Dienstag, 24. Januar 2017

Gretasophie 010

010 Was bleibt

Am Ende fragen wir uns, was bleibt, von uns, noch zu sagen, immer übrig, für die Zukunft und vieles mehr auf das ich kaum eine Antwort weiß und die meine Tochter als die nächste Generation der Familie schneller finden wird als ich es könnte, weil sie anders schaut.

Weiß nicht, ob sie ein Buch für ihre Kinder schreiben wird oder dieses fortsetzt, über all die Dinge, die ich vergessen habe und zu denen ich nichts sagte, sei es aus Takt oder, was wahrscheinlicher ist, aus Ahnungslosigkeit.

Lese ich meinen Liebling Montaigne könnte ich noch ewig Themen finden, so schrieb dieser etwa schon vor über 400 Jahren sehr ausführlich über das männliche Glied, seine Standkraft und deren Mängel und Fehlen, ein bis heute hoch interessantes Thema, meist schrieb ich ja  eher über die weibliche Lust und meine Erwartungen daran, statt meine eigene Impotenz zu  thematisieren. Aber so ungern wie ich Martin Walser lese, der sich mehr oder weniger seit dreißig Jahren nur darum dreht, so wenig möchte ich die Leser mit solchen Dingen weiter belästigen, sondern lieber zumindest die obigen Fragen zu beantworten suchen, auch wenn es dem Philosophen in mir eigentlich genügt, sie gestellt zu haben.

Weiß nicht, ob ich die Halbzeit schon überschritt - gemessen an meinen Großvätern wohl,  verglichen mit den Großmüttern eher nicht und es sind mir solche Mutmaßungen auch völlig egal und wenn es morgen endete, möchte ich sagen können, es war gut und alles ist gut so, ich habe nichts verpasst, wonach ich mich sehnte. Komme ich als genetischer Mann nach meinen Großväter oder wiegen da stärker viele auch weibliche Eigenschaften, die ich von meiner Mutter erbte, könnte ich nun fragen und tue es nicht, weil  ich es völlig egal finde und mich nicht für so schrecklich bedeutend halte, dass ich es zum Thema weiter machte als gerade nötig.

Habe nicht die Welt gesehen und auch nicht alle Bücher gelesen, die mich reizten, noch geschrieben, was ich alles mal schreiben wollte, will aber die Welt auch nicht weiter als in Büchern sehen, finde es nicht interessant, irgendwo hinzufahren und halte diese Neigung für völlig überschätzt im Verhältnis von Aufwand und Nutzen. Mehr erfahre ich über einen Ort, wenn ich darüber lese oder die vielen Berichte der anderen studiere, die schon Reisen unternahmen, denen ich nicht noch hinterher trotteln muss, um Abenteuer zu erleben oder sonstigen Unsinn zu tun.

Die Welt verträgt es nicht mehr gut, wenn alle sie bereisen wollen. Im Gegenteil sollten wir diesen Wahn dringend einstellen, um weiter gut leben zu können. Ein Ort zu dem alle pilgern, interessierte mich schon immer eher weniger und darum muss ich nirgendwo mehr hin, sondern bleibe lieber wo ich bin, um mehr Zeit zu finden, meinen Geist zu bewegen. Zwischen Buchseiten und in eigenen Gedanken immer unterwegs und aktiv, frage ich mich eher, wie ich alles lesen soll,  was ich gerne läse, wenn ich noch irgend Zeit auch mit anderen Menschen verbringen soll, auch wenn ich mich immer häufiger frage, welcher soziale Kontakt es wirklich wert ist, nicht zu lesen oder darüber zu schreiben.

Es gibt ja auch noch Menschen, die sich daneben auch noch von Bildern oder Tönen aus  Fernsehen oder Radio berieseln lassen, was ich eigentlich nie tue, wenn ich es sozial vermeiden kann, weil es beim Lesen nur stört. So lebe ich vermutlich in vielem neben der Welt und habe mit dem, was andere die Wirklichkeit nennen, nichts zu tun, bin ein Autist in seinem Bücherturm, den die Realität nicht sonderlich tangiert, da er sie, schaut er doch mal heraus, häufig eher nervig, abstoßend und dumm findet und warum sollte ich mich damit weiter abgeben, als ich es unbedingt muss.

Gelegentlich finden sich völlig unerwartet auch Schätze im Meer der Belanglosigkeiten, die  einen tieferen Einstieg und eine eingehende Beschäftigung lohnen. Dann freue ich mich darüber, rede und diskutiere mit Engagement und streite mich gern, um zu lernen. Aber war es das, kann ich meiner Tochter ein Leben neben der Welt empfehlen, als zöge ich mich, um glücklich zu sein in Epikurs Garten zurück, der hier eben voller Bücherregale steht?

Was sie glücklich macht und wonach sie sich sehnt, muss sie selbst herausfinden und erforschen und ich finde, es gibt keine schönere und spannendere Aufgabe im Leben, als in sich zu gehen, um sich darüber klar zu werden, was einem wirklich gut tut und gefällt, was am Ende bleibt, wenn ich mich frage, wie war dieses Leben.

Schaue  zurück bin ich, auch wenn ich vielleicht erst die Hälfte hinter mir hab, glücklich und genieße jeden Tag, was ist. Es war ein Stück Arbeit alle Erwartungen abzuwerfen und mit dem, was ist in seiner eben Mangelhaftigkeit und geringen Schönheit, die Dinge sind, wie sie sind, zufrieden zu sein, doch hat es sich gelohnt, alle Zweifel einzustellen, um glücklich zu sein. Ob eingestellte Zweifel dann bei mir angestellt sind oder sich einfach in nichts auflösen, weil sie völlig ohne Belang sind, frage ich mich nicht wirklich jeden Tag.

Es bleibt von mir nichts, als ein Haufen Bücher, der an meine Erben geht und den sich bisher meine Tochter mit niemanden teilen müsste,  soweit  ich weiß, was Vorteile und Nachteile hat in der Verantwortung wie in der Sache an sich. Habe keine Seele die wandern könnte, noch glaube ich an eine sonstige Fortexistenz, halte diesen ganzen spirituellen Unsinn nur für eine Beschäftigungstherapie für geistig unterforderte Feiglinge, die lieber nicht kritisch denken wollen. Damit urteile ich natürlich sehr hart über etwas, was mir auch egal sein könnte, weil es für mich nicht existiert und doch sehe ich die im Aberglauben und seinen Varianten daraus entstandenen Vorurteile  und die folgende geistige Enge, die Menschen seit langem quält, statt frei und glücklich zu sein. Da finde ich es auch mal ok, diesen ganzen Mist so zu nennen und für mehr Aufklärung, Freiheit und Vernunft zu plädieren.

Dummheit gibt es von alleine. Vernunft müssen wir uns erarbeiten. So gesehen ist die Haltung, die ich einnehme und die jeden Aberglauben ablehnt nicht die bequemste und könnte einem, der immer das Streben nach Lust und Glück für am wichtigsten hält, unnötig beim Streben nach Glück behindern, da sie Arbeit erfordert und also irgendwie auch stresst, vor allem, wenn mit Gläubigen diskutiert werden muss, die sich beschweren, wie ich es wagen könnte mit meinem Glauben, für den sie den Atheismus aus ihrem engen Horizont logisch halten, weil sie sich nicht vorstellen können, dass es eine glückliche Welt ohne gäbe, ihren heiligen Glauben einen Aberglauben zu nennen, was ich mir denn da anmaße.

Suche keinen Streit und will mich nie mit Narren streiten, weil es nur Unfrieden bringt. Natürlich nenne ich jeden Glauben nach dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes, der die Freiheit auch des Glaubens garantiert, logisch einen Aberglauben. Der Begriff kam im Mittelalter auf, in der Übergangszeit zwischen Karolingern und Merowingern als Herrschern im Nachfolgereich des römischen Reichs im Norden und suchte die Abgrenzung zum alten vorigen Glauben mit seinen Opfern und Kulten, die das Christentum nicht mehr wollte und brauchte und nur ausnahmsweise, wenn sie vom Bischof von Rom, der sich Vater nennt, genehmigt wurden, noch zulässig sind. Es diente also zur Abgrenzung des einen dogmatischen Monotheismus gegen andere vorherige Formen des Glaubens, die in der heutigen Gesellschaft aber gleichberechtigt alle sein müssten und so, nenne ich jeden Glauben, diesen Grundsätzen folgend, Aberglauben.

Warum ein allmächtiger Gott, der alles geschaffen hat, noch dazu nach seinem Bilde, dabei zu einem so mäßigen und charakterlich äußerst zweifelhaften Ergebnis kam, habe ich nie verstanden. So schien mir, was Menschen an Opfern und anderem Kult veranstalten schon immer eher als eine Beleidigung der Idee eines allmächtigen Wesens und Gottes und wäre, was Atheisten meinen, immer noch die geringste Kränkung eines solchen Wesens, wenn es denn existierte und nicht nur Produkt der Summe aus Ängsten und Phantasie immer war, die das Nichts nicht als Glück begriffen und darum irgendwelchen naiven Aberglauben vom Himmelreich seit Ewigkeiten nachbeteten.

Wer wäre ich, mit dem wenigen, was ich weiß, sicher sagen zu können, ob es allmächtige Götter gibt und sie über allem stehen? Der geringe Verstand, den mir die Evolution noch ließ und sofern dieser nicht noch zusätzlich durch die Anwesenheit holder Frauen weiter hormonell beeinträchtigt wird, sagt mir, gäbe es sie, hätten sie sicher keinen Grund, sich mit dieser peinlich, eitlen unvollkommenen Schöpfung als ihrem Werk zu schmücken, noch, wenn sie denn im Himmelreich lebten, sich mit uns abzugeben und den beschränkten niederen menschlichen Bedürfnissen, gar unsere lächerlichen Gebete zu erhören. All dies schien mir eine Verspottung der Idee Gottes und macht jenes vollkommene Wesen nur lächerlich, reduzierte es auf menschliches Maß, was die Christen so gern den Griechen mit ihren ach so menschlichen Göttern vorwarfen.

Es mag also Götter geben, kann meiner Tochter dazu nichts sicheres sagen, auch weil ich mich nicht weiter damit beschäftigen will, weil des dem Streben nach Glück nicht zuträglich zu sein scheint, sondern nur die Dummheit und Anmaßung vermehrt und den Horizont unnötig verengt. Doch scheinen mir jene, und das möchte ich ihr unbedingt mitgeben, die diese Götter zu kennen meinen und mit ihnen angeblich kommunizieren, häufig so anmaßend und kleinkariert, dass es die Idee eines vollkommenen Wesens, wenn es so eines denn gäbe, beleidigen muss, warum es immer besser ist, in dieser Frage seinen eigenen Weg zum Glück zu suchen, statt den Lehren anderer zu vertrauen, insbesondere wenn sie vorgebetet werden.

Kenne viele intelligente Menschen, die dennoch glauben und einer konventionellen oder weniger angepassten Form des Aberglaubens nachgehen. Muss nicht verstehen, warum sie das tun, will diese aber respektieren als Menschen, was mir auch wichtiger erscheint, als für meine Sicht der Wirklichkeit zu kämpfen, vor allem glücklicher macht, als Diskussionen in Glaubensfragen. So es am Ende nur um das Glück geht, scheinen mir viele Fragen heute überflüssig und ich kann auch zur Taufe der Tochter meines Freundes gehen, ohne mich darüber zu ärgern, dass dies arme Kind von den Eltern in eine unfreie Tradition gezwungen wird.

Das ist nicht ganz konsequent, aber da ohnehin alles endet und wir als erstes, ist es auch müßig, sich weiter danach zu fragen, wenn es glücklicher macht, mit mehr Menschen in Frieden zu leben, statt ihnen zu sagen, was sie deiner Ansicht nach falsch machen.

Es ist immer ein Drahtseilakt zwischen geistiger Konsequenz im Sinne des kategorischen Imperativs, dieser ach so deutschen höchsten Moral und Freiheit und einer möglichst großen Gelassenheit, die sich über nichts mehr aufregen muss und einfach glücklich mit allen Menschen leben kann.

Darum war es mir wichtig, das Denken meiner Tochter für eine kritische Sicht auch auf den Aberglauben zu öffnen, aber am Ende ist völlig egal, woran jemand glaubt, den ich liebe solange ich nur mit ihm glücklich bin und das fällt mit mehr Toleranz leichter als mit weniger.

Manche fragen sich, ob die Toleranz nur eine Sekundärtugend ist, bei der es nur um das rechte Maß geht, die aber für keine eigenen Werte steht. Das bezweifle ich entschieden. Für mich ist die Toleranz einer der wichtigsten Werte an sich, denn, was weiß ich schon wirklich als Mensch sicher, ist es da nicht überlebenswichtig einander in Toleranz und mit Respekt zu begegnen?

Mein Vater bezeichnete sich immer als scheißliberal und vertrat in Diskussionen immer die Gegenposition, was mich als Kind teilweise wahnsinnig machte, weil er das dann auch mit ganz viel Engagement und Überzeugung tat, auch wenn es gar nicht seine Meinung war und ich mir mit ihm Diskussionen lieferte über Fragen, bei denen das Thema eigentlich völlig unstrittig war, wir nur stritten, weil er aus  Prinzip die andere Seite vertrat.

Fand das furchtbar, konnte der Kerl nicht eine klare Meinung haben wie andere Väter, wie  stand ich in Diskussionen mit meinen Freunden da, wenn diese als Autorität ihre Väter zitierten und ich sagen musste, der meine sagt es mal so und mal so?

Und was mache ich nun mit meiner Tochter, frage ich mich, überlege, wie lange sie mich wohl dafür noch verfluchen wird und wann sie es dankbar als ihre große Freiheit sieht, selbst und kritisch denken zu können, statt nur nachzuplappern, was andere vorgeben, ob sie das je so sehen wird und diesen ganzen Blödsinn lesen oder lieber ignorieren wird, um sich an ihrem Schminktisch in die Welt der Sternchen und Stars zu träumen, was ich auch gut verstände und solange sie das ausreichend glücklich macht, auch völlig ok finde. Nur darauf kommt es mir an, dass sie weiß, was sie glücklich macht und es leben kann. Wer sich dafür keine Fragen stellen muss, hat es eher leichter, denke ich manchmal.

Kann nichts an Antworten geben, die Suchende befriedigen. Habe von nichts wirklich Ahnung.

Fragt mich eine, was der Sinn der Leben ist, sage ich, es hat keinen, es ist einfach und das genügt. Zumindest weiß ich nichts andere und kann und will nichts anderes weitergeben.

Regt sich mein Vater darüber auf, was das für ein Leben ohne Sinn wäre, wie er es schon mehrfach tat, nun diskutiere ich es nicht mehr mit ihm, auch sein Herz zu schonen,  antworte ich, ein Gutes, in dem es nur darum geht, so glücklich wie möglich zu sein. Weil eben nichts Sinn hat und es nur darum geht, aus dem was ist, irgendwie das Beste zu machen, sonst nichts.

Will jemand meine Ziele im Leben wissen, antworte ich, glücklich zu sein und wenn er dann nachfragt, er meint, was ich erreichen will oder wo ich noch hin möchte, sage ich immer, nirgendwo, ich bin wo ich sein will und möchte das so sehr wie möglich genießen, mehr nicht. Dies würde ganz schnell alle Bewerbungsgespräche beenden, weil kein Personaler diesen Satz in sein Schema pressen könnte, nach dem Menschen eingeordnet werden.

Eine Ex von mir war Läuferin und einmal begann ich auch zu laufen und tat das morgens um 5.45h, was sie unendlich bewunderte, wie sie sagte, ich spürte im Tonfall ihrer Stimme dabei so etwas wie Liebe und Bewunderung, was gut tat, weil sie nicht gerade eine Euphorikerin war und beim Sex jeder von uns aufpassen musste, nicht einzuschlafen. Dabei tat ich es nur, damit mich möglichst niemand peinlich keuchen sah und weil es mal nötig schien. Hatte keinerlei sportlichen Ehrgeiz im Gegensatz zu ihr, die sich noch mit blutigen Füßen ins Ziel  kämpfen würde vermutlich, was mir immer zu blöd wäre. So fuhr sie auch sehr sportlich bei jedem Wetter mit dem Rad ins Büro und leistete fleißig  und folgsam ihre Arbeit, ohne über eine weitere Karriere oder einen Aufstieg dort nachzudenken oder, was sie tat, kritisch infrage zu stellen.

Will auf keinen Berg klettern, nicht wie mein Vater noch mit über 60 mit dem Fahrrad die Alpen überqueren, muss mir nichts beweisen, im Gegenteil, stelle lieber infrage, statt zu beweisen. So gesehen hinterlasse ich meiner Tochter vermutlich wenig brauchbares für das Funktionieren in der Leistungsgesellschaft, die mich auch nicht interessiert. Von der Liebe zu den Büchern, sollte sie diese je teilen, hat sie nicht viel, das Zeug ist in Berlin eher Altpapier und wird kiloweise abgegeben.

Zu sehen, wie abseitig ist, was ich liebe und mir wichtig erscheint, befreit von dem Anspruch funktionieren zu müssen in einer Gesellschaft aus lauter lauten Leistungsträgern, die sich auch im Kneipengespräch ständig selbst übertreffen müssen.

Lauschte gestern zwei Herren, die sich kennenlernten. Sie stellten einander in englisch und deutsch vor, was der jeweils andere nur sehr mäßig konnte und versuchten sich dabei dennoch zu profilieren, indem sie das, was sie als ihre Hobbys und sonstiges beschrieben, als ihre besondere Begabung betonten, immer ein wenig bemüht den anderen noch trotz viel Unverständnis sprachlicher Art noch um einen Superlativ zu übertreffen.

Keine vornehme englische Bescheidenheit, sondern eher eine Hengstparade, bei der nur  noch fehlte, dass sie in der Schwanzlänge konkurrierten und ich war wirklich nur amüsiert. Auch die Versuche der gegenseitigen Rechtfertigung, wenn es um eine Beziehung oder nicht ging, waren nicht ohne Komik. Fragte mich, was sie wohl sagen würden, sähen sie einen Film über sich, ob sie es noch bemerkten, wie komisch sie waren.

Eine Freundin von mir sagte neulich zu mir, ich stellte mein Licht immer zu sehr unter den Scheffel, könnte ruhig stolz betonen, was ich könnte und worin ich anderen weit überlegen bin. Aber, ehrlich gesagt, wüsste ich da wenig, wo es nicht noch einen gäbe, der vielleicht besser ist als ich und zweitens, fände ich es schrecklich peinlich, meinen Schwanz so auf den Tresen zu legen und zu sagen, bin ich nicht toll.

Glaube manche Frauen stehen auf solches Imponiergehabe. Bei denen habe ich dann wohl äußerst schlechte Karten, doch mein Bedauern darüber hält sich bisher noch in überschaubaren Grenzen. Bin lieber, wie ich bin und damit glücklich, statt etwas sein zu wollen, was ich nie war, um Erfolg zu haben. Wenn mich eine lieben sollte, was ja schon gelegentlich mal vorkam, wird sie das nicht für meine Show tun, hoffe ich zumindest, sondern mich als Wesen lieben, aber vielleicht ist das auch eine etwas altertümliche Sicht.

Der Freund, der seine Tochter taufen ließ, wovon ich ja schon hinlänglich oft berichtete, stammt aus einer alten bekannten Familie und lebt das mit einer Bescheidenheit und Natürlichkeit, die mir vorbildlich erscheint, auch wenn sie ebenfalls, wie manche schon immer über ihn sagten, nicht in die Zeit mehr passt. Einer seiner vielen berühmten Vorfahren hat mal den Spruch getan auf gut mecklenburgisch, was aber als echt preußisch damals galt, dass es besser sei mehr zu sein als zu scheinen und viel zu leisten, aber dabei wenig in Erscheinung zu treten. Das gefällt mir, je älter ich werde, umso besser.

Es passt nicht in eine Zeit der Marketingexperten und der Selbstvermarktung aller Orten, damit ist kein großes Geschäft zu machen, es ist nur, was es ist und gut ist es. Ruht in sich und zeugt von einer Gelassenheit, die mir dem Menschen würdiger scheint als jede großmäulige Präsentation. Eigentlich bin ich ja kein Stiller und Bescheidenheit lag mir immmer weniger als die intellektuelle Arroganz, doch gefallen mir die Worte des Vorfahren, der auch den Spitznamen der große Schweiger trug, immer besser, je mehr ich darüber nachdenke und danach zu streben, scheint mir mehr Zufriedenheit zu vermitteln, als die erhechelten Kurzstreckensiege unserer Sprinter unter den Stars am Markt.

Was weiß ich schon, fragte der große Montaigne in aller Bescheidenheit, womit er sich auch Sokrates angemaßten Nichtswissen bescheiden überlegen zeigt und in dieser Tradition sehe ich auch den Feldmarschall mit seinen Sprüchen, auch wenn er mir als Militär in vielem wesensfremd ist, die Gelassenheit, die daraus wachsen kann, wünsche ich meiner Tochter mehr als alles andere, denn dann plötzlich wird das Leben ganz leicht und wir quälen uns nicht mehr mit dem was sein könnte, sondern genießen mehr, was ist, weil alles gut so ist und es nicht mehr braucht. Ende also zufrieden und glücklich und wünsche es ihr.
jens tuengerthal 24.1.2017

Montag, 23. Januar 2017

Gretasophie 009g

009g Menschenzeit

Was ist die Zeit und was davon ist unsere Zeit?

Dafür nehme ich mir ganz viel Zeit, ist ein typischer Satz, soweit es um Dinge geht, die  uns wichtig oder lieb sind. Mit unseren Lieben wollen wir ohnehin ganz viel Zeit verbringen, um zu genießen, was ist. Goethe wünschte sich, der Augenblick möge verweilen, wenn es gerade besonders schön war und diese Verse wurden im Deutschen sprichwörtlich. So wollen wir gerne manchmal die Zeit anhalten, gerade dann, wenn es am schönsten ist. Hoffen immer wieder, dies würde ewig dauern oder nie ein Ende finden und drücken damit keinen Alptraum aus, wie die Reise des Fliegenden Holländers, die erst durch die Liebe ein Ende findet und erlöst wird, weil eine Jungfrau so für ihn entbrannte, dass sie freiwillig in den Tod ging. So ist ein Leben ohne Ende auch in den alten Sagen uns kein Glück. Ähnliches ist auch vom Ring der Nibelungen zu hören, wo der arme Drache unendlich reich den Schatz ewig hütet und kein Glück mehr findet, auch nicht in Wagners gedroschenen Reimen, die  nur zu seiner Musik zu gut passen.

Eigentlich ist die Zeit nur eine physikalische Größe, die mit  t ausgedrückt wird, deren Maßeinheit die Sekunde s ist und die den Ablauf bestimmter Ereignisse im Verhältnis zu  anderen physikalischen Größen beschreibt. Sie ist physikalisch unumkehrbar und beschreibt nach den Grundsätzen der Thermodynamik den Grad der Zunahme der Unordnung in einem geschlossenen System. Komplizierter wird es nach der Relativitätstheorie, der zufolge gilt e=mc², oder in Worten Energie ist Masse mal Lichtgeschwindigkeit zum Quadrat. Danach wird eine auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigte Masse zu Energie und es fragt sich, was sie dann noch wesentlich wäre und wie nah wir an Lichtgeschwindigkeit kommen können, ohne aufzuhören als Körper zu sein.

Noch spannender wird es in der Physik, wenn wir auf der subatomaren Ebene den Welle-Teilchen-Dualismus betrachten, der nur teilweise quantendynamischen Grundsätzen gehorcht und eine Quantenrelativitätstheorie bräuchte. Sind wir ein Teilchen oder eine Welle, was sind wir überhaupt wann, worauf kommt es für unser Sein an und weist uns die Krümmung der Zeit im Raum daraufhin, dass unser Denken über Kontinuität eine lineare Illusion nur war?

Könnte danach die Zeit, wenn sie rechnerisch negativ werden kann, dies auch tatsächlich werden, könnten geträumte Zeitmaschinen im Wege der Quantenphysik Realität  werden und was bedeutete das für unsere Gegenwart und Zukunft?

Würde ich etwa das Attentat von Georg Elser zum Erfolg führen und damit Hitler vor dem Krieg töten, könnte ich ex post den Holocaust verhindern und Millionen Menschen das Leben retten, die Attentäter vom 11. September würde ich vorher identifizieren und verhaften und hätte Millionen Tote im islamischen Raum verhindert und einige hundert in den USA gerettet -  wäre ich ein Retter der Welt und des Guten oder ein gefährlicher Zeit-Terrorist?

Oder wären wir bei Zeitreisen, wie es heutige Modelle eher annehmen in Parallelwelten, die unabhängig von den anderen existieren?

Noch können wir das physikalisch nicht realisieren, aber die Teilchenbeschleuniger nähern sich dem langsam und stellen fest, wie stark die Zerfallszeiten etwa radioaktiver Teilchen ab einem bestimmten Tempo abnehmen - die Zeit wird also unter bestimmten Umständen nicht nur lyrisch sondern auch physikalisch wohl zu einer relativen Größe. Wie weit dies alles mit schwarzen Löchern und Welten in verschiedenen Dimensionen zusammenhängt, die nebeneinander existieren sollen, können Physiker bestimmt viel besser erklären als ich es je verstand, warum ich mir auch gar nicht anmaßen will so zu tun, als hätte ich Ahnung davon.

Es gibt da jedenfalls eine Relativierung des bisher bekannten linearen Prinzips, nach dem Zeit eben abläuft. Nicht nur die Zeit krümmt also den Raum, was heißt, sie verändert ihn, sondern auch der Raum krümmt je nach Geschwindigkeit wohl die Zeit verschieden stark wahrnehmbar, was in manchem unserem sehnsüchtigen Empfinden entspricht und doch wieder nicht vorstellbar erschien in der Enge des linearen Horizontes.

Philosophisch betrachtet ist Zeit das Fortschreiten der Gegenwart von der Vergangenheit ausgehend zur Zukunft hin. Dabei wird auch nach dem Wesen der Zeit gefragt und wie weit wir von ihr abhängig sind. Dagegen schaut die Psychologie auf das Zeitgefühl und die Zeitwahrnehmung, während es für die Ökonomie ein Wertgegenstand ist, bleibt es den Sprachwissenschaftlern als Tempus der Verben deren grammatische Form und Beugung.

In der Philosophie gab es durch die Zeiten auch entsprechend dem fortschreitenden Wissen unterschiedliche Betrachtungen der Zeit. Dies geht von der Antike bis in die Gegenwart.

Heraklit etwa nutzte gern die Flussbilder, wonach über dem gleichbleibenden Flußbett alles fließt, jenes berühmte panta rhei, so stehen die Dynamik des Fließens und die Kontinuität des Flussbettes in einem gegensätzlichen Verhältnis.

Nach Platon haben Raum und Zeit kein eigenes Wesen sondern seien nur Abbilder des eigentlich Seienden, was hinter seiner Ideenlehre steckt und sich gern in den Aberglauben rettet, um Lücken zu schließen. Dagegen meinte Aristoteles der Zeitbegriff sei untrennbar mit der Veränderung verbunden. So sei Zeit das Maß jeder Bewegung und kann nur durch diese gemessen werden, ließe sich aber dabei in unendliche Intervalle einteilen, was für das Kontinuum der Zeit steht.

Augustinus, der christliche Lehrer, der auch gern von seinen Sünden sprach und aus Nordafrika kam, unterschied erstmal die physikalisch exakt messbare Zeit von dem subjektiven Zeitempfinden. Nach seiner Überzeugung entstanden Raum und Zeit erst durch Gottes Schöpfung, für den alles eine Gegenwart ist. So fasst er das Geheimnis der Zeit in folgendem Ausspruch zusammen:

„Was also ist ‚Zeit‘? Wenn mich niemand danach fragt, weiß ich es; will ich es einem Fragenden erklären, weiß ich es nicht.“ (Confessiones XI, 14)

Der große Physiker und Philosoph Isaac Newton sah Zeit und Raum als Behälter für Objekte, die genauso real seien wie gegenständliche Objekte.  Nach seiner Auffassung gilt: „Zeit ist, und sie tickt gleichmäßig von Moment zu Moment.“ Darum  dominiert in der Naturphilosophie Newtons Auffassung, die es ermöglicht, Zeit und Raum unabhängig vom Bezugspunkt oder Beobachter zu beschreiben.

Dagegen meinte Gottfried Wilhelm Leibniz, dass Zeit und Raum nur gedankliche Konstruktionen seien, die Beziehungen zwischen Ereignissen zu beschreiben. Da sie kein Wesen hätten, gäbe es auch keinen Fluss der Zeit. Nach seiner Definition gilt: „Die Zeit ist die Ordnung des nicht zugleich Existierenden. Sie ist somit die allgemeine Ordnung der Veränderungen, in der nämlich nicht auf die bestimmte Art der Veränderungen gesehen wird.“

Imanuel Kant der große Königsberger Philosoph meint dagegen, Zeit sei genau wie der Raum eine reine Anschauungsform des inneren Sinns der Dinge. Diese seien unser Zugang zur Welt und gehören zu den subjektiven Bedingungen menschlicher Welterkenntnis. Da wir sie aus unserer Erfahrung nicht wegdenken können und auch nicht wissen, ob sie einer Welt an sich zukommt, schreibt er ihr eine Art empirische Qualität zu für Zeitmessungen und entferntere Ereignisse.

Ganz ähnlich beschreibt es Martin Heidegger in seinem Werk “Sein und Zeit”, der sie als eine Wirklichkeit sieht, die als eine Wirklichkeit das Menschsein zutiefst prägt.

Dagegen kommt die vergleichende Kulturwissenschaft immer mehr zu der Erkenntnis, dass es die Zeit als anthropologische Konstante, die allen Menschen zugleich zukommt, gar nicht gibt. Es gäbe vielmehr viele verschiedene kulturspezifische Zeitauffassungen, die zu  unterschiedlichen Strukturen führen. So gibt es zyklische wie bei den Vorsokratikern und Naturvölkern oder eine kontinuierliche, die von der Vergangenheit über die Gegenwart zur Zukunft gelangt. Daneben existiert noch eine die von Anfang und Ende in der Art eines Ziels in der Geschichte ausgeht und die neue Sicht aus der Quantenphysik, die sich quasi aufspreizt in jedem Moment und die Folgen dieser Theorie erklären kann, die  unser kontinuierliches Zeitempfinden völlig durcheinanderbringt.

Einige Soziologen meinen, die Setzung von Zeitstrukturen entstresse die Menschen, weil sie helfe, ihr Leben zu ordnen und sich zurechtzufinden. Andere meinen dies solle lieber der Natur folgen und nicht von außen gesetzt werden. Damit hängt auch die Einteilung ins Lebenszeitalter zusammen, denen bestimmte Ereignisse zugeordnet werden.

In der Literatur spielt die Zeit auch  in zwei der größten Romanwerke eine Rolle. In Thomas Manns “Zauberberg” als Kontinuum gegen dessen Relativierung sich nur anfänglich noch gewehrt wird, während im Schatten des Todes, der überall lauert im Lungensanatorium, wenn er auch keine Rolle spielt, außer als Unterbrechung der Monotonie, die Leere nur künstlich unterbrochen wird, vergehen Jahre und Monate in wenigen Seiten, während zuvor Tage das hundertfache einnahmen, als Hans Castorp, der Ingenieur aus Hamburg noch alles als Neuling erlebt. In “Auf der Suche nach der verlorenen Zeit” bemerkt der Erzähler von Marcel Prousts großartigem Werk am Ende, dass er nur noch indem er über die Vergangenheit schreibt das große Kunstwerk schaffen kann, von dem er immer träumte und so endet la recherche damit, dass der Erzähler zu schreiben beginnt. Dies nachdem sich der Leser durch viele Bücher der kunstvollen und detailreichen Beschreibung der nun als Kunstwerk zu beschreibenden Zeit verloren hat und so Teil der verlorenen wie der wiedergefundenen Zeit wurde.

In seinem Roman, Die Entdeckung der Langsamkeit, hat Sten Nadolny am Beispiel des Entdeckers und Forschungsreisenden Sir John Franklin die unterschiedliche Zeitwahrnehmung aus der Sicht eines seinem Wesen nach ganz langsamen Menschen dargestellt, der, da er nicht schnell reagieren konnte, alles auswendig lernen musste, um in der Situation noch reagieren zu können, wie es nötig ist, was als Kapitän auf einem Schiff  immer wieder so ist. Nadolny lässt dabei am Beispiel Franklins über unser Zeitgefühl nachdenken und erzählt dabei wunderbar die Geschichten aus der Kindheit des Protagonisten, in der er immer das Netz beim Ballspielen halten musste, weil er zu langsam war, im Spiel zu reagieren. Wie sich einer mit einer anderen Zeitwahrnehmung dazu zwingt in der anderen Zeit zu funktionieren und als Kapitän sogar wichtige Führungsverantwortung übernimmt.

Ein anderes großartiges Buch über die Zeit ist Michael Endes Roman für Kinder und Jugendliche Momo, in dem die Zeitdiebe auftauchen, die den Menschen die Zeit abkaufen, die sie in der Zeitsparkasse sparen können, um ein Vermögen auf ihrem Zeitkonto anzusammeln. Die grauen Männer leben von der gestohlenen Zeit, die sie in ihren Zigarren verrauchen und bieten den Menschen Versprechungen auf Konsumgütern für die eingesparte Zeit. Das Mädchen Momo, die ohne Eltern im Amphitheater lebt und anfänglich noch wunderbar mit den Kindern spielt und Phantasiereisen unternimmt, bemerkt die sich ändernde Zeit dadurch, dass plötzlich keiner mehr Zeit hat. Sie macht sich schließlich auf den Weg, die  Zeit anzuhalten, um die Macht der grauen Herren zu brechen. Diese wunderbare Beschreibung und Kritik unserer Zeit und der Art wie wir wirtschaften öffnet den Blick für die wirklich kostbaren Momente im Leben, für die wir uns besser Zeit nehmen.

Wie real ist die Zeit wirklich, frage ich mich und denke daran, was ich noch zu tun habe außer über die Zeit nachzudenken und versuche das übrige nun eine zeitlang weiter auszublenden, um mich ganz auf den Augenblick in der Beschäftigung mit der Zeit zu konzentrieren. Diese Haltung zeugt von einem sehr klassisch linearen Bild von der Zeit, das uns auch unser tägliches Leben in der Gesellschaft aufzwingt.

Das Verständnis von Zeit und dem Wert etwa der Pünktlichkeit verändert sich schon in Deutschland. So wird im Norden mehr Wert darauf gelegt als im Süden, wo es lockerer betrachtet wird. Um so weiter wir dann in Europa oder darüber hinaus gen Süden gehen, desto lockerer ist das natürliche Verständnis der Zeit und der Umgang mit ihr auch. Afrikaner haben für europäische Verhältnisse teilweise ewig Zeit und halten die Einhaltung exakter Reaktionszeiten eher für überflüssig. Es gibt für dieses verschiedene Verständnis unterschiedliche Theorien. Die wahrscheinlichste ist jene, die an den geografischen Bedingungen anknüpft, wonach in den nördlichen Regionen mit ihren starken klimatischen Schwankungen zwischen den Jahreszeiten eine exaktere Einhaltung der Zeiten lebensnotwendig sein kann. Wer nicht pünktlich kommt, kann den anderen am verabredeten Ort sonst glatt erfrieren lassen, was in wärmeren Regionen gelassener gesehen werden kann.

Im internationalen Handel und Flugverkehr aber sind exakte Zeiten wieder sehr wichtig. So legen Kapitäne auf eine Einhaltung der exakten Zeiten zur Be- und Entladung großen Wert, da es dabei immer auch um viel Geld geht. Aus dem Handel kommt auch der berühmte Spruch Zeit ist Geld. Was bei Termingeschäften etwa an der Börse noch wichtiger sein kann, wo Sekunden des richtigen Kaufs oder Verkaufs über Gewinn oder Verlust entscheiden können.

Ist eine solche Behandlung der Zeit noch natürlich oder entfremdet sie uns von unserer Natur?

Diese Frage lässt sich wohl nicht so allgemein beantworten, weil die Natur dabei sehr unterschiedlich ist. Wer es gewohnt ist exakt nach Termin zu arbeiten, wird es normal finden, dies in seinem sonstigen Tagesablauf zu tun. Andere, die immer in den Tag hineinleben und sich nach nichts richten müssen, werden von einem Termin sehr unter Druck gesetzt, empfinden dies als Stress und völlig unnatürlich. So können zwei völlig gegensätzliche Auffassungen der Zeit nebeneinander existieren, auch wenn sie sozial manchmal schwierig zu vereinbaren sind.

Gehen Menschen aus Liebe eine Partnerschaft ein und wollen dann möglichst viel Zeit miteinander verbringen, zeigt sich, ob die unterschiedliche Wahrnehmung und Nutzung der Zeit, sich vereinbaren lässt oder sie sich nicht gut tun können, weil sie zu verschieden sind. Trotz anfänglicher Anziehung und Lust, vielleicht sogar gefühlter Liebe, kann ein unterschiedliches Zeitempfinden manche Beziehung scheitern lassen, die so hoffnungsvoll begann. Dann heißt es oft, sie hätten sich auseinandergelebt oder die Liebe verloren, manchmal auch erstaunlich ehrlich, sie hätten keine Zeit füreinander gefunden.

Habe dies selbst gerade mit einer eigentlich wunderbaren Liebe erlebt, in der wir es nicht schafften, die Zeit miteinander zu genießen, weil wir keine gemeinsame Zeit fanden. Habe diese Frau immer bewundert und geliebt, doch schafften wir es nicht mehr unsere Zeiträume zu finden und der Liebe alle Zeit zu geben, die sie braucht, um frei fliegen zu können. So kann eine bloße unterschiedliche Wahrnehmung der Zeit, eine große Liebe zerstören. Gewiß gab es auch andere Faktoren, die wichtig waren und die ich weniger sehe, aber mir scheint die Zeit in diesem Fall der wichtigste Faktor gewesen zu sein.

Der eine wird unruhig, wenn er nichts tut, muss und will immer etwas machen, der andere ist glücklich über das Sein an sich und damit zufrieden, muss nirgendwohin und hat eher das Gefühl, nun etwas zu unternehmen, würde die schöne Zweisamkeit stören, die mit Lesen, Schreiben und Zärtlichkeiten doch genug für ein Leben gefüllt werden kann, was die andere Seite, die ihr Leben nicht verträumen will, nicht verstehen kann.

So führt die unterschiedliche Wahrnehmung der Zeit zu einer entgegengesetzten Auffassung dessen, was Glück ist und beide werden, in meinem Fall wurden, miteinander unglücklich, der eine hat das Gefühl, nicht genug zu sein in dem, was glücklich macht, die andere fühlt sich nicht genug gewürdigt und wertgeschätzt. Während ich lieber die  Langsamkeit entdecke, um meinen Gedanken genug Raum zu geben, hätte sie lieber was unternommen und jeder hatte das Gefühl vom anderen, in dem was ihm wichtig ist, nicht gesehen zu werden und so entfernten wir uns, auch wenn wir uns täglich oder zumindest nächtlich sahen, immer weiter voneinander und aus Unverständnis wurde Wut, die, wie sie das immer wieder gerne tut, völlig unpassend ausbrach.

Vielleicht hätten wir es ändern können, wenn wir über unsere unterschiedliche Wahrnehmung der Zeit und dessen, was uns wichtig ist, gesprochen hätten. Aber es ist auch möglich, dass wir dann nur entdeckt hätten, dass alles eine Illusion war und wir gar nicht zusammenpassten, weil sich unser je Tempo nicht vereinbaren ließ und wir, was wir schön finden, so nicht gemeinsam genießen konnten. Weiß nicht, ob es nur an der Zeit lag, die sie immer nur beschränkt an Land verbrachte und deshalb nutzen wollte, aber es scheint mir  ein wesentlicher Grund der Missverständnisse und der Verwandlung von großer Liebe in kühle Abneigung und starke Entfremdung, auch wenn es eine irgendwie gefühlte große Nähe und schöne Pläne gab.

Ob sich das je ändern ließe oder wir uns einfach damit abfinden müssen, dass unterschiedliche Wahrnehmung der Zeit nicht zusammenpasst, weiß ich nicht. Auch nicht, was wer tun könnte, um sich dabei zu verstehen - das Unverständnis könnte auch ausdrücken, was wir unserer Natur nach empfinden, weil wir trotz starker Gefühle der Natur  nach zu verschieden sind, es sich nie vereinbaren ließe.

Zumindest zeigt dieses Beispiel, wie unterschiedlich die gleiche Zeit wahrgenommen werden kann und wie fern sich Menschen sein können, obwohl sie sich doch gefühlt ganz nah sind und sich auch sagen, dass sie genau das wollen. Zeit ist also, auch wenn objektiv messbar und für uns alle gleich, völlig unterschiedlich für jeden und wo der eine einen vollen Tag als Befriedigung empfindet, sieht der andere es als Belastung, weil er mehr Zeit für sich auch braucht, um glücklich zu sein.

Bin in der Nacht ungern allein, liebe es diese Stunden aneinandergekuschelt zu verbringen und habe das Gefühl, eine schönere und größere Nähe könne es gar nicht geben. Alle andere ist da nachrangig und kann sich den nötigen Bedingungen anpassen. Aber verbringen wir im Schlaf überhaupt Zeit miteinander?

Rein tatsächlich tun wir es. Sind eng beieinander, fühlen den anderen und können diese Nähe genießen. Bewusst ist  uns das aber nur davor und danach. Im Schlaf fallen wir  sozusagen aus der Zeit oder halten sie an, das Denken beginnt wieder, wenn wir aufwachen. Dennoch ist mir, der ich ständig denke und über irgendwas nachdenke, diese Zeit am wichtigsten, in der sich zwei ganz nah sein können, ohne darüber zu reden oder dabei zu reden. So habe ich eine zeitlang für das wichtigste Kriterium gehalten, wie ich neben jemand schlafen konnte, was mir noch wichtiger war, als miteinander zu schlafen.

Diese unbewusste Zeit, in der ich mir nur im Traum Fragen oder Aufgaben stelle, schien mir näher zu kommen und so war mir die Zeit, die eigentlich gar keine war, da wir sie ja verschliefen, fast wichtiger als die bewusste Zeit. Wer sich hier nah war und sich ganz fühlte, schien mir natürlich zusammen zu passen und das Gefühl nach dem Aufwachen sagte mir mehr als viele meiner wirren Gedanken, die von allem möglichen beeinflusst waren. Frage mich, ob das dann eine Gefühlsentscheidung war oder nicht mal das, weil auch ein Gefühl ja eine uns bewusste Sache ist, wir fühlen es ja, auch wenn uns über alle Ursachen dessen, selten ganz im klaren sind.

Neben wem ich nicht gut schlafe, dessen bin ich mir ganz sicher, mit dem kann ich auch wach nicht auf Dauer glücklich werden. Bezüglich des Umkerhschlusses bin ich mir nicht so  ganz sicher, ob ich also mit jemandem glücklich werden kann, allein wenn ich gut neben ihr schlafe, spielen dabei doch immer zahlreiche andere Faktoren noch eine Rolle.

Warum ich mir in einer Sache sicher bin, bei der ich nicht weiß, was geschieht und wie es geschieht, also ohne jedes Wissen eine Entscheidung treffe, als ginge sie von sicherem Wissen aus, weiß ich nicht und staune darüber noch. Sicher ist guter Sex schön und wichtig, um eine glückliche Beziehung zu führen, doch mehr scheint es mir auf diesen intuitiven Faktor anzukommen, den ich im Schlaf erspüre und so kann mir das Glück gut beieinander zu schlafen schon alles sein und es braucht nicht mehr, um zufrieden sein eigentlich. Dass es dann doch immer wieder praktisch mehr braucht und wir dann an der je Unzufriedenheit scheitern, habe ich oft genug erlebt. Mal war die eine über zu wenig unzufrieden, dann die andere über zu viel von etwas, was ihr nicht lag oder ich oft genug über zu wenig von dem, wonach ich mich sehnte, dabei war für das Glück und seine Kontinuität eigentlich mir das unbewusste beieinander viel wichtiger als die aktiv geteilte Zeit.

Nie verbingen zwei Menschen mehr Zeit ganz nah, als wenn sie beieinander schlafen, umarmt und angelöffelt ganz dicht beieinander liegen, ohne zu denken, genießen, was ist. Heute, viele Jahre nachdem ich meine erste Nacht mit einer Frau zärtlich verbracht habe, würde ich ganz klar sagen, nichts ist mir wichtiger, als dieses Glück zu teilen und wenig macht mich zufriedener und ausgeglichener im Leben als gut beieinander zu schlafen. Brauche diese Nähe, auch wenn ich sie gerade mal wieder entbehre und frage mich inzwischen, welche Kompromisse dieses einfache Glück wert wäre, einzugehen.

Vielleicht ist aus diesem Glück der Schlafenszeit die Institution der Ehe entstanden mit ihren vielen schlechten und wenigen guten Kompromissen, frage ich mich, den Prozess der Schlafenszeit kulturhistorisch betrachtend. Schlafe ich zu zweit, genügen mir ganz wenige Stunden, um völlig erholt und selig gestärkt zu erwachen. Entbehre ich es, kann ich mich mit Büchern gut allein glücklich machen, aber irgendwo habe ich das Gefühl, ein wichtiger Teil von mir fehlt und ich schlafe für mich nur halb, wenn ich nicht den anderen im Arm halte. Ob dies Formen wie in der Ehe erfordert, Treue nötig ist, weil sie auch Vertrauen heißt, weiß ich nicht. Doch selten nur haben wir die Wahl dabei auf Dauer.

Doch wollte ich, die, neben der ich so gut schlafe, neben einem anderen wissen, frage ich mich und denke spontan, solange ich es nicht weiß, ist es eigentlich egal aber irgendwo ganz tief wohnt vermutlich in jedem Menschen das Gefühl, was ihn glücklich macht, für sich haben und behalten zu wollen und die Angst, es zu verlieren, falls die Nähe beliebig austauschbar wäre, liegt relativ nahe und scheint mir natürlich, auch wenn sie das Gegenteil von Liebe eigentlich ist, die schenken möchte und dem anderen gut will. Ob die Liebe so ihrer Art nach ein Paradoxon ist, das in seinem Sein zwischen Freiheit und Besitz  immer auch ein Schwanken ist, frage ich an dieser Stelle nicht, wo es doch um die Zeit geht, doch könnte es helfen, zum Glück zu finden, sich, jenseits aller Normen, darüber klar zu werden, was es ausmacht und was es behindert.

Die Zeit glücklich zu verbringen, wie es uns entspricht, scheint mir die wichtigste Aufgabe im Leben. Dazu gehört  natürlich auch zu wissen, was mich glücklich macht und wo ich daran gehindert bin, weil andere Gefühle mit der Zeit stärker werden. Mit der Liebe, die wir beide für groß hielten, was immer sie nun tatsächlich war, teilte ich einen Traum vom Glück in der Liebe. Für mich war dabei wohl die Traumzeit wichtiger als die wache, dennoch haben wir es nicht geschafft, uns darauf zu verständigen und dies Glück, was alles hätte sein können, zu würdigen.

Neben einer anderen schlief ich traumhaft und immer wunderbar, alles übrige spielt eher  keine Rolle und gäbe keinen Grund, es fortzusetzen, kritisch bedacht vermutlich, dennoch genügte mir dies bereits nach dem Instinkt, sie heiraten zu wollen und mich mit ihr zu verloben, was dann endete, weil sie sich nicht genug unterhalten fühlte und ich ansonsten eher gelangweilt war. Dennoch blieb dies wunderbare Gefühl neben ihr zu schlafen in mir zurück und würde ich mich immer wieder danach sehnen, auch wenn ich auf den Rest, ohne etwas schlechtes sagen zu können oder zu wollen, sie war ein sehr anständiger und liebevoller Mensch, bestimmt zuverlässig, wäre nicht wach die Vernunft stärker, die klar sagt, euch verbindet nichts als geteilte Nächte.

So gesehen wird Sex und gemeinsame Unternehmungen für den Wert einer Partnerschaft meist völlig überschätzt, denke ich manchmal, kommt es doch viel mehr auf die gemeinsamen Nächte, also das nichts Tun an, als auf egal welche Unternehmungen und all dies nehme ich nur dafür mit in Kauf, auch wenn ich Sex mag und wichtig und gesund finde, halte ich ihn für das Glück auf Dauer für überschätzt. Dazu kommt auch, dass der anfängliche Reiz irgendwann ganz natürlich nachlässt. Vielleicht ist darum die in unserer Gesellschaft übliche Konstellation, wenn zwei sich lieben, gut miteinander klar kommen, heiraten sie , um sich einander zu versprechen und den Rest des Lebens miteinander zu verbringen, eine unserer Natur völlig fremde Art und Weise.

Ob wir wohl  glücklicher wären, wenn wir den Sex wechselnd aufregend hielten aber dieser keine Rolle in der Partnerschaft auf Dauer spielte, außer es ist gerade so und fühlt sich danach an, dann ist es auch gut so, frage ich mich und sehe den Besitzinstinkt, mit dem Wunsch zu gönnen im steten Widerstreit und frage mich, was dabei Natur ist und was nur eine sozial erzwungene Konvention. Weiß nicht, ob ich diese Frage je für alle befriedigend lösen kann, oder jede Beziehung immer nur der gerade  bestmögliche Kompromiss ist, bei dem zwei versuchen, Leben bewusst und schlafend miteinander zu teilen.

Sicher verbringen wir normalerweise im erwachsenen Leben die meiste Zeit noch schlafend miteinander und also im unbewussten Zustand, darum scheint mir, darauf zu achten, doch ein relativ ökonomisches Verhalten. Wo das geht, wird der Rest schon klappen oder weniger wichtig. Wo es daran mangelt, bleibt wenig schöne Zeit miteinander, so toll die sonst aktiven Erlebnisse miteinander sind. Dennoch würde jeder einen anderen für verrückt erklären, der die Partnerwahl vom Gefühl einer unbewusst miteinander verbrachten Zeit abhängig machte, es kommt doch auf so viel mehr an als den Zufall des guten Schlafes und was bliebe, wenn daneben das andere vernachlässigt würde an glücklicher Zeit noch?

Auch ich bin nicht nur blind und stürze mich darum auch gerne auf viele andere Kriterien, obwohl mein Instinkt mir sagt, genau das ist es, was letztlich zählt. Der Instinkt scheint mir wiiederum ganz natürlich zu wählen und frei zu sein von allen sonstigen Gedanken, in die Berechnung, Triebe, Wünsche, Enttäuschungen, Ängste und Hoffnungen mit hineinspielen, auch wenn das vielleicht eine Illusion ist, denn ich höre ja auch im Schlaf nicht auf zu sein. Bin immer noch der gleiche Mensch, mit den selben Träumen, nur eben nicht bewusst. Nicht umsonst beschäftigt uns im Traum ja auch häufig, was uns tagsüber Sorgen machte, ob wir uns nun dessen bewusst waren oder nicht.

Gebe nicht viel auf Träume mehr, außer sie scheinen mir gerade nützlich auf meiner Suche nach dem Glück. Hatte lange von Ängsten geplagte Alpträume, nicht genug zum Leben zu haben, zu versagen oder sonst völlig unterzugehen und habe irgendwann beschlossen, diesen Unsinn abzustellen. Genieße das Leben, wie es ist, mehr kann ich ohnehin nicht und etwas wichtigeres gibt es auch nicht. Fürchte weder den Tod, noch etwas zu verpassen. Habe genug geliebt, um zu sagen es reicht für ein Leben und alles, was jetzt noch kommt, ist nur noch das Sahnehäubchen. Werde es genießen, wie den größten Zauber, aber fürchte nicht, etwas zu verpassen, mit eine Gelegenheit entgehen zu lassen oder ins Unglück zu stürzen, weil ich ja schon alles Glück hatte, was einem Mann nur widerfahren kann.

Diese Änderung der Haltung hat mich von einem Tag auf den anderen von allen Alpträumen und Ängsten befreit, für die andere in meiner Lage vermutlich ständig viele Gründe sähen, denn sicher ist bei mir nichts, als dass alles Leben endlich ist. Sich damit abzufinden, war ein bewusster Akt, der auf die Lektüre des Lukrez folgte, der mit die Lehre Epikurs und dessen Haltung zum Leben nahe brachte. So habe ich mein, was die, die daran glauben, Unterbewusstsein nennen, bewusst und wach beeinflusst, indem ich mir das Glück zu leben, bewusst machte.

Habe auf diese Art meine Freiheit wiedergewonnen und mein Glück selbst in die Hand genommen, statt mich von meinen Ängsten treiben zu lassen. Damit bin Herr meiner Zeit geworden und lasse mich auch nicht mehr von Träumen beherrschen, die ein geglaubtes Unterbewusstsein angeblich spiegeln.

Wir können also nur durch unseren Willen und das wenige, was uns überhaupt bewusst ist, auch die große Welt der Träume mit lenken und beeinflussen, indem wir uns Mut machen und die Dinge in die Hand nehmen. So wird das gut beieinander schlafen etwas aus dem Bereich des nur Gefühls herausgeholt. Es ist eine Zeit, die wir auch mitbestimmen durch die Haltung, die wir dazu haben und wo wir sie also bewusst genießen wollen, kann sie das schönste Glück uns sein.

Wenn mir eine Geliebte nach der Lust selig im Arm einschläft, bin ich so glücklich über diesen innigen Moment, dass alles andere klein wird und ich daraus, auch wenn ich nicht schlafe, ungeheuer viel Kraft gewinne. Dann liegen wir manchmal eine halbe Stunde oder etwas mehr oder weniger so innig befriedigt beieinander und ich habe das Gefühl, dass die Erholung weniger solcher Stunden intensiver sein kann als zu viele Stunden Schlaf, dessen ich eigentlich sehr wenig brauche.

Nach meinem Gefühl halbiert sich mein Schlafbedürfnis noch, wenn Nähe und Zärtlichkeit geteilt beieinander geschlafen wird, als schliefe ich so nah für zwei. Dies klappt nicht immer und ich kann nicht genau sagen, warum es mal so gut ist und mal das genaue Gegenteil, dann wache ich auf und habe das Gefühl, der andere hätte mich über Nacht wie ein Vampir ausgesaugt und werde gar nicht wach. In all diesen Fällen schlafe ich lieber allein. So zeigt sich auch beim Schlaf die Relativität der Zeit, die wir noch durch Übungen wie Yoga oder Autogenes Training weiter führen können. Eine halbe Stunde völlige Entspannung kann besser tun als viele Stunden Schlaf.

Auch das Empfinden der Lebenszeit ändert sich völlig im Laufe der Jahre. Berlin, der Ort an dem ich nun die längste Zeit meines Lebens lebe, scheint mir manchmal noch gänzlich fremd und neu. Der Platz, der mein Kiez ist und um den ich die Kneipen Restaurants und Bars fast alle kenne, es sind nur rund 20 verschiedene einmal um den Platz, ist mir noch fremder als der Wohnort meiner Eltern, obwohl ich da nie wohnen wollte, weniger Jahre am Stück dort gelebt habe als an meinem Platz nun und doch scheint mir der Ort an dem ich seit 2010 lebe und liebe immer noch und immer wieder neu. Die Jahre vergehen, seit ich vierzig wurde wie im Flug, die Zeit begann sich schon in dem Moment zu beschleunigen, als ich Vater wurde. Während meiner Tochter die Zeit bis zum nächsten Geburtstag oder dem nächsten Sommer ewig schien, kommt es mir manchmal wie ein Augenblick nur vor.

Sah im Sommer vor meinem Café eine Geliebte vom Sommer vor bald drei Jahren wieder und es war mir, als wäre es gestern gewesen und zugleich war es auch irreal weit weg. Als sie mit ihren Schatz dann drei Tische weiter trurtelte, störte es mich überhaupt nicht. Freute mich für sie und doch hörte ich aus ihrem Mund und mit dem Klang ihrer Stimme das gleiche, was ich Jahre zuvor dort an nahezu gleicher Stelle erlebt hatte. Als hätte sich nichts verändert, sah ich sie mit ihm turteln und es war als sähe ich uns im Film zu und die Zeiten verschoben sich seltsam.

Dieses Erlebnis kenne ich nun schon und wenn du am und um den Ort mehr als eine Freundin hattest, passiert es eben, dass du dich gelegentlich wieder hörst oder siehst. Jedesmal, wenn mit so etwas passiert, scheint es mir ein wenig, als schaute ich mir und meinem Leben zu, wäre in der Zeit versetzt.

Andere haben ihren einen Ort, an dem sie mit ihrer Geliebten waren, wo sie mit der, die vielleicht später ihre Frau wird, schöne Erinnerungen haben, wo der Zauber begann und so flaniere ich heute gerne in der Nacht alleine um den Platz, schaue in die Cafés und erinnere mich, wen ich an diesem Tisch zum ersten mal küsste und mit welcher es dort anfing und so haben alle Orte ihre kleinen Geschichten und ich könnte vielleicht irgendwann einmal eine Liebesgeschichte um den Platz schreiben, über die Orte, die es noch gibt wie jene, die wieder verschwanden.

Habe um den Platz herum dreimal mehr Frauen geliebt als in den vierzig Jahren zuvor und eigentlich ist die Liebe zu den Frauen mein Kriterium für Heimat und zugleich denke ich daran, wie nah es mir ging, als meine Mutter mir erzählte, wie sie neulich eine frühere Flamme von mir traf, die nun Lehrerin ist und zweifache Mutter, mit der ich nie wirklich was hatte, geschweige denn geschlafen hätte und doch schien mir, so abwegig es klingt, diese Ferne plötzlich ganz gegenwärtig nah, auch wenn es dreißig Jahre her ist inzwischen, dass ich um sie buhlte, ich damals nur wenig älter war als meine Tochter jetzt, und 28 Jahre mindestens, dass ich sie zum letzten und einzigen mal küsste, weit weg und in der Ferne der Vergangenheit also wohl ruhend.

Doch denke ich daran, spüre ich den Duft ihrer Haut, sehe ihre dunklen Haare vor mir, weiß wie sie schmeckte und sie ist mir ganz nah, als wäre keine Zeit vergangen. So ist es mit manchen, während andere, mit denen ich länger oder kürzer zusammen war, jedenfalls meist körperlich viel näher und auch Nächte verbrachte, verschwimmen im Fluss der Zeit, ohne eine Erinnerung in mir zu hinterlassen.

Würde sie heute noch am Geschmack erkennen, bin ich sicher, nicht weil er mir so gut gefiel, es war mir eher fremd ein wenig, aber irgendwas hat sich eingeprägt und so hinterlassen manche Liebe tiefe Spuren für ein Leben und andere verschwinden spurlos wieder, völlig unabhängig davon, wieviel Zeit ich mit ihnen verbrachte oder nicht.

Es scheint als ob die Liebe jenseits der Zeit steht und alle Grenzen überwinden kann. Dennoch scheitert auch die vermeintlich große Liebe, was weiß ich schon, was sie wirklich war, es fühlte sich zumindest so an, manchmal an fehlender Gleichzeitigkeit und dem zuwenig und zuviel an Zeit, als wäre schlafen nicht das größte Glück, wenn es sich so anfühlt.

Die natürliche Zeit scheint es nicht zu geben sondern nur viele Zeiten und welche natürlich ist, weiß ich auch nicht so genau, der ich immer mit gemessenen Zeiten lebte und der eine präzise innere Uhr hat, immer etwa eine fünf Minuten vor dem Wecker aufwacht.

Ist diese innere Uhr, die mich pünktlich weckt, wenn ich es mir vornehme nun  meine natürliche Zeit oder doch eher die erfolgreich dressierte, weil ich es lange gewohnt war, mit dem Wecker aufzustehen, den ich nicht mehr brauche. Seit dem aber, seit ich mit 17 begann immer um 5.45h aufzustehen, wenn ich in die Schule musste, scheint mir diese Weckzeit, der ich nur vielleicht vier Jahre von meinen 46 kontinuierlich folgen musste, mir zur natürlichen Zeit geworden zu sein und ich habe innerlich daran nichts mehr geändert, auch wenn ich nicht mehr immer um diese Zeit aufstehe, sicher nicht etwa, wenn ich dann erst eine Stunde zuvor mit Schreiben aufgehört hatte.

Andere haben ganz andere Zeiten und fänden die Vorstellung absurd morgens um viertel vor sechs, laufen zu gehen oder bis zur Morgendämmerung zu schreiben, wenn gerade die Gedanken dazu passen. Finden es dafür ganz normal zum Badeurlaub auf die andere Seite der Welt in eine völlig andere Zeitzone zu fliegen und sich dort schnell einzuleben.

Die Kapitänin, die eine unglaublich willensstarke Frau war, konnte, wenn es nötig war 24h am Stück hart und präzise arbeiten und funktionierte dann einfach. Kenne solche Einsatzzeiten auch aus meiner Zeit im Krankenhaus, wenn es nötig war und ich auch mal über 16h im OP stand und irgendwelche Häkchen hielt oder Zeugs anreichte, nächtelang durcharbeitete, um zu verdienen und am nächsten Tag um 8h in der Vorlesung saß, weil es nötig war. Manchmal verschieben sich auch alle Zeiten und dann bleibt nichts als sich in den Augenblick zu fügen und zu funktionieren, wie es Nadolny von Franklin erzählt, der im Roman auch nicht mit der wirklichen Zeit konnte, heute würden wir das vermutlich eine langsame ADS nennen und als Krankheit behandeln, vielleicht sogar mit Medikamenten.

Am Ende bleibt, ich weiß nicht, welche Zeit für wen natürlich ist, nur welche sich für mich richtig anfühlt, kann ich manchmal erspüren und dann scheint alles ganz natürlich zu fließen. So es im Leben nur darum geht, glücklich zu sein, was ich immer noch am vernünftigsten finde und was sehr stark meinem Gefühl entspricht, könnte der eigenen Zeit zu folgen, ein guter Weg dazu sein. Wenn Zweisamkeit Glück miteinander zu teilen, um es zu vermehren, heißt, kann es nur darum gehen, die Zeit zusammen zu genießen - ob wir dabei mehr schlafen oder wachen, entscheiden die Umstände und vieles mehr, solange es uns gut tut, wird es gut sein. Die verlorene Zeit zu suchen ist unsinnig, die wiedergefundene dagegen zu genießen, scheint mir relativ weise, ansonsten verstehe ich nichts von der Zeit, ich hab sie.
jens tuengerthal 23.1.2017

Sonntag, 22. Januar 2017

Gretasophie 009f

009f  Naturmoral

Liegt die Moral in unserer Natur oder ist sie uns natürlich eher fremd?

Was Moral ist und woher sie kommt, wurde bereits besprochen, auch wie relativ die Setzung ihrer Werte ist und was das bedeutet. Es ist immer der gerade Konsens einer Gesellschaft, der einer steten Wandlung unterworfen ist. Es ist alles ganz natürlich relativ, gerade wenn es uns ganz fest und sicher scheint, was das Urteil dazu nicht wirklich einfacher macht.

So war es in Deutschland lange moralisch untragbar sich offen rassistisch zu äußern oder eine Bevölkerungsgruppe aus populistischen Gründen zu diskriminieren. Dies hat sich seit dem Auftreten von AfD und Pegida gewandelt und beide Gruppen haben einen neuen Ton salonfähig gemacht, der lange als tabu galt.

Plötzlich melden sich Menschen zu Wort, die ihre bisher Vorbehalte lieber für sich behalten hatten oder nur hinter vorgehaltener Hand äußerten. Sie haben damit ein Stück Freiheit gewonnen und fordern nun Akzeptanz und Toleranz auch gegenüber von der Mehrheit bisher abgelehnten Anschauungen, die plötzlich auch ganz normal sein will.

Kämpfen die Verfechter von mehr Intoleranz also einen Freiheitskampf?

Alles in mir sträubt sich dagegen, diesen Vorurteilen mehr Raum zu geben und ihren Wunsch nach freier Meinungsäußerung als ein Grundrecht zu verteidigen. Aber ist das moralisch richtig oder urteile ich damit nach einer Doppelmoral, die Meinungsfreiheit nur denjenigen zugesteht, die mit der herrschenden Meinung und Moral übereinstimmen?

Dies stellt die Frage, ob es richtig sein kann, dass die Forderung nach mehr Intoleranz und Unfreiheit, die gleichen Freiheitsrechte beanspruchen darf, wie jene, die noch die Freiheit verteidigen. Ist es wirklich gut, sich für mehr Zuwanderung einzusetzen und Menschen aus einem fremden Kulturraum Schutz zu bieten, auch wenn dies die eigene Freiheit oder die Art wie wir leben, infrage stellte, fragen die gern populistisch genannten Rechten.

So sehen sich beide Seiten als Verteidiger eines unterschiedlichen Modells von Freiheit und dessen, wie sie zu schützen ist. Warum wir die einen schlecht und die anderen gut finden, ist die Frage einer moralischen Setzung. Ist es falsch den Kampf um mehr Freiheit nach der eigenen Vorstellung auf die Straße zu verlagern und warum ist der Kampf der Frauen in ihrem Marsch gegen Trump, der schon viele belästigte, nach amerikanischer Lesart, richtig und scheint uns moralisch gut, wie es die meisten Medien, die darüber berichteten, darstellten.

Der neue Präsident etwa hat in seiner Antrittsrede, die so martialisch wie seine Wahlkampfauftritte war, davon gesprochen, den IS vernichten zu wollen, um unsere Freiheit zu verteidigen und diese Fundamentalisten daran zu hindern, weiter Terror auszuüben. Doch verteidigt einer, der zu einem Vernichtungsfeldzug aufbricht, je die Freiheit?

Was ist mit den Muslime, die sich nach langer amerikanischer Politik der imperialen Herrschaft entschlossen haben, den Kampf um Freiheit mit dem IS zu führen, weil sie das bisher erfolgreichste Modell waren?

Ist es gut, wenn Putin hilft, die Lage in Syrien zugunsten des herrschenden Assad zu stabilisieren?

Europa hat, um den Strom der Flüchtlinge auch über das Mittelmeer zu beenden, ein großes Interesse daran, die Situation dort zu befrieden. Die Instabilität im Nahen Osten ist auch ein Produkt amerikanischer Politik wie dem Krieg gegen den Irak. Auch verschiedene Terrorgruppen wurden unterstützt, um einen Umsturz in bestimmten Staaten zu erreichen, die in anderen Ländern vorher noch massiv bekämpft wurden.

Wie konsistent ist diese Moral und wer soll darauf vertrauen?

Geht  es in der Weltpolitik überhaupt je um Moral oder immer nur um Macht?

Der Krieg in der Ukraine und die Annektion der Krim sprechen wie alle historische Erfahrung eher dafür, dass es in der Weltpolitik nur um Macht geht und der Stärkere sich eben durchsetzt. Manche Konflikte werden heiß ausgefochten, dann nennen wir es Krieg, andere beschränken sich auf Drohungen und Sanktionen, was hohe Diplomatie bei uns heißt. Bei beiden geht es nur um Macht, wirtschaftliche Interessen und die Moral, die keinen Marktwert hat, spielt nur eine sehr kleine Rolle dabei.

Liegt das Streben nach Macht und Vorherrschaft in unserer Natur?

Es ist für die Urteile der Rechten nicht von Interesse, ob die von ihnen geschürten Ängste auf Tatsachen beruhen oder ob sie ein Mittel haben, diesen abzuhelfen. Wichtig ist, dass viele Menschen das Gefühl bekommen, es drohe ihnen eine Gefahr und allein sie kümmerten sich um sie.

Dieses Kümmern und vermeintliche Verständnis hat auch einen Milliardär stark gemacht, der sich offen ungebildet gab, viel dummes Zeug und Lügen erzählte, um sich als Gegner des Systems zu profilieren, dass ihn erst reich machte. Es ist im postfaktischen Zeitalter dabei völlig egal, dass er als Spekulant und Unternehmer auch Teil dessen war, was viele als Feind sehen. Die erklärte Solidarisierung und zu sagen, was sich sonst keiner traute, genügte, um glaubwürdig zu wirken.

Wem soll überhaupt noch geglaubt werden?

Welche Moral trägt die sogenannten Populisten und warum soll sie schlecht sein?

Populismus ist ein typischer politischer Kampfbegriff, der erstmal keine Werte enthält, sondern sie durch die Zuordnung bestimmter Meinungen darunter erst erhält. Das Wort stammt aus dem lateinischen von dem Wort Populus, was Volk heißt. Populismus kann aber nicht einfach mit völkisch übersetzt werden, da er vom linken wie vom rechten Lager gern verwendet wird, um es dem je anderen zum Vorwurf zu machen. Nach dem Duden ist es eine opportunistische Politik, welche die Gunst der Massen zu gewinnen sucht.

Grundsätzlich muss sich jede Politik um Mehrheiten und also auch die Gunst der Massen oder zumindest einer Mehrheit bemühen. Tut sie es nicht, muss sie mit dem Vorwurf leben, fern vom Volk und seinen Bedürfnissen zu leben, wie er gerade momentan wieder gern erhoben wird. Der Ansatz des Populismus ist also ein demokratischer und nicht von vornherein moralisch schlecht. Die Bewertung dieses Populismus als moralisch gut und jenes als verwerflich, hängt nur von der politischen Meinung ab und dient eher als Vorwurf der Rechtfertigung einer auch unpopulären Politik.

So nutzt gerade die Linke, die es der Rechten am lautesten vorwirft, den Populismus gern für ihre Zwecke, wenn es zu ihrer Moral passt. Beispiel dafür ist die Diskussion um Hartz IV oder immer wieder die provokativen Äußerungen einer Sahra Wagenknecht, die den Konflikt genauso sucht und geschenkt bekommt wie der AfD und seine Repräsentanten und beiden Seiten wird genau das mit dem Schlagwort Populismus von der eher realistischen Mitte immer wieder zum Vorwurf gemacht.

Gäbe es eine Moral in der Natur, die sagt, was gut und richtig ist, könnten wir den einen oder anderen Populismus sicher bewerten oder beide als verwerflich betrachten, da sie nur Mittel zum Zweck sind, ohne eine realistische Politik zu betreiben. Doch woher soll eine solche natürliche politische Moral kommen, die zu einem richtigen Urteil befähigt und einem immer ganz natürlich sagt, welche Position moralisch ist und welche nicht?

Infrage kämen die Menschenrechte oder das Grundgesetz als Ausfluß des Menschenbildes der Aufklärung. Ob dies allerdings mehr unserer Natur entspricht als der Kampf ums Überleben, bei dem der Stärkere einfach gewinnt, wie wir ihn täglich auch an der Börse etwa erleben können, scheint fraglich.

Manche Menschen neigen ihrer Natur nach eher den Menschenrechten zu, andere dem Markt und dessen darwinistischen Prinzipien, die sie unterschiedlich stark moralisch abschwächen. Welches Prinzip moralischer ist, scheint keine Frage, da wir den Wertekonsens der Menschenrechte oder auch des Grundgesetzes für hochmoralisch halten, ob sie darum einer natürlichen Moral entsprechen und was diese wäre, bleibt dabei völlig offen.

Ob der Mensch von Natur aus gut oder böse ist, war lange auch unter den Philosophen sehr strittig. Je nach Überzeugung entstanden unterschiedliche Modelle für die Organisation des Menschen daraus, die dabei auch noch intern ihre Überzeugungen stark wandelten und so verschwamm es immer mehr.

Wer davon überzeugt ist, dass es Herrenrassen gibt und welche, die weniger wert wären, findet es moralisch gut und richtig, dass sich die Herrenrasse durchsetzt und dafür alles tut. Dagegen werden alle, die meinen die Menschen hätten alle die gleichen Rechte, sich dafür einsetzen, dass jeder diese auch leben kann. Diese beiden Sichten sind unvereinbar, weil sie von einem unterschiedlichen Menschenbild ausgehen und dem, was den Menschen dabei gut macht.

  Wer sich als natürlich überlegen sieht aufgrund rassischer Kriterien, wird es ganz natürlich gut finden, sich durchzusetzen und unmoralisch dagegen, diese natürliche Überlegenheit nicht zu leben und zu fordern. So taten es die Nationalsozialisten und zumindest solche Forderungen wären in Deutschland heute illegal und ihre Verbreitung kann bestraft werden.

Doch wer sagt, dass die Bewertung eines Menschen als von Natur aus gut oder schlecht von der gerade politischen Überzeugung abhängt?

Es schiene Unsinn und es bräuchte zur Klärung der Frage, was der Mensch von Natur aus ist, eines allgemeineren Maßstabs als die politische Auseinandersetzung. Fraglich scheint aber, wo wir je unpolitisch sind und ob sich die Beurteilung des Menschen als moralisches Wesen im luftleeren Raum vornehmen lässt. Gerade unsere politischen Urteile weisen ja auf unsere Haltung als sittliches Wesen hin. Sind diese aber je unabhängig von der Umgebung oder immer in dieser relativ zu betrachten?

Welche Chance zu einer natürlichen moralischen Beurteilung etwa der Flüchtlingsfrage hat ein Jugendlicher in der sächsischen Schweiz und welche einer in Berlin Prenzlauer Berg, wie sehr spielen die sozialen Verhältnisse dabei eine Rolle und
warum urteilen viele Jugendliche, die etwa in Pankow groß werden, anders über diese Frage als jene, die in Prenzlauer Berg groß werden, was ja ein Teil des Bezirks  Pankow nominell ist?

Komme ich in der Sache zu einem anderen moralischen Urteil, wenn meine Tochter von nordafrikanischen Jugendlichen belästigt wurde oder muss ein sittliches Urteil, wenn es auf einer natürlichen Moral beruht, nicht immer gültig sein?

Was sagt mir die natürliche Moral zu dem seit langer Zeit anderen Verständnis der Haltung gegenüber Frauen in bestimmten Regionen der Welt?

Es ist bei bestimmten indigenen Völkern in Brasilien üblich, dass ein Vater dem Gast, seine Frau oder Tochter zur  Begrüßung in der Nacht in die Hängematte schickt und wer dies zurückweist, um nach unserer Moralvorstellung den Gastgeber durch Sex mit seiner Frau oder Tochter nicht zu kränken, beleidigt ihn dadurch viel mehr.

Glauben wir Tacitus, der in seinem Buch über die Germanen schrieb, dass die Frauen die Häuser hüteten und die Schlüsselmacht hatten, während die Männer alle paar Jahre den Hof und damit die Frau wechselten, um damit Gerechtigkeit bezüglich Leistungskraft und Bodenqualität herzustellen, ist dies schwer mit unseren heutigen Begriffen von Ehe und Familie zu vereinbaren.

In vielen Gesellschaften im mediterranen Raum, war die Stellung als Hausherr wesentlich wichtiger, denn die genetische Zugehörigkeit der jeweiligen Kinder. Die Befriedigung der Sexualität  war im römischen Kulturkreis, bevor er unter den Einfluss der jüdischen Sekte Christentum kam, ein natürliches Vergnügen und unabhängig auch von gerade familiären Strukturen, wobei diese Gesellschaft wohl stärker patriarchal geprägt war. Die Männer durften also immer ihren Spaß haben und die Frauen mussten dabei auf ihre Verantwortung achten.

In den Kommunen, die infolge der Hippie Bewegung auch am Anfang der 70er und Ende der 60er große Mode waren, wurde die Sexualität auch sehr frei gelebt und es galt, wer zweimal  mit der gleichen pennt bereits als dem Establishment zugehörig, wie ein berühmtes Schlagwort der Zeit lautete.

Lesen wir die Berichte der Cook Expedition etwa von Forster über die Reisen in die Südsee, erfahren wir, wie frei und offen dort mit Sexualität umgegangen wurde. Zumindest wird es angedeutet und der Rest der Phantasie der Leser überlassen, die zugleich erfahren, dass sehr zur Empörung von Cook die Eingeborenen ein gänzlich anderes Verständnis von Eigentum, Besitz und Respekt hatten, was möglicherweise einer der Gründe war, die später auf Hawaii zur Tötung des großen Reisenden durch erzürnte Eingeborene führte. Dies könnte auch auf religiösen Gründen und Verletzung dortiger Tabus beruhen, was aber nichts an dem immer wieder Mißverständnis in moralischen Fragen auch etwa mit den Eingeborenen in Neuseeland führte unter denen es auch zu Massakern kam.

Galt noch bis ins 19. Jahrhundert in einigen Regionen Europas das ius prima noctis, des jeweiligen regionalen Herrschers als ganz natürlich, wonach der Landesherr das Recht hat die erste Nacht mit einer jungfräulichen Braut zu verbringen, diese also zu deflorieren, was  immer daran so toll sein soll, ist mir bis heute ein Rätsel geblieben, tat sich der Bundesgerichtshof doch schwer mit der Verurteilung des Patriarchen einer muslimischen Familie wegen Vergewaltigung, da dieser, als Onkel bekannte, behauptete davon überzeugt gewesen zu sein, sein natürliches Recht wahrzunehmen und also fraglich war, ob der subjektive Tatbestand einer Vergewaltigung vorlag, die es ganz objektiv gab.

Auch bei den aktuelleren Ehrenmordfällen, gehen die Täter meist davon aus, auf Grundlage eines ihrer Kultur entsprechenden Ehrgefühls, ganz rechtmäßig zu handeln, wenn sie die nicht ihrer Moral entsprechend handelnde Tochter oder Schwester töten. Es konnte dort meist dennoch immer verurteilt werden, weil diese lange genug hier lebten, um zu wissen, dass ein solches Verhalten hier nicht toleriert würde. Auch wird dann gerne das allgemeine Rechtsempfinden eines billig und gerecht denkenden aus der Kiste geholt, um zu begründen, es müsste doch offensichtlich jeder merken, dass töten nicht ok ist.

In Indien wurden jahrhundertelang Witwen mit ihren Männern lebendig verbrannt und dies galt als ein sehr ehrenwerter Tod, egal was die Witwe dazu dachte oder wie alt sie war. Jules Verne schildert aus unserer moralischen Sicht dann die Entführung einer solchen Witwe vom Scheiterhaufen durch den Lord, der in 80 Tagen um die Welt reiste. Dieser heiratet sie dann später, als er doch wieder Erwarten pünktlich in London eintrifft und seine Wette gewonnen hat. Im Schatten dieser am Ende glücklichen Liebe scheint uns das moralische Urteil in der Angelegenheit völlig klar und natürlich.

Montaigne berichtet von einigen Fällen in denen Hunde oder andere Tiere oder Diener ihren Herren freiwillig in den Tod folgten, weil sie  das ganz natürlich fanden. Dies geschah ohne Zwang und nur aus dem freien Willen der Tiere, falls wir diesen einen solchen zugestehen wollen.

Ganz aktuell sind auch wieder die Fälle von Klitorektomie, in denen jungen Mädchen vor Erreichen der Gechlechtsreife oder teils auch mit Einsetzen der Regel die Klitoris ausgeschabt und die Schamlippen vernäht werden. So werden nach unserer moralischen Sicht diese armen Mädchen verstümmelt, zu lebenslangen Leiden gezwungen und können nie auf natürlichem Wege vaginal Freude am Sex genießen. Für ihre Mutter, die selbst diese Prozedur erlitten, scheint es dagegen ganz natürlich, mit ihren Töchtern dasselbe zu tun, da diese sonst moralisch unrein wären, damit schlechtere Chancen am heimischen Heiratsmarkt hätten und es ihnen einfach normal erscheint, sie es ja schon immer so machten.

Dagegen wehren sich verschiedene Gruppen, um den Opfern zu helfen und die  Mütter von dieser grausamen Praxis abzubringen. Beide Seiten beanspruchen dabei eine natürliche Moral und Menschenrechte für sich. Die aus eingeborenen Kulturen stammenden Riten, die sich in Afrika und Teilen Arabiens verbreitet haben seit langer Zeit, sind Teil der heimischen Tradition, die wir aber für eine so starke Verletzung der Persönlichkeitsrechte des Kindes halten, dass wir ihre Zulassung verbieten und die Beteiligten daran bestrafen. Dies hat zur Folge, dass diese Beschneidungen nur unter geheimen noch gefährlicheren Bedingungen stattfinden, was das Leben der Betroffenen mehr gefährdet als eine staatliche Toleranz, die diesen unmenschlichen Akt in Krankenhäusern unter Betäubung vornehmen ließe.

Es scheint uns ganz natürlich richtig, dies zu verbieten, die armen Mädchen vor der Verstümmelung zu beschützen, die nur grausam ist und keinen Mehrwert hat außer dem regionalen Aberglauben und dortigen moralischen Riten zu genügen. Damit halten wir unsere Moral für überlegen, wollen sie weltweit herrschen lassen, erzwingen deren Durchsetzung zumindest hier.

Auf welcher natürlichen Grundlage von Moral, meinen wir so urteilen zu können?

Soweit es um die Beschneidung von Knaben aus religiösen Gründen geht, halten wir diese dagegen für tolerabel, auch wenn sie nicht medizinisch indiziert ist, weil sie aus unserer Sicht auf den Menschen keinen großen Schaden hervorruft, wir religiöse Juden und Muslime hier nicht vor den Kopf stoßen wollen und damit auch verhindern können, dass die Beschneidung dann illegal unter schlechteren hygienischen Bedingungen im Untergrund durchgeführt wird.

Rechtlich betrachtet dürften wir beide Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit eines Kindes aufgrund von Aberglauben nicht unterscheiden, müssten also die Beschneidung genauso bestrafen wie die Kliteroktomie, auch wenn bei letzterer die Folgen für eine spätere sexuelle Erfüllung noch gravierender sind.

Dennoch unterscheiden wir beides Verhalten aus moralischen Gründen und halten das auch teilweise für ganz natürlich, da wir uns aus Respekt vor der grundgesetzlich geschützten Religionsfreiheit nicht in diese Riten mischen dürften, solange es den für uns tolerablen Rahmen nicht überschreitet.

Nicht dabei berücksichtigt wird von den Vertretern dieser Sicht, dass der Schutz der körperlichen Unversehrtheit auch vor religiösen Eingriffen eigentlich höherrangiger ist als die nur Freiheit zum Aberglauben gleich welcher Art. Zumindest soweit sie irreversible Schäden hervorruft. Dies tun wir auch aus unserer moralischen Verantwortung den Juden gegenüber, die im Namen Deutschlands in der Zeit von 1933 bis 1945 staatlich diskriminiert und vernichtet wurden, was aber nichts an der Beachtung der Grundrechte ändern dürfte, auch wenn uns dieser Schaden im Verhältnis zur deutschen Schuld gering scheint.

Der Schutz der körperlichen Integrität der Kinder und die deutsche historische Verantwortung haben aber eigentlich nichts miteinander zu tun und dürften rechtlich nicht vermischt werden. Rechtlich ist eine Beschneidung ohne ärztliche Indikation eine Körperverletzung auch wenn sie durch ärztlichen Eingriff unter Betäubung erfolgt. Kinder davor zu schützen, könnte als moralische Pflicht genauso aus der Erfahrung mit Auschwitz abgeleitet werden und hätte nicht weniger moralische Berechtigung. Was deutlich macht, die  herrschende Moral ist nicht unbedingt logisch oder konsistent, im Gegenteil, sie genügt vielfach auch nur Gewohnheiten und die Grenze des erlaubten verschwimmt im Nebel der Sitten und des schlechten Gewissens.

Die Religionsfreiheit besteht auch passiv, das heißt es muss auch geschützt werden, frei von jedem Aberglauben aufzuwachsen. Dies wird bei Millionen Kindern in Deutschland ganz legal verletzt durch die Taufe. Damit werden sie, ohne darüber erwachsen und mündig entschieden zu haben, was eine solche Mitgliedschaft eigentlich erforderte, Teil einer Sekte, deren Aberglauben hier halt zufällig herrschend ist.

Beim moralischen Urteil über die christliche Taufe sind wir relativ milde, weil sie eben auch Teil unserer Tradition ist und wir es so gewohnt sind. Vom Freiheitsbegriff des Grundgesetzes ausgehend und nach einer natürlichen Moral fragend, scheint dies jedoch mehr als fragwürdig. Wie sollen Kinder ein natürliches Verhältnis zu ihrem Glauben oder ihrer Vernunft entwickeln, wenn sie schon von Kindesbeinen in einer solchen Gemeinschaft sind?

Können Kinder, die schon religiös geprägt aufwachsen, je eine natürliche Moral entwickeln?

Ist die Frage nach der natürlichen Moral in einer Gesellschaft wie der unseren nicht moralisch fragwürdig, da Kinder immer mit irgendwelchen Moralvorstellungen aufwachsen und ist es dann nicht besser, sie in einem bewährten Rahmen aufwachsen zu lassen?

Weiß keine klare Antwort auf diese Fragen und denke es braucht vielfacher Kompromisse, damit eine Gesellschaft dauerhaft friedlich funktioniert. Ein Heidenkind hat es im ländlichen Bayern schwerer als in meiner Wohngegend wo eher das Gegenteil normal ist, was zwar an der grundsätzlichen Beurteilung der Sache nichts ändert, aber manchmal geht es gerade mit Kindern auch weniger um Prinzipien, als sich das Leben so leicht und gut wie möglich zu machen. Mehr als genießen, können wir das Leben nicht, dies so sehr wie möglich tun zu wollen, könnte besser sein, als viele moralische Vorstellungen.

Doch steht mir aus meiner freiheitlichen moralischen Sicht darum ein Urteil über andere zu?

Neulich hat mein bester Freund seine Tochter taufen lassen. Zu diesem schönen familiären Ereignis hatte ich auch das Glück, geladen worden zu sein. Konnte es dennoch nicht ganz lassen auch dem Täufling gegenüber meine Sicht der Dinge darzustellen, um der Kleinen auch eine andere Perspektive zu eröffnen, als des von mir kritisch beurteilten Aberglaubens. Dennoch respektiere ich seine alten familiären Traditionen und seine moralische Sicht auf diesen Akt. Achte ihn nicht weniger, weil er etwas tut, was ich ganz grundsätzlich betrachtet, moralisch eigentlich für verwerflich halte, weil es nicht meinem Verständnis von Freiheit entspricht. Gehe also, um eines sozialen Kontaktes wegen, der mit aus Gefühl und Tradition wichtig ist, wir kennen uns bald 25 Jahre, einen Kompromiss ein, der mir moralisch nur halb schmeckt und doch sinnvoller erscheint, als meine Sicht hier zu verfechten. Tue dies, weil ich auch Teil einer Gesellschaft bin und darum Kompromisse eingehe, die Toleranz gegenüber anderen Weltsichten dazu gehört. Geschadet wird dem Kind der Tropfen Wasser und die salbungsvollen Worte danach sicher nicht haben, was es mir auch leichter machte, hier keine zu große Konsequenz von mir zu verlangen. Lasse ihn diesen Text lesen, im übrigen kennt er meine Meinung ja schon und behandle ich ihn so respektvoll, wie er es verdient.

Was würde ich aber tun, lüde mich ein gläubiger jüdischer Freund zum Beschneidungsfest seines Sohnes ein?

Eigentlich müsste ich ihn meiner Überzeugung nach anzeigen, weil er eine Körperverletzung begeht, die unwiderruflich ist. Dennoch werde ich mich auch da vermutlich außer in Worten eher zurückhalten. Doch streiten gerade bei diesem Beispiel mehrere moralische Ansätze in mir und es fällt mir sehr schwer, hier eine klare und nüchterne Entscheidung zu treffen.

Sehe  mich in der historischen Verantwortung als Deutscher auch gegenüber dem jüdischen  Volk stehend, gerade aufgrund unserer Geschichte und das scheint mir auch natürlich und gut so. Dagegen streitet meine Abneigung gegen jeden Aberglauben, das natürliche Freiheitsbedürfnis, mein Verständnis von Grundrechten und mein Sinn für Gerechtigkeit. Auch davon scheint mir einiges ganz natürlich und es fragt sich, ob eine historische sittliche  Verantwortung, die ja nicht persönlich ist, schwerer wiegen kann, als die immer geschützte körperliche Integrität des Kindes.

Leicht machen kann ich es mir hier, wenn ich mir sage, die Beschneidung ist bei uns erlaubt, es liegt also nicht der Tatbestand einer Körperverletzung vor und es ist völlig ok, was er tut. Unsere Gesellschaft toleriert dieses Verhalten auch nach langer Diskussion im Bundestag und ich muss darüber nicht moralisch neu entscheiden, es ist nicht meine Verantwortung, diese Legalität zu beurteilen, was erlaubt ist, muss ich nicht für verboten halten.

Jedoch widerspricht eine solche Haltung jeglicher Moralvorstellung. Danach könnte auch, den Nürnberger Rassegesetzen folgend, die Vernichtung der Juden im Nationalsozialismus gerechtfertigt werden, wie es einige angeklagte Täter später taten, die ja nur Gesetze befolgten. Ihre dennoch Anklage aufgrund der Radbruch’schen Formel halte ich ja aus bereits dargelegten Gründen für nicht mit dem Rechtsstaat vereinbar und daher fragwürdig.

Dies Gebiet ist gerade moralisch und politisch sehr heikel. So könnte schnell der Vorwurf erhoben werden, ich setzte die jüdische rituelle Beschneidung mit dem Holocaust gleich, was mir völlig fern liegt, denn auch dieser Akt ist gesundheitlich relativ harmlos meist, wenn auch irreversibel. Moralisch nach dem kategorischen Imperativ aber sind die Fälle ähnlich zu beurteilen, da in beiden Fällen ein Handeln, das nach meiner moralischen Überzeugung illegal sein müsste, staatlich legitimiert wird, aufgrund anderer moralischer Vorstellungen von Toleranz.

Wollte ich nach dem mir höchsten moralischen Maßstab handeln, also dem kategorischen Imperativ folgen, müsste ich das Handeln des jüdischen oder auch des muslimischen Freundes verurteilen, weil es für mich ein Grundrechtseingriff ist, der dem der Klitorektomie moralisch gleicht. Es gibt konsequent gedacht, keinen Grund dies anders zu behandeln und dies Verhalten länger zu tolerieren.

Doch stelle ich damit meine moralischen Vorstellungen und Prinzipien über die des Freundes, maßte mir also an, es besser zu wissen als er und seine jahrtausende alte Tradition, nur weil  dies gerade einer aktuellen gesellschaftlichen Mode der Moral entspricht. Vielleicht darum wäre ich vermutlich de facto lieber bescheiden und sagte, was ich darüber denke, klagte aber nicht an, denn wer wäre ich, mich zum moralischen Richter über andere zu machen, auch wenn es mir ganz offensichtlich scheint.

Diese Bescheidenheit in Erkenntnis der eigenen Grenzen ist rechtlich nicht ganz konsequent und vielleicht auch moralisch fragwürdig im Sinne des kategorischen Imperativs aber sicher die menschlichere und sozialverträglichere Variante angesichts der gerade herrschenden Moral.

So muss sich eine Moral eben auch in der Praxis bewähren und Ausgrenzung und Diskriminierung in der Wirkung vermeiden. Es sollte bedacht werden, welche Folgen ein Verbot hätte, wem es nutzte und wem schadete, auch wenn mir moralisch eigentlich alles klar scheint und so ist die rechtliche Umsetzung einer Moral manchmal viel schwieriger, als sie nur konsequent zu denken.

Was dabei die natürliche Moral ist und was eine spätere Sitte nur ist, bleibt schwer zu entscheiden. Die unter Echnaton in Ägypten eingeführte Sitte der Beschneidung hatte dort gute gesundheitliche Gründe. Die Juden übernahmen sie und Mohamed passte sie auch gut in seine Sekte, die aus den anderen vorigen auch noch ein best off zusammen mixte. Diese Ideen sind tausende von Jahren alt, stehen in einer langen Tradition und sind für viele Menschen wichtiger Teil ihrer ganz natürlich gewachsenen Moral, auch wenn diese religiös eben geprägt noch ist, wie bei den meisten Menschen der Erde noch irgendwie.

Wer bin ich, über jahrtausende alte Traditionen aus dem engen Horizont meiner westlichen Sicht, ein moralisches Urteil zu fällen?

Was würde ich sagen, wenn Muslime oder Buddhisten meine lieb gewordenen Traditionen verurteilten und verbieten wollten?

Es ist eine sehr weiche moralische Entscheidung, die mich Toleranz üben lässt gegenüber der Körperverletzung der gläubigen Muslime und Juden an ihren Kindern. So erlaube ich einem irgendwie Gefühl von Toleranz und Bescheidenheit sogar einen Körperverletzung zu legitimieren, auch weil mir das gerade noch relativ opportun erscheint und die Alternativen mir noch weniger gefallen. Das ist juristisch eigentlich sehr unsauber gedacht. Auch der kategorische Imperativ bekommt da Schluckauf vor Schreck. Aber pragmatisch menschlich erscheint es mir gerade dennoch  - und jetzt wird es ganz paradox, weil ich in Fragen der Moral eben auch dem Gefühl einfach folge.

Ob das dann am Ende die natürliche Moral ist, die dem Gefühl folgt, statt der Konsequenz der Vernunft, warum auch immer Gefühl natürlicher sein soll als Vernunft, die genauso Teil unserer Natur ist, weiß ich nicht. Denke es ist mal wieder irgendein Kompromiss, den ich eingehe, um so glücklich wie möglich zu leben und darum geht  es ja nur, wie ich immer wieder feststelle, auch wenn damit alle Fragen offen bleiben und wir immer weiter beobachten müssen, was sich gerade als moralisch richtig anfühlt oder uns ganz kategorisch so erscheint, wenn wir dem Imperativ vernünftig folgen wollen.
jens tuengerthal 22.1.2017

Samstag, 21. Januar 2017

Gretasophie 009e

009e Tier oder nicht

Wenn es uns richtig gut geht, sagen wir manchmal wir fühlen uns gerade tierisch wohl, um auszudrücken, dass uns gerade alles so richtig erscheint, wie es ist. Ob damit das Sein der Tiere zugleich als höher bewertet wird als das menschliche, scheint zumindest fraglich bei jenem Wesen, das sich nach eigenem Selbstverständnis als Krönung der Schöpfung sieht.

Den Unsinn mit der Schöpfung lasse ich mal weg, weil ich auch nicht an einen Schöpfer aberglaube und um die Evolution weiß, mir keine Schöpfung einreden muss, um die Dinge zu nehmen, wie sie sind. Aber als das am meisten differenzierte und intelligenteste Produkt der Evolution und also der Natur, die alles mir ist, weil nicht mehr sein kann, sehe ich mich schon oder sah ich mich lange und frage mich inwieweit da religiöse Erziehung im weitesten Sinne prägend war und was es mit der Realität zu tun hat.

Die Lektüre von Montaignes Essay, der Apologie für  Raimond Sebond, den er im Auftrag seines Vaters übersetzt hatte und in dem er die menschliche Anmaßung so wunderbar in Frage stellt, hat mich dabei ganz neu nachdenken lassen und diese Frage ist im Zeitalter der teilweise moralischen Diskussion über den veganen Lebensstil, nicht ohne Bedeutung im sozialen Kontext. Vor allem aber trägt sie viel zu unserem Selbstverständnis bei und zu unserem Umgang mit der Natur und den Dingen in ihr.

Warum sollte der Mensch dem Tier überlegen sein?

Weil er das komplexere Gehirn hat und sich in der Evolution eben die besten durchsetzte, könnte hier argumentiert werden. Dagegen sprechen wiederum die Neandertaler, die ein komplexeres Gehirn hatten als der Homo Sapiens, ein größeres jedenfalls sicher und dennoch ausstarben, vermutlich vom konkurrierenden Homo Sapiens ausgerottet, aber auch das sind bisher nur Spekulationen, die Entwicklung dieser Spezies aus den gemeinsamen Homo Vorfahren in Afrika dagegen ist sicher und dass diese Variante des Vormenschen mit dem größeren Gehirn, der teilweise bei Düsseldorf,  in der Türkei oder in Zentralasien vorkam, vor rund 30.000 Jahren einfach ausstarb.

Ansonsten scheint der Homo Sapiens, wie er heute noch existiert, die Gattung mit dem komplexesten Gehirn zu sein mit den Milliarden Nervenzellen und den Billionen von neuronalen Verbindungen zwischen ihnen wiederum. Montaigne führt nun eine Vielzahl von Beispielen auf, warum Tiere im Einzelfall sehr wohl hohe Intelligenz und Lernfähigkeit beweisen würden, die  zum größeren Teil heute von Zoologen und Ethnologen als widerlegt gelten würden, weil die Tiere angeblich nur repetierten, aber nicht bewusst denken würden.

Auch die Forschungen des Gänsevaters Konrad Lorenz oder die Beobachtungen vieler Zoologen und Forscher über die letzten Jahrzehnte scheinen in die Richtung zu weisen, dass es den Tieren möglicherweise am Bewusstsein fehlt - anderes spricht wiederum für tierisches Empfinden und Bewusstsein. Doch bleibt der Mensch biologisch betrachtet, egal was Tiere nun fühlen können oder nicht, immer auch ein Tier, das sich auch fleischlich ernährt und seiner Natur nach diese Produkte in seiner Nahrungskette braucht, um sich gesund zu ernähren und wo sie  fehlen, diese anderweitig ersetzen muss, wie es bei allen Fleischfressern eben so ist.

Der aufrechte Gang galt lange als Besonderheit, aber auch dieser ist nicht so ungewöhnlich und muss vom Menschen individuell erlernt werden, ist kein Selbstverständnis. So wenig wie die tätige Vernunft, die steter Schulung und Herausforderung bedarf und sich andererseits auch zu solch absurden Dingen entwickeln kann, wie wir sie etwa im Privatfernsehen beobachten können, die auf keinerlei Intelligenz schließen lassen und den Unterschied zum Primaten völlig verwischen.

Das menschliche Gehirn entspricht im Aufbau dem anderer Primaten, ist jedoch etwas größer und komplexer und besitzt ungefähr 86 Milliarden Nervenzellen, allein in der Rinde des Großhirns befinden sich cirka 16 Milliarden davon. Es ist also alles sehr komplex, besonders wenn wir bedenken, dass nach neuesten Forschungen der Neurologie nahezu jede Zelle neu programmierbar ist und die Funktionen anderer Zellen mit übernehmen kann. Rhesusaffen dagegen haben nur etwa 6 Milliarden Nervenzellen. Dagegen haben Elefanten 257 Milliarden Gehirnzellen, von denen aber nur etwa 6 in der Großhirnrinde tätig sind.

So vermuteten manche die Unterscheidung der Intelligenz könnte vielleicht an der Zahl der Zellen in der Großhirnrinde liegen, andererseits wissen wir inzwischen, dass Grindwahle etwa 37 Milliarden Zellen allein im Neocortex haben, also doppelt so viele  wie wir Menschen und käme es darauf an, uns also von der Intelligenz her weit überlegen sein müssten, was uns bisher noch nicht aufgefallen wäre, auch wenn unklar ist, ob das vielleicht an uns liegt.

Auch die Orientierung bestimmter Tierarten ist deutlich besser als jene der Menschen, wenn wir an den Vogelflug denken oder ausgesetzte Tiere, die es manchmal über tausende von Meilen schafften den Weg zu ihrem Zuhause zu finden. Von den Fischen, die immer ihre gleichen Laichplätze finden oder den Insekten, die hochsensibel auf bestimmte Wetteränderungen reagieren und darum vielfach von den Menschen für Vorhersagen in diesem Bereich erfolgreich genutzt wurden. Bekannt wurde dabei der Wetterfrosch, der allerdings mehr eine Sage ist, die jedoch auf einen wahren Kern hinweist. Die häufig sensiblere Art der Tiere ihre Umgebung wahrzunehmen und mit ihr zu leben.

Schauen wir uns die Probleme an, die unsere menschliche Entwicklung in der Natur und Umwelt verursacht hat, gibt es gute Gründe an den menschlichen Fähigkeiten zu zweifeln, die in erster Linie dann destruktiv erscheinen könnten. Wir zerstören die Ozonschicht, ohne zu wissen, wie wir sie reparieren können, bauen Atomkraftwerke, die mit Hilfe der Kernkraft Energie erzeugen, die wir für unsere elektrischen Geräte brauchen und haben keine Ahnung, was wir mit dem giftig strahlenden Müll machen sollen, noch wie wir verseuchten Grund wiederherstellen und so bleiben manche Gegenden der Welt mindestens die nächsten 10.000 Jahre für uns unbewohnbar und unbetretbar.

Ist der Mensch, der sich so gern für die Krönung der Schöpfung hält, damit weniger deren bestmöglicher Abschluss als nur das vorläufig katastrophale Ende, weil er mit dem, was ist, nicht verantwortungsvoll umgehen kann?

Machen die meisten Tiere es wissentlich besser oder instinktiv und hilft uns unser Gedächtnis dabei, es besser zu machen oder schadet es eher dabei, weil wir immer wieder zu wissen meinen, was wir nur zu Bruchteilen bisher in seiner ganzen Komplexität verstehen und ist darum vielleicht, so absurd es klingt, eine erfundene Lehre von der Schöpfung besser, wenn sie den Menschen dazu bringt, respektvoll mit der Natur und den Dingen um sich umzugehen?

Gerade gewann ein Donald Trump die Wahlen, wurde 45. Präsident der USA und wird als solcher alles zurückdrehen, was sein Vorgänger für Umwelt und soziales Miteinander in Gang brachte. Ist dies nun unmenschlich oder einfach eine andere Sicht auf die Dinge der Welt?

Dass dieser typische Amerikaner, der stolz auf sein Vermögen ist und sich damit brüstete, noch nie ein Buch gelesen zu haben, ungebildet wie er offensichtlich ist, eine Gefahr für die Welt oder nur eine natürliche Gegenbewegung auf einen Hoffnungsträger, der so wenig von dem realisieren konnte, was er plante, eine fast erwartbare Reaktion der USA war, die immer wieder zyklisch wählten und auf Hoffnungsträger von der Welt als Idioten angesehene folgen ließ, deren Schäden dann die nächsten Hoffnungsträger in höchstens acht Jahren reparieren mussten, übersieht nur, wer sich zu sehr vom Aktuellen beeindrucken lässt.

Es wird die Welt nicht groß verändern ob dieser oder jener Präsident mit der eingeübten Administration kooperieren muss und er wird vielleicht Nuancen setzen und verändern gegenüber seinen Vorgängern, aber in Wirklichkeit werden Demokratien von Ämtern regiert und vom Rechtsstaat, der nie einem allein alle Macht gibt und so könnte diese gerade mal Gegenbewegung auch mal spannend sein und dazu beitragen, ein wenig die Hysterie aus der Welt zu treiben.

Wie ein römischer Kaiser kündigte er an den islamischen Terrorismus eliminieren zu wollen und doch wird er ganz natürlich längst zu Staub und Asche geworden sein, bevor der religiöse Fanatismus von dieser Erde verschwindet, denn, solange es Aberglauben gibt, wird er auch terroristische Wege in der Konsequenz teilweise einschlagen und es gibt keinen, bei dem es je anders war.

Aber zurück zum Thema, von dem dies Trumpeltier, wie ihn manche Gegner beschimpfen, nicht ablenken sollte, denn auch dieser wird den Weg kaum verändern nur das Tempo in der einen oder anderen Sache ein wenig beschleunigen oder nachlassen können. Die globale Welt geht ihren Gang und hängt eng verknüpft seit tausenden von Jahren zusammen.

Es gibt Zeiten in denen der Handel mal etwas weniger florierte aufgrund politischer Unruhen oder militärischer Auseinandersetzungen aber solange es Menschen gab, hat er nie aufgehört und wenn einer laut tönt, ändern sich nur Nuancen in der Ausführung ein wenig. Wer Milliarden hat, wird immer mehr auf sie achten, als ein armer Poet, für den Geld keine Rolle spielt und also auf keinen Fall eine Weltwirtschaftskrise für kurzsichtige Politik riskieren und seine Wähler damit im Ergebnis noch mehr vor den Kopf stoßen.

So wird weiter gehandelt  werden und einige Unternehmen werden ihre Produktion mehr in die USA legen, dafür weniger Gewinn machen, der dafür aber steuerlich begünstigt wird und am Ende werden nur einige Milliarden von hier nach dort verschoben und sich freundlich angelächelt. Am Wesen des Menschen als einem stets Handel treibenden Wesen, wird all dies nichts ändern und so überlebte der Handel auch alle Vernichtungskriege und war immer das erste, was wieder auftauchte, weil es unserer Natur entspricht und wir unsere Bedürfnisse dort befriedigen.

Wir entwickeln unsere Technik ein wenig weiter, haben irgendwann bald, vielleicht noch in der Ära Trump, Batterien, die sich in sekundenschnelle laden lassen mit einer einfachen Technik und dann werden wir bald mehr Strom brauchen, weil Elektroantriebe einfach effektiver sind. Dann wird es dringend erneuerbare Energien mehr brauchen, weil wir an unsere Grenzen mit den fossilen logisch stoßen. Dann kommen noch die Fusionsreaktoren, mit der natürlichen Kraft des Wasserstoffs und so wird die Entwicklung, von momentanen Aufregungen abgesehen, ihren ruhigen Gang gehen und alles weniger katastrophal werden als alle fürchten. So dumm wie er manchmal scheint, ist der Mensch doch nicht und wer möchte sich schon unnötig quälen oder beeinträchtigen.

Natürlich wird nicht alles gut, weil immer gegenläufige Kräfte um die Mehrheit streiten werden, aber es wird auch nicht alles schlimm, sondern wir werden uns alle irgendwie durch lavieren müssen, um einen Weg zu finden, mit dem möglichst viele, glücklich sein können, was ja immer noch das einzig sinnvolle Ziel allen Seins ist, was sonst sollte je lohnen?

Ist alles was natürlich scheint nicht auch Natur, frage ich mich und warum meinen die einen so sicher, besser zu wissen, was gut für Natur und Umwelt ist als die anderen und ist ein zurück der bessere Weg oder ein vorwärts immer?

Könnte jenes America first, nicht eine Chance für die wunderbare Umwelt auch in den USA sein, besser erhalten zu werden, auch wenn der Präsident nur ein Bauunternehmer ist, der nie ein Buch las?

Tiere lesen, so weit es uns bekannt ist, keine Bücher, haben keine Schriftsprache und ob sie eine Tradition des Erzählens haben, wissen wir nicht, zumindest haben sie uns bisher nichts davon überliefert. Trotzdem trauen wir den Tieren aus ihrem Instinkt, der nie Bücher las und einfach nur ist, täglich um sein Überleben kämpft, wie ein Bauunternehmer am Markt, eher zu, instinktiv das richtige und bessere für  ihre Umwelt zu tun, als einem Milliardär, der zumindest als Geschäftsmann in seinem Leben schon eine Menge in Bewegung setzte, der aber möglicherweise genauso wenig las wie ein Gorilla.

Könnte der instinktiv handelnde Geschäftsmann mit viel Gefühl für die einfachen Leute nicht zur einer natürlicheren Politik wieder führen als die abgebrühten Profis aus Washington, aus deren Reihen auch Hillary kam?

Will nun nicht fragen, was Donald Trump von jener berühmten Ente gleichen Vornamens unterscheidet, noch was ihn von anderen Oberaffen unterscheidet, die ähnlich viel Geld in ihrem Leben sammelten. Halte die Tiervergleiche immer für etwas fragwürdig, egal von welcher Seite sie kommen.

Spannender finde ich, dass menschliche Entwicklung immer auch aus der Durchbrechung von Gewohnheiten resultierte. Hier durchbricht einer alle diplomatischen Gewohnheiten, verhält sich mal unverschämt frech, dann geradezu dumm, ohne erkennbares Konzept und schließlich auch mal sehr weise, was auch zufällig sein könnte. Ist nun dieses Verhalten von Trump, den manche nur für ein neureiches, unkultiviertes Vieh halten, das eben keine Bücher bisher las, eine Durchbrechung der Gewohnheiten in Washington nur eine anfängliche Provokation oder unterscheidet es ihn gerade von der Demokratin Clinton, die nur als Teil des Systems agierte?

Diese Fragen geben die Antworten ja fast schon vor und sind also getrost rhetorisch zu nennen und der etwas einfältige Autor gesteht, die gewiss intellektuell überlegene  Leserin hier dahin lenken zu wollen, sich zu fragen, ob Hillary in diesem Sinne nicht viel, tierischer war als Trump, weil sie nur wie gewohnt und auswendig gelernt agierte.

Ist, was uns tierisch scheint nun gut oder schlecht und wie kommen wir zu der einen oder anderen sicheren Bewertung, wohin führt sie uns?

Vom Gefühl her, finde ich diesen dummen und ungebildeten Populisten grässlich. Seine Verachtung gegenüber Frauen ist mir, der ich die Frauen liebe, völlig fern. Doch, was weiß ich schon und vielleicht ist sein Verhalten, was mir unkultiviert scheint, geradezu chauvinistisches Balzverhalten, eher tierisch und natürlich als meine intellektuelle Herangehensweise an die Frauen und traute ich Woody Allen, ahnte ich schon welcher Weg Männer eher impotent macht, was viele Frauen instinktiv zu ahnen scheinen.

Es gibt dieses Beispiel, dass ich längst verlassen wollte, doch so ungeheuer viel her, für das Verhältnis von Mensch und Tier, weil es unsere eigenen Vorurteile so schön offenbart und klarstellt, wie verschwommen diese Grenze in vielem doch ist.

Für Feministinnen ist klar dieser Trump mit seinen verblödeten Miss-Wahlen und seinen widerlichen Grapschereien ist indiskutabel, benimmt sich viehisch und bespringt doch jede, die ihm gerade vor den Schwanz kommt. Er zerstöre mutwillig, was Jahre der Emanzipation mühsam erreichten. Verkünde ein Frauenbild, was Barbie und Ken entspricht, wobei seine Potenz statt in Muskeln in Dollar messbar sei.

Für viele einfache Männer, die auf emanzipierte Frauen eher genervt reagieren, verkörpert dieser Trump, mag er auch sonst ein Idiot sein, wie Putin, der sonst allerdings eher sehr intelligent wirkt, eine Form von männlicher natürlicher Freiheit, nach der sie sich sehnen.

Auch manche Frauen fühlen sich in klassischen Rollen wohl, wie Tiere eben ihrer Herde folgen und denken, so schlimm wird es schon nicht werden und die Frauen an seiner Seite werden ihn schon zähmen, wie sie es mit ihren Männern, die Trump aus Trotz wählten, auch tun oder zu tun meinen.

Auch manche Intellektuelle fanden an diesem Kontrapunkt zu ihrem eigenen Sein Gefallen und fragten sich auch, ob es nicht gut für ihre Potenz wäre, mal wieder wie ein Kerl aufzutreten, statt immer den Frauenversteher zu mimen, auch wenn sie nicht ganz sicher sind, welche Rolle ihnen am Ende besser steht.

Viele Frauen sind hin und hergerissen. Die ehrgeizige Hillary ist ihnen auch kein Ideal ihrer Weiblichkeit, so wollen sie nicht sein und die Rolle des Tusschen an der Seite des Milliardärs finden viele auch nicht so schlecht, wie es offiziell verkündet wird. Vor allem sind viele Frauen davon überzeugt, dass solche einfachen harten Kerle tausendmal besser im Bett sind als ihre ganzen intellektuellen Freunde, die sich für ihre Rechte stark machen und ihnen Gedichte schreiben, wo sie nur gefickt werden wollen.

Es gibt viele Sichten auf dieses Phänomen und erstaunlich unterschiedliche verbinden die jeweiligen Gegner oder Anhänger dabei mit Parallelen zum Tierreich. Ob dies mehr für oder gegen eine Nähe zum Tierreich spricht, weiß ich nicht zu beurteilen, da ich mit eigener Meinung natürlich auch irgendwo dazwischen liege und mich frage, wer Recht hat und wie es wäre, den einen oder anderen Weg natürlich zu Ende zu gehen.

Wie wäre es wieder ganz natürlich Mann zu sein, wie ein Hengst die Stuten zu besteigen und sie zu vögeln, auch wenn sie sich anfänglich noch wehren, weil sie es doch eigentlich so wollen und die Natur es so will?

Oder wollen vernünftige Frauen so etwas nie, weil langfristig nur Geist erfolgreich ist, du dich eben gedulden musst, um die Richtige zu treffen und auch wenn die sportlichen Kerle dir vorher all die süßen Mädels wegschnappen?

Es scheint da eine Divergenz zwischen unserer tierischen Natur und unserem geistigen Anspruch zu geben und der wird beim Sex besonders deutlich und vielleicht können wir auch diese Wahl in diesem Sinne verstehen, als ein zurück zu den Wurzeln und weg von zuviel politischer Korrektheit, hin zu eher wildem, natürlichen Umgang, der zwar nach aktuellen Formeln frauenverachtend sein soll, andererseits aber auch als natürlich männlich betrachtet werden könnte und was wäre daran gut, sich gegen seine Natur zu entwickeln?

Die Biologie sagt, natürlich ist der mensch gattungsmäßig ein höheres Säugetier, das zufällig aufrecht geht und daher seine Hände anderweitig nutzen kann. Schaue ich auf die Politik gerade, frage ich mich, ob wir wirklich ein höher entwickeltes Tier sind aber kann ansonsten der Parallele zur Natur nur zustimmen, ohne einzelne Politiker hier besonders mit Tiernamen zu versehen. Deutlicher wird dies noch bei unserem Begattungsverhalten und den natürlichen Reaktionsmustern der Frauen auf bestimmtes Verhalten und seine soziale Konnotation, je nachdem, was sie durch eine Hingabe erreichen wollen.

Die Unterscheidung vom Tier scheint mir so eher zufällig und nicht einer festen Grenze zu folgen, diese fließt eher immer, je nachdem, was ich damit sage oder erreichen möchte, erscheint mir anderes als natürlich oder tierisch und kann ich mich mit dem einen oder anderen Sein, als Tier oder Mensch mehr identifizieren - gerne gebe ich den feingeistigen Intellektuellen, der die Frauen liebt und Verse für sie schreibt. Im Bett möchte ich aber auch klar als wilder Hengst wahrgenommen werden, dessen Potenz nicht von geistigen Zufälligkeiten abhängt. Die Erfahrung hat mich manch anderes gelehrt. Frau möchte manchmal auch einfach gern genommen werden und nicht lange darüber diskutieren, dann wird es zwar manchmal etwas tierisch aber geil. Andererseits kann ich auch nicht aus meiner liebenden Natur heraus, die geistige Nähe sucht und keine Frau auf Dauer lieben könnte, die nicht auch Bücher liebt und frage mich dann, ob das noch natürlich ist und wo führt es uns hin, wenn wir diesem konsequent folgen, was macht uns als Mensch aus und was als Tier, welcher Anteil an unserem Wesen macht uns glücklicher und wo sind wir ganz wir selbst. Antworten darauf zu finden, werde ich den Rest meines Lebens die Dinge neugierig betrachten und erleben, mit und ohne Frauen, irgendwie tierisch menschlich halt.
jens tuengerthal 21.1.2017