Donnerstag, 2. November 2017

Autoritätserfolg

Wie erfolgreich ist Autorität in Alltag und Theorie noch?

Wer einmal feststellt, dass autoritäres Verhalten, das sich mit Kraft und sei es auch nur verbaler Gewalt durchsetzt, erfolgreich ist, muss hart daran arbeiten, nicht an diesen schlichten Erfolg der einfachen Mittel zu glauben.

Vielleicht wollen manche Menschen einfach, dass ihnen jemand sagt, wo es langgeht und wie alles zu funktionieren hat, damit sie keine Verantwortung übernehmen müssen. Der Blick in die Fernsehprogramme spricht sehr für diese These und das Verhalten der meisten Menschen, wenn sie mit anderen zusammenkommen, spricht auch eher für diese Vermutung.

Vielleicht ist die Herde, an die sich jeder Teil von ihr anpasst, einfach vom Wesen her dumm. Nur wer bin ich, über sie urteilen zu dürfen oder zu meinen, ich sei nicht auch nur Teil einer anderen Herde, die eben ihren Riten folgt, zu denen gehört, sich über die tumbe Masse lustig zu machen, ohne darum wirklich klüger zu sein?

In der Kindererziehung, welch grässliches Wort schon, in dem steckt, wir zögen an den Kindern, um sie unseren Zwecken entsprechend zu formen, zeigt sich dies noch deutlicher. Autorität und klare Ansagen funktionieren. Habe das eine zeitlang praktiziert. Konnte mich nicht beschweren, meine Tochter war wohlerzogen und höflich, was von außen immer wieder gelobt wurde. Es waren eben unsere Rollen in der Beziehung. Obwohl ich zehn Jahre jünger war als ihre Mutter, habe ich als Vater die streng autoritäre Rollle mit Drohungen und ähnlichem übernommen, wie ich es auch von meinen Eltern kannte, die wohl selbst in den 70ern als junge Eltern mit diesen Dingen haderten, aber im Krisenfall doch immer wieder auch auf das Machtwort zurückfielen, bis hin zu großväterlichen Sprüchen des Vaters - “solange du die Füße unter meinen Tisch stellst…” - die Lösungen in ihrem Sinne mit verbaler Gewalt durchzusetzen versuchten, wie sie es von ihren Eltern kannten. Dennoch war bei meinen Eltern immer die große Liebe zu ihren Kindern spürbar und sie gab Vertrauen in sich und in das Leben und ich glaube heute diese Liebe und Sicherheit, war das wichtigste, was ich von meinen Eltern bekommen konnte, mehr als der ganze bürgerliche Hintergrund, die Essmanieren, die korrekten Formen und die ganzen anderen Oberflächlichkeiten, die einem das Leben erleichtern. Sich geliebt zu fühlen, macht stark und glücklich und ist aus meiner Sicht wichtiger als alles.

Beide Seiten waren bei mir immer darum bemüht, noch friedliche Lösungen zu finden aber auch bei uns war der Vater, wenn er denn da war, für das Machtwort zuständig, wie es eben den patriarchalen Strukturen alter Familien  entspricht. Auch heute bekommt mein Herr Papa noch manchmal solche Anwandlungen gegenüber den längst erwachsenen Kindern, was aber von diesen eher lächelnd überhört wird,  um sein Herz zu schonen. Am Ende zeigt sich also, wie ich es auch bei meinen Großväter beobachten konnte, die noch viel mehr zu der auch gewalttätigen Autorität neigten und ihre Kinder schlugen, was ich bei den wenigen malen, denen es mir passierte schon fast vergessen habe, eher ein Ausrutscher war, dass die Autorität sich in Nichts auflöst und durch lächelnden Respekt und Liebe ersetzt wird, mit dem sich alle wohler fühlen.

Was sich in ein Lächeln und Harmonie auflöst, weil es keiner braucht, könnte von Anfang an, überflüssig sein, fällt mir dazu ein. Warum diese alten Muster, wenn wir doch unsere Kinder zur Freiheit erziehen wollen, damit sie selbständige und starke Menschen werden, die ihren Weg finden?

Weiß es nicht, habe nur gemerkt, es funktioniert ganz einfach und wenn du einmal damit anfängst, hörst du nicht mehr damit auf, bis du darüber nachdenkst oder sich etwas grundlegend ändert in deinem Leben oder in der Beziehung zu anderen.

Bei mir war es die Trennung von der Mutter meiner Tochter und die Umstände dabei. Die einerseits Befreiung bei gleichzeitigem Verlust jeder Sicherheit und harter Brutalität dort im Kampf, wo vorher Liebe war, wie sich zwei schnell trickreich von Anwälten beraten, vor Gericht fertig zu machen versuchten, um ihre guten Rechte durchzusetzen.

Was für ein Mist, dachte ich, als mir klar wurde, was wir dort veranstaltet hatten und  sich alles wieder beruhigt hatte. Will nicht über Schuld und Verantwortung reden dabei. Das geht immer nur die beiden an, die es betrifft und damit müssen die klar kommen, mussten wir und eben leider auch unsere Tochter und das mit unserer Tochter haben wir irgendwann ziemlich gut hinbekommen, was wichtiger mir scheint als wer nun Recht oder Unrecht hat, ob es solches in der Konkursverwaltung einer Liebe überhaupt geben kann.

Es nicht zusammen geschafft zu haben, ist kritikwürdig genug für beide Eltern, dachte ich, dem seine Eltern ein Leben lang auch unter nicht immer ganz einfachen Umständen etwas ganz anderes vorgelebt haben. Zumindest lernte ich aus diesem großen Versagen plötzlich die gewohnte Rolle zu verlassen und nicht mehr in autoritäre Muster schlicht zu verfallen, sondern meine Tochter zu lassen, ihr Vertrauen zu schenken, was irgendwann auch so zurückkam. Die Beziehung wurde, auch wenn wir uns logisch seltener sahen, inniger, als sie je war, was mich sehr glücklich machte. Weiß manches, was die Mutter nie erfahren dürfte und mit meiner deutlich jüngeren Frau ist meine Tochter wie eine beste Freundin, was ich wunderbar finde und die Eltern-Kind-Freundin Schranke ein wenig durchbricht.

Es schien mir, erst ein wenig und dabei nun immer mehr, dass es die alten Muster und Schranken nicht mehr braucht, wir besser frei agieren miteinander, weil wir dann mehr voneinander lernen können, statt nur an Rollen und Mustern festzuhalten. Wann meine Tochter nach Hause kommt, überlasse ich ihr. Auch wenn ich da sicher noch gewisse Pflichten der Aufsicht rechtlich habe, hat sich gezeigt, dass Vertrauen belohnt wird und weiter führt als Kontrolle und Autorität. Verbiete ich ihr etwas, sieht sie es vielleicht Jahre später ein, wird aber ganz natürlich alles tun, das Verbot zu umgehen, um ihren Wünschen entsprechend zu handeln.

Warum ich etwas wünsche, wird damit nicht deutlich. Bin nur autoritär und setze mich durch, wie es auch gesellschaftlich gern erwartet wird. Ein autoritärer Vater mit gut erzogenen Kindern, weiß genau, wo es langgeht und bläst den anderen den Marsch, wenn nötig, kann sich durchsetzen, siegt im Kampf ums Überleben. So funktioniert unsere Gesellschaft in vielem noch, wo es um Befehl und Gehorsam geht. Manche meinen dies aus Darwins Theorie von der Entstehung der Arten ableiten zu können und schaffen mit dem Sozialdarwinismus des Survival of the fittest eine trivial beschränkte Reduktion, die keinem gut tut, sondern bloß Gewalt verherrlicht, statt Zivilisation voranzubringen.

Wäre darum antiautoritär immer richtig oder führt dieses andere Extrem auch nur zu Verwirrung?

Verteidiger der klassischen Haltung, wie ich früher, behaupten gern, Kinder bräuchten Grenzen und meinen, besser wir zeigen sie ihnen, als dass sie sozialen Schiffbruch erleiden. Als Begründung werden gern die Fälle herangezogen, die sich ohne Autorität verloren, den Drogen verfielen, ihr Leben verspielen. Hätte gerne mal exakte Zahlen zu diesen Fällen, falls es sie gibt - wie viele Kinder die autoritär erzogen wurden, kriminell werden, eine Drogenkarriere starten oder bei Hartz IV landen und wie viele es im umgekehrten Fall sind.

Vermute eher und alles was ich dazu bisher erlebte, spricht dafür, dass sich die Zahlen nicht wirklich unterscheiden. Die Neigung kriminell zu werden, drogensüchtig oder in irgendeiner Form asozial, hängt weniger mit der Form der Erziehung als dem Wesen der Person zusammen. Weiß nicht, ob ich nun soweit gehen würde, zu sagen, dass alle Psyche anlagebedingt ist - nichts ist absolut richtig und auch das ist nur eine Sicht auf den Menschen, aber was immer alles zur Entwicklung eines Menschen führt, von den Genen bis zur Prägung, die sich immer noch altbacken Erziehung nennt, es ist eine solche Vielzahl von Umständen und Elementen, dass es unsinnig wäre, sich auf eines allein zu kaprizieren und zu glauben, dabei allein läge die Antwort und Lösung aller Probleme.

Es mag eine genetische Disposition geben, die eher zu asozialem Verhalten führt, die aber nicht erklärt, warum der eine es wird und der andere nicht, weil wir nie wissen können, was alles einen Menschen ausmacht, wir immer nur kleine Teile überblicken und die Größe der Komplexität verführt ja Menschen auch seit Menschengedenken immer wieder dazu, sich höhere Wesen auszudenken. Wir können einzig und allein versuchen, alles zu tun, dass der andere sich so gut wie möglich entwickeln kann und auf die eine oder andere Art die Prinzipien des kategorischen Imperativs verinnerlicht, die Bedingung eines gedeihlichen Zusammenlebens sind.

Damit bin ich beim Kern meiner Abwendung von der Autorität und warum ich sie heute in dem was Erziehung oder sonst den Umgang mit Menschen betrifft für völlig verfehlt halte. Der kategorische Imperativ als Maßstab sittlich guten Handelns - handle stets so, dass dein Handeln Gesetz für jedermann sein könnte - ist ein zu erstrebender Näherungswert, der ein aufgeklärt, kritisch denkendes Wesen voraussetzt.

Aufgeklärt sein aber heißt nach Kant und bis heute, sich aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit zu befreien, um selbst zu denken. Unmündig ist dabei, wer sich unfähig zeigt, seinen Verstand ohne Hilfe anderer zu gebrauchen. Unmündig handelt also auch, wer nur Gesetzen folgt, ohne sie an seinem Gewissen zu prüfen, wer nur gehorcht, statt reflektiert zu handeln. Selbstverschuldet ist dies, wenn der andere nicht zu blöd ist, dies zu erkennen, sondern es einfach nur aus Faulheit und Trägheit unterlässt. Weil autoritäre Ansagen eben leichter sind, als Dinge in Ruhe abzuwarten und sich entwickeln zu lassen.

Hier wird häufig argumentiert, wir können die Kinder doch nicht ins Elend laufen lassen, müssen ihnen zeigen, was gut und richtig ist, damit sie sich nicht verirren, was so falsch ist, wie es im Ergebnis das Gegenteil erreicht. Wer nicht aus eigener Motivation gut handelt, handelt nicht gut, sondern gehorcht nur einem autoritären Muster, was zu nichts führt als  Widerstand oder erzwungenem Gehorsam.

Natürlich haben Eltern für Kinder eine Schutzpflicht, müssen Lehrer den Kindern einen Stoff nahe bringen, auch wenn diese systemimmanent gerade an ganz anderen Dingen Interesse haben. Darum ist es auch nicht grundsätzlich immer falsch, jemanden zu etwas zu bringen, was er gerade nicht will oder vom eigentlich gewünschten Verhalten abzuhalten. Denke an Kinder auf der Straße und im Verkehr, den Umgang mit Gefahren oder die Vermittlung eines Stoffes, der den anderen, der vor Sehnsucht oder Liebeskummer gerade vergeht, überhaupt nicht interessiert.

Dann kann es leichtfertig sein, die Kinder selbst erkennen zu lassen, dass es tödlich ist, unter einen Laster zu kommen. Wer sich aus einer Laune oder durch Prägung des Elternhauses in der Schule ständig verweigert, schafft sich Probleme, die noch gar nicht abgesehen werden können, warum es klug und verantwortlich ist, ihnen das zu vermitteln und notfalls auch schnell einzugreifen, damit nichts passiert.

Das ist immer  eine Gratwanderung zwischen zuviel und zuwenig bei der wir aus meiner Erfahrung noch mehr darauf achten müssen, nicht selbst in die einfachen Muster der Autorität zu verfallen, als Angst zu haben, nicht genug getan zu haben.

Für mich war es am wichtigsten die Freiheit meiner Tochter anzuerkennen. Sie ist ihr eigener Mensch und ich möchte, dass sie ihre eigenen Entscheidungen trifft und in dem Sinne sittlich verantwortlich handelt, wie es Kant beschrieb, ob sie dazu weiß, wer Kant ist oder nicht. Es geht  um das Prinzip, das gut nur diejenigen handeln, die es aufgeklärt tun und also nicht, weil sie gut erzogen oder brav sind und gefallen wollen, sondern weil sie davon überzeugt sind.

Der Sache nach kann ich kein Kind und keinen Menschen davon überzeugen, aufgeklärt und frei sein zu wollen. Dies funktioniert nur, wenn es jeder einzelne selbst will. Gutes tut nur, wer es will und von sich aus tut. Wer ein Gesetz und sei es auch nur ein geaberglaubtes göttliches Recht befolgt, handelt zwar nach gesellschaftlichen Maßstäben moralisch weil angepasst, sittlich betrachtet aber, ist dies Verhalten wertlos, da es bloß auf  einer Programmierung und Konditionierung beruht, nicht auf einem Willensentschluss.

Darum ließ ich meiner Tochter die Freiheit und schenkte ihr lieber Vertrauen als klare Regeln, las ihr lieber Sophies Welt vor, damit sie kritisch denken lernt, was sie zu meinem größten Stolz wirklich tut, auch wenn ich überhaupt nichts dafür kann, das Wort Stolz also eigentlich Fehl am Platz ist, weil das allein ihre Entscheidung und Entwicklung ist. Damit bin ich nun glücklich und zufrieden und kann es gut mit meinem Gewissen vereinbaren, denke Vertrauen ist immer besser als Autorität.

Fraglich ist, was in einer Partnerschaft gilt, wo wir uns eigentlich selbstverständlich als freie und gleichberechtigte Wesen begegnen sollten. Gerade in Konflikten neigt jede Seite dabei dazu, sich mit verschieden perfiden Mitteln durchsetzen zu wollen. Wenn ich nicht mehr brülle oder streite, tue ich es mit subtilen Mitteln wie Liebesentzug durch Rückzug oder Herablassung und ich traue mich nicht, zu sagen, dass ich je frei davon wäre.

Wie sollten wir reagieren, wenn wir uns Sorgen, um den anderen machen, er sich selbst beschädigt, ungesund reagiert oder sonst etwas tut, was der Beziehung gegen beider Willen schadet. Darf ich dann autoritär auf meine Grenzen hinweisen und sagen, bis hierhin und nicht weiter oder braucht es dazu anderer Lösungen und wie frei sind wir unter dem Einfluss von Hormonen und Gefühlen dabei überhaupt noch?

Die eigenen Grenzen aufzeigen, scheint mir in Ordnung, den anderen zum guten Weg bekehren zu wollen, dagegen nicht mehr. So ganz allgemein gesprochen zumindest und doch wird im Einzelfall immer wieder etwas anderes gelten, weil so viele Umstände eine Rolle spielen, die das Verhalten des anderen begründen, die vielleicht auch pathologisch sind und darum autoritäres Verhalten als Hilfe brauchen, wie Kinder im Straßenverkehr diese erstmal brauchen, um die Gefahr zu verstehen, ohne sie zu erleiden.

Andererseits müssen wir als Partner immer gleichbereichtigt sein, wenn wir Partner sein und uns lieben wollen, weil die Liebe nur in Freiheit sein kann, jedes andere Handeln nur dummer Gehorsam einer Maschine wäre, nie gut ist.

Weiß hier, wie so oft, keine klare Antwort sondern balanciere zwischen den eigenen Prinzipien, dem Wunsch nach Freiheit und den Zwängen der Natur, die uns selten ganz so gut sein lässt, wie wir es gern wären. Vermutlich ist das ganz normal und es geht ganz vielen Menschen so, die an ihre Grenzen kommen, sie überschreiten, dem anderen nur gut wollen und doch das Gegenteil erreichen. Es ist für mich, der ich nun eine um einges jüngere Partnerin habe, wie ich vorher der um einiges jüngere Partner war, wichtig, ihre Freiheit zu achten und sie darin zu stärken, Konflikte im Diskurs gleichberechtigter Partner zu lösen und doch ist es vermutlich ganz natürlich, ihr manche Erfahrung ersparen zu wollen, uns vor Konflikten beschützen zu wolllen, die gefährlich sein können und die eine kurze autoritäre Ansage vielleicht leichter beenden als eine lange überflüssige Diskussion.

So wandere ich weiter auf dem Seil zwischen gut wollen und besser wissen, dass für einen anderen wollen immer falsch ist, weil nur gut wird, was dieser selbst will und passe mich dabei täglich neu den wechselnden Bedingungen des Lebens an, das ganz zu verstehen ich mir nie anmaßen würde, schaue, staune und wundere mich.

jens tuengerthal 2.11.2017

Liebesdialektik

Um so größer die Krisen
Die zwei miteinander überstehen
Desto näher kommen sie sich
Im Guten wie im Schlechten

Nach solchen nicht aufgeben
Sondern sich noch sicherer sein
Zeugt von der Kraft der Liebe
Machen Mut für die Zukunft

Nichts kann immer einfach sein
Aber alles wird dafür leichter
Wenn wir an die Liebe glauben
Was bleibt uns auch übrig

Auf einen Traum bauen wollen
Scheint vernünftigerweise gewagt
Doch zeigt sich seine wahre Größe
Wo er im Zweifel erhalten bleibt

Habe noch nie so glücklich geliebt
Zugleich nie so sehr auch gelitten
Wenn das der Preis des Glücks ist
Bist du ihn immer wieder wert

Weiß nicht ob es sich je ändert
Ein ruhiges Gleichmaß entsteht
Oder Leidenschaft eben fordert
Nehme es voll Liebe wie es kommt

Da nichts schöneres denkbar ist
Als die vielen glücklichen Momente
Wiegen die kleinen Krisen nichts
Bleibt die Summe stets positiv

Wo am Ende die Bilanz stimmt
Beide glücklicher auch werden
Ist jeder Umweg der richtige
Uns einander zu erhalten

Voller Gefühl und doch nüchtern
Feststellen es lohnt sich für immer
Ist was auch kommt genug Glück
Alles miteinander zu wollen

jens tuengerthal 1.11.2017

Mittwoch, 1. November 2017

Lesewetter

Sage immer, ich liebe den Herbst und frage mich gerade, ob ich dabei eher an die sonnigen Tage mit  dem bunten Laub denke oder die grauen verregneten Tage im November, wenn du in Berlin fast gar kein Licht mehr siehst und es gefühlt immer dunkler wird, der Nebel um die Häuser streicht, alles sich klamm und feucht anfühlt und du noch mit der Heizung haderst.

Denke zuerst an die sonnig bunten Tage, wenn ich sage, ich liebe den Herbst, doch wenn ich mich prüfe und nachdenke, finde ich es gerade so wunderbar wie nie im Jahr, in feuchtgrauer Dunkelheit lesend in warmer  Umgebung, den Tag zu genießen und keinen Ort gerade schöner zu finden als den Leseplatz mit einem heißen Tee und schönen Keksen.

Laufe auch meine täglichen Runden, um wieder mindestens zehn Kilometer am Tag gegangen zu sein, sich irgendwie gesund und beweglich zu halten und doch genieße ich gerade nichts mehr als dieses Zuhause zu sein - wie warm fühlt es sich an, wenn ich die Tür aufschließe und die lange Reihe der teils sehr filigranen, kleinen Schuhe meiner Prinzessin dort stehen sehe, wie einen Gruß aus wärmeren Zeiten und doch fühle ich mich nie so wohl wie jetzt in der Rolli-Zeit, wenn der Tee noch besser schmeckt und keine Vorstellung schöner ist, als am Kamin zu sitzen und zu lesen.

Auch wenn ich keinen Kamin habe und die Vorstellung eher eine theoretische war, ist sie doch so heimelig gemütlich, dass mir der November gleich noch schöner erscheint, in dem das Licht früh verschwindet und die Kaminstunden -  ob nun mit oder ohne Kamin, zumindest sicher mit heißem Tee, zu den schönsten des Tages werden.

Habe schon länger darüber nachgedacht mir irgendwann mal ein Kamin Imitat zu gönnen, das sichtbar vor sich hin flackert und diese Stimmung in den Raum trägt - vermutlich weil ich mit Kaminen bei den Großeltern und ab meinem elften Lebensjahr auch immer bei den Eltern aufgewachsen bin und die Stunden vorm Kamin als besonders warm und schön in meiner Erinnerung wach sind, auch wenn ich da vermutlich verkläre, was es nur selten gab.

Wäre natürlich kitsch - aber hat nicht jeder so seinen Kitsch, den er besonders liebt?

Die einen stellen sich Nippes ins Regal oder Andenken irgendwo auf und ich träume eben gern von Abenden vorm Kamin, dabei muss ich zugeben, dass ich einen elektrischen oder Gaskamin heute schon fast reizvoller finde als einen echten, der gereinigt werden will, Aufwand beim Anmachen und Abbrennen fordert, keine bloße Dekoration des Lesens mehr ist, um das es mir eigentlich geht.

Grinse in mich hinein und stelle mir vor, wie ich mit meiner modernen Thermoskanne und der E-Pfeife vor dem elektrischen Kamin sitze und elektronische Bücher in meinem Kindle lese und mich fast wie in alten Zeiten fühle, wenn ich mich dann etwa in Jenseits des Tweed von Fontane vertiefe - ist natürlich etwas übertrieben, da ich ja meist keine elektronischen sondern echte Bücher lieber in der Hand halte, aber doch nicht ausgeschlossen.

Liebe ich das Imitat mehr als die Wirklichkeit und was ist echt?

Warm im trockenen Zimmer mit meiner gewohnten elektronischen Umgebung liebe ich dieses Gefühl von Landhaus, das ich mir vorspiele, ohne es noch haben zu wollen, bin ich doch zu gern in meinem Berlin, wo ich die schönsten Bilder in Fußnähe habe, Bahnen und Busse nur wenige hundert Meter entfernt, mitten im Leben bin und doch in meinem Hinterhof mich der Illusion hingeben kann, ich säße am Kamin bei diesem idealen Lesewetter - was braucht es mehr zum Glück?

Natürlich träume ich mir noch meine ebenfalls bücherliebende schöne Frau an meine Seite, die dann mit mir vertieft liest und wir, sollte uns einen Moment kalt sein, uns kuschelnd wieder aufwärmen voller Glück - wir zwei, die das Lesewetter und den Herbst so sehr lieben wie feinen Tee, gute Kekse und einander, wären dann vollkommen glücklich und der Gedanke, dass wir beide eigentlich nur das zum völligen Glück brauchen, weil einfach alles stimmt, bin ich bereits wieder so in meinem wohligen Herbstgefühl versunken, dass ich es auch ertrage, diesen Herbst zu lange noch ohne sie zu sein, in dem ich mich schreibend und lesend ablenke mit der Gewissheit, wir werden das wohl beide nun lebenslänglich so wollen und so lange das so ist, brauche ich auch über nichts anderes mehr nachdenken, als dies so zu genießen, wie es ist.

Vielleicht ist es die Konzentration der grauen Herbsttage, an denen du nie den Himmel oder die Sonne in meinem Hinterhof richtig siehst, die das, was mir wichtig ist und mich glücklich macht noch schöner erscheinen lässt.

Die schönen geliebten Bücher der Anderen Bibliothek in den Händen halten, vorsichtig Seite um Seite beim Lesen umblättern, dazu einen heißen Tee natürlich und warmes Licht. Es gibt viele schöne Cafés in meiner Umgebung, früher verbrachte ich Stunden und Tage dort schreibend und immer wieder auch plaudernd, wenn es sich ergab, heute genieße ich mehr meine Bibliothek und das geteilte Heim, ist das Bedürfnis rauszugehen, außer um meine Kilometer zu flanieren, viel kleiner als alles andere. Vielleicht liegt es daran, wie präsent meine Liebste hier in so vielem inzwischen ist, ich bei jedem Blick irgendwo ihre Spuren in allen Räumen sehen kann und mich heimlich zärtlich darüber freue. Ist bestimmt ein wichtiger Grund, warum ich mich in der geteilten Wohnung noch wohler fühle als je, doch frage ich mich, ob mit fortschreitendem Alter die Liebe zu den Büchern mich noch mehr erfüllt, ich die Ruhe mehr genieße, als das Bedürfnis nach anderen Menschen und Abwechslung. Der Rückzug in geistige Welten mit guten Bücher, feinem Tee und der Liebsten an deiner Seite, scheint mir heute verlockender als alles.

Dies Gefühl der Bücherliebe, was schon große Teile meines Lebens umgibt und was mir meine Eltern, besonders meine Mutter lesend und mein Vater mehr sammelnd, vorlebten, ist mir zum Gefühl von Glück geworden. Darum schreibe ich und lebe ich in der Welt der Worte, um die Geschichten fortzuschreiben, weil ich dort schon immer und egal wo ich lebte zuhause war. Das Zuhause eben, was an grauen Novembertagen noch schöner scheint und in dem ich den zärtlichen Geist der Liebsten überall sichtbar spüre, wird durch die bis zur hohen Decke des Altbaus in Regalen stehenden Büchern erst meine wirkliche Heimat. Hier bin ich zwischen den Seiten und Absätzen angekommen und ganz ich.

Sehe ich den Glanz in den Augen der Liebsten, wenn sie sich Bücher gönnt oder Bibliotheken besichtigt, sie sich beim Lesen vertiefen, merke ich, wir teilen diese Heimat ganz, was noch unabhängig von dem wäre, was wir lesen - perfekt ist es dadurch geworden, dass wir auch noch da die Liebe zu den guten und schönen Büchern teilen, sie uns so vollkommen glücklich machen wie unsere körperlich intensive Nähe.

Lesewetter ist also bei mir nicht nur eine Trotzreaktion - was sollste bei dem Wetter auch draußen machen, denken wohl manche - es ist eine Liebeserklärung an das, was mich ausmacht und ein Stück auf dem Weg zum vollkommenen Glück. Sich in Bücher vertiefen und Geschichten zu lesen wie zu erzählen, ist was mich ganz und gar glücklich macht. Andere wollen Reisen oder Abenteuer erleben, die Welt sehen, tolle Menschen treffen, sich im Sport überbieten, sexuelle Abenteuer erleben - all solche Dinge treiben Menschen zu den größten Leistungen an, habe mich auch im einen oder anderen mal versucht, aber eigentlich will ich einfach glücklich lesen und in meiner Bibliothek bei einem heißen Tee genießen, was mein Geist zwischen den Zeilen findet.

Manchmal hörte ich, dieser Wunsch sei doch nicht real, ich flüchtete mich in Bücher aus der Welt, die mich nur peripher interessiert, wenn überhaupt noch. Das mag richtig sein, wenn es erstrebenswerter wäre, ständig in der realen Welt zu leben und ich nicht doch viel eher in der Bücherwelt zuhause wäre. Merke, wenn ich den ganzen Tag schreibe und lesen, bin ich vollkommen glücklich und ausgeglichen und brauche nichts anderes mehr als guten Tee und Kekse dazu. So bin ich vielleicht aus Sicht der Menschen in den Cafés ein Langweiler und Stubenhocker geworden, aus meiner Sicht aber, bin ich nun endlich ganz bei mir und scheint mir kein Zustand erstrebenswerter, als jener auf den uns der Herbst so schön konzentriert.

Die Tage sind draußen grau und kurz, umso schöner wird es Innen und darum liebe ich den Herbst so, auch in Berlin, wenn er mehr graue als sonnige Tage gibt, weil ich ganz bei mir bin und tue, worauf es mir ankommt, zwischen den vielen Büchern, die ich immer auf einmal lese, zwischen denen ich nach Laune oder Pflicht springe und den Tag über schreibe mit einem heißen Tee neben mir - fehlt nur gerade noch die für mich schönste Frau der Welt, doch sie wird kommen, um zu bleiben und so habe ich alles, was ich brauche in meiner Bücherhöhle in Gedanken beisammen und nenne mich bei egal welchem Wetter einen glücklichen Menschen, der mit einem Tee, Büchern und dem Kopf voller Geschichten alles erreicht hat, was er braucht. Vielleicht ist das wenig, vielleicht ist es alles, was der Mensch braucht, mir genügt es zum Glück und vollkommen wird dies im Wissen, es noch mit der besten Liebsten ein Leben lang teilen zu wollen und so lehne ich mich zurück, lausche dem Regen und denke, es ist alles gut so.

jens tuengerthal 1.11.2017

Nahwissen

Was weiß ich schon
Sage ich gern mit Montaigne
Mag diese Bescheidenheit
Auf dennoch hohem Niveau

Nicht wie Sokrates der sich
Als Weiser sicher im Unwissen
Gern gab und lieber vorführte
Durch klügere Fragen alle

Weiß nicht mal ob ich nichts
Sicher wissen kann dafür
Staune ich lieber in die Welt
Ohne Erkenntnis zu suchen

Genieße was ist als Geschenk
Voller Glück ohne Relativierung
Freue mich lieber am Augenblick
Der genug ein Leben lang ist

Wer weiß schon wie lang noch
Der Augenblick diesmal währt
Darum lebe ich ihn für immer
Damit es sich stets so anfühlt

Sicher nur bin ich in einem ganz
Dich für immer so zu lieben als
Sei es für eine reale Ewigkeit
Auch wenn es nur ein Leben ist

Dabei geht es natürlich um Gefühl
Etwas wo wir nie wissen können
Doch wo sonst sollten wir sicher sein
Als in der großen Liebe immer

Zwischen nicht wissen aber wollen
Liegt die Illusion einer bloßen Idee
Der Traum von der großen Liebe
Ist physikalisch kaum nachweisbar

Nirgendwo bin ich mir sicherer als
Diesmal in der Liebe die Richtige
Gefunden zu haben auch wenn ich
Nichts wissen kann nur viel fühle

Wir fühlen uns unglaublich nah
Obwohl noch nie so fern es war
Die Dialektik der Liebe schwebt
Über dem realen Nichts der Idee

Wir haben alles miteinander
Für immer ohne jeden Zweifel
Dabei noch fern voneinander
Nichts in der Hand als Träume

Was weiß ich schon denk ich
Genieße was ist ohne Wissen
Weil Sicherheit und Erwartung
Der Tod jeder Liebe wohl wäre

Mehr wird es nicht mehr geben
Denk ich zufrieden mit allem
Liebe und Lust sind immer genug
Und das Leben endet sicher

jens tuengerthal 1.11.2017

Reformationsthesen

Das Land unter der protestantischen Pfarrerstochter Merkel begeht den Reformationstag in diesem Jahr als Feiertag im ganzen Land, damit sich auch die katholischen Gebiete über das 500. Jubiläum der Abspaltung freuen können und die Kirchenführer reden von Ökumene. Luther wurde auch von Playmobil geehrt und einer Figur für würdig befunden. Das Land feiert den ehemaligen Mönch Martin, den ein Blitzschlag vom Juristen zum Glaubensmann machte.

Ob er seine 95 Thesen tatsächlich an die Schlosskirche zu Wittenberg schlug, die damals als Pinnwand der Nation diente, ist mehr als ungewiss - er hat sie zumindest sicher dem Reichserzkanzler und Bischof von Mainz und andere Würdenträger gesandt in der Absicht die Kirche zu reformieren und vom Ablasshandel abzubringen, bei dem mit Geld das Seelenheil erkauft werden könnte, was dringend zur Finanzierung des Petersdoms gebraucht wurde. Ein im eigentlichen Sinne gutes Geschäft, wie es etwa der Erfindung von Facebook im Wert entspricht. Es wurde nichts geboten und dafür fühlten sich die Teilnehmer toll. Manche Kirchenhistoriker halten die Thesen heute für weniger bedeutend und seine Schrift an den Christlichen Adel deutscher Nation für viel entscheidender in der Entwicklung des Landes.

Das sollen sie mal meinen und diskutieren in ihrem Verein, wie es ihnen gefällt. Sicher ist jedenfalls, dass der Mönch mit seinen Thesen eine Diskussion in Gang brachte, die ihn schließlich vor den Reichstag nach Worms brachte, wo die Reichsacht über ihn verhängt wurde, weil er seine These mit welchen Worten auch immer nicht widerrufen wollte. Gerüchteweise sagte er dabei - hier stehe ich, ich kann nicht anders. Auch die Wahrheit dieser geflügelten Worte mag dahinstehen, denn wichtiger für das Land und seine Sprache war die Entscheidung des Landesherrn Luthers, ihn auf dem Heimweg scheinbar zu entführen, um ihn vor der Verhaftung zu schützen und ihn dafür auf der Wartburg unterzubringen, wo er seine Bibelübersetzung im besten Behördensächsisch anfertigte, die dank der zu Mainz schon vorher erfundenen Druckerpresse schnell die Runde im Reich machte in einem Exemplar mit wunderbaren Bildern aus der Werkstatt von Cranach aus Wittenberg.

Die einheitliche Schrift prägte das Land und brachte im Sprachraum mehr Einheit als es das alte Reich, das sich auf heilige römische Traditionen berief, unter den Habsurgern noch hatte.

Das alles wäre sicher der Ehre wert und zum 500. Jubiläum dafür einen Feiertag mal zu geben, klingt mehr als vernünftig. Dass auch die Sender das Publikum noch lutherisch heute berieseln ist wohl systemimmanent.

Andererseits ist Luther damit auch der geistige Vater des längsten Krieges auf deutschem Boden gewesen, der von 1618 bis 1648, lange nach seinem Tod  begann und 30 Jahre währte. Ist er der Begründer der Kirchenspaltung über die nur Scheindebatten geführt werden, da Rom seine Wahrheit nicht aufgeben will und die Reformierten ihre Vorrechte, was keinen vernünftigen Menschen weiter interessieren müsste. Sollen doch die hiesigen Sekten ihre Probleme der Ordnung und Vereinssatzung intern lösen.

Was geht ein demokratisches Europa diese Reformation noch an?

Sie hielt die Renaissance in Deutschland auf, denn auch der protestantische Geist war nicht humanistisch sondern nur eine sanftere Version des mittelalterlichen Aberglaubens, der auch Frauen zuließ und jeden selbst den Weg zu Gott suchen ließ, Priester heiraten ließ, wie es der ehemalige Mönch Dr. Martin nun mit Katharina von Bora der entlaufenen Nonne tat, was als schwere Sünde galt, warum alle erst fürchteten, sie würde nur Mißgeburten auf die Welt bringen, was sie dank der Natur natürlich nicht tat.

Es war eben in vielen Köpfen noch tiefstes unbefreites Mittelalter und solches finden wir auch in den Worten und Schriften Luthers immer wieder. Ob es um Hexen oder Juden ging, er war mörderisch intolerant und schaffte statt alter nur neue Dogmen, die keiner brauchte, der kritisch und vernünftig denkt.

Die Kirchen sind überflüssig und der Glaube ist überflüssig, vernünftig  betrachtet. Hätte sich unter Luther nicht die Kirche gespalten wäre ihre allmähliche Auflösung unter den dekadenten Renaissance Päpsten relativ wahrscheinlich gewesen.

Sie verlor zunehmend an Macht und der Sacco di Roma, von dem viele sagen, er beendete das goldene Zeitalter des Humanismus und der Renaissance in Italien, war zwar ein Ausrutscher der Truppen Karls V., die nicht bezahlt wurden, aber hatte sonst keine gravierenden Folgen in den Beziehungen des mächtigsten Weltenkaisers zu Rom.

Die Abspaltung und die folgenden Krieg der reformierten Fürsten gegen die katholischen im Reich schwächte das gute Reich erheblich und beschäftigte die Bewohner mehr mit sich Totschlagen als mit dem eigentlich nötigen Humanismus und geistiger Entwicklung, die allein Frieden und Freiheit bringen.

Der Humanismus blieb auf der Strecke, die katholische Sekte einigte sich im Widerstand von außen zur Gegenreformation und so blieb das im Glauben bis heute geteilte Land ohne eigene Renaissance, von der Maler wie Dürer nur in Bildern aus Italien schwärmen konnte. Dabei wäre soviel gute Struktur da gewesen, auf der geistige Entwicklung hätte aufbauen können. Stattdessen schlugen sich die Menschen auf gerade grausamste Art gegenseitig tot, verwüsteten die Länder und brachten auch den Nachbarn manchen Krieg. Zu den Kriegen kam noch die Pest, die sich unter den katastrophalen Bedingungen der Menschen im Krieg noch weiter verbreitete und zur gegenseitigen Ausrottung noch ganz erheblich beitrug.

Auch wenn Luther sicher keine Schuld an der Pest trifft, kann ihre desaströse Wirkung ihm dennoch zugerechnet werden in der Art eines Mangelfolgeschadens, wie Juristen es nennen würden. Seine Reformation gepaart mit der Anbiederung an die Fürsten, denen er mehr geistige Macht und Autonomie versprach, hatte das große Gemetzel in Europa verursacht.

Kein Grund zu feiern also, wenn wir auf die Folgen schauen. Deutschland beschäftigte sich länger als nötig mit dem christlichen Aberglauben in seinen verschiedenen Varianten und verpasste den geistigen Anschluss an die Zeit. Bis heute beanspruchen Kirchen in Europa eine starke kulturelle Rolle und können dies durch nichts als tradierten Aberglauben rechtfertigen, der in zentralen Punkten den Freiheiten der Bürger Europas widerspricht, der nur von teils geschickten, manchmal auch wirklich klugen Theologen an die Bedürfnisse der Zeit und ihre Auslegung angepasst wurde.

Warum halten Menschen unaufgeklärt an diesem Unsinn bis heute fest?

Gibt es einen Grund diese Verzögerung in der Entwicklung auch noch zu feiern?

Sicher brachte Luther den Frauen mehr Freiheit, stellte die Freiheit des Christenmenschen und seinen persönlichen Weg zu Gott in den Mittelpunkt, stärkte damit das Individuum gegenüber der Kirche. Was ein Verdienst gegenüber dem Mittelalter war. Nur machten sie das in Italien in Auseinandersetzung mit klassischen Texten wie dem Lukrez, der alle Götter infrage stellte und dem Menschen Freiheit und Lust schenken wollte und sie taten es voller Lust und Glück, statt sich um den wahren Glauben zu grämen, beschummelten sie diesen.

Wiegt dieser Verdienst seinen schauerlichen Antisemitismus auf, der Juden brennen sehen wollte?

Kann dies rechtfertigen in Deutschland die Renaissance verpasst zu haben und sie durch die Reformation zu ersetzte, die den Geist fesselte?

Die Bauern, die sich im neuen Bewusstsein gegen die Fürsten wehrten, beschimpfte der Fürstendiener Luther und verfluchte sie auf mittelalterliche Weise. Einmal hat er mutig gegen die Satzung seines Vereins protestiert und dann halt eine neue Sekte gegründet, aus der noch mehr wurden - aber wen interessiert das wirklich?

Welche Rolle spielen diese Satzungsstreitigkeiten für die Welt von morgen?

Sollten wir diesen Tag noch irgend feiern außer als Mahnung Abstand von allem Glauben zu halten, den wir ab Dezember wieder mit einer großen Konsumorgie feiern werden?

Komme aus einer traditionell evangelischen Familie - es gibt einige Pastoren und Theologen unter meinen Vorfahren, auch mein Urgroßvater hat noch Theologie studiert und über was biblisches promoviert, meine Schwester hat als Lehrerin die venia legendi der evangelischen Landeskirche oder so ähnlich, was verstehe ich schon davon? Bin getauft und konfirmiert, in der Tradition der Familie aufgewachsen und die Vorstellung mit den Traditionen der Familie hier zu brechen, fällt mir, gegen alle Vernunft immer noch schwer.

Darum bin ich bis heute Mitglied in diesem Verein, dessen Gott ich nicht kenne, dessen Riten mir nichts sagen und dessen Begründer und Reformator ich für einen in vieler Hinsicht widerlichen Kerl halte, auch wenn er in manchem wirklich Großes vollbrachte. Vielleicht bin ich damit ein ganz normaler evangelischer Bürger im heutigen Deutschland, auch wenn ich mich eher als radikalen Aufklärer und Atheisten bezeichnen würde, wenn dieses Wort nicht auch diese tumben Gläubigen des Sozialismus so gerne für sich beanspruchten.

Weiß also zwischen Tradition und Moderne nicht immer so genau, was ich bin, zweifle halt und versuche die Dinge vernünftig zu begreifen - damit scheitere ich häufig auch an den Grenzen meines bescheidenen Verstandes, aber ich habe es zumindest versucht. Wenn mich einer fragt, warum ich mit meinem Denken, das dem Diderots und Holbachs näher ist als jeder Kirche noch in diesem Verein bin, denn nichts anderes ist es für mich, sage ich entweder aus Gründen der Tradition oder weil ich es wie König Salomon halte. Als der nämlich einmal in den Tempel kam und der Rabbi ihn fragte, was er denn hier wolle, wo er doch gar nicht an Gott glaube, antwortete der weise König mit Schulterzucken, tja, wüsste er denn, ob er Recht habe und diesen wunderbaren Witz erzählte mir ein jüdischer Freund der Familie, der als junger Mann Auschwitz überlebte, womit sich der Kreis schließt.

Was weiß ich schon, stellte als Frage der kluge Katholik Montaigne seinen Essays voran und war sein Lebensmotto in der Zeit der Hugenottenkriege in der es in seiner Familie wie unter seinen Freunden immer beide Seiten gab, er beriet die französischen Könige vor Henry IV wie diesen als er noch Heinrich von Navarra war und Protetant, war damit weiser als viele es heute sind - ich kann wissen, dass dieser ganze Aberglaube Blödsinn ist, zu Mord und Totschlag bis heute führt, aber mit einer bescheidenen Haltung, die sich auf ihr Glück zurückzieht, lebt sich besser und so genieße ich lieber die menschliche Liebe und überlasse den Himmel den Göttern und den Gläubigen, wer auch immer nun Recht hat, vielleicht braucht es irgendwann kein Recht mehr und wir sind lieber glücklich.

jens tuengerthal 31.10.2017

Dienstag, 31. Oktober 2017

Tiergartenflaneur

Über den Tiergarten wurde jüngst viel geschimpft in den Medien und Rathäusern der Stadt, weil er zum Strich für Flüchtlinge, zur Notunterkunft und zum Dealerrückzugsort werde, vom jüngsten Mord nahe dem Zoo, der den Boulevard wochenlang beschäftigte, ganz zu schweigen. Ein Ort des Grauens in der Großstadt also, den ich nun in Ruhe nach Einbruch der Dunkelheit erkunden wollte.

Wie alle Leserinnen sofort bemerken werden, ich habe es überlebt und, wie ich hinterher schiebe, habe mich sehr wohl gefühlt, von Gefahr merkte ich nichts und genoss Ruhe und Rauschen in der grünen Lunge mitten in Berlin. Es gibt auch andere Ecken, mag alles sein aber dafür ist ja Berlin auch eine Großstadt - früher gab es noch die Huren am 17. Juni, die fehlen heute auch, was der zu breiten Straße viel nimmt von ihrem sinnlichen Flair.

Los ging es wie immer am Helmholtzplatz, den ich die Lychener Straße hinunter verließ, um über die Danziger, durch die Kulturbrauerei und die Oderberger zur Kastanienallee gen Mitte zu kommen, wo es dann den Weinbergsweg hinunter zum Rosenthaler Platz ging, der tosenden Kreuzung an der früher das Rosenthaler Tor lag, durch das Vieh und Juden in die Stadt nur durften und an dem auch Moses Mendelssohn einst Berlin betrat.

Hatte nach dem Lärm dort ein dringendes Bedürfnis nach Ruhe und bog, die Rosenthaler Straße überquerend in die Linie ein, der ich, den schönen roten Himmel immer wieder bestaunend, folgte, bis sie in die Oranienburger mündet, die ich, immer wieder der Liebsten im Ohr vom heutigen Himmel hier vorschwärmend, so schnell überquerte wie die Friedrichstraße, aus der ich schnell in die Reinhardtstraße nach Westen abbiegend wieder floh. Ist doch der glitzernde Friedrichstadtpalast einfach zu hässlich, ihn länger als nötig anzusehen - Volkes Varieté eben mit weniger Stil als Farbe.

Nach der FDP Zentrale, die ja scheinbar bald wieder eine größere Rolle spielen wird, wie dem Bunker mit der Sammlung Boros, bog ich in die Albrechtsstraße ein, von der ich wieder gen Westen, wollte ja zum Tiergarten, in die Marienstraße flanierte. Gehe einfach zu gern an der Böse Buben Bar dort vorbei - jenem schönen Lokal mit den wunderbar gefüllten Bücherwänden, die noch jeden Ort schöner machen, die ich dringend mal wieder besuchen muss - das letzte mal muss schon bald acht Jahre her sein, wenn ich mich richtig erinnere.

Mit Blick auf das Künstlerheim Luise, bog ich dann in die natürlich Luisenstraße ein, die zur Marschallbrücke führt, ab der sie Wilhelmstraße heißt. Diese noch vom Soldatenkönig 1730 angelegte Straße, erhielt dessen zweiten Namen nach dem Tod des Vaters von Friedrich dem Großen. Der Sohn Friedrichs I. hatte sie noch ursprünglich Husarenstraße genannt. Bis 1945 war die Wilhelmstraße der Sitz der Reichsregierung und so etwas wie die Downing Street No.10 von Berlin. Wie überaus passend, dass heute die SPD ihr Hauptquartier an ihrem Ende hat und damit treffend auf die Situation der Sozialdemokratie im Land hinweist, die eben am Ende scheint, was sie aber auch schon gut kennt.

Doch soweit wollte ich nicht gehen, auch nicht am Finanzministerium oder der Britischen Botschaft vorbei, sondern bog noch vor dem Adlon, wieder nach Westen gen Pariser Platz auf das letzte Stück von Unter den Linden ein. Bestaunte das Brandenburger Tor vorm wunderschönsten preußischblau des Himmels, durchschritt das Tor durch die früher dem Kaiser vorbehaltene mittlere Spur und überquerte mit Blick auf die im Abendhimmel glänzende Goldelse tief im Westen den Platz des 18. März, der an die bürgerliche Revolution von 1848 erinnert, die Preußen für ein verrücktes halbes Jahr wesentlich demokratischer machte.

Noch staatstragender dann überquerte ich noch die Ebertstraße, die an den ersten demokratischen deutschen Reichspräsidenten Friedrich Ebert erinnert, dem in der Weimarer Republik nur noch Hindenburg und Hitler folgten, um endlich mit einbrechender Dunkelheit oder letzter Dämmerung in den Tiergarten zu kommen und dort schleunigst ungesehen Erleichterung hinter einem Baum zu suchen, was wirklich dringend inzwischen war. Das mag natürlich das allerletzte für eine saubere Großstadt sein, blieb aber angesichts des eklatanten Mangels an Alternativen hier eben alternativlos und so folgte ich im weiteren zunächst dem Weg unter den Bäumen parallel zum 17. Juni.

Diesen Bremer Weg, schätze ich als geborener Bremer schon von Natur aus sehr und bog dennoch am Goldfischteich gen Süden ab. Warf noch einen Blick auf das im letzten Licht dort weiß leuchtende Beethoven-Haydn-Mozart-Denkmal, was ja ganz wunderbar zu Berlin passt, wo wir das alte Bonn, aus dem Beethoven stammte, einfach schluckten, bis es überflüssig wurde und auch die Ständige Vertretung, noch Am Schiffbauerdamm in Betrieb, wohl beabsichtigt zu schließen.

Das sogenannte Komponistendenkmal wurde 1904, dem Geburtsjahr meines Großvaters übrigens, von Rudolf und Wolfgang Siemering zu Ehren der genannten Komponisten an zentraler Stelle geschaffen. Einst war viel an dem Denkmal, dem Zeitgeschmack entsprechend vergoldet - heute glänzt es immer noch in der Sonne und leuchtet der griechische und Tiroler Marmor in der Abenddämmerung. Von der Form her erinnert es an die zu der Zeit noch üblichen Kachelöfen der guten Stuben, warum sich bei den Berlinern der Name Musiker-Ofen oder Drei-Männer-Ofen einbürgerte. Nachdem die Dichter Goethe, Schiller und Lessing ihre Denkmäler bekommen hatten, sollten auch die Musiker eins für alle kriegen, klingt ja alles gleich aus Wien, dachten die Berliner vermutlich. Das Ding gilt als eines der wenigen Beispiele symbolistischer Kunst im öffentlichen Raum, womit auch der Senat die 960.000 Euro teure Sanierung im Rahmen des Baus des Tiergartentunnels ab 1996 nach 2001 rechtfertigte. Vollendeter und schöner als der Flughafen ist es und billiger war es, dass die Berliner die großen Wiener an den Goldfischteich stellen, passt ja irgendwie auch. Nach Beschuss im Krieg mussten einige Instrumente und etwa Mozarts Nasenspitze neu ergänzt werden, was die liebste Mozartkennerin und Nasenfreundin in Dublin freuen wird.

Der Tiergarten erstreckt sich als Grünfläche heute inmitten Berlins, früher vor seinen Toren auf einer Fläche von 210 Hektar. Dieses schöne Stück Natur wird durch einige große Straßen, die sich am Großen Stern treffen,  also unter der Goldelse, durchschnitten und wird auch darum in mehrere Teile geteilt. Das bereits 1527 als Jagdrevier erstmals angelegte Gelände wurde mit Wildtieren zum abschießen für den Kurfürsten und seine Gäste gefüllt und darum mit einem Zaun umgeben.

Unter König Friedrich I. erhielt er Ende des 17. Anfang des 18. Jahrhunderts seine heutige Form. So wurde eine breite Schneise als Verlängerung der Straße Unter den Linden gen Westen geschlagen, um das bis 1699 erbaute Schloss Charlottenburg besser erreichen zu können, was er ja ursprünglich seiner Frau im Tausch gegen ein Potsdamer Grundstück geschenkt hatte. Dabei wurden der Große Stern mit acht und der Kurfürstenplatz mit sieben Alleen angelegt, So verlor das Gelände allmählich seinen Charakter als Jagdrevier und wurde zum Erholungsgebiet und Landschaftsgarten.

Friedrich der Große, der im Gegensatz zu seinem Vater die Jagd nicht schätze, ließ die Zäune einreißen, schenkte den Tieren die Freiheit und den Berlinern einen Lustpark, was ihm näher lag, den sein Architekt Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff anlegte. Dabei entstand, dem Geschmack der Zeit entsprechend ein typischer Barockgarten mit Irrgärten, Beeten und allem übrigen beschnittenen Zubehör. Entlang der Alleen gab es sogenannte Salons, kleine mit Hecken und Bäumen eingefasste Plätze, die mit Brunnen, Bänken und Vasen möbliert waren, der Erholung dienen sollten. Es entstand im Westen auch eine Fasanerie, die zur Keimzelle des späteren Zoos wurde, dem großen von vielen Berlinern seltsamerweise geliebten Tierknast. In der Nähe auf Wiesen durften Hugenotten oder deren Nachkommen Zelte aufstellen und die Spaziergänger dort bewirten, woran später der Straßenname In den Zelten wurde, aus der nun die Scheidemannstraße und die John-Forster-Dulles-Allee wurde - eine verständliche Ehrung nach der Berlin Blockade aber doch eine falsche Umbenennung, weil In den Zelten eine so große Bedeutung in der Revolution von 1848 hatte, als in einer dortigen Versammlung erstmals die Abschaffung der Zensur öffentlich gefordert wurde, dort unter anderem auch Bettina von Arnim lebte.

Seit Ende des 18. Jahrhunderts wurden Knobelsdorffs steife barocke Formen almählich durch einen Landschaftsgarten abgelöst. Zuerst im Garten von Schloss Bellevue und sodann mit der Rousseau Insel, die sich ungefähr 400m westlich der Luiseninsel befindet, die 1880 zu Ehren von Königin Luise mit dem Denkmal der Königin vollendet wurde, der Mutter des damals amtierenden Kaisers Wilhelms I. Habe beide betrachtet und gewürdigt, Luise etwas freundlicher begrüßt als den überschätzten Philosophen, stattdessen ich eine Diderot Insel mir wünschte, um an die radikalen Aufklärer und ihre Enzyklopädie zu erinnern. Allerdings ist die Widmung für Rousseau im Jahre 1797 und damit seinem Geist der Rückkehr zur Natur, also acht Jahre nach der französischen Revolution schon eine Besonderheit in einem da noch königlichen Park.. Das ursprüngliche Denkmal für Rousseau ging übrigens verloren, wobei unklar ist, ob es daran lag, dass die Gegend im Winter zu einem der beliebtesten Berliner Eislauf Reviere wurde.

Der große Peter Joseph Lenné veränderte ab 1835 die Gegend um die Insel weiter, während er den Tiergarten grundsätzlich im Stil eines Englischen Gartens umgestaltete. Noch vor dem Fall der Mauer wurde 1987 die verschwundene Rousseau Figur durch eine neue ersetzt, die bis heute dort von vielen Rhododendren umgeben noch steht. Den Auftrag zur Gartenumgestaltung hatte Lenné schon 1818 erhalten. Er war damals noch Gärtnerlehrling in Sanssouci. Damals plante er einen landschaftsähnlichen Volkspark, der nach den Befreiungskriegen der Erbauung der Bevölkerung dienen sollte, als eine Art preußischer Nationalpark. Seinen Idealplan lehnte König Friedrich Wilhelm III., der Witwer der Luise, jedoch ab und dennoch schaffte es Lennné eine leicht veränderte Form bei den Behörden durchzusetzen.

Die Idee eines Denkmals für Luise war den Bürgern Berlins 1808 gekommen und nach ihrer Rückkehr  wurde eine Stele eingeweiht, die erst eine Marmorschale von Schadow trug, die aber 1880, wie oben erwähnt, durch eine Luisen Statue ersetzt wurde, die in die Richtung des Denkmals ihres Mannes blickt. Seit 1809 trägt die Insel den Namen Luiseninsel.

In der Form die Lenné ihm gab, bestand der Park bis etwa zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Bis 1881 befand sich übrigens der ganze Park in königlichem Besitz und wurde dann zu Berlin eingemeindet.

Neben den patriotischen Denkmälern um die Siegessäule und andere Orte schmücken den Park Tierfiguren und Jagdsezen entsprechend der historischen Nutzung.  Dazu kommen noch Fontane, Wagner und Lortzing. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde auch der Tiergarten in die Pläne für die Neugestaltung Berlins mit einbezogen, was zur Folge hatte, dass die Charlottenburger Chaussee, heute Straße des 17. Juni, von 27m auf 53m verbreitert wurde. Damals wurde auch die Siegessäule, die an die drei Siege Preußens über Dänemark, Österreich und Frankreich erinnerte, warum auch Moltke vom Rand grüßt, vom Platz der Republik vor dem Reichstag auf den Großen Stern verlagert und die Goldelse bekam ihren neuen zentralen Platz.

Im Zweiten Weltkrieg wurde der Tiergarten schwer beschädigt und diente nach Kriegsende zeitweise auch als Landebahn zur Truppenversorgung. In der Nachkriegszeit wurden die Bäume aufgrund Kohlemangels verheizt und auf den freien Flächen wurden Kartoffeln und Gemüse angebaut. Eine Art großer Schrebergarten. Diese Zwischennutzung hatten die britischen Alliierten aus der Not genehmigt - am Ende standen von den ursprünglich 200.000 Bäumen noch 700 - der Rest ging durch Berliner Öfen. Im Juli 1945 fasste Berliner Magistrat dann den Beschluss zur Wiederherstellung des Tiergartens. Mit Notstandsprogrammen, wie so manches in Berlin, wurde der Tiergarten von 1949 bis 1959 wieder aufgeforstet. Die erste Linde pflanzte symbolisch am 17. März 1949 der damalige Bürgermeister Ernst Reuter. In ganz Deutschland übernahmen Städte Partnerschaften für Berliner Bäume und schickte 250.000 Jungbäume nach Berlin. Mit solchen Patenschaften bekämen wir auch das Flughafengelände wieder schön grün. Mit der Erneuerung wurden jedoch die als nicht mehr zeitgemäß angesehenen barocken Gartenelemente aufgegeben und durch eine naturnahe Parklandschaft ersetzt. So sieht es bis heute aus.

Seit 1991 ist der Große Tiergarten als Gartendenkmal vor Veränderungen geschützt - hatte sich mit dem Fall der Mauer doch gerade genug in Berlin verändert. Fanmeile und Loveparade quälten den Park ab Mitte der 90er Jahre - zumindest die Technoparade zog mit gravierend dramatischeren Folgen gen Westen.

Es gibt noch den Englischen Garten im Nordwesten des Tiergartens hinter dem Park von Schloss Bellevue, der auf Vorschlag des damaligen englischen Stadtkommandanten General Bourne angelegt wurde. Bei der Eröffnung dieses Teils des Gartens 1952 war übrigens Anthony Eden, der damalige britische Außenminister anwesend, was dem Garten unter Berlinern lange den Spitznamen Garten Eden eintrug. Was heute ja fast besser zum benachbarten kleinen Tiergarten passte, in dem sich Knaben aus dem Nahen Osten und Afghanistan heute für wenig Geld prostituieren und bis vor kurzem auch dort kampierten. In der Mitte des Englischen Gartens steht das Teehaus auf den Fundamenten des ehemaligen Wohnhauses von Gustaf Gründgens. Teehaus klingt verlockend und das Gebäude ist wirklich wunderschön als Reetdachhaus im zauberhaften Garten aber wird so schlecht bewirtet, dass ich heute keinem zu einem Besuch noch raten kann, nachdem ich das letztemal vor einigen Jahren dort noch ein Date im Sommer hatte. Beides hat sich nicht gelohnt, auch wenn der Platz so verlockend klingt und in den Ohren des Kulturmenschen und Teeliebhabers so sinnlich schön klingt, erinnerte die spießige Bewirtung eher an die Lidl Ausgabe von Rolf Eden und hat den Geruch des verstaubten West-Berlins ohne Charme als die Umgebung.

Vom Musiker-Ofen, den ich mir diesmal nicht aus der Nähe ansah, die neue Mozartnase gehe ich lieber irgendwann mit der Liebsten gemeinsam betrachten, um festzustellen, dass auch neu bei Nasen alt bleibt, bog ich an großen Wiesen vorbei gen Südwesten zum großen Tiergartengewässer ab, ging über die Luiseninsel, die zur Hälfte wegen frischen Baumfalls noch oder wieder gesperrt war und folgte dann den Wegen am Ufer und umkreiste dies einmal ohne diesmal noch die Straße zum Neuen See zu überqueren.  Lief nach der Umrundung weiter gen Norden, überquerte den 17. Juni auf der Höhe der Schwangeren Auster, zu der ich noch ein Stück der anderen Seite des Tiergartens Richtung Spree durchquerte. Am Haus der Kulturen der Welt, wie Ortsfremde die Schwangere Auster nennen, die so heißt, weil sie eben so aussieht, ging ich zur Spree hinunter und folgte dieser.

Das Haus der Kulturen der Welt, was in seinem sich öffnenden Dach, das schon einmal einstürzte - zum Glück nicht als mein Vater dort einmal beim Deutschen Röntgenkongress weilte, wie ich dunkel in Erinnerung habe -, eben aussieht, wie eine sich überquellend öffnende Muschel, ist heute ein Ausstellungsort mitten in Berlin und ein Forum für aktuelle Entwicklungen und Diskurse. Es präsentiert künstlerische Produktionen aus aller Welt unter besonderer Berücksichtigung außereuropäischer Kulturen. Seit seiner Gründung im März 1989 hat das Haus der Kulturen seinen Sitz in der ehemaligen Kongresshalle am Ufer der Spree dem heutigen Zentrum des Regierungssitzes.

Als Ikone der architektonischen Moderne wurde der Bau zu einem prominenten Symbol für die deutsch-amerikanische Allianz. Das Gebäude entstand als amerikanischer Beitrag zur internationalen Bauausstellung Interbau 1957 und sollte die Freiheit des Gendankenaustausches verkörpern. Neben kulturellen Veranstaltungen gab es auch Nutzungen zu politischen und gesellschaftlichen Zwecken etwa durch Gewerkschaften. John F. Kennedy und Jimmy Carter hielten dort Reden und auch der Bundestag tagte bis 1965 mehrmals dort. Dies wiederum ärgerte die Russen und die Regierung der DDR, die Westberlin nicht als Teil des Staatsgebietes der BRD ansahen, warum sie erstmals Militärmaschinen über dem Gebäude kreisen ließen, woraufhin die West-Aliierten weitere Sitzungen des Bundestages in Berlin verboten.

Am 21. Mai 1980 stürzte das Außendach der da längst Schwangeren Auster genannten Halle aufgrund von Materialermüdung und Planungsfehlern ein. Ob uns das zeigt, dass nicht alles, was aus den USA kommt, gut ist, mag dahingestellt sein, auch wenn sich diese Frage gerade im Moment wieder enorm aufdrängt. Im Berlin üblichen Tempo dauerten Umbau und Sanierung der Kongresshalle von 1984 bis 1987 womit sie zumindest zur 750 Jahrfeier Berlins rechtzeitig fertig wurde und wir wieder bemerken, wie jung unser großes Dorf an der Spree doch im Vergleich ist.

Das Gebäude war laut seinem Architekten Hugh Stubbins von Anfang an als Propagandabau geplant und sollte für Redefreiheit und westliche Modernität werben. Als modern galt damals nur die abstrakte, nicht gegenständliche Kunst, wie die atonale Musik und die neue Architektur, von der uns vieles heute eher zweifelhaft erscheint, ohne über die Schwangere Auster hier nörgeln zu wollen, die zumindest mutiger war als der Wiederaufbau des Schlosses.

Ab 1989 sollte es zu einem Forum für alle außereuropäischen Kulturen werden, eine Art Goethe-Institut mit umgekehrten Vorzeichen. Hier arbeitete es lange die koloniale Vergangenheit auf und gab den Regionen einen Ort und eine Stimme in Berlin, was nicht alle begeisterte und auch ein wenig bemüht immer wirkte. Nach dem Motto: wir meinen es gut mit den Kolonien, die wir nicht mehr haben. Mit dem Wechsel der Intendanz zu Bernd Scherer, wurde es zu einem Thinktank der Zeitgenossenschaft umgebaut und damit zu einer der ambitioniertesten Kulturinstitutionen Deutschlands. Damit bewegen sie sich auf höchstem akademischen Niveau, ohne sich den akademischen Konventionen beugen zu müssen, die alles Denken verlangsamt. Es wird Kunst gezeigt, hat aber mit einem Museum nichts zu tun und kombiniert das eine mit dem anderen. So bleibt es ein wunderbarer Ort der Moderne am Rande des Tiergartens.

Wunderbare Blicke auf das Waschmaschine genannte Kanzleramt und die Abgeordnetenhäuser entschädigen für den Blick auf den durch den geschmacklich sehr zweifelhaften Mehdorn verunstalteten Berliner Hauptbahnhof. Diesen eigentlich so filigran schönen Bau auf den dieser kulturell wohl eher schlicht denkende Macher und Schröder-Freund, was ihn ja mit Putin verbindet, primitiv plumpe Bürobauten setzte, die einen zentralen Bau Berlins bis heute verunstalten. Air Berlin und den Flughafen hat dieser großartige Manager ja auch schon weit vorangebracht und auch bei Heidelberger Druckmaschinen wurde bis heute mehr mit Naserümpfen über ihn gesprochen.

Das Kanzleramt heißt eigentlich Bundeskanzleramt und also auch momentan nicht Bundeskanzlerinnenamt und ist eine große Bundesbehörde in Berlin zwischen Spree, Reichstag und benachbart zur Schwangeren Auster. Es wurde von den Architekten Axel Schultes und Charlotte Frank entworfen , die den Auftrag noch von Helmut Kohl bekamen, der aber nie in das sehr groß dimensionierte Gebäude einzog, über das anfangs viel gelästert wurde, was aber, wer es vom Wasser je sah, schätzen lernt in seiner Eleganz. Dies obwohl es derzeit das größte Regierungshauptquartier der Welt ist, das Weiße Haus an Größe achtmal übertrifft mit seiner Nutzfläche von über 25.000m². Neben dem Hauptgebäude gibt es in den Seitenflügeln noch 300 Büros á 16m² und 16 Wintergärten. Der Sichtbeton erwies sich als empfindlich und so musste das 2001 an den damaligen Kanzler Schröder übergebene Gebäude bereits saniert werden. Über die Spree führt noch eine Brücke für Fußgänger und Fahrzeuge zum Kanzlerpark und dem dortigen Hubschrauberlandeplatz.

Das Gebäude im Blick und in der Erinnerung flanierte ich weiter weiter an der Spree entlang. Am Reichstag vorbei bis wieder zur Marschallbrücke, ging es nach der Luisenstraße wieder an der Böse Buben Bar vorbei, die nun schon voller besetzt war und zurück nun statt der Linie durch die Auguststraße, bis diese auf die Kleine Auguststraße trifft und ich gen Norden zum Koppenplatz abbog, um wie immer über Ackerstraße und Hussitenstraße am Gesundbrunnen vorbei zurück gen Prenzlauer Berg auf einer Runde von etwa 27 km.

jens tuengerthal 30.10.2017

Lustträume

So träumen wir uns nun
Noch schmerzvoll fern
Voneinander und doch
Näher gefühlt als je real
Was wir alles tun wollen

Miteinander auf dem Weg
Zum endlich ineinander
Wie und wo wir es tun
Wollen noch vielmehr
Voneinander als schon da

Orte und Stellungen sind
Uns Vorspiel in Gedanken
Erregend schon im Traum
Leben wir ihn dann einfach
Wenn wir uns verschlingen

An jedem Ort auf jede Art
Haben wir ein Leben Zeit
Den kleinen Tod einander
Immer neu zu schenken uns
Im schöpfen zu erschöpfen

Feucht schon beim Gedanken
Werden wir uns überschwemmen
Mit dem Überfluss größter Lust
Um innig eins zu sein dabei
Soll dein Leben mir Atem sein

Sich erfüllen und erschöpfen
Ist als Traum schon groß genug
Ein Leben voller Glück zu tragen
Doch viel mehr noch schenkt uns
Das Gefühl dies alles sei für immer

jens tuengerthal 31.10.2017

Montag, 30. Oktober 2017

Gliedleid

Was ist mit dem männlichen Glied los und wohin weist es?

Der Stolz des Mannes ist zugleich immer wieder der Grund seiner größten Scham - wir verbergen heute meist dezent, was uns zu Männern macht und wollen lieber unseres Geistes als unserer Penis wegen begehrt werden. Zumindest sollte Frau sich tunlichst hüten, den ihres aktuellen Bettpartners nicht für den schönsten und größten zu halten, zumindest jedenfalls, ihm das mitzuteilen, weil es auch die real vielleicht spärlicheren Bestände auf ein Minimum zusammenschrumpfen ließe.

Hatte zwei Liebhaberinnen, die mir von den größeren Schwänzen meiner Vorgänger erzählten, was ich zwar nicht glauben konnte, weiß ich doch um das reale Ausmaß meines James im Verhältnis zum europäischen Durchschnitt, dachte ich zumindest immer, mir aber den Sex mit diesen Damen so sehr vergällte, dass sie im Ergebnis wieder recht gehabt haben können. Überhaupt ist mein Schwanz nicht immer gleich groß und unterscheidet sich seine Standfestigkeit je nach Leidenschaft, die mit dem Gegenüber geteilt wird.

Es gab auch schon die peinlichen Fälle, bei denen er ohne übermäßigen Konsum legaler Drogen nicht stehen wollte - das Alkohol und Nikotin impotent machen, ist ja weithin bekannt. Beschämt bemühte ich mich dann noch, ihn irgendwie von Hand aufzurichten, statt dem Instinkt zu vertrauen. Wenn er nicht will, dann will er nicht und alles rubbeln ist verlorene Liebesmüh im wahrsten Sinne des Wortes. Manchmal klappte es dann am nächsten Morgen, wie ich überhaupt schon immer morgens eine höhere Standfestigkeit hatte als in der späten Nacht, wobei Ausnahmen die Regel nicht aufheben sondern bestätigen.

Die reale Größe des Schwanzes hängt von vielen Faktoren ab. Alkohol, Nikotin und Kälte lassen eher schrumpfen. Die innere Lust im Zusammenspiel mit der inneren Uhr tut ein übriges, ihn stehen oder sinken zu lassen. Es liegt nicht an der Schönheit des Gegenübers, sondern an der inneren Bindung und der Geilheit aufeinander und miteinander.

Viele Männer benutzen Frauen als befeuchtete Onaniermaschinen, in die sie abspritzen, ohne sich weiter um die Befriedigung der Partnerin zu kümmern. Finde diese Form des Sex entbehrlich und mache es mir dann lieber selbst, weil es ohnehin auf das gleiche hinausläuft - nachdem ich die ersten 40 Jahre meines Lebens dachte, es sei der Normalfall, zusammen zu kommen und das Gegenteil die seltene Ausnahme, weiß ich heute, es verhält sich genau umgekehrt.

Dieser Einschub gehört insofern zum Thema, weil mich die Erfahrung gelehrt hat, dass mich Frauen, bei denen ich nicht spüre, wie sie kommen, die also eigentlich nichts dabei empfinden, impotent machen und meinen Schwanz schrumpfen lassen, während er im umgekehrten Fall immer wieder gern über sich hinaus wächst. Das ist nicht die Schuld der Frauen oder meine Schuld, es ist bloß meiner Natur geschuldet, die Sex nur gemeinsam wirklich gut findet und das übrige Gerubbel für entbehrlich hält.

Fraglich bleibt, was den Schwanz wachsen lässt und ob dazu der schlichte Reiz beim Blick auf primäre Geschlechtsmerkmale genügt oder diese notwendig immer in einem geistigen Kontext stehen müssen.

Würde mich nicht der bloße Anblick meiner zugegeben wunderschönen Frau schon scharf machen, hielte ich das für eher ungesund. Andererseits würde sie vermutlich eher säuerlich reagieren, wenn ich sie auf diese reizvollen primären Merkmale reduzierte. Sie möchte als ganze Frau und ganzes Wesen geliebt werden, sagt von sich, sie sei ohnehin eher sapiosexuell -  was für ein Glück für mich, dass sie dabei noch so einen perfekten Körper hat und meine Unzulänglichkeiten im Schatten der geistigen Liebe völlig übersieht.

Doch genügt mir ein Foto nur ihrer Brüste oder ihres Schoßes, mich auch in der Ferne schon heiß zu machen - brauche dazu weder in ihre Augen zu schauen, noch ihre Stimme zu hören. Sie sagt gleiches beim Anblick meines James, was vermutlich auch noch ziemlich normal ist.

So wirken also die primären Merkmale auch ganz singulär betrachtet - fraglich nur, ob sie das dürfen oder da nicht genau das Problem zumindest des männlichen Gliedes liegt.

Montaigne schrieb großartig schon vor über 400 Jahren zu dieser Frage in seinem Essay über das männliche Glied, das sich mit genau dieser Frage beschäftigt. Warum steht es so oft, wenn es nicht soll, fühlt sich also auch mal unziehmlich erregt, versagt aber den Dienst, wenn wir am meisten auf ihn bauen am ehesten und bereitet der mit Stolz geschwellter Brust der Verehrten gegenüber noch gepriesenen Männlichkeit manch peinliche Niederlage oder führt zu ewigen überflüssigen Diskussionen, weil Frau dies bloß zeitweise organische Versagen, auf sich bezieht.

Warum steht es, wenn es nicht soll und quält uns gern, wo es gerade überhaupt nicht passt, macht dann schlapp, wenn wir seiner am dringendsten bedürfen?

Ist das wie mit dem Sex in vielen langen Beziehungen, der eintönig wird, weil die Abwechslung so sehr wie die Phantasie fehlen?

Weiß es nicht so genau und denke das männliche Glied, meines zumindest, reagiert auf so viele unterschiedliche Dinge und wird von diesen beeinflusst, dass es einfacher wäre, das menschliche Genom zu entschlüsseln als alles, was auf diesen enormen Schwellkörper wirkt.

Enorm ist wirklich, wie sich Größe und Form zwischen erschlafften und erigierten Glied verändern. Sicher schwillt auch bei der Frau die Klitoris im erregten Zustand ein wenig - genau wie die Schamlippen und bei manchen stellen sich auch die Brüste noch wunderbar auf, was die Lust ebenfalls stehend sichtbar macht, doch verglichen mit dem männlichen Glied sind die Unterschiede der Erregung minimal und nur dem Kenner sichtbar, warum vermutlich auch so viele Kerle nie  mitbekommen, ob ihre Frau nun kam oder nicht. Hier kann nichts vorgespielt werden und das macht diese enorme Naturleistung so großartig.

Früher hieß es immer, ein erregtes Glied raube dem Hirn Sauerstoff oder Blut und mache die Männer darum leicht blöde und zielgerichtet. Glaube nicht, dass sich diese Behauptung noch wissenschaftlich bestätigen ließe, es ist mir aber auch egal - viel wichtiger finde ich die Frage, ob wir Männer mit geschwollenem Glied tatsächlich noch klar denken können oder nie.

Frau erwartet von uns einerseits, dass wir ganz im Moment der Lust sind und unsere körperliche Höchstleistung für sie erbringen, dabei am besten noch auf ihre Lust achten und andererseits immer ein feinfühliges denkendes Wesen bleiben, dass nur wie ein Tier reagiert, wenn und solange dies gewünscht ist, ansonsten aber jede Stimmungsschwankung registriert und feinfühlig registriert. Eine Gratwanderung, die mir in meinem Leben manches mal schwer fiel, ohne weiter darauf eingehen zu wollen, woran es dabei mehr mangelte

Triebhaft sein und also der Natur folgen, um ihr die Herrschaft über das Glied zu geben, auf dass dieses aufrecht stehe und zugleich feinfühlig und sensibel, um Frau und ihre Bedürfnisse zu erspüren, den richtigen Moment zu erfühlen, ist nicht nur theoretisch eine solche Gratwanderung, dass ich froh bin, mich nicht mehr mit diesem Thema beschäftigen zu müssen, weil meine Frau eigentlich immer Lust hat, andere mich schon darum nicht mehr interessieren, weil ich ohnehin nie etwas vergleichbares oder besseres noch erwarten könnte.. Zum Glück haben wir die Sprache um die Missverständnisse dabei zumindest theoretisch klären zu können. Praktisch funktioniert das mit der Verständigung von Mann und Frau zwar selten so reibungslos aber auch das ist ein zu weites Feld, es hier zu betreten, wo es doch nur um das männliche Glied geht.

Dieses steht also im täglichen Kampf vor dem schwierigen Spagat, einerseits wild und triebhaft zu sein, zuverlässig  zu stehen wie eine eins und andererseits so feinfühlig wie möglich zu bleiben und nicht unser ganzes Denken zu dominieren, weil wir sonst ohnehin gleich von jeder als Sexisten abgestempelt werden, außer sie ist zufällig auch gerade scharf auf uns und es passt, was ja, wie ich heute weiß, doch eher die seltene Ausnahme ist und ich freue mich, wie ich fast vierzig Jahre lang mit einer Illusion von den Frauen leben konnte, bei der ich dachte, es lohne sich, viele zu haben, jede sei anders und jede Frau könne kommen. Kann sie zwar, aber meist eher nur alleine als beim Sex und die sollen es sich ruhig selbst machen, genau wie die Typen, die nur eine Öffnung zum abspritzen suchen. Beides überflüssig.

Wüsste meine Frau, dass es in der Natur des Mannes und seines Gliedes liegt auf jeden weiblichen Busen und jeden Schoss mit Aufrichtung zu reagieren und es nur durch geistige Disziplin, eisernen Willen und viel Gefühl von seiner Natur ferngehalten wird, müsste ich es vermutlich ewig mit ihr diskutieren und würde sogleich von ihr als Triebtäter abgestempelt, der ich ja nicht zu sein, jeden Tag versuche, der ich aber im richtigen Moment für sie dann wieder ganz sein muss und wehe wenn nicht, weil das sogleich Zweifel an der Aufrichtigkeit meiner Liebe begründete, auch wenn die unendliche Komplexität deutlich eine andere Sprache spricht.

So soll sich das männliche Glied gefälligst aufrichten, wenn es den zumindest in meinem Fall bildschönen Körper seiner Herrin sieht, aber doch bitte nicht nur auf die primären Merkmale sie reduzieren, die diese Aufrichtung wiederum alleine auslösen. Glaube, es gibt keine Lösung für diese Frage als die Konfrontation mit der Realität:

Wenn Frau das männliche Glied stehend genießen will und sich an der Erektion beim Anblick ihrer Nacktheit freuen will, seine Steife länger als nur einen Moment genießen will, kurz gesagt, richtig guten Sex möchte, sollte sie sich an der Natur freuen und keine geistigen Erwartungen dieser gegenüber hegen.

Wenn Mann treu ist, sei es aus Überzeugung oder wie in meinem Fall aus Erfahrung und Vergleich, die lehrten, es gibt nichts besseres, als ich habe, dann ist er das nicht seiner Natur nach, sondern aus einem eher ethisch philosophischen Beschluss heraus. Wäre es anders, hätte Frau nicht mehr viel Freude an der männlichen Standkraft, da diese einfach auf schlichte Reize reagieren muss, um zu funktionieren, wie sie funktioniert.

Wie es mit der Natur der Frau ist, werde ich als Mann nie zu beurteilen wagen, wie käme ich dazu diese Komplexität auch nur annähernd verstehen zu meinen?

Manche benutzen Dildos und wissen die Lust von Innen zu schätzen, was aber die wenigsten wohl sind. Mehr benutzen es als Statussymbol oder außerhalb. Aber zum Glück ist diese für meinen schlichten männlichen Geist viel zu komplexe Frage kein Thema bei der Erörterung zum männlichen Glied.

Was weiß ich schon über das Glied und seine Zustände?

Wenig wohl, es hängt eben immer am Träger und wenn es das nicht mehr tut, reagiert es selten noch in gewünschter Weise, weil die Versorgung durch Herz und Hirn fehlt, ohne zu wissen, was dabei mehr  Bedeutung hat und nach den Hormonen gar nicht gefragt.

jens tuengerthal 30.10.2017

Sonntag, 29. Oktober 2017

Sturmwanderer

Eigentlich wollte ich nur zum Gleisdreieck laufen, um mir den neuen Park anzuschauen. Es wurde länger und aufregender als ich dachte und ohne das ich wusste, wie mir geschah.

Die Wanderung begann wie immer am Helmholtzplatz, führte mich über das Göhrener Ei, Senefelder und Kollwitzstraße zur Schönhauser Allee, die ich Richtung Schwedter überquerte, um nach einem kleinen Einkauf bei Lidl dann doch mit den Waren auf dem Rücken die Choriner gen Mitte hinunter zu marschieren noch etwas unentschieden ob mit oder ohne Schirm. Es wehte ein büschen Wind, wie die Norddeutschen sagen, wenn sich ein Sturm ankündigt - aber der sollte ja nur die Ostsee betreffen und wenn erst morgen kommen, dachte ich und so hatte ich es noch vor einigen Tagen gelesen.

Sich bei Unwetter oder Sturm auf Tage alte Vorhersagen zu verlassen, ist, zugegeben, etwas leichtsinnig, wie mir jeder Seemann bestätigen würde - aber ich wollte ja weder zur See fahren, noch schien mir das Sinken der Temperaturen in der Nacht bedenklich.  Merkte unter dem Schirm, den ich doch irgendwann aufspannte, weil mich der ständige feuchte Film auf der Brille nervte. Irgendwann beim Marsch durch Mitte verabschiedete sich die Liebste dann von mir, weil sie von dem ständigen Wind auf das Mikro meines Headsets Kopfschmerzen bekäme, wie sie meinte und was ich ja verstand, aber leider auch nicht zu ändern wusste, da ich ja nun zum Park am Gleisdreieck meine Nachtwanderung machen wollte und mich von einem büschen Wind davon nicht abhalten lassen konnte.

Über die Auguststraße und ein Stückchen Oranienburger kam ich wieder auf die Friedrichstraße, die ich ganz entlang zu laufen beschlossen hatte, was angesichts der Fallwinde dort nicht immer vergnüglich wurde. Große Straßen mit hohen Häusern an den Seiten sind eben noch windempfindlicher als kleine Gassen mit niedrigeren Häusern. Kam bis zum Ende, staunte unterwegs noch in manches Schaufenster für einen kurzen Blick. - doch mit Schirm bei böigem Wind in der Stadt ist nicht unbedingt immer ein Vergnügen, eher im Gegenteil, auch für die anderen an allen engen Stellen dort.

So freute ich mich, als ich am Ende der Friedrichstraße bald  den Landwehrkanal erreichte und diesem unter der U-Bahn nur noch bis zum Gleisdreieck folgen wollte. Das war nicht ganz so einfach, wie ich es mir vorgestellt hatte. Der Weg unter den Gleisen endet zwischendurch an einer Straße oder führt dich direkt auf die andere eigentlich flasche Seite und so entschloss ich mich nach der dritten Brücke unter der hier oberhalb fahrenden U-Bahn doch lieber an das andere Ufer des Landwehrkanals zu wechseln und am Tempelhofer Ufer bis zum Technik Museum dem Kanal zu folgen.

Ein kleines Stück weiter westlich übrigens heißt diese Straße dann Schöneberger Ufer und dort sollte ich nach meinem länger als geplanten Marsch durch den neuen Park am Gleisdreieck wieder herauskommen. Etwa an der Stelle, wo ungefähr eine Stunde später eine Böe ein Baugerüst von einem Haus riss und einen dort Läufer unter sich begrub, der dann schwerverletzt ins Krankenhaus musste. Glück gehabt also, dachte ich, auch mit den Bäumen dort, die alle während meines Marsches an ihnen vorbei stehen blieben, auch wenn manche bedenklich schwankten.

Das Deutsche Technikmuseum bestaunte ich und lief, statt gehörig auf die Google Karte zu schauen, an ihm vorbei bis zum Schiffahrtsmuseum, wo ich dann irgendwo merkte, in eine Sackgasse gelangt zu sein und wieder zurück lief, inzwischen den Blick zwischendurch auf die Karte im Telefon und doch die schönen Boote dort im Technikmuseum registrierend.

Auf der anderen Seite fand sich schließlich ein Weg, den ich auch besser über die Fußgängerbrücke von der anderen Seite am Halleschen Ufer genommen hätte, aber hinterher ist der Flaneur meist klüger und lässt sich die Situation mit viel mehr Weisheit beurteilen als in Wind und Regen unterm Schirm, wenn du das Telefon nur zur Not für einen Moment zücktest. Kam an Windmühlen und anderen musealen Dingen dort vorbei, bis irgendwann das Museumsgelände endete und der Park anfing. Insofern die hohe wilde Vegetation hier wie dort gleich war, überall vereinzelt Schienen liefen, war die Abgrenzung nicht so ganz deutlich. War ich schon im Park oder noch auf dem Museumsgelände?

Der Park am Gleisdreieck ist eine aus drei Teilen bestehende öffentliche Grünanlage auf dem Gebiet der Bahnbrachen des ehemaligen Potsdamer und Anhalter Bahnhofs mit einer Größe von 31,5 Hektar. Der Park setzt sich zusammen aus der Gleiswildnis, die über den alten Anlagen von selbst und alleine gewachsen ist und großen Grünflächen mit Liegewiesen. Teilweise wird der Park von den sich dort kreuzenden U-Bahnen durchquert, was gerade in der Nacht wunderbare bis skurrile Lichterscheinungen gibt, die ich mit weniger Wind und Regen bestimmt gerne fotografiert hätte.

Sich auf Google Maps zu verlassen ist manchmal eine gute Idee, führt manchmal aber auch nicht weiter und so landete ich beim ersten Versuch die westliche Hälfte des Parks zu erreichen in der Gleiswildnis, die ihren Namen wirklich verdient, voller Fußfallen ist und die ich darum gerade im Dunkeln mit immer noch einem büschen Wind um mich, schnell wieder verlassen wollte.

Nahm dann den Weg gen Süden bis fast zum Flaschenhalspark in Kreuzberg auf dessen Erkundung ich aber angesichts der Dunkelheit und der Witterung doch lieber verzichtete. Dafür ging ich nach dem wie angegeben verlaufenden Weg nach Westen wieder gen Norden an der Legacy Graffity Hall of Fame vorbei, was sich toll denglisch anhört und ähnlich bescheuert war, denn es handelte sich im Ergebnis nur um einige legal besprühte Wände am Bahndamm mit wessen Zeichen darauf auch immer.

Ob die Sprühschmiererei Kunst ist, manchmal gibt es ja auch wirklich erstaunlich schöne Bilder und nicht nur diese idiotisch pubertären Tacs, mit denen Gangs ihr Dasein bekannt geben, möchte ich nicht streiten - es ist eine Form des Ausdrucks, den sich die Großstadt sucht und eine Kunst, die von der Straße kommt und damit näher am Puls der Zeit ist als vieles in den schicken Galerien in Mitte. Natürlich ist es Kunst, verdient Schutz, auch wenn es nervt und aus dem illegalen Untergrund kommt, von Jungens verbreitet wurde, die ihre überschüssigen Hormone so in den Griff bekommen wollten. Der Kick des Illegalen macht die Spüherei zu einer Form des sozialen Aufstandes, über den du dich in der Großstadt aufregen kannst oder nicht, der aber einfach dazu gehört und wenn es der nicht wäre, würde es ein anderer werden.

Schon von daher war diese legale Hall of Fame - schon bei dem ekligen Wort sträuben sich mir die Nackenhaare - eigentlich eine contra dicito dessen, was sie darstellen wollte aber immerhin doch eine nette Idee. Künstlerisch fand das dort Gebotene nicht besonders einfallsreich oder genial, bis auf eine kleine Ausnahme ganz am Rand. Da fanden sich viel schönere Graffitis auf dem Weg durch die Stadt -  es war so ein wenig Kreuzberg halt - wir haben uns alle lieb, auch die Schmuddelkinder gehören dazu und bekommen hier einen Spielplatz und wir loben ihre Kunst, damit sie sich anerkannt und integriert fühlen - alles nett und schön und mit großem sozialpädagogischen Impetus vermutlich - aber der Name ist ein Witz und besser diese kleine Wand hieße Kreuzberger sozialpädagogisches Integrationsprojekt für Sprayer ohne künstlerischen Anspruch.

Ging lächelnd weiter und dachte, sie haben sich zumindest bemüht, etwas nettes daraus zu machen, was ja eigentlich nicht schlecht oder böse ist, sondern richtig nett, auch wenn manche sagen, nett sagte keiner mehr, weil es die kleine Schwester von Scheiße sei, hier passt es irgendwie und so hat der Park am Gleisdreieck auch seine nette Ecke. Ging durch die Gleise getrennt an der Schöneberger Wiese vorbei, unterquerte die auf hohen Eisenkonstruktionen hier verlaufenden Gleise auf Höhe der Station Gleisdreieck und ging durch den Park wieder gen Landwehrkanal. Um die Hochtrassen der U-Bahnlinien, die sich hier kreuzen wurden inzwischen Parkhäuser gebaut, die noch völlig offen bisher die Bahnen zwischen den Etagen sichtbar entlang fahren lassen. Dann kreuzen sich die Bahnen oben und unten wie kreuz und quer und du bist obwohl im Park noch stehend, den zufällig wilden Elementen dort mit Wind und Sturm ausgesetzt, zugleich mitten im Gewirr der Großstadt. Ein vielfältig faszinierender Ort.

Den Landwehrkanal überquerte ich am Ende des Parks auf der Köthener Straße Richtung Norden, ging unter der U-Bahn Station Mendelsohn-Bartholdy Park durch, ignorierte den kleinen dazugehörigen Park davor aber völlig sondern lief durch den eher langweiligen Tilla Durieux Park, eine Grünanlage auf dem Weg zum Potsdamer Platz, in der mehr der Blick auf die Neubauten nebenan als das öde Grün selbst auffällt. Beim nächtlichen Besuch in Parks ist es übrigens häufig so, dass eher die leuchtende Umgebung als das nahe Grün, was Nachts ja wie alle Katzen grau eher wirkt, auffällt.

Am Potsdamer Platz ging ich über den benachbarten Leipziger Platz um von dort aus durch die, wie ich ja schon wusste, nächtlich geöffnete Mall of Berlin zu laufen. Was tat es gut mal einige Meter ohne beständigen Wind, der am Schirm zerrte und den dauernden Nieselregen zu sein. Fotografierte schöne Wäsche für die Prinzessin, ansonsten finde ich Berlins größten Konsumtempel, der gänzlich ohne einen Buchladen auskommt, nicht mal von den sonst so grauenvollen Ketten, eher entbehrlich und langweilig. Doch gab es ein bequemes Ledersofa, auf dem ich Platz nahm, der Liebsten einige Bilder zu schicken und mich zu erholen für den nächsten und letzten Teil der Wanderung.

Über den Ziethenplatz; Mauerstraße, Taubenstraße ging es zur Jägerstraße und von dieser über den Gendarmenmarkt. Wie üblich von dort in nordöstlicher Richtung am Hotel de Rome vorbei, zwischen Staatsoper und Kommödchen über das Forum Fridericianum, das sich heute Bebelplatz nennt, an der Humboldt die Straße überquert, gen Nordosten an Schinkels Neuer Wache vorbei und anschließend gegenüber der Museumsinsel bei der Kanzlerin vorbei, bei der vor der Tür diesmal auch die Polizisten im Auto saßen, so bescheiden war die Witterung und einen Film auf dem Bildschirm ihres GPs des kleinen Polizei Opels schauten - sah es und dachte mir, wie gut, dass sich die Zeiten ein wenig geändert haben, erstaunlich, was heute schon normal ist.

Am Bode Museum, in dem gerade die neue großartige Ausstellung über afrikanische Kunst im Vergleich mit im Sturm flatternden Plakaten die Besucher lockt, über die Brücke, die zum Monbijou Park führt, der an das im Krieg verlorene Schloss erinnert, das dort stand und in dem unter anderem auch die Mutter Friedrichs des Großen noch lange lebte. Der Straße folgte ich bis zur Oranienburger, wo sie auch endet, kurz vor der prächtig in die Nacht glänzenden Kuppel der Neuen Synagoge und die ich aber nur überquerte ohne der Synagoge, in der noch das Centrum Judaicum untergebracht ist, mehr als einen Blick unter dem Schirm hervor zu schenken, da es noch vor Mitternacht war und ich noch möglichst viele Kilometer laufen wollte.

Von der an den Bürgermeister der 1848er Jahre erinnernden Krausnickstraße, bog ich nach links, was ungefähr nördlich sein dürfte, in die Kleine Auguststraße ein, folgte ihr bis zum Koppenplatz und war von da aus wieder auf meiner üblichen Runde die Ackerstraße gen Wedding hinunter. Vorher ging es noch an diversen Clubs vorbei und als ich schließlich die Invalidenstraße überquerte, versicherte mir die Liebste, die inzwischen, kurz nach der Mall of Berlin, dem Kaufhaus mit dem peinlichen Namen, erreichten wir uns, wieder in meinem Ohr saß, es sei nun Mitternacht. Dann kam es nicht mehr auf die Zeit an und ich konnte in Ruhe flanieren und dabei rauchen, so es mir dem Wind zum Trotz gelang überhaupt eine anzustecken oder an meiner E-Pfeife zu ziehen, die ich aber lieber heute schonen wollte unterwegs.

Überquerte den Streifen im Gehweg der Ackerstraße, der den Verlauf der Mauer markiertem wandte mich dann ein wenig gen Norden die Bernauer hinauf bis zur Hussitenstraße, an der ich nun am Humboldthain vorbei laufen wollte. Es wurde ein Kampf mit dem Schirm und den Fallwinden zwischen den dort Hochhäusern, wie ich ihn so schlimm nicht erwartet hätte und er kostete nach inzwischen 20 gelaufenen Kilometern letzte Kraft. Weiß nicht genau, wie ich es schaffte, irgendwann bog ich nach der S-Bahn und nach dem Humboldthain, aus dem mir zum Glück kein Baum ohne Ankündigung auf den Kopf fiel, gen Norden in die Hochstraße ein, lief bis zum Gesundbrunnencenter, an dem ich die Badstraße, wie die vorher Brunnenstraße hier heißt, überquerte und der dann Behmstaße an wenig prächtiger Umgebung des Gesundbrunnen vorbei gen Prenzlauer Berg folgte, bis ich wieder zwischen meinen schönen heimischen Altbauten ankam reichlich gebeutelt und ziemlich geschafft von dem büschen Wind. Las nun erst in den Nachrichten, die Unwetterwarnung des DWD und sah, was hinter mir alles noch durch die Gegend flog.

jens tuengerthal 29.10.2017

Liebessturm II

Kaum hast du den Hurrikan
Heil überstanden erwischt der
Nächste Orkan mich in Berlin
Als harmlosen Nachtwanderer

Ihr wurde zum Glück gewarnt
Alle sollten bitte im Haus bleiben
Damit keiner von Ästen noch
Erschlagen würde im Sturm

Erfuhr von der Sturmwarnung erst
Als ich heil wieder Zuhause war
Zweifelte schon an meiner Kraft
Weil das Gehen mich so anstrengte

Dann las ich die Orkanwarnung
Wie auch die des Senats an alle
Berliner möglichst drin zu bleiben
Weil was käme gefährlich wäre

Die vom letzten Sturm bereits
Erschütterten Bäume wären nun
Eine große Gefahr wie der Wind
Selbst in Böen ein Risiko sei

Schon in der Nacht sollten wir
Möglichst nicht durch Parks laufen
Zur Sicherheit nicht raus gehen
Die Feuerwehr ist schon alarmiert

Kein Wunder also wie anstrengend
Das Flanieren zum Gleisdreieck wie
Am Humboldthain vorbei mir wurde
War halt ein bisschen windig heute

Wie schön aber war es dann wieder
Den Schatz immer im Ohr zu haben
Die mir voll zärtlicher Liebe beistand
Obwohl ich gar nicht wusste was war

So rütteln die Stürme von außen im
Herbst fern voneinander an beiden
Wie gut ist es da sich sicher zu sein
In der Liebe wie im Glück beieinander

Ein halbes Jahr nun schon glücklich
Manche Stürme wohl überstanden
Doch nie im Kern davon erschüttert
Ist auch das Wetter manchmal launig

jens tuengerthal 28.10.2017

Samstag, 28. Oktober 2017

Belästigunsgstraum

Was ist die richtige Antwort auf die Skandalisierung der sexuellen Belästigung?

Belästigung ist gerade der Hit, wehe du bist nie belästigt worden, dann sinkt deine Bedeutung auf der Promi-Skala gleich um einen unerträglichen Faktor, scheint es angesichts der Inflation der Anklagen und Bekenntnisse. Vermutlich gibt es bald die passende Show dazu - Deutschland sucht das Super-Opfer.

Die öffentliche Geißelung und Selbstgeißelung nimmt in einem Maß zu, wie ich es nie von vernünftigen Menschen erwartet hätte. Es bekennen sich Menschen, die wie Bush Senior eher mühsam nur noch über Sexualität nachdenken, geschweige denn sie aktiv praktizieren, zu Taten, weil es gerade zum guten Ton gehört.

Alle empören sich ein wenig, Männer sind ja so böse und schlecht, meinen vielleicht noch dem präsidialen Frauenverachter Trump so eins auszuwischen und erreichen tatsächlich immer nur das Gegenteil. Sie stärken eine bigotte Moral, die Lust verurteilt, Männer als Täter darstellt, Sexualität kriminalisiert und am Ende haben wir nichts erreicht als mehr Hysterie  und Impotenz von Männern, die sich vor Anklagen mehr fürchten, als sie noch Lust haben und reihenweise frustrierte Frauen, die sich nichts mehr wünschen, als dass ein Kerl endlich mal wieder nicht nur vorsichtig ist, sondern sie begehrt und sie es spüren.

Werden sie das mit diesem Skandal erreichen oder eher nicht?

Begehren ist etwas schönes. Dies gegenseitig zu tun, macht es zum lustvollen Akt, der im Streben nach Befriedigung gipfelt. Weniger schön ist es, wenn nur eine Seite begehrt und die andere es eher lästig findet.

Die Reduktion auf Äußerlichkeiten und Sexualität erfolgt bei der Partnersuche anfänglich immer. Wo das nicht so ist, läuft in der Natur der Beteiligten etwas schief. Das dies nicht alles ist und es auf viel mehr ankommt, versteht sich von alleine - wer will schon den ganzen Tag nur ficken oder über das Ficken reden. Wird relativ schnell ziemlich langweilig.

Will nun nicht fragen, inwieweit sich viele Frauen nur belästigt fühlen, weil sie dazugehören wollen, es en Vogue ist, darüber zu reden, betroffen zu sein. Diejenigen, die so etwas erleiden mussten und dadurch traumatisiert wurden, den Spaß am Flirten oder noch schlimmer am Sex selbst verloren haben, tun mir wirklich leid und die Kerle, die so etwas verursachen gehören dringend bestraft. Mit aller Härte, weil sie eine Schande für das männliche Geschlecht sind, keine Frage - wer vergewaltigt oder brutal belästigt ist für mich ein Verbrecher, der die schönste Sache der Welt kaputt macht.

Weil sich die SPD dabei wieder in der ersten Reihe der empörten Frauenversteher lautstark zeigt - fragte mich schon manches mal, ob der SPD Frauenverband noch eine andere Aufgabe hat, sehen wir davon ab, dass sie stets Eierwärmer für den jeweiligen Träger von Eberts Taschenuhr stricken - fällt mir ein, was meine Mutter noch vom sexistischen Benehmen des Halbgottes Willy Brandt im Bremer Parkhotel erzählte, wofür er heute vermutlich zum Weinstein würde. Aber die Guten sind ja gut und die Bösen sind böse und die Welt ist eben schwarz-weiß.

Was für ein Idiot muss derjenige sein, der das eigentliche Ziel - die Befriedigung seiner Lust - für sich mit solcher Gewalt versperrt und noch dazu sich und anderen den Weg dahin dauerhaft verbaut?

Das Streben danach, die eigene Lust zu befriedigen und dies in der schönsten Form möglichst gemeinsam zu tun, finde ich erstmal gut und ehrenwert. Das zu betonen scheint mir in der ganzen Hysterie doch sehr wichtig.

Sex ist schön, Sex ist gesund und nach Sex zu streben, ist normal und gut so. Menschen nur auf Sex zu reduzieren, griffe aber ähnlich zu kurz, wie Menschen nur im Lichte ihres zufälligen Aberglaubens zu betrachten und diesen am besten noch rassisch zu definieren, wie es die Pegiden und ihr Umfeld seit längerem tun, Hitler es vorher mit den Juden tat und Alice Schwarzer es umgekehrt schon länger mit den Männern versucht, die Täter sein, nur an Sex dächten und sich der Frauen als Ware bedienten.

Betrachte ich Frauen und lausche in den Cafés oder Bars ihren Gesprächen, geht es viel häufiger um Sex und das Streben danach. Manchmal habe ich das Gefühl das Leben der geschlechtsreifen weiblichen Großstadtbewohner, drehe sich eigentlich nur noch um dieses Thema. Männer reden auch davon, aber eher selten und mit weniger tropfender Bedürftigkeit und wägen Frauen auch seltener so ab, wie Frauen es mit Männern tun.

Vom Objekt ihrer Wahl, wünschen sich die Frauen dann Initiative und klagen eher darüber, dass die Kerle den Arsch nicht mehr und auch sonst eher keinen hochkriegen, langweilig wären, sie sich mal wieder einen richtigen Kerl wünschten. Aber wehe, ein solcher macht sie dann an, wenn er gerade nicht das Objekt ihrer Begierde ist. Dann wird sich aufgeregt und gelästert, der Typ ein Chauvi genannt, das ganze große Theater veranstaltet.

Habe trotz langjähriger Beobachtung und früher auch Teilnahme an diesem ewigen Spiel von Männern und Frauen nicht beobachtet, dass die gewünschten ganzen Kerle sonderlich erfolgreich bei den Damen waren, im Gegenteil - sie wurden dann erstmal auf Handtaschenformat geschrumpft, damit sie nicht stören und weggestellt werden können, wenn die Damen ihrer gerade nicht bedürfen.

Wer als Mann auch nur etwas Erfahrung mit Frauen gesammelt hat, weiß genau, ergreife immer erst die Initiative, wenn Frau dich ausgewählt hat und will. Alle anderen vergiss und mach dir keine Gedanken dazu. Wenn du deine Ruhe haben willst, beobachte die Frauen mit gierigem Blick, dann bist du für sie völlig uninteressant. Dagegen setzen sie sich fast auf deinen Schoß oder tun das tatsächlich, wenn du ihnen gegenüber Desinteresse zeigst. Es ist das alte Spiel von Angebot und Nachfrage und es wird sich nie ändern.

Wolle nichts und die Dinge geschehen von alleine - warum jede sexuelle Anzüglichkeit, Belästigung oder was auch immer, eigentlich logisch das genaue Gegenteil von Interesse bekundet - wer garantiert nicht erfolgreich bei Frauen sein will, starrt sie an, belästigt sie oder bekundet sein großes Interesse durch primitive Gesten.

Sicher sind Männer von Natur aus dumm und durchschauen die ewig gleiche Taktik der Frauen niemals, darum haben wir gerade eine Invasion der sexuellen Belästigung von Typen, denen der Geifer aus dem Mund tropft und die unbedingt mit den so belästigten Frauen ficken wollen.

Wer das glaubt, denkt vermutlich auch Frauen sind immer gut und Männer von Natur aus böse und strebten nur nach der Befriedigung ihrer Triebe.

Die Erfahrung allerdings lehrt das genaue Gegenteil. Es sind meist die Frauen, die wollen, die ihre Männer betrügen, weil sie in der langweiligen Beziehung sexuell frustriert sind, die ihr Ego darüber definieren von einem oder vielen Männern sexuell begehrt zu werden und alles dafür tun, dieses Ziel jedem sichtbar zu machen.

Es mag schlimme Fälle sexueller Belästigung in einem Machtgefälle geben. Diese Fälle waren schon früher strafrechtlich relevant und werden es bleiben. Da kann Anklage erhoben werden und wird ein Verfahren eingeleitet und gut ist. Die gibt es übrigens in Richtung beider Geschlechter, nur dass Männer seltener darüber reden oder ihre Erfahrungen unter #MeTooo unbedingt publizieren müssen. Eher im Gegenteil, aber das ist eine andere Geschichte. Darüber müssen wir keinesfalls debattieren.

Die Erfahrung lehrt Mann jedoch, dass sich der Sex in 99,9% der Fälle nicht lohnt, es wenn überhaupt nur ein gemeinsames Onanieren wird, das bequemer allein zu erledigen ist und darum ist der Satz dieser meisten Frauen, ihnen sei Zärtlichkeit viel wichtiger, so wahr - natürlich ist es das, weil sie noch nie in ihrem Leben richtigen Sex hatten und vermutlich auch nie erfahren werden, wie gut beiden Seiten tut, was sie nur als Opfer der Evolution eher unwillig erdulden.

Warum sollte ein nicht völlig hirnamputiertert Mann für so einen Mist, der sich zu selten lohnt, irgendwelchen Aufwand noch betreiben mit dem Risiko dafür von Frau hinterher der Belästigung geziehen zu werden.

Männer, seid endlich vernünftig, spielt das blöde Spiel nicht mehr mit. Ihr habt es nicht nötig. Es gibt genug Frauen, die unbedingt wollen aber nur, wenn ihr gerade nicht wollt. Es ist das ewige Spiel, jeder kennt die Regeln und was passiert, wenn ihr mit Gewalt oder Macht etwas erreichen wollt, weiß auch jeder inzwischen - lohnt sich das?

Wer, wie ich, das Glück hat, gemeinsam die völlige Erfüllung zu finden, wird sich nie wieder um andere bemühen - wozu auch, habe ja alles mit einer, alles mehr wäre nur Stress und lohnte nicht, weil es den Wert des einen minderte.

Lasst die ganzen anderen Frauen in Ruhe, es lohnt sich viel zu selten und dann auch nur, wenn sie will - alles andere ist nur viel Lärm um nichts. Sie werden schon kommen, wenn sich keiner mehr um sie kümmert oder sexuell für sie interessiert. Seid da gelassen und lasst diese neue Skandalisierung unseres Geschlechts mit einem Lächeln vorübersegeln - seid nicht bedürftig und wenn macht es euch eben selbst und lasst sie antanzen, wenn sie was wollen, was mir die einzig angemessene Reaktion nun scheint.

Dies wird zwar vermutlich wieder die Geburtenrate senken, wenn Männern plötzlich klar wird, wie uninteressant der meiste Sex ist, wie selten es sich lohnt aber führt dafür zu einer besseren und friedlicheren Welt - wir sind ohnehin genug, wenn nicht zuviele, ein wenig Zurückhaltung schadet da nicht, es sei denn ihr gehört wie ich zu dem 1%, die das große Los zogen, dann genießt es ausgiebig und würdigt es als solches. Davon haben alle Seiten am meisten, nur die immer Empörten werden bald enttäuscht sein, weil sich keiner mehr um sie kümmert.

Was schön ist, kann nie mit Gewalt erreicht werden - es lohnt nicht einmal, darüber nachzudenken, weil Desinteresse die Chancen der Erfüllung erhöhen und auch da lohnt es sich in den seltensten Fällen überhaupt und wenn du Glück hast und alles gut ist, genießt du es ohnehin still und redest besser nicht viel darüber, um nicht Neid und Missgunst der anderen zu wecken. Alles andere ist mal wieder viel Lärm um nichts  und Wichtigtuerei einiger Medienmenschen. Vergessen wir es, widmen wir uns lieber wichtigen Dingen und würdigen diejenigen mehr, mit denen wir genießen können, alles andere ist vertane Zeit.

jens tuengerthal 28.10.2017

Küchensex

Sitze nun in inzwischen unserer
Küche und sehne mich nach dir
Denke daran wie alles anfing
Vor einem halben Jahr im April

Das erste mal haben wir es
Noch in der Küche gemacht
Am Bahnhof holte ich dich ab
Bis zu mir noch kaum ein Kuss

Du warst plötzlich schüchtern
Durfte keinen Arm um dich legen
Oder von meiner Lust reden
Wolltest ganz züchtig sein

Dabei hatten wir doch längst
Virtuell alles schon erlebt
Waren miteinander gekommen
Hatten uns ins Ohr gestöhnt

Dachte nur na gut sie ist halt jung
Lass ihr Zeit das wird schon werden
Hoffte ich wenn auch etwas bange
Ob vielleicht gar nichts passierte

Als sich aber die Tür hinter uns
Schloss fielst du mir um den Hals
Du wolltest bestimmen wie es sei
Und ließt die Spannung steigen

Dann wolltest du erstmal in Ruhe
Was trinken und auch ankommen
Wir gingen in die Küche dazu
Die nun unsere gemeinsame ist

Ließ dich dabei völlig in Ruhe
Bis wir uns vor dem Herd noch
Voller Leidenschaft küssten
Du nicht mehr schüchtern warst

Hatte es gar nicht mehr erwartet
Diesen Ausbruch an Leidenschaft
Als wärst du plötzlich zwei Wesen
Die drinnen und die draußen

Meine Hände wanderten bald
Auch über deinen zarten Körper
Alles durfte ich endlich berühren
Du öffnetest meine Hose schnell

Bald knietest du dich vor mich
Sah meinen Schwanz riesig wohl
Ganz in deinem Mund verschwinden
Du küsstest ihn erfahren gekommt

Setzte dich auf den Herd danach
Deine wunderbar nasse Mitte mit
Küssen und mehr zu verwöhnen
Laut stöhnend hast du genossen

Saßt noch auf dem Herd als ich
Endlich und erstmals in dich drang
Es passte perfekt und schon kamst du
Das erste von den vielen malen

Später trug ich dich dann zum Bett
Halb angezogen nur noch beide
Von der Küchenlust so erhitzt
Wussten wir es war alles gut so

Was in der Küche anfängt ist gut
Dachte ich und doch war es nur
Der Anfang der Himmelreiche
Die ich mit dir erobern sollte

jens tuengerthal 28.10.2017