Verbindung aus Liebe
Ist es Liebe oder ist es halt einfach da und keinen weiteren Gedanken wert, weil es dazu gehört und was, wenn nicht gerade das, was zu uns gehört, sollten wir lieben?
Mit der BVG hat jeder, der in Berlin ist, mal irgendwann zu tun, manche fluchen, viele schmunzeln, einige lächeln selig. Die Berliner Verkehrsbetriebe selbst werben mit dem Spruch “weil wir dich lieben…”, was auch hart von ihr geprüfte Berliner noch lächeln lässt, wenn sie das Fluchen für einen Moment beenden, weil es ohnehin nichts ändert.
Mal kommt die Bahn zu spät, dann fährt sie zu früh, nie pünktlich, ist so ein typischer Spruch genervter Fahrgäste, die mal wieder einen Anschluss verpassten - als könnte sich keiner darauf einstellen entweder zu früh oder zu spät zu kommen, um pünktlich da zu sein, wenn es denn so wäre. Nach meiner bescheidenen Erfahrung auf wenigen Hauptstrecken allerdings, kam sie nahezu immer pünktlich und war häufiger ich derjenige, der sie weil zu spät verpasste, zumindest nach ihren Uhren, die manchmal anders als meine gingen, als ich noch Uhren trug, was in Berlin völlig überflüssig eigentlich ist, wo es immer bis mindestens 17h Frühstück gibt.
Ein tiefes Gefühl der Liebe habe ich noch nicht wirklich empfunden, dachte ich, als ich die Werbung zum ersten mal las. Wenn einer über eine Werbung nachdenkt, am Ende sogar einer wie ich noch darüber schreibt, dann ist sie gut und wird Teil des kollektiven Gedächtnisses, funktioniert also, wie sie soll. Erleichterung manchmal, wenn sie kam, Freude über einen Sitzplatz nach einem langen Arbeitstag, eine gewisse Sympathie zu dem vertrauten noch, vielleicht gelegentlich Spaß mit anderen Fahrgästen oder sogar zärtliche Momente mit meinen Liebsten oder bei der ersten Begrüßung eines Blind-Date an der U-Bahn Station, sehnsüchtige Erinnerungen werden wach, auch Fluchen, wenn das W-Lan wieder nicht geht, genervte Erschöpfung auch in zu vollen Bahnen oder Bussen immer wieder, Ekel vor dem neuen Neongelb auch - eine ganze Bandbreite von Gefühlen bringe ich mit der BVG in Verbindung - aber Liebe, auf Liebe käme ich nie zu Bahn, Bus oder Straßenbahn.
Die sind halt da und gehören dazu, wie die Berliner Luft, manchmal zu laut, dann nerven sie, aber eben nötig, darum gut so. Wenn sie mal wieder die Preise erhöhen, regen sich alle Berliner auf, es gibt Demos aber kein Vergleich zu den 60ern oder 70ern, als es noch Lieder darüber gab, aber dazu später, und dann geht es weiter wie immer. Warum Preise erhöht werden, wenn eine Anstalt des öffentlichen Rechts Millionengewinne einfährt, wäre wohl der Frage wert, ist aber gerade nicht mein Thema.
Als ich nach Berlin zog, fuhr ich ein zu großes Auto und fühlte mich toll damit. Nun habe ich seit vielen Jahren keines mehr und bin glücklich ohne. In Berlin brauchst du kein Auto. Die BVG fährt dich überall hin, ansonsten habe ich James, mein Fahrrad, das auch ein vielseitiger Lastesel ist, so seinem Herren ähnelt und diesen noch fitt hält. Wer vom Land kommt, kann sich das nicht vorstellen, aber ich kann alle meine Einkäufe bequem zu Fuß erledigen und wenn ich irgendwo hin muss, verrät mir mein Telefon die beste Verbindung, auch wenn du in Berlin mit seinen vielen Dörfern immer sehr aufpassen musst, weil es manche Straßen in fast jedem Dorf gibt und so schickte mich Google auch schon mit der BVG in völlig abseitige Regionen, was allerding in den meisten Fällen daran lag, weil die S-Bahn, auf die ich als Ringbahn von meinem Platz schnellen Zugriff habe, mal wieder nicht fuhr - aber die gehört ja auch zur Bahn seit kurz nach der Wiedervereinigung, was beiden selten gut tat, außer zur Schuldverlagerung.
Auf den wichtigsten Linien fährt in Berlin immer was, nicht wie in der Provinz, wie etwa Heidelberg, wo ich studierte, dass nach Mitternacht die Bürgersteige hochklappt und den Nahverkehr ins Depot stellt. Hier geht immer was und wenn es schlimmstenfalls ein Nachtbus ist, zu dem du vielleicht mal einige Minuten länger läufst und einen Moment warten musst, der sich aber doch immer wieder mit lustigen Gestalten füllt, was ein eigener Essay wäre, allein über ihr Sein dort und ihre Erscheinung nachzudenken.
Manche müssen, andere wollen irgendwohin, alle ertragen es meist relativ gelassen, es zu nehmen, wie es ist. Die Trennung von S-Bahn und BVG hat den großen Vorteil, dass alles immer vom einen auf den anderen, für den jeder selbst natürlich nichts kann, geschoben wird und sich nichts ändern muss, auch wenn es nicht läuft, weil ja keiner was für die Fehler des anderen kann - was dann in Durchsagen auch die Busfahrer kund tun oder die S-Bahn am Gleis bekannt gibt zur wechselseitigen Beschuldigung und ohne sich entschuldigen zu müssen. Diese Einrichtung ist so typisch Berlin, dass die Wiedervereinigung von BVG und S-Bahn so ökonomisch sinnvoll sie wäre, für das Empfinden aller Beteiligten bald zur Katastrophe würde, denn wer wäre dann Schuld?
Gelassenheit kann gut gelernt werden im öffentlichen Nahverkehr und dazu gibt die Beobachtung der Beteiligten einen tiefen Einblick in das Wesen der Menschen hier, sein sie nun Berliner, Gäste oder Touristen oder irgendwas dazwischen. Hatte lange eine Monatskarte, die mich jeden Tag vom Senefelder Platz mit der U2 bis zum Zoo fahren ließ und mit der ich manchmal auch Umwege noch nahm, die Stadt zu erkunden. Die langen Strecken auf denen die U-Bahn eine Hochbahn ist in ihrem wunderbar dunkelgrünen Metallgerüst, aus denen manchmal noch die älteren orangenen U-Bahnen auftauchen, bevor sie wieder unter der Erde verschwinden, wie es ihr Name ja nahelegt.
Bus fahre ich relativ ungern, auch wenn wir diese schicken Doppelstockbusse haben, die oben eine nette Aussicht bieten können, sofern sich Plätze finden. Ansonsten schwanken und schaukeln sie gerne wie die auch Fähren der BVG bei Seegang, was mein Magen lieber vermeidet, wenn andere Strecken zum Ziel führen. Straßenbahnen schwanken zwar auch ein wenig, wie die U-Bahnen, wenn sie sich in die Kurven legen und quietschen dann in einer Lautstärke, die jedem Neuling große Angst machen muss - aber dies genieße ich völlig gelassen, kann auch gegen Fahrtrichtung lesen und weiß daher, was Schienen hat, ist gut für mich, jenseits des beschienten Bereichs, braucht es sehr lohnende Ziele, mich aus der Stadt zu locken und da finden sich immer weniger.
Wer die Umgebung von Berlin mit ihren zauberhaften Seen, Schlössern und mehr erkunden will, ist gut mit dem Rad unterwegs, die auf den meisten Bahnstrecken transportiert werden können, wenn die ganze Strecke zu weit erscheint. Hier könnte auch mal ein Wagen wohl nett sein, dachte ich schon, wenn mich etwa ein Schauer doch noch erwischte. Gemessen aber an den Tagen, an denen er mir lästig wäre, weil ich in überbelegter Umgebung zu lange nach einem Parkplatz suchen müsste, der ich ohnehin die meiste Zeit in der Stadt zubringe, wird dies nett für Ausflüge so klein, dass ich es lieber genieße die Museumsinsel auch in einer halben Stunde zu Fuß erreichen zu können, ohne über Parkplätze nachdenken zu müssen.
Die BVG macht den Gedanken an einen Parkplatz schlicht überflüssig, die Frage des Alkoholpegels ist nur insofern relevant, als sie entscheidet ob der Mageninhalt in mir bleibt oder ich ihn besser vor Fahrtantritt wieder loswerde, es gefährdet keine Fahrerlaubnis, betrunken im öffentlichen Nahverkehr mitzufahren, unterhält nur gelegentlich die anderen Fahrgäste noch, die meist viel Verständnis zeigen oder sich in ähnlichen Zuständen befinden. Komme mit den öffentlichen Verkehrsmitteln mit einer höheren Sicherheit pünktlich als mit dem privaten PKW und die wenigen Ausnahmen bestätigen die Regel nur - erstaunlicherweise hat auch jeder Gastgeber und die meisten Arbeitgeber mehr Verständnis für Verzögerungen bei der BVG, die eben höhere Gewalt sind, als einen genauso unvorhersehbaren Stau oder Unfall mit dem privaten PKW, auch wenn es im Verhältnis ihres Vorkommens genau umgekehrt sein müsste.
Als Innenstadtbewohner sage ich, dank der BVG braucht hier keiner mehr einen privaten PKW, Car-Sharing genügte und alles andere ist Luxus, der mehr belästigt als angenehm ist - wer schon einmal stundenlang auf der Suche nach dem letzten Parkplatz hier um die Blocks kreiste, wird dies gut verstehen können. Verbieten wäre nur noch alberner und wenn sich ein Teil der Menschen eben noch mit solchem Unsinn quälen will, soll sie es tun, wer meint die Menschheit nur mit Verboten retten zu können, wird selten ein glücklicher Mensch. Dies auch wenn die neue Parkraumbewirtschaftung in meinem Wohnbereich den Bezirk um viele Verbote und Gelder reicher machte und sich so scheinbar zumindest rechnet. Aber hier geht es ja um den öffentlichen Nahverkehr und seinen Berliner Veranstalter die BVG mehr als die Probleme der Autofahrer, die mich nicht mehr interessieren.
Vor der Bildung der Einheitsgemeinde Groß-Berlin gab es auf dem heutigen Stadtgebiet verschiedene voneinander unabhängige Unternehmen, die öffentlichen Personennahverkehr anboten. Seit 1868 etwa gab es die Allgemeine Berliner Omnibus-Actien-Gesellschaft (ABOAG), auch die 1897 entstandene Gesellschaft für elektrische Hoch- und Untergrundbahnen in Berlin war privat organisiert. Daneben gab es noch einige Straßenbahn und Omnibusunternehmen. Es gab jedoch für ganz Berlin weder abgestimmte Fahrpreise noch Fahrpläne, was zu relativ unhaltbaren Zuständen im über 800km² großen Stadtgebiet bald führte.
Als der spätere Bürgermeister Ernst Reuter 1926 das Dezernat für Verkehr und Versorgung im Senat übernahm, setzte er sich für die Beendigung dieser Missstände ein und am 9. März 1927 wurde der erste Vertrag der Interessengemeinschaft geschlossen, der auch einen Einheitstarif von 20 Pfennig für die 3 Verkehrsmittel Hochbahn, Omnibus und Straßenbahn. Heute zahlen wir mehr als das zehnfache und haben darum nicht mehr Platz und nur eine unwesentlich höhere Geschwindigkeit, aber wer wollte schon klagen? Dabei durfte noch einmal umgestiegen werden, was heute weniger beschränkt zumindest ist, soweit ich weiß. Zunächst arbeiteten alle Unternehmen noch selbständig weiter, waren nur unter dem Einheitstarif verbunden. Bald stellte sich jedoch heraus, dass dies ökonomischer Unsinn war. Die private Hochbahn etwa hatte die höchsten Investitionskosten, zahlte am meisten Steuern auf ihr Kapital und hatte dabei eine nur sehr geringe Beteiligung am Umsatz, was sich ergo nicht rechnen konnte. Um diese Probleme unter einem Dach zu beheben, wurde am 10. Dezember 1928 die Berliner Verkehrs-Aktien-Gesellschaft (BVAG) mit 400 Millionen Reichsmark Kapital gegründet.
Die Gesellschaft nahm dann am 1. Januar 1929 den Betrieb auf. Schon wenige Jahre später gehörte der Streik bei den Berliner Verkehrsbetrieben vom November 1932 zu den wichtigsten Arbeitskämpfen, die das Ende der Weimarer Republik noch beschleunigten. Dabei wurde der Betrieb für einen Tag völlig lahm gelegt und dies vor allem gesteuert durch die von der DKP gesteuerte Gewerkschaft, die sich auf Wunsch des Totengräbers der Weimarer Republik Ernst Thälmann hin, mit der Nazi-Gewerkschaft verbündete. Die DKP sah sich damals eher im Kampf mit der SPD, die sie als Sozialfaschisten bezeichneten, als mit der NSDAP, die sie als Bündnispartner gegen die verhasste Weimarer Demokratie fälschlich sahen. Dies hat die DDR viele Jahre vergessen lassen und Thälmann zu einem Opfer der Nazis stilisiert, deren Machtübernahme er mit seiner Politik noch begünstigte.
So sollte dringend eine Niederreißung der Denkmäler für diesen Verbrecher erfolgen, der entscheidend am Untergang der Weimarer Republik beteiligt war. Dass dieser zwielichtige Typ aus dem Hamburger Arbeitermilieu dann wie viele andere auch von den Nazis umgebracht wurde, weil Moskau kein Interesse an dem Großmaul mehr hatte, ist eine andere Geschichte, aber nicht jedes Opfer von späteren Verbrechern, wird darum zum Held, wenn er aktiv zu denen gehörte, die eine Machtübernahme der NSDAP ermöglichten durch die weitere Polarisierung, kann im Fall Thälmann nur festgestellt werden, er bekam, was er gesät hat, was das nationalsozialistische Unrecht nicht rechtfertigt, nur die Verantwortlichkeit für die Entstehung und Polarisierung bei den Extremisten an den Rändern deutlich aufzeigt, von denen Thälmann einer war. Darum heißt diesem Verbrecher und Hetzer Thälmann zu gedenken, der eben den Streik bei den Verkehrsbetrieben aus rein politischen Gründen instrumentalisierte und damit auch bewusst Menschenleben riskierte, diese Taten, die zum Ende der Weimarer Republik mit führten, relativieren, wogegen sich jede heutige Demokratie ausdrücklich wehren muss.
Das Bild der DDR von Thälmann war eine ideologische Lüge mit der Kinder als Thälmann Pioniere missbraucht wurden. Es gibt keinen Grund, solche Lügen aufrecht zu erhalten. Im Gegenteil, müssen wir die Verbrecher benennen, wo sie sich zeigen und es ist darum auch wichtig die sogenannte Linke weiter als SED-Nachfolgeorganisation zu bezeichnen, weil wer das Erbe der Verbrecher antritt, auch mit ihrem Namen leben muss, was gerade in Kulturkreisen zu sagen, derzeit völlig verpönt ist, weil sie sich von der Linken in Berlin Gelder und mehr erhoffen. Zumindest spielte die Berliner BVG bei dieser Gelegenheit eine wichtige Rolle in der Politik des Reichs, bei der sich die Reichsregierung dann doch mit Gewalt durchsetzte, weil die Forderungen illegal und ein politischer Missbrauch gewerkschaftlicher Macht waren. Den Kämpfen dabei fielen mehrere Menschen zum Opfer, auch dank Thälmanns rücksichtsloser Propaganda.
Am 1. Januar 1938 wurden die Berliner Verkehrsbetriebe ein Eigenbetrieb der Stadt Berlin unter dem Namen Berliner Verkehrs-Betriebe (BVG). Nach der Teilung gründete sich im Osten ein eigener BVG Betrieb, der als VEB Kombinat Berliner Verkerhsbetriebe (BVB) firmierte. Ob allein dieser Name heute mehr Fans brächte, kann dahinstehen, da BVG West und BVB Ost 1992 zur BVG fusionierte, die 1994 zu einer Anstalt des öffentlichen Rechts wurde. Im ganzen Land war die BVG zuvor schon durch ein Lied der Band Ton Steine Scherben bekannt geworden. Auf ihrer LP Keine Macht für Niemand dichtete Rio Reiser in dem Song Mensch Meier den Refrain Ne, ne, ne eher brennt die BVG, um damit zum Schwarzfahren aus Protest gegen eine Fahrpreiserhöhung aufzufordern. Heute ist die ehemalige Managerin der Band Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages und wird wohl eher die Fahrbereitschaft des Bundestages als die BVG nutzen. Bekannt wurde auch das Werbevideo der BVG, bei dem Kazim Akboga seinen Song Is mir egal als Fahrkartenkontrolleur in einer U-Bahn aufführte und der Song sich mit bis zu 10 Millionen Aufrufen viral rasend schnell verbreitete.
Wie viele Unternehmen ist auch die BVG nur noch Mieterin im eigenen Hauptquartier, dass sich seit 2008 in der Nähe des Bahnhofs Jannowitzbrücke befindet. Die BVG gibt ihr Einzugsgebiet mit fast 1000km² an, 200km² mehr also als Berlin, in dem nach ihren Angaben rund 3,4 Millionen Menschen lebten, womit die BVG es schafft die tatsächliche Einwohnerzahl von Berlin, die über 3,52 Millionen beträgt in ihrer Zielsetzung locker zu reduzieren und dennoch seit letztem Jahr Gewinne schreibt, was für einen Betrieb ihrer Art fast ins Märchenreich gehört und also gut zu den irrealen Zahlen passt.
Tatsächlich aber hat die BVG täglich zehn U-Bahn Linien im Betrieb, sowie 22 Straßenbahnlinien, von denen wiederum allein 9 im 24h-Betrieb laufen und auch Nachts mindestens alle halbe Stunde kommen. Nicht so sehr interessieren mich meist die Omnibusse, von denen täglich 152 Buslinien verkehren, zu denen noch 45 Nachtbuslinien kommen. Seit 2015 fahren zwischen Berlin Südkreuz und Bahnhof Zoo auch E-Busse im Testbetrieb. Warum der abgehängte und überflüssige Zoo und das abgelegene Südkreuz dafür gewählt wurden, statt bedeutende städtische Strecken von Abgasen frei zu halten, lässt sich mit keiner vernünftigen Logik nachvollziehen und darf darum auch laut kritisiert werden. Außerdem hat die BVG noch sechs Fähren über Subunternehmen in Betrieb.
Es könnte dies Unternehmen, das 2015 den Gewinn von 2014 noch mal mehr als verdoppelte also ziemlich zufrieden sein, sehen wir von dem grässlichen Signalgelb ab, was aber vielleicht denjenigen, die nicht mehr Lust zu leben haben, die Lust nimmt sich vor einen so grässlichen Zug zu werfen. Eine andere Erklärung warum die BVG immer mehr von diesem hässlichen Gelb sich abschreckend dominieren lässt, kann ich nicht erkennen und frage mich eher, ob mehr Schönheit und Harmonie in den Farben in der Stadt nicht eher davon abhielte, habe aber, zugegeben, keine Ahnung, warum BVG und S-Bahn dies gräßliche gelb immer weiter verbreiten und in den Innenräumen geschmackloses Plastik statt stilvollem Holz verwenden.
Vielleicht sollte künftig überlegt werden, ob ein städtischer Betrieb, der 18 Millionen Gewinn erwirtschaftet, diesen nicht an die Bürger direkt zurückgeben müsste, statt weiter über ständige Preiserhöhungen diese zu erzürnen. Mehr Schönheit und Individualität in den Wagen hielte auch mehr Menschen von Zerstörungen ab. Vielfahrer könnten Patenschaften für ihre Waggons übernehmen und ähnliches mehr, bräuchte es dort dringender, um dem Werbespruch - weil wir dich lieben - endlich auch Inhalte und Identität folgen zu lassen. Berlin braucht die BVG und die BVG braucht die Berliner. Sie kann ein bloßer Verkehrsbetrieb bleiben, um von A nach B im dicken B zu kommen oder sie wird wirklich zu einer Marke, die sich nicht nur auf kurze Hits beschränkt.
jens tuengerthal 20.3.2017
Montag, 20. März 2017
Sonntag, 19. März 2017
Mr 100%
Mister Hundert Prozent heißt
Jetzt Herr Schulz von nebenan
Wer dächte da an die SED
jens tuengerthal 19.3.2017
Jetzt Herr Schulz von nebenan
Wer dächte da an die SED
jens tuengerthal 19.3.2017
Größe 36
Sie trug überall Größe 36
Durfte alles mit ihr machen
Nur kam sie nie mit mir
jens tuengerthal 19.3.2017
Durfte alles mit ihr machen
Nur kam sie nie mit mir
jens tuengerthal 19.3.2017
Berlinleben 024
Neue Liebe?
Es ist Sonntag und es regnet, beste Gelegenheit ins Museum zu gehen, denken viele Berliner, wenn sie sich nicht lieber über den ins Wasser gefallenen Ausflug ins Grüne klagend ärgern. Wie die Märker klagen können, wusste schon der aus Neuruppin zugereiste Berliner Fontane zu gut, vor allem zeigt sich dabei ihre Fähigkeit aus nahezu nichts ein wahres Weltwunder zu machen, sobald es sie betrifft. Die Grundsätze des alten Moltke, viel leisten und wenig dabei in Erscheinung treten, passten eher in dessen mecklenburgische Heimat, denn nach Preußen oder Berlin, auch wenn es sich mit viel soldatischem Drill seit dem in Kriegsfragen eher zurückhaltenden Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. immer gerne zeigte, nur war das wie beim Vater des Alten Fritz eher viel Lärm um Nichts.
Wenn also die alten Märker, was die Berliner ja auch mal waren, wie die Neu-Berliner nicht nur am Meckern sind, werden sie gern ins Museum gehen, auch - wieder so ein Wermutstropfen - dies die nächsten vermutlich mindestens drei Jahre dort nicht tun können, wo ich heute in meinen Erinnerung aus dem Berliner Leben flanieren will. Möchte lieber nicht darüber nachdenken, ob die Neue Nationalgalerie und ihre Sanierung ein Flughafen oder eine Elbphilharmonie werden, manches klappt ja auch hier und so schreibe ich für alle, die sich erinnern können und mehr noch für jene, die gerade nicht können, weil geschlossen.
Während die Alte Nationalgalerie mit den Impressionisten in der Ersten Etage das Licht im eigentlich dunklen Bau hat, der an antike Zeiten anknüpft, ist es bei der Neuen Nationalgalerie eher umgekehrt. Der Bau ein Traum aus Licht und einer der schönsten Klassiker der Moderne, was drinnen hängt eben die klassische Moderne, einiges nett, zu viel Expressionismus, weniger überragendes und mitreißendes als in der Sammlung Berggruen, sehe ich mal von dem grandiosen Max Ernst am Eingang ab, der mich immer wieder lachen lässt über dessen Humor und aus Freude an dem freien Genie. Am schönsten fand ich sie, als dort die Impressionisten aus dem Metropolitan in New York zu Gast waren und die hellen Räume mit ihrem Tanz ums Licht erfüllten. Das ging, wenig erstaunlich, vielen so, nie war der auffällig geniale Bau besser besucht mit Kunstfreunden aus aller Welt.
Es wird auch meist mehr über den Bau der Neuen Nationalgalerie und die dort stattfindenden Sonderausstellungen erzählt, die als kulturelle Mega-Events zelebriert werden und auch entsprechende Zahlen bringen, als über die ständige Sammlung dort, die manche gar nicht kennen, weil sie nur zu den großen Festen dort verkehren.
Eine schlichte, filigrane Schönheit von Ludwig Mies van der Rohe, dem größten und wohl einflussreichsten deutschen Architekten des 20. Jahrhunderts, die er in den 60er Jahren bauen ließ und deren Vollendung er gerade noch ein Jahr vor seinem Tod miterleben durfte, wenn er auch bei der Einweihung schon zu krank war, konnte er doch seinen Plan realisieren und wusste darum. Eingerahmt von Philharmonie, Staatsbibliothek und Kulturforum steht die Neue Nationalgalerie unweit des Potsdamer Platzes zumindest direkt umgeben von großen Sternen der Architektur, die sogar den Potsdamer Platz in seiner immer zu gewollten Art eines Einkaufszentrums aus Castrop Rauxel oder Bielefeld ertragen lassen. Das dem Fujiyama ähnliche Dach über den Sony-Center ist zumindest ein amüsanter Hingucker an einer Stelle, an der die vielen Dörfer Berlin gerne Großstadt spielen wollen und doch ungewöhnlich durchschnittlich dabei bleiben, was die Museumsinsel zum Weltkulturerbe noch machte, mit einer Bebauung verspielen, bei der die Versiegelung des Bodens die größte Rolle scheinbar spielt und der Rest kaum der Rede wert ist. Dies Dach des Sony-Centers ist übrigens bezeichnend für die hohle fremde Formensprache dieses Areals. Seine Wirkung erhält es vor allem durch seine Beleuchtung, weniger durch die Architektur an sich, unter der sich wenig bemerkenswertes dafür desto mehr gewöhnliches verbirgt, was eher piefig und vorstädtisch anmutet, nirgendwo den Geist von Berlin trägt, der an vielen anderen Stellen noch von Freiheit und Aufbruch kündet, Dinge vorlebt, die der Rest der Republik erst Jahre später nachmacht.
Wie anders dagegen die Neue Nationalgalerie, die ich allerdings, wenn ich mit der U-Bahn kam, immer vom Potsdamer Platz aus zu Fuß erreichte, was den hier beschriebenen Kontrast zwischen Gebrauchsarchitektur, bei der jeder Aldi irgendwo im märkischen Sand mehr Charme hat, und städtebaulichen Meisterwerken auch mir halbblinden Ahnungslosen in Fragen der Architektur schlicht offenbarte. Gelegen an einer sechsspurigen Straße, eigentlich der Bundesstraße 1, die an verschiedenen Stellen der Stadt, die sie quert unterschiedliche Namen trägt - bei mir umme Ecke heißt sie Greifswalder Straße, dann ein kleines Stück verdienstvoll Otto Braun Straße und so geht es im munteren Wechsel auf der immer gleichen Verkehrstrasse weiter, die kein Boulevard sondern ein Ort der Fortbewegung ist. Von dort geht der Besucher in den lichten oft völlig leeren Bau, durch den er die Umgebung in wechselndem Licht und mit neuer Perspektive sehen kann.
Fahre ich mit dem Rad, was ich lieber noch tue, wenn es das Wetter zulässt, komme ich von hinten, was hier nur für den Weg besonders schön ist. Aus dem grünen Tiergarten kommend, an Philharmonie und Kulturforum vorbei, lande ich vor der hohen grauen Rückwand des Skulpturengartens, den ich erst von oben wahrnehmen kann oder wenn ich ihn aus den Ausstellungsräumen betrete. Der lichte filigrane Charakter des Gebäudes entgeht denjenigen, die zuerst von unten schauen auch, sie sehen beim Ankommen zuerst hohe graue Wände, die abschirmen und nicht die Kunst der Welt eröffnen. Ein völlig falscher Eindruck, der mich die ersten mal täuschte, kam auch mit dem Auto von unten auf der Suche nach einem Parkplatz und das Kunstwerk ist eben dieser nur von leichtem Metall gerahmte Glasbau, der über der eigentlichen Galerie steht.
Die Neue Nationalgalerie ist das einzige Gebäude, das Mies van der Rohe nach dem Zweiten Weltkrieg noch in Deutschland umsetzte. Als er den Auftrag 1962 erhielt war Mies bereits 76 Jahre, zum Zeitpunkt der Vollendung also 82. Er griff dabei auf zwei vorher nicht realisierte Entwürfe, unter anderem für Bacardi in Jamaica zurück. Diese Entwürfe haben gemeinsam, dass sie von einem auf nur vier Stützen ruhenden Dach über einem völlig freien Innenraum ausgehen. Der Bau begann 1965 und wurde dann plangemäß bis 1968 vollendet, wobei die Umsetzung durch Mies Enkel Dirk Lohan erfolgte.
Damals war die Neue Nationalgalerie noch das erste Museum und Kulturgebäude am langsam entstehenden Kulturforum nahe dem Potsdamer Platz, der seit 1961 ja hinter der Mauer in Ostberlin lag oder der SBZ, wie es im Westen vielfach noch hieß, bevor die DDR anerkannt wurde. Das Gebäude realisierte Mies Idee vom Universalraum erstmals in einem Museum. Auf die 105 mal 110 Meter großen Granitterasse, die den leichten Abhang am Ufer des Landwehrkanals ausgleicht, wurde ein quadratischer Stahl-Glas-Pavillon aufgesetzt. Das den ganzen Bau dominierende ebenfalls quadratische Stahldach wurde als Ganzes in neun Stunden von 24 synchron gesteuerten Hebern über die acht Stahlstützen gehoben und von dort auf den vier Seiten auf je zwei Stahlstützen montiet. Der Raum darunter bildet die große völlig stützenfreie Haupthalle, die nur von zwei Versorgungskernen und zwei Treppen ins Untergeschoss strukturiert wird.
Mies lichte Lösung ist die moderne Vergegenwärtigung des antiken Podiumstempels, die der durch Schinkel geprägten Bautradition entspricht, nur machte er das alte Preußen plötzlich durchsichtig und gab einen beliebig nutzbar großen Raum zur wechselnden Bespielung, neben den Räumen der Sammlung im quasi Untergeschoss unter der großen Granitfläche gelegen. Es ähnelt damit einerseits der Alten Nationalgalerie und ist doch andererseits als offener und frei schwebender Raum deren genaues Gegenteil.
Die Neue Nationalgalerie ist Heimat der Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin in den Bereichen Malerei, Skulptur und Plastik. Sie reicht von der klassischen Moderne bis zur Kunst der 60er Jahre. Sie knüpft ausdrücklich an die Tradition an, die Ludwig Justi noch von 1919 bis 1937 im Kronprinzenpalais als Neue Abteilung begründete und setzt diese Sammlung fort, die von den Nationalsozialisten mit der Aktion Entartete Kunst zerstört wurde. Hier gingen auch viele Werke der Sammlung unwiederbringlich verloren, die bis heute etwa beim Blauen Reiter und anderen Gruppen eher spärlich denn repräsentativ ausgestattet ist.
Wer war dieser Architekt, von dem nun schon mehr die Rede war, als von der Kunst, die in seinem Gebäude ausgestellt werden sollte?
Ludwig Mies van der Rohe hieß eigentlich Maria Ludwig Michael Mies und kam aus der Nähe von Aachen, wo der Vater einen Steinmetzbetrieb hatte. Er gilt bis heute als einer der bedeutendsten Architekten der Moderne und sein Ziel war es die Mittel der technischen Zivilisation architektonisch umzusetzen. Seine Baukunst drückt konstruktive Logik in klassischer Form aus. Dazu entwickelte er neue Stahlkonstruktionen, die eine hohe Variabilität bei gleichzeitig größtmöglicher Verglasung ermöglichten. Die Mauern wurden durchbrochen und das Licht sollte in die Gebäude kommen. Dieses rationale Konzept war so universal einsetzbar, dass es auf viele Architekten auf der ganzen Welt großen Einfluss ausübte, der bis heute sichtbar ist und den je technischen Innovationen entsprechend weiterentwickelt wurde.
Ob die Glashäuser den Menschen in ihnen gut taten, genug Rückzugsraum boten, wäre eine eher psychologische als ästhetische Frage, die aber eine immer größere Rolle für viele spielte, die sich wieder nach ihren Hobbit-Höhlen sehnten, den Autor dieser Zeilen eingeschlossen, der lieber im Altbau als im lichten Glaskasten noch lebt.
Berühmt wurde Mies van der Rohe, der sich nach dem Geburtsnamen seiner Mutter und dem niederländischen Namenspräfix ‘van der’ selbst seinen Namen gab, was verständlich war, denn welcher Architekt wollte schon Mies heißen oder sein, als Vertreter des Minimalismus in der Architektur, die er unter Formel “Weniger ist mehr” zusammenfasste, was zu einer nicht endenden Debatte zwischen sich für modern haltenden Minimalisten und barocken Wesen wie etwa auch dem Autor dieser nicht minimalistischen Zeilen führte, ob nicht auch mehr einfach mal wunderbar sein könne, sich daran zu freuen. Der Minimalismus ging über die Mode in alle Lebensbereich, verstärkte das Problem der Magersucht bei vielen vor allem jungen Frauen und führte in manchem auch zu einer Reduktion, die sich manch kostbarer Schätze als Zierrat entledigte, wenn etwa Jugendstil abgeschlagen wurde, um klaren Linien Raum zu geben, als sei die Linie ein Wert an sich.
Zu fragen ob das Bedürfnis nach weniger mit Mies Aufwachsen in einfachen katholischen Verhältnissen im Raum Aachen zusammenhängt, aus dem übrigens auch die neue trockengelegte Kultfigur der Sozis Schulz stammt, wäre mir zu psychoanalytisch und liegt mir als eher religiös daher völlig fern. Als Kontrapunkt zur Enge ist die Weite zumindest auch etwas Schönes - manche fühlen sich in Höhlen geborgen wohl, andere beengt und streben in die Weite - wer dabei glücklicher ist, wüsste ich nicht zu entscheiden. Auffällig ist nur mit wieviel weniger sich die Höhlenmenschen wohl fühlen können an einem Ort. Sie bewahren an ihren Ressourcen orientiert, eher was sie haben, während andere lieber ausbrechen wollen, gern in die Ferne streben, auch wenn das Gute so nahe liegt.
Habe seltsamerweise noch nie eine Höhlenbewohnerin als Partnerin gehabt oder die einzige, die es eigentlich war, lebte es als Architektin anders und blieb irgendwie unnahbar, mir ein Rätsel, bei dem ich nicht zwischen Konvention und Neigung so genau unterscheiden konnte. Aber bevor ich mich hier in solch völlig abseitigen persönlichen Betrachtungen verliere zurück zum Meisterarchitekten Ludwig Mies.
Ab seinem 13. Lebensjahr kam er in Aachen auf die Berufsschule, die heute nach ihm heißt und machte eine Maurerlehre. Seine erste Anstellung erhielt er als Zeichner von Stuckornamenten, schon im elterlichen Betrieb war sein Zeichentalent aufgefallen. Mit 17 wechselte er dann als Zeichner zu einem Aachener Architekten, wo er von einem Berliner Kollegen entdeckt wurde, der ihm riet, doch lieber nach Berlin zu kommen, wer wollte schon damals in Aachen oder in Würselen bleiben.
In Berlin begann Mies bei Bruno Paul zu arbeiten, wo er auch erste Möbel entwarf, für die er später so berühmt wurde. Nebenbei besuchte er Vorlesungen an der Kunstgewerbeschule und der Hochschule für bildende Künste in Berlin. So begegnete er dem Ehepaar Riehl, die sich ein neues Haus errichten lassen wollten und dafür nach einem Nachwuchstalent suchten. Den Zuschlag bekam Mies und baute so einen Erstling das Haus Riehl in Babelsberg, das im Reformstil der Münchner Schule errichtet wurde und das aus heutiger Sicht eher nett und konventionell aber sehr niedlich aussieht aber schöner als vieles, was heute an Glaspalästen in Fertigbauweise die Siedlungen wie Industriegebiete ohne Namen aussehen lässt. Der obige Stil war die Richtung seines damaligen Lehrers und Professors Paul, der den begabten Schüler auch vermittelte und förderte. Vor Baubeginn hatten die Bauherren Riehl, die später enge Freunde wurden, Mies noch eine sechswöchige Studienreise nach Italien ermöglicht, damit das Talent in Florenz, Rom und Vicenza sah, was im Villenbau möglich und denkbar war.
Den Garten des Riehlschen Hauses gestaltete übrigens Karls Foerster, der berühmte Gartereformer, der in der Ahornallee im Westend groß wurde und später in Bornim bei Potsdam sein Staudenreich begründete, der NSDAP-Mitglied war und später Träger verschiedener Staatspreise als Unternehmer der DDR, der aber nichts mit der Neuen Nationalgalerie zu tun hat, den ich nur erwähne, weil es gerade so gut passte und ich an einen Freund in der Ahornallee dachte, der dies lesend, lächeln könnte, mit dem und seinem Vater ich aber mehrfach die Neue Nationalgalerie besuchte und manches von den großen Kunstkennern lernte.
Über die Beziehung zu seinem Bauherren lernte der fleißige Mies später auch seine erste Frau Ada Bruhn kennen, die in der bekannten Gartenstadt Hellerau bei Dresden wohnte, welche er dadurch auch näher kennenlernte und als Ort häufiger besuchte. Wem nun der Spruch mit Sachsens Frauen und den Bäumen nur einfällt, möge bedenken, es war erst die erste Ehe, zumindest hat die Reformsiedlung den späteren Reformarchitekten nicht abgeschreckt. Vermutlich auch über Hellerau entstanden auch seine Kontakte zum Mont Verita in der Schweiz, der Wiege der Alternativbewegung der Moderne, in der sich Spinner wie Aleister Crowley mit etwas seriöseren wie Hermann Hesse und anderen teils Nackttänzern trafen, um die Welt neu zu denken. Auch Rudolf Steiner lebte hier eine zeitlang sehr ausgelassen.
Ab 1908 wechselte der sich vielseitig bildende Mies zum Büro von Peter Behrens, der als Avantgardist galt und wo er sich an Großprojekten weiterentwickeln konnte, was wohl einer der Gründe war, warum auch Walter Gropius dort tätig war. Exkursionen zu Schinkels Bauten und eine Ausstellung über Frank Lloyd Wright hinterließen einen bleibenden Eindruck bei ihm. Es folgten dann Bauten in Zehlendorf und den Niederlanden, bei dem sie ihn seinem Chef vorzogen, warum er spätestens dann Behrens wieder verlassen musste, auch wenn aus dem großen Auftrag dann doch nichts wurde.
Wieder in Berlin heiratete er seine Freundin Ada Bruhns, die Frabrikantentochter und Tänzerin. Vor und während des Ersten Weltkrieges bekam seine Frau drei Töchter, er selbst war als Bausoldat in die Nähe von Frankfurt geschickt worden, blieb bis 1918 im Dienst, entging aber der Front. Wieder zurück in Berlin ab 1919 gerieten Mies Ehe und die deutsche Wirtschaft parallel in die Krise und er trennte sich 1921, nannte sich ab dann nach seiner Mutter Mies van der Rohe, als die Weimarer Republik eigentlich alle Titel überwunden glaubte.
Nach dem Weltkrieg begann mit der Absetzung des geschmacklosen Kaisers Wilhelm endlich der Aufbruch in die Moderne, dem sich auch Mies stellte. In den folgenden Jahren entwickelte er die ersten Hochhäuser mit seiner Haut-Knochen-Architektur, die ein Stahlgerüst mit einer Glashülle versahen. Mies nahm intensiv an den Debatten in Zeitungen der Architektur teil, favorisierte die Neue Sachlichkeit, ohne sich jedoch einer Gruppe klar zuzuordnen. Ab 1923 baute er die ersten Häuser in der neuen Formensprache. Von 1923 bis 1926 war Mies Mitglied im Bund Deutscher Architekten, BDA, den er nach Auseinandersetzungen über Konventionen wieder verließ. Dafür arbeitete er seit 1925 verstärkt im Deutschen Werkbund, DWB, mit denen er etwa die Weißenhofsiedlung am Stuttgarter Killesberg realisierte, die heute zum UNESCO Weltkulturerbe gehören. Darüber kam Mies wiederum in Kontakt mit Le Corbusier, mit dem er später regen Austausch pflegte, Zugleich lernte er bei einer Ausstellung zur Inneneinrichtung in Stuttgart seine zweite Frau Lilly Reich kennen, die diese Ausstellung als Innenarchitektin leitete.
Aufgrund ihres großen Erfolges wurden Mies und Reich mit der Errichtung des Pavillons auf der Weltausstellung in Barcelona 1929 beauftragt. Dieser fast völlig zweckfreie Repräsentationsbau wurde zur Hauptattraktion der Weltausstellung überhaupt und eröffnete eine ganz neue Debatte, die zeigte, dieser Bau war einer der wichtigsten der modernen Architektur überhaupt und veränderte den Blick auf das Bauen völlig. Mit Bauten leben wir täglich und viel was Mies vordachte, so seltsam es uns heute auch manchmal scheint, wurde lange Zeit zum Maßstab, aus dem sich die Postmoderne noch ohne ein Konzept erst mühsam befreien muss und darum so oft nur unklar herumeiert zwischen kitschigem Historismus wie in Dresden und gesichtsloser Moderne hinter Glaskästen.
Weltkulturerbe wurde auch Mies Haus Tugendhat in Brünn, das 1930 fertiggestellt wurde und indem er wieder die Innenarchitektur gemeinsam mit Lilly Reich schuf. Für Weißensee, Barcelona und Tugendhat entwarf Mies auch eine Reihe von Möbeln, die selbst zu Klassikern der Moderne wurden, etwa die Freischwinger, die Barcelona Sessel, der Brünn-Stuhl und der Tugendhat-Sessel oder die Palisanderliege mit der Nackenrolle, dabei immer auch von Lilly Reich beraten.
Nach der Unsicherheit der Weltwirtschaftskrise von 1929 nahm Mies den Ruf zum Direktor des Bauhauses in Dessau an. So wurde der von Gropius errichtete Bau, der zu DDR Zeiten durch Vorziehung der Fußböden an die Glasfront aus Sicherheitsgründen zum Treibhaus totsaniert wurde, für kurze Zeit seine Wirkungsstätte bis ihn 1932 die Mehrheit der Nazis im Gemeinderat von Dessau wieder absetzte und das Bauhaus aus politischen Gründen schloss. Er versuchte das Dessauer Bauhaus dann noch als Privat Hochschule in Berlin weiterzuführen, was jedoch nach der Machtübernahme der NSDAP spätestens scheiterte. Mies passte sich zunächst dem neuen System an und unterstützte Hitler formal. Jedoch drängten ihn die Nazis bald aus der Preußischen Akademie der Künste.
Spätestens ab 1936 erhielt er Angebote aus Harvard und Chicago, mit denen er 1937 letztlich einig wurde. Damit siedelte er 1938 in die USA über und wurde 1944 auch amerikanischer Staatsbürger. Am Armour Institut wurde Mies Lehrer und arbeitete nebenbei in seinemm Architekturbüro. Ab 1946 lernte Mies noch den Projektentwickler Greenwald kennen mit dem er bis 1969 allein sechs Wohnhochhausanlagen realisierte, neben den anderen öffentlichen und sonstigen Aufträgen. Mit 83 Jahren verstarb der Architekt und Bauhausmeister hochbetagt und hatte mit seinem Enkel auch einen Nachfolger in seinem Büro.
Der Gang in die Neue Nationalgalerie, die gefühlt im Keller unter der riesigen Granitfläche liegt, als ginge es in ein Grab, ist zugleich erstaunlich und erhebend. Öffnen sich doch neben den relativ kleinen Welten der Ausstellungsfläche im Untergeschoss, zumindest im Verhältnis zur sonstigen Fläche geradezu winzig und doch für die bescheidene Sammlung der klassischen Moderne genau richtig groß, ganz neue Welten, wenn der Besucher sich plötzlich wieder zu ebener Erde sieht, sich die großen Glaswände hin zum Skulpturengarten öffnen und offenbaren wie licht auch dies vermeintliche Untergeschoss ist, über dem der sichtbarste Teil der berühmten Neuen Nationalgalerie schwebt.
Es gäbe noch manche Geschichte zu einzelnen Bildern zu erzählen, gerade dem großartigen Max Ernst zur Begrüßung, doch im Verhältnis zu dieser großartigen Architektur verblassen viele Werke dieser etwas schwachbrüstigen Moderne. Anders wirken die Räume bei großen Ausstellungen, die verzauberten Welten von Klee oder so schön wie nie als die schönsten Franzosen aus New York nach Berlin kamen und das impressionistische Licht in diesen Klassiker der Moderne trugen, neben dem die meiste Kunst blass wird. Vielleicht könnten noch die Alten Meister der Gemäldegalerie dort glänzen, weil zeitlos schön, aber die Zeitgenossen des Architekten wirken kaum, zumal es nicht die großen Werke der Sammlung Berggruen sind, auch bedingt durch die Verluste nach der Aktion gegen die entartete Kunst ab 1933 von den unkultivierten Nazi-Idioten, die ihren beschränkten Horizont in alle Bereiche Deutschlands ausdehnten.
Ein großer Bau für grandiose Wechselausstellungen, der zur Zeit wegen Sanierung für Jahre geschlossen ist, sollte in manchem neu nachdenken lassen über die festgefahrenen Konzepte um das Kulturforum und die Museumsinsel, denn aus beiden Standorten ließ sich in harmonischer Nähe mehr machen. Ob die nur mittelklassige Sammlung der klassischen Moderne diakektisch in einem älteren Bau besser wirkte, während es für große Bilder egal ist, wo sie hängen, sollte gut überlegt werden, statt sich zu schnell, zu eng, zu fest zu legen - mit diesem Gebäude des großen Ludwig Mies van der Rohe hat Berlin einen riesigen Schatz, es sollte ihn nur angemessener nutzen als beiden mit der nur mäßigen Sammlung seiner Zeitgenossen keinen Gefallen zu tun. Lieber mehr gewagte Dialektik oder mehr mutige Sonderausstellungen dort und dafür mehr moderne Klassiker ins Kulturforum. Wagen wir die Dinge in der Kunst neu zu denken behält sie ihre Spannung und belebt die Gesellschaft nachhaltiger als sie es bisher konnte.
jens tuengerthal 19.3.2017
Es ist Sonntag und es regnet, beste Gelegenheit ins Museum zu gehen, denken viele Berliner, wenn sie sich nicht lieber über den ins Wasser gefallenen Ausflug ins Grüne klagend ärgern. Wie die Märker klagen können, wusste schon der aus Neuruppin zugereiste Berliner Fontane zu gut, vor allem zeigt sich dabei ihre Fähigkeit aus nahezu nichts ein wahres Weltwunder zu machen, sobald es sie betrifft. Die Grundsätze des alten Moltke, viel leisten und wenig dabei in Erscheinung treten, passten eher in dessen mecklenburgische Heimat, denn nach Preußen oder Berlin, auch wenn es sich mit viel soldatischem Drill seit dem in Kriegsfragen eher zurückhaltenden Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. immer gerne zeigte, nur war das wie beim Vater des Alten Fritz eher viel Lärm um Nichts.
Wenn also die alten Märker, was die Berliner ja auch mal waren, wie die Neu-Berliner nicht nur am Meckern sind, werden sie gern ins Museum gehen, auch - wieder so ein Wermutstropfen - dies die nächsten vermutlich mindestens drei Jahre dort nicht tun können, wo ich heute in meinen Erinnerung aus dem Berliner Leben flanieren will. Möchte lieber nicht darüber nachdenken, ob die Neue Nationalgalerie und ihre Sanierung ein Flughafen oder eine Elbphilharmonie werden, manches klappt ja auch hier und so schreibe ich für alle, die sich erinnern können und mehr noch für jene, die gerade nicht können, weil geschlossen.
Während die Alte Nationalgalerie mit den Impressionisten in der Ersten Etage das Licht im eigentlich dunklen Bau hat, der an antike Zeiten anknüpft, ist es bei der Neuen Nationalgalerie eher umgekehrt. Der Bau ein Traum aus Licht und einer der schönsten Klassiker der Moderne, was drinnen hängt eben die klassische Moderne, einiges nett, zu viel Expressionismus, weniger überragendes und mitreißendes als in der Sammlung Berggruen, sehe ich mal von dem grandiosen Max Ernst am Eingang ab, der mich immer wieder lachen lässt über dessen Humor und aus Freude an dem freien Genie. Am schönsten fand ich sie, als dort die Impressionisten aus dem Metropolitan in New York zu Gast waren und die hellen Räume mit ihrem Tanz ums Licht erfüllten. Das ging, wenig erstaunlich, vielen so, nie war der auffällig geniale Bau besser besucht mit Kunstfreunden aus aller Welt.
Es wird auch meist mehr über den Bau der Neuen Nationalgalerie und die dort stattfindenden Sonderausstellungen erzählt, die als kulturelle Mega-Events zelebriert werden und auch entsprechende Zahlen bringen, als über die ständige Sammlung dort, die manche gar nicht kennen, weil sie nur zu den großen Festen dort verkehren.
Eine schlichte, filigrane Schönheit von Ludwig Mies van der Rohe, dem größten und wohl einflussreichsten deutschen Architekten des 20. Jahrhunderts, die er in den 60er Jahren bauen ließ und deren Vollendung er gerade noch ein Jahr vor seinem Tod miterleben durfte, wenn er auch bei der Einweihung schon zu krank war, konnte er doch seinen Plan realisieren und wusste darum. Eingerahmt von Philharmonie, Staatsbibliothek und Kulturforum steht die Neue Nationalgalerie unweit des Potsdamer Platzes zumindest direkt umgeben von großen Sternen der Architektur, die sogar den Potsdamer Platz in seiner immer zu gewollten Art eines Einkaufszentrums aus Castrop Rauxel oder Bielefeld ertragen lassen. Das dem Fujiyama ähnliche Dach über den Sony-Center ist zumindest ein amüsanter Hingucker an einer Stelle, an der die vielen Dörfer Berlin gerne Großstadt spielen wollen und doch ungewöhnlich durchschnittlich dabei bleiben, was die Museumsinsel zum Weltkulturerbe noch machte, mit einer Bebauung verspielen, bei der die Versiegelung des Bodens die größte Rolle scheinbar spielt und der Rest kaum der Rede wert ist. Dies Dach des Sony-Centers ist übrigens bezeichnend für die hohle fremde Formensprache dieses Areals. Seine Wirkung erhält es vor allem durch seine Beleuchtung, weniger durch die Architektur an sich, unter der sich wenig bemerkenswertes dafür desto mehr gewöhnliches verbirgt, was eher piefig und vorstädtisch anmutet, nirgendwo den Geist von Berlin trägt, der an vielen anderen Stellen noch von Freiheit und Aufbruch kündet, Dinge vorlebt, die der Rest der Republik erst Jahre später nachmacht.
Wie anders dagegen die Neue Nationalgalerie, die ich allerdings, wenn ich mit der U-Bahn kam, immer vom Potsdamer Platz aus zu Fuß erreichte, was den hier beschriebenen Kontrast zwischen Gebrauchsarchitektur, bei der jeder Aldi irgendwo im märkischen Sand mehr Charme hat, und städtebaulichen Meisterwerken auch mir halbblinden Ahnungslosen in Fragen der Architektur schlicht offenbarte. Gelegen an einer sechsspurigen Straße, eigentlich der Bundesstraße 1, die an verschiedenen Stellen der Stadt, die sie quert unterschiedliche Namen trägt - bei mir umme Ecke heißt sie Greifswalder Straße, dann ein kleines Stück verdienstvoll Otto Braun Straße und so geht es im munteren Wechsel auf der immer gleichen Verkehrstrasse weiter, die kein Boulevard sondern ein Ort der Fortbewegung ist. Von dort geht der Besucher in den lichten oft völlig leeren Bau, durch den er die Umgebung in wechselndem Licht und mit neuer Perspektive sehen kann.
Fahre ich mit dem Rad, was ich lieber noch tue, wenn es das Wetter zulässt, komme ich von hinten, was hier nur für den Weg besonders schön ist. Aus dem grünen Tiergarten kommend, an Philharmonie und Kulturforum vorbei, lande ich vor der hohen grauen Rückwand des Skulpturengartens, den ich erst von oben wahrnehmen kann oder wenn ich ihn aus den Ausstellungsräumen betrete. Der lichte filigrane Charakter des Gebäudes entgeht denjenigen, die zuerst von unten schauen auch, sie sehen beim Ankommen zuerst hohe graue Wände, die abschirmen und nicht die Kunst der Welt eröffnen. Ein völlig falscher Eindruck, der mich die ersten mal täuschte, kam auch mit dem Auto von unten auf der Suche nach einem Parkplatz und das Kunstwerk ist eben dieser nur von leichtem Metall gerahmte Glasbau, der über der eigentlichen Galerie steht.
Die Neue Nationalgalerie ist das einzige Gebäude, das Mies van der Rohe nach dem Zweiten Weltkrieg noch in Deutschland umsetzte. Als er den Auftrag 1962 erhielt war Mies bereits 76 Jahre, zum Zeitpunkt der Vollendung also 82. Er griff dabei auf zwei vorher nicht realisierte Entwürfe, unter anderem für Bacardi in Jamaica zurück. Diese Entwürfe haben gemeinsam, dass sie von einem auf nur vier Stützen ruhenden Dach über einem völlig freien Innenraum ausgehen. Der Bau begann 1965 und wurde dann plangemäß bis 1968 vollendet, wobei die Umsetzung durch Mies Enkel Dirk Lohan erfolgte.
Damals war die Neue Nationalgalerie noch das erste Museum und Kulturgebäude am langsam entstehenden Kulturforum nahe dem Potsdamer Platz, der seit 1961 ja hinter der Mauer in Ostberlin lag oder der SBZ, wie es im Westen vielfach noch hieß, bevor die DDR anerkannt wurde. Das Gebäude realisierte Mies Idee vom Universalraum erstmals in einem Museum. Auf die 105 mal 110 Meter großen Granitterasse, die den leichten Abhang am Ufer des Landwehrkanals ausgleicht, wurde ein quadratischer Stahl-Glas-Pavillon aufgesetzt. Das den ganzen Bau dominierende ebenfalls quadratische Stahldach wurde als Ganzes in neun Stunden von 24 synchron gesteuerten Hebern über die acht Stahlstützen gehoben und von dort auf den vier Seiten auf je zwei Stahlstützen montiet. Der Raum darunter bildet die große völlig stützenfreie Haupthalle, die nur von zwei Versorgungskernen und zwei Treppen ins Untergeschoss strukturiert wird.
Mies lichte Lösung ist die moderne Vergegenwärtigung des antiken Podiumstempels, die der durch Schinkel geprägten Bautradition entspricht, nur machte er das alte Preußen plötzlich durchsichtig und gab einen beliebig nutzbar großen Raum zur wechselnden Bespielung, neben den Räumen der Sammlung im quasi Untergeschoss unter der großen Granitfläche gelegen. Es ähnelt damit einerseits der Alten Nationalgalerie und ist doch andererseits als offener und frei schwebender Raum deren genaues Gegenteil.
Die Neue Nationalgalerie ist Heimat der Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin in den Bereichen Malerei, Skulptur und Plastik. Sie reicht von der klassischen Moderne bis zur Kunst der 60er Jahre. Sie knüpft ausdrücklich an die Tradition an, die Ludwig Justi noch von 1919 bis 1937 im Kronprinzenpalais als Neue Abteilung begründete und setzt diese Sammlung fort, die von den Nationalsozialisten mit der Aktion Entartete Kunst zerstört wurde. Hier gingen auch viele Werke der Sammlung unwiederbringlich verloren, die bis heute etwa beim Blauen Reiter und anderen Gruppen eher spärlich denn repräsentativ ausgestattet ist.
Wer war dieser Architekt, von dem nun schon mehr die Rede war, als von der Kunst, die in seinem Gebäude ausgestellt werden sollte?
Ludwig Mies van der Rohe hieß eigentlich Maria Ludwig Michael Mies und kam aus der Nähe von Aachen, wo der Vater einen Steinmetzbetrieb hatte. Er gilt bis heute als einer der bedeutendsten Architekten der Moderne und sein Ziel war es die Mittel der technischen Zivilisation architektonisch umzusetzen. Seine Baukunst drückt konstruktive Logik in klassischer Form aus. Dazu entwickelte er neue Stahlkonstruktionen, die eine hohe Variabilität bei gleichzeitig größtmöglicher Verglasung ermöglichten. Die Mauern wurden durchbrochen und das Licht sollte in die Gebäude kommen. Dieses rationale Konzept war so universal einsetzbar, dass es auf viele Architekten auf der ganzen Welt großen Einfluss ausübte, der bis heute sichtbar ist und den je technischen Innovationen entsprechend weiterentwickelt wurde.
Ob die Glashäuser den Menschen in ihnen gut taten, genug Rückzugsraum boten, wäre eine eher psychologische als ästhetische Frage, die aber eine immer größere Rolle für viele spielte, die sich wieder nach ihren Hobbit-Höhlen sehnten, den Autor dieser Zeilen eingeschlossen, der lieber im Altbau als im lichten Glaskasten noch lebt.
Berühmt wurde Mies van der Rohe, der sich nach dem Geburtsnamen seiner Mutter und dem niederländischen Namenspräfix ‘van der’ selbst seinen Namen gab, was verständlich war, denn welcher Architekt wollte schon Mies heißen oder sein, als Vertreter des Minimalismus in der Architektur, die er unter Formel “Weniger ist mehr” zusammenfasste, was zu einer nicht endenden Debatte zwischen sich für modern haltenden Minimalisten und barocken Wesen wie etwa auch dem Autor dieser nicht minimalistischen Zeilen führte, ob nicht auch mehr einfach mal wunderbar sein könne, sich daran zu freuen. Der Minimalismus ging über die Mode in alle Lebensbereich, verstärkte das Problem der Magersucht bei vielen vor allem jungen Frauen und führte in manchem auch zu einer Reduktion, die sich manch kostbarer Schätze als Zierrat entledigte, wenn etwa Jugendstil abgeschlagen wurde, um klaren Linien Raum zu geben, als sei die Linie ein Wert an sich.
Zu fragen ob das Bedürfnis nach weniger mit Mies Aufwachsen in einfachen katholischen Verhältnissen im Raum Aachen zusammenhängt, aus dem übrigens auch die neue trockengelegte Kultfigur der Sozis Schulz stammt, wäre mir zu psychoanalytisch und liegt mir als eher religiös daher völlig fern. Als Kontrapunkt zur Enge ist die Weite zumindest auch etwas Schönes - manche fühlen sich in Höhlen geborgen wohl, andere beengt und streben in die Weite - wer dabei glücklicher ist, wüsste ich nicht zu entscheiden. Auffällig ist nur mit wieviel weniger sich die Höhlenmenschen wohl fühlen können an einem Ort. Sie bewahren an ihren Ressourcen orientiert, eher was sie haben, während andere lieber ausbrechen wollen, gern in die Ferne streben, auch wenn das Gute so nahe liegt.
Habe seltsamerweise noch nie eine Höhlenbewohnerin als Partnerin gehabt oder die einzige, die es eigentlich war, lebte es als Architektin anders und blieb irgendwie unnahbar, mir ein Rätsel, bei dem ich nicht zwischen Konvention und Neigung so genau unterscheiden konnte. Aber bevor ich mich hier in solch völlig abseitigen persönlichen Betrachtungen verliere zurück zum Meisterarchitekten Ludwig Mies.
Ab seinem 13. Lebensjahr kam er in Aachen auf die Berufsschule, die heute nach ihm heißt und machte eine Maurerlehre. Seine erste Anstellung erhielt er als Zeichner von Stuckornamenten, schon im elterlichen Betrieb war sein Zeichentalent aufgefallen. Mit 17 wechselte er dann als Zeichner zu einem Aachener Architekten, wo er von einem Berliner Kollegen entdeckt wurde, der ihm riet, doch lieber nach Berlin zu kommen, wer wollte schon damals in Aachen oder in Würselen bleiben.
In Berlin begann Mies bei Bruno Paul zu arbeiten, wo er auch erste Möbel entwarf, für die er später so berühmt wurde. Nebenbei besuchte er Vorlesungen an der Kunstgewerbeschule und der Hochschule für bildende Künste in Berlin. So begegnete er dem Ehepaar Riehl, die sich ein neues Haus errichten lassen wollten und dafür nach einem Nachwuchstalent suchten. Den Zuschlag bekam Mies und baute so einen Erstling das Haus Riehl in Babelsberg, das im Reformstil der Münchner Schule errichtet wurde und das aus heutiger Sicht eher nett und konventionell aber sehr niedlich aussieht aber schöner als vieles, was heute an Glaspalästen in Fertigbauweise die Siedlungen wie Industriegebiete ohne Namen aussehen lässt. Der obige Stil war die Richtung seines damaligen Lehrers und Professors Paul, der den begabten Schüler auch vermittelte und förderte. Vor Baubeginn hatten die Bauherren Riehl, die später enge Freunde wurden, Mies noch eine sechswöchige Studienreise nach Italien ermöglicht, damit das Talent in Florenz, Rom und Vicenza sah, was im Villenbau möglich und denkbar war.
Den Garten des Riehlschen Hauses gestaltete übrigens Karls Foerster, der berühmte Gartereformer, der in der Ahornallee im Westend groß wurde und später in Bornim bei Potsdam sein Staudenreich begründete, der NSDAP-Mitglied war und später Träger verschiedener Staatspreise als Unternehmer der DDR, der aber nichts mit der Neuen Nationalgalerie zu tun hat, den ich nur erwähne, weil es gerade so gut passte und ich an einen Freund in der Ahornallee dachte, der dies lesend, lächeln könnte, mit dem und seinem Vater ich aber mehrfach die Neue Nationalgalerie besuchte und manches von den großen Kunstkennern lernte.
Über die Beziehung zu seinem Bauherren lernte der fleißige Mies später auch seine erste Frau Ada Bruhn kennen, die in der bekannten Gartenstadt Hellerau bei Dresden wohnte, welche er dadurch auch näher kennenlernte und als Ort häufiger besuchte. Wem nun der Spruch mit Sachsens Frauen und den Bäumen nur einfällt, möge bedenken, es war erst die erste Ehe, zumindest hat die Reformsiedlung den späteren Reformarchitekten nicht abgeschreckt. Vermutlich auch über Hellerau entstanden auch seine Kontakte zum Mont Verita in der Schweiz, der Wiege der Alternativbewegung der Moderne, in der sich Spinner wie Aleister Crowley mit etwas seriöseren wie Hermann Hesse und anderen teils Nackttänzern trafen, um die Welt neu zu denken. Auch Rudolf Steiner lebte hier eine zeitlang sehr ausgelassen.
Ab 1908 wechselte der sich vielseitig bildende Mies zum Büro von Peter Behrens, der als Avantgardist galt und wo er sich an Großprojekten weiterentwickeln konnte, was wohl einer der Gründe war, warum auch Walter Gropius dort tätig war. Exkursionen zu Schinkels Bauten und eine Ausstellung über Frank Lloyd Wright hinterließen einen bleibenden Eindruck bei ihm. Es folgten dann Bauten in Zehlendorf und den Niederlanden, bei dem sie ihn seinem Chef vorzogen, warum er spätestens dann Behrens wieder verlassen musste, auch wenn aus dem großen Auftrag dann doch nichts wurde.
Wieder in Berlin heiratete er seine Freundin Ada Bruhns, die Frabrikantentochter und Tänzerin. Vor und während des Ersten Weltkrieges bekam seine Frau drei Töchter, er selbst war als Bausoldat in die Nähe von Frankfurt geschickt worden, blieb bis 1918 im Dienst, entging aber der Front. Wieder zurück in Berlin ab 1919 gerieten Mies Ehe und die deutsche Wirtschaft parallel in die Krise und er trennte sich 1921, nannte sich ab dann nach seiner Mutter Mies van der Rohe, als die Weimarer Republik eigentlich alle Titel überwunden glaubte.
Nach dem Weltkrieg begann mit der Absetzung des geschmacklosen Kaisers Wilhelm endlich der Aufbruch in die Moderne, dem sich auch Mies stellte. In den folgenden Jahren entwickelte er die ersten Hochhäuser mit seiner Haut-Knochen-Architektur, die ein Stahlgerüst mit einer Glashülle versahen. Mies nahm intensiv an den Debatten in Zeitungen der Architektur teil, favorisierte die Neue Sachlichkeit, ohne sich jedoch einer Gruppe klar zuzuordnen. Ab 1923 baute er die ersten Häuser in der neuen Formensprache. Von 1923 bis 1926 war Mies Mitglied im Bund Deutscher Architekten, BDA, den er nach Auseinandersetzungen über Konventionen wieder verließ. Dafür arbeitete er seit 1925 verstärkt im Deutschen Werkbund, DWB, mit denen er etwa die Weißenhofsiedlung am Stuttgarter Killesberg realisierte, die heute zum UNESCO Weltkulturerbe gehören. Darüber kam Mies wiederum in Kontakt mit Le Corbusier, mit dem er später regen Austausch pflegte, Zugleich lernte er bei einer Ausstellung zur Inneneinrichtung in Stuttgart seine zweite Frau Lilly Reich kennen, die diese Ausstellung als Innenarchitektin leitete.
Aufgrund ihres großen Erfolges wurden Mies und Reich mit der Errichtung des Pavillons auf der Weltausstellung in Barcelona 1929 beauftragt. Dieser fast völlig zweckfreie Repräsentationsbau wurde zur Hauptattraktion der Weltausstellung überhaupt und eröffnete eine ganz neue Debatte, die zeigte, dieser Bau war einer der wichtigsten der modernen Architektur überhaupt und veränderte den Blick auf das Bauen völlig. Mit Bauten leben wir täglich und viel was Mies vordachte, so seltsam es uns heute auch manchmal scheint, wurde lange Zeit zum Maßstab, aus dem sich die Postmoderne noch ohne ein Konzept erst mühsam befreien muss und darum so oft nur unklar herumeiert zwischen kitschigem Historismus wie in Dresden und gesichtsloser Moderne hinter Glaskästen.
Weltkulturerbe wurde auch Mies Haus Tugendhat in Brünn, das 1930 fertiggestellt wurde und indem er wieder die Innenarchitektur gemeinsam mit Lilly Reich schuf. Für Weißensee, Barcelona und Tugendhat entwarf Mies auch eine Reihe von Möbeln, die selbst zu Klassikern der Moderne wurden, etwa die Freischwinger, die Barcelona Sessel, der Brünn-Stuhl und der Tugendhat-Sessel oder die Palisanderliege mit der Nackenrolle, dabei immer auch von Lilly Reich beraten.
Nach der Unsicherheit der Weltwirtschaftskrise von 1929 nahm Mies den Ruf zum Direktor des Bauhauses in Dessau an. So wurde der von Gropius errichtete Bau, der zu DDR Zeiten durch Vorziehung der Fußböden an die Glasfront aus Sicherheitsgründen zum Treibhaus totsaniert wurde, für kurze Zeit seine Wirkungsstätte bis ihn 1932 die Mehrheit der Nazis im Gemeinderat von Dessau wieder absetzte und das Bauhaus aus politischen Gründen schloss. Er versuchte das Dessauer Bauhaus dann noch als Privat Hochschule in Berlin weiterzuführen, was jedoch nach der Machtübernahme der NSDAP spätestens scheiterte. Mies passte sich zunächst dem neuen System an und unterstützte Hitler formal. Jedoch drängten ihn die Nazis bald aus der Preußischen Akademie der Künste.
Spätestens ab 1936 erhielt er Angebote aus Harvard und Chicago, mit denen er 1937 letztlich einig wurde. Damit siedelte er 1938 in die USA über und wurde 1944 auch amerikanischer Staatsbürger. Am Armour Institut wurde Mies Lehrer und arbeitete nebenbei in seinemm Architekturbüro. Ab 1946 lernte Mies noch den Projektentwickler Greenwald kennen mit dem er bis 1969 allein sechs Wohnhochhausanlagen realisierte, neben den anderen öffentlichen und sonstigen Aufträgen. Mit 83 Jahren verstarb der Architekt und Bauhausmeister hochbetagt und hatte mit seinem Enkel auch einen Nachfolger in seinem Büro.
Der Gang in die Neue Nationalgalerie, die gefühlt im Keller unter der riesigen Granitfläche liegt, als ginge es in ein Grab, ist zugleich erstaunlich und erhebend. Öffnen sich doch neben den relativ kleinen Welten der Ausstellungsfläche im Untergeschoss, zumindest im Verhältnis zur sonstigen Fläche geradezu winzig und doch für die bescheidene Sammlung der klassischen Moderne genau richtig groß, ganz neue Welten, wenn der Besucher sich plötzlich wieder zu ebener Erde sieht, sich die großen Glaswände hin zum Skulpturengarten öffnen und offenbaren wie licht auch dies vermeintliche Untergeschoss ist, über dem der sichtbarste Teil der berühmten Neuen Nationalgalerie schwebt.
Es gäbe noch manche Geschichte zu einzelnen Bildern zu erzählen, gerade dem großartigen Max Ernst zur Begrüßung, doch im Verhältnis zu dieser großartigen Architektur verblassen viele Werke dieser etwas schwachbrüstigen Moderne. Anders wirken die Räume bei großen Ausstellungen, die verzauberten Welten von Klee oder so schön wie nie als die schönsten Franzosen aus New York nach Berlin kamen und das impressionistische Licht in diesen Klassiker der Moderne trugen, neben dem die meiste Kunst blass wird. Vielleicht könnten noch die Alten Meister der Gemäldegalerie dort glänzen, weil zeitlos schön, aber die Zeitgenossen des Architekten wirken kaum, zumal es nicht die großen Werke der Sammlung Berggruen sind, auch bedingt durch die Verluste nach der Aktion gegen die entartete Kunst ab 1933 von den unkultivierten Nazi-Idioten, die ihren beschränkten Horizont in alle Bereiche Deutschlands ausdehnten.
Ein großer Bau für grandiose Wechselausstellungen, der zur Zeit wegen Sanierung für Jahre geschlossen ist, sollte in manchem neu nachdenken lassen über die festgefahrenen Konzepte um das Kulturforum und die Museumsinsel, denn aus beiden Standorten ließ sich in harmonischer Nähe mehr machen. Ob die nur mittelklassige Sammlung der klassischen Moderne diakektisch in einem älteren Bau besser wirkte, während es für große Bilder egal ist, wo sie hängen, sollte gut überlegt werden, statt sich zu schnell, zu eng, zu fest zu legen - mit diesem Gebäude des großen Ludwig Mies van der Rohe hat Berlin einen riesigen Schatz, es sollte ihn nur angemessener nutzen als beiden mit der nur mäßigen Sammlung seiner Zeitgenossen keinen Gefallen zu tun. Lieber mehr gewagte Dialektik oder mehr mutige Sonderausstellungen dort und dafür mehr moderne Klassiker ins Kulturforum. Wagen wir die Dinge in der Kunst neu zu denken behält sie ihre Spannung und belebt die Gesellschaft nachhaltiger als sie es bisher konnte.
jens tuengerthal 19.3.2017
Samstag, 18. März 2017
Barerotik
An der Bar herrscht Erotik
Sie erwärmt sich an Eiswürfeln
Blick zwischen Strohhalmen
jens tuengerthal 18.3.2017
Sie erwärmt sich an Eiswürfeln
Blick zwischen Strohhalmen
jens tuengerthal 18.3.2017
Sehnsuche
Sehnsucht sucht Erfüllung
Macht Liebe erst tief fühlbar
Gefunden verliert sie sich
jens tuengerthal 18.3.2017
Macht Liebe erst tief fühlbar
Gefunden verliert sie sich
jens tuengerthal 18.3.2017
Liebestraum
Die Liebe ist ein Traum
Kaum wird sie mal Realität
Bleibt wenig davon je
jens tuengerthal 18.3.2017
Kaum wird sie mal Realität
Bleibt wenig davon je
jens tuengerthal 18.3.2017
Berlinleben 023
Alte Liebe
Zwischen Sonne und Wolken im Hinterhof, den zwischenzeitlich Schauer völlig verdunkeln, wird der Frühling spürbar. Das Licht kehrt zurück in die große Stadt und ihre vielen Höfe, scheint auch wieder einige Stunden hell in meine Küche im 3. Stock, zeigt mir wie dringend, wenn mal einen Tag am Stück die Sonne scheint, meine Scheiben nun geputzt werden müssen und weckt verborgene Frühlingsgefühle auch im Mann in Schwarz, der bei seinem Tee sitzt und sich am Licht freut.
Eine lange Zeit von November bis März ist Berlin vielfach grau und die gute Beleuchtung innen wird immer wichtiger, um die dunkle Zeit hier zu überstehen - dabei gibt es einen Ort in der Stadt an dem man das ganze Jahr, außer Montags, im Licht baden kann. Dem Glück das die französischen und deutschen Impressionisten in der Natur entdeckten, in die sie sich zum Malen begaben. Ein Ort der Ruhe und Einkehr, der zugleich voller Lust und Sehnsucht die Lebenskräfte in uns weckt, wenn wir nur als Betrachter geruhsam durch die Räume schleichen.
Natürlich gibt es dort nicht nur Impressionisten sondern die ganze Kunst des 19. Jahrhunderts von dunkler deutscher Romantik, die gern im Kitsch fast schmierig erstickt und doch handwerklich meisterhaft ist, bis zu ersten Versuchen des Expressionismus, die nicht alle der Schönheit förderlich waren, selten in dieser Richtung überhaupt, warum sie hier eher vernachlässigt seien und dann gibt es den Realismus eines Menzel, der Berlin malte oder auch mal nicht malte, wo er sich über den König ärgerte und auch diese Spuren uns sichtbar erhielt. Den antikisierenden Marmor von Schadow und anderen voller Gefühl behauen und poliert - Friederike und Luise zur Begrüßung, preußischstes Prinzessinnendoppel vom einst obotritischen Stamm der Mecklenburger, die in Darmstadt zu Damen wurden, vom frommen Witwer einst als zu erotisch versteckt, stehen sie für das preußische Arkardien, dass jene vergaßen, die es aus rein politischem Entsetzen über den völlig unpreußischen Österreicher einst auflösten als Alliierte mit dem ersten Kontrollratsbeschluss, was aber wieder eine andere Geschichte wäre.
Dieser Ort ist die Alte Nationalgalerie, auf der Museumsinsel gelegen, Teil des Weltkulturerbes, Nachbarin des Neuen Museums, ein Tempel der Kunst nach antikem Vorbild, ähnelt dem für Friedrich den Großen noch einst monumental angedachten Denkmal von Form und Konzept und passt doch als Musentempel viel besser zu diesem vielseitig begabten Genie, der sich eine solche Kultstätte zu Lebzeiten gewisse verbeten hätte, lieber in Ruhe neben seinen Hunden auf dem Weinberg ohne Sorgen liegen wollte.
Zwischen 1867 und 1876 wurde das Gebäude von Stüler geplant und von Strack vollendet. Es steht stilistisch zwischen dem ausgehenden Spätklassizismus und der beginnenden Neorenaissance, zwei Zeiten also, die sich lieber auf das antike Erbe und seine Schönheit noch besannen als die Welt zweifelhaft neu erfinden zu wollen. Das Äußere des Museums blieb bis heute so erhalten wie von Stüler geplant, dafür kam es im Inneren zu zahlreichen Umbauten und Anpassungen.
Das Gebäude selbst vereinigt in sich architektonische Merkmale ganz verschiedener Gebäudetypen. So sind die Giebelfassade und die umlaufenden Halbsäulen dem Vorbild antiker Tempel entlehnt. Die monumentalen Treppen dagegen einem Schloss oder Theater und die angehängte halbrunde Apsis kommt aus der Kirchenbaukunst. Früher konnte die Nationalgalerie ebenerdig durch die Kutschendurchfahrt erreicht werden, dem heute noch Eingang nur ohne Kutschen oder die große Freitreppe auf der sich das riesige bronzene Reiterstandbild von Friedrich Wilhelm IV. befindet, der das Museum mit plante und entwarf, dass dann sein Bruder Wilhelm I. eröffnen sollte - beide übrigens waren Söhne der Kultfigur Königin Louise, die wenig tun musste, ewig verehrt zu werden, auch weil es keine andere dazu gab.
Zu diesem Denkmal mit ihren irgendwie künstlerischen Sockelfiguren habe ich nicht viel zu sagen. Sind halt da, stören meist nicht zu sehr, die wunderbar lichte Kunst innen entschädigt auch für diesen kurzen Anblick preußischer Staatskunst ohne höheren ästhetischen Wert.
Fassade und Treppen bestehen übrigens aus Nebraer Sandstein, der dem Trias entstammt. Dagegen sind die Kolonnaden aus schlesischem Sandstein und Elbsandstein gefertigt worden, die beide aus der deutlich jüngeren Kreidezeit stammen.
Den antiken Tempel als Denkmal für Friedrich den Großen an dieser Stelle hatte der Lehrer Schinkels mit Namen Gilly schon geplant. Eine Art Akropolis im märkischen Sand. Schinkel und er träumten davon Berlin durch verschiedene tempelartige Bauten nach antikem Vorbild zu verschönern, die fehlende tatsächliche Geschichte durch die nachgebaute zu ersetzen. Friedrich Wilhelm IV. wiederum, der Architekturschüler und Gesprächspartner Schinkels fertigte einige Zeichungen an, die zur Grundlage des Entwurfs von Stüler wurden.
Verschiedene Ideen und Pläne für eine nationale Galerie gab es schon Anfang des 19. Jahrhunderts, die jedoch erfolgreich versandeten, wie so vieles in Berlin bis heute. Als dan 1861 schließlich der Bankier Wagener verstarb und dem König seine umfangreiche Gemäldesammlung mit dem Wunsch schenkte, die Sammlung solle ungetrennt behalten werden und in Berlin ausgestellt werden, wurde es Zeit für konkrete Planungen. Die Sammlung wurde der Grundstock der späteren Nationalgalerie.
Nun ließ Wilhelm I. den Schüler Schinkels Stüler an den Plänen für die neue Galerie arbeiten und stellte die Bilder bis dahin in der Akademie der Künste in Unter den Linden aus. Bis zu seinem Tod im Jahre 1865 entwickelte Stüler nun den Plan der künftigen Galerie, der kurz vorher noch in der dritten Version schließlich genehmigt und dann von seinem Schüler Busse gemeinsam mit Strack vollendet wurde, den sozusagen Schinkel Enkeln. Stüler und später Strack achteten bei ihrer Planung sehr genau auf viele feine Details wie etwa die Verteilung von Licht und deren Wirkung am Gebäude. Die Detailfreude zeigte sich auch bei den von Etage zu Etage variierenden Türen, die alle gesondert gefertigt wurden und zeigten, es wurden keine Mühen für die Kunst der Nation gescheut.
Die schließlich Eröffnung des Gebäudes fand am 22. März 1876 im Beisein des Kaisers statt - es nähert sich also bald wieder ein Geburtstag, der jeden Licht suchenden Berliner zum Besuch verführen wollte. Das Gebäude galt als besonders feuersicher und die neue Dachverglasung in der so nahezu von außen unsichtbaren dritten Etage zeigte den höchsten Stand der damaligen Technik im Bau.
Gründungsdirektor der Nationalgalerie war ab 1874 Max Jordan, der noch eine relativ bescheidene Sammlung zu verwalten hatte. die hauptsächlich aus den 262 Gemälden der Sammlung Wagener bestand. Der Auftrag der Galerie war nun moderne und zunächst hauptsächlich preußische Kunst zu sammeln, da Berlin noch kein Museum für zeitgenössische Kunst besaß. Ab 1896 übernahm dan Hugo von Tschudi das Amt des Museumsdirektors von Jordan. Dieser erwarb und schätzte auch Impressionisten, auch wenn er damit den Konflikt mit dem Kaiser riskierte, der sich auf deutsche Kunst in der Nationalgalerie, nomen est omen, beschränken wollte, dem modernen Zeugs eher abgeneigt war und wir sehen ja immer noch die grausamen Spuren des Geschmacks von Wilhem II. in der entstellten Stadt und ihres abrisswürdigen Berliner Doms.
Die Impressionisten kamen und blieben, bilden heute den größten Schatz und der große Berliner Impressionist Liebermann wurde von Tschudi noch besonders gefördert und gewürdigt. Sein Nachfolger Ludwig Justi ab 1909 wandte sich dann sogar den Expressionisten zu, die Liebermann und ich ja weniger schätzten. Nach der Novemberrevolution von 1918 stellte Justi dann die moderne Kunst im Kronprinzenpalais Unter den Linden aus.
Die Nazis setzten den umtriebigen Justi ab und schickten dafür bis 1937 Eberhard Hanfstaengl auf den Posten, der weitere Umbauten plante. Sein Nachfolger wollte noch weiter planen und bewegte weniger in der Zeit, die ihm bis 1950 blieb, war das Museum doch ab 1939 kriegsbedingt für zehn Jahre geschlossen. Ab 1949 wurden erste Schauräume wieder geöffnet. Die Wiederherstellung zog sich nach kriegsbedingten Schäden bis 1955 hin.
Während Berlin und Deutschland geteilt waren, wurde auch die Sammlung der Nationalgalerie aufgeteilt und hing zu ihrem einen Teil in Schloss Charlottenburg und zum in der SBZ verbliebenen Teil im Gebäude der Nationalgalerie. Dabei wurde auch zeigenössische Kunst der DDR, was deren Führung eben so dafür hielt, ausgestellt, an der besonders ihre Nähe zum Stalinismus und künstlerisch zum Nationalsozialismus interessant ist.
Nach der Wiedervereinigung, ob nun mit Mantel der Geschichte oder nicht, wurden die Sammlungen wieder zusammengeführt und hängen nun gemeinsam auf der Insel, dem schönsten Weltkulturerbe Berlins. Ab 1992 wurden die notwendigen Sanierungsarbeiten am Gebäude vorgenommen, die von der DDR Führung nur seit 1980 zentral geplant wurde, ohne etwas zu tun. Neben einem neu gestalteten Eingangsbereich wurden dann auch zwei eigene Säle für Caspar David Friedrich und die Gemälde Schinkels vorgesehen. Von 1998 bis 2001 war das Museum wegen der dringend nötigen Arbeiten dann geschlossen.
Wer das Museum über die sehr mondäne Marmortreppe hinter dem fast bescheiden wirkenden Eingang in der Kutschdurchfahrt betreten hat, sieht gleich nach dem ersten Aufstieg schon Louise und Friederike vor sich, muss nur dann leider noch nach rechts abbiegen, um die nötigen Eintrittskarten zu erwerben, außer er besitzt den wunderbaren Luxus einer Jahreskarte, die nur eingescannt sofortigen Zutritt zu den Skulpturen im quasi Vorraum der Gemäldesammlung auf dieser Etage, dem Hochparterre der Nationalgalerie, in dem verschiedene Wege des Realismus gezeigt werden, von Schadows Figuren über Menzels ach so preußische Bilder und Courbets Gemälde ohne den Ursprung der Welt, hin zu Constables Wolken, in denen sich auch weniger romantische Gemüter als der Autor dieser Zeilen schnell im Nichts der Sehnsucht verlieren können. Ein wunderbarer Auftakt, bevor es eine Etage höher ins Bad geht. Ganz berühmt dort sind auch das Flötenkonzert Friedrichs des Großen und das Eisenwalzwerk Menzels, es gibt andere dieses Berliner Meisters, die ich vorzöge ohne dieses darum gering schätzen zu wollen.
In der zweiten Etage werden die schönsten Räume des Impressionismus von den teilweise geschmacklich mehr als grenzwertigen Werken der Romantik und des Realismus umgeben. Kann sich der Besucher ansehen, ist nötig für einen vollständigen Überblick, wenn auch vom Erlebniswert als Betrachter nicht wesentlich weiterführend meist als ein Wimmelbuch, ein Stück Kunstgeschichte halt. Dagegen ist das Bad im Licht des Impressionismus ein Moment tiefen Glücks, der einen die Wärme Frankreichs oder auch Berlins bei Liebermann spüren lässt. Es sind diese Bilder eine sinnliche Erfahrung, nicht nur durch das Betrachten der Betrachter, die so oft glückselig versunken dort stehen, als hätten sie gerade einen Orgasmus hinter sich, noch mehr in der anziehenden Wirkung des Lichts und der Farben - bei Monet, Manet, Renoir, Cezanne, Degas und immer wieder auch Liebermann. Damit werden auch die Spitzwegs, Feuerbachs und Böcklins erträglich, schön muss sie ja keiner mehr finden, nett sind sie oft und von der Sonne des Impressionismus aufgetankt, kann ich immer wieder über sie lächeln. Es war eben auch der Geist der Zeit.
Das dritte Ausstellungsgeschoss am oberen Ende unter dem Glasdach zeigt Werke der Goethezeit und der Romantik, einige sehr schöne Werke von Caspar David Friedrich, wie sein genialer Mönch am Meer, der Turner vorwegnimmt oder auch manches kitschiges aber sehr preußisch exaktes Gemälde von Schinkel. Die Nazarener bemühe ich mich in härtester Konsequenz zu ignorieren. Diese nach Rom abgetriebenen religiösen Eiferer und ihre peinliche Kunstform, die nur nachahmen wollte und nie etwas eigenes außer geistlos und eben religiös wurde. Sehenswert noch das von Schadow geschaffene Grabmal für den Grafen Alexander von der Mark, den unehelichen Sohn Friedrich Wilhelms II., des Dicken und der Encke, die er zur Gräfin Lichtenau erleuchten ließ.
Die erfolgreichste Schau, die je in der Alten Nationalgalerie gezeigt wurde, war die Ausstellung Impressionismus - Expressionismus Kunstwende mit 245.694 Besuchern, bei denen ich zu den allerletzten 10 Besuchern zählte und mich wieder wunderbar bestätigt sah in meiner tiefen Liebe zum Impressionismus, während ich den Expressionismus eher für einen Schrei nach Hilfe und Harmonie halte, der mehr Mitleid als Begeisterung erregen kann und diese Sicht mit Liebermann teile, aber die Deutschen haben diese auch typisch deutsche Kunst für wichtig erklärt und so wurde sie eben auch dort gefeiert. Es gab auch ganz nette und bedeutend wichtige Werke dieser Gattung, die sonst eher unter der Neuen Nationalgalerie, dem Mies van der Rohe Bau im alten Westen, zuhause sind.
Wer durch alle drei Etagen gewandelt ist und erschöpft von Eindrücken wieder im Erdgeschoss anlangt, dem sei dringend der Besuch im Museumsshop im Untergeschoss angeraten, nicht nur der dort gelegenen Örtlichkeiten wegen, so etwas kann ja sehr entspannen, sondern vielmehr, um in einem immer gut preußisch und künstlerisch bestückten Buchladen zu stöbern, dort in den kleinen Erkern und Ecken hervorragenden Tee oder Kuchen zu genießen, auch der Kaffee, habe ich mir sagen lassen, sei mehr als gut, einer der besten in Berliner Museen überhaupt und so bildet die mindestens halbe Stunde am Ende dort stöbernd und genießend für mich den sinnlich schönsten Abschluss eines Gangs durch die Alte Nationalgalerie - selten nur schaffe ich es mit ganz leeren Händen von dort zu gehen, wenn ich noch wie im Rausch in die Kunst verliebt dort unten ankomme und mit vollem Herzen denke, was war das wieder schön.
jens tuengerthal 18.3.2017
Zwischen Sonne und Wolken im Hinterhof, den zwischenzeitlich Schauer völlig verdunkeln, wird der Frühling spürbar. Das Licht kehrt zurück in die große Stadt und ihre vielen Höfe, scheint auch wieder einige Stunden hell in meine Küche im 3. Stock, zeigt mir wie dringend, wenn mal einen Tag am Stück die Sonne scheint, meine Scheiben nun geputzt werden müssen und weckt verborgene Frühlingsgefühle auch im Mann in Schwarz, der bei seinem Tee sitzt und sich am Licht freut.
Eine lange Zeit von November bis März ist Berlin vielfach grau und die gute Beleuchtung innen wird immer wichtiger, um die dunkle Zeit hier zu überstehen - dabei gibt es einen Ort in der Stadt an dem man das ganze Jahr, außer Montags, im Licht baden kann. Dem Glück das die französischen und deutschen Impressionisten in der Natur entdeckten, in die sie sich zum Malen begaben. Ein Ort der Ruhe und Einkehr, der zugleich voller Lust und Sehnsucht die Lebenskräfte in uns weckt, wenn wir nur als Betrachter geruhsam durch die Räume schleichen.
Natürlich gibt es dort nicht nur Impressionisten sondern die ganze Kunst des 19. Jahrhunderts von dunkler deutscher Romantik, die gern im Kitsch fast schmierig erstickt und doch handwerklich meisterhaft ist, bis zu ersten Versuchen des Expressionismus, die nicht alle der Schönheit förderlich waren, selten in dieser Richtung überhaupt, warum sie hier eher vernachlässigt seien und dann gibt es den Realismus eines Menzel, der Berlin malte oder auch mal nicht malte, wo er sich über den König ärgerte und auch diese Spuren uns sichtbar erhielt. Den antikisierenden Marmor von Schadow und anderen voller Gefühl behauen und poliert - Friederike und Luise zur Begrüßung, preußischstes Prinzessinnendoppel vom einst obotritischen Stamm der Mecklenburger, die in Darmstadt zu Damen wurden, vom frommen Witwer einst als zu erotisch versteckt, stehen sie für das preußische Arkardien, dass jene vergaßen, die es aus rein politischem Entsetzen über den völlig unpreußischen Österreicher einst auflösten als Alliierte mit dem ersten Kontrollratsbeschluss, was aber wieder eine andere Geschichte wäre.
Dieser Ort ist die Alte Nationalgalerie, auf der Museumsinsel gelegen, Teil des Weltkulturerbes, Nachbarin des Neuen Museums, ein Tempel der Kunst nach antikem Vorbild, ähnelt dem für Friedrich den Großen noch einst monumental angedachten Denkmal von Form und Konzept und passt doch als Musentempel viel besser zu diesem vielseitig begabten Genie, der sich eine solche Kultstätte zu Lebzeiten gewisse verbeten hätte, lieber in Ruhe neben seinen Hunden auf dem Weinberg ohne Sorgen liegen wollte.
Zwischen 1867 und 1876 wurde das Gebäude von Stüler geplant und von Strack vollendet. Es steht stilistisch zwischen dem ausgehenden Spätklassizismus und der beginnenden Neorenaissance, zwei Zeiten also, die sich lieber auf das antike Erbe und seine Schönheit noch besannen als die Welt zweifelhaft neu erfinden zu wollen. Das Äußere des Museums blieb bis heute so erhalten wie von Stüler geplant, dafür kam es im Inneren zu zahlreichen Umbauten und Anpassungen.
Das Gebäude selbst vereinigt in sich architektonische Merkmale ganz verschiedener Gebäudetypen. So sind die Giebelfassade und die umlaufenden Halbsäulen dem Vorbild antiker Tempel entlehnt. Die monumentalen Treppen dagegen einem Schloss oder Theater und die angehängte halbrunde Apsis kommt aus der Kirchenbaukunst. Früher konnte die Nationalgalerie ebenerdig durch die Kutschendurchfahrt erreicht werden, dem heute noch Eingang nur ohne Kutschen oder die große Freitreppe auf der sich das riesige bronzene Reiterstandbild von Friedrich Wilhelm IV. befindet, der das Museum mit plante und entwarf, dass dann sein Bruder Wilhelm I. eröffnen sollte - beide übrigens waren Söhne der Kultfigur Königin Louise, die wenig tun musste, ewig verehrt zu werden, auch weil es keine andere dazu gab.
Zu diesem Denkmal mit ihren irgendwie künstlerischen Sockelfiguren habe ich nicht viel zu sagen. Sind halt da, stören meist nicht zu sehr, die wunderbar lichte Kunst innen entschädigt auch für diesen kurzen Anblick preußischer Staatskunst ohne höheren ästhetischen Wert.
Fassade und Treppen bestehen übrigens aus Nebraer Sandstein, der dem Trias entstammt. Dagegen sind die Kolonnaden aus schlesischem Sandstein und Elbsandstein gefertigt worden, die beide aus der deutlich jüngeren Kreidezeit stammen.
Den antiken Tempel als Denkmal für Friedrich den Großen an dieser Stelle hatte der Lehrer Schinkels mit Namen Gilly schon geplant. Eine Art Akropolis im märkischen Sand. Schinkel und er träumten davon Berlin durch verschiedene tempelartige Bauten nach antikem Vorbild zu verschönern, die fehlende tatsächliche Geschichte durch die nachgebaute zu ersetzen. Friedrich Wilhelm IV. wiederum, der Architekturschüler und Gesprächspartner Schinkels fertigte einige Zeichungen an, die zur Grundlage des Entwurfs von Stüler wurden.
Verschiedene Ideen und Pläne für eine nationale Galerie gab es schon Anfang des 19. Jahrhunderts, die jedoch erfolgreich versandeten, wie so vieles in Berlin bis heute. Als dan 1861 schließlich der Bankier Wagener verstarb und dem König seine umfangreiche Gemäldesammlung mit dem Wunsch schenkte, die Sammlung solle ungetrennt behalten werden und in Berlin ausgestellt werden, wurde es Zeit für konkrete Planungen. Die Sammlung wurde der Grundstock der späteren Nationalgalerie.
Nun ließ Wilhelm I. den Schüler Schinkels Stüler an den Plänen für die neue Galerie arbeiten und stellte die Bilder bis dahin in der Akademie der Künste in Unter den Linden aus. Bis zu seinem Tod im Jahre 1865 entwickelte Stüler nun den Plan der künftigen Galerie, der kurz vorher noch in der dritten Version schließlich genehmigt und dann von seinem Schüler Busse gemeinsam mit Strack vollendet wurde, den sozusagen Schinkel Enkeln. Stüler und später Strack achteten bei ihrer Planung sehr genau auf viele feine Details wie etwa die Verteilung von Licht und deren Wirkung am Gebäude. Die Detailfreude zeigte sich auch bei den von Etage zu Etage variierenden Türen, die alle gesondert gefertigt wurden und zeigten, es wurden keine Mühen für die Kunst der Nation gescheut.
Die schließlich Eröffnung des Gebäudes fand am 22. März 1876 im Beisein des Kaisers statt - es nähert sich also bald wieder ein Geburtstag, der jeden Licht suchenden Berliner zum Besuch verführen wollte. Das Gebäude galt als besonders feuersicher und die neue Dachverglasung in der so nahezu von außen unsichtbaren dritten Etage zeigte den höchsten Stand der damaligen Technik im Bau.
Gründungsdirektor der Nationalgalerie war ab 1874 Max Jordan, der noch eine relativ bescheidene Sammlung zu verwalten hatte. die hauptsächlich aus den 262 Gemälden der Sammlung Wagener bestand. Der Auftrag der Galerie war nun moderne und zunächst hauptsächlich preußische Kunst zu sammeln, da Berlin noch kein Museum für zeitgenössische Kunst besaß. Ab 1896 übernahm dan Hugo von Tschudi das Amt des Museumsdirektors von Jordan. Dieser erwarb und schätzte auch Impressionisten, auch wenn er damit den Konflikt mit dem Kaiser riskierte, der sich auf deutsche Kunst in der Nationalgalerie, nomen est omen, beschränken wollte, dem modernen Zeugs eher abgeneigt war und wir sehen ja immer noch die grausamen Spuren des Geschmacks von Wilhem II. in der entstellten Stadt und ihres abrisswürdigen Berliner Doms.
Die Impressionisten kamen und blieben, bilden heute den größten Schatz und der große Berliner Impressionist Liebermann wurde von Tschudi noch besonders gefördert und gewürdigt. Sein Nachfolger Ludwig Justi ab 1909 wandte sich dann sogar den Expressionisten zu, die Liebermann und ich ja weniger schätzten. Nach der Novemberrevolution von 1918 stellte Justi dann die moderne Kunst im Kronprinzenpalais Unter den Linden aus.
Die Nazis setzten den umtriebigen Justi ab und schickten dafür bis 1937 Eberhard Hanfstaengl auf den Posten, der weitere Umbauten plante. Sein Nachfolger wollte noch weiter planen und bewegte weniger in der Zeit, die ihm bis 1950 blieb, war das Museum doch ab 1939 kriegsbedingt für zehn Jahre geschlossen. Ab 1949 wurden erste Schauräume wieder geöffnet. Die Wiederherstellung zog sich nach kriegsbedingten Schäden bis 1955 hin.
Während Berlin und Deutschland geteilt waren, wurde auch die Sammlung der Nationalgalerie aufgeteilt und hing zu ihrem einen Teil in Schloss Charlottenburg und zum in der SBZ verbliebenen Teil im Gebäude der Nationalgalerie. Dabei wurde auch zeigenössische Kunst der DDR, was deren Führung eben so dafür hielt, ausgestellt, an der besonders ihre Nähe zum Stalinismus und künstlerisch zum Nationalsozialismus interessant ist.
Nach der Wiedervereinigung, ob nun mit Mantel der Geschichte oder nicht, wurden die Sammlungen wieder zusammengeführt und hängen nun gemeinsam auf der Insel, dem schönsten Weltkulturerbe Berlins. Ab 1992 wurden die notwendigen Sanierungsarbeiten am Gebäude vorgenommen, die von der DDR Führung nur seit 1980 zentral geplant wurde, ohne etwas zu tun. Neben einem neu gestalteten Eingangsbereich wurden dann auch zwei eigene Säle für Caspar David Friedrich und die Gemälde Schinkels vorgesehen. Von 1998 bis 2001 war das Museum wegen der dringend nötigen Arbeiten dann geschlossen.
Wer das Museum über die sehr mondäne Marmortreppe hinter dem fast bescheiden wirkenden Eingang in der Kutschdurchfahrt betreten hat, sieht gleich nach dem ersten Aufstieg schon Louise und Friederike vor sich, muss nur dann leider noch nach rechts abbiegen, um die nötigen Eintrittskarten zu erwerben, außer er besitzt den wunderbaren Luxus einer Jahreskarte, die nur eingescannt sofortigen Zutritt zu den Skulpturen im quasi Vorraum der Gemäldesammlung auf dieser Etage, dem Hochparterre der Nationalgalerie, in dem verschiedene Wege des Realismus gezeigt werden, von Schadows Figuren über Menzels ach so preußische Bilder und Courbets Gemälde ohne den Ursprung der Welt, hin zu Constables Wolken, in denen sich auch weniger romantische Gemüter als der Autor dieser Zeilen schnell im Nichts der Sehnsucht verlieren können. Ein wunderbarer Auftakt, bevor es eine Etage höher ins Bad geht. Ganz berühmt dort sind auch das Flötenkonzert Friedrichs des Großen und das Eisenwalzwerk Menzels, es gibt andere dieses Berliner Meisters, die ich vorzöge ohne dieses darum gering schätzen zu wollen.
In der zweiten Etage werden die schönsten Räume des Impressionismus von den teilweise geschmacklich mehr als grenzwertigen Werken der Romantik und des Realismus umgeben. Kann sich der Besucher ansehen, ist nötig für einen vollständigen Überblick, wenn auch vom Erlebniswert als Betrachter nicht wesentlich weiterführend meist als ein Wimmelbuch, ein Stück Kunstgeschichte halt. Dagegen ist das Bad im Licht des Impressionismus ein Moment tiefen Glücks, der einen die Wärme Frankreichs oder auch Berlins bei Liebermann spüren lässt. Es sind diese Bilder eine sinnliche Erfahrung, nicht nur durch das Betrachten der Betrachter, die so oft glückselig versunken dort stehen, als hätten sie gerade einen Orgasmus hinter sich, noch mehr in der anziehenden Wirkung des Lichts und der Farben - bei Monet, Manet, Renoir, Cezanne, Degas und immer wieder auch Liebermann. Damit werden auch die Spitzwegs, Feuerbachs und Böcklins erträglich, schön muss sie ja keiner mehr finden, nett sind sie oft und von der Sonne des Impressionismus aufgetankt, kann ich immer wieder über sie lächeln. Es war eben auch der Geist der Zeit.
Das dritte Ausstellungsgeschoss am oberen Ende unter dem Glasdach zeigt Werke der Goethezeit und der Romantik, einige sehr schöne Werke von Caspar David Friedrich, wie sein genialer Mönch am Meer, der Turner vorwegnimmt oder auch manches kitschiges aber sehr preußisch exaktes Gemälde von Schinkel. Die Nazarener bemühe ich mich in härtester Konsequenz zu ignorieren. Diese nach Rom abgetriebenen religiösen Eiferer und ihre peinliche Kunstform, die nur nachahmen wollte und nie etwas eigenes außer geistlos und eben religiös wurde. Sehenswert noch das von Schadow geschaffene Grabmal für den Grafen Alexander von der Mark, den unehelichen Sohn Friedrich Wilhelms II., des Dicken und der Encke, die er zur Gräfin Lichtenau erleuchten ließ.
Die erfolgreichste Schau, die je in der Alten Nationalgalerie gezeigt wurde, war die Ausstellung Impressionismus - Expressionismus Kunstwende mit 245.694 Besuchern, bei denen ich zu den allerletzten 10 Besuchern zählte und mich wieder wunderbar bestätigt sah in meiner tiefen Liebe zum Impressionismus, während ich den Expressionismus eher für einen Schrei nach Hilfe und Harmonie halte, der mehr Mitleid als Begeisterung erregen kann und diese Sicht mit Liebermann teile, aber die Deutschen haben diese auch typisch deutsche Kunst für wichtig erklärt und so wurde sie eben auch dort gefeiert. Es gab auch ganz nette und bedeutend wichtige Werke dieser Gattung, die sonst eher unter der Neuen Nationalgalerie, dem Mies van der Rohe Bau im alten Westen, zuhause sind.
Wer durch alle drei Etagen gewandelt ist und erschöpft von Eindrücken wieder im Erdgeschoss anlangt, dem sei dringend der Besuch im Museumsshop im Untergeschoss angeraten, nicht nur der dort gelegenen Örtlichkeiten wegen, so etwas kann ja sehr entspannen, sondern vielmehr, um in einem immer gut preußisch und künstlerisch bestückten Buchladen zu stöbern, dort in den kleinen Erkern und Ecken hervorragenden Tee oder Kuchen zu genießen, auch der Kaffee, habe ich mir sagen lassen, sei mehr als gut, einer der besten in Berliner Museen überhaupt und so bildet die mindestens halbe Stunde am Ende dort stöbernd und genießend für mich den sinnlich schönsten Abschluss eines Gangs durch die Alte Nationalgalerie - selten nur schaffe ich es mit ganz leeren Händen von dort zu gehen, wenn ich noch wie im Rausch in die Kunst verliebt dort unten ankomme und mit vollem Herzen denke, was war das wieder schön.
jens tuengerthal 18.3.2017
Rieslinglust
Golden schimmert es im Glas
Sauer frisch perlt er auf der Zunge
Wie schön scheint die Welt durch ihn
jens tuengerthal 17.3.2017
Freitag, 17. März 2017
Reine Lust
Die reine Lust sucht Erfüllung
Sie findet sie wohl ganz für sich
Und wird erst geteilt Höhepunkt
jens tuengerthal 17.3.2017
Berlinleben 022
Sozi oder Bürger
In meiner Familie galt es als verpönt in eine Partei einzutreten. Die Vorfahren waren kaisertreu und gegen Hitler, der Großvater väterlicherseits wurde nach dem 20. Juli 1944 degradiert, weil er auf den Listen von Goerdeler stand, ein Nazi war er nie, die fand er peinlich, wie seinen Bruder den Pastor, der bei denen Karriere machte und die Urgroßeltern mütterlicherseits hatten im Krieg angeblich ein jüdisches Ehepaar versteckt, der andere Urgroßvater mütterlicherseits, den ich noch kennenlernte, wenn er wie der alte dicke Churchill mit seiner Zigarre im Sessel saß und mit seinen Schildkröten spielte, saß damals einen Tag im Knast, weil er seinen jüdischen Bankier freundlich auf der Straße grüßte, als ihn die SA abführte, war für ihn eine Ehrensache und nur seine Belegschaft hat ihn angeblich wieder aus der Haft gebrüllt. So jedenfalls die Gerüchte der Großmutter. Früher waren sie Nachbarn von Hindenburgs in Hannover gewesen und ähnliche Geschichten mehr bekam ich als Kind zu hören. Sie spielte mit Prinz Louis Ferdinand vierhändig Klavier und mit ihm und Prinzessin Kira zusammen Bridge, kannte die Queen noch als kleines Mädchen aus dem Nachbargarten in London. Wusste zwar nie so genau, wo bei meiner Großmutter die Phantasie anfing und wann sie mit ihr durchging. Auch die Geschichte, als sie mit ihrer besten Freundin als Schulmädchen am traditionellen Bremer Mädchengymnasium Kippenberg zum 1. Mai die schwarz-rot-goldene Fahne einzog und die kaiserliche schwarz-weiß-rote raushängte, erzählte sie immer wieder gern. Sie waren Deutschnational aber nie Nazis oder Sozen. Ähnlich der Großvater väterlicherseits, dessen Kontakte zum Widerstand aus seiner Zeit als Kadett in Lichterfelde resultieren. Er gab sich preußisch und frei. Historisch taugliche Belege für ihre Opposition habe ich nie gesucht, mir privat genügte die erklärte Haltung.
Doch hätten meine Großeltern wohl im Grab rotiert, wenn sie gehört hätten, dass ihr Enkel ein Soze geworden ist. Zum Glück ist niemand mehr nach dem Tod, erfährt nichts je dann und kann einem also egal sein eigentlich, wäre da nicht auch die Ehre der Familie, deren Name ich trage und die für gute Bildungsbürgerlichkeit steht aber nie für linke Opposition, noch leider als große Freiheitskämpfer bekannt wurden. Einmal erzählte mein Großvater mir, ein Vorfahre in Gotha oder irgendwo da hätte das von abgelegt zur Zeit der Revolution von 1848 - habe das eine zeitlang stolz geglaubt, bis ich in den Gotha schaute, das Lexikon des deutschen Adels, in dem keine Spur davon zu finden war. Zumindest aber bezogen sich Teile der Familie wie mein Großvater väterlicherseits, der später Diplomat in Paris und Brüssel für die NATO war und meine Großmutter mütterlicherseits gern auf die großbürgerlichen Vorfahren und die hohen Freunde, wuchs ich in manchem ähnlich auf, wie es noch in den Buddenbrooks geschildert wird, wenn auch um über hundert Jahre in der Zeit versetzt.
Mit den Buddenbrooks hatte ich mich schon beim ersten Lesen identifiziert und wie nah waren sie mir jedesmal an Weihnachten, was wir ganz ähnlich lange zelebrierten. Die Stelle an der Konsul Buddenbrook teilweise auf plattdeutsch zu den aufgeregten Arbeitern sprach und diese Darstellung der Revolution war mir sehr nah. Im Leistungskurs Geschichte noch, stritt ich mich gern mit meinem Lehrer einem überzeugten linken Sozi, der nach 1968 auf den Spuren von Brandt in die Partei eintrat. Da vertrat ich die bürgerlich liberale Position, wie ich sie aus der FAZ, die es bei uns zuhause natürlich gab, kannte.
Kurz gesagt, alles sprach dagegen, dass ausgerechnet ich in die als links geltende Berliner SPD eintrat und dennoch tat ich es, als ich irgendwann als junger Vater, nach verschiedenem mehr oder weniger missglückten Engagement in der Führung der Kinderläden meiner Tochter meinte, mich sozial mehr engagieren zu müssen, in der Stadt, in der meine Tochter aufwuchs, heimisch werden wollte und mir ganz nebenbei noch einen Job erhoffte, die doch so häufig gern im politischen Kontext in Berlin vergeben wurden, wie ich oft hörte.
Warum dann ausgerechnet die SPD, warum nicht die Grünen oder die FDP, vielleicht die CDU?
Die CDU kam für mich als Atheisten nicht infrage, unter Kohl groß geworden war der Verein für mich untragbar und eine Partei mit C kam ohnehin nicht infrage für einen, der sich für Laizismus in Europa einsetzte. Die FDP wurde damals noch von Westerwelle geführt und mehr muss dazu wohl nicht gesagt werden, war peinlich, trat für noch mehr Liberalisierung ein als die Regierung Schröder/Fischer, die ich eigentlich gut fand. Die Grünen wollte ich nicht, auch wenn ich viele wie Joschka noch aus alten Frankfurter Zeiten kannte, von den Demos gegen die Startbahnwest und ähnlichen populistischen Veranstaltungen meiner Jugend voller Überzeugungen, zu denen du als normaler Jugendlicher im Rhein-Main-Gebiet, ich lebte ja als Kind in Schwanheim und später in Bad Vilbel, einfach gingst, ich eine zeitlang sogar bei Greenpeace engagiert war, weil sie mir zu religiös im ökologischen Sinne waren. Sie waren mir in ganz vielem sympathisch aber schienen mir auch eine ganzheitliche Glaubensgemeinschaft zu sein und vor so etwas lief ich schon immer lieber weg.
Wohnte damals umme Ecke vom Kollwitzplatz und Wolfgang Thierse, damals Bundestagspräsident, wohnte quasi über den Friedhof in meinem Rücken, wir kannten uns vom Sehen auf dem Markt - oder besser ich hatte ihn gesehen und erkannt, er mich vermutlich bis dahin nie wahrgenommen. Aber dieser Mann aus der DDR Opposition gefiel mir, dachte er wäre auch so ein evangelischer Pastor, welch Irrtum, er war katholisch. Er war der Grund warum ich online in die SPD eintrat und so schließlich zu einer Veranstaltung meiner Abteilung, wie die Ortsvereine in Berlin heißen, auf einem Spielplatz in der Nähe kam, zu der auch Thierse erwartet wurde.
Ahnte noch nicht, welche Kämpfe in Parteien unter der Oberfläche gären, wie viele sich benachteiligt fühlen und darum immer allen potentiellen Gegnern auflauern, es nichts dringenderes gibt, als sich unter Parteifreunden öffentlich zu schädigen, Misstrauen die sicherste innerparteiliche Währung ist. Fand es freundlich wie Thierse den neuen jungen Vorsitzenden begrüßte und erfuhr erst viel später, dass er zuvor alles getan hatte, was ihm möglich war, dessen Wahl im Bezirk Pankow zu verhindern und also zeigte sich, egal wie hoch einer in der Hierarchie der Partei sitzt, gibt es doch immer noch viele, die alles tun werden, ihm Grenzen aufzuzeigen. War das nun basisdemokratisch schön oder widerlicher Trotz, fragte ich mich?
Dafür lernte ich bald meinen späteren Freund M kennen, der mit Thierse offensichtlich befreundet war, wie dieser ein irgendwie Eingeborener des Prenzlauer Berg war, nur bei ihm tatsächlich, Thierse war ja erst nach der Flucht aus Schlesien über Thüringen später auf dem Berg angekommen, während M tatsächlich hier geboren und mit Blick auf die Mauer aufgewachsen war. Ein waschechter Ostberliner also. Als Kind aus Künstlerkreisen, selbst ein hochbegabter Zeichner hatte er viel für die Sozialdemokratie in Prenzlauer Berg getan in den letzten Jahren, mehr als die allermeisten der Zugereisten und blieb doch immer ein oppositioneller und Preuße in vielem dabei, schätzte den großen Otto Braun. Beide waren wir historisch interessiert, tranken gern guten Wein, er war sogar Mitgründer des besten Weinrestaurants hier am Berg. Es war ein günstiges Zusammentreffen, bei dem die Partei nicht störte und das sich vielfältig gut ergänzte.
Im Grunde ist es M zu verdanken, dass ich dann doch trotz steigendem inneren Widerwillen viele Jahre in der Partei blieb und mich wie er in der Kulturpolitik mit engagierte, in der er für den Bezirk an ganz vielen Fronten vorbildliche Arbeit leistete. Dass diese Partei nicht ihn irgendwann in den Bundestag oder ins Abgeordnetenhaus schickte, ist für mich das beste Zeichen einer fortgesetzten Vetternwirtschaft des Klientels der Flügel einer Partei, die sich intern bekämpfen und deren Methoden mit Stasi Gewohnheiten zu vergleichen, mir teilweise nicht zu hart erscheint, warum ich irgendwann doch unhaltbar die Flucht ergriff, es blieb mir diese Arbeiterpartei, die sich manchmal gerne sozialistisch nennt und dann auch Genosse der Bosse sein will, innerlich immer fremd.
Der Fairness halber sei aber klar gesagt, es gibt in dieser Partei, wie vermutlich in allen, bei denen ich es sonst nicht so gut beurteilen kann, sehr viele unheimlich engagierte Leute, die zum großen Teil ehrenamtlich mehr für ihre Umgebung tun, als diese ahnt. Nehme ich etwa den jetzigen Bundestagskandidaten für Pankow, der Wolfgang Thierse nachfolgte, Klaus Mindrup, mit dem ich auch Nächte plaudernd auf meinem Balkon noch verbrachte, als es ihm gerade nicht so gut ging, kann ich sagen, ein menschlich 100% zuverlässiger Typ, der sich konsequent für das engagiert, an was er glaubt. Er steht für das, was er sagt und ich halte ihnen für einen absolut integren Mann, dennoch blieben mir seine linke Überzeugungen immer fremd und hätten mir schon früher zeigen können, dass ich vermutlich in der falschen Partei oder genauer eigentlich in einer Partei überhaupt immer falsch war. Betrachte ich, wie er sein Bundestagsmandat gegen Thierse erkämpfte, zeigte sich mir schon, dies war nicht mein Verein und genau daran wollte ich nie teilnehmen, die Notwendigkeiten der Parteipolitik und ihrer Seilschaften blieben mir fremd.
So zeigte sich in vielem in der Parteipolitik großes auch soziales Engagement auf der einen Seite - was der Bezirk auch Klaus Mindrups Engagement und seiner jahrelangen Arbeit hier verdankt, ist sehr viel, aber im Detail zu langweilig als Geschichte erzählt zu werden. Wie überhaupt Politik immer viel Kleinarbeit ist und das Ringen um Kompromisse auf sehr formalen Weg, bei dem sich wohl in jeder Partei auch die Gräben persönlichen Interesses immer wieder öffnen, die dann zu kleinen oder größeren Intrigen beim Kampf um die Macht führen.
So war ich ein Sozi geworden und fühlte mich nie als ein solcher, wollte es nie sein, sondern blieb ein eher konservativer, realpolitischer Demokrat, der aus pragmatischen Gründen eben in der SPD war, in der er sich so wenig zuhause fühlte, wie es mir vermutlich in den meisten Parteien gegangen wäre, was ich mir zu probieren nun erspare. Die Demokratie braucht zur Meinungsbildung wohl Parteien und ich wüsste auch kein besseres System als die parlamentarische Demokratie, um ein Gemeinwesen vernünftig zu regieren, weil die Fähigkeit der großen Gruppe, ihre Kräfte zu bündeln und die besten an die Spitze zu wählen, eben noch die größte Garantie gibt, dass sich ein optimales Ergebnis ergibt. Nur ich bin eben nicht parteikompatibel.
Die SPD ist eine Wiedergründung aus dem Jahre 1945 nach dem Zweiten Weltkrieg. Seit ihrem Godesberger Programm von 1959 bezeichnet sie sich als linke Volkspartei. Als erste Vorläufer der Partei gelten der von Ferdinand Lassalle 1863 gegründete Allgemeine Deutsche Arbeiterverein sowie die 1869 gegründete Sozialdemokratische Arbeiterpartei, die sich 1875 dann zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands zusammenschlossen. Ihren heutigen Namen gab sich die Partei 1890 nach Außerkrafttreten des bismarckschen Sozialistengesetzes und wird darum oft als die älteste Partei des Landes bezeichnet, was sie aber tatsächlich nicht waren, eine liberale Organisation kam ihnen zuvor. Auf dem Parteitag in Erfurt 1891 nachm sie das gleichnamige Programm an, in dem die von Kautsky und Bernstein entworfenen Leitlinien sich wieder stärker dem Marxismus annäherten. Die frühe SPD stand den Gewerkschaften nahe und war noch am revolutionären Marxismus ausgerichtet.
Spätestens nach dem Ende des Ersten Weltkrieges setzte sich dabei Bernsteins Revisionismustheorie gegen die mehrheitlich revolutionäre Parteibasis durch, nach der die angestrebte sozialistische Umwandlung der Gesellschaft durch Reformen nach der Erringung der demokratischen Mach in Wahlen erreicht werden sollte. Eine weitere wichtige Diskussion zu dieser Zeit war die Massenstreikdebatte insbesondere nach der russischen Revolution von 1905. Die Debatte wurde 1906 mit dem Einknicken vor den Gewerkschaften im Mannheimer Abkommen beendet. Durch die Verfolgung unter Bismarck entwickelte die Partei eine hohe Effizienz in ihrer Organisation. Nach dem Tod Bebels 1913, der noch als Vermittler zwischen dem revolutionären und dem reformistischen Flügel der SPD galt, übernahm der als deutlich gemäßigt geltende Friedrich Ebert die Führung der Partei, die er sich mit Hugo Haase teilte.
Nachdem die SPD erst Großdemonstrationen gegen den drohenden Ersten Weltkrieg organisieren wollte, stimmte die Reichstagsfraktion doch der Gewährung von Kriegsanleihen im Eifer des landesweiten Patriotismus zu, ließ sich von Wilhelm II. einwickeln, da sie einen Krieg für unvermeidlich nun hielt. Einzig Karl Liebknecht, der Sohn des Gründers Wilhelm Liebknecht stimmte 1914 noch dagegen. Nach einer Antkriegsdemonstration wurde Liebknecht 1916 verhaftet und blieb dann bis kurz vor Kriegsende in Haft. Einige SPD Mitglieder, die gegen die Unterstützung des Krieges waren, gründeten in dieser Zeit die Unabhängige SPD oder USPD.
Der USPD schloss sich dann der von Liebknecht und Rosa Luxemburg gegründete linksrevolutionäre Spartakusbund an und bildete in der USPD den linken Flügel. Zur USPD wanderten schließlich auch Kautsky und Bernstein ab. In der Weimarer Republik gründete sich das von der SPD dominierte überparteiliche Bündnis des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold, dass der Verteidigung der Demokratie gegen ihre Feinde am linken und rechten Rand diente. In diesem war etwa der Vater des großen konservativen Publizisten Joachim Fest engagiert. Als mit Ende des Ersten Weltkrieges es zu Matrosenaufständen kam und der Krieg eigentlich schon verloren war, übergab Maximilian Prinz von Baden die Regierung an die Mehrheits SPD unter Friedrich Ebert, die wenig vorbereitet, sich den Ereignissen fügte. Ein Teil der USPD und die Spartakisten wollten die Räterepublik, die Liebknecht auch nach Scheidemanns Ausrufung der Republik etwas später noch am Schloss ausrufen ließ.
Um die von der Mehrheit der revolutionären Truppenteile gewünschte Vereinigung von USPD und MSPD wieder zu ermöglichen, gründeten Ebert und Haase den Rat der Volksbeauftragten. Doch schon Ende 1918 scheiterte die Koalition an der Frage des Militäreinsatzes gegen meuternde Matrosen. Die nun allein regierende MSPD fand das Vorgehen einzelner Räte als Verrat an den demokratischen Prinzipien der Arbeiterbewegung. Als während des Spartakusaufstandes dann die Volksbeauftragtenregierung angegriffen wurde, wendete sich die Regierung an die alte militärische Führung und die Freikorpsführer. Mit der blutigen Niederschlagung des Aufstandes setzte sich MSPD durch und der damalige Reichswehrminister Gustav Noske erhielt infolge den Beinamen Bluthund, den er durch eigene Äußerungen errang. Den Morden in dieser Zeit fielen auch Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zum Opfer, die bis heute als Heilige der Linken götzenartig verehrt werden.
Die USPD schloss sich später mit ihrem revolutionären Flügel der KPD an und wurde im übrigen zwischen SPD und KPD zerrieben. In der Weimarer Republik stellte die SPD mit Friedrich Ebert bis 1925 den Reichspräsidenten und war bis 1920 an allen Reichsregierungen beteiligt. Später war sie nur noch von 1928 bis 1930 im Kabinett Müller in der Großen Koalition an der Regierung beteiligt. In Preußen stellte sie dagegen mit Otto Braun, einem der verdientesten Sozialdemokraten, von 1920 bis 1932 fast durchgehend den Ministerpräsidenten.
Dem Aufstieg der NSDAP, deren Wähler sich vor allem aus Jung- und Nichtwählern rekrutierte, hatte die SPD wenig entgegenzusetzen, sie konzentrierte sich auf ihr gewerkschaftsnahes Klientel aus Facharbeitern. Während des Nationalsozialismus gehörten die Sozialdemokraten zu den ersten, die verfolgt wurden und der letzte große Akt des Widerstandes war die Ablehnung des Ermächtungsgesetzes, mit dem Hitler seine Macht undemokratisch ähnlich wie heute Erdogan ausdehnen wollte, durch die 88 noch nicht verhafteten Abgeordneten der SPD. Am 22. Juni wurde die SPD aufgrund eines Aufrufs der SPD-Führung zum Sturz des nationalsozialistischen Regimes durch den Reichsinnenminister verboten. In den darauffolgenden Tagen lösten sich alle Parteien bis auf die NSDAP freiwillig auf. Gegen viele SPD Mitglieder erging ein Berufsverbot, zahlreiche kamen in sogenannte Schutzhaft oder landeten in Konzentrationslagern. Einzelne SPD Mitglieder wie Julius Leber, Adolf Reichwein und Wilhelm Leuschner waren an der Planung des Attentats vom 20. Juli 1944 beteiligt oder gehörten dem Kreisauer Kreis an.
Nach dem Krieg gründete Kurt Schumacher von Hannover aus die SPD wieder, gleichzeitig gründete ein Kreis um Otto Grotewohl die SPD in Berlin für die SBZ. Der Gründungsparteitag fand 1946 in Hannover in einem Saal der Hanomag statt. In der SBZ, also in Ostdeutschland erzwang die KPD den Zusammenschluss und wurde dabei durch Druck des sowjetischen Militärs unterstützt und so entstand dort im April 1946 durch Zwangshochzeit die SED als Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, deren auch finanzielle Erbin nach dem Untergang der DDR die heute sogenannte Linke wurde.
In der Bundesrepublik blieb die SPD bis 1966 in der Opposition. Wurde dann zunächst Partner einer großen Koalition unter Kiesinger mit dem vorher Bürgermeister von Berlin Willy Brandt als Außenminister. In dieser Zeit arbeiteten SPD Wirtschaftminister Karl Schiller und der Finanzminister von der CSU Franz Josef Strauß sehr effektiv zusammen und wurden als “Plisch und Plum” bekannt.
Darauf folgte die sozialliberale Koalition erst unter Bundeskanzler Willy Brandt und dann ab 1974, nachdem Brandt über seinen engen Mitarbeiter den DDR Spion Günter Guillaume stolperte oder freiwillig zurücktrat kam Helmut Schmidt der beste und beliebteste Bundeskanzler, der schließlich 1982 durch Helmut Kohl und die fahnenflüchtige FDP wieder gestürzt wurde. In die Zeit Brandts fiel die neue Ostpolitik der Öffnung und Verständigung sowie der Warschauer Kniefall. Helmut Schmidt hatte im Deutschen Herbst mit der RAF zu kämpfen, bei der er sich letztlich mit seiner harten Linie, dass mit Terroristen nicht verhandelt wird durchsetzte.
Von 1982 bis 1998 saß die SPD nun gegen Kohl in der Opposition und scheiterte mit verschiedensten Kandidaten zu denen auch Oskar Lafontaine zählte. Die Macht errang jedoche erst Gert Schröder wieder, der in einer Koalition mit den Grünen regierte, bis Angela Merkel ihn nach der von ihm durch ein verfälschtes Misstrauensvotum erzwungenen Neuwahl im September 2005 ablöste. Schröder leistete durch seine Reform der Sozialpolitik in der Agenda 2010 großes für das Land auch gegen Willen der Partei. Die SPD regierte zunächst in einer Großen Koalition ohne Schröder mit, saß dann von 2009 bis 2013 in der Opposition gegen die CDU FDP Koalition und ist seit 2013 wieder in einer großen Koalition unter Merkel als Juniorpartner geführt noch von Gabriel. Dabei ließ die SPD über den Koalitionsvertrag erstmals ein Mitgliedervotum durchführen, das im Ergebnis wie von Gabriel gewünscht zustimmte, nachdem er als Parteivorsitzender das bisher schlechteste Wahlergebnis eingefahren hatte, was er durch die Abstimmung geschickt vergessen ließ.
Ihre Wurzeln hat die SPD nach ihrer eigenen Überzeugung in Judentum, Christentum, Aufklärung, Humanismus, marxistischer Gesellschaftsanalyse, was schon vom Wort her bei mir immer inneren Widerstand auslöst, und den Erfahrungen der Arbeiterbewegung. Derzeit regiert die SPD im Bund und in 13 Ländern mit, in 9 davon stellt sie auch den Regierungschef. Übernational ist die SPD Teil der SPE, der Sozialdemokratischen Partei Europas und der Progressiven Allianz, dafür lässt sie ihre Mitgliedschaft in der Sozialistischen Internationalen, der sie seit ihrer Gründung angehörte, seit Meinungsverschiedenheiten 2013 ruhen.
Nach den Prinzipien des Open Space finden sich in Parteien verschiedene Flügel und Interessengruppen wieder, die versuchen ihre speziellen Interessen irgendwie durchzusetzen und werden dabei möglichst noch parteiintern durch ihre Gegner korrigiert, um ein möglichst optimales Ergebnis für die Gemeinschaft zu erreichen. So denke ich beispielsweise, der Kandidat der SPD Pankow ist schon der optimale, den sie finden konnte, auch wenn ich eher meinen lieben Freund M auf diesem Posten gesehen hätte, aber der hatte eben keine Mehrheit hier und nicht die Möglichkeit sie sich dafür zu organisieren. Doch mag ich mich ungern einer Mehrheit fügen, die nicht meine Meinung vertritt und mich dann noch nach außen hin etwa im Wahlkampf für sie engagieren, was zwar gute demokratische Tradition sein mag, bei der ich aber lieber als Beobachter daneben stehe.
Über die Arbeit in der Partei lernte ich einige sehr interessante Persönlichkeiten kennen, wie etwa Klaus Wowereit, den damals regierenden Bürgermeister, seinen Staatssekretär für Kultur André Schmitz oder seinen Nachfolger Müller, der mir vermutlich politisch in vielem näher stand und den ich auch ohne tieferes Wissen aufgrund persönlicher Empfindung und Erfahrung für einen absolut integren Mann halte, der auch schon manche Verwundung in den üblen Grabenkämpfen der Berliner Sozialdemokratie zwischen ihren Flügeln erlitt. Auch den früheren Bürgermeisters meines Bezirks, den ich einen integren, korrekten Beamten eher nennen würde als einen Politiker lernte ich bei meiner Arbeit kenne, die immer mehr persönlichen Überzeugungen folgte als einer Parteilinie oder erwartbaren Mehrheiten. Solches Verhalten ist für denjenigen, der irgendwie hofft vielleicht über die Partei einen Job zu finden, eher unklug.
Besser hätte ich mich angepasst und wäre im Strom der hier linken Mehrheit geschwommen, die eine Koalition mit der SED-Nachfolgeorganisation Linke befürwortete, sehnsüchtig von Lafontaine schwärmte, dem viele von ihnen noch zugejubelt hatten. Letzterer, der nun in der Linken seine neue Heimat fand, war für mich schon immer ein unerträglicher Demagoge, der gerne Massen populistisch bewegte und der sich nicht umsonst mit der an Aufmerksamkeit immer sehr interessierten, intelligenten und bildhübschen Linken Wagenknecht verband. Doch ich war ein naiver Überzeugungstäter auch in der Partei, der sich keine Netzwerke taktisch klug aufbaute, eher verschämt davon sprach eben in der SPD zu sein, auch wenn ich nicht ganz hinein passte in diese ehemalige Arbeiterpartei.
So wurde ich nie viel dort und meine Karriere hielt sich bis auf das Amt des Sprechers des Arbeitskreises Kultur in überschaubaren Grenzen. Dennoch besuchte ich zunächst möglichst alle Parteiversammlungen, diskutierte engagiert und aus Überzeugung und wurde bald in die passende Schublade gesteckt, hatte entschiedene Gegner und wäre ohne die Unterstützung des erfahrenen M vermutlich noch schneller vor die Wand gerannt, als ich es so schon tat.
Die Vereinsfragen langweilten mich unendlich und die organisatorischen Debatten, bei denen vor Wahlen immer politisch korrekt so lange gequotet wurde, bis alle gewünschten Teilnehmer ihren Posten hatten und sich keiner diskriminiert fühlen musste, fand ich geradezu unerträglich, akzeptierte sie aber als den gesetzlich notwendigen Teil der Demokratie. Wie Churchill dachte ich oft, grauenhaft diese Demokratie aber immer noch das bestmögliche, was wir überhaupt haben können und so fügte ich mich eben in das, was für Parteimitglieder notwendig ist, nahm an den ewigen Wahlen von Kandidaten teil, bei denen immer die Formalien ein vielfaches der Zeit gegenüber der inhaltlichen Debatte einnahmen. Vielleicht sollte es umgekehrt sein, weil es Parteien doch um Inhalte und ihre Durchsetzung geht, dachte ich und machte zunehmend nur noch mit, was mir eher als Beschäftigungstherapie erschien.
Schaute ich mir dagegen an, wie Gabriel an der Spitze der Partei ihren neuen Kandidaten und vermutlich bald Vorsitzenden vorsetzte, wurde mir wieder klar, wie die Demokratie zwar scheinbar von unten durch Wahl organisiert ist, tatsächlich aber in den Parteien durch starke Führer zum gewünschten Ergebnis gebracht wird. Erstaunlich fand ich immer mit welcher Begeisterung das Fußvolk der Parteien diesen Vorgaben fast blind folgt. Der gerade Aufschwung um den Kandidaten Schulz scheint mir ein typisches Ergebnis dieser Volksverführung durch geschicktes Marketing, das einen neuen Führer ohne Diskussion erhält sondern nach einsamer Entscheidung vorgesetzt bekommt, für die der Entscheider dann noch in seiner vermeintlichen Bescheidenheit als besonders großer Demokrat gelobt wird.
Dieser Sigmar Gabriel war auch für mich Grund genug, aus der Partei, in der ich nie heimisch wurde, wieder auszutreten, lange bevor Schulz Kandidat wurde und mich aus der langweiligen Vereinsmeierei völlig zurückzuziehen, auch wenn diese im Detail so wichtiges bewirken konnte, es lag mir einfach nicht, mich zu verbiegen, um als Kompromiss irgendwelche Ziele zu erreichen, falls sich nicht zufällig die Parteifreunde gegen mich verbündeten und blockierten, was sachlich ihnen vielleicht auch notwendig erschien, sie aber aus taktischen Gründen nicht mittragen wollten. So funktioniert die Parteiendemokratie eben und es gibt viele auch kluge Leute, die sich dem beugen, weil sie die Sache der Demokratie für wichtiger halten, als ihnen die dafür nötigen Kompromisse schwer fielen.
Es ist ehrenwert, sich dafür zu engagieren und dieser persönliche Bericht über meine Zeit in der SPD soll keinesfalls in Politikerschelte ausarten. Im Gegenteil habe ich die meisten Profis auf diesem Gebiet als sehr ehrenwerte und oft auch persönlich engagierte Menschen kennengelernt, die trotz der widrigen Umstände immer auch für Ideale kämpften, um etwas Größeres zu erreichen. Dies ist wichtig und mehr zu loben, als das immer Gemecker der Stammtische und Nörgler, wie sie sich in den Reihen der Pegiden so zahlreich finden, die aber selten von Ahnung über die tatsächlichen Notwendigkeiten im politischen Alltag geprägt ist. Etwas tun, ist besser als nichts tun und nur meckern.
Habe viel gelernt über das tatsächliche Funktionieren der Demokratie, ihre seltsam verwaltete Verwandte in Berlin und die Durchsetzung von Kompromissen, politischen Realismus und zugleich persönliche Auseinandersetzungen, die bei vielem wichtiger sind als die Sache an sich. So gesehen bin ich dankbar, auch gelernt zu haben, wie nötig es ist, sich Netzwerke aufzubauen, um Ziele zu erreichen, was mir noch völlig fremd blieb, der ich eher als Einzelkämpfer über Prinzipien diskutierte, statt erst zu erfühlen und genau zu recherchieren, was überhaupt machbar war, mich aus Prinzip und Überzeugung für Dinge einsetzte. Damit kommst du in Parteien nicht weit, sondern rennst gegen Wände, die mit der Zeit immer stärker werden und du spürst plötzlich, warum die Steigerung von Feind zu Erzfeind ihren Superlativ im Parteifreund findet.
Entsprechend folgte ich auch bei der Mitgründung eines konservativen Oppositionskreises in der Pankower SPD, der sich gegen die linke Mehrheit in Prenzlauer Berg und damit auch den dort gewählten Vorsitzenden wendete, meiner Überzeugung. Verstand erst hinterher, als die Sache als gescheitert aufgegeben wurde, weil alle Revolutionäre mit den Stimmen der Mehrheit wieder von den relevanten Posten verdrängt wurden, dass es immer zugleich um Mehrheiten in der Organisation geht und alle auch taktischen Interessen folgen. Viele der Teilnehmer dieses ehemals Schönhauser Kreises gehörten auch schon in der DDR der Opposition an, hatten sich in Wendezeiten verdient gemacht und einige waren Mitgründer der SDP in Schwante 1989. SDP nannte sich die SPD in der DDR bis 1. Januar 1990, als sie langfristig an Einigung und Aufgehen in der großen SPD interessiert, sich umbenannte, weil von den revolutionären Ereignissen überholt.
In dieser Zeit hatte ich auch die Chance mit einem der Veteranen von damals, einem Abgeordneten und Verleger, ein Buch zum Jubiläum der Wende zu erstellen, in dem Teilnehmer von damals berichteten, wie sie den 9. November 1990 erlebten. Ein für mich als Wessi unheimlich spannendes Projekt, in dem ich viele interessante Geschichten aus der Zeit des Umbruchs zu hören bekam und tolle Menschen kennenlernen durfte. Denke ich etwa an die atemberaubende Geschichte, die ein später Bauunternehmer und Abgeordneter über die Besetzung des Waffenlagers der Stasi in Weißensee erzählte, scheint mir der später um ihn inszenierte Skandal, in dem ihm Vorteilsannahme bei der Auftragsvergabe vorgeworfen wurde, als typisch kleinlich parteilich und ein weiterer Ausdruck des Machtkampfes des linken Flügels gegen die inzwischen Minderheit der bürgerlicher oder doch konservativer denkenden Gründer der Pankower SPD.
So ist vieles aus der Nähe betrachtet oft kleinlicher und von persönlichen Abneigungen geprägt, als es sein sollte, warum ich immer mehr auch in der Partei in innere Opposition geriet und mich fragte, was wollte ich hier und was machte ich da noch. Wenn ich langfristig ein Amt wollte, müsste ich mich um Mehrheiten bemühen und mich fügen, was ich nicht vorhatte. Auch wurde mir manche Abneigung zu schnell persönlich und intrigenhaft böse, eben typisch politisch auch, als das sie meinen Überzeugungen je entsprechen konnte. Fand etwa den, dem linken Flügel zugehörigen Vorsitzenden, persönlich sehr sympathisch, auch wenn er mich vermutlich als Rechten in der linken SPD ganz furchtbar fand, was ich aber nie erfahren habe und so scheint mir vieles in den Parteien mehr von Zuordnung und Flügeln geprägt als von Überzeugung oder sachlich getragen.
Schaue ich etwa Angela Merkel an, halte ich sie für die beste und fähigste Kanzlerin, jedem Populismus abhold, persönlich unbestechlich erledigt sie ihre Arbeit zuverlässig und sehr gut, zeigte, als es nötig war, große Menschlichkeit, steht für die Ideale der Aufklärung und übernimmt da Führung und Verantwortung, wo es nötig ist. Vergleiche ich sie mit einem Schulz, scheint mir der Gegensatz zu der erfahrenen Kanzlerin in schwierigen Zeiten noch größer, ohne auf dessen private Defizite oder bisherigen Verfehlungen in seiner Karriere als politischer Millionär weiter eingehen zu wollen.. Dennoch fühle ich innerlich eine große Abneigung je die CDU zu wählen, auch wenn ich fest davon überzeugt bin, dass sie die bestmögliche in diesem Fall ist. So werde ich mich noch bis zur Wahl mit dieser Frage ein wenig quälen als verantwortungsbewusster Bürger und bin froh in keiner Partei mehr zu sein und lieber meine politische Meinung schriftlich zu äußern statt parteilicher Kompromisse.
jens tuengerthal 17.3.2017
In meiner Familie galt es als verpönt in eine Partei einzutreten. Die Vorfahren waren kaisertreu und gegen Hitler, der Großvater väterlicherseits wurde nach dem 20. Juli 1944 degradiert, weil er auf den Listen von Goerdeler stand, ein Nazi war er nie, die fand er peinlich, wie seinen Bruder den Pastor, der bei denen Karriere machte und die Urgroßeltern mütterlicherseits hatten im Krieg angeblich ein jüdisches Ehepaar versteckt, der andere Urgroßvater mütterlicherseits, den ich noch kennenlernte, wenn er wie der alte dicke Churchill mit seiner Zigarre im Sessel saß und mit seinen Schildkröten spielte, saß damals einen Tag im Knast, weil er seinen jüdischen Bankier freundlich auf der Straße grüßte, als ihn die SA abführte, war für ihn eine Ehrensache und nur seine Belegschaft hat ihn angeblich wieder aus der Haft gebrüllt. So jedenfalls die Gerüchte der Großmutter. Früher waren sie Nachbarn von Hindenburgs in Hannover gewesen und ähnliche Geschichten mehr bekam ich als Kind zu hören. Sie spielte mit Prinz Louis Ferdinand vierhändig Klavier und mit ihm und Prinzessin Kira zusammen Bridge, kannte die Queen noch als kleines Mädchen aus dem Nachbargarten in London. Wusste zwar nie so genau, wo bei meiner Großmutter die Phantasie anfing und wann sie mit ihr durchging. Auch die Geschichte, als sie mit ihrer besten Freundin als Schulmädchen am traditionellen Bremer Mädchengymnasium Kippenberg zum 1. Mai die schwarz-rot-goldene Fahne einzog und die kaiserliche schwarz-weiß-rote raushängte, erzählte sie immer wieder gern. Sie waren Deutschnational aber nie Nazis oder Sozen. Ähnlich der Großvater väterlicherseits, dessen Kontakte zum Widerstand aus seiner Zeit als Kadett in Lichterfelde resultieren. Er gab sich preußisch und frei. Historisch taugliche Belege für ihre Opposition habe ich nie gesucht, mir privat genügte die erklärte Haltung.
Doch hätten meine Großeltern wohl im Grab rotiert, wenn sie gehört hätten, dass ihr Enkel ein Soze geworden ist. Zum Glück ist niemand mehr nach dem Tod, erfährt nichts je dann und kann einem also egal sein eigentlich, wäre da nicht auch die Ehre der Familie, deren Name ich trage und die für gute Bildungsbürgerlichkeit steht aber nie für linke Opposition, noch leider als große Freiheitskämpfer bekannt wurden. Einmal erzählte mein Großvater mir, ein Vorfahre in Gotha oder irgendwo da hätte das von abgelegt zur Zeit der Revolution von 1848 - habe das eine zeitlang stolz geglaubt, bis ich in den Gotha schaute, das Lexikon des deutschen Adels, in dem keine Spur davon zu finden war. Zumindest aber bezogen sich Teile der Familie wie mein Großvater väterlicherseits, der später Diplomat in Paris und Brüssel für die NATO war und meine Großmutter mütterlicherseits gern auf die großbürgerlichen Vorfahren und die hohen Freunde, wuchs ich in manchem ähnlich auf, wie es noch in den Buddenbrooks geschildert wird, wenn auch um über hundert Jahre in der Zeit versetzt.
Mit den Buddenbrooks hatte ich mich schon beim ersten Lesen identifiziert und wie nah waren sie mir jedesmal an Weihnachten, was wir ganz ähnlich lange zelebrierten. Die Stelle an der Konsul Buddenbrook teilweise auf plattdeutsch zu den aufgeregten Arbeitern sprach und diese Darstellung der Revolution war mir sehr nah. Im Leistungskurs Geschichte noch, stritt ich mich gern mit meinem Lehrer einem überzeugten linken Sozi, der nach 1968 auf den Spuren von Brandt in die Partei eintrat. Da vertrat ich die bürgerlich liberale Position, wie ich sie aus der FAZ, die es bei uns zuhause natürlich gab, kannte.
Kurz gesagt, alles sprach dagegen, dass ausgerechnet ich in die als links geltende Berliner SPD eintrat und dennoch tat ich es, als ich irgendwann als junger Vater, nach verschiedenem mehr oder weniger missglückten Engagement in der Führung der Kinderläden meiner Tochter meinte, mich sozial mehr engagieren zu müssen, in der Stadt, in der meine Tochter aufwuchs, heimisch werden wollte und mir ganz nebenbei noch einen Job erhoffte, die doch so häufig gern im politischen Kontext in Berlin vergeben wurden, wie ich oft hörte.
Warum dann ausgerechnet die SPD, warum nicht die Grünen oder die FDP, vielleicht die CDU?
Die CDU kam für mich als Atheisten nicht infrage, unter Kohl groß geworden war der Verein für mich untragbar und eine Partei mit C kam ohnehin nicht infrage für einen, der sich für Laizismus in Europa einsetzte. Die FDP wurde damals noch von Westerwelle geführt und mehr muss dazu wohl nicht gesagt werden, war peinlich, trat für noch mehr Liberalisierung ein als die Regierung Schröder/Fischer, die ich eigentlich gut fand. Die Grünen wollte ich nicht, auch wenn ich viele wie Joschka noch aus alten Frankfurter Zeiten kannte, von den Demos gegen die Startbahnwest und ähnlichen populistischen Veranstaltungen meiner Jugend voller Überzeugungen, zu denen du als normaler Jugendlicher im Rhein-Main-Gebiet, ich lebte ja als Kind in Schwanheim und später in Bad Vilbel, einfach gingst, ich eine zeitlang sogar bei Greenpeace engagiert war, weil sie mir zu religiös im ökologischen Sinne waren. Sie waren mir in ganz vielem sympathisch aber schienen mir auch eine ganzheitliche Glaubensgemeinschaft zu sein und vor so etwas lief ich schon immer lieber weg.
Wohnte damals umme Ecke vom Kollwitzplatz und Wolfgang Thierse, damals Bundestagspräsident, wohnte quasi über den Friedhof in meinem Rücken, wir kannten uns vom Sehen auf dem Markt - oder besser ich hatte ihn gesehen und erkannt, er mich vermutlich bis dahin nie wahrgenommen. Aber dieser Mann aus der DDR Opposition gefiel mir, dachte er wäre auch so ein evangelischer Pastor, welch Irrtum, er war katholisch. Er war der Grund warum ich online in die SPD eintrat und so schließlich zu einer Veranstaltung meiner Abteilung, wie die Ortsvereine in Berlin heißen, auf einem Spielplatz in der Nähe kam, zu der auch Thierse erwartet wurde.
Ahnte noch nicht, welche Kämpfe in Parteien unter der Oberfläche gären, wie viele sich benachteiligt fühlen und darum immer allen potentiellen Gegnern auflauern, es nichts dringenderes gibt, als sich unter Parteifreunden öffentlich zu schädigen, Misstrauen die sicherste innerparteiliche Währung ist. Fand es freundlich wie Thierse den neuen jungen Vorsitzenden begrüßte und erfuhr erst viel später, dass er zuvor alles getan hatte, was ihm möglich war, dessen Wahl im Bezirk Pankow zu verhindern und also zeigte sich, egal wie hoch einer in der Hierarchie der Partei sitzt, gibt es doch immer noch viele, die alles tun werden, ihm Grenzen aufzuzeigen. War das nun basisdemokratisch schön oder widerlicher Trotz, fragte ich mich?
Dafür lernte ich bald meinen späteren Freund M kennen, der mit Thierse offensichtlich befreundet war, wie dieser ein irgendwie Eingeborener des Prenzlauer Berg war, nur bei ihm tatsächlich, Thierse war ja erst nach der Flucht aus Schlesien über Thüringen später auf dem Berg angekommen, während M tatsächlich hier geboren und mit Blick auf die Mauer aufgewachsen war. Ein waschechter Ostberliner also. Als Kind aus Künstlerkreisen, selbst ein hochbegabter Zeichner hatte er viel für die Sozialdemokratie in Prenzlauer Berg getan in den letzten Jahren, mehr als die allermeisten der Zugereisten und blieb doch immer ein oppositioneller und Preuße in vielem dabei, schätzte den großen Otto Braun. Beide waren wir historisch interessiert, tranken gern guten Wein, er war sogar Mitgründer des besten Weinrestaurants hier am Berg. Es war ein günstiges Zusammentreffen, bei dem die Partei nicht störte und das sich vielfältig gut ergänzte.
Im Grunde ist es M zu verdanken, dass ich dann doch trotz steigendem inneren Widerwillen viele Jahre in der Partei blieb und mich wie er in der Kulturpolitik mit engagierte, in der er für den Bezirk an ganz vielen Fronten vorbildliche Arbeit leistete. Dass diese Partei nicht ihn irgendwann in den Bundestag oder ins Abgeordnetenhaus schickte, ist für mich das beste Zeichen einer fortgesetzten Vetternwirtschaft des Klientels der Flügel einer Partei, die sich intern bekämpfen und deren Methoden mit Stasi Gewohnheiten zu vergleichen, mir teilweise nicht zu hart erscheint, warum ich irgendwann doch unhaltbar die Flucht ergriff, es blieb mir diese Arbeiterpartei, die sich manchmal gerne sozialistisch nennt und dann auch Genosse der Bosse sein will, innerlich immer fremd.
Der Fairness halber sei aber klar gesagt, es gibt in dieser Partei, wie vermutlich in allen, bei denen ich es sonst nicht so gut beurteilen kann, sehr viele unheimlich engagierte Leute, die zum großen Teil ehrenamtlich mehr für ihre Umgebung tun, als diese ahnt. Nehme ich etwa den jetzigen Bundestagskandidaten für Pankow, der Wolfgang Thierse nachfolgte, Klaus Mindrup, mit dem ich auch Nächte plaudernd auf meinem Balkon noch verbrachte, als es ihm gerade nicht so gut ging, kann ich sagen, ein menschlich 100% zuverlässiger Typ, der sich konsequent für das engagiert, an was er glaubt. Er steht für das, was er sagt und ich halte ihnen für einen absolut integren Mann, dennoch blieben mir seine linke Überzeugungen immer fremd und hätten mir schon früher zeigen können, dass ich vermutlich in der falschen Partei oder genauer eigentlich in einer Partei überhaupt immer falsch war. Betrachte ich, wie er sein Bundestagsmandat gegen Thierse erkämpfte, zeigte sich mir schon, dies war nicht mein Verein und genau daran wollte ich nie teilnehmen, die Notwendigkeiten der Parteipolitik und ihrer Seilschaften blieben mir fremd.
So zeigte sich in vielem in der Parteipolitik großes auch soziales Engagement auf der einen Seite - was der Bezirk auch Klaus Mindrups Engagement und seiner jahrelangen Arbeit hier verdankt, ist sehr viel, aber im Detail zu langweilig als Geschichte erzählt zu werden. Wie überhaupt Politik immer viel Kleinarbeit ist und das Ringen um Kompromisse auf sehr formalen Weg, bei dem sich wohl in jeder Partei auch die Gräben persönlichen Interesses immer wieder öffnen, die dann zu kleinen oder größeren Intrigen beim Kampf um die Macht führen.
So war ich ein Sozi geworden und fühlte mich nie als ein solcher, wollte es nie sein, sondern blieb ein eher konservativer, realpolitischer Demokrat, der aus pragmatischen Gründen eben in der SPD war, in der er sich so wenig zuhause fühlte, wie es mir vermutlich in den meisten Parteien gegangen wäre, was ich mir zu probieren nun erspare. Die Demokratie braucht zur Meinungsbildung wohl Parteien und ich wüsste auch kein besseres System als die parlamentarische Demokratie, um ein Gemeinwesen vernünftig zu regieren, weil die Fähigkeit der großen Gruppe, ihre Kräfte zu bündeln und die besten an die Spitze zu wählen, eben noch die größte Garantie gibt, dass sich ein optimales Ergebnis ergibt. Nur ich bin eben nicht parteikompatibel.
Die SPD ist eine Wiedergründung aus dem Jahre 1945 nach dem Zweiten Weltkrieg. Seit ihrem Godesberger Programm von 1959 bezeichnet sie sich als linke Volkspartei. Als erste Vorläufer der Partei gelten der von Ferdinand Lassalle 1863 gegründete Allgemeine Deutsche Arbeiterverein sowie die 1869 gegründete Sozialdemokratische Arbeiterpartei, die sich 1875 dann zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands zusammenschlossen. Ihren heutigen Namen gab sich die Partei 1890 nach Außerkrafttreten des bismarckschen Sozialistengesetzes und wird darum oft als die älteste Partei des Landes bezeichnet, was sie aber tatsächlich nicht waren, eine liberale Organisation kam ihnen zuvor. Auf dem Parteitag in Erfurt 1891 nachm sie das gleichnamige Programm an, in dem die von Kautsky und Bernstein entworfenen Leitlinien sich wieder stärker dem Marxismus annäherten. Die frühe SPD stand den Gewerkschaften nahe und war noch am revolutionären Marxismus ausgerichtet.
Spätestens nach dem Ende des Ersten Weltkrieges setzte sich dabei Bernsteins Revisionismustheorie gegen die mehrheitlich revolutionäre Parteibasis durch, nach der die angestrebte sozialistische Umwandlung der Gesellschaft durch Reformen nach der Erringung der demokratischen Mach in Wahlen erreicht werden sollte. Eine weitere wichtige Diskussion zu dieser Zeit war die Massenstreikdebatte insbesondere nach der russischen Revolution von 1905. Die Debatte wurde 1906 mit dem Einknicken vor den Gewerkschaften im Mannheimer Abkommen beendet. Durch die Verfolgung unter Bismarck entwickelte die Partei eine hohe Effizienz in ihrer Organisation. Nach dem Tod Bebels 1913, der noch als Vermittler zwischen dem revolutionären und dem reformistischen Flügel der SPD galt, übernahm der als deutlich gemäßigt geltende Friedrich Ebert die Führung der Partei, die er sich mit Hugo Haase teilte.
Nachdem die SPD erst Großdemonstrationen gegen den drohenden Ersten Weltkrieg organisieren wollte, stimmte die Reichstagsfraktion doch der Gewährung von Kriegsanleihen im Eifer des landesweiten Patriotismus zu, ließ sich von Wilhelm II. einwickeln, da sie einen Krieg für unvermeidlich nun hielt. Einzig Karl Liebknecht, der Sohn des Gründers Wilhelm Liebknecht stimmte 1914 noch dagegen. Nach einer Antkriegsdemonstration wurde Liebknecht 1916 verhaftet und blieb dann bis kurz vor Kriegsende in Haft. Einige SPD Mitglieder, die gegen die Unterstützung des Krieges waren, gründeten in dieser Zeit die Unabhängige SPD oder USPD.
Der USPD schloss sich dann der von Liebknecht und Rosa Luxemburg gegründete linksrevolutionäre Spartakusbund an und bildete in der USPD den linken Flügel. Zur USPD wanderten schließlich auch Kautsky und Bernstein ab. In der Weimarer Republik gründete sich das von der SPD dominierte überparteiliche Bündnis des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold, dass der Verteidigung der Demokratie gegen ihre Feinde am linken und rechten Rand diente. In diesem war etwa der Vater des großen konservativen Publizisten Joachim Fest engagiert. Als mit Ende des Ersten Weltkrieges es zu Matrosenaufständen kam und der Krieg eigentlich schon verloren war, übergab Maximilian Prinz von Baden die Regierung an die Mehrheits SPD unter Friedrich Ebert, die wenig vorbereitet, sich den Ereignissen fügte. Ein Teil der USPD und die Spartakisten wollten die Räterepublik, die Liebknecht auch nach Scheidemanns Ausrufung der Republik etwas später noch am Schloss ausrufen ließ.
Um die von der Mehrheit der revolutionären Truppenteile gewünschte Vereinigung von USPD und MSPD wieder zu ermöglichen, gründeten Ebert und Haase den Rat der Volksbeauftragten. Doch schon Ende 1918 scheiterte die Koalition an der Frage des Militäreinsatzes gegen meuternde Matrosen. Die nun allein regierende MSPD fand das Vorgehen einzelner Räte als Verrat an den demokratischen Prinzipien der Arbeiterbewegung. Als während des Spartakusaufstandes dann die Volksbeauftragtenregierung angegriffen wurde, wendete sich die Regierung an die alte militärische Führung und die Freikorpsführer. Mit der blutigen Niederschlagung des Aufstandes setzte sich MSPD durch und der damalige Reichswehrminister Gustav Noske erhielt infolge den Beinamen Bluthund, den er durch eigene Äußerungen errang. Den Morden in dieser Zeit fielen auch Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zum Opfer, die bis heute als Heilige der Linken götzenartig verehrt werden.
Die USPD schloss sich später mit ihrem revolutionären Flügel der KPD an und wurde im übrigen zwischen SPD und KPD zerrieben. In der Weimarer Republik stellte die SPD mit Friedrich Ebert bis 1925 den Reichspräsidenten und war bis 1920 an allen Reichsregierungen beteiligt. Später war sie nur noch von 1928 bis 1930 im Kabinett Müller in der Großen Koalition an der Regierung beteiligt. In Preußen stellte sie dagegen mit Otto Braun, einem der verdientesten Sozialdemokraten, von 1920 bis 1932 fast durchgehend den Ministerpräsidenten.
Dem Aufstieg der NSDAP, deren Wähler sich vor allem aus Jung- und Nichtwählern rekrutierte, hatte die SPD wenig entgegenzusetzen, sie konzentrierte sich auf ihr gewerkschaftsnahes Klientel aus Facharbeitern. Während des Nationalsozialismus gehörten die Sozialdemokraten zu den ersten, die verfolgt wurden und der letzte große Akt des Widerstandes war die Ablehnung des Ermächtungsgesetzes, mit dem Hitler seine Macht undemokratisch ähnlich wie heute Erdogan ausdehnen wollte, durch die 88 noch nicht verhafteten Abgeordneten der SPD. Am 22. Juni wurde die SPD aufgrund eines Aufrufs der SPD-Führung zum Sturz des nationalsozialistischen Regimes durch den Reichsinnenminister verboten. In den darauffolgenden Tagen lösten sich alle Parteien bis auf die NSDAP freiwillig auf. Gegen viele SPD Mitglieder erging ein Berufsverbot, zahlreiche kamen in sogenannte Schutzhaft oder landeten in Konzentrationslagern. Einzelne SPD Mitglieder wie Julius Leber, Adolf Reichwein und Wilhelm Leuschner waren an der Planung des Attentats vom 20. Juli 1944 beteiligt oder gehörten dem Kreisauer Kreis an.
Nach dem Krieg gründete Kurt Schumacher von Hannover aus die SPD wieder, gleichzeitig gründete ein Kreis um Otto Grotewohl die SPD in Berlin für die SBZ. Der Gründungsparteitag fand 1946 in Hannover in einem Saal der Hanomag statt. In der SBZ, also in Ostdeutschland erzwang die KPD den Zusammenschluss und wurde dabei durch Druck des sowjetischen Militärs unterstützt und so entstand dort im April 1946 durch Zwangshochzeit die SED als Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, deren auch finanzielle Erbin nach dem Untergang der DDR die heute sogenannte Linke wurde.
In der Bundesrepublik blieb die SPD bis 1966 in der Opposition. Wurde dann zunächst Partner einer großen Koalition unter Kiesinger mit dem vorher Bürgermeister von Berlin Willy Brandt als Außenminister. In dieser Zeit arbeiteten SPD Wirtschaftminister Karl Schiller und der Finanzminister von der CSU Franz Josef Strauß sehr effektiv zusammen und wurden als “Plisch und Plum” bekannt.
Darauf folgte die sozialliberale Koalition erst unter Bundeskanzler Willy Brandt und dann ab 1974, nachdem Brandt über seinen engen Mitarbeiter den DDR Spion Günter Guillaume stolperte oder freiwillig zurücktrat kam Helmut Schmidt der beste und beliebteste Bundeskanzler, der schließlich 1982 durch Helmut Kohl und die fahnenflüchtige FDP wieder gestürzt wurde. In die Zeit Brandts fiel die neue Ostpolitik der Öffnung und Verständigung sowie der Warschauer Kniefall. Helmut Schmidt hatte im Deutschen Herbst mit der RAF zu kämpfen, bei der er sich letztlich mit seiner harten Linie, dass mit Terroristen nicht verhandelt wird durchsetzte.
Von 1982 bis 1998 saß die SPD nun gegen Kohl in der Opposition und scheiterte mit verschiedensten Kandidaten zu denen auch Oskar Lafontaine zählte. Die Macht errang jedoche erst Gert Schröder wieder, der in einer Koalition mit den Grünen regierte, bis Angela Merkel ihn nach der von ihm durch ein verfälschtes Misstrauensvotum erzwungenen Neuwahl im September 2005 ablöste. Schröder leistete durch seine Reform der Sozialpolitik in der Agenda 2010 großes für das Land auch gegen Willen der Partei. Die SPD regierte zunächst in einer Großen Koalition ohne Schröder mit, saß dann von 2009 bis 2013 in der Opposition gegen die CDU FDP Koalition und ist seit 2013 wieder in einer großen Koalition unter Merkel als Juniorpartner geführt noch von Gabriel. Dabei ließ die SPD über den Koalitionsvertrag erstmals ein Mitgliedervotum durchführen, das im Ergebnis wie von Gabriel gewünscht zustimmte, nachdem er als Parteivorsitzender das bisher schlechteste Wahlergebnis eingefahren hatte, was er durch die Abstimmung geschickt vergessen ließ.
Ihre Wurzeln hat die SPD nach ihrer eigenen Überzeugung in Judentum, Christentum, Aufklärung, Humanismus, marxistischer Gesellschaftsanalyse, was schon vom Wort her bei mir immer inneren Widerstand auslöst, und den Erfahrungen der Arbeiterbewegung. Derzeit regiert die SPD im Bund und in 13 Ländern mit, in 9 davon stellt sie auch den Regierungschef. Übernational ist die SPD Teil der SPE, der Sozialdemokratischen Partei Europas und der Progressiven Allianz, dafür lässt sie ihre Mitgliedschaft in der Sozialistischen Internationalen, der sie seit ihrer Gründung angehörte, seit Meinungsverschiedenheiten 2013 ruhen.
Nach den Prinzipien des Open Space finden sich in Parteien verschiedene Flügel und Interessengruppen wieder, die versuchen ihre speziellen Interessen irgendwie durchzusetzen und werden dabei möglichst noch parteiintern durch ihre Gegner korrigiert, um ein möglichst optimales Ergebnis für die Gemeinschaft zu erreichen. So denke ich beispielsweise, der Kandidat der SPD Pankow ist schon der optimale, den sie finden konnte, auch wenn ich eher meinen lieben Freund M auf diesem Posten gesehen hätte, aber der hatte eben keine Mehrheit hier und nicht die Möglichkeit sie sich dafür zu organisieren. Doch mag ich mich ungern einer Mehrheit fügen, die nicht meine Meinung vertritt und mich dann noch nach außen hin etwa im Wahlkampf für sie engagieren, was zwar gute demokratische Tradition sein mag, bei der ich aber lieber als Beobachter daneben stehe.
Über die Arbeit in der Partei lernte ich einige sehr interessante Persönlichkeiten kennen, wie etwa Klaus Wowereit, den damals regierenden Bürgermeister, seinen Staatssekretär für Kultur André Schmitz oder seinen Nachfolger Müller, der mir vermutlich politisch in vielem näher stand und den ich auch ohne tieferes Wissen aufgrund persönlicher Empfindung und Erfahrung für einen absolut integren Mann halte, der auch schon manche Verwundung in den üblen Grabenkämpfen der Berliner Sozialdemokratie zwischen ihren Flügeln erlitt. Auch den früheren Bürgermeisters meines Bezirks, den ich einen integren, korrekten Beamten eher nennen würde als einen Politiker lernte ich bei meiner Arbeit kenne, die immer mehr persönlichen Überzeugungen folgte als einer Parteilinie oder erwartbaren Mehrheiten. Solches Verhalten ist für denjenigen, der irgendwie hofft vielleicht über die Partei einen Job zu finden, eher unklug.
Besser hätte ich mich angepasst und wäre im Strom der hier linken Mehrheit geschwommen, die eine Koalition mit der SED-Nachfolgeorganisation Linke befürwortete, sehnsüchtig von Lafontaine schwärmte, dem viele von ihnen noch zugejubelt hatten. Letzterer, der nun in der Linken seine neue Heimat fand, war für mich schon immer ein unerträglicher Demagoge, der gerne Massen populistisch bewegte und der sich nicht umsonst mit der an Aufmerksamkeit immer sehr interessierten, intelligenten und bildhübschen Linken Wagenknecht verband. Doch ich war ein naiver Überzeugungstäter auch in der Partei, der sich keine Netzwerke taktisch klug aufbaute, eher verschämt davon sprach eben in der SPD zu sein, auch wenn ich nicht ganz hinein passte in diese ehemalige Arbeiterpartei.
So wurde ich nie viel dort und meine Karriere hielt sich bis auf das Amt des Sprechers des Arbeitskreises Kultur in überschaubaren Grenzen. Dennoch besuchte ich zunächst möglichst alle Parteiversammlungen, diskutierte engagiert und aus Überzeugung und wurde bald in die passende Schublade gesteckt, hatte entschiedene Gegner und wäre ohne die Unterstützung des erfahrenen M vermutlich noch schneller vor die Wand gerannt, als ich es so schon tat.
Die Vereinsfragen langweilten mich unendlich und die organisatorischen Debatten, bei denen vor Wahlen immer politisch korrekt so lange gequotet wurde, bis alle gewünschten Teilnehmer ihren Posten hatten und sich keiner diskriminiert fühlen musste, fand ich geradezu unerträglich, akzeptierte sie aber als den gesetzlich notwendigen Teil der Demokratie. Wie Churchill dachte ich oft, grauenhaft diese Demokratie aber immer noch das bestmögliche, was wir überhaupt haben können und so fügte ich mich eben in das, was für Parteimitglieder notwendig ist, nahm an den ewigen Wahlen von Kandidaten teil, bei denen immer die Formalien ein vielfaches der Zeit gegenüber der inhaltlichen Debatte einnahmen. Vielleicht sollte es umgekehrt sein, weil es Parteien doch um Inhalte und ihre Durchsetzung geht, dachte ich und machte zunehmend nur noch mit, was mir eher als Beschäftigungstherapie erschien.
Schaute ich mir dagegen an, wie Gabriel an der Spitze der Partei ihren neuen Kandidaten und vermutlich bald Vorsitzenden vorsetzte, wurde mir wieder klar, wie die Demokratie zwar scheinbar von unten durch Wahl organisiert ist, tatsächlich aber in den Parteien durch starke Führer zum gewünschten Ergebnis gebracht wird. Erstaunlich fand ich immer mit welcher Begeisterung das Fußvolk der Parteien diesen Vorgaben fast blind folgt. Der gerade Aufschwung um den Kandidaten Schulz scheint mir ein typisches Ergebnis dieser Volksverführung durch geschicktes Marketing, das einen neuen Führer ohne Diskussion erhält sondern nach einsamer Entscheidung vorgesetzt bekommt, für die der Entscheider dann noch in seiner vermeintlichen Bescheidenheit als besonders großer Demokrat gelobt wird.
Dieser Sigmar Gabriel war auch für mich Grund genug, aus der Partei, in der ich nie heimisch wurde, wieder auszutreten, lange bevor Schulz Kandidat wurde und mich aus der langweiligen Vereinsmeierei völlig zurückzuziehen, auch wenn diese im Detail so wichtiges bewirken konnte, es lag mir einfach nicht, mich zu verbiegen, um als Kompromiss irgendwelche Ziele zu erreichen, falls sich nicht zufällig die Parteifreunde gegen mich verbündeten und blockierten, was sachlich ihnen vielleicht auch notwendig erschien, sie aber aus taktischen Gründen nicht mittragen wollten. So funktioniert die Parteiendemokratie eben und es gibt viele auch kluge Leute, die sich dem beugen, weil sie die Sache der Demokratie für wichtiger halten, als ihnen die dafür nötigen Kompromisse schwer fielen.
Es ist ehrenwert, sich dafür zu engagieren und dieser persönliche Bericht über meine Zeit in der SPD soll keinesfalls in Politikerschelte ausarten. Im Gegenteil habe ich die meisten Profis auf diesem Gebiet als sehr ehrenwerte und oft auch persönlich engagierte Menschen kennengelernt, die trotz der widrigen Umstände immer auch für Ideale kämpften, um etwas Größeres zu erreichen. Dies ist wichtig und mehr zu loben, als das immer Gemecker der Stammtische und Nörgler, wie sie sich in den Reihen der Pegiden so zahlreich finden, die aber selten von Ahnung über die tatsächlichen Notwendigkeiten im politischen Alltag geprägt ist. Etwas tun, ist besser als nichts tun und nur meckern.
Habe viel gelernt über das tatsächliche Funktionieren der Demokratie, ihre seltsam verwaltete Verwandte in Berlin und die Durchsetzung von Kompromissen, politischen Realismus und zugleich persönliche Auseinandersetzungen, die bei vielem wichtiger sind als die Sache an sich. So gesehen bin ich dankbar, auch gelernt zu haben, wie nötig es ist, sich Netzwerke aufzubauen, um Ziele zu erreichen, was mir noch völlig fremd blieb, der ich eher als Einzelkämpfer über Prinzipien diskutierte, statt erst zu erfühlen und genau zu recherchieren, was überhaupt machbar war, mich aus Prinzip und Überzeugung für Dinge einsetzte. Damit kommst du in Parteien nicht weit, sondern rennst gegen Wände, die mit der Zeit immer stärker werden und du spürst plötzlich, warum die Steigerung von Feind zu Erzfeind ihren Superlativ im Parteifreund findet.
Entsprechend folgte ich auch bei der Mitgründung eines konservativen Oppositionskreises in der Pankower SPD, der sich gegen die linke Mehrheit in Prenzlauer Berg und damit auch den dort gewählten Vorsitzenden wendete, meiner Überzeugung. Verstand erst hinterher, als die Sache als gescheitert aufgegeben wurde, weil alle Revolutionäre mit den Stimmen der Mehrheit wieder von den relevanten Posten verdrängt wurden, dass es immer zugleich um Mehrheiten in der Organisation geht und alle auch taktischen Interessen folgen. Viele der Teilnehmer dieses ehemals Schönhauser Kreises gehörten auch schon in der DDR der Opposition an, hatten sich in Wendezeiten verdient gemacht und einige waren Mitgründer der SDP in Schwante 1989. SDP nannte sich die SPD in der DDR bis 1. Januar 1990, als sie langfristig an Einigung und Aufgehen in der großen SPD interessiert, sich umbenannte, weil von den revolutionären Ereignissen überholt.
In dieser Zeit hatte ich auch die Chance mit einem der Veteranen von damals, einem Abgeordneten und Verleger, ein Buch zum Jubiläum der Wende zu erstellen, in dem Teilnehmer von damals berichteten, wie sie den 9. November 1990 erlebten. Ein für mich als Wessi unheimlich spannendes Projekt, in dem ich viele interessante Geschichten aus der Zeit des Umbruchs zu hören bekam und tolle Menschen kennenlernen durfte. Denke ich etwa an die atemberaubende Geschichte, die ein später Bauunternehmer und Abgeordneter über die Besetzung des Waffenlagers der Stasi in Weißensee erzählte, scheint mir der später um ihn inszenierte Skandal, in dem ihm Vorteilsannahme bei der Auftragsvergabe vorgeworfen wurde, als typisch kleinlich parteilich und ein weiterer Ausdruck des Machtkampfes des linken Flügels gegen die inzwischen Minderheit der bürgerlicher oder doch konservativer denkenden Gründer der Pankower SPD.
So ist vieles aus der Nähe betrachtet oft kleinlicher und von persönlichen Abneigungen geprägt, als es sein sollte, warum ich immer mehr auch in der Partei in innere Opposition geriet und mich fragte, was wollte ich hier und was machte ich da noch. Wenn ich langfristig ein Amt wollte, müsste ich mich um Mehrheiten bemühen und mich fügen, was ich nicht vorhatte. Auch wurde mir manche Abneigung zu schnell persönlich und intrigenhaft böse, eben typisch politisch auch, als das sie meinen Überzeugungen je entsprechen konnte. Fand etwa den, dem linken Flügel zugehörigen Vorsitzenden, persönlich sehr sympathisch, auch wenn er mich vermutlich als Rechten in der linken SPD ganz furchtbar fand, was ich aber nie erfahren habe und so scheint mir vieles in den Parteien mehr von Zuordnung und Flügeln geprägt als von Überzeugung oder sachlich getragen.
Schaue ich etwa Angela Merkel an, halte ich sie für die beste und fähigste Kanzlerin, jedem Populismus abhold, persönlich unbestechlich erledigt sie ihre Arbeit zuverlässig und sehr gut, zeigte, als es nötig war, große Menschlichkeit, steht für die Ideale der Aufklärung und übernimmt da Führung und Verantwortung, wo es nötig ist. Vergleiche ich sie mit einem Schulz, scheint mir der Gegensatz zu der erfahrenen Kanzlerin in schwierigen Zeiten noch größer, ohne auf dessen private Defizite oder bisherigen Verfehlungen in seiner Karriere als politischer Millionär weiter eingehen zu wollen.. Dennoch fühle ich innerlich eine große Abneigung je die CDU zu wählen, auch wenn ich fest davon überzeugt bin, dass sie die bestmögliche in diesem Fall ist. So werde ich mich noch bis zur Wahl mit dieser Frage ein wenig quälen als verantwortungsbewusster Bürger und bin froh in keiner Partei mehr zu sein und lieber meine politische Meinung schriftlich zu äußern statt parteilicher Kompromisse.
jens tuengerthal 17.3.2017
Donnerstag, 16. März 2017
Berlinleben 021
Neue Museumslust
Das Neue Museum war auch das Zuhause der bekanntesten weiblichen Schönheit Berlins, der Pharaonin Nofretete und ihrer zauberhaften Büste, es geht hier um Kunst nicht um Brüste, ob es da klug war, sich dort mit einem irgenwie virtuellen Flirt zu treffen?
Wir kannten uns via Facebook, sie war eine echte Europäerin und dabei noch Wienerin und rothaarig - eine Kombination, die mir schon einmalig genug erschien und ich sollte mich nun zurückhalten, nicht mehr von ihr zu schwärmen, damit diese in vieler Hinsicht so einmalige Frau nicht aus versehen offenbar wird, im Schutz der Anonymität bleibt, den ich ihr mit huldvoller Verbeugung in Erinnerung manch schöner Schäferstündchen zu gern gewähre.
Es gab viel, was mich an ihr neugierig machte und als ich sie sah und erlebte, ihr übersprudelndes Temperament, ihre Leidenschaft, die roten Locken, ihre Bildung und ihr noch mädchenhafter Charme - eine Wienerin eben, ich war vom ersten Moment an bezaubert und das setzte sich beim Gang durch das gerade wieder eröffnete Neue Museum fort.
Liebe es ja, wenn Menschen hochdeutsch sprechen, weil ich sie meist besser verstehe und viele Dialekte eher wie Halskrankheiten oder Würgelaute mir vorkommen, es gebildeter doch klingt und meist ist, außer es sind Wienerinnen, da schmelze ich dahin, wenn sie mit der Färbung des Klangs spielen. So war ich schon vom ersten Moment an bezaubert, schon aus familiärer Tradition, schwärmte doch auch mein Vater seit seinen Studienzeiten dort von den Wienerinnen, auch wenn er angeblich seiner Bremerin treu blieb und zumindest immer noch mit ihr verheiratet ist, woraus ganz nebenbei wohl ich zumindest der Bremerin entsprang, warum ich nicht darüber klagen sollte. Wer von uns beiden dann tatsächlich mehr Wienerinnen näher kennenlernte, weiß ich nicht zu beurteilen, weil ich einerseits nicht wüsste, wie sich zwei noch näher kommen sollten als ich und jene Jahre später und ich andererseits nie mit meinem Herrn Papa Details dazu ausgetauscht habe, lassen wir es also dahinstehen.
So ging diesem ersten Treffen schon viel schwärmerische und humorvolle Begeisterung voraus und es hatte nach meinem Gefühl Jahre gedauert, bis wir uns zwischen ihren in Europa verstreuten Heimatorten endlich treffen konnten. Bis auf das wienerische in der Aussprache, dass sie übrigens auch nach Belieben abstellen konnte, schließlich hatte sie auch hier in Preußen mal studiert, was damals noch unter dem Namen West-Berlin lief, meine ich. Eigentlich war sie in ganz vielem, von der Haarfarbe, hier wie dort, bis zu Stil und Bildung wie der exquisiten Küche ohnehin, damit der ähnlich, die ich hatte und vernünftig betrachtet, hätte es keinen Grund für einen Ausflug oder Wechsel gegeben, wären wir in dieser Hinsicht je vernünftig und eigentlich passierte auch nahezu nichts. Zumindest nicht, solange ich in festen Händen war und überhaupt an diesem Tag.
Zu festen Händen könnte ich jetzt auch ein ganzes empörtes Essay schreiben von der Lüger der Besitzverhältnisse und der unerträglichen Leichtigkeit des Seins, von der Relativität der Werte, solange sie einen nicht selbst betreffen und der Größe der Kultur, die mit Liebe Eifersucht überwinder - aber ich erspare es mir hier, wo es doch mehr um ein faszinierendes Museum als die Liebe geht, insbesondere da auch unser späteres Verhältnis zwar immer wieder von intensiver, geradezu eruptiver Zuneigung geprägt war, aber nie eine Beziehung wurde, keine Missgunst kannte.
Aber, der Reihe nach. Von dem Museum und seiner vorsichtig genialen Restaurierung und Wiedererrichtung hatte ich manche Artikel gelesen und schöne interne Geschichten von einem der beteiligten Architekten gehört, der zufällig auch Papa an der Waldorfschule meiner Tochter war und dort in der Baugruppe schon vorher schwärmte. War also, als ich endlich tatsächlich dorthin kam, doppelt gespannt - auf die charmante, schöne Wienerin und das Museum - die beste Voraussetzung also dafür, dass alle völlig erhöhten Erwartungen enttäuscht würden, ich frustriert nach Hause wieder ginge und siehe da, das Gegenteil geschah.
Das Neue Museum, das im Krieg schwere Verwüstungen erlitt und an dem sich lange die Direktoren der Nachbarhäuser auch bedienten, es einfach als Magazin nutzten, gehört zum Weltkulturerbe Berliner Museumsinsel. Der Schüler Schinkels Friedrich August Stüler errichtete den Bau zwischen 1843 und 1855 und es gilt als Hauptwerk eines Architekten, der die Stadt vielfältig prägte - verantwortlich ist er auch für die verglichen geschmacklose Kuppel des Schlosses. Vor den ästhetischen Verbrechen des in jeder Hinsicht wenig bemittelten Wilhelm II. war er jedoch schon über zwanzig Jahre tot.. Das Museum wurde mit Kriegsbeginn 1939 geschlossen und blieb das bis zu seiner Wiedereröffnung am 16. Oktober 2009 noch 70 Jahre lang. Heute beherbergt diese Berliner Schatzkiste das Ägyptische Museum, mit seiner Papyrussammlung und der schönen Nofretete sowie das Museum für Vor- und Frühgeschichte, die beide vorher teilweise in Charlottenburg untergebracht oder sonst verstreut waren. Teilweise sich auch noch im Alten Museum befanden. Nun finden sich wieder die noch älteren Sachen im Neuen Museum, was ahnungslose Besucher verwirren kann, während die erfahrene Berlinerin natürlich weiß, das Alte Museum von Schinkel war einfach das ältere, von dem wir ja schon anlässlich der Gemäldegalerie ein wenig berichteten im Berlinleben erzählten, die dort zuerst auch noch war.
Es liegt westlich von der Alten Nationalgalerie, zwischen dem Pergamonmuseum und dem Alten Museum neben dem bald neuen Eingangsbereich inmitten Berlins schönster Insel der Kultur. Das Neue Museum war bei seiner Errichtung erst das zweite Museum auf der Insel, das erforderlich wurde, die in Schinkels Alten Museum nicht mehr unterzubringenden Schätze des Altertums aufzunehmen. Damals waren die Dinge in Preußen nooch wohl geordnet. Altes Museum und Neues Museum. Das Gebäude zählt in seiner Hinwendung zum Klassizismus zu den wohl bedeutendsten Museumsgebäuden des 19. Jahrhunderts und ist zugleich eines der wichtigsten Denkmäler der Konstruktions- und Technikgeschichte. Es war der erste Monumentalbau in Preußen, der massiv auch Eisenkonstruktionen einsetzte, wie sie erst durch die Industralisierung ermöglicht wurden. So kam schon auf der Baustelle erstmals eine Dampfmaschine mit enormen 5PS in Berlin zum Einsatz - “meine Damen, das ist eine Dampfmaschine” - mit der die nötigen Pfähle in den Inselboden gerammt werden sollten, um Halt im schlechten Baugrund zu finden.
Dies wissend, wurde dennoch eine U-Bahn entlang Unter den Linden bis zum Alexanderplatz, am Rathaus vorbei geplant, bei dem ich jetzt schon darauf wetten kann, wie lange die Fahrten des millionenschweren Stücks wohl dauern werden, bis sich erste Risse im grauenvollen Berliner Dom zeigen werden, der auch nur auf Eichenpfählen im Inselmatsch steht. So könnte diese völlig überflüssige U-Bahn uns doch die Freude bereiten das hässlichste Überbleibsel des grauenvollen Wilhelminismus einstürzen zu lassen und dann werde ich diese überflüssige U-Bahn Linie noch loben.
Das Neue Museum steht ebenfalls auf einem Gerüst von 2344 Gründungspfählen, die eine Länge zwischen 6m und 18m haben. Die Aufzüge zum Transport der Baumaschinen wie die Eisenbahn in der Baustelle wurden ebenfalls mit Dampfmaschinen betrieben und so kam modernste Technik auf der schnell fortschreitenden Baustelle zum Einsatz, die nur 1848 durch die Unruhen der Märzrevolution ein wenig verzögert wurden. Sobald einer der aufwendig gestalteten Räume vollendet war, wurde er eröffnet und so zog sich die Eröffnung von 1850 bis 1859 hin. An den besonders filigranen Wandfresken im Treppenhaus wurde sogar bis 1866 gearbeitet, was 23 Jahre sind und da beschwere sich noch einer über den Berliner Flughafen, auch wenn der kaum Weltkulturerbe außer als Baustelle je wird in funktionaler Hässlichkeit, die ich hoffentlich nie betreten muss.
Bei der Eröffnung befanden sich Ägyptische, Vaterländische und Ethnografische Sammlung im Erdgeschoss. Im ersten Obergeschoss standen Gipsabgüsse von der Antike bis zum Klassizismus also nahezu bis in die Gegenwart. Dafür teilten sich das zweite Obergeschoss das Kupferstichkabinett und die Kunstkammer. Die Gipsabdrücke wuchsen noch zur größten Sammlung davon überhaupt heran, die jedoch später nicht mehr wirklich wertgeschätzt wurde, warum sie 1919/20 der Berliner Universität übergeben wurde, wo sie im Zweiten Weltkrieg verbrannten.
Nach 1945 wurde das Museum eher vernachlässigt. 1986 begann noch zu DDR-Zeiten der Wiederaufbau, hier sollte wiederhergestellt werden, was allerdings erst nach der Wiedervereinigung und dann zwischen 1999 und 2009 unter großem Aufwand durchgeführt wurde. Dies stand im Rahmen des Masterplans für die Museumsinsel und kostete 295 Millionen Euro. Nach Plänen des britischen Architekten David Chipperfield, die sich eng an das Original hielten, wurden dabei der gänzlich zerstörte Nordwestflügel und der Südostrisalit wiederhergestellt. Das Neue Museum als beinahe rechteckiger Bau hat 105 Seitenlänge und ist 40m breit. Mit der erst später erstellten, aber von Stüler bereits vorgesehenen Nationalgalerie ist es durch Kolonnaden mit dorischen Säulen verknüpft.
Unter diesen Säulen war mir die Wienerin mit offenen Armen entgegen gekommen und so bekam unsere erste Begegnung auch noch den unglaublich romantischen Nachhall der Säulengänge dieses bezaubernden Museums Ensembles. Es war also eigentlich alles etwas viel und ziemlich kitschig und dennoch wurde es noch übertroffen von der Wirklichkeit im Museum. Das die Spuren voriger Gewalt und der Kriege neben dem teils mehr teil weniger sanierten Originalzustand sichtbar machen. Im Gegensatz zu Dresdens grauenvoll kitischiger Frauenkirche, die eben wie ein Marzipan Ei ins nicht ganz waschechte Sachsen passt, zeigt dies Berliner Museum die rauhen Spuren seines Vorlebens und glänzt nicht einfach schön und überpinselt, weil wir eine Geschichte haben, derer wir uns hier in Verantwortung bewusst sind, was in Sachsen nicht so sehr ausgeprägt zu sein scheint, wie auch der Umgang mit Denkmälern und Demokratie dort zeigt, sie sind eben etwas zurück im fernen Osten der Republik, scheint es und den Polen und Ungarn näher.
Die Eisenkonstruktionen in den Decken der einzelnen Etagen ermöglichten es höher zu bauen als beim benachbarten Schinkelbau des Alten Museums und machten es auch leichter mit vielfältigen Deckenformen den jeweils ausgestellten Stil zwischen ägyptisch, griechisch und römisch zu imitieren. So liegt die Bedeutung des Baus und seiner inneren Konstruktion vor allem auch darin auf die Fortschritte der Industrialisierung hinzuweisen.
Stüler hielt sich bei den Fassaden um des Zusammenspiels mit dem Alten Museum wegen sehr zurück und diese bewusst schlicht. Zwischen Beginn des Baus des Alten Museums und des Neuen Museums liegen nur 17 Jahre und doch stammen sie aus verschiedenen Jahrhunderten - während Schinkel beim Alten Museum noch auf die massive Bauweise des 18. Jahrhunderts zurückgreift, macht Stüler sich auf den Weg die neuen Chancen der Industrialisierung in der Leichtbauweise zu nutzen und mit großen Mengen an Eisen, so dass die Namen der beiden Häuser noch eine tiefere Bedeutung bekommen.
Die Gestaltung der Innenräume sollte die ausgestellten Gegenstände mit tragen und war doch für unseren heutigen Geschmack, der wir eher schlichte Präsentationen gewohnt sind, ein Museum für sich und Stüler zeigte hier seine große Neigung auch zur Kunst und mutig intensiven Farben. So nannten die Berliner die Innenräume bald ein Labyrinth der Symbolik. Die enge Verbindung die dadurch die Ausstellungsstücke mit den Räumen bekamen, erwies sich einer bald nötigen Erweiterung als hinderlich und war so zwar gut gedacht aber auch beschränkend - das Museum wurde weniger zum Ort der Präsentation von Kunst als selbst zum Kunstgegenstand. Auch heute balanciert es, wenn auch wesentlich zurückhaltender an dieser Grenze, wenn es die Besucher schon im Treppenhaus mehr staunen lässt und über die teils restaurierten Wände als über die ausgestellten Kunstwerke. Ob das gut oder schlecht ist, zu beurteilen, hängt sicher auch daran, wie mir gerade der Bau gefällt oder nicht und so ist ein solcher Bau stärker der Mode unterworfen als zeitlosere Bauten wie das Alte Museum Schinkels. Samuel Beckett etwa lästerte in den 20ern über das etwas überladene Drunter und drüber dieses Museums und nannte es “Higgledypiggledy”.
Es gäb über die einzelnen Säle und ihren Schmuck, ihre Bilder, welche die Ausstellungsstücke dort doch nur begleiten sollten, unendlich viel zu schreiben und wen das en Detail interessiert, der möge sich in entsprechende Bücher stürzen, um zu erfahren, wie es einmal war. Fand es ganz nett , aber auch etwas zuviel des Guten und da fehlte Stüler eben Schinkels geniale Zurückhaltung, wie sie dafür Chipperfield wieder in seiner Rekonstruktion zeigte, die nicht einfach nach Dresdner Zuckerbäckermanier wiederaufbaute, sondern gerade auch die Spuren des Schreckens, der Wandlung und der Umbrüche im Gebäude immer wieder vorsichtig sichtbar machte. Wir brauchen keine schlichte Wiederherstellung alter Architektur, die sieht dann eher nach Disney aus und wird peinlich stillos wie Dresden auch sonst oft. Der Entwurf wandelte dabei auf dem schmalen Grat, der den Ausstellungs Gegenständen, die für sich wirken sollen, Raum geben will und dem Wunsch auch das besondere Haus wirken und erzählen zu lassen. Hier wird nichts verkleidet oder verkitscht wie etwa in der Dresdner Frauenkirche, vom grauenvollen Berliner Dom lieber ganz zu schweigen, hier wird wirklich wiederhergestellt und Geschichte in all ihren Elementen begehbar gemacht.
Dabei sind immer wieder die Etagen durchbrochen und wir schauen durch eine genial eingefügte Konstruktion im Innenhof aus dem Untergeschoss auf wunderbare weil bruchstückhafte Wandgemälde. Es ist dies immer unvollendete, was unaufdringlich bleibt und die Dinge so wirken lässt, wie das Gebäude, die dieses Museum zu einer der genialsten Rekonstruktionen der Welt macht und hier zeigt, wie mit Baugeschichte verantwortlich umgegangen werden kann. Wie moderne Elemente sich bescheiden in vorhandenes einfügen, was geehrt aber eben nicht hochglanzpoliert angebetet wird, wie in manchen der Dresdner Zuckerbäckerekonstruktionen in ihrer ganzen Peinlichkeit.
Wir wandelten durch die Etagen und schwärmten über das, was wir sahen an Objekten wie Gebäude so sehr, dass ich unterwegs, gebannt vom Museum, die eigentlich unklare Leidenschaft wieder völlig vergaß, begeistert war und erst nach Stunden, als sie Erschöpfung deutlich zeigte, wieder feinfühliger wurde, sie und mich für den langen Marsch bis zu den ägyptischen Särgen in einem verborgenen Gang mit einem leidenschaftlichen Kuss entschädigte, den spürbar beide genossen.
Mehr wurde es diesmal nicht, sehen wir von dem etwas leidenschaftlicheren Abschiedskuss in der Friedrichstraße ab, bei der mir aber auch der vielleicht sogar beiderseits gewünschte Zugriff in tiefere Regionen außer in sekundenlanger Andeutung durch zahlreiche Passanten verwehrt war. So war die Leidenschaft geweckt und sollte irgendwann - so versprachen wir es uns - Erfüllung finden, nur eben nicht bei diesem Besuch und beim nächsten war ich dann ja schon so etwas wie Single und beim übernächsten ohnehin, zumindest konnte sie sich da immer auf ältere Rechte berufen. So ist das Neue Museum für mich immer mit doppelter Leidenschaft verbunden, was zum Bau passt, der ein preußisch zurückhaltendes Kunstwerk ist, das Geschichte erzählt von sich und wunderbar seine Schätze präsentiert, die dem Genießer mit der Zeit erst sich in aller Schönheit offenbaren.
jens tuengerthal 16.3.2017
Das Neue Museum war auch das Zuhause der bekanntesten weiblichen Schönheit Berlins, der Pharaonin Nofretete und ihrer zauberhaften Büste, es geht hier um Kunst nicht um Brüste, ob es da klug war, sich dort mit einem irgenwie virtuellen Flirt zu treffen?
Wir kannten uns via Facebook, sie war eine echte Europäerin und dabei noch Wienerin und rothaarig - eine Kombination, die mir schon einmalig genug erschien und ich sollte mich nun zurückhalten, nicht mehr von ihr zu schwärmen, damit diese in vieler Hinsicht so einmalige Frau nicht aus versehen offenbar wird, im Schutz der Anonymität bleibt, den ich ihr mit huldvoller Verbeugung in Erinnerung manch schöner Schäferstündchen zu gern gewähre.
Es gab viel, was mich an ihr neugierig machte und als ich sie sah und erlebte, ihr übersprudelndes Temperament, ihre Leidenschaft, die roten Locken, ihre Bildung und ihr noch mädchenhafter Charme - eine Wienerin eben, ich war vom ersten Moment an bezaubert und das setzte sich beim Gang durch das gerade wieder eröffnete Neue Museum fort.
Liebe es ja, wenn Menschen hochdeutsch sprechen, weil ich sie meist besser verstehe und viele Dialekte eher wie Halskrankheiten oder Würgelaute mir vorkommen, es gebildeter doch klingt und meist ist, außer es sind Wienerinnen, da schmelze ich dahin, wenn sie mit der Färbung des Klangs spielen. So war ich schon vom ersten Moment an bezaubert, schon aus familiärer Tradition, schwärmte doch auch mein Vater seit seinen Studienzeiten dort von den Wienerinnen, auch wenn er angeblich seiner Bremerin treu blieb und zumindest immer noch mit ihr verheiratet ist, woraus ganz nebenbei wohl ich zumindest der Bremerin entsprang, warum ich nicht darüber klagen sollte. Wer von uns beiden dann tatsächlich mehr Wienerinnen näher kennenlernte, weiß ich nicht zu beurteilen, weil ich einerseits nicht wüsste, wie sich zwei noch näher kommen sollten als ich und jene Jahre später und ich andererseits nie mit meinem Herrn Papa Details dazu ausgetauscht habe, lassen wir es also dahinstehen.
So ging diesem ersten Treffen schon viel schwärmerische und humorvolle Begeisterung voraus und es hatte nach meinem Gefühl Jahre gedauert, bis wir uns zwischen ihren in Europa verstreuten Heimatorten endlich treffen konnten. Bis auf das wienerische in der Aussprache, dass sie übrigens auch nach Belieben abstellen konnte, schließlich hatte sie auch hier in Preußen mal studiert, was damals noch unter dem Namen West-Berlin lief, meine ich. Eigentlich war sie in ganz vielem, von der Haarfarbe, hier wie dort, bis zu Stil und Bildung wie der exquisiten Küche ohnehin, damit der ähnlich, die ich hatte und vernünftig betrachtet, hätte es keinen Grund für einen Ausflug oder Wechsel gegeben, wären wir in dieser Hinsicht je vernünftig und eigentlich passierte auch nahezu nichts. Zumindest nicht, solange ich in festen Händen war und überhaupt an diesem Tag.
Zu festen Händen könnte ich jetzt auch ein ganzes empörtes Essay schreiben von der Lüger der Besitzverhältnisse und der unerträglichen Leichtigkeit des Seins, von der Relativität der Werte, solange sie einen nicht selbst betreffen und der Größe der Kultur, die mit Liebe Eifersucht überwinder - aber ich erspare es mir hier, wo es doch mehr um ein faszinierendes Museum als die Liebe geht, insbesondere da auch unser späteres Verhältnis zwar immer wieder von intensiver, geradezu eruptiver Zuneigung geprägt war, aber nie eine Beziehung wurde, keine Missgunst kannte.
Aber, der Reihe nach. Von dem Museum und seiner vorsichtig genialen Restaurierung und Wiedererrichtung hatte ich manche Artikel gelesen und schöne interne Geschichten von einem der beteiligten Architekten gehört, der zufällig auch Papa an der Waldorfschule meiner Tochter war und dort in der Baugruppe schon vorher schwärmte. War also, als ich endlich tatsächlich dorthin kam, doppelt gespannt - auf die charmante, schöne Wienerin und das Museum - die beste Voraussetzung also dafür, dass alle völlig erhöhten Erwartungen enttäuscht würden, ich frustriert nach Hause wieder ginge und siehe da, das Gegenteil geschah.
Das Neue Museum, das im Krieg schwere Verwüstungen erlitt und an dem sich lange die Direktoren der Nachbarhäuser auch bedienten, es einfach als Magazin nutzten, gehört zum Weltkulturerbe Berliner Museumsinsel. Der Schüler Schinkels Friedrich August Stüler errichtete den Bau zwischen 1843 und 1855 und es gilt als Hauptwerk eines Architekten, der die Stadt vielfältig prägte - verantwortlich ist er auch für die verglichen geschmacklose Kuppel des Schlosses. Vor den ästhetischen Verbrechen des in jeder Hinsicht wenig bemittelten Wilhelm II. war er jedoch schon über zwanzig Jahre tot.. Das Museum wurde mit Kriegsbeginn 1939 geschlossen und blieb das bis zu seiner Wiedereröffnung am 16. Oktober 2009 noch 70 Jahre lang. Heute beherbergt diese Berliner Schatzkiste das Ägyptische Museum, mit seiner Papyrussammlung und der schönen Nofretete sowie das Museum für Vor- und Frühgeschichte, die beide vorher teilweise in Charlottenburg untergebracht oder sonst verstreut waren. Teilweise sich auch noch im Alten Museum befanden. Nun finden sich wieder die noch älteren Sachen im Neuen Museum, was ahnungslose Besucher verwirren kann, während die erfahrene Berlinerin natürlich weiß, das Alte Museum von Schinkel war einfach das ältere, von dem wir ja schon anlässlich der Gemäldegalerie ein wenig berichteten im Berlinleben erzählten, die dort zuerst auch noch war.
Es liegt westlich von der Alten Nationalgalerie, zwischen dem Pergamonmuseum und dem Alten Museum neben dem bald neuen Eingangsbereich inmitten Berlins schönster Insel der Kultur. Das Neue Museum war bei seiner Errichtung erst das zweite Museum auf der Insel, das erforderlich wurde, die in Schinkels Alten Museum nicht mehr unterzubringenden Schätze des Altertums aufzunehmen. Damals waren die Dinge in Preußen nooch wohl geordnet. Altes Museum und Neues Museum. Das Gebäude zählt in seiner Hinwendung zum Klassizismus zu den wohl bedeutendsten Museumsgebäuden des 19. Jahrhunderts und ist zugleich eines der wichtigsten Denkmäler der Konstruktions- und Technikgeschichte. Es war der erste Monumentalbau in Preußen, der massiv auch Eisenkonstruktionen einsetzte, wie sie erst durch die Industralisierung ermöglicht wurden. So kam schon auf der Baustelle erstmals eine Dampfmaschine mit enormen 5PS in Berlin zum Einsatz - “meine Damen, das ist eine Dampfmaschine” - mit der die nötigen Pfähle in den Inselboden gerammt werden sollten, um Halt im schlechten Baugrund zu finden.
Dies wissend, wurde dennoch eine U-Bahn entlang Unter den Linden bis zum Alexanderplatz, am Rathaus vorbei geplant, bei dem ich jetzt schon darauf wetten kann, wie lange die Fahrten des millionenschweren Stücks wohl dauern werden, bis sich erste Risse im grauenvollen Berliner Dom zeigen werden, der auch nur auf Eichenpfählen im Inselmatsch steht. So könnte diese völlig überflüssige U-Bahn uns doch die Freude bereiten das hässlichste Überbleibsel des grauenvollen Wilhelminismus einstürzen zu lassen und dann werde ich diese überflüssige U-Bahn Linie noch loben.
Das Neue Museum steht ebenfalls auf einem Gerüst von 2344 Gründungspfählen, die eine Länge zwischen 6m und 18m haben. Die Aufzüge zum Transport der Baumaschinen wie die Eisenbahn in der Baustelle wurden ebenfalls mit Dampfmaschinen betrieben und so kam modernste Technik auf der schnell fortschreitenden Baustelle zum Einsatz, die nur 1848 durch die Unruhen der Märzrevolution ein wenig verzögert wurden. Sobald einer der aufwendig gestalteten Räume vollendet war, wurde er eröffnet und so zog sich die Eröffnung von 1850 bis 1859 hin. An den besonders filigranen Wandfresken im Treppenhaus wurde sogar bis 1866 gearbeitet, was 23 Jahre sind und da beschwere sich noch einer über den Berliner Flughafen, auch wenn der kaum Weltkulturerbe außer als Baustelle je wird in funktionaler Hässlichkeit, die ich hoffentlich nie betreten muss.
Bei der Eröffnung befanden sich Ägyptische, Vaterländische und Ethnografische Sammlung im Erdgeschoss. Im ersten Obergeschoss standen Gipsabgüsse von der Antike bis zum Klassizismus also nahezu bis in die Gegenwart. Dafür teilten sich das zweite Obergeschoss das Kupferstichkabinett und die Kunstkammer. Die Gipsabdrücke wuchsen noch zur größten Sammlung davon überhaupt heran, die jedoch später nicht mehr wirklich wertgeschätzt wurde, warum sie 1919/20 der Berliner Universität übergeben wurde, wo sie im Zweiten Weltkrieg verbrannten.
Nach 1945 wurde das Museum eher vernachlässigt. 1986 begann noch zu DDR-Zeiten der Wiederaufbau, hier sollte wiederhergestellt werden, was allerdings erst nach der Wiedervereinigung und dann zwischen 1999 und 2009 unter großem Aufwand durchgeführt wurde. Dies stand im Rahmen des Masterplans für die Museumsinsel und kostete 295 Millionen Euro. Nach Plänen des britischen Architekten David Chipperfield, die sich eng an das Original hielten, wurden dabei der gänzlich zerstörte Nordwestflügel und der Südostrisalit wiederhergestellt. Das Neue Museum als beinahe rechteckiger Bau hat 105 Seitenlänge und ist 40m breit. Mit der erst später erstellten, aber von Stüler bereits vorgesehenen Nationalgalerie ist es durch Kolonnaden mit dorischen Säulen verknüpft.
Unter diesen Säulen war mir die Wienerin mit offenen Armen entgegen gekommen und so bekam unsere erste Begegnung auch noch den unglaublich romantischen Nachhall der Säulengänge dieses bezaubernden Museums Ensembles. Es war also eigentlich alles etwas viel und ziemlich kitschig und dennoch wurde es noch übertroffen von der Wirklichkeit im Museum. Das die Spuren voriger Gewalt und der Kriege neben dem teils mehr teil weniger sanierten Originalzustand sichtbar machen. Im Gegensatz zu Dresdens grauenvoll kitischiger Frauenkirche, die eben wie ein Marzipan Ei ins nicht ganz waschechte Sachsen passt, zeigt dies Berliner Museum die rauhen Spuren seines Vorlebens und glänzt nicht einfach schön und überpinselt, weil wir eine Geschichte haben, derer wir uns hier in Verantwortung bewusst sind, was in Sachsen nicht so sehr ausgeprägt zu sein scheint, wie auch der Umgang mit Denkmälern und Demokratie dort zeigt, sie sind eben etwas zurück im fernen Osten der Republik, scheint es und den Polen und Ungarn näher.
Die Eisenkonstruktionen in den Decken der einzelnen Etagen ermöglichten es höher zu bauen als beim benachbarten Schinkelbau des Alten Museums und machten es auch leichter mit vielfältigen Deckenformen den jeweils ausgestellten Stil zwischen ägyptisch, griechisch und römisch zu imitieren. So liegt die Bedeutung des Baus und seiner inneren Konstruktion vor allem auch darin auf die Fortschritte der Industrialisierung hinzuweisen.
Stüler hielt sich bei den Fassaden um des Zusammenspiels mit dem Alten Museum wegen sehr zurück und diese bewusst schlicht. Zwischen Beginn des Baus des Alten Museums und des Neuen Museums liegen nur 17 Jahre und doch stammen sie aus verschiedenen Jahrhunderten - während Schinkel beim Alten Museum noch auf die massive Bauweise des 18. Jahrhunderts zurückgreift, macht Stüler sich auf den Weg die neuen Chancen der Industrialisierung in der Leichtbauweise zu nutzen und mit großen Mengen an Eisen, so dass die Namen der beiden Häuser noch eine tiefere Bedeutung bekommen.
Die Gestaltung der Innenräume sollte die ausgestellten Gegenstände mit tragen und war doch für unseren heutigen Geschmack, der wir eher schlichte Präsentationen gewohnt sind, ein Museum für sich und Stüler zeigte hier seine große Neigung auch zur Kunst und mutig intensiven Farben. So nannten die Berliner die Innenräume bald ein Labyrinth der Symbolik. Die enge Verbindung die dadurch die Ausstellungsstücke mit den Räumen bekamen, erwies sich einer bald nötigen Erweiterung als hinderlich und war so zwar gut gedacht aber auch beschränkend - das Museum wurde weniger zum Ort der Präsentation von Kunst als selbst zum Kunstgegenstand. Auch heute balanciert es, wenn auch wesentlich zurückhaltender an dieser Grenze, wenn es die Besucher schon im Treppenhaus mehr staunen lässt und über die teils restaurierten Wände als über die ausgestellten Kunstwerke. Ob das gut oder schlecht ist, zu beurteilen, hängt sicher auch daran, wie mir gerade der Bau gefällt oder nicht und so ist ein solcher Bau stärker der Mode unterworfen als zeitlosere Bauten wie das Alte Museum Schinkels. Samuel Beckett etwa lästerte in den 20ern über das etwas überladene Drunter und drüber dieses Museums und nannte es “Higgledypiggledy”.
Es gäb über die einzelnen Säle und ihren Schmuck, ihre Bilder, welche die Ausstellungsstücke dort doch nur begleiten sollten, unendlich viel zu schreiben und wen das en Detail interessiert, der möge sich in entsprechende Bücher stürzen, um zu erfahren, wie es einmal war. Fand es ganz nett , aber auch etwas zuviel des Guten und da fehlte Stüler eben Schinkels geniale Zurückhaltung, wie sie dafür Chipperfield wieder in seiner Rekonstruktion zeigte, die nicht einfach nach Dresdner Zuckerbäckermanier wiederaufbaute, sondern gerade auch die Spuren des Schreckens, der Wandlung und der Umbrüche im Gebäude immer wieder vorsichtig sichtbar machte. Wir brauchen keine schlichte Wiederherstellung alter Architektur, die sieht dann eher nach Disney aus und wird peinlich stillos wie Dresden auch sonst oft. Der Entwurf wandelte dabei auf dem schmalen Grat, der den Ausstellungs Gegenständen, die für sich wirken sollen, Raum geben will und dem Wunsch auch das besondere Haus wirken und erzählen zu lassen. Hier wird nichts verkleidet oder verkitscht wie etwa in der Dresdner Frauenkirche, vom grauenvollen Berliner Dom lieber ganz zu schweigen, hier wird wirklich wiederhergestellt und Geschichte in all ihren Elementen begehbar gemacht.
Dabei sind immer wieder die Etagen durchbrochen und wir schauen durch eine genial eingefügte Konstruktion im Innenhof aus dem Untergeschoss auf wunderbare weil bruchstückhafte Wandgemälde. Es ist dies immer unvollendete, was unaufdringlich bleibt und die Dinge so wirken lässt, wie das Gebäude, die dieses Museum zu einer der genialsten Rekonstruktionen der Welt macht und hier zeigt, wie mit Baugeschichte verantwortlich umgegangen werden kann. Wie moderne Elemente sich bescheiden in vorhandenes einfügen, was geehrt aber eben nicht hochglanzpoliert angebetet wird, wie in manchen der Dresdner Zuckerbäckerekonstruktionen in ihrer ganzen Peinlichkeit.
Wir wandelten durch die Etagen und schwärmten über das, was wir sahen an Objekten wie Gebäude so sehr, dass ich unterwegs, gebannt vom Museum, die eigentlich unklare Leidenschaft wieder völlig vergaß, begeistert war und erst nach Stunden, als sie Erschöpfung deutlich zeigte, wieder feinfühliger wurde, sie und mich für den langen Marsch bis zu den ägyptischen Särgen in einem verborgenen Gang mit einem leidenschaftlichen Kuss entschädigte, den spürbar beide genossen.
Mehr wurde es diesmal nicht, sehen wir von dem etwas leidenschaftlicheren Abschiedskuss in der Friedrichstraße ab, bei der mir aber auch der vielleicht sogar beiderseits gewünschte Zugriff in tiefere Regionen außer in sekundenlanger Andeutung durch zahlreiche Passanten verwehrt war. So war die Leidenschaft geweckt und sollte irgendwann - so versprachen wir es uns - Erfüllung finden, nur eben nicht bei diesem Besuch und beim nächsten war ich dann ja schon so etwas wie Single und beim übernächsten ohnehin, zumindest konnte sie sich da immer auf ältere Rechte berufen. So ist das Neue Museum für mich immer mit doppelter Leidenschaft verbunden, was zum Bau passt, der ein preußisch zurückhaltendes Kunstwerk ist, das Geschichte erzählt von sich und wunderbar seine Schätze präsentiert, die dem Genießer mit der Zeit erst sich in aller Schönheit offenbaren.
jens tuengerthal 16.3.2017
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