ländlich ruhigen Insel, an der Schiffe am Rand und Bäume noch das lauteste waren, mitten in die Boxhagener im Friedrichshain. Diese wird von der Straßenbahn durchquert, dazwischen Autos und Rettungswagen, die mit vollem Presslufthorn um die Aufmerksamkeit der Massen ringen, die sich hier von Kneipe zu Bar und Späti schleppen, um ihren Spaß zu haben.

Dett ist eben Berlin, massenhaft Partyvolk auf der Suche nach der neuesten Action, reichlich bekifft oder betrunken, obwohl Donnerstagabend nur. Daneben einige Anwohner, die ihre Einkäufe genervt an den Horden vorbei transportieren wollen oder mit dem Herren vom Späti sich um eine Diskussion bemühen. Ähnlich wie auf meinem Berg nur etwas jünger und wilder, nerviger und hektischer. Späti wechselt sich mit Bar, Kneipe, Restaurant, Schnellimbiss, Boutique und Tattoo-Studio ab. Wird mir immer ein Rätsel bleiben, warum sich so viele nicht gerade schöne Menschen noch zusätzlich durch diese grässlichen ewigen Körpergemälde verunstalten müssen. Es ist halt geil und Mode ein Tattoo zu haben, bei manchen zumindest und so wird diese schon länger Mode der Matrosen und Hafenarbeiter zu einer der Massen und dadurch noch lächerlicher und Mitleid erregender.

Verließ die zu laute Boxhagener so bald es ging, nur leider eine zu früh, was ich dann aber mit Googles Hilfe, Google sei Dank, wieder korrigieren konnte und beim dritten Versuch bei meinen Wanderungen im Friedrichshain endlich den Boxhagener Platz fand. Naja, Platz im dunkeln halt. Wenige nette Bäume, einige Lichter an Bars und Pinten drumherum, nicht hässlich, aber auch nichts irgendwie besonderes, ein Platz mitten in Berlin eben, hässlicher als der Helmholtzplatz natürlich aber wohl hipp, auch des sonntäglichen Flohmarkts wegen - vielleicht muss ich noch mal wiederkommen.

Verließ den Szenekiez über die Straße nördlich des Platzes, lief auf ziemlich direktem Weg dann zum Volkspark Friedrichshain, den ich durchquerte, um dann durch Bötzow Kiez, Wins Viertel und Kollwitz Kiez zum heimischen Helmi zu kommen, an dem ich mir nach gut 30 km einen schönen Riesling vor dem Misirlou gönnte.

jens tuengerthal 9.11.2017

Mittwoch, 8. November 2017

Geschlechtlich

Nun gibt es mindestens drei Geschlechter oder noch mehr, wie das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe just beschied auf die Verfassungsbeschwerde eines Bürgers hin, der sich von den Behörden diskriminiert sah.

Darum müssen nun alle Formulare geändert werden, Behörden sich umstellen, alle ihr Denken ändern, es wird viel kosten und die Reaktionäre werden wieder nölen, ob dieser Links-Grüne Unsinn denn sein müsse und wenn sie rechtsradikal sind, werden sie alles Links-Grüne noch versifft nennen, weil alles, was von der Gewohnheit abweicht, doch nichts taugen kann.

Fragte mich wer, wie ich das denn finde, würde ich sagen, dass es bei Dingen der Natur und ihrer Wahrnehmung nicht um mein Empfinden sondern um Fakten geht. Genau wie keiner mehr wegen seiner Religion oder Rasse ausgegrenzt werden darf, dies eine Straftat darstellte, muss es auch beim Geschlecht sein und steht so wörtlich im Grundgesetz in Artikel 3 III, der das Geschlecht sogar zuerst nennt. Finde die Entscheidung also nicht verwunderlich sondern nur logisch und konsequent.

Schon die alten Griechen benannten die Hermaphroditen als zweigeschlechtlich nach ihren Göttern Hermes und Aphrodite. Ovid erzählt die Geschichte vom schönen Hermaphroditos, in den sich die Nymphe Salmakis verliebt und die daraufhin mit ihm von den Göttern Hermes und Aphrodite, die sie um Hilfe rief, zu einem doppelten Geschlecht vereint wird, während sie im See baden, damit nichts sie mehr trennen könne und der so verwandelte Jüngling wünscht sich von seinen Eltern, dass es jedem Knaben, der künftig dort bade, genauso ergehen solle

Es gibt viele Varianten des Seins und wenn wir nicht nach dem Geschlecht diskriminieren dürfen, meint das eben nicht nur die neue #MeToo-Hysterie als Betroffenheits-GAU sondern auch die Offenheit für neue Formen des Seins, die in kein Schema passen. Finde das gut so und es zeigt, wie lebendig eine Gesellschaft ist, wenn das Denken auch die Richtung wechseln kann - geben wir den Gedanken diese Freiheit, können sie sich ungestört entfalten.

Alle die das Denken beschränken oder in geistigen Schranken leben, wie Trump es mit seinem Verbot für das Dritte-Geschlecht in der Army jüngst wieder bewies, offenbaren nur ihre Armut und zeigen sich als Verlierer der Evolution, die längst über sie hinweg ging. Wie es ein Putin mit seiner Intoleranz gegenüber Homosexuellen beweist und es die chinesische Führung auch immer wieder zeigt.

Es gibt Zeiten, in denen die Zurückgebliebenen wie Trump und seine Anhänger mehr Zulauf finden, weil nicht jeder fähig ist, flexibel zu denken und sich neuen Bedingungen zu stellen - doch sind diese auf die Evolution betrachtet völlig unbeachtliche Ausreißer, die sich überleben werden. Der höhere Zuspruch für die Partei der starren, unflexiblen Geister im Osten Deutschlands zeigt, wie nachhaltig und langfristig Diktaturen dem Denken und damit der Entwicklung schaden, sie ganze Kulturen stagnieren lassen, wie bei Polen und Ungarn auch zu beobachten ist.

Gut, wenn das Bundesverfassungsgericht nun dem stagnierenden Stand der Richter auch bestätigte, wie falsch er lag, eine Diskriminierung weiter für zulässig zu halten. Vielleicht können sich diese nun im Sinne der Evolution zu höherer Flexibilität weiter entwickeln, um ihr Überleben zu sichern, die Notwendigkeit ihrer Existenz zu begründen, darwinistisch gesprochen. So wird es den Pegiden mit ihrer Furcht vor dem linksgrünversifften Multikulti auch gehen. Dieser kleine Ausreißer der Evolution als stagnierendes Element mit geringer Offenheit für Veränderung, wird sich als zu unflexibel bald von alleine überleben und auch das drückt das neue Urteil treffend aus, Intoleranz hat sich erledigt.

Es gibt viel mehr als wir gewohnt sind und das ist gut so. Die Zukunft gestaltet, wer offen bleibt und lernt mit Neuem umzugehen, während die Unflexiblen nur Verwalter des eigenen Nachlass einer aussterbenden Gesellschaft sind. Eine vielleicht Randnotiz in den Geschichtsbüchern, mehr nicht.

Wir können nun in Ruhe beobachten, wie sich das Denken auch zum Thema Geschlecht weiter verändern wird und das wird auch den Umgang miteinander wie mit Rollen und Mustern verändern, die wir gewohnt sind. Gut so, davon leben wir und damit überleben wir besser. Spannend wird dabei auch die Diskussion werden, wieviel Rolle tatsächlich genetisch bedingt und damit angeboren ist und welche Teile durch eine wie auch immer geprägte Erziehung bedingt sind.

Was ist wirklich unsere Natur im Geschlecht und wo verhalten wir uns den Mustern unserer Erziehung entsprechend?

Es ist gut manchmal ein wenig aus der Rolle zu fallen, um seinen eigenen Weg zu finden, der selten vorgegebenen Mustern entspricht. Sicher darf es nicht nur um Selbstfindung gehen, sollten wir solche Bedürfnisse auch anderen Aufgaben unterordnen können - doch ist immer leistungsfähiger, wer in sich ruht.

Diktaturen zerstören die Kreativität. China ist meisterhaft in Plagiaten und schwach in der Innovation. In Russland zeigt sich ähnliches. Die Amerikaner, die Trump folgen, bewegen sich auch auf dem Pfad der simplen Antworten, die keinen Fortschritt bringen. Wie gut, wenn Europa noch für Entwicklung des Geistes, Flexibilität und Offenheit steht und wer das nicht versteht, sollte sich aus Europa in die intoleranten Regionen verziehen, hier braucht sie keiner.

So werden all diese intoleranten Regionen der Welt geistig immer träger und weiter abgehängt werden, wie hochgerüstet und reich sie auch sein mögen, sie sind für die Entwicklung des Menschen nicht von Interesse, an dessen Spitze ihrer toleranten Flexibilität wegen lange die USA standen. So sehe ich dies Urteil zum Geschlecht und seiner Vielfalt im globalen Kontext und denke Europa ist auf einem guten Weg und kann sich solche Ausreißer für die Zurückgebliebenen wie AfD und FN auch mal leisten, die lediglich Grabpflege auf dem Friedhof der Ideologien betreiben.

jens tuengerthal 8.11.2017

Liebesgröße

Wie groß ist die Liebe
Die ich mit dir endlich fand
Reichen meine Worte dafür
Oder genügt nichts auf der Welt

Größer als alles was ich kannte
Größer als ich hier nur dichte
Größer als mein Leben allein
Größer als alle meine Träume

Habe alles mit dir gefunden
In dir fühle ich es noch mehr
Unter dir kommt es uns beiden
Nach dir kommt nichts mehr

Weiß es nicht zu beschreiben
Bin einfach unendlich glücklich
Was eben unbeschreiblich bleibt
Weil diese Liebe kein Ende hat

So lehne ich mich nun zurück
Genieße ganz ruhig was ist
Dankbar für die große Liebe
Ist das Leben wunderschön

Muss nicht mehr dazu sagen
Weil wir wissen was wir haben
Das Glück in Sehnsucht genießen
So bleibt die Liebe stets größte

jens tuengerthal 8.11.2017

Dienstag, 7. November 2017

Oktobermörder

Hundert Jahre Oktoberrevolution - kein Grund zum Feiern, sage ich ganz entschieden, der mörderische Weg zur Diktatur der Proleten zerstörte viel Kultur und seine Folgen sind bis heute nicht ganz überwunden.

Das fängt schon mit dem Datum an. Im Oktober war diese Revolution nur nach dem völlig veralteten und überholten julianischen Kalender aus der Zeit Julius Cäsar, den die orthodoxe Kirche noch nutzt, weil sie so rückständig ist und nicht den reformierten und verbesserten Kalender benutzen will, der nach Papst Gregor heißt, den sie nicht anerkennen. Es geht also nur um Formen der Intoleranz im Aberglauben und Russland richtete sich eben, rückständig wie es war, nach dem veralteten Kalender und die Orthodoxie tut das bis heute.

Die Oktoberrevolution war also seriös gezählt eine Novemberrevolution und der Rest ist schlicht alter Aberglaube, mit dem wir klugerweise so wenig wie möglich zu tun haben wollen.

Um die Ereignisse, welche die Massenmörder Lenin und Stalin und ihre totalitäre Partei mit  dem primitiven Anspruch, die auf der schlichten wie falschen Philosophie eines Marx aufbauen wollte, an die Macht brachte, mache ich lieber einen großen Bogen. Zwar wird manches schwadroniert, was nach der Auslegung Hegels klingt, der in seinem Irrtum Kant zu vollenden in seinem schlicht schwäbischen Denken, aber zu uninteressant und bis heute weit überschätzt wird, weil die Gläubigen seine wirren Lehren als Rechtfertigung nutzen konnten, statt mit Kant konsequent von jedem höheren Wesen in Ethik und Moral Abschied zu nehmen.

Auch der Aberglaube aus dem Hause Marx, der sich Kommunismus nannte und sich nur atheistisch wähnte, tatsächlich aber nur ein primitiver Aberglaube auf materialistischer Grundlage war, ist zwar aufgrund seiner mörderischen Folgen historisch bedeutend, inhaltlich aber für jeden vernünftigen Menschen vernachlässigenswert. Sogar die ihm noch von manchen lange zugute gehaltene Analyse der Verhältnisse ist im Lichte ihrer dogmatischen Einordnung real wertlos.

Die Oktoberrevolution erinnert nur daran, wie mörderisch Menschen auch unter sozialen Vorzeichen sein können,  wenn sie meinen eine wahre Lehre zu vertreten. Von diesem Irrtum könnte die Beschäftigung mit der primitiven Kultur des kommunistischen Aberglaubens und seiner Nachfolger, die sich real sozialistisch nannten, heilen, so die Gläubigen lieber selbständig und kritisch dächten.

Der Grundsatz Kants aus seiner Antwort auf die Frage, was Aufklärung sei, gilt auch hier - es geht um die Befreiung des Menschen aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit, jenes berühmte sapere aude, das auffordert endlich Mut zu haben, selbständig zu denken. Unmündigkeit ist die Unfähigkeit sich seines Verstandes ohne Hilfe anderer zu bedienen und selbst verschuldet ist sie, wenn sie nicht aus dem Mangel an Verstand sondern bloß der Unfähigkeit, ihn zu nutzen beruht, die auf Faulheit und Trägheit zurückzuführen ist.

Mehr gibt es zum heutigen Gedenken nicht zu sage. 100 Jahre Oktoberrevolution sind hundert Jahre Angst und Schrecken durch Mörder im Dienste einer totalitären Ideologie, die sich gut wähnte, weil sie sich sozial nannte, als sei die bloße Handhabung der Vermögensverhältnisse ein Wert an sich, was sie nie waren. Der Kommunismus ist tot, der Sozialismus auch und hat vor allem keine Zukunft in der Freiheit. Wie gut, dass der linke Spuk ein Ende fand, zumindest in Europa. China ist da noch ein wenig zurück auf der Stufe der Zivilisation und dank der religiösen Jünger Marx und seines Apologeten Mao noch weit davon entfernt eine zivilisiert freiheitliche Kultur zu werden, so gesehen ist es noch in einem primitiven Zustand, wie er den früheren Jahrhunderten unserer Hochkultur entspricht.

jens tuengerthal 7.11.2017

Nebelwanderer

Laufen, laufen, laufen, durch die Nacht, durch den Nebel, durch die Nacht

In der längst Dunkelheit am Platz gen Mitte losgelaufen, schien die Nacht noch klar wie der Tag sonnig, doch je weiter ich den Berg hinab gen Mitte kam, desto mehr, schien es sich zu bewölken. Die Museumsinsel lag schon im leichten Dunst als ich sie über die Brücke an der Alten Nationalgalerie betrat, der nicht mehr ganz runde Mond dort oben wirkte leicht umflort, als wüsste das Wetter noch nicht, was werden soll.

Ahnte nicht, was mich bald erwartete, lief am Haus der Kanzlerin vorbei, bewunderte zuvor noch die schlanken Säulen des Neubaus zwischen Pergamon und Neuem Museum. Nebel schien nur um die Koalition zu liegen, die noch verhandelt, ob sie sich die nächsten vier Jahre vertragen möchte - die Spree dagegen lag still und starr, als  wäre sie bei den deutlich gesunkenen, sehr herbstlichen Temperaturen bereits gefroren.

Am Reichstag hinab zum Fluss, zwischen den Häusern der dort Abgeordneten hindurch am südlichen Ufer war die Sicht noch klar aber es wurde langsam feuchter in der Luft. Nach der dem Feldmarschall Moltke geweihten Brücke zum Kanzleramt am Wasser flanierend stieg erster Dunst in Schwaden auf, doch schien alles vor mir noch klar. Auf dem dunklen Weg zwischen dem Haus der Kulturen der Welt, ein Name, der schon wie verzaubert klingt, und Schloss Bellevue schließlich stieg der Nebel aus Fluss und Wiesen, legte sich wie ein weißer Schleier über die Landschaft.

Die große Stadt wurde weichgezeichnet, verlor ihre Ecken und Kanten, alles hüllte sich langsam in zarte Watte. Der einsame Wanderer mit seiner Liebsten in Dublin im Ohr folgte dem Ufer bis zum Schloss, schaute fasziniert gen Siegessäule, die schon unsichtbar war, überquerte die Lutherbrücke, auf der sich das Spiel von Licht und Nebel in den alten Laternen so wunderbar zeigte, schaute noch weit über den Fluss, dessen anderen Ufer er nun folgen wollte.

Dort am schön beleuchteten Magnus Hirschfeld Ufer wurde der Nebel langsam aber stetig immer dichter, vorbei an den Wohnungen der Abgeordneten in ihren Neubauten von halbrunder Form zwischen Ufer und S-Bahn, kam das blumig schöne Denkmal für die verfolgten Homosexuellen inmitten und war schließlich das Kanzleramt bereits in den Nebel eingetaucht. Das weißgrau umgab mich feucht kühl, wärmend nur die Stimme der Liebsten im fernen Dublin und wie groß wird die Sehnsucht des Wanderers, wenn er allein im Nebel spaziert, dessen kalte Feuchtigkeit immer zudringlicher wurde, der mich umgab, als liefe ich in Wolken.

Auf Höhe des Bahnhofs dann wieder aufgestiegen vom Fluss, um auf der Hugo Preuß Brücke die Einmündung zum Nordhafen zu überqueren. Sah den Bahnhof und die ganzen neuen Häuser um ihn bereits vom Nebel eingehüllt - die sonst klare Formensprache moderner Architektur schien romantisch weichgezeichnet, als hole sich die Natur mit einem starken Atemzug zurück, was ihres immer bleibt, stiege die, von manchen Urmutter genannte, aus der Spree und legte ihr weißes Band über alles.

Menschen bauen Städte, in denen die Natur unbemerkbar manchmal wird. Ihr Werden und Vergehen nur beim Besuch im Park noch sicher sichtbar ist, zwischen den Häusern aber, den Bürotürmen und Bettenburgen am Bahnhof im ehemaligen Grenzgebiet, scheint sie verdrängt und das Wetter egal, bis es plötzlich sich wieder über alles legt und die Landschaften der vermeintlichen Zivilisation weichspült im Nebel, bis sie ganz darin verschwinden. Nichts wird der Mensch im Nebel, der alles bedeckt, die Orientierung nehmen kann und manchen Wanderer schon in die Irre führte.

Der Wanderer kannte den Weg am Flussufer und doch erkannte er seine Stadt kaum wieder, als immer mehr verschwand im weißen Dunst, klare Linien, wie sie in der Hauptstadt des früher Preußens sonst vorherrschen, verschwanden unter dem überall Weichzeichner der Natur, manches wurde schon unsichtbar - vom Fernsehturm, der sonst immer Orientierung auch im nächtlichen Berlin, war nichts mehr zu sehen.  Die klaren Kanten der Angeordnetenhäuser in ihrer schicken modernen Architektur verschwammen mit dem immer noch starren Wasser im Nebel zu etwas unklarem.

Wieder durch die Mitte in Richtung Ackerstraße, schien der Nebel weniger, bis ich mich über die Ackerstraße dem Gesundbrunnen näherte und am dort Humboldthain vorbei lief aus dem, als habe sich die Natur an ihren letzten Wohnorten in der Stadt aufgerafft, die große Stadt weich zu zeichnen, die weißen Schwaden sich über den alten Arbeiterstadtteil legten. Die S-Bahngleise hinunter an der Wiesenbrücke leuchtet sonst in der nahen Ferne schon das Gesundbrunnencenter durch die Nacht - heute waren es nur matte Lichter irgendwo ohne Form. Über die Brücke der dort vielen Gleise, hatte sich der Nebel bereits weit gelegt, das unendliche Gewirr von Schienen und Tunnels, Brücken und Wegen verschwand an den Rändern bereits völlig, der alte Grenzübergang an der Bornholmerbrücke, war nicht mehr zu sehen. Die Baustellen am Rande des Mauerparks, um die so lange gekämpft wurde, verschwanden weichgezeichnet im Nebel mit wenigen noch sichtbaren Lichtern.

Auch der heimatliche Platz schien bei der Rückkehr weichgezeichnet, noch war nichts verschwunden, der Nebel brauchte vom Fluss bis auf den Berg ein wenig, als der einsame Wanderer mit der Liebsten im Ohr das gemeinsame Haus schließlich nach 22 km wiederfand, froh der feuchten, kühlen Landschaft ins trockene wärmere Heim zu entkommen.

So nimmt sich die Natur im Nebel die Landschaft wieder und verbirgt alles, was uns sicher scheint im weißen Dunst, der sich wie Watte über alles legt. Dies mag nur eine Illusion sein und wenn sich der Nebel am Morgen wieder verzogen hat, wird vermutlich alles noch an seinem Ort stehen, doch zeigt sie uns zugleich, wie klein wir sind und wie wenig mehr als eine Nebelschlussleuchte wir ihr entgegen stellen können, wie vergeblich alle Versuche, sie zu beherrschen sind. Ob es darum illusionär ist, zu meinen, wir könnten das Klima durch Wohlverhalten beeinflussen oder Katastrophen vermindern, wenn wir mehr auf die Natur hören, möchte ich nicht sagen. Im Gegenteil macht der Nebel mich eher bescheiden, weil er deutlich macht, wie schnell die Natur alles, was uns sicher und fest scheint, zumindest für das Auge verschwinden lässt und wie wirklich ist die so Wirklichkeit schon?

jens tuengerthal 6.11.2017

Lustwanderung

Mit der schönsten Frau im Ohr
Durch Berlin wandern ist schon
Glück genug doch wie viel mehr
Wird es wo wir Lust dabei teilen

Zärtlich plauderten wir verliebt
Die Spree hinunter und hinauf
Vom Reichstag bis Bellevue
Genossen wir unsere Liebe

Doch die Leidenschaft wuchs
Auf der Ackerstraße noch mehr
Von Lust gepackt streicheltest
Du dich durch Worte verführt

Als ich die Mauer überquerte
Mit dir durch Gesundbrunnen
Am Humboldthain vorbei lief
Kamst du gleich zweimal noch

Stöhnte dir ins Ohr und erzählte
Was ich täte auf menschenleeren
Straßen lauter noch am Parkrand
Bis mich eine Fußgängerin überholte

Dann stöhnte ich lieber nur leiser
Bis zum Gesundbrunnen Center
Warst du nach zwei Höhepunkten
Selig befriedigt voller Zärtlichkeit

Durch die Wohngebiete wieder
Plauderten wir unauffällig zärtlich
Begleitetest du mich bis zu uns
Um dann glücklich einzuschlafen

Welch Glück auch die Lust so
In der Ferne teilen zu können
Wie glücklich bin ich wie wenig
Genügt sich unendlich zu wollen

Beim wandern siehst du die Welt
Wie schön wenn diese dann geteilt
In allem so innig Erfüllung findet
Worte zur Befriedigung führen

jens tuengerthal 6.11.2017

Montag, 6. November 2017

Paradiesisch

Schlagzeilen macht die neueste Neiddebatte, weil Journalisten mal wieder Papiere offenbaren, welche die Steuertricks der Reichen offenbaren, unter denen sich auch ganz große Figuren der Geschichte befinden wie etwa Queen Elisabeth II. - Tratsch eben mit Prangerwirkung und hohem Neidfaktor. Die billige Sorte für selbstgerechte Linke wie Jakob Augstein, den Erben des bekannten Augstein vom Spiegel, der sich gern anders inszeniert als selbst Herausgeber in Berlin, auch wenn er damit nichts zu tun hat und nur die 400 wunderbaren Kollegen bejubelt, die hier im Stil der schlechten Regenbogenpresse den öffentlichen Pranger wieder einführen.

Es wird sich über die bösen Reichen und Superreichen erregt, die Steuern vermeiden wollten, weil sie ja so asozial wären, auch wenn sie im gestaffelten System schon viel mehr als alle anderen ohnehin zahlen. Als verpflichtete Eigentum und Verdienst dazu, es mit der Gesellschaft zu teilen. Dies zutiefst sozialistische Denken scheint immer noch in vielen Köpfen zu stecken, was schon bei der Affäre um Hoeneß deutlich wurde. Keiner dieser Schreihälse und Ankläger käme auf die Idee, selbst Verantwortung zu übernehmen, seine Rücklagen oder sein Vermögen freiwillig zugunsten der Gesellschaft oder wohltätiger Zwecke einzubringen - dafür regen sie sich lieber über andere auf, die ihr Vermögen, auch wenn ganz legal, nicht übermäßig besteuern wollen, wenn es Wege dazu gibt.

Im Fall Hoeneß ging es um die Straftat eines einzelnen, der dafür angeklagt wurde und die Haft verbüßen musste. Darüber zu berichten, war angesichts der Prominenz des Täters in Ordnung und er hat sich die Folgen, durch sein voriges Verhalten selbst zuzuschreiben. Wusste um seine Spielsucht und hat die Zeit selbstkritisch genutzt, ist nun wieder als Kopf der Bayern in Amt und Würden, muss als Repräsentant mit erhöhter Aufmerksamkeit leben.

Hier jedoch werden gierig die Steuerdaten von Privatpersonen veröffentlicht, die zumindest indirekt der Steuerhinterziehung öffentlich verdächtigt werden, sicher aber an den Pranger gestellt werden, auch wenn ihr Verhalten völlig legal war. Dies ist ein moralischer Pranger, der hauptsächlich der Verurteilung von Reichtum dient, um Leistungsträger der Gesellschaft im Wege der Neiddebatte moralisch anzuklagen.

Es wird dabei auch um Unternehmen gehen und die auf Schlagzeilen geilen Medien werden wieder exzessives namedropping betreiben, als würde das jemand helfen oder zu irgendwie mehr Gerechtigkeit führen, nicht nur den Kampf um Auflagen wiederspiegeln.

Es ist gut und wichtig für eine Demokratie eine freie Presse als vierte Gewalt und Kontrollorgan zu haben. Ohne diese fehlte etwas für die Kontrolle der Regierung. Darum ist die Presse oder heute eher die Medien, wie auch immer sie sich nun verbreiten, die Druckerpresse braucht es dazu immer weniger, im Grundgesetz besonders geschützt. Dies soll der Freiheit dienen und nicht der moralischen Aufsicht oder Diktatur, wie es die Medien in Diktaturen immer taten. So verbreitete das Neue Deutschland die Regierungslinie der DDR und ist heute das Organ der Linken, wie es der Stürmer im Nationalsozialismus war.

Das an dieser Aktion mal wieder die Süddeutsche Zeitung beteiligt ist, die in etwas unklaren Besitzverhältnissen mit der SPD Medienholding immer noch verschlungen bleibt, auch wenn beide Seiten sich gern öffentlich davon distanzieren, macht den moralischen Druck besonders anrüchig.

Eine Partei, die gerne im Wahlkampf die moralische Karte spielt und über eine Reichensteuer schwadroniert, freut sich, wenn die bösen und gierigen Kapitalisten und Reichen öffentlich angeklagt werden, es spielt ihr zumindest moralisch in die Karten, auch wenn es diesem eher kopflosen Haufen vermutlich sachlich nichts nutzen wird, weil es an Führung so sehr wie an Inhalten fehlt, die Sozen froh sein können, wenn sie Merkel dienen dürfen.

Aber jenseits solch kleiner parteipolitischer Spitzen und des Geschachers um die Macht im Bund, wie wir es gerade erleben dürfen, fragt sich, wie es um ein Land bestellt ist, in dem die öffentliche moralische Anklage anderer auch durch ein Organ, das eigentlich den Staat und nicht seine Bürger bewachen soll, von manchen bejubelt wird, weil wir es so gewohnt sind auf die verkommenen Reichen zu schießen.

In Fußballstadien der Bundesliga kann der Hass auf Reiche an jedem Wochenende bei Spielen von Leipzig oder Hoffenheim beobachtet werden, auch wenn ein Verein wie Dortmund als AG wesentlich kapitalistischer schon seit Jahren sind, wird der Investor Hopp angegriffen, der das Softwareunternehmen SAP mit aufbaute und in der Kurpfalz, aus der er stammt und in der er lebt, als großzügiger Mäzen und sehr nachhaltig sozialer Spender geschätzt wird. Er ist ein Milliardär und das genügt einer Gruppe von Menschen, ihn als bösen Buhmann zu bezeichnen, auch wenn er einen großen Teil seines mit den richtigen Ideen zur richtigen Zeit verdienten Kapitals für soziale Zwecke investiert. Den gleichen Hass erlebte auch Uli Hoeneß, weil hierzulande es verpönt scheint, zu gönnen und Neid wichtiger ist als Realismus.

Was interessiert mich, wieviel Geld ein anderer verdient - wenn es der Markt hergibt und er dann noch verantwortlich damit umgeht, gönne ich immer gerne, nichts ist mir fremder als Missgunst. Wollte nie ein Milliardär sein, nicht mal Millionär - bin froh ein freier Habenichts zu sein, der unbeeinflusst in seinem Denken, sich nicht ständig Sorgen um sein wohlverdientes Kapital machen muss. Käme ich auf seltsamen Wegen zu Geld, übergäbe ich es ungesehen meiner Liebsten, die sich damit besser und wirklich auskennt und wünschte mir, um mit so etwas nicht belastet zu werden, irgendeine Stiftung an die es fließen könnte. Reichtum ist eine Last, die ich nicht erstrebenswert finde - von mir aus könnte ich meine Fähigkeiten für den Staat einsetzen und würde von ihm dafür ein auskömmliches Bürgergeld bekommen und wäre damit zufrieden. Aber das ist meine Sicht und mein Problem - muss keiner so machen und sollte nie vorgeschrieben werden.

Nur was mich sehr stört, ist, wenn die Medien, die eigentlich den Staat kontrollieren sollen, dessen Aufgaben übernehmen, Jagd auf Steuerflüchtlinge machen und also quasi im Dienst des Staates gegen die eigenen Bürger kämpfen. Dann haben wir einen Überwachungsstaat, der im Sinne einer fiktiven höheren Steuergerechtigkeit sogar private Jäger findet, die ihre Opfer vor sich her treiben und mit privaten Mitteln an den öffentlichen Pranger stellt.

Was soll das und wer entscheidet darüber, wessen Steuerdaten hier ungefragt veröffentlicht und ausgewertet werden?

Solange keine Straftat vorliegt, nicht mal eine Anklage im Raum steht, verrät eine Presse, die ihre Bürger öffentlich als Volksverräter anklagt, denn nichts anderes geschieht hier, ihre Aufgabe als Kontrollorgan und macht sich moralisch lächerlich. Dabei ist völlig egal, wie wer seinen Reichtum verdient hat, den er steuerlich günstig anlegt. Der Hass auf Reichtum und Reiche, wie er hier immer wieder befördert wird, ist in der Sache sehr schädlich, könnte die besten des Landes vergraulen, auch wenn der Staat durch diese Anklage eines möglicherweise legalen Verhaltens keinerlei realen Gewinn hat als noch mehr Informationen über das Steuerverhalten der Bürger.

Es ist darum so wichtig, sich gerade jetzt zu überlegen, wie wir künftig miteinander leben wollen, wie viel Macht und Kontrolle der Staat haben darf, diese immer durstige Krake und wie sehr die Bürger auch vor ihm geschützt werden müssen. Wer Geld verdient und dabei so investiert, dass er weniger Steuern zahlen muss, ist ein kluger Investor. Viele Großbanken haben einen Sitz auf diesen kleinen steuerlich günstigen Inseln - damit verdienen diese wiederum viel Geld - wer wollte die erfolgreiche Politik eines Unternehmens verurteilen und auf wessen Seite stehen alle, die es tun?

Diese öffentliche Anklage und dieser wieder eingeführte Pranger gefallen mir nicht. Dagegen laut zu werden, scheint mir dringend geboten. Anklage erheben im Rechtsstaat nur Gerichte als dritte Gewalt im Staat. Wo Journalisten öffentlich anklagen, verurteilen und mit dem Pranger foltern, haben sie ihren Job nicht verstanden und sollten über ihre Aufgabe nachdenken, statt vermeintlich gewinnträchtige Skandale zu produzieren. Mit der Herausgabe von Büchern und Filmen war diese Süddeutsche Zeitung unschädlich erfolgreicher.

jens tuengerthal 6.11.2017

Aufregungsglück

Alles Neue regt uns erstmal auf
So war es bei unserem ersten mal
So wird es mit allem neuen sein
Das befreit und fesselt zugleich

Wir kennen uns nun schon gut
Haben unsere Körper erforscht
Auf alle Arten möglichst überall
Und genießen es immer mehr

Mit der Zeit vergeht die Aufregung
An ihre Stelle tritt die Gewohnheit
Die uns miteinander genießen lässt
Wie schön wir es dabei noch haben

Manche verlieren mit der Gewohnheit
Die Lust aneinander und entwickeln
Muster die ihnen langweilig werden
Suchen dann bald wieder neue Reize

Freue mich jedesmal neu an dir
Möchte dich ewig glücklich machen
Finde dich dabei sogar immer schöner
Als schärfte die Zeit meinen Blick

Nun erobern wir ganz neues Terrain
Lernen als Paar die Familien kennen
Das wird für beide aufregend werden
Wie gut sich da schon gewöhnt zu sein

Jede neue Aufregung miteinander bringt
Uns noch näher zusammen was wiederum
Dem Moment aufregenden Reiz verleiht
Wie wir uns darin wieder finden werden

So ist auch diese Aufregung eine Lust
Die wir voll Freude genießen können
Wo wir doch immer so nah wie möglich
Ineinander verschlungen sein wollen

Sehne mich ganz aufgeregt nun wieder
Nach der eigentlich gewohnten Nähe
Um mich an deinen Reizen zu freuen
Das Glück täglich neu zu entdecken

So bleibt es aufregend miteinander
Auch wenn alles schon ausprobiert
Die schönste Gewohnheit gefunden
Das Ineinander bereits perfekt ist

Freue mich auf alles Neue mit dir
Genieße wie es sich bestätigt
Nach jeder Aufregung wie schön
Wir es miteinander doch haben

jens tuengerthal 6.11.2017

Sonntag, 5. November 2017

Von gut und böse

Wir haben, je nachdem wo wir leben und aufgewachsen sind, feste Schemen von gut und böse in unserem Kopf und wenden sie in immer gleicher Weise auf jede Situation an, die häufig mehr mit Gewohnheit als einer realistischen Bewertung der Situation zu tun haben.

Reagiere allergisch auf alles, was mit der Diktatur des Proletariats, dem Sozialismus und anderen totalitären Ideen zu tun hat. Bin ein Kind des Westens, das im Kalten Krieg groß wurde und habe so viele Dinge inhaliert, die mein um Freiheit bemühtes Denken fesseln. Somit kann ich zumindest für mich dieses Schema bestätigen und habe die Erfahrung, auch wenn auf ganz unterschiedliche Art mit Menschen aus dem Westen oder Osten gemacht, die je nach Prägung an ihren Schemen festhalten.

Die aus dem Osten Deutschlands mussten nach der Wende und dem Scheitern des Systems zwangsweise umlernen und neigten infolge mehr oder weniger zur Verklärung. Der Westen breitete sich weiter aus und stülpte sein System dem vorher totalitären Osten über. Dies war von der ganz großen Mehrheit so gewünscht worden und sie hatten dafür mutig, teilweise unter Einsatz ihres Lebens gekämpft.

Nur wenig entfernt von meiner Wohnung am Helmholtzplatz im ehemaligen Osten Berlins, in dem hier allerdings inzwischen deutlich mehr Wessis leben, liegt die Gethsemanekirche gen Nordwesten. Während der Wende war dies ein Hort des Widerstandes. Nur unwesentlich weiter gen Südwesten von meinem Platz aus liegt die Zionskirche, an der einst Dietrich Bonhoeffer noch wirkte, der über gute Mächte einst dichtete, bei der 1989 ein Punkkonzert und die dabei vielleicht von der Stasi begünstigten Schlägertrupps der Rechten, woher immer sie kamen, dafür sorgten, dass der Widerstand noch lauter und stärker wurde, die friedliche Revolution gegen die Diktatur der SED ihren Lauf nahm.

Sprach inzwischen mit einigen, die bei diesem Konzert dabei waren, die Verhaftungen erlebten und heute sagen, es war ganz klar die Stasi, solche Methoden kannten sie ja - Einschüchterung und Unterdrückung. Vor der Wende hätte es keine Rechten in der DDR gegeben und keine Skinheads und ähnliches. Glaube bei solchen Erzählungen gerne, dass die Stasi zu totalitären Methoden neigte - wenn ich mich daran erinnere, wie mir andere Freunde erzählten, was sie erlebten, als sie in Weißensee das dortige Waffenlager der Stasi stürmten, irgendwann im November oder Dezember 1989 war das, wie sie die Ausrüstung einer ganzen Armee fanden, die darauf ausgerichtet war, das eigene Volk  in Schach und klein zu halten, merke ich, wie ich mich in meinem Bild von der DDR bestätigt fühle. Nie glaubte ich, dass es keine gewalttätigen Rechten in der DDR gab, was Historiker inzwischen bestätigen - der sächsische braune Sumpf und andere Feuchtgebiete sind keine überraschende Veränderung sondern langsam gewachsen.

Auch die Geschichte einer anderen Verflossenen, die mir erzählte, wie schrecklich und rücksichtslos ihr Bruder schon immer gewesen wäre, der es wagte im Sommer 1989 gegen den Einsatz der Panzer auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking zu protestieren und wie er damit der Familie nur Ärger brachte, weil er eben nur an sich denke. Der sei einfach etwas rücksichtslos und darum hätte sie ein Problem mit ihm. Verdrängte die Geschichte erst, weil ich sie in ihrer Wut auf den Bruder, der die ganze Pflege der Eltern ihr überließ, unterstützen wollte, sie wirklich belastet war. Später wurde mir klar, was sie sagte, insbesondere nachdem ich den Bruder erst voller Misstrauen kennengelernt hatte und ihn als einen offenen, kritischen und intelligenten Mann erlebte, der bewusst und verantwortlich handelte, während ihr schönster Lebensinhalt war, dass sie sich mit einer Freundin zusammen jedes Jahr mindestens zwei Wochen Cluburlaub in der Türkei leisten konnte, wo sie an nichts denken musste und Schaumpartys der Gipfel eines erfüllten Lebens sind.

Sie fand den Bruder unverantwortlich, der einem schon sterbenden Regime widerstand, während in Leipzig bereits montäglich demonstriert wurde, weil er für seine Meinung das Wohl der Familie gefährdete. So würde sie vermutlich auch über die Widerständler im Dritten Reich urteilen, sei es der Kreis um Stauffenberg, die Weiße Rose oder der Kreisauer Kreis - alle gefährdeten ihre Familien und ihr eigenes Leben, weil sie nicht angepasst handelten, sondern Widerstand leisteten, während sie völlig angepasst war. Sie hatte auch Leiden müssen, wollte Medizin studieren aber da sie getauft war und die Mutter sich in der Kirche engagierte und warum auch immer, sie hatte da nie nachgeforscht, wurde sie gezwungen die Schule früher zu verlassen und Krankenschwester zu werden, obwohl sie angeblich die Klassenbeste war. Ein Opfer des Regimes also, das erst nach der Wende über Umwege noch studieren konnte, wenn auch nicht Medizin, und sie hatte keinerlei Verständnis für den Widerstand des Bruders, fand es sollte lieber angepasst gelebt werden, um sich nicht alles kaputt zu machen. Derjenige, der seinen Überzeugungen folgte und Widerstand leistete, war darum für sie unzuverlässig und unverantwortlich.

Sie redete das Regime der DDR nicht schön, war froh, dass es unterging aber stand nicht mal in der dritten Reihe des Widerstands, verurteilte den eigenen Bruder dafür, dass er ihre Ruhe störte. Denke ich heute daran, könnte ich mich immer noch aufregen und frage mich, was ich je für diese Frau empfand, die so angepasst, desinteressiert und im Wesen langweilig war, wie meine Tochter auf den ersten Blick treffend urteilte.

Es macht mich richtig wütend über diesen Geist nachzudenken und zu sehen wie in Berlin wieder mit der SED Nachfolgeorganisation regiert wird, die sich heute Linke nennt und doch nur ein Überbleibsel alter Seilschaften vielfach angepasster Menschen ist, sehen wir mal von den linken Träumern iim Westen ab, die immer noch glauben der Sozialismus sei das Paradies auf Erden und die Diktatur des Proletariats nur der nötige Übergang nicht immer der falsche Weg.

Wut ist in der Politik ein schlechter Ratgeber und eignet sich keinesfalls, die Dinge philosophisch betrachtet, vernünftig in gut und böse zu teilen, um eine Ethik der Freiheit zu finden. Wut macht blind und verführt noch mehr dazu, in den immer gleichen Mustern zu denken, die einerseits verharmlosen und andererseits dramatisieren, ohne etwas zu ändern.

Eine andere Ex von mir hasste den Osten, in dem sie nahe Rostock groß werden musste und hat sich ihm verweigert, solange er bestand, sie darin eingesperrt war, wollte nie wieder im Osten wohnen und sah zu schnell wieder die alten Stasi-Gesichter überall. Sie wollte auf der ganzen Welt zuhause sein lieber als im alten Osten, den sie verachtete. Ihr Ex, mit dem sie noch zusammenlebt, war in den 70ern abenteuerlich geflohen und hatte vorher in Hohenschönhausen eingesessen - beide sprachen voller Abneigung und Hass über diese engstirnige, spießige Diktatur und ihre Funktionäre, die wieder auf die Füße fielen. Sie war traumatisiert und bildete mit ihrem Ex eine Art Symbiose voller Hass gegen die ehemalige DDR - war mir auch etwas zu extrem, vor allem zu undifferenziert, da sie sich konsequent weigerte, sich mit Politik zu beschäftigen, Geschichte sie nicht sonderlich interessierte.

So könnte ich noch viele Geschichten erzählen von Fremdheit und Anbiederung, den Kompromissen, die alle machen mussten, die in einer Diktatur und also einem Unrechtsregime lebten.

Denke daran wie lange die Linke darüber diskutierte, bis sie sich dazu durchrang, die DDR endlich ein Unrechtsregime zu nennen, zumindest zum Teil und in Thüringen, während es die rote Sahra für den Bundestag verweigerte und damit ein sehr gutes Bild des dort Selbstverständnisses gab.

War die DDR böse oder gab es auch Gutes dort, was erinnerungswert ist jenseits des Ampelmännchens?

Natürlich gab es wie in jeder Diktatur auch gute Menschen und Momente in denen sich Menschen in den Zwischenräumen eben menschlich einrichteten. Eine Kindheit in einer Diktatur muss nicht schlecht erinnert werden, wenn sie schön war, nur weil das System drumherum idiotisch und primitiv war, Menschen unterdrückte.

Diese Unterscheidung scheint mir wichtig und Kern des Problems vieler Menschen heute, die das Gefühl haben, ihre Lebensleistung werden nie anerkannt, die Treuhand hätte als Werkzeug der Großbanken die DDR verkauft und zerstört, die vorher gut funktionierte. Auch wenn jeder mit nur etwas Vernunft begreifen kann, dass die DDR ohne Ostblock keine Zukunft mehr gehabt hätte, auch ökonomisch nicht, ist es völlig  in Ordnung und wünschenswert sich seiner Kindheit voller Liebe zu erinnern. Es sollte niemand das Leben der Menschen schlecht reden, nur sollte jeder die Dinge beim Namen nennen und nicht eigene Erinnerungen mit der Bewertung eines Systems vermischen.

Dies geschieht unter vielen Menschen in Neufünfland so sehr wie bei anderen Bewohnern des ehemaligen Ostblocks oder anderer totalitärer Regime. In meiner Jugend im Westen hörte ich manchmal die alten Menschen raunen, es wäre ja nicht alles schlecht gewesen beim Hitler, er hätte schließlich die Autobahnen gebaut und für Ordnung gesorgt,nicht mehr die ständigen Schlägereien auf der Straße und sie hätten nie etwas von Gewalt gegen Juden mitbekommen. Das änderte sich irgendwann im Bewusstsein auch der Beteiligten.

Während meine Großmutter früh noch stolz von ihrer Deutschnationalen Gesinnung sprach, was natürlich nicht nationalsozialistisch ist, die waren ihr zu primitiv, wie sie meinte, sie waren schließlich Nachbarn von Hindenburgs in Hannover, erzählte sie im ganz hohen Alter stolz von der Ehrung ihrer Schwiegereltern, die angeblich ein jüdisches Ehepaar über den Krieg versteckten, in Yad Vashem geehrt wurden, wie sie zu einer Ordenverleihung für diese geladen wurde, die schon 50 Jahre nicht mehr lebten. Ob das stimmt, weiß keiner so ganz genau und ich weiß nicht, ob ich es überprüfen möchte, um meine tote Großmutter, sie starb kurz vor ihrem hundertsten doch noch, der Lüge zu überführen. Sie war zeitlebens eine große  Märchenerzählerin für uns Kinder und was weiß ich schon, was wirklich damals war?

Zumindest änderte sich das Verhalten in der Bewertung der Beteiligten deutlich. Während meine Eltern, beide Jahrgang 1941, noch nicht mit ihren Eltern über ihr Verhalten während der Diktatur von 1933-45 reden konnten, sprach ich viel mit ihnen darüber und die Berichte änderten sich im Laufe der Zeit. Anfangs waren sie alle nur Mitläufer und haben nichts mitbekommen. Das mit den Juden lief ja nur im Geheimen. Dann veränderte sich auch ihre Selbstwahrnehmung scheinbar und sie bemühten ein anderes Bild von sich zu geben. Erzählten mir von ihrem Widerstand, der Ablehnung der Nazi-Proleten durch die meisten gebildeten Menschen, erzählten von überraschenden Geheimnissen ihres Lebens, die ihr Leben doch zu dem eines zumindest stillen Widerstandskämpfers gegen die NS-Diktatur machte. Von ihren Ängsten und der Anpassung, damit der Familie nichts passierte, denn es gab ja Sippenhaft.

Mit meinem Großvater, der auf dem Russlandfeldzug in Gefangenschaft geriet und dies über sehr lange Zeit blieb, redete ich viel über Geschichte. Er lehnte die damals in Bremen gastierende Wehrmachtsausstellung vehement ab. Er wäre ja dabei gewesen. Da würde übertrieben und wem bringe das jetzt noch was, fragte er mich. Nahm das so hin und blieb aber im Gespräch mit ihm auch zu diesem Thema und mit der Zeit veränderte sich seine Haltung dazu. Irgendwann erzählte er nach einigen Gläsern Wein wie ein Geständnis, dass sie alle gewusst hätten, was passierte. Aber es wäre die SS im Hintergrund gewesen, nicht die Reichswehr, verteidigte er lange die letzte Bastion der guten Reichswehr.

Irgendwann fiel im Gespräch auch diese. Die Beweise waren einfach zu erschlagend. Dann sagte er plötzlich, wie gut, dass wir endlich offen darüber reden könnten. Es wäre schrecklich gewesen mit den immer wieder Gemetzeln aber er wäre daran nie beteiligt gewesen, hätte getan, was er konnte, sich rauszuhalten aber es hätte überall Verbrecher gegeben, meist mit Parteibuch.

Das Beispiel zeigt, wie sich auch bei der älteren Generation über oder kurz vor neunzig noch die Wahrnehmung für gut und böse verändern kann. Kurz vor ihrem Tod taten sie alles, sich dem neuen Bild der Zeit in ihrem vergangenen Verhalten anzupassen. Was immer wahr war, halte meinen Großvater mütterlicherseits für deutlich weniger phantasiebegabt als meine Großmutter, sie hatten das Bedürfnis ein anderes Bild der Zeit zu geben, in der sie ihre zwanziger und dreißiger verbrachten und wie sich für sie auch die Bewertung von gut und böse je  nach Position veränderte.

Als ich meiner Großmutter von meinen Freunden erzählte, deren Großväter im Widerstand waren, hingerichtet wurden dafür und wieviel Hochachtung ich vor diesen alten Familien empfand, die vielfach seit Jahrhunderten große preußische Offiziere stellten, änderte sich ihre Bewertung der eigenen Geschichte und sie bemühten sich eine neue Rolle zu finden, die sie an diese Helden ihrer Zeit heranrückte, über die sie vorher kein Wort verloren.

Der Großvater väterlicherseits etwa, gab sich seinen Söhnen gegenüber als ehemaliger preußischer Kadett und übte strengen Drill, sprach sich für die Sekundärtugenden aus und ähnliches, was dem Geist der Zeit entsprach, verharmloste die Nazizeit, in der er nach eigener Aussage keine große Rolle spielte und sich lieber um Kultur und Familie kümmere. Dagegen erzählte er mir in einem der letzten Gespräche Anfang 1991 die wahre Geschichte seines Kontaktes zum Widerstand und seiner Degradierung in Belgien, was immer nun wahr wirklich an Geschichte sein kann als die eigene Wahrnehmung.

Dies wäre nach dem 20. Juli 1944 geschehen, er hätte als zuverlässiger Beamter und Kamerad aus Lichterfelde für viele der Offiziere im Widerstand auf den Listen von Goerdeler gestanden Da die Nazis ihm aber sonst nichts nachweisen konnten, wurde ihm ein Betrug angehängt. Den er nie beging und er hätte die Wahl zwischen KZ und Ostfront gehabt und wählte als Offizier die Ostfront bei irgendeinem Himmelfahrtskommando, das er mit Glück überlebte und floh erst nach dem Zusammenbruch der Front von der Truppe, wie es sich für einen preußischen Offizier gehörte, worauf er immer noch wert legte. Die Nazis waren Idioten unter der Führung eines Österreicher, so etwas war nicht preußisch für ihn, der den Alten Fritz verehrte.

So ordnete er sich erst  kurz vor seinem Tod selbst dem Widerstand zu, was er seinen Söhnen nie erzählte, auch wenn er seinen Nazi-Bruder, den die Kirche mit offenen Armen wieder als Pfarrer aufnahm, verfluchte. Hellhörig war ich geworden, als ich die Geschichte von den Resistance Kämpfern aus Belgien hörte, die ihn nach dem Krieg vor alliierten Gerichten entlasten und sein Urteil als Unrecht aufheben halfen. Es gab zu dieser Zeit wenige aufgehobene Urteile - kam in großer Welle erst Jahre später.

Lag das an der anderen Rolle als Großvater, weil ich als Enkel mit einer Liebe für Preußen fragte oder weil sich seine Begriffe von gut und böse mit der Zeit veränderten, die rege Publikationstätigkeit auch von Marion Gräfin Dönhoff dazu beitrug, das Bewusstsein der Bevölkerung zu verändern?

Interessant ist zu beobachten, wie in Russland unter Putin gerade ein ganz seltsamer Spagat versucht wird, bei dem einerseits die alten Heiligen der Oktoberrevolution noch verehrt werden und andererseits die orthodoxe Kirche wieder eine stärkere Rolle bekommt, die Zarenfamilie rehabilitiert wird. Der noch im Sozialismus als Geheimdienstmann groß gewordene Putin, der ja wie Schröder sein guter Freund, ein kleiner großer Mann ist, hängt an den alten Traditionen der UDSSR und lässt sie im Rahmen des möglichen feiern. Versucht zwischen Kult mit der Geschichte der blutigen Revolution und mit der neuen Verehrung der Zaren beide Kulturen zu seinen Zwecken einzubinden im kapitalistischen Großreich ohne klare ideologische Richtung.

Die blutige Oktoberrevolution durch Verbrecher wie Lenin und Stalin, die mit einem Hitler auf einer Stufe stehen, kostete mehr als fünf Millionen Menschen das Leben, eher ein Grund zur Trauer, realistisch betrachtet, doch darum geht es weniger, als aus dem Kult mit der Vergangenheit Gewinn zu schlagen. Die dort vertriebene Kirche der Zaren, die das Volk mit ihrem Aberglauben jahrhundertelang unterdrücken half, wird gleichzeitig in die Gegenwart zurückgeholt.

Ist das die neue Freiheit oder der Anfang einer schizophrenen Gefangenschaft in zwei Welten?

Was ist da noch gut und was ist böse?

Ähnliches kann in China beobachtet werden, wo die KP Chinas die Macht vom Kaiserreich übernahm, den Kurs radikal mehrfach unter wechselnden Führern änderte und Millionen Menschen tötete oder sterben ließ, weiter eine Diktatur führt, die als totalitäres Regime gerade alles tut, den Westen vorzuführen, aber etwa die brutale und bis heute grausame Eroberung Tibets im Bewusstsein weiter Kreise der Bevölkerung als völlig legitim verankerte, weil der Dalai  Lama als ein Diktator im Aberglauben dargestellt wird und wer kann es sich schon leisten, um eines Flecken im Himalaya das Einvernehmen mit der bald größten Wirtschaftsmacht zu riskieren, die wieder auf die Seidenstraße und Asiens Mitte setzt?

Sind Chinesen, die unter der Diktatur der KP ihr möglichstes versuchen im real existierenden Kapitalismus zu überleben und vielleicht der Führung zujubeln, darum gut oder böse wo steht das bis heute in Fragen der Hinrichtung mörderischste Reich der Mitte?

Die noch größte Macht der Welt in ökonomischer und militärischer Sicht, die unter dem ungebildeten Großmaul Trump gerade alles tut, ihre weltweite Bedeutung zu Gunsten Chinas zu verspielen, ohne es zu merken, steht auch am Scheideweg zwischen gut und böse. Sind die Anhänger von Trump, die in Deutschland AfD wählen würde oder zu Pegida Aufmärschen gehen nun böse oder gut? Sind sie am Ende weder noch, schlicht blöd und lassen sich von einem senilen, ungebildeten Idioten an der Nase herumführen, weil er laut genug brüllt und das mediale Zeitalter das Feingefühl für die Unterscheidung zerstörte?

Auch hier wird manches verschwimmen, keine Antwort alle gleichermaßen treffen und wäre jede darum immer auch falsch.

Die deutsche Kanzlerin, die ich früher heftig kritisierte und die vor allem im Osten von schlichten Gemütern sich harten Anfeindungen gegenüber sieht, ist für mich der Inbegriff guter und verantwortlicher politischer Führung in Zeiten der Krise. Die Personifikation einer aufgeklärten Herrscherin, die ich noch lieber als Führerin Europas jenseits aller Wahlämter noch lange installiert sähe, weil sie ihr Amt unbestechlich, verantwortungsbewusst und dabei doch kritisch und reflektiert wahrnimmt, einen guten Job macht, ist für manche Menschen der Inbegriff des Bösen in der Politik, weil sie ihr Land verraten hätte, Verbrechen und Vergewaltigung die Tore öffnete, den Frieden in Sachsen etwa bedrohte.

Was ist am Ende gut und was ist böse, wer ist es wirklich oder sind wir alle immer so ein bisschen von allem, verschwimmt alles im großen Teich der Geschichte?

Wie müssen wir dann handeln, um einen guten Kurs zu halten?

jens tuengerthal 5.11.2017

Beischlafglück

Zusammen schlafen ist schöner
Nur merken wir dabei meist nichts
Vom großen Glück weil wir schlafen
Warum aber heißt der Sex Beischlaf

Davon bekommen manche noch
Etwas mit bevor sie einschlafen
Glücklicher nur wer Lust teilte
Und danach zusammen schläft

Am glücklichsten sicher ist
Wer befriedigt miteinander
Danach einschläft ineinander
Eng verschlungen als eines

Das ist wohl himmlischer Sex
Sagt sogar der sonst Ungläubige
Der sich paradiesisch wohl fühlt
In der doch menschlichsten Natur

Bezeichne den Akt nie als Beischlaf
Nur das befriedigte danach wärs
Wäre das Wort nicht viel zu klein
Das größte Glück zu beschreiben

Wie viel besser aber passt es
Wenn einer selig einschläft
Voller Vertrauen beim anderen
Der den Schlafenden bewacht

Es ist dies dabei einschlafen
Wenn der Traum auftaucht
Stärker ist als aller Wille noch
Das willenlos glücklich macht

Wo wir uns dann geborgen fühlen
Sind wir immer in Sicherheit wohl
Ganz angekommen beieinander
Können wir es Beischlaf nennen

So wache ich gern über den Schlaf
Der Liebsten im Arm oder Ohr
Als heimlicher Hüter ihrer Träume
Freue mich am echten Beischlaf

jens tuengerthal 5.11.2017

Samstag, 4. November 2017

Herbsterotiker

Kann das Sterben erotisch sein?

Im Herbst stirbt die Natur, die Blätter fallen ab, um im nächsten Frühjahr erst zu neuer Blüte zu kommen. Vorher lässt der Winter noch die erstarrte Natur ordentlich erfrieren und räumt so von den Bäumen, was der Herbst bis zur Wintersonnenwende nicht beseitigte. So geht der ewige Zyklus, der älter ist als das Menschengeschlecht und doch ein wunderbarer Spiegel unserer Natur.

Ob die Jugend der Frühling ist, in dem die zarten Knospen treiben, wie junge Brüste bei den Mädchen oder erste Erektionen beim Knaben und der größte Teil des Lebens dann ein ermatteter Sommer ist, in dem wir uns bei Hitze mühsam plagen und verbrauchen, voller Vorfreude auf den Herbst des Lebens, in dem wir alles nachholen wollen, was wir nie taten, bis wir im Winter des Alters vergehen, fragt sich wohl mancher und überlegt dann, warum wir uns nur lange Sommer je wünschten und nicht lieber einen ewigen Herbst leben, weshalb die meisten Menschen die Lust am Herbst verpassen in unvernünftiger Sehnsucht nach den Extremen.

Bin ein Kind des Herbstes, Ende September geboren, verbrachte ich im Bremer Herbst meinen erste Zeit, in grau feuchter Umgebung mit wenig Licht draußen, was mir vermutlich in den ersten Monaten meines Lebens, nicht viel ausmachte, da wir gehegt und gepflegt, sowie warm eingepackt werden, damit wir gedeihen, erst mühsam sehen lernen und das Grobe vom Feinen in ersten Blicken noch nicht unterscheiden könnenm suchen wir zunächst nach Konturen des Lebens.

Vielleicht haben im Winter geborene Kinder mehr von ihrem ersten Herbst, während ich Frühjahr und Sommer vermutlich als erste Erfahrung bewusst erlebte. Würde lügen, behauptete ich, mich daran zu erinnern und die Märchen vom Unterbewusstsein interessieren mich nicht auf der Suche nach dem Glück und der Freiheit. Weiß also nicht, ob es auf den Zeitpunkt der Geburt für meine Herbstliebe ankommt - so ist meine Liebste im späten Sommer geboren, den sie eher gar nicht mag, weil er ihr zu warm ist und sie liebt wie ich den Herbst über alles.

Ob es das bunte Laub ist oder die Wohligkeit bei Tee und Buch zuhause, wüsste ich nicht sicher, für mich zu unterscheiden oder gar die im Nebel verhangenen Landschaften, die weich gezeichnet werden. Aber ich liebe den Herbst, freue mich auf ihn wie auf meine Liebste und finde ihn die sinnlich schönste Zeit im Jahr, wenn es wieder Spekulatius zum Tee gibt, die Äpfel und Trauben reifen und damit die Früchte, die ich am höchsten schätze.

Die tropische Pampelmuse, die wir nur importieren, lasse ich mal außen vor, sie kommt aus Gegenden ohne oder mit weniger ausgeprägten Jahreszeiten als wir sie hier kennen, spielt darum keine Rolle für diese sinnliche Beziehung.

Die Kleider des Herbstes, die uns nicht ganz entblößen und die schönen Farben außen wie an uns, mich mal ausgenommen, der meistens ohnehin schwarz trägt, machen diese Zeit für mich zur ansehnlichsten, wenn ich als Flaneur durch die Straßen streife und die Menschen betrachte.

Die Franzosen sprechen vom kleinen Tod, la petite mort, und meinen den Höhepunkt der Lust damit, weil dieses Wort das füreinander und miteinander sterben dabei so trefflich beschreibt. Es ist dieses letzte Aufbäumen der Lust in größter Spannung, bis wir uns dann völlig gelöst ineinander ergießen.

So ist der Herbst in seinen bunten Farben und starken Schwankungen beim Sterben der Natur für mich der Höhepunkt des Jahres, der kleine Tod, in den sich die ganze Schönheit der Natur ergießt. Wer je den gemeinsamen Höhepunkt genießen durfte, sich ineinander ganz ergoß im gleichen Moment und sich danach gelöst befriedigt im Arm lag, wird das Bild des kleinen Todes vor sich sehen und wissen, was ich meine.

Dieser monatelange Orgasmus der Natur, bis zu ihrer postkoitalen Erschlaffung im Winter, der die Geburt wieder folgt, ist mir darum der erotischste Teil des Jahres und nichts ist schöner als ihn gemeinsam voller Hingabe zu genießen, nie kann die Sehnsucht schmerzvoll größer werden als in einsamen Herbstnächten.

Darum weiß ich, das spüre ich gerade genau, während ich die Liebste auf der grünen Insel so sehr vermisse, mich nicht in kühler werdenden Herbstnächten an sie kuscheln kann. So leide ich im Herbst am Vermissen mehr als das ganze Jahr und bin doch zugleich glücklicher als je, weil die Größe der Liebe so prächtig, eben herbstlich spürbar wird. Da reifen die Trauben unseres künftigen Wein der Liebe, färben sich die Gedanken in der Trauer mit allem Gefühl noch bunter, weil der Herbst alles intensiver macht und einfach wunderbar schön alles macht.

Der Herbst ist ein Sterben, da trauern manche und Rilke dichtete noch, wer nun kein Heim hat, findet keines mehr.  Daran leiden manche, bekommen mit dem Nebel ihre Depression, der sie sich lustvoll hingeben, weil ja alles zu Ende geht. Der Epikuräer aber, den der Tod nichts angeht, weil er dann nicht mehr ist und dem was nicht ist, nichts macht, genießt das prächtige Sterben, in dem sich das Leben noch einmal in schönsten Farben zeigt, die Konturen weich zeichnet, wie in manch schwülstigen Erotikfimen der 70er und frühen 80er. Diese erotische Stimmung des Herbst zu genießen, sich ihr lustvoll auch in der Natur hinzugeben, ist alles, was sein kann, wenn wir einen Höhepunkt jenseits der arbeitsreichen Sommer suchen.

Die Lust im Herbst zu leben, heißt das Leben zu lieben in seiner Natur, worum ich mich gerne jedes Jahr wieder bemühe und wie glücklich bin ich, diese Liebe mit meiner Liebsten so zu teilen wie die unendliche Lust, die uns fliegen lässt miteinander als wäre immer Herbst im kleinen Sterben miteinander, das die Natur uns monatelang vorspielt.

jens tuengerthal 4.11.2017

Tiergartentee

Heute ging es in den Garten Eden, wie die Berliner ihren englischen Garten nennen - dazu lief ich die Spree entlang und um die Museumsinsel zurück und mit allen Umwegen waren es am Ende 38km - fast schon ein gewanderter Marathon und dem Flaneur wurde in den Beinen spürbar, warum diese Distanz so eine große Hürde darstellt, zumal die Läufer noch joggen, während mir das Spazieren völlig genügt, auch um nicht achtlos und erschöpft an allem vorbei zu laufen, was schönes am Wegesrand liegt.

Vom Helmholtzplatz, meiner immer Basisstation aus ging es mit der Liebsten im Ohr über Kulturbrauerei, Oderberger Straße und Kastanienallee gen Mitte, in die ich wieder den Weinbergsweg mit beginnender Dämmerung hinunter lief. Über die alte Mauer, die nur noch vierspurig mit doppelter Straßenbahn inmitten, um die alte Mitte führt, betrat ich diese dort, wo früher das Rosenthaler Tor stand, folgte ein wenig der gleichnamigen Straße vom selbigen Platz aus bis ich gen Westen in die Linienstraße einbog, auf der ich dann bis zu ihrem Ende blieb, an dem sie in die Oranienburger mündet, die ich nur ignorant überquerte diesmal, auch wenn es dort viel zu sehen gäbe sonst, doch mein Ziel lag ja noch tief im Westen.

Bog gen Süden in die auch schon oft auf und ab gelaufene Friedrichstraße ein, der ich nur bis zur Reinhardstaße folgte, die wieder gen Westen führt, von der ich aber aber am Bunker mit der Sammlung Boros lieber wieder ein Stück gen Süden abbog, um wieder in der Marienstraße gen Westen zu marschieren, an der so schönen wie schon vollen Böse Buben Bar vorbei, um in die Luisenstraße am Ende der Marien abzubiegen gen Marschallbrücke, nach der ich am südlichen Spreeufer nun blieb.

Zwischen den Abgeordnetenhäusern vorbei, die den Bogen der Spree an dieser Stelle beeindruckend schön und modern zieren, unter den Brücken hindurch immer am schönen Spreeufer entlang, den eigentlich schönen aber durch Mehdorns Dickkopf verschandelten Berliner Hauptbahnhof auf dem anderen Ufer liegen lassend, weiter an Kanzleramt und Haus der Kulturen der Welt vorbei, folgte ich dem Fluss in noch gutem Tempo bis Schloss Bellevue, das angestrahlt als Sitz des Bundespräsidenten wunderschön diesen Teil des Tiergartens bekrönt.

Folgte von dort weiter dem Fluss bis ich am Ende des Tiergartens plötzlich zwischen Häusern im dort Hansaviertel stand und merkte, ein Stück zu weit gegangen zu sein, kehrte also um und fand mit Googles Hilfe das Teehaus, das auf der hier früher Villa von Gustav Gründgens steht und war jetzt bereits mitten im Garten Eden. Umkreiste das Teehaus zweimal, überlegte ob ich dort einen Tee trinken sollte, fand es aber nicht sonderlich einladend und lief weiter durch den Englischen Garten, obwohl das wunderbare Reetdachhaus mitten im Englischen Garten des Tiergartens gelegen, wie ein englisches Landhaus aussieht und schon von daher sehr einladend wirken könnte. Vielleicht besuche ich dies Landhaus mit schönem Kamin einmal mit der Liebsten, doch da auf der Karte nicht mal Tee stand, verzichtete ich lieber auf einen erneuten Versuch, nachdem der letzte im dortigen Biergarten schon mehr als mäßig nur war, da ich dann zumindest in schönster Gesellschaft dort bin, was alles ausgleichen kann.

Garten Eden nennen die Berliner diesen Teil des Tiergartens auf ihre flapsige Art, weil Anthony Eden, der damalige britische Außenminister bei der Einweihung dieses im Stile eines Englischen Gartens angelegten Teil des Tiergartens am 25. Mai 1952 anwesend war. Nachdem infolge des Krieges im Tiergarten großer Kahlschlag geherrscht hatte, spendete König Georg VI. und britische Bürger 5000 Bäume aus ihren Privatgärten zur Errichtung des neuen Englischen Gartens in Berlin. Eine Geste der Versöhnung wenige Jahre nach Kriegsende vom Vater der heutigen Königin Elisabeth II., der wenige Jahre später verstarb, da die Belastung des Krieges ihn zu einem Kettenraucher gemacht hatte.

Die Anlage des Gartens mit kleinem See und vielen schönen Bäumen wird an der einen Seite durch den Garten von Schloss Bellevue und Neubauten des Bundespräsidialamtes begrenzt. Auf der anderen läuft die Eisenbahn und S-Bahntrasse und auf der, der Spree gegenüberliegenden Seite, die vierspurige Altonaer Straße, die zum Großen Stern führt.

Folgte den schönen Wegen im Dunkeln, in denen sich in Richtung der Gleise einige Zeltlager wohl befanden, die aber mangels Licht nicht weiter auffielen oder störten, kam vom Teehaus zum Bismarck Denkmal und ging von diesem schließlich zum Großen Stern, um den militärischen Gegenpart des Großen Kanzlers, den Feldmarschall Moltke, den bescheidenen Mecklenburger, freundlich zu grüßen.

Dort verließ ich den Englischen Garten wieder, ging durch den Tiergarten zurück in Richtung Kanzleramt, an dessen Südseite vorbei ich diesmal bis zum Reichstag vorbei flanierte. Hinter dem Reichstag schaute ich auf die Villa der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft, in der zur Zeit die Koalitionsverhandlungen oder Vorgespräche stattfinden, warum sich dort auch immer Übertragungswagen des Fernsehens im Einsatz befinden. Ließ mich davon nicht weiter stören, folgte weiter der Spree, bis zur Museumsinsel, lief bei der Kanzlerin vorbei, nach ihrem Büro an ihrer immer bewachten Privatwohnung, die so prominent gegenüber dem Pergamonmuseum liegt, bestaunte den neuen Eingangsbereich der Museumsinsel von Chipperfield, der bald James simon Gallerie heißen soll, der an einen griechischen Tempel erinnert und von daher perfekt zum Stil der Insel passt, bog danach gen Oste ab, flanierte an Neuem Museum, mit uralten Schätzen und Alter Nationalgalerie mit der Kunst des 19. Jahrhunderts unter den Säulen vorbei und genoss die vielen schönen Blicke dort.

Verließ die Muesumsinsel wieder über die Friedrichsbrücke, die heute Fußgängern vorbehalten und bog sogleich links wieder an der Spree entlang in den James Simon Park ein, den ich der Spree auf der anderen Seite folgend nun durchlief.

James Henry Simon, dem zu Ehren der Park so benannt wurde, war ein Unternehmer der wilhelminischen Ära vor allem aber ein großer Förderer der Berliner Museen, Gesprächspartner von Wilhelm II., was nicht gegen ihn sprechen muss, sowie Finanzier zahlreicher wohltätiger Einrichtungen. MIt seinem Namen ist insbesondere der berühmte Kopf der Nofretete verbunden, den er dem Ägyptischen Museum in Berlin übereignete, das sich heute wieder im Neuen Museum befindet. Der Vater von James Simon, Isaac Simon, war jüdischen Glaubens und zunächst mit einem Geschäft für Herrenmode erfolgreich gewesen, das infolge des Sezessionskrieges in den USA, der den Export von Baumwolle nach Europa beendete, durch seine noch großen Baumwollvorräte bei explodierenden Preisen sehr erfolgreich wurde. So konnten die Brüder Simon in der preußischen Baumwollkrise von 1863/64 ihre großen Lagerbestände zum fünffachen Preis verkaufen.

Die rasch wachsende Firma war bis 1914 zum bedeutendsten Baumwollunternehmen in Europa geworden. James Simon, der das berühmte Gymnasium am Grauen Kloster besuchte, hatte eine Vorliebe für Latein, Griechisch, Geschichte und hätte gern klassische Philologie studiert, folgte aber dem elterlichen Wunsch und übernahm nach dem Tod des Vaters das Unternehmen. Simon war politisch liberal und Begründer des Vereins zur Abwehr des Antisemitismus, dennoch genoss er das Vertrauen des eigentlich erzkonservativen Kaisers. Simon entwickelte gegen Ende seines Lebens wohl sogar gewisse Sympathien für die Sozialdemokratie. Doch blieb er zeitlebens mit dem inzwischen nach Holland geflohenen Kaiser befreundet, was ihn aber nicht daran hinderte die Weimarer Republik aktiv zu fördern.

Mit dem Kaiser verband Simon das große Interesse für Ägypten und er finanzierte die Expedition auf den Spuren des Echnaton, der erstmals einen monotheistischen Staat aufbaute. Aus den dortigen Funden kam die Büste von Echnatons Frau Nofretete in den Privatbesitz Simons, der sie später dem Museum vermachte. Seine Villa in der Tiergartenstraße war schon vorher zu einem Privatmuseum geworden. Sein Berater beim Aufbau der Sammlung war Wilhelm von Bode, der eine große Rolle beim Aufbau der Berliner Museen spielte. Mittelpunkt seines Interesses war die italienische Renaissance, aus der er eine umfangreiche Sammlung zusammentrug.

Mit dem Bau des Kaiser Friedrich Museums, des heutigen Bode Museums um 1900 vermachte Simon einen großen Teil seiner Sammlung dem neuen Museum, in dem es ein Kabinett Simon mit einer Mischung so bunt wie in seinem Privathaus gab, die verschiedene Gattungen der Kunst nach Epochen zusammenführte.

Simon schenkte die Nofretete, inzwischen eine Berliner Berühmtheit 1920 dem Ägyptischen Museum und damit der Öffentlichkeit. In seinem letzten öffentlichen Auftritt sprach er sich dann für die Rückgabe der Büste an Ägypten aus, die jedoch bis heute verhindert wurde, was die Berliner stolz freut. Insgesamt verschenkte Simon jedes Jahr rund ein Drittel seiner Einkünfte zum größten Teil für soziale Zwecke, wollte aber nie viel darüber reden oder es dokumentieren, da nach seiner Aussage nichts belastender sei als Dankbarkeit. Das eigentlich noch 2017 zur  Eröffnung vorgesehene neue zentrale Eingangsgebäude der Museumsinsel von Chipperfield soll den Namen James Simon Galerie tragen, um den großen Mäzen zu ehren.

Durch den Simon geweihten Park lief ich also mit Blick auf die Museen, die zahlreiche seiner Spenden enthalten und deren Sammlungen er in manchem erst groß machte. Unter der Eisenbahn hindurch verließ ich den Park und kam auf der anderen Seite in den Monbijou Park, der an das ehemals dort stehende Schloss erinnert, das im Krieg verloren ging und dann abgerissen wurde. Durchquerte diese schöne Parkanlage, in der sich heute auch ein Freibad und Liegewiesen befinden, der Spree folgend mit Blick auf das wunderschöne Bode Museum, in dem heute irgendeine feierliche Veranstaltung stattfand, zumindest sah ich auf dem Weg zur Kanzlerin einige Taxis dort halten und Damen in langen Kleidern und Herren im Smoking im Museum verschwinden.

Am Ende des Monbijouparks folgte ich der gleichnamigen Straße in Richtung Oranienburger Straße, die ich wieder ignorant nur überquerte, um über Krausnickstraße, Große Hamburger und den Koppenplatz zur Ackerstraße zu kommen und auf der üblichen Runde die letzten 7km über Gesundbrunnen, am Humboldthain vorbei, diesmal durch den Gesundbrunnen Center sogar, zurück auf den Berg und an den heimatlichen Platz zu kommen und als krönenden Abschluss von 38km an einem Tag, mir als Flaneur noch mit der Liebsten im Ohr, einen kleinen Riesling vorm Misirlou zu gönnen.

jens tuengerthal 3.11.2017

Freitag, 3. November 2017

Lippenliebe

Oh du meine liebste Frau
Was machst du mich glücklich
Wenn du mir solche Bilder
Der schönsten Lippen schickst

Lippen gibt es viele auf der Welt
In allen Formen mit noch mehr
Eigenarten in ihrem Wesen
Sind sie immer anders wohl

Doch nie sah ich solch schöne
Wie deine die mich wandernd
Durch unser Berlin noch fanden
Das größte Glück mir bestätigten

Wie liebe ich schon ihre Natur
Sehne mich nach ihrem Geschmack
Will sie mit meiner Zunge öffnen
Die Tropfen deiner Lust genießen

Nun frisch frisiert noch schöner
Sehe ich sie unter dem Streifen
Der so perfekt zu dir passt wieder
In nackter Schönheit vor mir

Möchte sie nun wieder küssen
Sie vor Lust schwellen lassen
Dich zu höchstem Glück führen
Es dort ganz mit dir teilen

Was bin ich für ein glücklicher Mann
Dem seine Frau ihre Schönheit schenkt
Sie ihm auf dem Silbertablett zart reicht
Auf das ich immer weiß welche mein ist

Nichts schöneres kann ich mir träumen
Als diese Lippen immer wieder zu küssen
Deine Mitte wollüstig überlaufen lassen
Um immer in allem eins mit dir zu sein

So schlafe ich nun glücklich wieder ein
Dein Bild in meinem Kopf träume ich mich
Lustvoll zärtlich zu dir hin um wieder
Der Welt schönste Lippen zu küssen

jens tuengerthal 3.11.2017

Donnerstag, 2. November 2017

Autoritätserfolg

Wie erfolgreich ist Autorität in Alltag und Theorie noch?

Wer einmal feststellt, dass autoritäres Verhalten, das sich mit Kraft und sei es auch nur verbaler Gewalt durchsetzt, erfolgreich ist, muss hart daran arbeiten, nicht an diesen schlichten Erfolg der einfachen Mittel zu glauben.

Vielleicht wollen manche Menschen einfach, dass ihnen jemand sagt, wo es langgeht und wie alles zu funktionieren hat, damit sie keine Verantwortung übernehmen müssen. Der Blick in die Fernsehprogramme spricht sehr für diese These und das Verhalten der meisten Menschen, wenn sie mit anderen zusammenkommen, spricht auch eher für diese Vermutung.

Vielleicht ist die Herde, an die sich jeder Teil von ihr anpasst, einfach vom Wesen her dumm. Nur wer bin ich, über sie urteilen zu dürfen oder zu meinen, ich sei nicht auch nur Teil einer anderen Herde, die eben ihren Riten folgt, zu denen gehört, sich über die tumbe Masse lustig zu machen, ohne darum wirklich klüger zu sein?

In der Kindererziehung, welch grässliches Wort schon, in dem steckt, wir zögen an den Kindern, um sie unseren Zwecken entsprechend zu formen, zeigt sich dies noch deutlicher. Autorität und klare Ansagen funktionieren. Habe das eine zeitlang praktiziert. Konnte mich nicht beschweren, meine Tochter war wohlerzogen und höflich, was von außen immer wieder gelobt wurde. Es waren eben unsere Rollen in der Beziehung. Obwohl ich zehn Jahre jünger war als ihre Mutter, habe ich als Vater die streng autoritäre Rollle mit Drohungen und ähnlichem übernommen, wie ich es auch von meinen Eltern kannte, die wohl selbst in den 70ern als junge Eltern mit diesen Dingen haderten, aber im Krisenfall doch immer wieder auch auf das Machtwort zurückfielen, bis hin zu großväterlichen Sprüchen des Vaters - “solange du die Füße unter meinen Tisch stellst…” - die Lösungen in ihrem Sinne mit verbaler Gewalt durchzusetzen versuchten, wie sie es von ihren Eltern kannten. Dennoch war bei meinen Eltern immer die große Liebe zu ihren Kindern spürbar und sie gab Vertrauen in sich und in das Leben und ich glaube heute diese Liebe und Sicherheit, war das wichtigste, was ich von meinen Eltern bekommen konnte, mehr als der ganze bürgerliche Hintergrund, die Essmanieren, die korrekten Formen und die ganzen anderen Oberflächlichkeiten, die einem das Leben erleichtern. Sich geliebt zu fühlen, macht stark und glücklich und ist aus meiner Sicht wichtiger als alles.

Beide Seiten waren bei mir immer darum bemüht, noch friedliche Lösungen zu finden aber auch bei uns war der Vater, wenn er denn da war, für das Machtwort zuständig, wie es eben den patriarchalen Strukturen alter Familien  entspricht. Auch heute bekommt mein Herr Papa noch manchmal solche Anwandlungen gegenüber den längst erwachsenen Kindern, was aber von diesen eher lächelnd überhört wird,  um sein Herz zu schonen. Am Ende zeigt sich also, wie ich es auch bei meinen Großväter beobachten konnte, die noch viel mehr zu der auch gewalttätigen Autorität neigten und ihre Kinder schlugen, was ich bei den wenigen malen, denen es mir passierte schon fast vergessen habe, eher ein Ausrutscher war, dass die Autorität sich in Nichts auflöst und durch lächelnden Respekt und Liebe ersetzt wird, mit dem sich alle wohler fühlen.

Was sich in ein Lächeln und Harmonie auflöst, weil es keiner braucht, könnte von Anfang an, überflüssig sein, fällt mir dazu ein. Warum diese alten Muster, wenn wir doch unsere Kinder zur Freiheit erziehen wollen, damit sie selbständige und starke Menschen werden, die ihren Weg finden?

Weiß es nicht, habe nur gemerkt, es funktioniert ganz einfach und wenn du einmal damit anfängst, hörst du nicht mehr damit auf, bis du darüber nachdenkst oder sich etwas grundlegend ändert in deinem Leben oder in der Beziehung zu anderen.

Bei mir war es die Trennung von der Mutter meiner Tochter und die Umstände dabei. Die einerseits Befreiung bei gleichzeitigem Verlust jeder Sicherheit und harter Brutalität dort im Kampf, wo vorher Liebe war, wie sich zwei schnell trickreich von Anwälten beraten, vor Gericht fertig zu machen versuchten, um ihre guten Rechte durchzusetzen.

Was für ein Mist, dachte ich, als mir klar wurde, was wir dort veranstaltet hatten und  sich alles wieder beruhigt hatte. Will nicht über Schuld und Verantwortung reden dabei. Das geht immer nur die beiden an, die es betrifft und damit müssen die klar kommen, mussten wir und eben leider auch unsere Tochter und das mit unserer Tochter haben wir irgendwann ziemlich gut hinbekommen, was wichtiger mir scheint als wer nun Recht oder Unrecht hat, ob es solches in der Konkursverwaltung einer Liebe überhaupt geben kann.

Es nicht zusammen geschafft zu haben, ist kritikwürdig genug für beide Eltern, dachte ich, dem seine Eltern ein Leben lang auch unter nicht immer ganz einfachen Umständen etwas ganz anderes vorgelebt haben. Zumindest lernte ich aus diesem großen Versagen plötzlich die gewohnte Rolle zu verlassen und nicht mehr in autoritäre Muster schlicht zu verfallen, sondern meine Tochter zu lassen, ihr Vertrauen zu schenken, was irgendwann auch so zurückkam. Die Beziehung wurde, auch wenn wir uns logisch seltener sahen, inniger, als sie je war, was mich sehr glücklich machte. Weiß manches, was die Mutter nie erfahren dürfte und mit meiner deutlich jüngeren Frau ist meine Tochter wie eine beste Freundin, was ich wunderbar finde und die Eltern-Kind-Freundin Schranke ein wenig durchbricht.

Es schien mir, erst ein wenig und dabei nun immer mehr, dass es die alten Muster und Schranken nicht mehr braucht, wir besser frei agieren miteinander, weil wir dann mehr voneinander lernen können, statt nur an Rollen und Mustern festzuhalten. Wann meine Tochter nach Hause kommt, überlasse ich ihr. Auch wenn ich da sicher noch gewisse Pflichten der Aufsicht rechtlich habe, hat sich gezeigt, dass Vertrauen belohnt wird und weiter führt als Kontrolle und Autorität. Verbiete ich ihr etwas, sieht sie es vielleicht Jahre später ein, wird aber ganz natürlich alles tun, das Verbot zu umgehen, um ihren Wünschen entsprechend zu handeln.

Warum ich etwas wünsche, wird damit nicht deutlich. Bin nur autoritär und setze mich durch, wie es auch gesellschaftlich gern erwartet wird. Ein autoritärer Vater mit gut erzogenen Kindern, weiß genau, wo es langgeht und bläst den anderen den Marsch, wenn nötig, kann sich durchsetzen, siegt im Kampf ums Überleben. So funktioniert unsere Gesellschaft in vielem noch, wo es um Befehl und Gehorsam geht. Manche meinen dies aus Darwins Theorie von der Entstehung der Arten ableiten zu können und schaffen mit dem Sozialdarwinismus des Survival of the fittest eine trivial beschränkte Reduktion, die keinem gut tut, sondern bloß Gewalt verherrlicht, statt Zivilisation voranzubringen.

Wäre darum antiautoritär immer richtig oder führt dieses andere Extrem auch nur zu Verwirrung?

Verteidiger der klassischen Haltung, wie ich früher, behaupten gern, Kinder bräuchten Grenzen und meinen, besser wir zeigen sie ihnen, als dass sie sozialen Schiffbruch erleiden. Als Begründung werden gern die Fälle herangezogen, die sich ohne Autorität verloren, den Drogen verfielen, ihr Leben verspielen. Hätte gerne mal exakte Zahlen zu diesen Fällen, falls es sie gibt - wie viele Kinder die autoritär erzogen wurden, kriminell werden, eine Drogenkarriere starten oder bei Hartz IV landen und wie viele es im umgekehrten Fall sind.

Vermute eher und alles was ich dazu bisher erlebte, spricht dafür, dass sich die Zahlen nicht wirklich unterscheiden. Die Neigung kriminell zu werden, drogensüchtig oder in irgendeiner Form asozial, hängt weniger mit der Form der Erziehung als dem Wesen der Person zusammen. Weiß nicht, ob ich nun soweit gehen würde, zu sagen, dass alle Psyche anlagebedingt ist - nichts ist absolut richtig und auch das ist nur eine Sicht auf den Menschen, aber was immer alles zur Entwicklung eines Menschen führt, von den Genen bis zur Prägung, die sich immer noch altbacken Erziehung nennt, es ist eine solche Vielzahl von Umständen und Elementen, dass es unsinnig wäre, sich auf eines allein zu kaprizieren und zu glauben, dabei allein läge die Antwort und Lösung aller Probleme.

Es mag eine genetische Disposition geben, die eher zu asozialem Verhalten führt, die aber nicht erklärt, warum der eine es wird und der andere nicht, weil wir nie wissen können, was alles einen Menschen ausmacht, wir immer nur kleine Teile überblicken und die Größe der Komplexität verführt ja Menschen auch seit Menschengedenken immer wieder dazu, sich höhere Wesen auszudenken. Wir können einzig und allein versuchen, alles zu tun, dass der andere sich so gut wie möglich entwickeln kann und auf die eine oder andere Art die Prinzipien des kategorischen Imperativs verinnerlicht, die Bedingung eines gedeihlichen Zusammenlebens sind.

Damit bin ich beim Kern meiner Abwendung von der Autorität und warum ich sie heute in dem was Erziehung oder sonst den Umgang mit Menschen betrifft für völlig verfehlt halte. Der kategorische Imperativ als Maßstab sittlich guten Handelns - handle stets so, dass dein Handeln Gesetz für jedermann sein könnte - ist ein zu erstrebender Näherungswert, der ein aufgeklärt, kritisch denkendes Wesen voraussetzt.

Aufgeklärt sein aber heißt nach Kant und bis heute, sich aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit zu befreien, um selbst zu denken. Unmündig ist dabei, wer sich unfähig zeigt, seinen Verstand ohne Hilfe anderer zu gebrauchen. Unmündig handelt also auch, wer nur Gesetzen folgt, ohne sie an seinem Gewissen zu prüfen, wer nur gehorcht, statt reflektiert zu handeln. Selbstverschuldet ist dies, wenn der andere nicht zu blöd ist, dies zu erkennen, sondern es einfach nur aus Faulheit und Trägheit unterlässt. Weil autoritäre Ansagen eben leichter sind, als Dinge in Ruhe abzuwarten und sich entwickeln zu lassen.

Hier wird häufig argumentiert, wir können die Kinder doch nicht ins Elend laufen lassen, müssen ihnen zeigen, was gut und richtig ist, damit sie sich nicht verirren, was so falsch ist, wie es im Ergebnis das Gegenteil erreicht. Wer nicht aus eigener Motivation gut handelt, handelt nicht gut, sondern gehorcht nur einem autoritären Muster, was zu nichts führt als  Widerstand oder erzwungenem Gehorsam.

Natürlich haben Eltern für Kinder eine Schutzpflicht, müssen Lehrer den Kindern einen Stoff nahe bringen, auch wenn diese systemimmanent gerade an ganz anderen Dingen Interesse haben. Darum ist es auch nicht grundsätzlich immer falsch, jemanden zu etwas zu bringen, was er gerade nicht will oder vom eigentlich gewünschten Verhalten abzuhalten. Denke an Kinder auf der Straße und im Verkehr, den Umgang mit Gefahren oder die Vermittlung eines Stoffes, der den anderen, der vor Sehnsucht oder Liebeskummer gerade vergeht, überhaupt nicht interessiert.

Dann kann es leichtfertig sein, die Kinder selbst erkennen zu lassen, dass es tödlich ist, unter einen Laster zu kommen. Wer sich aus einer Laune oder durch Prägung des Elternhauses in der Schule ständig verweigert, schafft sich Probleme, die noch gar nicht abgesehen werden können, warum es klug und verantwortlich ist, ihnen das zu vermitteln und notfalls auch schnell einzugreifen, damit nichts passiert.

Das ist immer  eine Gratwanderung zwischen zuviel und zuwenig bei der wir aus meiner Erfahrung noch mehr darauf achten müssen, nicht selbst in die einfachen Muster der Autorität zu verfallen, als Angst zu haben, nicht genug getan zu haben.

Für mich war es am wichtigsten die Freiheit meiner Tochter anzuerkennen. Sie ist ihr eigener Mensch und ich möchte, dass sie ihre eigenen Entscheidungen trifft und in dem Sinne sittlich verantwortlich handelt, wie es Kant beschrieb, ob sie dazu weiß, wer Kant ist oder nicht. Es geht  um das Prinzip, das gut nur diejenigen handeln, die es aufgeklärt tun und also nicht, weil sie gut erzogen oder brav sind und gefallen wollen, sondern weil sie davon überzeugt sind.

Der Sache nach kann ich kein Kind und keinen Menschen davon überzeugen, aufgeklärt und frei sein zu wollen. Dies funktioniert nur, wenn es jeder einzelne selbst will. Gutes tut nur, wer es will und von sich aus tut. Wer ein Gesetz und sei es auch nur ein geaberglaubtes göttliches Recht befolgt, handelt zwar nach gesellschaftlichen Maßstäben moralisch weil angepasst, sittlich betrachtet aber, ist dies Verhalten wertlos, da es bloß auf  einer Programmierung und Konditionierung beruht, nicht auf einem Willensentschluss.

Darum ließ ich meiner Tochter die Freiheit und schenkte ihr lieber Vertrauen als klare Regeln, las ihr lieber Sophies Welt vor, damit sie kritisch denken lernt, was sie zu meinem größten Stolz wirklich tut, auch wenn ich überhaupt nichts dafür kann, das Wort Stolz also eigentlich Fehl am Platz ist, weil das allein ihre Entscheidung und Entwicklung ist. Damit bin ich nun glücklich und zufrieden und kann es gut mit meinem Gewissen vereinbaren, denke Vertrauen ist immer besser als Autorität.

Fraglich ist, was in einer Partnerschaft gilt, wo wir uns eigentlich selbstverständlich als freie und gleichberechtigte Wesen begegnen sollten. Gerade in Konflikten neigt jede Seite dabei dazu, sich mit verschieden perfiden Mitteln durchsetzen zu wollen. Wenn ich nicht mehr brülle oder streite, tue ich es mit subtilen Mitteln wie Liebesentzug durch Rückzug oder Herablassung und ich traue mich nicht, zu sagen, dass ich je frei davon wäre.

Wie sollten wir reagieren, wenn wir uns Sorgen, um den anderen machen, er sich selbst beschädigt, ungesund reagiert oder sonst etwas tut, was der Beziehung gegen beider Willen schadet. Darf ich dann autoritär auf meine Grenzen hinweisen und sagen, bis hierhin und nicht weiter oder braucht es dazu anderer Lösungen und wie frei sind wir unter dem Einfluss von Hormonen und Gefühlen dabei überhaupt noch?

Die eigenen Grenzen aufzeigen, scheint mir in Ordnung, den anderen zum guten Weg bekehren zu wollen, dagegen nicht mehr. So ganz allgemein gesprochen zumindest und doch wird im Einzelfall immer wieder etwas anderes gelten, weil so viele Umstände eine Rolle spielen, die das Verhalten des anderen begründen, die vielleicht auch pathologisch sind und darum autoritäres Verhalten als Hilfe brauchen, wie Kinder im Straßenverkehr diese erstmal brauchen, um die Gefahr zu verstehen, ohne sie zu erleiden.

Andererseits müssen wir als Partner immer gleichbereichtigt sein, wenn wir Partner sein und uns lieben wollen, weil die Liebe nur in Freiheit sein kann, jedes andere Handeln nur dummer Gehorsam einer Maschine wäre, nie gut ist.

Weiß hier, wie so oft, keine klare Antwort sondern balanciere zwischen den eigenen Prinzipien, dem Wunsch nach Freiheit und den Zwängen der Natur, die uns selten ganz so gut sein lässt, wie wir es gern wären. Vermutlich ist das ganz normal und es geht ganz vielen Menschen so, die an ihre Grenzen kommen, sie überschreiten, dem anderen nur gut wollen und doch das Gegenteil erreichen. Es ist für mich, der ich nun eine um einges jüngere Partnerin habe, wie ich vorher der um einiges jüngere Partner war, wichtig, ihre Freiheit zu achten und sie darin zu stärken, Konflikte im Diskurs gleichberechtigter Partner zu lösen und doch ist es vermutlich ganz natürlich, ihr manche Erfahrung ersparen zu wollen, uns vor Konflikten beschützen zu wolllen, die gefährlich sein können und die eine kurze autoritäre Ansage vielleicht leichter beenden als eine lange überflüssige Diskussion.

So wandere ich weiter auf dem Seil zwischen gut wollen und besser wissen, dass für einen anderen wollen immer falsch ist, weil nur gut wird, was dieser selbst will und passe mich dabei täglich neu den wechselnden Bedingungen des Lebens an, das ganz zu verstehen ich mir nie anmaßen würde, schaue, staune und wundere mich.

jens tuengerthal 2.11.2017

Liebesdialektik

Um so größer die Krisen
Die zwei miteinander überstehen
Desto näher kommen sie sich
Im Guten wie im Schlechten

Nach solchen nicht aufgeben
Sondern sich noch sicherer sein
Zeugt von der Kraft der Liebe
Machen Mut für die Zukunft

Nichts kann immer einfach sein
Aber alles wird dafür leichter
Wenn wir an die Liebe glauben
Was bleibt uns auch übrig

Auf einen Traum bauen wollen
Scheint vernünftigerweise gewagt
Doch zeigt sich seine wahre Größe
Wo er im Zweifel erhalten bleibt

Habe noch nie so glücklich geliebt
Zugleich nie so sehr auch gelitten
Wenn das der Preis des Glücks ist
Bist du ihn immer wieder wert

Weiß nicht ob es sich je ändert
Ein ruhiges Gleichmaß entsteht
Oder Leidenschaft eben fordert
Nehme es voll Liebe wie es kommt

Da nichts schöneres denkbar ist
Als die vielen glücklichen Momente
Wiegen die kleinen Krisen nichts
Bleibt die Summe stets positiv

Wo am Ende die Bilanz stimmt
Beide glücklicher auch werden
Ist jeder Umweg der richtige
Uns einander zu erhalten

Voller Gefühl und doch nüchtern
Feststellen es lohnt sich für immer
Ist was auch kommt genug Glück
Alles miteinander zu wollen

jens tuengerthal 1.11.2017

Mittwoch, 1. November 2017

Lesewetter

Sage immer, ich liebe den Herbst und frage mich gerade, ob ich dabei eher an die sonnigen Tage mit  dem bunten Laub denke oder die grauen verregneten Tage im November, wenn du in Berlin fast gar kein Licht mehr siehst und es gefühlt immer dunkler wird, der Nebel um die Häuser streicht, alles sich klamm und feucht anfühlt und du noch mit der Heizung haderst.

Denke zuerst an die sonnig bunten Tage, wenn ich sage, ich liebe den Herbst, doch wenn ich mich prüfe und nachdenke, finde ich es gerade so wunderbar wie nie im Jahr, in feuchtgrauer Dunkelheit lesend in warmer  Umgebung, den Tag zu genießen und keinen Ort gerade schöner zu finden als den Leseplatz mit einem heißen Tee und schönen Keksen.

Laufe auch meine täglichen Runden, um wieder mindestens zehn Kilometer am Tag gegangen zu sein, sich irgendwie gesund und beweglich zu halten und doch genieße ich gerade nichts mehr als dieses Zuhause zu sein - wie warm fühlt es sich an, wenn ich die Tür aufschließe und die lange Reihe der teils sehr filigranen, kleinen Schuhe meiner Prinzessin dort stehen sehe, wie einen Gruß aus wärmeren Zeiten und doch fühle ich mich nie so wohl wie jetzt in der Rolli-Zeit, wenn der Tee noch besser schmeckt und keine Vorstellung schöner ist, als am Kamin zu sitzen und zu lesen.

Auch wenn ich keinen Kamin habe und die Vorstellung eher eine theoretische war, ist sie doch so heimelig gemütlich, dass mir der November gleich noch schöner erscheint, in dem das Licht früh verschwindet und die Kaminstunden -  ob nun mit oder ohne Kamin, zumindest sicher mit heißem Tee, zu den schönsten des Tages werden.

Habe schon länger darüber nachgedacht mir irgendwann mal ein Kamin Imitat zu gönnen, das sichtbar vor sich hin flackert und diese Stimmung in den Raum trägt - vermutlich weil ich mit Kaminen bei den Großeltern und ab meinem elften Lebensjahr auch immer bei den Eltern aufgewachsen bin und die Stunden vorm Kamin als besonders warm und schön in meiner Erinnerung wach sind, auch wenn ich da vermutlich verkläre, was es nur selten gab.

Wäre natürlich kitsch - aber hat nicht jeder so seinen Kitsch, den er besonders liebt?

Die einen stellen sich Nippes ins Regal oder Andenken irgendwo auf und ich träume eben gern von Abenden vorm Kamin, dabei muss ich zugeben, dass ich einen elektrischen oder Gaskamin heute schon fast reizvoller finde als einen echten, der gereinigt werden will, Aufwand beim Anmachen und Abbrennen fordert, keine bloße Dekoration des Lesens mehr ist, um das es mir eigentlich geht.

Grinse in mich hinein und stelle mir vor, wie ich mit meiner modernen Thermoskanne und der E-Pfeife vor dem elektrischen Kamin sitze und elektronische Bücher in meinem Kindle lese und mich fast wie in alten Zeiten fühle, wenn ich mich dann etwa in Jenseits des Tweed von Fontane vertiefe - ist natürlich etwas übertrieben, da ich ja meist keine elektronischen sondern echte Bücher lieber in der Hand halte, aber doch nicht ausgeschlossen.

Liebe ich das Imitat mehr als die Wirklichkeit und was ist echt?

Warm im trockenen Zimmer mit meiner gewohnten elektronischen Umgebung liebe ich dieses Gefühl von Landhaus, das ich mir vorspiele, ohne es noch haben zu wollen, bin ich doch zu gern in meinem Berlin, wo ich die schönsten Bilder in Fußnähe habe, Bahnen und Busse nur wenige hundert Meter entfernt, mitten im Leben bin und doch in meinem Hinterhof mich der Illusion hingeben kann, ich säße am Kamin bei diesem idealen Lesewetter - was braucht es mehr zum Glück?

Natürlich träume ich mir noch meine ebenfalls bücherliebende schöne Frau an meine Seite, die dann mit mir vertieft liest und wir, sollte uns einen Moment kalt sein, uns kuschelnd wieder aufwärmen voller Glück - wir zwei, die das Lesewetter und den Herbst so sehr lieben wie feinen Tee, gute Kekse und einander, wären dann vollkommen glücklich und der Gedanke, dass wir beide eigentlich nur das zum völligen Glück brauchen, weil einfach alles stimmt, bin ich bereits wieder so in meinem wohligen Herbstgefühl versunken, dass ich es auch ertrage, diesen Herbst zu lange noch ohne sie zu sein, in dem ich mich schreibend und lesend ablenke mit der Gewissheit, wir werden das wohl beide nun lebenslänglich so wollen und so lange das so ist, brauche ich auch über nichts anderes mehr nachdenken, als dies so zu genießen, wie es ist.

Vielleicht ist es die Konzentration der grauen Herbsttage, an denen du nie den Himmel oder die Sonne in meinem Hinterhof richtig siehst, die das, was mir wichtig ist und mich glücklich macht noch schöner erscheinen lässt.

Die schönen geliebten Bücher der Anderen Bibliothek in den Händen halten, vorsichtig Seite um Seite beim Lesen umblättern, dazu einen heißen Tee natürlich und warmes Licht. Es gibt viele schöne Cafés in meiner Umgebung, früher verbrachte ich Stunden und Tage dort schreibend und immer wieder auch plaudernd, wenn es sich ergab, heute genieße ich mehr meine Bibliothek und das geteilte Heim, ist das Bedürfnis rauszugehen, außer um meine Kilometer zu flanieren, viel kleiner als alles andere. Vielleicht liegt es daran, wie präsent meine Liebste hier in so vielem inzwischen ist, ich bei jedem Blick irgendwo ihre Spuren in allen Räumen sehen kann und mich heimlich zärtlich darüber freue. Ist bestimmt ein wichtiger Grund, warum ich mich in der geteilten Wohnung noch wohler fühle als je, doch frage ich mich, ob mit fortschreitendem Alter die Liebe zu den Büchern mich noch mehr erfüllt, ich die Ruhe mehr genieße, als das Bedürfnis nach anderen Menschen und Abwechslung. Der Rückzug in geistige Welten mit guten Bücher, feinem Tee und der Liebsten an deiner Seite, scheint mir heute verlockender als alles.

Dies Gefühl der Bücherliebe, was schon große Teile meines Lebens umgibt und was mir meine Eltern, besonders meine Mutter lesend und mein Vater mehr sammelnd, vorlebten, ist mir zum Gefühl von Glück geworden. Darum schreibe ich und lebe ich in der Welt der Worte, um die Geschichten fortzuschreiben, weil ich dort schon immer und egal wo ich lebte zuhause war. Das Zuhause eben, was an grauen Novembertagen noch schöner scheint und in dem ich den zärtlichen Geist der Liebsten überall sichtbar spüre, wird durch die bis zur hohen Decke des Altbaus in Regalen stehenden Büchern erst meine wirkliche Heimat. Hier bin ich zwischen den Seiten und Absätzen angekommen und ganz ich.

Sehe ich den Glanz in den Augen der Liebsten, wenn sie sich Bücher gönnt oder Bibliotheken besichtigt, sie sich beim Lesen vertiefen, merke ich, wir teilen diese Heimat ganz, was noch unabhängig von dem wäre, was wir lesen - perfekt ist es dadurch geworden, dass wir auch noch da die Liebe zu den guten und schönen Büchern teilen, sie uns so vollkommen glücklich machen wie unsere körperlich intensive Nähe.

Lesewetter ist also bei mir nicht nur eine Trotzreaktion - was sollste bei dem Wetter auch draußen machen, denken wohl manche - es ist eine Liebeserklärung an das, was mich ausmacht und ein Stück auf dem Weg zum vollkommenen Glück. Sich in Bücher vertiefen und Geschichten zu lesen wie zu erzählen, ist was mich ganz und gar glücklich macht. Andere wollen Reisen oder Abenteuer erleben, die Welt sehen, tolle Menschen treffen, sich im Sport überbieten, sexuelle Abenteuer erleben - all solche Dinge treiben Menschen zu den größten Leistungen an, habe mich auch im einen oder anderen mal versucht, aber eigentlich will ich einfach glücklich lesen und in meiner Bibliothek bei einem heißen Tee genießen, was mein Geist zwischen den Zeilen findet.

Manchmal hörte ich, dieser Wunsch sei doch nicht real, ich flüchtete mich in Bücher aus der Welt, die mich nur peripher interessiert, wenn überhaupt noch. Das mag richtig sein, wenn es erstrebenswerter wäre, ständig in der realen Welt zu leben und ich nicht doch viel eher in der Bücherwelt zuhause wäre. Merke, wenn ich den ganzen Tag schreibe und lesen, bin ich vollkommen glücklich und ausgeglichen und brauche nichts anderes mehr als guten Tee und Kekse dazu. So bin ich vielleicht aus Sicht der Menschen in den Cafés ein Langweiler und Stubenhocker geworden, aus meiner Sicht aber, bin ich nun endlich ganz bei mir und scheint mir kein Zustand erstrebenswerter, als jener auf den uns der Herbst so schön konzentriert.

Die Tage sind draußen grau und kurz, umso schöner wird es Innen und darum liebe ich den Herbst so, auch in Berlin, wenn er mehr graue als sonnige Tage gibt, weil ich ganz bei mir bin und tue, worauf es mir ankommt, zwischen den vielen Büchern, die ich immer auf einmal lese, zwischen denen ich nach Laune oder Pflicht springe und den Tag über schreibe mit einem heißen Tee neben mir - fehlt nur gerade noch die für mich schönste Frau der Welt, doch sie wird kommen, um zu bleiben und so habe ich alles, was ich brauche in meiner Bücherhöhle in Gedanken beisammen und nenne mich bei egal welchem Wetter einen glücklichen Menschen, der mit einem Tee, Büchern und dem Kopf voller Geschichten alles erreicht hat, was er braucht. Vielleicht ist das wenig, vielleicht ist es alles, was der Mensch braucht, mir genügt es zum Glück und vollkommen wird dies im Wissen, es noch mit der besten Liebsten ein Leben lang teilen zu wollen und so lehne ich mich zurück, lausche dem Regen und denke, es ist alles gut so.

jens tuengerthal 1.11.2017

Nahwissen

Was weiß ich schon
Sage ich gern mit Montaigne
Mag diese Bescheidenheit
Auf dennoch hohem Niveau

Nicht wie Sokrates der sich
Als Weiser sicher im Unwissen
Gern gab und lieber vorführte
Durch klügere Fragen alle

Weiß nicht mal ob ich nichts
Sicher wissen kann dafür
Staune ich lieber in die Welt
Ohne Erkenntnis zu suchen

Genieße was ist als Geschenk
Voller Glück ohne Relativierung
Freue mich lieber am Augenblick
Der genug ein Leben lang ist

Wer weiß schon wie lang noch
Der Augenblick diesmal währt
Darum lebe ich ihn für immer
Damit es sich stets so anfühlt

Sicher nur bin ich in einem ganz
Dich für immer so zu lieben als
Sei es für eine reale Ewigkeit
Auch wenn es nur ein Leben ist

Dabei geht es natürlich um Gefühl
Etwas wo wir nie wissen können
Doch wo sonst sollten wir sicher sein
Als in der großen Liebe immer

Zwischen nicht wissen aber wollen
Liegt die Illusion einer bloßen Idee
Der Traum von der großen Liebe
Ist physikalisch kaum nachweisbar

Nirgendwo bin ich mir sicherer als
Diesmal in der Liebe die Richtige
Gefunden zu haben auch wenn ich
Nichts wissen kann nur viel fühle

Wir fühlen uns unglaublich nah
Obwohl noch nie so fern es war
Die Dialektik der Liebe schwebt
Über dem realen Nichts der Idee

Wir haben alles miteinander
Für immer ohne jeden Zweifel
Dabei noch fern voneinander
Nichts in der Hand als Träume

Was weiß ich schon denk ich
Genieße was ist ohne Wissen
Weil Sicherheit und Erwartung
Der Tod jeder Liebe wohl wäre

Mehr wird es nicht mehr geben
Denk ich zufrieden mit allem
Liebe und Lust sind immer genug
Und das Leben endet sicher

jens tuengerthal 1.11.2017