Dienstag, 10. Mai 2016
Kulturgeschichten 0217
Der Tod aller Geheimnisse machte das Leben einfacher und friedlicher. Die Abschaffung der Geheimdienste wäre der erste Schritt dahin, deren Aufgabe nur in unsauberer Spionage besteht, um Dinge zu erfahren, von denen andere nicht wollen, dass wir sie erfahren und um sie zu erfahren erlauben wir den Geheimen illegale Praktiken. So sind alle Geheimnisträger und Geheimbünde von Demokraten kritisch zu sehen. Wer etwas zu verbergen hat, macht sich unglaubwürdig.
Bekannte oder unbekannte Geheimschriften führten vieltausendfachen Tod herbei in zu vielen Kriegen in denen die Dienste immer erstarken, deren kein friedlicher Mensch bedarf und deren ein demokratischer Staat sich schämen sollte. Dies gilt für den Dienst nach außen, den BND, die alte Nazi-Organisation, wie für die nach Innen, die sogenannten Verfassungsschützer, deren bloße Existenz schon den Bestand der demokratischen Grundordnung gefährdet, die sie zu sichern vorgeben. Sie sind und bleiben ein Instrument geheimer Macht auch im Rechtsstaat, systemimmanent undemokratisch, auch wenn mit einer irgendwie rechtsstaatlichen Hülle versehen, wird ihre Existenz und ihr Ausbau mit dem mehr an Sicherheit gerechtfertigt, um die es immer geht, wenn sich sonst keine Gründe finden, die Freiheit einzuschränken. Als sei der Staat logisch ein Wert an sich, der für seinen Bestand alle bürgerlichen Rechte aufheben darf und wäre es nicht umgekehrt so, dass die Bürger erst den Staat bilden und ihm nur beschränkt Rechte verleihen, die auch im übrigen in der Verfassung geschützt werden, über deren Auslegung weiter gestritten wird.
Was bewirkten die Geheimgesellschaften in Europa bereits?
Wohin führte ihre Tolerierung?
Am 9. Mai 1911 gründeten in Belgrad serbische Offiziere den Geheimbund Uledinjenje ili Smrt, Vereinigung oder Tod, die besser unter dem Namen Schwarze Hand bekannt wurde, mit dem Ziel ein Großserbien zu errichten. Das spätere Attentat auf den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand und seine Gattin in Sarajewo, das den ersten Weltkrieg auslöste, war das Werk dieser Gruppe.
Der terroristische Geheimbund kämpfte für ein mit Bosnien und der Herzegowina vereinigtes Großserbien. Die Schwarze Hand war eine Verbindung von Offizieren, der ganz mehrheitlich Serben und einige wenige Kroaten und Bosniaken angehörten. Sie galt als geheime Organisation, auch wenn ihre Existenz und ihre Mitglieder öffentlich bekannt waren - Balkan-Show halt. Mitglieder der Schwarzen Hand waren an der Ermordung des serbischen Königs und seiner Gattin wie dem Attentat von Sarajewo beteiligt, das über die Julikrise schlafwandlerisch in den ersten Weltkrieg führte.
Die Ursprünge der Schwarzen Hand gehen auf die Verschwörung der serbischen Offiziere zur Ermordung von König Aleksandar, dem letzten der Obrenovic Dynastie, zurück. Der König hatte sich durch seine Ehe, seinen autoritären und an Österreich sich anlehnenden Regierunsstil unbeliebt gemacht. Der vor allem gegen Österreich gerichtete groß-serbische Nationalismus zielte auf ein Bündnis mit Frankreich und Russland und versuchte diese Politik aggressiv durchzusetzen. Ziel der Organisation war dabei die Verwirklichung des völkischen Ideals der Vereinigung aller Serben in einem Nationalstaat.
Als oberstes Organ wurde eine Zentralverwaltung in Belgrad eingerichtet, deren Entscheidungen für alle Mitglieder verbindlich waren. Sie verfügte über deren Leben und Vermögen. Die Organisation stand über allem und ihre Mitglieder mussten alles, was sie dienstlich oder privat erfuhren weitermelden, soweit es von Interesse für die Organisation war, was diese selbst totalitär logisch entschied. Die Zentralverwaltung durfte auch Todesurteile aussprechen, die von besonders vertrauenswürdigen Mitgliedern vollstreckt wurden. Wer einmal Mitglied geworden war, durfte nie mehr zurücktreten, kein Mitglied durfte einen Rücktritt annehmen, es war ein Lebensbund auf Leben und Tod. Die Mitglieder wurden aus Gründen der Geheimhaltung als Nummern nicht als Namen geführt. Nur die oberste Zentralverwaltung kannte alle Mitglieder, die sich, obwohl sie weder die Organisation noch ihre Mitglieder wirklich kannten, bei ihrem Eintritt zu absolutem Gehorsam und absoluter Geheimhaltung verpflichteten.
Der lächerlich pathetische Eid dieser typisch balkanisch übersteigerten Organisation lautete:
Ich, der in die Organisation „Vereinigung oder Tod“ eintrete, schwöre bei der Sonne, die mich erwärmt, bei der Erde, die mich ernährt, vor Gott, beim Blut meiner Väter, bei meiner Ehre und bei meinem Leben, dass ich von diesem Augenblick an bis zu meinem Tode die Satzung dieser Organisation treu befolgen und stets bereit sein werde, ihr alle Opfer zu bringen.
Ich schwöre vor Gott, bei meiner Ehre und bei meinem Leben, dass ich allen Weisungen und Befehlen widerspruchslos folgen werde.
Ich schwöre vor Gott, bei meiner Ehre und bei meinem Leben, dass ich alle Geheimnisse dieser Organisation mit ins Grab nehmen werde.
Mögen Gott und meine Kameraden in dieser Organisation über mich zu Gericht sitzen, wenn ich wissentlich diesen Eid breche oder umgehe.
Entsprechend diesem auf Ehre und Gefühl setzenden Eid war diese totalitäre Geheimorganisation an zahlreichen Attentaten und deren Versuchen beteiligt, von denen das auf Kronprinz Franz Ferdinand das folgenreichste war. Das der preußische Kronprinzensohn Louis-Ferdinand hieß, könnte dazu eine nette Anekdote werden, gäbe es nicht die wesentlich ältere Geschichte von diesem gegen Napoleon gefallenen Preußenprinzen, die hier aber keine geheime Rolle spielt.
Nicht alle Beteiligten des Putsches von 1903 aus dessen Mitgliedern sich die Schwarze Hand gründete, teilten den atavistisch beschränkten serbischen Nationalismus. Einer von ihnen gründete darum die Weiße Hand, um der Schwarzen Hand entgegenzuwirken. Mitglieder der Weißen Hand gewannen vor allem nach 1917 an Einfluss. Ihr Gründer amtierte von 1929-32 als Premierminister Jugoslawiens.
Obwohl die Schwarze Hand und ihre Aktionen die Politik der serbischen Regierung bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges unterstützten, erkannte die Regierung die Gefährlichkeit einer solchen Geheimorganisation. Insbesondere wollte die Schwarze Hand keine jugoslawische Föderation sondern einen serbischen Nationalstaat. Ab 1917 wurden alle Mitglieder verhaftet und der geplanten Ermordung des Prinzregenten beschuldigt. Bei einem Mitglied der Obersten Zentralverwaltung wurde die Namensliste aller Mitglieder gefunden. Bei einem anderen die geheimen Statuten des Bundes. In einem Schauprozess wurden sie zum Tode verurteilt. Die anderen Angeklagten bekamen erst sehr hohe Haftstrafen und wurden später amnestiert.
Serbien möchte heute Teil der EU werden. Der Jugoslawienkrieg hat uns gezeigt, wie tief der Hass und die Missgunst in den Menschen sitzen und wie fern eine Versöhnung noch scheint. Doch galt zwischen Deutschland und Frankreich auch über Jahrhunderte, fast seit das Frankenreich unter Karls Erben zufiel, eine Erbfeindschaft, die in wenigen Jahrzehnten seit Ende des letzten Weltkrieges einer engen Freundschaft wich, auch wenn der Weg dahin dornig und steinig zwischendurch war, sind doch die beiden Teile des alten Frankenreiches gute Partner inzwischen.
Albanien will auch Teil der EU werden wie Bosnien-Herzegowina und vielleicht ist dies die Brücke in eine gemeinsame Zukunft, mehr über das nachzudenken, was verbindet, als was trennt und problematisch ist. Denken wir an das Fußballspiel zwischen Serbien und Albanien und den nationalistischen Zwischenfall dort mit dem Zeppelin mit der alten Fahne, hat sich noch einmal die gefährliche Seite gezeigt, die nationaler Wahn in triebhaften Menschen auslöst.
Die Schwarze Hand zeigt die doppelte Gefahr geheimer und nationalistischer Organisationen. Diese sind ein größeres Risiko für jede Gemeinschaft als abstruse Parteien oder sächsische Spaziergänger, so schlimm diese Brandstifter sind, doch brauchen wir zum Schutz davor nicht mehr Verfassungsschutz und Geheimdienst mit fragwürdiger Zuverlässigkeit immer, da nur bedingt kontrollierbar im Geheimen, sondern mehr rechtsstaatlich arbeitende Polizei, die dort aufpasst, wo es nötig ist und schützt, wo Gefahr vorliegt, ermittelt wie es der Rechtsstaat gestattet. Die Gefahr, die von Geheimdiensten für die Freiheit ausgeht, ist immer größer als der Schutz, den wir uns von ihnen versprechen, ihr Einsatz ist nur ein Zeichen der Macht, keine Verteidigung dessen, was der Name vorgibt.
Zur Gefahr der trügerischen Sicherheit, die Geheimdienste geben, sei noch an eine andere Geschichte erinnert, die am 9. Mai 1941 begann, als das britische Kriegsschiff HMS Bulldog gemeinsam mit zwei anderen Schiffen das deutsche U-Boot U 110 kaperte und dabei die Chiffriermaschine Enigma erbeutete. Damit konnten die Engländer ab diesem Zeitpunkt den gesamten Funkverkehr der deutschen Kriegsmarine entschlüsseln. U 110 hatte mit schweren Schäden auftauchen müssen. Die Mannschaft versuchte noch, nachdem sie sich gerettet hatte, das U-Boot zu versenken. Da das Boot nicht schnell genug sank, schwamm der hochdekorierte Kapitänleutnant Fritz Julius Lemp noch einmal zum Unterseeboot zurück.
Bei diesem Versuch kam er angeblich ums Leben, jedoch gibt es über seinen Tod mehrere Versionen. Einerseits wird behauptet, er sei vom Enterkommando schwimmend erschossen worden, andererseits wird gesagt, er soll aufgrund totaler Erschöpfung einfach im Meer ertrunken sein. Die gefangengenommene Mannschaft erfuhr davon nichts. Sie war der Meinung, das Boot sei untergegangen und ihr Kommandant ertrunken.
Die Geschichte ist auch Gegenstand des Buches Das Boot von Lothar Günter Buchheim, das später auch verfilmt wurde. Dabei lässt der Autor den Alten den Verdacht äußern, Lemp sei ein Agent der Alliierten gewesen und die Erbeutung von U 110 sei abgesprochen gewesen. Dafür finden sich keine weiteren Belege.
Die Eroberung der Enigma-Maschine und der dazugehörigen Verschlüsselungsbücher veränderte den Kriegsverlauf entscheidend, besonders die Schlacht im Atlantik ging infolge verloren, weil sich die so abgehörte Marine in falscher Sicherheit wiegte und leicht überführt werden konnte.
Es zeigt sich wieder mal, das Vertrauen auf Geheimdienste und ihre Tricks keine Sicherheit bietet, so wenig wie Verschlüsselung dauerhaft sicher sein kann. Im Gegenteil fielen diesem Vertrauen noch viele Menschen und Schiffe der Marine zum Opfer, während diejenigen, die sie lesen konnten, ihr überlegenes Wissen zielgerichtet nutzten. Im Ergebnis war das Vertrauen in die Verschlüsselungsanlage und ihren Bestand wichtiger für den Sieg auf See als sie je Schutz bringen konnte.
Nur für fragwürdige und also illegale Ziele lohnt sich Verschlüsselung und Geheimhaltung alles andere ist nur ein wichtigtuerisches Kasperletheater, was die offene Gesellschaft jenseits der rechtstaatlichen Ziele polizeilicher Ermittlungen nicht braucht. Agenten retten weder das Königreich noch die Republik, sie sind Helden, die nicht nur halbseiden arbeiten sondern mehr schaden als nutzen. Trauten wir uns endlich, dies zuzugeben, könnten wir viele Probleme günstiger lösen als mit Fortdauer des Agentenunwesens. Kein demokratischer Staat braucht Geheimdienste, keiner sollte sie haben, nach Innen verbietet es sich schon systematisch, nichts als Polizei in den Grenzen des Rechtsstaates darf erlaubt sein, nach außen ist der Gewinn der alten Nazi-Organisation legal gering und illegal steht er dem demokratischen Rechtsstaat nicht zu. Einzig Armeen im Kampf brauchen gewisse geheimdienstliche Aktivitäten, die aber relativ überschaubar sind, ansonsten können wir diese Milliarden sparen und in die Polizei stecken.
jens tuengerthal 9.5.2016
Montag, 9. Mai 2016
Nahtraum
Träume nun davon
Dir ganz nah zu sein
Dich im Arm zu halten
Deinen Atem zu hören
Deinen Busen zu fühlen
Wie er sich dabei hebt
Wie dein Po sich an mich
Drückt genau mittig
Wir unter der Decke
Nur ein Hügel noch sind
Es uns vor lauter Wohlsein
Ganz leise schüttelt weil
Zärtliche Nähe so schön
Ist dass die Worte fehlen
Fülle des Wohllauts nannte
Mann anderes im Zauberberg
Und traf doch mein Gefühl
Schnurrte ich hörtest du es
Ganz nah im nun Traum
Einfach traumhaft da
jens tuengerthal 8.5.2016
Trumpeltier
Greift moralisch an ohne es zu sein
Macht die einen schlecht um den
Anderen zu gefallen teilt er aus
Spaltet das Land das er angeblich
Gewinnen will der alte Freund
Der Clintons wie Sponsor von Hilary
Eigentlich konnte sich ihr Team
Keinen besseren Gegner wünschen
Als den tumben Milliardär der alles tut
Für die Mitte unwählbar zu sein
Gäbe es ihn nicht hätten sie ihn
Erfinden sollen als Gegenpol
Dafür die Idioten alle einsammelt
So panisch polarisiert das kein
Vernünftig kritischer Diskurs noch
Zur Politik geführt wird oder gar
Fragen zu den Clintons wer stellt
Immer das genaue Gegenteil sagt
Dessen was politischer Konsens ist
Was einigen Spinnern gefällt aber
Gerade wieder nur Hilarys Gegner
Bei den Demokraten schwächt
So macht sich einer zum Affen
Damit die andere seriöser wirkt
Vielleicht ist das Amerika fragt
Sich was Trump davon hat
Ob der Ballon platzt bis zur Wahl
jens tuengerthal 8.5.2016
Sonntag, 8. Mai 2016
Brennerbrand
Weil einzelne Europäer
Meinen es gäbe noch
Nationale Lösungen für
Internationale Probleme
Wer Mauern baut oder
Zäune zieht hat keine
Perspektive mehr über
Den begrenzten Horizont
Hinaus haben diejenigen
Europa nicht verstanden
Die beschränken wollen
Was nur offen erfolgreich ist
Fraglich wer am Sieg der
Populisten noch verdient
jens tuengerthal 8.5.2016
Griechenpoker
Mit großem Drama um viel Geld
Was sie von Europa brauchen
Um weiter zu überleben
Es erinnert irgendwie an die
Griechische Revolution bei der
Auch nur ein Staat es wurde
Weil die Großmächte es wolten
Studenten kämpfen mit Gewalt
Gegen die höhere Besteuerung
Großer Einkommen wie die doch
Vernünftige Rettung der Renten
Ob da wer mehr um seine Wechsel
Von den Eltern fürchtet die dann
Weniger in der Tasche haben
Fragen sich ketzerische Beobachter
Wie damals wird dann irgendwann
Im Norden entschieden ob und was
Die Griechen zum Überleben noch
Einmal bekommen am Ende
Leicht ist es in Griechenland noch
Dagegen zu sein dabei wäre es
Viel wichtiger wofür wer nun ist
Wenn es um die Zukunft geht
Vermutlich bekommt Griechenland
Diesmal keinen König aus Bayern
Wobei sich mancher wohl fragt
Ob das noch helfen könnte
jens tuengerthal 8.5.2016
Gabrielisch
Vom Rücktritt nur
Den ihm andere nun
Schon nahe legten
Wäre auch keine so
Gute Idee rückwärts
Zu gehen wenn einem
Schon schlecht ist
Wäre auch unnötig
Lange dauert es wohl
Nicht mehr dann hat
Sich die SPD allein
Erledigt nur keine
Unnötige Hetze
jens tuengerthal 8.5.2016
Muttertagslust
Am Muttertag an die denken
Die du gern zur Mutter machtest
Macht den Tag lustvoller als nur
An die denken die ein anderer
Mit dir zur Mutter einst machte
Weil im werden und machen
Mehr Lust steckt als im haben
Vielleicht ist dies der Schlüssel
Muttertage mehr zu genießen
Indem wir mehr an das Schöpfen
Als an die Schöpfung denken
Tun wollen statt getan wurden
Genieße die Sehnsucht danach
Schöpfen zu wollen als Streben
Nach Leben miteinander was
Immer aus Träumen werden mag
Sie zu wollen ist vielleicht der
Erste Schritt das Glück was ist
Einfach zu genießen auch wenn
Alles nur einfach Natur ist
jens tuengerthal 8.5.2016
Kulturgeschichten 0216
Ist eine Niederlage ein Glück, wenn sie ein größeres Unglück beseitigt?
Wann wird der Untergang zur Befreiung?
Wie unterscheiden sich Niederlage und Befreiung für die Betroffenen?
Welche Gebiete Deutschlands wurden befreit, welche besetzt?
War, was daraus wurde, ein Glück und ein Fortschritt oder nur eine Niederlage?
Am 8. Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg in Europa mit der Ratifizierung der bedingungslosen Kapitulation in im russischen Hauptquartier Berlin Karlshorst. Dort unterzeichnete sie für die Reichswehr Generalfeldmarschall Keitel, der seit 1938 Chef des Oberkommandos der Wehrmacht war und zu den Hauptbeschuldigten der Nürnberger Prozesse gehörte, dort zum Tod durch den Strang verurteilt wurde. Er hatte in der Reichswehr den Zugriff der SS auf die Bevölkerung in den besetzten Gebieten und die Brutalität des Vorgehens immer wieder gerechtfertigt.
Der Tag ist zugleich derjenige der Befreiung vom Nationalsozialismus. In dem damaligen sowjetischen Hauptquartier, in dem die endgültige und bedingungslose Kapitulation stattfand, ist seit 1967 Deutsch-Russisches Museum in der DDR gewesen. Die Bundesrepublik hat dieses nach dem Beitritt übernommen. Bereits einen Tag zuvor war in Reims, dem Hauptquartier von General Eisenhower, dem Oberkommandeur der alliierten Truppen an der Westfront, am 7. Mai die bedingungslose Kapitulation von Generaloberst Jodl unterzeichnet worden. Dabei war vereinbart worden, spätestens 45 Stunden danach, die Ratifizierung der Kapitulation durch das Oberkommando der Wehrmacht sowie die Oberbefehlshaber von Heer, Luftwaffe und Marine zu gewährleisten. Dies sollte in Anwesenheit des Oberkommandierenden der Roten Armee Marschall Schukow und des Vertreters von General Eisenhower, Tedder, geschehen.
Daraufhin war das Feuer endgültig einzustellen. Die Zusammenkunft verzögerte sich etwas, so dass die Unterschriften erst kurz vor Mitternacht geleistet wurden, da war es durch die Zeitverschiebung in Moskau bereits der 9. Mai an dem seitdem dort dem Tag des Sieges gedacht wird, da das sowjetische Imperium und seine Satelliten eben um Moskau kreisten. Als Basis für die nun zu schaffende Ordnung galt die einen Monat später, am 5 Juni 1945 unterzeichnete Berliner Erklärung. Mit ihr übernahmen die Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräfte kraft Besatzungsrecht die oberste Regierungsgewalt im Deutschen Reich. Dies betraf sowohl die Entscheidungen der deutschen Regierung, des Oberkommandos der Wehrmacht, wie der Regierungen und Verwaltungen der Länder, Städte und Gemeinden. Zur Ausübung der Regierungsgewalt bildeten sie gemeinsam den Alliierten Krontrollrat. Die Berliner Deklaration zur Übernahme der Hoheitsgewalt unterschrieben Dwight D. Eisenhower, Georgi Schukow, Bernard Montgomery und Jean de Lattre de Tassigny.
Die Kapitulation und die Berliner Erklärung zusammen bilden die Grundlage für den Viermächte-Status, nach dem die Alliierten bis zur Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 für Deutschland als Ganzes verantwortlich blieben. Die Forderung nach einer bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reiches stammt noch aus der Zeit der Konferenz von Casablanca im Jahre 1943. Genau ein Jahr nachdem der gleichnamige Film gedreht wurde, der den aktuellen Kampf illlustrierte und in eine Liebesgeschichte einband mit Humphrey Bogart, Ingrid Bergmann und anderen, aber das wäre schon wieder eine ganz andere Geschichte, auch wenn die politische Wirkung und Inszenierung von Filmen in Kriegszeiten ein wichtiges Thema ist. Östlicher gab es dafür den Panzerkreuzer Potemkin von Sergei Eisenstein, getrennte Welten eben, wenn letzterer auch rund 13 Jahre früher in Deutschland auf den Markt kam.
Die Forderung nach einer bedingungslosen Kapitulation, die alle Waffenstillstandsverhandlungen und Teilkapitulationen ausschloss, bewies der misstrauischen Sowjetunion unter Diktator Stalin, dass die westlichen Alliierten an ihrer Seite blieben und den Krieg unter allen Umständen bis zu Ende führen wollten. Dies war wichtig, weil immer mehr ein Auseinanderbrechen der divergenten Koalition zwischen liberal freiheitlichen Staaten und der totalitär sozialistischen Diktatur in der UDSSR befürchtet wurde, es gab zu wenig Gemeinsamkeiten, wie sich an der späteren 2-Staaten-Lösung für Deutschland während des Kalten Krieges zeigte, von der sich das Land innerlich immer noch nicht ganz erholt hat. Es leben eben Menschen mit zwei verschiedenen Biografien plötzlich zusammen, was im Alltag manchmal schwiergier wird als gedacht.
Auf diesem Wege musste Deutschland oder das Deutsche Reich nicht als Ganzes abgeschafft oder annektiert werden, sondern wurde in gemeinsamer Verantwortung übernommen, ohne sich dessen finanzielle oder rechtlichen Verpflichtungen anzueignen. Es ging darum eine eventuelle Haftung auszuschließen, aber die lenkende Verantwortung für das bestehende Rechtssubjekt zu übernehmen.
Am 7. Mai 1945 um 12.45h hatte übrigens bereits Lutz von Schwerin-Krosigk über den Reichssender Flensburg zum ersten mal von deutscher Seite das Ende des Zweiten Weltkrieges verkündet. Am 8. Mai 1945 um 23.01h trat die bedingungslose Kapitulation dann für alle Fronten in Europa in Kraft. Der Weltkrieg war damit beendet. So gesehen ein Festtag für Europa nach fünf Jahren des Terrors.
Es gab danach nur noch einzelne Gefechte verstreuter Truppenteile, die entweder nicht von der bedingungslosen Kapitulation unterrichtet waren oder dem zum Trotz noch versuchten Teile der Bevölkerung vor der Roten Armee gen Westen in Sicherheit zu bringen, um nicht in sowjetische Kriegsgefangenschaft zu kommen, aus der nur wenige lebend zurückkehrten, wie mein Großvater, der nahezu ein Jahrzehnt am Bergwerksstandort wohl nur überlebte, weil er als Zahnarzt dort tätig sein durfte.
Eine Kapitulation Deutschlands oder des Deutschen Reiches hat nach ganz herrschender Meinung in der Rechtswissenschaft nicht stattgefunden. Die Regelungen waren ein Kriegsvertrag und eine völkerrechtliche Vereinbarung rein militärischen Inhalts. Ob das Deutsche Reich damit aufhörte zu existieren oder die BRD, die sich gelegentlich darauf berief, Rechtsnachfolger wurde, ist lange gestritten worden und ganz eindeutig ist da nie, etwas geregelt oder geklärt worden.
Völkerrechtlich war die Kapitulation rein militärisch und auch die spätere Berliner Deklaration war eine Erklärung des militärischen Kommandos, kein politischer Akt, auch wenn er Auswirkungen auf die politische Lage hatte. Der fand nur mit der Auflösung Preußens, der Abtrennung Österreichs und der Gebiete östlich von Oder und Neiße statt. Diese sind auch völkerrechtlich völlig korrekt im 2+4 Vertrag zur sogenannten Deutschen Wiedervereinigung, die rechtlich nur ein Beitritt der sich damit auflösenden DDR war, geregelt worden. Insoweit sind nach Abschluss dieser Verträge und deren Vollzug mit der Auflösung des Alliiertenstatus über Deutschland und der Entlassung in die völkerrechtliche Autonomie, rechtlich keine Fragen mehr offen. Die BRD ist ein selbständiges Subjekt des Völkerrechts und teilweise in die Rechtsnachfolge der Verpflichtungen des Deutschen Reiches eingetreten, hat sich der auch finanziellen Verantwortung gestellt. Auch für das Beitrittgebiet von 1990 gilt das gleiche.
Zu dem Streit über den Fortbestand des Reiches gibt es verschiedene Theorien. Insofern die ganz herrschende Meinung in der Rechtswissenschaft wie die Bundesrepublik mit ihren Organen davon ausgehen, dass die BRD Rechtsnachfolger wurde, ist es faktisch so. Dies lässt sich jedoch juristisch weder beweisen noch widerlegen, es könnte darüber gestritten werden, was jedoch müßig ist, insofern die BRD sich als Staat damit ihrer Verantwortung stellte und alles andere nur noch Verschwörungstheoretiker interessiert. Deren Theorien vom Nichtbestand der BRD und ähnlicher Unsinn führen sich selbst ad absurdum und haben sich spätestens mit dem 2+4 Vertrag für alle Zeiten faktisch erledigt. Die Argumentation ist rechtlich in sich unschlüssig, verkennt die völkerrechtliche Realität und muss daher nicht weiter verfolgt werden, gegen Dummheit hilft nur Aufklärung.
Aber jenseits der geistigen Beschränkung der Reichsbürger und ihrer Anhänger wie des zu großen Teilen rechtsradikalen Umfelds sind diese Fragen für die meisten Menschen völlig irrelevant. Sie nehmen die bedingungslose Kapitulation der Militärs als die des Landes im diktatorischen Militärstaat, der vollständig auf den Krieg ausgerichtet war. Völkerrechtlich erhielt die BRD mit dem 2+4 Vertrag ihre volle Souveränität, mehr gibt es dazu nicht zu sagen, als sich zu fragen, was wohl die planen, die sich an das Reich klammern, das aus guten Gründen unterging und für das die BRD die Verantwortung übernahm.
Sofern der Staat, in dem ich lebe und seine Organe, sich dafür verantwortlich erklären, die Gerichte es durch alle Instanzen bestätigen, die Verwaltung entsprechend arbeitet, ist es völlig egal, wenn eine kleine Gruppe meint, die Dinge anders sehen zu wollen, auch wenn wir nicht wissen, wer am Ende Recht hätte, weil es strittig bleibt und nie zu klären ist, genügt es, zu wissen, wie die Dinge sind und behandelt werden und was der rechtlichen Verantwortung eines Staates entsprechend gebührt. Sorge sich, wer sich unbedingt sorgen will, lieber, um das gute Ansehen eines Staates, in dem wieder Menschen verfolgt werden, statt darum, ob der Totenschein für den Vorgänger die rechte Form hat, es täte Deutschland und den Menschen hier vermutlich besser und zeigte, wie gut die Gründe der bedingungslosen Kapitulation und des vorigen Bombenterrors verstanden wurden.
jens tuengerthal 8.5.2016
Muttersex
Freitag war ich mit 3 Muttis aus
Prenzlauer Berg eben
Es ging eigentlich nur um Sex
So rein theoretisch natürlich
Offensichtlich gibt es da Mangel
Auch wenn die Nachfrage gering ist
Weil sie gefragt werden wollen
Würden sie alle gern öfter
Mal so richtig und überhaupt
Manche vermissen es schon
Seit Jahren andere nie wirklich
Würden viel dafür tun endlich
Mal wieder so richtig aber dann
Doch lieber die große Liebe
Nur der der da ist ist nicht da
Bemüht sich halt nicht um sie
Sie sich auch nicht um ihn
Ist halt so
Jedenfalls geht es bei Müttern
Fast immer um Sex
Hat ja auch was mit Mutter sein
Zu tun irgendwie
Glaub ich
Rein theoretisch
jens tuengerthal 8.5.2016
Mutterlieber
Der uns gezeigten Liebe
Oder ist es ganz natürlich
Mütter lieber zu haben weil
Sie uns Leben schenkten
Auch wenn ungefragt noch
Sie ihren Spaß dabei hatten
Ist es das Liebe machen
Oder muss da nichts mehr
Gemacht werden weil es da ist
Was ist der Grund der Liebe
Kann sie verloren gehen oder
Verlieren wir uns dann wenn
Wir ungeliebt der Liebe lieber
Abschwören und was bleibt
Sind Kinder immer eigene Wesen
Oder natürlich eben Kinder
Die an der hängen aus der
Sie sind und was wenn
Alles ganz anders ist
Vielleicht ist die Liebe auch
Wichtiger als alles und so
Fehlen am Ende manchmal
Doch die Worte
Zum Muttertag denn
Was weiß ich schon
Als nur Vater
jens tuengerthal 8.5.2016
Sicher sein
Sich sicher sein ist schön
Wenn schön ist wessen
Wir uns sicher wähnen
Manches wissen wir sicher
Nicht so genau auch wenn
Mancher sich sicher wähnt
Bleiben wir unsicher offen
Was sicher freier macht
Als gäbe es mehr oder weniger
Frei überhaupt noch je
Bin mir sicher
Weiß nicht
Wohin
Worin
Wofür
Hauptsache dass
Du es bist aber
Was weiß ich schon
Nenne es Liebe
jens tuengerthal 8.5.2016
Margottlos
Von der manche meinten
Sie sei die kalte Macht
Hinter dem Terror der
Einst DDR gewesen
Auf ihrem Sarg lag
Die Fahnde der DDR
Anachronismus traditionell
Mehr blieb nicht außer
Bild über ihr Sexleben
Fühlen sich Opfer nun
Von der Alten verspottet
Oder ist einfach egal
Was mit den Toten geschieht
Sind ja nur noch Sachen
Margot ohne Gott ist ohne
Staatsakt gegangen was
Ihre Kinder auf die Kiste
Mit dem Rest drin legen
Bleibt am Ende egal
Nichts blieb von Magrot
Wie von der DDR noch
Außer Erinnerungen
Teilweise verklärt
Der Rest ist egal
jens tuengerthal 8.5.2016
Seiteneingang
Manche gehen gern von vorne
Direkt rein ohne Umwege weil
Es ihnen in der Lust nur um die
Befriedigung geht weniger um
Das Gefühl der Nähe an sich
Als sei Sex irgendwie sportlich
Was es auch manchmal ist
Bin wohl gern unsportlich
Liebe die Seiteneingänge
Dabei immer mehr wobei
Weniger wichtig wo ist als wie
Und so nähere ich mich dir
Gern auch auf Umwegen
Von wo auch immer etwa
Wenn du schon schläfst
Oder gerade erwachst
Weil die Lust dann mehr ist
Als bloße Befriedigung
Natürlicher Triebe auch
Wenn sie nichts sonst wäre
Fickt sich schöner mit Träumen
jens tuengerthal 7.5.2016
Samstag, 7. Mai 2016
Wellenbad
Heute dich kurz gesprochen
Zwischendurch unterbrochen
Telefonieren auf See ist halt
Immer unsicher irgendwie
Immer wieder es probiert
Bis eine arabische Stimme
Aus dem Automaten kam
Da warst du schon weg
Wann sind wir je da
Sich dann nicht zu verlieren
Sondern umeinander wissen
Beieinander innig bleiben
Ist wohl das Wunder was
Manche Liebe nennen
Manchmal ist es ein Wellenbad
Der Gefühle zwischen hören
Und erreichen voll Sehnsucht
Jenseits der Stille doch noch
Umeinander wissen irgendwo
jens tuengerthal 7.5.2016
Liebesteilung
Ist Liebe teilbar oder immer
Einmalig und einzig warum
Wir nur einen oder eine
Lieben können oder sollen
Wir das nur weil wir es uns
So angewöhnt haben damit
Alles ordentlich ist und was
Wollen wir wirklich wenn wir
Lieben ohne zu fragen was
Wir sollen oder dürfen denn
Kennt die Liebe je Grenzen
Lieben wir nicht nur wenn
Es keine Beschränkung gibt
Weil wir tun was da ist nur
Ist die Natur moralisch je
Wann sind wir bei unserer
Natur überhhaupt wohin
Will diese und warum ist was
Gut ist nicht immer natürlich
Was bleibt wenn wir Liebe
Teilen als gebrochene Herzen
Oder wird am Ende immer
Alles gut in der Liebe und
Ist es wenn nicht einfach
Noch nicht zu Ende aber
Was weiß ich schon
Von der Liebe und
Überhaupt
Jens tuengerthal 7.5.2016
Platzstimmung
Um den Platz flaniert
Am Licht gefreut
Das so lang wieder ist
Die Stimmung genossen
Wie es wieder dort lebt
An der Straßen rundrum
In den Cafés wie inmitten
Paare beobachtet
Wie laute Gruppen
Einzelne angelächelt
Manche beim einkaufen
Einige mit Bier in der Hand
Da schnorrt dich einer an
Dort Straßenmusiker
Alles wie immer
Berlin halt am Samstag
jens tuengerthal 7.5.2016
Kulturgeschichten 0215
Ob jeder Grieche eine Griechin sucht im Grunde seines Herzens und nur mit ihr glücklich sein kann, wie es Friedrich Dürrenmatt in seiner Prosakomödie von 1955 schrieb, in der sich der Buchhalter Arnolph Archilochos in die schöne Griechin Chloé Saloniki verliebt und erst in der Kirche direkt vor der Hochzeit erfährt, dass sie eine stadtbekannte Hure war, wie er flieht und doch in Liebe zurückkehrt, weiß ich nicht. Kann mich an viele schöne Kinder auch deutsch-griechischer Ehen erinnern und doch weiß ich natürlich nicht, ob sie mit Liebe und Lust gezeugt wurden, Ziel der Suche waren oder nur Produkt der manchmal dennoch Natur.
Es gibt zumindest eine große Liebe und Solidarität vieler Europäer mit Griechenland und der griechischen Sache. Derzeit sind es eher die Linken, die, komme was wolle, zur linken griechischen Regierung halten und die bösen Banken anklagen, die Griechenland mit Zins und Zinseszins erwürgten. Mutti Merkel war in der Finanzkrise gemeinsam mit Wolfgang Schäuble lange die meistgehasste Person Griechenlands und wurde von links von Innen, von Osten wie von Westen für ihre schwäbische Sparsamkeit angefeindet. Dafür wurde sie zugleich noch solange von der rechten Seite verehrt, die eher zu Sparsamkeit, denn zu Solidarität neigt, was sich in der Flüchtlingsfrage schnell wieder in einen von Angst getriebenen unkontrolierten Hass verwandelte, woran sichtbar wird, wie wechselhaft politische Zu- oder Abneigung ist, weil sich am Kurs der Kanzlerin im Ganzen nahezu nichts änderte, sie weiter tat, was sie für nötig und angemessen hielt.
Gerade pokern die Griechen weiter um ihre Schulden, die sie faktisch nicht bewältigen können. Es geht um Macht und Autorität in Europa und ein wenig wohl auch ums Prinzip. Schäuble weigert sich und der wohl erschöpfte aber ansonsten nicht greifbare Koalitionspartner des eisernen Finanzministers, Wirtschaftsballon Gabriel gibt sich nun als Panhellene aus Vernunftgründen, was angesicht der Lage der SPD wenig überzeugt, denn wo wollen sie damit Mehrheiten gewinnen, wem gegenüber glaubwürdig wirken im Land?
Wann fing diese Liebe an zu den Griechen, ihrer Kultur, ihrer Geschichte und was blieb davon in der Gegenwart?
Die wieder Verehrung der griechischen Kultur begann in der Renaissance, jener wunderbar lichten Epoche, die sich vom Dunkel des religiösen Mittelalters abhob, sich wieder auf die Antike und ihre Denker berief, lernte Gott infrage zu stellen und nichts sehnlicher suchte als antike Texte, nach den wurzeln der griechischen Philosophie suchte, wie bei der Wiederentdeckung des Epikuräers Lukrez oder im Neoplatonismus.
So tauchte Griechenland und die Ästhetik seiner Formen ab da wieder in der Kunst auf, und dann kam es immer wieder in Wellen zu jener Besinnung Europas auf seine griechische Wurzeln und die Erklärung der Liebe, die auch gegen alle Vernunft solidarisch sein ließ.
Schon vor der Einnahme Konstantinopels war Griechenland Teil des osmanischen Reiches geworden seit Jahrhunderten, als sich die europäischen Großmächte wieder Gedanken über einen griechischen Nationalstaat zu machen begannen, um den Türken die Wurzeln der eignen Kultur nicht ganz zu überlassen, doch noch war die Hilfe, wie gerade auch wieder, eher halbherzig und so wenig zielführend wie die nur mühsame und geringfügige Unterstützung beim Ansturm der Türken gen Konstantinopel. Es zogen die Katholiken und anderen nicht freiwillig für die Orthodoxen gegen die Muslime in den Krieg. So wurde verhandelt und angebandelt, wieder verworfen und halbe Kompromisse für die griechische Freiheitsbewegung gesucht, die keinen Streit mit den Türken provozierte, aber auch keine ganze Lösung boten.
Am 7. Mai 1832 schließlich einigten sich Großbritannien, Frankreich und Russland, das mit dem Londoner Protokoll von 1830 im Februar neu geschaffene Griechenland, als unabhängiges Königreich zu gründen. König sollte Otto von Wittelsbach unter der Bedingung werden, dass es zu keiner Vereinigung mit dem Königreich Bayern kommen darf. Das osmanische Reich wurde für seinen Gebietsverlust finanziell entschädigt.
Die Londoner Protokolle zu Griechenland beschäftigten sich mit der Gründung eines hellenischen Staates. Im ersten von 1829 wurden dessen Grenzen festgelegt. Die Vereinbarungen wurden 1830 und 1832 nach Abstimmung mit dem osmanischen Reich noch modifiziert.
Die Großmächte hatten sich nach dem Ausbruch der Griechischen Revolution mit der Situation auf dem südlichen Balkan beschäftigen müssen. Der griechische Unabhängigkeitskrieg war der Kampf der Griechen gegen die Herrschaft der Osmanen und für eine unabhängige griechische Republik, ihm fielen auf griechischer Seite etwa 25.000 Soldaten zum Opfer, während es auf türkischer 40.000 waren. An zivilen Opfern wurde über 107.000 gezählt. Er dauerte von 1821 bis 1829 und ihn führten Griechenland, verbündet mit Großbritannien, Frankreich und Russland gegen das Osmanische Reich, das mit den Herrschaften aus Tripolis, Tunis und Algier im Bündnis stand.
Gegen Ende der Antike, also um 500, war Griechenland das einzige vollständig alphabetisierte Land Europas. Lesen und Schreiben wurde an öffentlichen Schulen durch das Auswendiglernen der Texte Homers gelernt. Seit der osmanischen Besetzung verfiel diese Kultur völlig und es entstand eine immer größere Schicht an Ungebildeten. Anders die unter venetianischer Vorherrschaft stehenden ionischen Inseln, die trotz geringerer Bodenschätze wirtschaftlich und kulturell aufblühten. Nach dem Fall Konstantinopels waren viele griechische Gelehrte nach Italien und Westeuropa geflohen und hatten so der Renaissance noch Auftrieb gegeben. Auch einer der größten Vertreter des folgenden Manierismus war ein in Spanien lebender Grieche, El Greco.
Die Griechen waren über 350 Jahre unter osmanischer Vorherrschaft und selbst nicht stark genug, die Unabhängigkeit militärisch zu erringen und so spielte sich der Konflikt hauptsächlich zwischen den Großmächten ab. Erst der russische Türkenkrieg von 1828 und die Vernichtung der türkisch-ägyptischen Flotte 1827 bildeten die Voraussetzung für den Frieden von Adrianopel 1829.
Die griechische Revolution von 1821 war bereits Jahre vorher im Freundschaftsbund vorgeplant worden. Die Revolution sollte an drei verschiednen Orten beginnen, um bei den Osmanen größtmögliche Verwirrung zu stiften. Erfolgreich war er nur auf der Peleponnes, da er in Konstantinopel von den Türken selbst sofort niedergeschlagen wurde und im Fürstentum Moldau die heimischen Rumänen als Antwort die Häuser der dort ansässigen Griechen angriffen. Auf der Peleponnes wurden türkische Städte eingenommen und alle Türken vertrieben, was die Türken im Gegenzug genauso machten. Besser wurde es darum von keiner Seite.
Zwischen 1821 und 1825 verharrten dann die Fronten relativ unverändert, was sich erst durch das Eingreifen fremder Mächte ab 1825 wieder änderte. Als der Sultan dem ägyptischen Herrscher Mehmet Ali die Peleponnes versprach, machte dieser sich sofort an die Eroberung, was wiederum den europäischen Großmächten nicht passte, die draufhin eingriffen. Nach der Versenkung der Flotte hatte der Sultan den europäischen Großmächten militärisch nichts mehr entgegenzusetzen. Der russische Einmarsch ins osmanische Reich im russisch-türkischen Krieg von 1828-1830 und die krachende Niederlage des Sultans, machten den Weg frei für das Londoner Protokoll und die Gründung eines unabhängigen griechischen Staats. Das Großbritannien dann Russland von der Besetzung Konstantinopels und damit der wichtige Meerenge abhielt, hatte eher strategische Gründe. Den auf den Weltmeeren handelnden Engländern war ein schwacher Sultan an der Meerenge lieber als ein zu starkes Russland. Ob London diese Zurückhaltung heute angesichts der Verhandlungen Europas mit Sultan Erdogan bedauert, wird sich in den nächsten Jahren zeigen.
Der deutsche Prinz aus dem Hause Wittelsbach als neuer griechischer König war für die Machtinteressen aller beteiligten Großmächte dann der akzeptabelste Kompromiss. Gekippt war die Stimmung in Europa zugunsten Griechenlands nach den bekannt gewordenen Kriegsgreuel der ägyptischen Truppen auf der Peleponnes. Dabei unterstützten die Philhellenen, zu denen auch Lord Byron zählte, die Griechen in ihrem Kampf um einen eigenen Staat auch literarisch. Die Philhellenen waren meist junge Männer aristokratischer Herkunft und mit klassischer Bildung, die sich als Vertreter und Bewahrer einer großen Zivilisation verstanden. Der bayerische König Ludwig I. hatte die Philhellenen mit großen Geldspenden unterstützt, was auch die Entscheidung für seinen Sohn Otto als griechischen König begründete. Auch die bis heute übliche Schreibweise von Bayern mit Y statt wie bisher Baiern, war Ausdruck des königlichen Philhellenismus und sollte ein Zeichen der Solidarität sein. Einer der Gegner der Bewegung war der mächtige Fürst Metternich, der österreichischer Kanzler war. Auch Goethe, Hölderlin, Victor Hugo, Wilhelm von Humboldt, Alexander Puschkin, Friedrich Schiller und Shelley gehörten zum großen Kreis der intellektuellen Philhellenen, die in der Tradition der Aufklärung standen.
Die genauen Gebietsfestlegungen wurden dann im nächsten Londoner Protokoll vom 30. August 1832 festgelegt. Danach wurde die Peleponnes und einige ihr nahe gelegene Inseln Teil des neuen griechischen Staates. Thessalien, Makedonien, Kreta und die meisten Inseln unterstanden weiterhin der Herrschaft des osmanischen Reiches.
Vielleicht braucht es wieder eine Philhellenische Bewegung in Europa, um sich der Wurzeln der eigenen Kultur zu erinnern, gerade in Anbetracht der Entwicklung in der Türkei, die derzeit wenig verlockendes in Hinsicht auf Demokratie und Menschenrechte verspricht, sondern sich trotz mit Flüchtlingen erpresster Visafreiheit eher in Richtung eines osmanischen Reiches unter Erdogan entwickelt, das den an europäische Menschenrechtsstandards gebundenen Griechen, die genug Probleme eigentlich haben, die Verantwortung zuschiebt.
Warum sollen die Ruinen Trojas ewig in einer totalitären Türkei liegen?
Muss Konstantinopel ewig Istanbul sein, wenn es unter der Herrschaft des Islamisten seine Freiheit verliert und der anatolischen Provinz ähnlicher wird?
Vielleicht wäre es an dieser Stelle klug sich in Europa mehr mit Russland zu verständigen, als auf amerikanische Kurzsichtigkeit in Machtfragen zu setzen, die nicht immer der Freiheit dient. Sollte die Türkei einen offenen und toleranten Weg einschlagen, wäre sie in Europa zu begrüßen als ein Land unter vielen. Nicht um auf ehemals griechischen Boden, der die türkische Küste überhaupt erst zum Kulturland machte, zwanghaft Kirchen bauen zu müssen, doch mit der Freiheit, es zu können und für jede arabisch finanzierte Moschee in Europa eine Kirche im ehemals griechischen Gebiet der Türkei zu bauen, könnte das innere Gleichgewicht besser herstellen, als mancher Flüchtlingsdeal und würde vermutlich das Interesse des totalitären Sultans an einer Aufnahme in die EU schlagartig auf Null reduzieren und die wahren Interessen der AKP offenbaren, der nur noch die Kurden im Land entgegenstehen. Besser wäre es ohnehin, lieber atheistische philosophische Schulen in der Türkei zu eröffnen, den Weg zur Freiheit zu zeigen, statt eine Sekte mit der anderen zu bedrängen, nur die Freiheit es zu tun, sollte es geben.
Mehr Philhellenismus täte Europa gerade jetzt gut. Während Deutschland Milliardenüberschüsse an Steuern verteilt, wäre es klüger gestaltend über einen nötigen Schuldenerlass zu verhandeln, bevor es zum Konkurs kommt, der alle schwerer treffen würde, die heute noch hoffen die Griechen erziehen zu können. Wer nun einen Marshallplan für Griechenland verhandelt und sich dabei an die Spitze einer Bewegung stellt, die sich auf die Wurzeln unserer Kultur besinnt, kann noch gestalten und in die Zukunft wirken, wer hart bleibt, verhärtet nur die Fronten, statt zu gestalten. So gesehen käme Gabriels Vorschlag eigentlich zur rechten Zeit, leider kommt er nur mal wieder zu unabgestimmt vom Falschen und wird diesem keinen Gewinn bringen wohl. In Deutschland macht sich keiner Freunde, der ohne eine breitere philhellenische Bewegung sich für einen Erlass einsetzt, so vernünftig er ist und wie gut er unserer Wirtschaft auch täte, wenn er an einen durchdachten Plan gebunden wäre, denn ein Erlass an sich, schafft noch keine Werte.
Es gibt gute Gründe nun für Griechenland zu sein, sich der Wurzeln unserer Kultur zu erinnern, die wir brauchen, wenn wir die Zukunft auch geistig gestalten wollen, weil der alte Aberglaube keine Antworten für immer mehr Menschen gibt und Europa ist, was es ist, weil die Griechen in der Antike davon zu erzählen anfingen und über Republik und Demokratie nachdachten. Dieser Geist kam nach Mitteleuropa wieder in der Renaissance nachdem Europa die letzten Byzantiner allein und untergehen lassen hatte. Es gab ihn immer auch im lange griechisch besiedelten Sizilien mit seiner vielfältigen und reichen Kultur, die Kaiser wie Friedrich II. prägten. Nicht umsonst zog die Idee der Wiedergeburt der Antike von Italien aus seine Kreise durch Europa, das über Jahrhunderte im engen Dogmenkorsett der christlichen Sekte nur dahingedämmert hatte.
So besteht ein Zusammenhang vom Fortbestehen der Renaissance, von der ich gestern schrieb, und dem Philhellenismus, gestern wie heute und es täte Europa besser sich auf seine echten historischen Wurzeln zu besinnen, statt die nachträglich aufgesetzten, der christlichen Sekte reanimieren zu wollen. Die zeitgemäße Antwort auf eine Bedrohung durch religiösen und ideologischen Fanatismus ist nicht die Reanimation des Christentums in Europa, im Gegenteil, es braucht eine Rückkehr zu den griechischen Wurzeln des Abendlandes, die philosophisch damit oft atheistisch aber darum frei und stark waren. Europa sollte sich für Griechenland stark machen und dafür das Konstantinopel eine europäische Stadt ist, Sparta zur europäisch-griechischen Kultur gehört.
Alles andere ist Verhandlungssache und kann, wenn wir uns unserer Wurzeln bewusst sind, leicht erreicht werden. Die Türkei will nach Europa, soll sie sich doch darum bemühen und zeigen, dass sie dort hin passt. Europa steht zuerst auf griechischen geistigen Wurzeln und es ist unseren Verfassungen heute ein Epikur näher als ein Platon oder Aristoteles, welche die Sekte nur zu ihren Zwecken benutzte, weil sie dogmatisch genug waren. Die Kolonialisierung der griechischen Gebiete in der heutigen Türkei durch die arabische Sekte war so unrechtmäßig wie die Europas in Amerika, Afrika oder Asien und es ist Zeit, dass dies Geschichte wird und sich jemand traut, es so zu nennen. Die Vertreibung und Ermordung der Pontos-Griechen Anfang des Jahrhunderts durch Jungtürken, wie die Massaker an christlichen Armeniern dürfen so wenig vergessen werden, wie die der Deutschen an den Juden.
Verantwortlich die Zukunft gestalten, heißt, sich seiner Wurzeln bewusst zu sein und in ihrem Schatten zu wirken. Weiß immer noch nicht, ob jeder Grieche eine Griechin sucht oder manche Griechen und Griechinnen auch, wie sie vielfach nach der osmanischen Vertreibung mussten, mit anderen Europäern glücklich werden konnten, aber die Möglichkeit zu haben, in einem einheitlichen europäischen Kulturraum unabhängig vom jeweiligen zufälligen Aberglauben frei leben zu dürfen, sollte das Ziel sein. Europa braucht keine festen Grenzen sondern eine starke Kultur, die sich durch ihre Überlegenheit in Freiheit durchsetzt, weil alles, was andere diskriminiert, keinen Anspruch auf Bestand hat und das gerade Aufblühen des fundamentalistischen Islam vor seinem Verschwinden im Orkus der Geschichte ist nur die letzte Zuckung einer Totgeburt und keine furchterregende Perspektive. Weniger Angst vor dem Aberglauben und mehr Vertrauen in die Vernunft hilft. Gegen Dummheit und Verblendung helfen nur Aufklärung und Geduld. Noch nie trug Aberglauben je zur Aufklärung bei, die immer noch heißt, sich aus selbstverschuldeter Unmündigkeit zu befreien.
jens tuengerthal 7.5.2016
Vorleselust
Liebe es dir vorzulesen
Ob vor der Lust
Oder befriedigt danach
Ist weniger wichtig
Als die geteilte Lust
Am geschriebenen Wort
Den gebundenen Druck
Lustvoll lebendig werden
Zu lassen miteinander
Ist das schönste Vorspiel
Wie das zarteste Echo
Der Liebe im Zuhören
Möchte dir vorlesen
Wenn du in der Wanne
Nackt entspannt lauschst
Mit Worten dich erregen
Die Bücherliebe teilen
Wenig ersehne ich so
Wie die vorzulesen
Außer deinen Körper
Dabei ganz nah spüren
jens tuengerthal 7.5.2016
Freitag, 6. Mai 2016
Kulturgeschichten 0214
Womit die Renaissance begann wird manchmal noch gestritten. Sicher ist, die Wiederentdeckung des Lukrez durch Proggio Braccolini, den ehemaligen Sekretär des gerade auf dem Konzil zu Konstanz abgesetzten Papst, im Jahre 1417 war einer der zündenden Funken, die den Geist des Aufbruchs, der den Menschen in den Mittelpunkt stellte, zünden ließ. Aber wäre Braccolini nicht längst vom Geist der Renaissance getrieben gewesen, nie hätte er sich aufgemacht um im kalten Deutschland nach alten lateinischen Texten zu suchen, für diese Leidenschaft der Entdeckung viel zu riskieren.
Der Text des Lukrez mit dem schlichten Titel de rerum natura findet sich später in einigen der berühmtesten Gemälde und Texte der Renaissance wieder, die nach der dunkel eher religiös geprägten Zeit des Mittelalters wieder zum Licht des Wissens aufbrach, suchte und das Leben lieben lernte, es nicht nur als eine Vorstufe des Himmels verachtete, die wir hinter uns bringen müssen.
Renaissance heißt Wiedergeburt und so ist jene Epoche zwischen dem 15. Und 16. Jahrhundert, die sich von Italien nach Europa verbreitete auch eine der Wiedergeburt der Antike, zu der sich die Kunst und das Denken voller Bewunderung hinwenden, nachdem kluge Köpfe zu erkennen begannen in welch enge Sackgasse sie der christliche Dogmatismus des Mittelalters gebracht haben, der sich in wenig vom heutigen Islamismus unterscheidet. In der Inquisition ähnliche Methoden anwandte, wie die heute so verurteilten Kämpfer des IS.
Wichtig und neu gegenüber dem Mittelalter, das auch schon teils antike Texte studierte, war die Hinwendung zum Humanismus in der Renaissance, der sich vom Menschen, der plötzlich im Mittelpunkt stand, bis zum Staatswesen erstreckte, das sich an antiken auch demokratischen Vobildern orientierte, statt der christlich schlicht gottgewollten Ordnung, die nur akzeptiert wurde. In Nordeuropa wird der Epochenbegriff der Renaissance von dem der Reformation überlagert, die statt gebildeter freier Geister auf den Spuren der Antike einen fluchenden, antisemitischen Mönch namens Luther in den Mittelpunkt stellte, warum im Norden zwar manche Kirchen lichter wurden aber nur wenige Geister, auch wenn die Reformation wie die Renaissance die Freiheit beförderten und von ihr sprachen.
Als große Künstler der Renaissance gelten Leonardo da Vinci, dessen vermessener Mensch quasi zum Sinnbild der Epoche wurde, Tizian, Donatello sowie der Deutsche Albrecht Dürer besonders nach seiner Reise nach Italien. Auch dazu gehören bedeutende Schriftsteller wie Dante, Shakespeare oder Denker wie Machiavelli und Erasmus von Rotterdam. In der Musik brach Orlando di Lasso in neue Tonwelten auf mit Mehrstimmigkeit und neuen Harmonien.
Erstmals benutzt hat den Begriff Renaissance übrigens der Maler und Künstlerbiograph Giogio Vasari, um die Überwindung der mittelalterlichen Kunst zu bezeichnen. Er unterscheidet drei Zeitalter, die glanzvolle griechisch-römische Antike, deren Verfall im christlichen Mittelalter und schließlich das Wiederaufleben der Antike und ihres Geistes in den Künsten im ausgehenden Mittelalter ab 1250.
Dieses neue freiere Denken entstand auch deshalb in Italien zuerst, weil es von seiner sozialen Struktur her dem Ideal der Antike mehr entsprach. Es gab keinen einheitlichen Staat oder ein Reich, sondern viele mächtige Städte in denen als Republiken relative Freiheit herrschte, auch wenn wir diese Städte unter der Herrschaft der reichsten Familien eher als Oligarchien bezeichnen würden. Nach Italien waren die letzten griechischen Philosophen und byzantinischen Denker mit ihren antiken Texten geflüchtet als Konstantinopel von den Mauren erobert wurde, auch dort lag die Saat des Aufbruchs in den vielen Flüchtlingen, die einen neuen Geist brachten, dem das mittelalterliche Italien zurück zu seinen Wurzeln folgte.
Manche meinen, die Pest und die durch sie erzwungene Konzentration auf das weltliche Leben und seine Bedürfnisse hätte den Aufbruch im Denken bewirkt. Sicher hat die Pest das Zusammenleben der Menschen verändert, wie sich in Bocaccios Decameron wunderbar nachlesen lässt, doch warum eine Krankheit die Hinwendung zur Antike begründen soll und ihrem freieren Leben, ist nicht ersichtlich. Vor allem wirkte die Pest als Pandemie in ganz Europa und nicht nur oder zuerst in Italien. Doch eine gewisse Auswirkung ist vermutlich auch nicht völlig von der Hand zu weisen. Vermutlich also gab es eine Summe von Gründen, mit denen erst die Renaissance als Epoche begann.
Einer der entscheidenden Vorreiter war der Dichter Francesco Petrarca gewesen, der den Humanismus als Geistesbewegung förderte. Er hat durch seine ausgiebige Beschäftigung mit den Schriftstellern der Antike und seinen Individualismus, den Glauben an den Wert humanistischer Bildung gefördert. Das Studium der Literatur und Philosophie war endlich außerhalb des nur religiösen Zusammenhangs möglich. Das theozentrische Weltbild mit dem erfundenen Gott im Mittelpunkt des Mittelalters wurde durch das anthropozentrische ersetzt.
Es könnte nun noch ewig weiter vom Geist der Renaissance geschwärmt werden und wie er Europa veränderte nach dem düster fundamentalistischen Mittelalter, das zwar auch lichte Momente hatte, aber in der Tendenz gottesfürchtig und unmenschlich blieb. Doch ging es heute weniger um den Anfang als das Ende dieser Epoche, die Europa wieder zu dem machte, was es heute sein sollte, wenn es sich nicht in nationalen Taumel engstirnig flüchtete und wenn es denn je endete.
Es endete als Epoche, die sich der Freiheit zuwandte, kriegerisch und dieser Ausbruch der Gewalt, dem es heute zu gedenken gilt, ist so typisch als Gegenbild der Renaissance, nicht wirklich beabsichtigt, halt passiert, weil die Umstände so waren, wie später der eigentlich verantwortliche Karl V. erklären lies.
Die Rede ist vom Sacco di Roma, der am 6. Mai 1527 stattfand und bei dem Rom durch kaiserliche Truppen unter Führung von Charles III. de Bourbon-Montpensier geplündert wurde. Darunter waren deutsche Landsknechte und spanische sowie italienische Söldner. Dieses Ereignis wird als das Ende der italienischen Renaissance bewertet, der Wiederaufbau wurde schon manieristisch. Papst Clemens VII. konnte zwar gerade noch über den Passetto di Borgo in die Engelsburg fliehen, wurde jedoch von kaiserlichen Truppen unter Kommando eines deutschen Söldners wochenlang belagert.
Angefangen hatte es mit dem Streit zwischen Karl V. und Franz I. von Frankreich um die Vorherrschaft in Oberitalien. Papst Clemens versuchte daraus Vorteil für die Kirche zu schlagen und verlangte nach der vernichtenden Niederlage der Franzosen das Herzogtum Mailand für sich, sobald es wieder französich sei, dafür trat Clemens dann aus der Allianz mit Karl V. aus und klagte diesen des ungerechtfertigten Krieges gegen seinen christlichen Mitbruder an, was für den Römischen Kaiser Karl sehr ärgerlich war. Nachdem Karl erfolglos Marseille belagert hatte, drängten ihn die Franzosen bis Pavia zurück, wo es zur Entscheidungsschlacht kam, bei der Franz I. gefangen wurde. Mit wem auch immer der erdachte Gott bei dieser Schlacht war, den Verbündeten seines angemaßten Stellvertreters prüfte er eher als ihn zu unterstützen.
Während seiner Gefangenschaft unterschrieb Franz den Friedensvertrag von Madrid, in dem er auf alle Fürstentümer Norditaliens verzichtete. Nach einem Appell an seine ritterliche Ehre, entließ Karl den Franz wieder aus der Gefangenschaft, auch wenn seine Berater ihm dringend davon abrieten. Und kaum wieder frei verkündete Franz der Vertrag sei ungültig und er habe ihn nur in größter Angst um sein Leben unterzeichnet. Daraufhin erteilte ihm sein Verbündeter Papst Clemens die Absolution, so dass der Friede von Madrid als nichtig galt.
Um die zu große Macht Karl V, dem König Spaniens und Kaiser des Reiches, in dem die Sonne nie unterging, zu beschränken, gründete sich nun Heilige Liga von Cognac, der außer Franz und dem Papst noch Francesco Sforza als Herzog von Mailand und die Republik Venedig angehörten. Bei Karls Truppen sorgten zugleich mehrere Probleme, die sich ergänzten, für Unruhe. Die wegen Ungültigkeit des Vertrages von Madrid nicht erlangten Herzogtümer Oberitaliens, die zur Finanzierung der Söldner dienen sollten, der Konflikt zwischen Lutheranern und Katholiken innerhalb Deutschlands sorgte für zusätzlichen Zündstoff. Dazu kam der jahrelange Kampf gegen den Papst, der immer indirekt blieb und den sie nicht direkt angreifen durften und der für Unmut bei den Söldnern sorgte.
Diese waren seit der Schlacht von Pavia nicht mehr bezahlt worden, mussten sich selbst versorgen und aufgrund der also brisanten Lage kam es zu einem Söldneraufstand, bei dem dann zusätzlich noch der deutsche Söldnerführer Georg von Frundsberg einen Schlagfall erlitt. Die nun von Charles Bourbon angeführten aber nicht gezügelten Truppen zogen zuerst gen Florenz, um sich dort zu versorgen und zu entschädigen. Florenz aber wurde von einer Armee der Liga gehalten, so dass sich die Söldner statt der schnellen Sättigung und Befriedigung auf die Belagerung verlagern mussten. Der Mangel an Nahrungsmitteln in den umliegenden Landsitzen führte dazu, dass die Unruhe in der Truppe wieder stieg und diese beschlossen, sich nun beim Papst selbst unschädlich zu halten und nach Rom zogen.
Papst Clemens versuchte vergeblich vorab noch Charles Bourbon mit hohen Summen zu bestechen, die dieser jedoch weder annahm, noch hätten sie überhaupt Wirkung gezeigt, da das Söldnerheer auf keinen Anführer mehr hörte, hungernd und unbezahlt. Am 4, Mai 1527 erreichten die Söldner die Ländereien von Rom und setzten am 6. Mai zur Erstürmung an. Die wenigen in Rom befindlichen Truppen konnten dem Ansturm nichts entgegensetzen und so waren die Söldner schon am Vormittag in der Stadt. Der Herzog von Bourbon war beim Ansturm getötet worden und so waren die Truppen vollends führerlos und sich selbst überlassen. Ein Großteil der Schweizer Garde, 147 von 189 Mann stellte sich den Söldnern auf dem Petersplatz entgegen, um den Papst zu schützen, sie fielen bei der Verteidigung alle. Mit den übrigen 42 Schweizern war der Papst in die Engelsburg geflohen, die von den Söldnern belagert wurde.
Ohne einen Anführer geriet die kriegsübliche Plünderung außer Kontrolle und die Söldner raubten, töteten, folterten und vergewaltigten nach Belieben. Es wurden Kirchen, Paläste, Krankenhäuser sowie der Vatikan geplündert. Edelleute und Kleriker mussten enorme Summen an Lösegeld bezahlen und besonders lutheranische Söldner taten sich in der Demütigung kirchlicher Würdenträger hervor. Über 90% der Goldschätze Roms wurden geraubt und mit jedem Erfolg wurden weitere Söldner angestachelt. Der Wert der Beute wird auf über 10 Millionen Dukaten geschätzt.
Nach mehrwöchiger Belagerung kapitulierte auch der Papst und musste 400.000 Dukaten Lösegeld zahlen. Erst am 6. Dezember wurde die belagerte Engelsburg wieder freigegeben. Karl geriet des Verhaltens seiner Söldner wegen in die Kritik. So warf ihm die Liga vor, die Plünderungen geduldet oder angeordnet zu haben, was er zurückwies. In seinen Erinnerungen schrieb er, dass die Hauptverantwortung dafür nicht bei ihm läge, sondern bei denen, die ihn zwangen eine so große Armee bereit zu halten, die sich eben schwer in Zaum halten ließe. Dennoch war ihm die Besetzung Roms sehr recht, um seine eigenen Machtinteressen wie die Segnung seiner Kaiserwürde durch den Papst durchzusetzen. Im Frieden von Barcelona einigte sich Karl mit dem Papst auf einen Frieden, für den der Papst zahlreiche Herzogtümer und Karl die päpstlich gesegnete Kaiserwürde erhielt. Es dauerte dann noch bis 1529, bis sich Karl und Franz im Damenfrieden einigten. Da beide nicht direkt miteinander verhandeln wollten, taten dies Franz Mutter, Louise von Savoyen und Karls Tante Margarete von Savoyen, da Karls Mutter Johanna ja als eher wahnsinnig galt nach dem Tod ihres geliebten Mannes des schönen Philipp. Karl wurde sodann an seinem Geburstag am 24. Februar 1530 von Papst Clemens zum Kaiser gekrönt.
Die noch in Rom verbliebene Armee reduzierte sich im Laufe des Jahres wie die Bevökerung durch Seuchen um jeweils die Hälfte. Nach Soldzahlung und Einsetzung neuer Führer zogen sie schließlich im Februar 1528 endlich ab. Noch heute gedenken die Römer der damals gefallenen Schweizer, auch wenn sie zahlenmäßig besser der Hälfte ihrer Bevölkerung gedächten, wäre der Einzelne wichtiger als der Aberglaube.
So endete die Renaissance als Kunstepoche in Rom durch die Brutalität der Söldner. Den einmal freigelassenen Geist konnten sie zum Glück nie wieder einfangen, der sich zu fragen begann, warum es Götter und höhere Wesen geben soll, worum es im Leben geht und was uns glücklich macht, statt, was ist, als gegeben hinzunehmen, wurde nun kritisch gedacht in Europa und so ist, sehen wir von den Wirren der Religionskriege ab, die eben ein kleiner Schritt zurück ins Mittelalter waren, wie wir es in der islamischen Welt derzeit mit dem Islamismus erleben, dem es auch um die wahre Lehre geht, der Weg zur Aufklärung und folgend zum Atheismus nur folgerichtig und logisch, auch wenn manche noch länger brauchen, zu erkennen, was Friedrich der Große schon als Kronprinz vor über 250 Jahren beschrieb. Es braucht der Mensch keine Götter, um glücklich zu sein, seinem Wesen nach, kann er sich frei davon machen. Wer mit Göttern glücklich ist, soll dies sein, wie mit Engeln und Teufeln oder dem Spagettimonster, der Unterschied ist nur ein gradueller, was als wahr gilt, ist nur eine Frage der Macht
Der Weg, den die Renaissance begann und den Kant in der Aufklärung konsequent weiter ging, ist einer zur Freiheit und zum selbstbestimmten Leben, in dem wir nach unserem Gewissen autonom entscheiden, es keine höheren Ratgeber oder Entscheider mehr braucht. Freuen wir uns an dieser Freiheit und würdigen wir sie, so heißt das Abendland in seiner Kultur retten wollen, die Freiheit verteidigen, ohne Götter zu sein und nur seinem Gewissen verantwortlich, wie es in der Renaissance wieder von der Antike gelernt wurde. Der Mensch steht im Mittelpunkt des Humanismus, nicht weil er über allem wäre, sondern weil er alles ist, was wir erkennen können. Max Stirner schrieb in seinem Einzigen, er habe seine Welt auf sich gestellt, mehr können wir uns ausdenken, wenn es uns gefällt, wir müssen es aber nicht mehr, sondern können einfach genießen, was ist. Glück genug für ein Leben wohl, denke ich und bemühe mich darum, glücklich zu sein, mehr nicht.
jens tuengerthal 6.5.2016
Hinter dir
Hinter dir stehen
Voller Lust und mit
Leidenschaft spüren
Wie sich meine Mitte
Zu deiner hin aufstellt
Die mich feuchtfröhlich
Einfach doppelt erwartet
Um von dir dann ganz
Umschlossen zu werden
Macht nur unten was oben
Viel größer noch ist und so
Stehe ich überall hinter dir
Was zählt auch sonst
Als zu wissen
Was auch kommmt
Hinter mir steht einer
Mit Lust und Liebe
jens tuengerthal 6.5.2016
Maisonnig
Die Sonne scheint
Aus himmelblau hinab
Möchte mit dir lieber
In der Sonne sitzen
Um Frühlingsglück
Ganz zu teilen
Lieber noch dich
Egal wo in der Sonne
Lieben als wären wir
Allein in unserer Welt
Nackt umhertanzen
Dich nackter umarmen
Dem Gefühl folgen
Was mich wieder
Mittig wachsen lässt
Zu dir wie in dich wie
Überhaupt ineinander
Frühling halt
Liebeszeit
jens tuengerthal 6.5.2016
Donnerstag, 5. Mai 2016
Kulturgeschichten 0213
Deutsche sind höchstens bis zur Mittagspause revolutionär, nie jedoch länger als bis zum Jahresurlaub dabei, außer es ist ein Revolutions-Camp mit Outdoor-Expirience, für das Erfahrung als nur deutsche Beschreibung nicht mehr genügt. Auch die Märzrevolution von 1848 schlief über den Sommer wieder ein und der Leipziger Versuch der Reanimation des revolutionären deutschen Geistes zeugte, davon, dass dieser auch unter russischer Führung nicht länger hielt als drei Tage - ob es dann die Nähe zu Frankreich war, die in Baden das Revolutionstheater noch einen Akt länger auf der Feste Rastatt aufführen ließ oder schlicht deren bessere Lage, könnte wohl gestritten werden, hätte einer der beiden Aufstände irgendetwas gebracht als noch mehr Repression unter Preußens Führung.
Bis 1918 dauerte es, dass sich die deutschen nach vier Jahren Krieg, völlig ausgebrannt zur Revolution erhoben, die von den Matrosen initiiert, sich bald wieder in eine neue Ordnung verflüchtigte. Nur die Bayern waren noch etwas allerdings ebenso wirkungslos aufständisch, es hat sich also in den nächsten bald hundert Jahren eigentlich nichts geändert. Der 9. November 1918 ist aus vielen Gründen kein guter Gedenktag im Land, um den Mut zu feiern, sich zur Republik zu machen, die Freiheit vom Adel zu nehmen. So übergehen wir ihn, auch wenn die einzige Revolution, die wirksam blieb 1989 dort auch ein wichtiges Gedenken hätte, als sich die Deutschland teilende Mauer öffnete. Aber auch nur über diesen Tag nachzudenken, die Revolution im Osten zu ehren, an dem von oben herab die Grenzöffnung aus Versehen eher diktiert wurde, zeigt die Wurzeln des revolutionären Geistes in Deutschland.
Mit Revolution und ihrem Gedenken haben es die Deutschen nicht so. Die revolutionären Mai-Garden in Berlin, die weitgehend harmlos wurden, werden von der Bevölkerung mehrheitlich als Schwachköpfe bezeichnet und Gewalttäter, weil Revolution Unordnung bringt und das will keiner in Deutschland verantworten, wo es uns doch so gut geht. Rechtsradikale Revolutionäre nennen ihrem Aufbruch lieber Spaziergang, auch wenn es um nichts als rassistische Propaganda geht und ihre Normalisierung, eine Revolution von Rechts, finanziert durch Russland. Doch haben die Strategen der rechten Gegner der Demokratie inzwischen bemerkt, wo sie als besorgte Bürger auftauchen, die nur ihre Heimat verteidigen, finden sie Zuspruch und Zustimmung, als Revolutionäre werden sie Staatsfeinde.
Die geschickt gestreute Befürchtung, Flüchtlinge könnten die deutsche Ordnung durcheinanderbringen, nicht nur kosten sondern vielleicht sogar im gleichen Haus arabisch kochen, haben genügt, den Unwillen von fast ⅓ der latent fremdenfeindlichen deutschen Bevölkerung zu wecken. Zumindest da ähneln wir den französischen Nachbarn, bei denen die Rechten ähnlich stark sind, breite ungebildete Schichten das Abendland gegen den Islam verteidigen wollen, von dem sie nicht mal wissen, was es einmal war.
Doch gleichen wir uns wirklich?
In Frankreich bricht die Wut kurz aus, wenn die Suppe überkocht, zuvor lange genug gegärt hat, dann gibt es Aufstände und einige brennende Autos oder Barrikaden und dann geht es den gewohnten Gang und die Bevölkerung verehrt die mutigen Revolutionäre, sein sie nun Bauern, die für eher feudale Privilegien der Alimentierung kämpfen, die eigentlich asozial sind, kritisch betrachtet, oder die Schaffner, die ihre bevorzugte Stellung verteidigen im unterfinanzierten aber relativ stabilen Sozialstaat, mit dem sich alle abgefunden haben inzwischen.
Seltener bricht die Wut bei den wirklich Benachteiligten aus, die in den Banlieues leben, keine Chance haben, nichts zu verlieren hätten und doch mit dem wenigen, dass sie haben relativ achtsam sind, wenn sie sich nicht als fanatische Religiöse gleich selbst in die Luft sprengen, was aber mehr Belgier taten als Franzosen und gemessen an der Zahl derer dort eine zu kleine Menge ist, sie statistisch überhaupt als wirksam berücksichtigen zu können. Ihnen fehlt aber scheinbar der revolutionäre Geist, den die Franzosen als edel betrachten, weil er Teil ihrer Geschichte ist, die sie mit Stolz betrachten und die am 5. Mai 1789 mit der Einberufung der Generalstände durch Ludwig XVI. ihren Anfang nahm, da der König Geld brauchte und daraus entwickelte sich schließlich jener Sturm auf die Bastille, den alle Franzosen kennen und Stolz Teil ihrer Geschichte nennen.
Bis dahin waren sie ein absolutistischer Einheitsstaat geworden nachdem ein Hugenotte, der katholisch wurde auf dem Thron, ich meine Henry IV., aber das wissen die geneigten Leserinnen vermutlich längst, den Aufstand der Hugenotten im Südwesten vor allem befriedet hatte, bis sie sein Enkel wiederum vertrieb, um keine Zweifel an seiner absoluten Gott gewollten Macht zuzulassen.
Vielleicht - das als kleiner Exkurs zwischendurch, weil der Gedanke gerade so nahe liegt - war die Begründung als gottgewollt genau das Problem. Es hatte die Abhängigkeit von der Institution geschaffen, die mit diesem erdachten höheren Wesen offiziell kommunizierte und so stritten sich alle freien Geister mit dieser autoritären Dogmenverwaltung in Rom. Die Merowinger noch hatten darauf verzichtet und ihre Herrschaft aus dem Geblütsrecht abgeleitet, die kein höheres Wesen brauchte, auch wenn sie nach ihrer Familiensaga von Maria Magdalena irgendwie abstammten und damit eigentlich doch eine göttliche Legitimatiion irgendwie hatte, wurde diese erst später erdachte Sage auch nur als Ausschmückung und Verzierung betrachtet, sie war nicht der Grund der Herrschaft, womit auch die Kirche sie nicht segnen musste, um legitim zu sein.
Das führte erst der erste Karolinger Pippin der Jüngere ein, der begründen wollte, warum seine Herrschaft legitim war und er den Merowingern ihre wegnehmen durfte. Dazu ließ er sich vom Papst segnen und nach sakralem, israelischen Vorbild zum König salben. Seit dieser Salbung enthalten alle fränkischen Königsurkunden die Formel dei gratia - von Gottes Gnade. Die Idee vom Gottesgnadentum hatte Augustinus von Hippo in seinem Gottesstaat mit dem gerechten König schon angelegt. Karl der Große führte diese durch seinen Vater leichtsinnig nach Rom verlagerte Begründung seiner Herrschaft fort und erweiterte dies mit der Erlangung der Kaiserwürde sogar noch. Der große Otto ließ die dei gratia Formel dann 936 ins Königssiegel einfügen. Auch der Krönungseid der deutschen Könige beginnt mir der Formel, “Wir durch Gunst der göttlichen Gnade König der Römer …” - diese christliche Begründung der Herrschaft findet im Neuen Testament ihre Begründung, dort schreibt Paulus im Brief an die Römer, Röm 13, 1-7, dass jede staatliche Gewalt von Gott verliehen sei und Widerstand gegen diese Gewalt, Widerstand gegen Gott sei.
Aus dem Gottesgnadentum resultierten auch die stärksten Konflikte zwischen den römischen Sektenbeauftragten genannt Papst und den salischen und staufischen Kaisern. Heinrich IV. der einst nach Canossa kroch, um wieder in Gnade in den Schoss der Kirche aufgenommen zu werden, konnte davon ebenso ein Lied singen wie der Staufer Friedrich II., der nicht nur seiner kritischen Intelligenz wegen stupor mundi, das Staunen der Welt, genannt wurde. Es ging immer darum, ob der Kaiser einen eigenen Herrschaftsanspruch hatte oder dieser immer nur ein vom Papst abgeleiteter war, sich die Gottesgnade nur aus der Segnung durch den Papst ergab und dieser seinen Segen auch nach Belieben entziehen konnte, wenn es nicht so lief, wie er es sich vorstellte. Was Friedrich II. erfahren durfte, als er gerade zur Versöhnung zum Kreuzzug für den Papst aufbrechen wollte, der ihn wegen jahrelanger Verzögerung dieses Versprechens längst mal wieder aus der Sekte geworfen hatte, dieser ihm keine Gnade und er ironischerweise exkommuniziert den einzig erfolgreichen Kreuzzug durch Verhandlungen zum Ziel führte und so, als aus der Kirche ausgestoßener, zum König von Jerusalem gekürt wurde. Sie einigten sich dann später doch noch, um sich gleich mit den Erben wieder über Sizilien zu überwerfen, aber das wäre eine andere Geschichte. Spannend nur, dass der erfolgreichste Beweis des Gottesgnadentums, der Kreuzzug gen Jerusalem, nur ein einziges mal alle Ziele erreichte, als der zuständige König vorher aus der Kirche geworfen worden war, also eigentlich ohne Gottes Gnade unterwegs war.
Mit dem Gottesgnadentum blieb es in Frankreich so bis zur Revolution und im Heiligen Römischen Reich, das Deutschland zu großen Teilen war, waren die Kaiser auch stets von Gottes Gnaden, woran auch die Reformation nichts änderte. Luther, einmal nach dem Reichstag zu Worms für vorgelfrei erklärt, von seinem Kurfürst durch Entführung gerettet und auf der Wartburg versteckt, kannte keine Solidarität mit den aufständischen Bauern, die meist Protestanten waren, im Gegenteil, er begründete sogar jede Gewalt mit dem obigen Römerbrief.
Am 5. Mai 1525 distanzierte sich Martin Luther in seiner Schrift “Wider die Mordischen und Reuberischen Rotten der Bawren” ausdrücklich von deren Gewaltanwendung nach Weinsberger Bluttat. Wörtlich heißt es: „man soll sie zerschmeißen, würgen, stechen, heimlich und öffentlich, wer da kann, wie man einen tollen Hund erschlagen muss“.
Schon vorher hatte die Fürsten, bei denen Luthers Wort etwas galt, ihre Aktivitäten verstärkt. Zum Zeitpunkt der Publikation des Werkes war die Niederlage der Bauern bereits absehbar, er weckte schlafende Hunde und bestärkte nur den längst eingeschlagenen Weg, zeigte sich als Adelsbüttel ohne jede Solidarität.
Die Weinsberger Bluttat war die Tötung der Grafen Ludwig von Helfenstein und seiner Begleiter vor den Toren der Stadt Weinsberg durch Bauern im Deutschen Bauernkrieg am 16. April 1525, einem Ostersonntag.
Während in Paris 1789 der Dritte Stand in den am 5. Mai 1789 einberufenen Generalstände mit dem Grafen Mirabeau einen Sprecher aus den Reihen des Adels, auch wenn dieser von seinem Vater schon lange verfolgt wurde und wegen Ehebruchs zum Tode verurteilt worden war, zählte er doch nicht zum Dritten Stand wurde aber mit dessen Stimmen zum Präsidenten der Nationalversammlung gewählt, die sich am 17. Juni aus den Generalständen heraus gründete, stellte sich in Deutschland 260 Jahre früher sogar der Reformator Luther gegen die aufständischen Bauern auf Seiten des Adels.
Die französische Nationalversammlung hatte das Ziel eine Verfassung für Frankreich zu erlassen und aus Geldnot, die auch zur Einberufung der Generalstände geführt hatte, musste Ludwig XVI. dem zustimmen, was dann im weiteren zur Revolution und dem Sturm auf die Bastille führte, mit der das alte Regime in Frankreich beseitigt wurde, was die Franzosen noch immer mit Stolz feiern als Gründungstag ihrer Republik, die sie selbst erkämpften, während Deutschland dem Reformator gedenkt, der sich sofort auf die Seiten des Adels schlug, auch wenn die Weinsberger Vorgänge sogar unter den Bauern umstritten waren.
Ob dies den Geist beider Völker prägte, wäre wohl der Frage wert, zumindest erklärt es den unterschiedlichen Umgang mit Aufständen, Demonstranten und Streiks. Frankreich feiert sie als Helden des Wiederstandes während in Deutschland eher hinterfragt wird, warum sie nicht ordentlich arbeiten und sich anmaßen, die Ruhe zu stören.
Der Westen bekam die Freiheit nach dem Krieg von den Alliierten oktruiert, beaufsichtigt eingeführt, bis genug Selbständigkeit zugetraut wurde. Der Osten musste sie sich 1989 erkämpfen und bekam dann die Verfassung des diktierten Grundgesetzes. Dies ist die freiheitlichste Verfassung, die Deutschland je hatte, aber sie wurde nie erkämpft, um sie hat das Volk nicht gerungen, zumindest nicht gefühlt. Sie hat sie nach dem erlittenen Krieg, den sie selbst verursachten unter dem Führer, den sie wählten, geschenkt bekommen. Das ist eine grundsätzlich andere Haltung zur Freiheit als beim Nachbarn im Westen, der sich einst die Freiheit erstritt und auch im II. Weltkrieg sich gegen das Hitlerregime, mit dem auch manche kollaborierten, wieder gefühlt erkämpft, während es in Deutschland Jahrzehnte dauerte dem Widerstand gegen Hitler hier Anerkennung zu geben.
Vielleicht sind die Auswüchse von Pegida und die naiven Wähler des AfD darum kritischer zu sehen, als die entsprechenden Bewegungen in anderen europäischen Ländern, weil die Deutschen sich nie ihre Freiheit erkämpften, wenn sie jetzt, wie in Dresden und Leipzig auf die Straße gehen, tun sie das aus Sorge um ihren Wohlstand und ihre Ruhe, was auch das populistische Wahlprogramm des AfD gut wiederspiegelt. Es geht nicht um Perspektiven und die Zukunft, werden keine Lösungen gesucht, sondern es wird polarisiert und Angst verbreitet. Das macht der Front National in Frankreich ähnlich und auch die FPÖ spielt auf dem gleichen Instrument, doch darauf achten, dass Deutschland einen Reformator ehrt, der dazu aufrief, die Bauern wie tollwütige Hunde zu behandeln und umzubringen, weil sie ihre Rechte einforderten und mit dem Adel, der Gott gewollt für Luther war, umging, wie dieser schon lange ohne Aufschrei mit dem Volk, könnte helfen ein Bewusstsein für die Strukturen der Macht im Land zu bekommen und den Umgang des Volkes mit ihr.
Deutschland fürchtet sich mehr um seine Sicherheit und Ruhe als um seine Freiheit und hat in der Geschichte noch nicht bewiesen, dass es selbst für die Freiheit aufsteht. Ob es bei der Wiedervereinigung mehr um Bananen oder den Geist der Freiheit ging, fragte sich mancher schon. Im Gegenteil, eine Volksbewegung rechter Rassisten hatte lange Zeit viel Zulauf, weil sie mit der Angst spielte, der Deutschen Angst zu kurz zu kommen oder nicht genug zu haben. Darauf mehr zu achten, um die Freiheit wieder zu einem Wert im Land zu machen, ist wichtiger als alle Verträge mit der fragwürdigen Türkei. Ob es dies Land dabei schafft auf dem schmalen Grat zwischen Oberlehrer und Vorbild die richtige Seite zu wählen, scheint aus vielen Gründen fraglich, bleiben wir achtsam, es ist nötig und Luther, der auch ein übler Antisemit war, ist kein Vorbild für das heutige Deutschland. Die Reformation brachte im Ergebnis nur Glaubensfreiheit für einige, das große Potential der Freiheit, das in ihr lag, hat sie bis heute im Bewusstsein vieler Deutscher nicht entfaltet und so gesehen ist dies Land weit entfernt davon aufgeklärt zu sein, wie Kant es definierte, es gibt viel zu tun in deutschen Landen.
jens tuengerthal 5.5.2016
Vater unser
Am Vatertag feier ich lieber
Die Mütter wo sie es wurden
Statt mich als solchen durch
Besaufen noch zu blamieren
Noch ist mein Vater nicht
Im Himmel und bis jetzt
Glaube ich nicht es gäbe
So einen Unsinn überhaupt
Ein Himmelfahrtskommando
Ist es jedes Jahr zwischen
Betrunkenen noch zu fahren
Manche Fahrt endet dabei
Glaube an nichts als die Liebe
Und an die glaube ich auch
Eher nicht die spüre ich oder
Nicht dann ist sie nicht da
Sein oder nicht sein ist hier
Ganz real viel wichtiger als
Nur geglaubt darum bete ich
Himmelfahrt lieber Schöße an
So wird jeder Vatertag mir auch
Muttertag oder Frauentag denn
Lieber eine über mir als doch
Allein unter Betrunkenen
Vater längst weiß ich wohl
Zeugen unter Zeugen ist
Unzucht nur weiß ich nicht
Was unzüchtig je sein soll
Feiere also lieber das Delta
Der Venus als den toten Rabbi
Hoffe es macht keiner nach
Damit ich in Ruhe genieße
jens tuengerthal 5.5.2016
Mittwoch, 4. Mai 2016
Kulturgeschichten 0212
Wie wichtig ist die deutsche Sprache für unsere Identität - ist sie das eigentlich einigende Band, wie es im Deutschlandlied einst besungen wurde in ideellen Grenzen einer Nation, die sich erst bilden wollte?
Gerne berufen wir uns auf Karl den Großen, was uns historisch mit unseren westlichen Nachbarn, den Franzosen verbindet, die sogar ihr Land nach seinem Frankrenreich nannten - aber sprach der deutsch oder französisch oder irgendwas dazwischen?
Zur Zeit der Franken und noch lange im Mittelalter und weit über dieses hinaus war Latein die lingua franca, die allen verständlich Umgangssprache. Karl der Große und sein Geschlecht kamen aus der Gegend zwischen Aachen und Luxemburg. Sie werden kaum gesprochen haben, was wir heute hochdeutsch nennen, sondern einen regionalen Dialekt und Hochdeutsch gab es zu dieser Zeit ohnehin nicht - das Mittelalter über wurde noch eher im Mittelhochdeutschen gedichtet, wenn die lokalen Sprachen verwandt wurden und nicht das feinere Latein oder Französisch.
Die Germanen sprachen irgendwelche anderen Dialekten, teilweise von Stamm zu Stamm unterschiedlich - die Schwaben konnten sich nur schlecht mit den Friesen verständigen und dennoch zogen die Friesen Karl Martell quer durch Europa zur Hilfe als der Hausmeier der vorher Merowinger sich von den Mauren aus dem Süden bedroht sah, wie immer sie sich unterwegs verständigten, aber die Friesen sind halt frei und fürchten nichts.
Was wir so Hochdeutsch heute nennen, kam erst mit der Reformation auf und die einheitliche Schreibweise im ganzen Land verdankt sich der Lutherbibel, der ersten deutschen Ausgabe der Vulgata, der lateinischen Bibel, die in deutsch erschien und damit entscheidend den Geist der Reformation zu den Menschen trug, die sich ihren eigenen Weg zu Gott suchen sollten, keines Vermittlers mehr bedurften.
Am 4. Mai 1521 begann jene geheime Kommandoaktion, die Luther auf die Wartburg und den Deutschen damit ihre Hochsprache zumindest in der Schrift brachte. Reden taten sie weiter und tun sie heute noch, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist, ihrem Wesen entsprechend und mühsam nur ist eine Verständigung zwischen Norden und Süden in allen Feinheiten möglich, wenn sie reden, gelesen dagegen sind sie sich seit Luther schnell einig, was da steht. Luther war auf der Heimreise vom Reichstag zu Worms, wo er seine Thesen verteidigt hatte und der Kaiser hatte die Reichsacht gegen ihn verhängt. Er war also quasi vogelfrei und so war die getarnte Entführung in der Nähe von Schloss Altenstein eine echte Schutzhaft im Auftrag des Kurfürsten Friedrichs des Weisen von Sachsen, der längst zu Luthers Anhängern gehörte, sich vom Kaiser nicht den rechten Glauben befehlen lassen wollte.
Luther wurde auf der Wartburg in Thüringen, damals Teil Sachsens, versteckt und hatte dort viel Zeit zu Schreiben. Er machte sich an die Bibelübersetzung, die mit vielen auch neuen Worten, die deutsche Sprache bis heute prägte. Es entstand das lutherdeutsch, das sich mit der neu gedruckten Bibel, die sich dank der genialen Erfindung des Herrn Gutenberg, der eigentlich Gensfleisch hieß, des Druckes mit beweglichen Lettern, rasend schnell verbreitete und damit den Geist der Reformation, der auch einer der Freiheit war, weiter verbreitete.
Die Ausgaben der Lutherbibel wurden teilweise zweisprachig gedruckt, das lateinische oder griechische Original und die Übersetzung Luthers auf gegenüberliegenden Seiten nebeneinander. Dabei verwendeten sie für jede Sprache andere Lettern. Das Deutsche wurde in Fraktur gesetzt, während der klassische Text in Antiqua stand. Welche Sprache nun deutscher sei und welche eher nicht, darüber stritten sich die Deutschen noch jahrhundertelang. Manchmal ging es auch darum. Welche schöner oder was praktischer sei.
Am 4. Mai 1911 lehnte schließlich der Deutsche Reichstag nach heftiger Debatte und jahrelangem auch öffentlichem Streit die Einführung der Antiqua als Amtsschrift anstelle oder auch nur neben der Fraktur ab. Nach Auszählung aller Stimmen stellte sich allerdings die Beschlußunfähigkeit des Parlaments heraus, weshalb der Antiqua-Fraktur-Streit noch bis zum 17. Oktober weitergeht.
Worum ging es dabei?
Es ging bei diesem Streit um den Stellenwert gebrochener Schriften für die Geschriebene deutsche Sprache. Der gesamte Übergang bis die Antiqua die gebrochenen Schriften im Alltag ablöste dauerte über 200 Jahre und war von viel grundsätzlichem Streit begleitet. Noch Mitte des 18. Jahrhunderts wurde deutsche Sprache ausschließlich in gebrochenen Schriften geschrieben. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts waren die gebrochenen Schriften fast völlig aus dem Alltag verschwunden. Die Titelzeile der Frankfurter Allgemeinen bildet bis heute eine der wenigen Ausnahmen. Bei Buch- und sonstigen Druckschriften erfolgte die Ablösung erst allmählich über den gesamten Zeitraum und war modischen Schwankungen unterworfen. Über die Schreibschiften wurde zwar lange gestritten, die tatsächliche Umstellung erfolgte dort erst 1941 durch den Normalschrifterlass.
Als im 15. Jahrhundert die Gotik noch vorherrschende Stilrichtung in Architektur und Kunst war, fand dies typographisch in gebrochenen Schriften wie Textura, Bastarda, Rotunda und gotischer Minuskel seinen Ausdruck. Die sogenannte alte Schrift Antiqua ist dagegen eine neuere Entwicklung aus der Renaissance und dem Humanismus, der sich stilistisch auf die Antike bezog und im Italien des 15. Jahrhunderts seinen Anfang nahm, sich im 16. Jahrhundert in ganz Europa verbreitete. Die Antiqua entwickelte ihre Typographie aus antik-römischen Vorbildern und der für antik gehaltenen karolingischen Minuskel im 15. Jahrhundert um klassische römische Texte neu aufzulegen. Die Antiqua gewann dabei schnell an Bedeutung für alle lateinischen Texte sowie die aus dem lateinischen entwickelten romanischen Sprachen.
Es ist strittig, ob die Schriftfrage bereits mit der Reformation politisiert wurde. Luthers Bibel Übersetzung wurde jedenfalls in der volkstümlichen gebrochenen Schrift Schwabacher gesetzt, um sie für das Volk leichter lesbar zu machen. Bei zweisprachigen Ausgaben standen beide nebeneinander. Damit sollte sich aber auch von der Textura etwa der lateinischen Gutenbergbibel abgesetzt werden und zugleich auch Distanz von der Antiqua der nüchternen Humanisten gesucht werden. Ein deutscher Sonderweg eben, volkstümlich und auf Abgrenzung bedacht.
Am Hof von Kaiser Maximilian I. entstand ab Anfang des 16. Jahrhunderts die Fraktur im eigentlichen Sinne. Sie wurde noch bevorzugt für deutschsprachige Schriften benutzt. Es wurde zu dieser Zeit auch angefangen, Texte zweisprachig zu drucken - das Deutsche in gebrochener Schrift, alle Fremdwörter oder fremdsprachigen Ausdrücke dagegen in Antiqua. Daher stammen im Deutschen die Ausdrücke lateinische und deutsche Schrift. Diese Zweisprachigkeit galt auch für die Schreibschriften. So wurde deutsches in gotischen Kursiven, Kurrentschrift oder Sütterlin geschrieben, während lateinisches in humanistischen Kursiven verfasst wurde.
Beim deutschen Schriftstreit ging es um die Frage, ob Deutsch überhaupt in Antiqua geschrieben werden könne, sowie um die Überwindung der Zweischriftigkeit zugunsten einer einzigen Schrift. In Frankreich und Italien war dieser Streit bereits Anfang des 16. Jahrhunderts zugunsten der Antiqua entschieden worden.
Durch Aufklärung, französische Revolution und Klassizismus wuchs in Deutschland das Interesse an Literatur aus Frankreich und der Antike. Dies förderte die Verbreitung der Antiqua. Ein erster Höhepunkt des Schriftstreites fällt in die Zeit der Besetzung Deutschlands durch Napoleon und die Gründung des Rheinbundes, mit dem das Heilige Römische Reich Deutscher Nation endete. In diese Zeit fallen auch die Ursprünge der deutschen Bewegung für einen Nationalstaat, der sich befreien wollte. Die französische Besatzungsmacht verbreitete die meisten ihrer Verordnungen in lateinischer Schrift, womit die Nutzung der gebrochenen Schriften zu einem Zeichen des Widerstandes wurde.
Ob deutsche Sprache auch in Antiqua geschrieben werden könne, wurde immer mehr zur Geschmacksfrage. Konservative und Traditionalisten bevorzugten die gebrochenen Schriften während die Neuhumanisten Antiqua aus philosophischen Gründen bevorzugten. Gebildeten Schichten war die Antiqua längst vertraut, weil französisch sich als internationale Diplomatensprache durchgesetzt hatte und fast die gesamte fremdsprachige Literatur in Antiqua gesetzt war, deren Kenntnis so zum unverzichtbaren Teil höherer Bildung gehörte. Friedrich II. etwa schrieb nahezu nur französisch und verachtete das Deutsche, nutzte die entsprechenden Schriften.
Goethe bevorzugte auch die Antiqua, als humanistisch gebildeter Mensch, während seine Mutter noch mehr an der alten Schrift hing und so ließt er marktgerecht in beiden Schriften drucken, was seine Mutter für die alte Schrift sehr lobte. Auch die Gebrüder Grimm mit ihrer Märchensammlung und ihrem Lexikon gehörten zu den Förderern der humanistischen Antiqua. Alle wichtige Korrespondenz im Adel, unter Diplomaten oder im internationalen Handel war französisch oder englisch, warum die Beherrschung beider Schriftsprachen erforderlich war
Nach der Reichsgründung von 1871 regierte in Deutschland mit Bismarck ein erklärter Befürworter der Fraktur. Als öffentliche Debatte begann der Antiqua-Fraktur-Streit mit den Reformvorschlägen des Schreibwarenherstellers Friedrich Soennecken, der zur Gründung des Vereins für Altschrift führte, wobei Altschrift die eingedeutschte Bezeichnung für die lateinische Antiqua ist. Die völkische Gegenposition vertraten der Oberkorrektor der Reichsdruckerei Adolf Reinecke und der Verleger Gustav Ruprecht, der ein Flugblatt unter dem Titel “Das Kleid der deutschen Sprache” vermutlich in Fraktur veröffentlichte und den Buchhändlerischen Frakturbund gründete. Etwas zeitversetzt lief noch eine Debatte zur deutschen Rechtschreibung, die aber, oh Wunder, 1876 und 1902 auf der I. und II. Orthografischen Konferenz zu einem einvernehmlichen Ergebnis kam.
Ende des 19. Jahrhunderts hatte auch die alldeutsche und die völkische Bewegung an dem Frakturstreit noch teilgenommen. Dabei wurde die Antiqua als eine von den Römern oktruierte Schrift bezeichnet, die eine urdeutsche Schrift ausrotten wollten, nachdem die Römer dies schon mit den germanischen Runen getan hätten, die als heidnische Schrift der Christianisierung zum Opfer gefallen wäre. Adolf Reinecke glaubte in der gebrochenen Schrift das deutsche Wesen zu erkennen und meinte das auch ernst, wenn er schrieb, der wälschen Schrift sei durch diese schöpferische Tat der germanische Geist eingeprägt worden. Jedoch verkannte dieser völkische Rausch die realen historischen Tatsachen, so begann die Wandlung der runden karolingischen Minuskel in eine eckige gotische Schrift in Nordfrankreich. So waren die deutschen Frakturschriften viel runder als die gotische Textura und schnörkeliger als die klare Antiqua, was nicht zu seiner Wesensdefinition passte aber dafür den Charakter völkischer Gesinnung als meist zu kurz gedacht treffend beschreibt.
Die hoch emotionale Debatte bis zum 4. Mai 1911 und dann noch einmal bis Oktober ging auf den Antrag des Vereins für Altschrift aus den 1890ern zurück, der sich dafür aussprach, die Antiqua in den Schulen neben der Fraktur einzuführen. Dem Antrag wurde zunächst zugestimmt, später, als Reinecke und die nationalen Kräfte eine emotionale Debatte entfachten, wurde dieser wieder zurückgenommen und bei der endgültigen Abstimmung im Oktober schließlich von 75% der Abgeordneten im nationalen Interesse abgelehnt, womit alles beim alten blieb.
Auch 1911 erhielt dann der Grafiker Ludwig Sütterlin den Auftrag eine neue Schulausgangsschrift zu entwickeln. Preußen führte daraufhin 1915 die Sütterlinschrift ein, die bis 1935 auch die meisten anderen deutschen Länder übernahmen und die heute kaum einer mehr lesen geschweige denn schreiben kann.
In der Weimarer Republik bestand zunächst die Zweischriftigkeit fort, jedoch setzte sich im Alltag die Antiqua als international gebräuchliche Schrift immer mehr durch. In dieser Zeit gab es auch zahlreiche Untersuchungen zur besseren Lesbarkeit, die erstaunlicherweise auch für die Experten die Fraktur immer wieder gewann - ob sie doch im Wesen näher lag?
Die Nationalsozialisten hatten ein widersprüchliches Verhältnis zu den traditionellen gebrochenen Schriften. Einerseits forderten Studenten bei den Bücherverbrennungen von 1933 ein schärfsten Eintreten gegen den Missbrauch der deutschen Schrift, andererseits spottete Hitler über diese rückwärtsgewandte Haltung. Ob die nach 1933 wieder in Mode gekommenen gebrochenen Grotesken als Nazi-Schrift zu werten sind, ist zumindest umstritten. Der Reichsinnenminister Frick sprach sich für die Rettung der urdeutschen gebrochenen Schrift aus und wollte nur noch Schreibmaschinen mit Fraktur für sein Ministerium beschaffen lassen. Es ist unbekannt, wieviele davon überhaupt je angeschafft wurden. Es nahm nach 1933 bis 1940 erst die Nutzung der Fraktur massiv zu und dann kehrte es sich auf Befehl des Führers wieder radikal um.
Ab 1941 wurde Hitlers Entscheidung bekanntgegeben und verbreitet, dass die gotischen Schriften sämtlich zugunsten der Normal-Schrift, sprich Antiqua, aufzugeben. Hitler bezeichnete die Schwabacher Fraktur, die Schrift der Luther Bibel, da schon als Judenlettern, deren Gebrauch im Reich nichts verloren hätte. Obwohl dies historisch so unsinnig war wie das meiste, was Hitler in seinem Wahn von sich gab, setzte es sich durch und wurde mitten im Krieg als Erlass an alle Schulen weitergegeben. So wurde angeordnet, dass nur noch das Lesen dieser Schriften in der 2. und 3. Klasse geübt wird. Die Umsetzung dieser Beschlüsse verzögerte sich jedoch durch die mangelhafte Versorgung mit Schulbüchern im Krieg etwas.
Mit der bedingungslosen Kapitulation endete die Rechtshoheit des Deutschen Reichs und der Nationalsozialisten. Die Schullehrpläne und Schriftfragen wurden von den Alliierten geregelt und die Fraktur vielerorts verboten, weil sie diese nicht lesen konnten. Ab 1954 führten einige Bundesländer wieder die deutsche Schreibschrift ein, die sich jedoch nicht mehr gegen die lateinische Schreibschrift durchsetzen konnte. Teilweise wird im öffentlichen Leben heute noch die Fraktur genutzt, um auf lange Tradition hinzuweisen. So stand auf den ab 1990 von der Bundesbank herausgegebenen Banknoten das Wort Banknote in Fraktur. Seit etwa 2000 hat die gebrochene Druckschrift ihre Sonderstellung verloren und verliert zunehmend an Bedeutung. Anders als die Debatte um die letzte Rechtschreibreform stoßen sprachpuristische Forderungen nach gebrochenen Lettern im virtuellen Zeitalter auf kein nennenswertes Interesse. Gerne wird sie von einer leider erstarkten rechtsradikalen Szene genutzt, die vermutlich wie meistens keine Ahnung von ihrer Geschichte haben, noch von Hitlers Ablehnung, aber das ist vermutlich auch gut so, weil diese Kennzeichnung hilft die Spreu vom Weizen zu trennen, Idioten zu benennen.
Die Druckform der Sprache macht scheinbar nicht mehr ihre Identität aus. Ob darum wieder mehr auf Inhalte als auf die Form geachtet wird, scheint fraglich, doch die Hoffnung stirbt zuletzt, zumindest ist eine lästige Debatte über die nur Form von keiner Bedeutung mehr. Ob es in einer globalisierten Welt noch nationale Identitäten braucht, scheint mehr als fraglich. Einigen Menschen scheint es, noch wichtig zu sein, woran immer dieses oft mangelnde Selbstwertgefühl liegt. Was der deutsche Sonderweg gegen den Geist der Renaissance und der Aufklärung gebracht hat, als lange Debatten um den Bart des Propheten scheint angesichts der deutschen Geschichte und dem mühsamen Weg zur Nation mehr als fraglich. Vielleicht war die singuläre Schrift ein Bindeglied im Vielvölkerstaat, der sich so lange nicht modernisierte, bis er unter Napoleon unterging und dafür ein pathologisches Überschwappen der nationalen Ideen im 20. Jahrhundert ertragen musste.
Goethe lehnte es ab, die Brüder Grimm fanden es unsinnig, die Humboldts, international verwurzelt, hatten mit so etwas wenig am Hut, warum es uns vielleicht gut täte, uns mehr auf die humanistischen Inhalte zu konzentrieren, die mit der Einführung der Antiqua zu Beginn der Renaissance verbunden waren. Es braucht keinen Wilhelminismus mehr oder lächerliche Deutschtümelei und wer sich mit Stolz zur deutschen Geschichte bekennt, sollte eher an Goethe denken, der seine Deutschen einst mahnte, sie sollten sich lieber freier zu Menschen ausbilden statt zur Nation, was zu sein, sie vergebens hofften. Auch an den guten Lessing sollte mit Stolz gedacht werden, der in Nathan der Weise, dem Denkmal für seinen jüdischen Freund und Aufklärer Moses Mendelsohn, den Toleranzgedanken auch im religiösen in schönste Form brachte. Wer dann weiter denken möchte noch, kann sich mit Kant fragen, was der kategorische Imperativ als Freiheit des Gewissens unter dem Leitstern der Aufklärung ist, wie er sie als Antwort auf die Frage der preußischen Akdademie definierte und wer dann immer noch nicht genug von deutschen Denkern und deutschem Wesen hat, möge dringend Max Stirner und seinen Einzigen lesen, um zu verstehen wie dieser einzig wirklich freie Junghegelianer Freiheit verstand und wer dann noch Fragen offen hat, was die Nation sein soll, dem seien Thomas Manns Reden aus dem Exil an die Deutsche Nation empfohlen oder Heinrich Manns Untertan, um zu verstehen, wer die Typen waren, die sich so massiv für die Fraktur einsetzten und dann dürften eigentlich alle Fragen zur Nation beantwortet sein - für Bilderfreunde und Liebhaber englischer Plaudereien auf BBC Niveau sei noch Neil Mac Gregors wunderbarer Band Deutschland - Erinnerungen einer Nation angeführt, in dem eine Brite, der nun das Humboldt-Forum leitet, voller Liebe durch deutsche Geschichte führt und dazu 335 passende Bildet zeigt.
Sich von außen betrachten können und sich aus dem liebevoll kritischen Blick der Nachbarn mit einem Augenzwinkern lieben lernen, könnte dem deutschen Wesen einen entspannten Umgang mit seiner Geschichte geben in Zeiten, in denen wieder die Falschen deutsche Fahnen schwenken, könnte das ein guter Weg sein.
jens tuengerthal 4.5.2016
Wortakrobatik
Akrobatik bei der wir über uns
Hinaus ineinander wachsen
Erotische Dichtung kombiniert es
Macht einen Salto dabei
Will eigentlich alles und ist
Am Ende nichts als Worte
Die dich dort berühren sollen
Wo die Berührung bleibt
Um in dir weiter zu tanzen
Lustvoll zusammen drehen
Immer mehr völlig verdreht
Bis wir uns am Ende
Erschöpft bestaunen
Mit Liebe ist noch mehr
Wie fliegender Walzer
Mit wechselndem Takt
Ob du wohl nun fühlst
Was ich gerne wollte
Mit dir und mir im wir
Wer ist der am Klavier
jens tuengerthal 4.5.2016
Meersehnsucht
Oder mehr suche nach der dort
Ersehnten nicht mehr zu suchen
Um da zu sein beieinander ohne
Alle Suche und kein Meer mehr
Zwischen uns und unserer
Sehnsucht nacheinander die
Eins sein will im mehr oder
Weniger zumindest ganz nah
Am Meer vielleicht zumindest
Nicht mehr zu fern zum küssen
Während noch mehr oder weniger
Meer zwischen uns sich wellt
Wogt in mir das Gefühl der
Sehnsuche nach dir mein Ozean
jens tuengerthal 4.5.2016
Lippenlesen
Lesen was sie nicht hören
Höre nur manchmal schlecht
Komme darum gern ganz nah
Um von deinen Lippen zu schmecken
Wie nah du dich fühlst oder wie
Du dich ganz nah anfühlst oder
Wo du im Zyklus stehst wenn
Die Lippen uns nicht täuschen
So bin ich wohl kein Lippenleser
Manchmal ein Lippenschmecker
Immer ein Lippenliebender
Möchte ich lieber deine Lippen
Um mich um so eins zu sein
Inmitten und am Ende was
Immer dort einen Anfang nahm
Soll kein Ende haben warum
Der Schreiber die Lippen nun
Lieber verschließt um anstatt
Deine lieber zu küssen
Zumindest in Gedanken
Bis sie nah genug kommen
jens tuengerthal 3.5.2016
Dienstag, 3. Mai 2016
Liebestempo
Andere nimmt sie sich
Ohne lang zu fragen ob
Dann ist sie plötzlich da
Gekommen um zu bleiben
Weiß keiner was es ist
Nennt es nur lieber nicht so
Was wissen wir schon
Von der Liebe und sonst
Auch eher wenig
Staunen was geschah
Wissen noch nicht wie
Weiter und überhaupt
Genießen das Wunder
Weil es ist was es ist
Weiß nicht was sonst
Fragt sich nur wieder
Gibt es die richtige Zeit
Oder kommt es darauf
In der Liebe nie an
Jenseits der Zeit
jens tuengerthal 3.5.2016