Donnerstag, 28. April 2016

Kulturgeschichten 0204

Schlachtenglück

Werden Schlachten von denen gewonnen, die stärker sind, kommt es mehr auf die richtige Taktik an oder entscheidet am Ende immer das Glück?

Was bringt ein Sieg wirklich ein?

Am 27. April 1622 besiegten in der Schlacht bei Mingolsheim die vereinigten Heere von Peter Ernst II. von Mansfeld und Georg Friedrich von Baden-Durlach im Dreißigjährigen Krieg die Kaiserlichen unter Johann t’Serclaes von Tilly am Ohrenberg. Der Ort Mingolsheim wurde während der Schlacht von Mansfelds Leuten in Brand gesteckt und brannte größtenteils nieder.

Mansfeld führte das führt das Heer des Pfalzgrafen Friedrich V., des sogenannten Winterkönigs, dessen Krönung zum König von Böhmen den Dreißigjährigen Krieg entscheidend mit auslöste. Mingolsheim, das im Rücken der Kaiserlichen lag wurde bei Beginn des Treffens von den Pfälzern angesteckt, um Tillys Truppen den Rückweg abzuschneiden.

Tilly der bayerisch-ligistische Generalleutnant war mit seinem Heer in die Kurpfalz, die Stammlande des Pfalzgrafen bei Rhein eingedrungen und versuchte Heidelberg von Süden her zu umfassen. Er hatte dafür bis einen Tag vor der Schlacht sein Heer von 12.000 Mann bei Wiesloch versammelt und musste dafür die Belagerung der Feste Dilsberg aufgeben, die ein Stück neckaraufwärts von Heidelberg gelegen ist.

Mansfeld als General-Feldmarschall der böhmischen Krone war mit seinem Heer von 16.000 Mann Fußvolk und 6000 Reitern bei Germersheim über den Rhein und nach Bruchsal gezogen, um sich mit den 20.000 Mann des Weißen Heeres des Markgrafen von Baden-Durlach zu vereinigen. Zunächst versuchte er erfolglos Tilly aus dessen starker Position bei Wiesloch herauszulocken. Dann griff Tilly die mansfeldchen Truppen bei Mingolsheim an. Daraufhin ließ Mansfeld das Dorf anstecken, um die Annäherung zu verhindern. So trafen die Kaiserlichen am Ohrenberg auf ein zum Angriff aufgestelltes Heer, das sie in Richtung des brennenden Dorfes zurückwarf. Dabei erlitten die Kaiserlichen hohe Verluste, es wird von bis zu 2000 Mann berichtet, während Mansfeld nur etwa 300 verlor. Da die Pfälzer, warum auch immer, von einer Verfolgung des gechlagenen katholischen Heeres absehen mussten, konnte sich der in der Schlacht verletzte Tilly unbehelligt nach Wimpfen zurückziehen, wo er sich mit dem Heer des spanischen Generals Córdoba vereinigen und so wieder verstärkt wurde. Mansfeld zog nach der Schlacht gen Bruchsal, um sich mit dem Heer der Baden-Durlacher für vier Tage zu vereinen. Dann zog jeder seiner Wege. Dafür schlug Tilly am 6. Mai 1622 die wieder von Mansfeld getrennten Durlacher in Wimpfen.

Es war eine der vielen Schlachten im Dreißigjährigen Krieg, deren Gewinn dem Sieger auf Dauer nichts einbrachte. Der Winterkönig konnte sich weder in Böhmen halten noch seine Stammlande auf Dauer verteidigen. Auch die katholischen kaiserlichen erreichten bis 1648 ihre Ziele nicht, sondern verwüsteten nur weite Teile des Landes, bis sich die erschöpften Gegner endlich zu Münster und Osnabrück auf einen Frieden einigten, der bestätigte, wie überflüssig der das Reich zerstörende Krieg um Land und den rechten Glauben war. Dafür waren dann die Schweden im Land, die erfolgreich für die protestantische Sache gefochten hatten und das Reich blieb in weiten Teilen entvölkert und verwüstet zurück, ohne dass es einen Sieger gegeben hätte. Die Kurpfalz war zu einem der vielen Schlachtfelder geworden, in dem Dörfer und Städte aus strategischen Gründen abgefackelt wurden. In Mingolsheim erinnern heute noch nach den beiden Feldherren benannte Straßen an den Kriegseinsatz des Dorfes, als es für den Winterkönig brannte und so im Feuer einen Sieg ihres Landesherren und der Protestanten unter grausamen Opfern sicherten.

Auch am 27. April nur 1848 scheiterte die Badische Revoloution im Rahmen der Märzrevolution im Gefecht bei Dossenbach. Dort unterliegt die Deutsche Demokratische Legion unter Führung des revolutionären Dichters Georg Herwegh den konterrevolutionären Truppen aus Württemberg.

Bei dem Gefecht zwischen Dossenbach und Niederdossenbach, nahe der Schweizer Grenze waren die 600 Mann unter Herwegh schon auf dem Rückzug als die Württemberger Infanteristen sie mit 137 Mann erwischten. Herwegh hatte sich nach dem Heckeraufstand zunächst mit den Truppen von Friedrich Hecker vereinigen wollen und hatte dazu seine Gattin als Botin vorausgeschickt. Hecker lehnte jedoch die Vereinigung ab, weil die Deutsche Demokratische Legion in Deutschland als plündernde Horde dargestellt worden war und er um den Ruf seiner Truppe und deren Moral fürchtete, außerdem wollte er die Revolution aus dem inneren Deutschlands zum Erfolg führen und nicht mit den Pariser Exilanten. Die Legion ging unter Herweghs Führung dennoch über den Rhein gen Kandern, um Hecker zu unterstützen. Dort erfahren sie, dass Hecker vor wenigen Tagen in der Schlacht auf dem Scheideck vernichtend geschlagen wude und geflohen sei. Nun wollten sie sich mit dem Revolutionszug von Franz Sigels vereinigen, der gerade im oberen Wiesental bei Todtnau stand und marschierten von Kandern gen Nordosten. Unterwegs erfuhren sie jedoch, dass sich dessen Truppe auch bereits wieder auf dem Rückzug befand. Sie wollten die Aufständischen im von ihnen besetzten Freiburg unterstützen, das von Regierungstruppen belagert wurde, waren jedoch im Gefecht bei Günterstal geschlagen worden und befanden sich nach einer erneuten Niederlage vor dem belagerten Freiburg bereits in Auflösung. Nach der Nachricht von Sigels Niederlagen machte sich die Legion über den knietief mit Schnee bedeckten Belchen auf den Rückzug gen Süden. Über den auch über 1000, hohen Zeller Blauen erreichten sie schließlich am 26. April völlig erschöpft Zell im Wiesental. Eigentlich wollten sie sich dort erholen, als sie von den nahenden Regierungstruppen härten, machten sie sich wieder auf den Weg gen Dossenbach. Dort wurden sie von gut versteckten Infanteristen aufgelauert und nach einem kleinen Gefecht mit einer Nachhut, bei dem ein Hauptmann der Legion getötet wurde, quasi aus dem Hinterhalt abgeschossen, da die Württemberger zuvor von einem Bauern vor der nahenden Legion gewarnt worden waren, der ja ihr plündernder Ruf vorauseilte.

Nach der Niederlage gegen die sechsfach an Zahl unterlegenen Württemberger Truppen löste sich die Legion auf und versuchte in Teilen oder kleinen Truppen noch nach Dossenbach und über die Schweizer Grenze zu gelangen. Emma und Georg Herwegh gelang dies als Bauern verkleidet. Es waren 30 Mann der Deutschen Legion getötet und 60 verletzt worden, während die Württembergischen nur 2 Verwundete meldeten, einer davon ein Offizier im Nahkampf, der andere mit Schmauchspuren nach falscher Beladung seines Gewehrs.

Gerog Herwegh war neben Heinrich Heine und Ferdinand Freiligrath der populärste deutschsprachige Dichter des 19. Jahrhunderts. Er schrieb auch für die von Karl Marx redigierte Rheinische Zeitung und war mit Ludwig Feuerbach befreundet. Heinrich Heine verewigte ihm in den Gedicht An Georg Herwegh als die eiserne Lerche. Später war er auch noch mit Bakunin befreundet, der ihn immer wieder beeinflusste. In Paris hatte er  neben Karl Marx und Bakunin auch Jenny Marx, George Sand, Victor Hugo und Béranger kennengelernt. Er schrieb dort den zweiten Teil seiner Gedichte eines Lebendigen, die eine ironische Antwort auf die Briefe eines Verstorbenen von Hermann von Pückler-Muskau waren.

Nach der Pariser Februarrevolution von 1848 war er zum Präsidenten des Republikanischen Komitees und zum Vorsitzenden der Deutschen Demokratischen Legion gewählt worden. Gegen den Einspruch und die Ratschläge von Marx und Engels war er mit seinen Truppen nach Baden geeilt, als dort der Aufstand ausbrach. Seine Beteiligung am Aufstand führte zum Bruch der Freundschaft mit den Begründern des wissenschaftlichen Sozialismus. Dafür freundete er sich wieder in Paris zunächst mit Alexander Herzen und Turgenew an. Sein Haus in Zürich wurde bald zum Treffpunkt für geflohene Revolutionäre und es trafen sich dort Richard Wagner, Gottfried Semper und Franz Liszt. Dabei kam es wieder zum Bruch mit Herzen, dessen Frau Natalie sich leidenschaftlich in den dichtenden Revolutionär verliebt hatte. Nebenbei dichtete er anonym für die Satirezeitung Kladderadatsch. Später wurde er noch zum Bevollmächtigten des Allgemeinen Deutschen Arbeiter Verein (ADAV) in der Schweiz, der zu einem Vorläufer der späteren SPD wurde. Bald freundete er sich auch mit dem ADAV Gründer Ferdinand Lasalle an und schrieb das Bundelied als Hymne auf das Proletariat. 1869 schloss er sich der von August Bebel und Wilhelm Liebknecht gegründeten marxistisch-revolutionären Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) an. Als Mitarbeiter des Parteiblatts Der Volksstaat schrieb er seine schärfsten Gedichte in denen er den preußischen Militarismus, den deutsch-französischen Krieg und das Kaiserreich scharf verurteilte.

Trotz seiner klaren politischen Positionierung für die Arbeiterklasse ist seine Wirkung bis heute umstritten. So meint Ulrich Enzensberger, der Bruder von Hans Magnus, in seinem Band Herwegh ein Heldenleben aus der wunderbaren Anderen Bibliothek, die Gedichte des früheren Burschenschaftlers in ihrer pathetisch, nationalistischen Tönung wären auch Wegbereiter des späteren aggressiven Nationalismus des Wilheminismus gewesen, er wurde weniger als sozialistischer Revolutionär geschätzt und gelesen sondern als nationaler Dichter, dahingestellt, ob ihm das zum Vorwurf gemacht werden kann oder ein Dichter nichts für die Abwege seiner einmal freigelassenen Gedichte kann.

Die mit großem Pathos gestartete Deutsche Legion war so überflüssig wie das Eingreifen des Dichters in die badische Revolution, eines der ganz wenige male, in denen ich Marx und Engels zustimmen würde. Es wurden unnötig Menschenleben gefährdet und Leben ruiniert, ob in Haft oder auf dem Schlachtfeld eines verlorenen Gefechts. Ob Herwegh des heute eher gering geschätzten Pathos seiner Verse wegen vergessen wurde und der Ton nicht mehr in die Zeit passt, könnten sich politische Dichter heute fragen. Wohingegen Heine, der zwar in Deutschland ein Wintermärchen auch klar politisch schrieb aber doch weniger im aktuellen Geschehen verhaftet war, mit dem Blick für das Große, immer noch geliebt und geschätzt wird auch in den Kreisen, die ihn früher verfolgten.

Wie entbehrlich letztlich beide Schlachten waren, wenn auch mit unterschiedlich vielen Toten zeigte doch wieder wie in den allermeisten Fällen überflüssig militärische Aktionen sind, die mehr Elend herbeiführen, als sie an Gewinn je bringen können und auf lange Sicht betrachtet, hat sogar die Eroberung Schlesiens durch Friedrich den Großen, die Preußens Aufstieg zur Weltmacht im 19. Jahrhundert mit sicherte durch die reichen Minen dort, mehr Schaden angerichtet als Nutzen gebracht und nun ist Schlesien polnisch.

Es fragt sich beim Blick auf das aktuelle politische und militärische Geschehen, das schnell den Blick verengt und den Horizont parteilich beschränkt, welcher Kurs sich wohl auf Dauer durchsetzen wird.

Was ist die von Katharina der Großen eroberte Krim, die sie den inzwischen untergegangenen Osmanen wegnahm, deren cholerischer Wiedergänger gerade durch Europa tobt, sich ständig beleidigt fühlt und nach Satisfaktion verlangt?

Ist sie russisch, ukrainisch, osmanisch, tatarisch?

Lohnte sich eine Schlacht um eine Halbinsel oder sitzt die Welt dies lieber mit Sanktionen aus, um sich irgendwann friedlich zu einigen?

Wer hätte in Syrien was zu gewinnen und wem nutzt das wieder stärkere Eingreifen der Bundeswehr in den Luftkampf dort?

Wie wäre es, wir beschränkten uns künftig schlicht auf unser erfolgreichstes Feld den weltweiten Handel mit Qualitätsprodukten wie sauberen Dieselmotoren?

Können wir den Frieden ohne Waffen und eine Armee verteidigen?

Oder ist es nur deutsche Wirtschaftpolitik die Funktionalität deutscher Präzisiongewehre auch im internationalen Einsatz bei jeder Temperatur zu präsentieren?

Aber bevor ich mich wieder in tagespolitischen Nichtigkeiten in den Untiefen der Ironie verliere, die auf lange Sicht unwichtig bleiben, denke ich lieber an Heine und Herwegh und lese immer noch lieber den guten Heinrich …

“Es war im traurigen Monat November …”
jens tuengerthal 27.3.2016

Mittwoch, 27. April 2016

Kulturgeschichten 0203

Glückosophie

Was macht logisch glücklich, fragte ich mich beim Blick auf die Philosophie und ihre Wege zum Glück und stellte fest, es verhält sich beim Blick auf das Glück, wie im übrigen, die Sympathien bleiben ähnlich verteilt, eigentlich sah ich wenig überraschendes. Was funktionales oder soziales Glück sein soll, ist mir bis heute rätselhaft, vielleicht weil zu autistisch, vermutlich aber eher, weil, die es vertreten, mir meist zu autoritär sind. Glück scheint mir etwas feines und zartes zu sein, was nicht zu groben Weltgebäuden passt, wie sie sich manche mit oder ohne Götter erspinnen. Das Glücksstreben aber scheint seit Beginn der Geschichte eine wichtige Frage gewesen zu sein, liegt wohl in ihrer Natur, die alle Schulen und Menschen umtreibt - denn, kritisch gefragt, was nützt das schönste Weltbild, wenn es mich nicht glücklich macht?

Ob es das Glück überhaupt gibt, es vielmehr nichts existenstes ist sondern nur ein erstrebter Zustand, quasi ein Näherungswert, ist eine Frage für die Glückosophie der Zukunft, möglicherweise eine Frage der Zeit und also auch eine des Tempos, warum ich mir diese erst später stelle, auch wenn es logisch wäre, vor der Beschreibung der Geschichte der Philosophie des Glücks, sich zu fragen, ob es den vielfältig bedachten Gegenstand als solchen überhaupt gibt. Vielleicht aber ergibt sich manches schon aus dem, was andere dachten und es läuft mir ja nicht weg, sich dies künftig zu fragen, wenn es mich glücklicher machte.

Als vermutlich erster entwarf Aristippos von Kyrene eine Glückssphilosophie. Der Schüler des Sokrates lebte etwa von 435 bis 355 vor Christus, begründete die kyrenaische Schule und gilt damit als Begründer des Hedonismus. Er unterscheidet zwei Zustände der Seele, die Lust wäre eine sanfte, der Schmerz eine raue Bewegung der Seele. Er unterscheidet die Lüste nicht, sondern sagt, dass jede die gleiche Qualität habe. Der Weg zum  Glück ist nach Aristippos die Lust zu maximieren und dem Schmerz auszuweichen. So bezeichnet er bereits den Genuss der Lust als eigentlichen Sinn des Lebens, um etwas anderes ginge es nie. Die sanfte Bewegung, die sich zur Empfindung steigert, ist für ihn das höchste Ziel oder Glück, was er trefflich der Natur und also dem erfüllenden Sex abschaute, was ihn zumindest der Natur entsprechend macht.

Platon, der auch Schüler des Sokrates war und über dessen Worte in den Dialogen berichtet, selbst aber einer dogmatischen Idee vom idealen System verfiel, teilte die menschliche Seele in drei Teile, Vernunft, Willen und Begehren und glücklich sei danach ein Mensch, wenn sich alle drei Teile im Gleichgewicht befänden, miteinander befreundet seien, sich also nicht widersprächen, was schon den Dogmatiker erkennen lässt, der sich nur Freunde wünscht, die ihm nicht widersprechen, fraglich, wen das glücklich machen soll.

Für Aristoteles verwirklicht sich Glück nur in der menschlichen Gemeinschaft, im Staat. Danach ist glücklich, wer die in ihm liegenden Tugenden in der Polis entfaltet. Vollendet sei dieses Glück erst, wenn derjenige dazu noch genügend äußere Güter habe und sein ganzes Leben tugendmäßig verbringt. Frage mich bei Aritoteles immer, ob er selbst dachte oder nur ein vom damaligen Händlerverband und der Regierung diktiertes Programm verkaufte. Auch wenn es sympathisch klingt, dass er die Vernunft zentral stellt, geht es ihm doch nicht um das Wohlergehen sondern um die bestmögliche Anpassung an die Gemeinschaft, in der diese Wesen gut funktionieren sollen. Kein Wunder, dass er später zum Hausphilosophen der katholischen Kirche wurden, die Epikur lieber verschwinden ließ.

Der wohl wichtigste Glücksphilosoph der Antike, der bis in die Gegenwart wirkt, ist Epikur, der von 341 bis 270 vor Christus lebte und die epikuräische Schule begründete. Für ihn ist Lust das Prinzip eines gelungenen Lebens. Glück ist für Epikur die Freiheit von Unlust, warum es sein Hauptziel ist, durch Schmerzvermeidung einen Zustand physischer Schmerzfreiheit zu erlangen. Dies gelingt ihm weniger durch übermäßigen Genuss als durch Reduktion auf die notwendigsten Bedürfnisse. Wer extreme Lust erfahre, wird meist auch deren Gegenteil zu spüren bekommen, warum er für sich Bescheidenheit vorzieht, ein Käse, ein Brot, ein Wein und den Garten voller Freunde, ist alles Glück der Welt ihm. Doch geht es ihm nicht um Askese, das findet er Käse, sondern den höchsten Genuss der Lust. Es geht darum, das Leben lustvoll zu genießen, in dem es sich auf das konzentriert, was es ausmacht, ohne dabei Vorschriften zu machen. Weniger ist ihm mehr, ohne für sich in Anspruch zu nehmen, zu wissen, was alle bräuchten, um glücklich zu sein. Die epikuräuische Schule war die erste und einzige, die Frauen gleichberechtigt zuließ, nach seiner wiederholten Vertreibung aus Athen auch in seinen außerhalb gelegenen Garten und nur böse Zungen und Neider mutmaßten, es ginge den Hedonisten dabei allein um die mit diesen geteilte Lust - auch das wäre schön, erwiderten sie wohl lächelnd, wenn es das je Glück mehrte.

Ganz anders dagegen die Stoa, mit ihren Vordenkern wie Zenon, Cicero oder Seneca, lehnen sie den Epikureismus ab und erheben stattdessen die Tugend zum Ziel allen Strebens. Es geht nicht um Glück sondern um Pflichterfüllung. Glücksselig ist danach dennoch, derjenige, der mit der Natur lebt, da diese göttlich sei, und also mit Gott und Natur im Einklang lebt, wer die nur Begierden zurückdrängt. So wollen die Stoiker frei sein von Affekten und gelassen, eben stoisch gegenüber dem Schicksal, was sie dann für Freiheit halten. Wirkliche Freiheit, die das Glück ist, das sie erstreben, bestünde nur in der Unabhängigkeit von äußerem Geschick wie den eigenen Begierden. So erreichen sie die ataraxia, den stoischen Glückszustand völliger Gleichgültigkeit - leichter nur wäre, gleich zu sterben.

Das Mittelalter, diese Zeit des geistigen Rückschritts unter der Vorherrschaft, der jüdischen Sekte Christentum, definierte Glück nur jenseitig und verwarf antike Texte, die anderes versprachen, versuchte teilweise die Hedonisten zu leugnen oder zumindest ihre Texte zu löschen, da sie nicht in das autoritäre Erlösungskonzept dieser Sekte passten. Es wurde sich auch vielfach mit antiken Texten auseinandergesetzt, wenn auch immer in der Zielrichtung das eigene Denken zu begründen. Glück war für sie nicht irdisch, dies galt es zu überwinden, sondern erst nach dem Tod möglich, woran deutlich wird, wie wenig diese Sekte von dieser Welt ist, warum sie sich im Interesse der Mächtigen dennoch durchsetzte, wäre eine andere Frage, die wenig mit der Suche nach dem Glück zu tun hat und um so mehr mit der Erhaltung von Strukturen der Macht. Sie leben auf Erden in Askese als Vorbilder, um im Jenseits nach dem jüngsten Gericht die Erlösung im Paradies zu erhalten. Daher resultiert der Kult um die Askese wie sie auch im Zölibat zum Ausdruck kommt.

Augustinus von Hippo, der von 354 bis 430 lebte, schrieb ein Buch über das Glück, das für nicht dem Aberglauben verfallene Menschen wie nahezu alles von ihm ziemlich unerträglich zu lesen ist. Sektengewäsch eben, das ihn aber zur Kultfigur machte, weil es die herrschende Sekte war. Interessant aber, wenn wir den Unsinn weglassen, ist wie er die Liebe als Zentrum menschlichen Glücksstrebens sieht. Natürlich meint der olle Nordafrikaner dann, dass Glücksseligkeit nicht irdisch erreichbar wäre, sondern nur in dem Streben nach Gott, den er um seiner selbst willen liebt. Dahingestellt, was der erfundene Gott für wen für ein Glück sein soll, ist der Gedankengang zumindest in sich relativ logisch, mit derm er auf die Liebe achtet.

Anders bei Dyonysius von Areopagita, der um 500 seine mystische Theologie entwickelte, nach der sich die menschliche Sehne nach Gott sehnt, dieses Sehnen aber nur durch eine mystische Vereinigung befriedigt werden kann. Für den Kult der mystischen Vereinigung wiederum sei Ekstase erforderlich, in der Mensch dann sein Glück auch finde. Er meint, indem der Mensch in der Exstase aus sich heraus tritt, fände er sein jenseitiges Glück. Was dies mit dem menschlichen Leben zu tun haben soll, dass er ja nur überwinden will, ist nicht ersichtlich und so erinnert die mittelalterliche Philosophie  verdächtig  an den jenseitigen Fanatismus heutiger Islamisten.

Die Moderne setzt sich weiter mit dem antiken Glücksbegriff auseinander. Wichtig ist hier die Wiederentdeckung des Lukrez Textes de rerum natura nach dem Konzil von Konstanz durch den ehemaligen Sekretär des abgesetzten römischen Papstes. Mit diesem wiederentdeckten epiukreischen Denken, setzt sich ein neues Menschenbild durch, das die Renaissance als lichte Zeit nach dem düsteren Mittelalter und seiner Verhaftung in finsteren Welten des Aberglaubens zwischen Himmel und Hölle ablöst, was im Denken so sichtbar wurde, wie in allen übrigen Bereichen des Lebens, etwa der Malerei, der Dichtung, der Musik und auch der Politik.

Bis es schließlich zum Utilitarismus kam, der als Philosophie noch immer die Supermacht USA zentral prägt, gab es in der Philosophie noch einige Schwankungen zwischen der Suche nach Antworten im alten religiösen Kontext und der Erkenntnis, die sich immer mehr durchsetzte, dass wir Götter annehmen können oder eben nicht, wie es uns gefällt und wir jenseits davon Antworten auf den richtigen Weg zum Glück suchen müssen.

Die erste Form des Utilitarismus, der die Nützllichkeit  in den Mittelpunkt stellt, entwickelte der chinesische Philosoph Mozi, der von 479 bis 381 vor Christus lebte. Die von ihm begründete Schule des Monismus vertrat bereits 2200 Jahre bevor Europa darüber nachdachte eine utilitaristische Ethik, sehen wir davon ab, dass der Hedonismus  im alten Griechenland schon ähnliche Prinzipien vertrat, die aber unter der Diktatur des Christentums wieder in Vergessenheit gerieten. Auch Thomas Hobbes, der zwischen 1588 und 1679 philosophierte, vertrat in seinem Leviathan die Ansicht, dass richtig dasjenige Verhalten sei, das unser Wohlergehen fördere und so hinge auch die Richtigkeit eines Moralkodex davon ab, ob er das Wohlergehen derjenigen befördere, die ihm folgen. Francis Hutcheson, er philosophierte zwischen 1694 und 1746, nannte das Verhalten moralisch gut, das die Wohlfahrt der ganzen Menschheit fördert. In dessen Nachfolge wiederum argumentierte David Hume, der es von 1711 bis 1776 konnte. Er meinte Tugend und Verdienst ruhe in denjenigen unserer Eigenschaften, die anderen nützlich wären. Als erster in Europa schrieb Jeremy Bentham, der es von 1748 bis 1832 tat, eine utilitaristische Ethik mit einem ausgefeilten System. Für ihn gab es nur zwei anthropologische Grundkonstanten im Leben, das Streben nach Lust und das Vermeiden von Schmerz nach denen sich all unser Streben richtete. Dabei weise die Natur dem Menschen den Weg und so kam er zu einem psychologischen Hedonismus.

Von 1806 bis 1873 machte sich dann John Stuart Mill auf die Suche nach dem Glück, der heute mit Bentham als Vater des Utilitarismus gilt. Seine ganze Moral basiert auf dem Glücksgedanken, danach ist moralisch richtig und gut, was das Glück fördert. Ihm geht es darum das Glück zu maximieren und das Unglück zu minimieren. Aufgabe der Gesellschaft sei es danach das größtmögliche Glück für die größtmögliche Menge zu gewähren, wobei er Epikur lobend zitiert. Dabei lässt er die Menschen das Glück je nach Intelligenz und Sensibilität unterschiedlich bewerten.

Imanuel Kant, der zwischen 1724 und 1804 in Königsberg blieb, setzte das Glück einerseits eher mit den Prinzipien der Stoa gleich, indem er den kategorischen Imperativ zum Handlungmaßstab als Richtschnur erhebt, befreite andererseits den Menschen durch seine Antwort auf die Frage “Was ist Aufklärung?” der Preußischen Akademie, von dem Zwang sich nach einer höheren Autorität auszurichten, da jeder sich befreien müsste aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit, um moralisch zu handeln. Glück hat für ihn als Begriff nur temporäre Gültigkeit. Das er das Glück über den geglaubten Gott ins Jenseits transferiert, deuten manche so, dass es ihm weniger um das weltliche Glück ging als um die Pflicht und die Handlungsfreiheit. Dies greift jedoch zu kurz, da nach Kant die sittliche Autonomie aus der Verbindung der Antwort auf die Frage, was Aufklärung sei und der völligen moralischen Autonomie des kategorischen Imperativs resultiert, die faktisch alle Götter negiert, sie jedenfalls für ein moralisches und glückliches Leben überflüssig macht. Damit wird Glück zu einer moralischen Aufgabe, die sich in der Pflicht erfüllt.

Denke dabei an die Lebensweisheit meines Großvaters, die sein Leben in manchem prägte, das immer auch stark hedonistische Element hatte: “Ich träumte das Leben wäre Freude, ich erwachte und sah es war Pflicht und ich lebte und siehe, die Pflicht ward Freude.” Wie wir also das Glück definieren und sei es in Pflichterfüllung, obliegt uns selbst in unserer durch Kant ausgedrückten sittlichen Autonomie, die wir durch den Geist der Aufklärung erreichen. Wichtig ist ihm darum nicht, was Glück ist und wie wir es erreichen, weil das eben jeder, der sich aus seiner Unmündigkeit befreite, selbst entscheiden müsse, es für jeden anders ist, sondern, dass es einen Weg gibt, mit dem die größte Menge das größtmögliche Glück miteinander erreichen kann. So gesehen hat Kant weniger das Glück benannt als eine Methode gezeigt, die uns glücklich leben lässt. Diese Sicht wird aber von gläubigen Menschen gern bestritten, denen andere Äußerungen, die Kant als preußischer Beamter tat, wichtiger erscheinen als der Kern seines freiheitlichen Denkens, der zum Glück führen soll.

Arthur Schopenhauer, der zwischen 1788 und 1860 grummelte, war der Überzeugung, dass es der angeborene Irrtum der Menschheit sei, “dass wir da sind, um glücklich zu sein”, womit er mit seiner eher pessimistischen Grundüberzeugung schon jedem Glücksstreben entgegen steht. Glück liegt für ihn darin, die Ausbildung der eigenen Persönlichkeit in den Mittelpunkt zu stellen, warum für ihn Schmerz und Langeweile die größten Feinde des Glücks seien. Dass ihn dieser Weg besonders glücklich machte, ist nicht bekannt geworden.

Dagegen träumte Friedrich Nietzsche zwischen 1844 und 1900 vom Übermenschen, der er erst für viele philosophisch wurde, als den inzwischen staatenlosen, geborenen Preußen schon der Wahnsinn gepackt hatte und er zum Pflegefall in Weimar geworden war. Zunächst von Schopenhauer begeistert, wandte er sich später von dessen Pessimismus ab und zu einer grundsätzlichen Lebensbejahung hin. Für ihn ist das Glück eine Sache, die den Menschen wesensmäßig innewohne, immanent da sei. Die Fixierung auf Sittengesetz oder Moral lehnt er als zu eng ab. Epikur findet seine Zustimmung, da er ihn als lebensbejahenden Menschen sieht. In Menschliches, Allzumenschliches formuliert er die drei Säulen des menschlichen Glücks seien, das Gewohnte, der langsame Pfeil der Schönheit und der Unsinn, der sich in der Freude am Lachen, diesem natürlichen Ausdruck des Glücks zeigt.

Dagegen stellte sich Bertrand Russell, der zwischen 1872 und 1970 philosophierende Earl of Russel, der teilweise auch utilitaristisch dachte, die Frage, wie das Glück des einzelnen im Verhältnis zur Gesellschaft steht. Nach Russell geht es nach der Klärung der elementaren Bedürfnisse vor allem um zwei Dinge im Leben, die Arbeit und sie sozialen Beziehungen. Er glaubt, die Gesellschaft sei entscheidend für das Glück ihrer Mitglieder, je nach Gesellschaftsordnung seien die Menschen in ihr glücklich oder unglücklich. Nachdem er aber feststellte, dass Angst im Alltag für viele wichtiger ist als Hoffnung, bemerkte er, dass am Ende das Glück mehr im Individuum als im Staat liegt. Darum auch glaubt er, dass alle Reformen überflüssig seien, wenn die moralische Erneuerung im Einzelnen beginne.

Der zeitweise seiner jüdischen Abstammung wegen aus Deutschland vertriebene Ludwig Marcuse, der von 1894 bis 1971 auch über das Glück nachdachte, schrieb sogar eine ganze Philosophie des Glücks, in der er feststellt, dass es so viele Ansichten über das Glück wie Philosophen gibt. Für ihn ist Glück etwas eigenständiges ist und nicht nur kein Unglück, um es als etwas positives ohne Definition an sich stehen zu lassen, weil es ist, was es ist.

Dagegen wiederum stellt sich Georg Römpp, der die Nützlichkeit des Glücks als Ziel in seinem Anti-Glücksbuch infrage stellte. Er findet dabei 6 Gründe, warum dieses Streben für den Menschen nicht nützlich sei.

“ (1) weil der Mensch damit nach einem ‚Ganzen’ strebt, obwohl das Leben aus Einzelheiten besteht,
(2) weil der Mensch sich damit an etwas zu Allgemeines hält und deshalb den Kontakt mit dem Wirklichen und Individuellen verliert,
(3) weil der Mensch damit das eigene Leben und auch das Leben anderer Menschen messen und vergleichen will und alles Leben auf diese Weise in einem geschlossenen Horizont zu bewerten beginnt,
(4) weil der Mensch damit andere Menschen nicht mehr in ihrer Individualität akzeptieren kann und auch sich selbst von fremden Perspektiven her auffasst,
(5) weil der Mensch sich damit ein falsches und starres Selbst zuschreibt, das er auf eine unfreie Weise zu verwirklichen sucht, und
(6) weil der Mensch damit seine Freiheit gefährdet, indem er den Zwang akzeptiert, auf solche Weisen ‚glücklich’ werden zu müssen, die in der Tradition entstanden sind oder von anderen Menschen vorgeschrieben werden.”

Nach Römpp muss also nicht das Glück Ziel der Kunst des Lebens sein. Dem Glück setzt er die Kunst des Lebens positiv entgegen, weil sie individuell sein könne. Damit erreicht er letztlich eine zwar systematische auch soziologisch bedingte Kritik des Begriffes Glück, in dem er das erstrebte Kunst des Lebens nennt und sie individueller mutmaßt, was aber im Ergebnis nur noch eine begriffliche Frage ist - für ihn ist Glück eben die Kunst des Lebens und dem würde ein Epikur sicher zustimmen, ohne das Glück infrage zu stellen, was auch nur eine Form der marktgerechten Positionierung ist.

Glück ist vielfältig, ob wir es nun ablehnen oder erstreben, negieren oder bejahen, deutet schon das Streben nach dem einen oder anderen auf ein natürliches Bedürfnis nach Erfüllung hin. Egal wie wir Glück nennen oder nicht nennen, ist das damit erstrebte das immer gleiche und so verschieden wie eben alle Menschen, was nur den wundert, der feste Weltbilder im Kopf hat, die allen Menschen übergestülpt werden sollen, wie der eine Glauben oder die wahre Verheißung und genauso ihr negatives Gegenbild.

Weiß nicht, was das Glück sein soll, spüre nur, wo ich glücklich bin und strebe danach, es zu bleiben, was mehr könnte ich je vom Leben wollen?
jens tuengerthal 27.4.2016

Achtsamkeitsglück

Aufeinander achten ist ein Glück
Achtung ist noch nicht achtsam
Unachtsam macht unglücklich
Achtet Liebe auf den anderen
Weil sein Glück das eigene ist
Oder ist Liebesglück achtsam
Weil es einfach ist was es ist
Müssen wir Achtsamkeit üben
Weil nichts selbstverständlich ist
Können wir natürlich lieben
Weil es unsere Natur ist
Macht uns das glücklich
Zählt dabei mehr wie du oder ich
Wie halte ich den Zauber
Wenn ich ihn unachtsam riskiere
Was macht dich glücklich
Genügt ein Versprechen dafür
Wer hat sich was versprochen
Weiß ich was dein Glück ist
Was tue ich damit es bleibt
Weiß wohl wenig außer
Wie sehr du mein Glück bist
Wäre gern immer deines
Wüsste ich wie aber
Was weiß ich schon
Achtsam sein will ich
jens tuengerthal 26.4.2016

Glückslogik

Ist Glück logisch oder nie?
Suchen wir logisch danach?
Gehört es zu unserer Natur?
Ist natürlich auch logisch?
Warum zweifeln wir daran?
Kann Glück unzweifelhaft sein?
Machen Zweifel glücklich?
Verzweifelt wer daran zweifelt?
Wer ist fraglos glücklich?
Sind Fragen schon Zweifel?
Was wollen wir sein?
Wo sind wir glücklich?
Wann sind wir es?
Wie bleiben wir es?
Warum sind wir es?
Tun wir genug dafür?
Täten wir besser weniger?
Wie wenig genügt uns?
Reicht es zu wollen es zu sein?
Was zählt außer Liebe?
jens tuengerthal 26.4.2016

Dienstag, 26. April 2016

Kulturgeschichten 0202

KataStrophen

Warum machen Menschen Dinge, die anderen schaden?

Lernt die Menschheit  aus selbstverursachten Katastrophen je?

Wohin zielt, wer Vernichtung will oder riskiert?

Welches Glück liegt in der Katastrophe?

Wenn Gernika  und Tschernobyl zusammenfallen, was sie nun seit 30 Jahren tun, fragt sich, welche Katastrophe wir angemessen würdigen, ob es eine Verbindung zwischen beiden gibt, außer Tod und Zerstörung.

Das eine absehbare Katastrophe als Folge der Verwendung nur begrenzt beherrschbarer Technik in unbeherrschbarer Natur, das andere die gewollte Zerstörung aus ideologischer Wut und Rache.

Das eine verheerte eine ganze Region bis heute und immer noch leiden die Menschen an den Folgen. Das andere ist als Teil des spanischen Bürgerkriegs Geschichte und Spanien unter den Bourbonen wieder zur Demokratie zurückgekehrt.

Am 26. April 1937 wurde die baskische Stadt Gernika im spanischen Bürgerkrieg bei einem Angriff durch die deutsche Legion Condor unter Wolfram von Richthofen und die italienische Corpo  Truppe  Volontarie völlig zerstört. Das angebliche militärische Ziel, die Renteria-Brücke, blieb dabei jedoch unbeschädigt. Die verbündeten Faschisten wollten Franco gegen die aufständischen Basken unterstützen und deren Widerstand endgültig brechen. Dieses Kriegsverbrechen inspirierte Pablo Picasso zu seinem Monumentalgemälde Guernica. Bei dem folgenden Großfeuer kamen hunderte von Menschen ums Leben. Es war der Bombenterror faschistischer Mächte zugunsten einer Bürgekriegspartei, die den Widerstand der stolzen Basken brechen sollte, in dem es ihre Freiheit ignorierte und einfach zerstörte.

Am 26. April 1986 kam es in Block 4 des Kernkraftwerks zur Nuklearkatastrophe von Tschernobyl nahe der ukrainischen Stadt Prypjat. Diese nur 4km vom Reaktor gelegene Stadt hatte zum Zeitpunkt der Katastrophe fast 50.000 Einwohner und ist, da in der 30km unbewohnbaren Sperrzone gelegen, heute eine Geisterstadt und wird mindestens die nächsten 300 Jahre unbewohnbar bleiben. Dennoch gibt es inzwischen wieder starken Tourismus zu diesem Mahnmal der Anti-AKW-Bewegung, bei dem die UN überlegt, es zum Weltkulturerbe zu machen.

Auf der internationalen Skala zur Bewertung von nuklearen Ereignissen wurde Tschernobyl als katastrophaler Unfall kategorisiert. Bei der bloßen Simulation eines Stromausfalls kam es, aufgrund schwerwiegender Verstöße gegen Sicherheitsvorschriften, zu einem unkontrollierten Leistungsanstieg und der anschließenden Explosion des Reaktors, bei der das als Moderator verwendete Graphit in Brand geriet. Innerhalb der ersten zehn Tage nach der Explosion wurde eine Aktivität von mehreren Trillionen Bequerel freigesetzt. Die dadurch in die Erdatmosphäre gelangten radioaktiven Stoffe kontaminierten zunächst die Region nördlich des Kraftwerks und sodann viele Länder Europas durch radioaktiven Niederschlag.

Nach der Katastrophe begannen die Liquidatoren mit der Dekontimination der betroffenen Gebiete. So wurde ein aus Stahlbeton bestehender Schutzmantel errichtet, der meist als Sarkophag bezeichnet wird. Über die weltweiten gesundheitlichen Langzeitfolgen wird seit Jahren gestritten. Die WHO geht von 8000 Todesopfern aus, davon sind 4000 direkt zuzuordnen und weitere 4000 später an den Folgen verstorben. Nach dem später in Auftrag gegebenen The Other Report On Tschernobyl, einer Studie im Auftrag der Grünen Europa Abgeordneten Rebecca Harms, ist bis zum Jahr 2056 von einer Zahl von bis zu 60.000 Toten infolge der Reaktorkatastrophe auszugehen. Diese Studie behauptet jede Strahlung wirke linear unabhängig von der akuten Menge, dafür gibt es jedoch keine Belege, im Gegenteil zeigt die Natur, wie Organismen sehr gut kleine Mengen an Strahlung verarbeiten können - die Studie heizte jedoch die Debatte um die Nutzung der Kernkraft stark an, verbreitete massiv Angst.

Infolge der Katastrophe wurden insgesamt 326.000 Menschen umgesiedelt innerhalb der ersten vier Jahre. Bis zum 4. Mai 1986 waren bereits 116.000 Menschen evakuiert worden aus der erst nur 10km Sperrzone. Bis heute ist ein Gebiet von 4300km² vollständige gesperrt. In diesem Kreis von etwa 37km Durchmesser ist auf Dauer kein Leben möglich. Die staatlichen sowjetischen Organe reagierten zunächst mit Desinformation und einer Unterschätzung der Lage. Parteichef Gorbatschow berief erst, nachdem am nächsten Tag gefährlich hohe Strahlenbelastungen in der Umgebung gemessen wurde, überhaupt einen Katastrophenstab ein und schickte Experten an den Unglücksort. Die Bevölkerung außerhalb der Evakuierungszonen wurde noch nicht informiert, um eine Panik zu vermeiden. So befanden sich während der bald Maifeiern viele Menschen im Freien und wurden einer lebensgefährlichen Belastung ausgesetzt. Insgesamt wurden in Europa 3.900.000km², also etwa 40% der Gesamtfläche durch Regen und anderes radioaktiv belastet, was bis heute eine Nutzung der landwirtschaftlichen Produkte einschränkt. Am stärksten außerhalb der ehemaligen Sowjetunion waren Österreich und Teile Süddeutschlands betroffen. In Teilen Süddeutschlands ist die Kontamination von Wild, Waldprodukten und Beeren noch rund zehnmal höher als im Norden Deutschlands und überschreitet auch die zulässigen Grenzwerte immer noch um das zehnfache.

Während in der Bundesrepublik infolge die Grünen und die Anti-AKW-Bewegung stärker wurden, verschwieg die DDR ihren Bürgern offiziell weitgehend die Gefahren. Erhöhte Messwerte wie etwa in Magdeburg wurden unterschlagen. Die Bürger der DDR freuten sich an dem plötzlich reichhaltigen Angebot an Obst und Gemüse aus  Sowjetrepubliken, das auf westlichen Märkten nicht mehr absetzbar war. Bis heute firmieren Pfifferlinge aus Weißrussland, die noch lange zu hoch belastet sind, unter Litauen oder Ungarn. Zur Umgehung der Grenzwerte werden belastete und unbelastete Mengen gemischt, um die Zahlen zu drücken. Wer Pfifferlinge aus Osteuropa kauft, muss mit einer deutlich erhöhten Dosis rechnen, wie schädlich diese ist, ob überhaupt und woran das liegt, ist äußerst umstritten.

Die Angst vor Verstrahlung, die teils hysterische Züge annahm, ist in manchem der vor Überfremdung bei den Anhängern der Pegida Bewegung vergleichbar. So war die Bereitschaft zur Gewalt im Rahmen dieser Bewegung um Wackersdorf oder das mögliche Endlager im Wendland deutlich erhöht, der zivile Ungehorsam, der teils terroristische Ausmaße annahm, wurde als eine Art Lebensrettung gesehen, der vieles verziehen wurde, was ähnlich paradox anmutet, rechtstaatlich betrachtet wie die Argumente von Pegida-Anhängern zum Grenzschutz. Menschen, die sich aus dem Gefühl heraus von einer unsichtbaren Gefahr bedroht sehen, sind selten vernünftigen Argumenten zugänglich und gleiten teilweise in eine hysterisch bis panische Stimmung ab. Argumente werden durch Glauben ersetzt und Gegner sind Feinde, die es zu bekämpfen gilt.

Auch wenn die Atomkraft gefährlich ist, keine Zukunft hat, ihre Entsorgung ungesichert bis heute ist, fragt sich weiterhin, ob die stark emotionale Beteiligung dabei nicht heute ihre Fortsetzung in der Pegida-Bewegung findet und unter den naiven AfD Anhängern, die gerade die Grünen als linksgrünversifft und gefährlich bezeichnen, was an die Äußerungen voller Hass aus Teilen der linken Szene der 80er erinnert, nur eben auf der anderen Seite.

Aus Tschernobyl wurde von der deutschen Regierung unter Helmut Kohl, der noch bis 1989 weitere Atomkraftwerke bauen ließ, wenig gelernt. Einzig der Testreaktor in Jülich, der ebenfalls mit dem brennbaren Graphit betrieben worden war, wurde abgeschaltet, da eine der Hauptursachen in Tschernobyl eben dieser Reaktor war.

Außer Deutschland zeigt sich bisher kein Land zum radikalen Atomausstieg entschlossen, den die Kanzlerin nach der Katastrophe von Fukushima erstmals auch für die CDU bestätigte, nachdem Grüne und SPD ihn zuvor unwiderruflich beschlossen hatten, dahingestellt, ob die Physikerin dies aus Überzeugung tat oder Gründen des Opportunismus entsprechend.

Es gibt sicher mehr Gründe, die gegen die Nutzung der Kernenergie sprechen, als je dafür gefunden werden, warum in Summa das Ende gut so ist, zumal es kein Staat, wie sich zeigte, für sich entscheiden oder alleine verantworten kann. Um Fukushima gibt es Gebiete, die mindestens 10.000 Jahre zu verstrahlt sind, um menschliches Leben dort zu ermöglichen.

Wer kann die Verantwortung für eine Entscheidung übernehmen, die das Leben der Menschen die nächsten 100.000 Jahre betreffen kann, wenn wir sehen, wie lange Plutonium gefährlich strahlt?

Wir haben über tausende von Jahren Europa kultiviert und dann machen wir es für die nächsten hunderttausend Jahre unbetretbar, für ein wenig Energie, die uns günstig schien, weil keiner die Folgekosten kalkulierte?

Auf 9,2 Milliarden Rubel, was damals 12,6 Milliarden Dollar waren, summierten sich die Kosten und Folgekosten, die immer noch jährlich 5-7% des ukrainischen Staatshaushaltes ausmachen. Dabei nicht mitberechnet sind die gesundheitlichen Schäden in Ländern, die nicht zur Sowjetunion gehörten. Bei Fukushima hat schon allein der Betreiber Tepco sehr vorsichtig und zurückhaltend die Kosten auf 100 Milliarden geschätzt.

Jenseits der moralischen Perspektive gibt es wenig vernünftige, ökonomische Gründe solch ein Risiko einzugehen, müsste es privat finanziert und versichert werden und wären nicht die dafür gebildeten Rücklagen staatlich abgesichert worden. In der UDSSR, die keine Privatwirtschaft offiziell hatte, ohnehin nicht, aber auch auf dem freien Markt schiene ein solches Verhalten eher absurd, wäre da nicht das verbotene aber hoch lukrative Geschäft mit dem hochangereicherten Uran, mit dem sich kleine Diktatoren gerne in die Reihe der Supermächte katapultieren wollen.

Kurz gesagt, Atomkraft ist unsinnig, hätten wir nicht schon die Kraftwerke, weil sie halt eine Bombensache sind und solange nichts passiert und die laufen, wird sich wohl kaum etwas ändern. Ob die Verbrennung von Kohlenwasserstoffen in Kohlekraftwerken so viel sinnvoller ist, fragen viele schon lange, nur da scheinen die Kosten kalkulierbarer, sehen wir vom Klimawandel ab, von dem wir immer noch viel mutmaßen und wenig wissen und der uns womöglich viel teurer zu stehen kommt als alle bisher atomaren Katastrophen.

So fragt sich, wie wir der ewigen Energieschleife entkommen könnten, um selbst unseren Teil dazu beizutragen. Sollten wir unseren Frühsport zur Energieproduktion nutzen auf dem Trimmrad, das ans Netz angeschlossen wird - was ergäbe das wohl in Summa?

Ist es normal, in den Urlaub zu fliegen, im Winter Erdbeeren zu essen, Weltenbummler zu sein oder sind das eigentlich diejenigen, die zerstören, was sie zu bewundern vorgeben?

Wird etwas besser oder richtiger, weil alle es tun?

Was wäre eine Alternative aus der tödlichen Schleife?

Ist die Entdeckung der Langsamkeit eine Möglichkeit nachhaltig glücklich zu werden?

Bevor Gernica ganz vergessen wird auf der Umweltschiene, ein früherer Bürgermeister sagte dazu, die Stadt sei nicht berühmt geworden, weil sie bombadiert wurde, sondern wurde bombadiert, weil sie berühmt war. Rousseau meinte dagegen, “in Guernica leben die glücklichsten Menschen, ihre Angelegenheiten regeln sie durch eine Körperschaft von Bauern unter einer Eiche und stets verhalten sie sich klug”. Berühmt aus dieser Stadt wurden nur ein Fußballer und sechs Radfahrer, ansonsten spricht mehr für Rousseau als für den Bürgermeister. Gernica wurde bombadiert, weil dort glückliche Menschen lebten, die mit diesem Leben zufrieden sind, freie und glückliche Menschen sind von Faschisten nicht ansprechbar und bedeuten eine Gefahr für alle Ideologen, denen die Energie verkaufen wollen, wie denen, die das Leben auf globalen Märkten einfach verwaltbar machen wollen, damit die Gobal Player überall ihre eigentlich überflüssigen Produkte mit immer mehr Energieverbrauch einem gierigen Publikum vorwerfen können.

Die Ersatzreligion Apple ist ein Beispiel dafür wie mit hohem ständigen Enegieaufwand in jährlichen Zyklen eigentlich überflüssige Dinge auf den Markt geworfen werden, die von den Nutzern kultisch verehrt werden, gerade aufgrund ihrer scheinbaren Lebendigkeit, wie sie etwa Siri demonstriert. So wurde eine Klitsche für Rechenmaschinen zum Kultobjekt und macht Nutzer freiwillig ständig durchsichtig, was nun ein Schattengefecht mit einer Staatsanwaltschaft tarnen sollte, als hätten sie nicht längst all unsere Daten an entscheidendere Institutionen im Geheimen verkauft und dies Misstrauen gegenüber rechtsstaatlich agierenden Gerichten scheint dagegen eine verlogene Marketingstrategie, der sie nur aus Sicht der Gläubigen zu wieder Kultfiguren machen soll, weil Gläubige eben sehr selten kritisch denken.

Fragen wir uns wirklich oft genug, worauf es ankommt und was zählt?

Was macht Glück gerade auch im Schatten zweier Unglücke aus?

Warum lassen wir uns lieber am Markt instrumentalisieren, statt in uns zu gehen und uns Zeit zu nehmen, herauszufinden, was uns glücklich macht?

Wer nach dem Glück sucht und zu genießen versucht, was ist, wird eher Katastrophen vermeiden. Epikur formulierte schon 300 vor Christus, auf was es ankommt, wenn wir das Glück finden wollen Lukrez hat es genial in Verse gefasst. Einen Garten mit Freunden, ein Brot, ein wenig Käse und einen Wein, mehr braucht es nicht, um mit dem Streben nach Lust glücklich zu  werden.

Lust heißt Unlust und also auch Katastrophen vermeiden meinte Epikur, um sich bescheiden in eine kleine Welt zu fügen, die wir so groß denken, wie es uns gefällt - genießen können, was ist und dies voller Lust tun, wie ich dankbar in einen Apfel beiße, seine frische Säure genieße, dazu einen Butterkeks esse, als Gegenstück zur Säure und für das Gleichgewicht und einen Tee trinke, der mit Ruhe bereitet, sich groberen Dingen unterordnet, um fein zu bleiben - lustvoller Genuß, liegt in Kleinigkeiten, die wir zu  würdigen wissen als das Glück des Lebens, um zufrieden zu genießen, scheint es mir.

Lustvoll bescheiden verbraucht wenig Energie und könnte um so mehr Glück bergen, wenn ich es wage, zu genießen, was ist. Wie die Epikuräer als erste und lange einzige Schule überhaupt Frauen zuließen als Mitglieder ihres Kreises, zeigen sie, auf was es ankommt und warum die im Glück zufriedenen allen Ideologen und Extremisten ein Dorn im Auge sind.

Was wessen Lust befriedigt und wie es sich wer gutgehen lässt, ist dabei weniger wichtig, als der Gedanke der Reduktion bei der Suche. Das weniger mehr sei, ist nur das eine Element, nicht umsonst lehnten die Stoiker, diese doppelmoralischen, gern tugendhaften Lustfeinde die Epikuräer ab, diskriminierten sie als wollüstig und nur der Lust zugewandt, womit sie sicher auch Recht haben, fraglich nur, was daran schlecht oder unmenschlich sein soll und auf was sonst es im Leben ankommt.

Neulich sprach ich mit einer lieben Freundin, einer gutaussehende Ärztin, die tut, was sie immer wollte, ein gesundes Kind und einen Garten hat und dennoch gern hadert und sich zugleich fragte, warum eigentlich, wo sie doch eigentlich alles hat, wovon andere sonst träumen. Keine Geldsorgen, ab und an schönen Sex, eigentlich könnte sie zufrieden sein, meinte sie, eigentlich und vielleicht ist es dieses eigentlich, was den Schlüssel von der Katastrophe zum Glück enthält habe ich mich danach gefragt.

Von der Katastrophe zum Streben nach Glück scheint manchen sehr fern liegend, nichts scheint mir naheliegender. Wenn ich sehe, etwas funktioniert nicht oder ist in einer Bewegung, die sich schadet, wie die Menschheit in ihrem Wahn nach Energie, der eben Katastrophen auslöst, und immer mehr Tempo bei der Überwindung von Distanzen, der schon katastrophal an sich ist, frage ich mich, was macht glücklicher, wie ginge es besser und überlege, wie könnte ich leben, um glücklich zu sein.

Weniger Bewegung und mehr Genuss am Ort, an dem ich mich befinde, statt Beschleunigung und Gewinnmaximierung. Brauche nichts und will immer weniger und bin damit immer zufriedener, denke ich gerade, statt mich zu fragen, wieviel schöner es so oder so doch sein könnte, tue ich so, als sei dies einfach alles Glück der Welt mit dem Apfel, dem Butterkeks, meinem Tee und einem guten Buch vielleicht. Was sollte ich noch erwarten?
jens tuengerthal 26.4.2016

Glückstraum

Was ich möchte ist
Wenig und alles wohl
Das Glück mit dir teilen
Es lieber leben statt sich
Belehren was richtig ist
Lieber lieben statt sich
Ungeduldig Vorwürfe machen
Eins sein statt getrennt zwei
Die sich durchsetzen wollen
Will nicht mit dir kämpfen
Will dich nicht verändern
Will dich lieber begehren
Will glücklich mit dir sein
Um mehr geht es mir nicht
Denke ich an den Zauber
Wie dein Lächeln am Anfang
Wächst die Sehnsucht
Dies wieder zu teilen
Auch ohne zu singen
jens tuengerthal 26.4.2016

Vorleselust

Immer vor dem einschlafen
Meist schon nach der Lust
Manchmal wieder davor
Weil immer sehnsüchtig
Nach unserer größten Nähe
Habe ich dir vorgelesen
Teilen wir die Geschichten
Wanderten Seite um Seite
Mit den Geschichten
In unsere je Träume
Getragen von geteilten Worten
Kenne nichts schöneres
Als sich angekuschelt vorlesen
Möchte bald wieder mit dir
In geteilten Büchern leben
Voller Lust am Wort
Während der Regen fällt
Der Samowar brummt
Ist mein größtes Glück
Dein Vorleser zu  sein
jens tuengerthal 26.4.2016

Montag, 25. April 2016

Kulturgeschichten 0201

Begrenzt

Während Pegiden, AfDler wie Seehofers schreien die Regierung solle die Grenzen dicht machen, fragt sich immer mehr, welche Grenze eigentlich und warum überhaupt noch Grenzen in einer globalisierten Welt, was die erreichen, die  Mauern wollen und welche Beschränkung sie damit ausdrücken. Nachdem Präsident Obama gerade ein ihr fast peinliches Loblied auf die Kanzlerin sang, die auf der richtigen Seite stünde, könnten ihre hysterischen Kritiker nachdenklich geworden sein, dächten sie überhaupt und fühlten sie sich nicht in ihrer eben begrenzten Angst vor der bösen Verschwörung nur durch alles bestätigt.

Was sollen Grenzen und wem nutzen sie?

Auch die deutsche Grenze ist ein Lehnwort aus dem altpolnischen, eigentlich slawischen Ursprungs und meint den Rand eines Raumes, ein Trennwert, eine Trennlinie oder eine Trennfläche. Grenzen können geografisch, wirtschaftlich, privat oder öffentlich sein. Am weitesten klaffen gerne die kulturellen und die staatlichen Grenzen auseinander -  wobei die Kultur tendenziell eher grenzenlos ist. Ähnlich unbestimmbar sind manche Grenzen jenseits der geometrisch bestimmbaren Räume etwa die üblichen Verhaltensweisen, nach Treu und Glauben oder die Intimssphäre. Letztere ist zu einem rutschigen Parkett in Zeiten der sexuellen Korrektheit geworden, die deutlich macht, wie schnell Grenzen auch wieder verschwimmen können. So ist etwa die Handlungsfreiheit in Artikel 2 I, die eine freie Entfaltung der Persönlichlkeit garantiert, nicht nur durch die Rechte anderer, die verfassungsmäßige Ordnung sondern auch durch einen Schwamm wie das Sittengesetz beschränkt, dem Einbruchstor des gesunden Volksempfindens und ähnlich diktatorischer Formulierungen aus unserer Geschichte, die völlig unpräzise bleiben, Freiheit nach Gutdünken einschränken lassen.

Warum wird Sex, aus dem wir alle wurden, was wir sind, öffentlich zensiert, also begrenzt, ist es nicht völlig natürlich?

Wie beschränkt ist, wer sich dabei begrenzt?

Das Wort Grenze kam erst im 12. oder 13. Jahrhundert aus dem altpolnischen ins deutsche und ersetzte dort die fränkische Mark. Dazu kam es erstmals als in ottonischer Zeit die Gebiete an östliche Grenzen stießen. Ältere politische Grenzen zwischen zwei Staaten fielen oft mit schwer überwindbaren Hindernissen zusammen. Später in den Kolonialzeiten oder in den USA wurden sie auf dem Reißbrett gezogen und vertraglich vereinbart, manchmal egal, was tatsächlich dort war oder lebte. In vielen Großstädten ergeben sich die Grenzen zwischen deren Teilen aus Straßen und anderen Verkehrswegen.

Die kürzeste Landesgrenze liegt zwischen La Gomera und Marokko, sie ist nur 85m lang, während die längste zwischen Kanada und den USA 8991km lang ist, am häufigsten überquert wird die Grenze zwischen Mexiko und den USA, während die innerkoreanische als die am strengsten bewachte Grenze der Welt gilt, am einfachsten machten es sich Dschibuti und Somalia, die nur eine gerade Linie als Grenze definierten, dagegen ist die zwischen Bangladesh und Indien mit 92 und 110 je eigenen Enklaven die wohl komplizierteste Grenze der Welt.

Sogar der Luftraum über uns ist begrenzt, wird streng überwacht, damit der Luftverkehr ungestört stattfinden kann und sich keiner in die Quere kommt. Auf den weiten Meeren, nicht nur in deren Engen, gelten strenge Verkehrsregeln, fast wie beim Sex an amerikanischen Universitäten und hier spielen räumliche und moralische Überzeugungen eine wichtige Rolle, die mehr im Aberglauben als der Vernunft fußen.

Eine der ältesten noch gültigen Grenzen ist die zwischen Böhmen und Sachsen, die am 25. April 1459 Kurfürst Friedrich II. und Herzog Wilhelm III. von Sachsen mit dem böhmischen König Georg von Podiebrad in Eger vereinbarten. Diese Grenze ist zum allergrößten Teil  bis heute gültig und gehört damit zu den ältesten Begrenzungen in ganz Europa.

Der Vertrag von Eger legte die Grenze zwischen beiden Ländern auf der Höhe des Erzgebirges und in der Mitte der Elbe fest. Durch diesen Vertrag wurden die bis dahin häufiger Grenzstreitigkeiten endgültig beigelegt. Besiegelt wurde der Vertrag noch zusätzlich durch die Ehe von Sidonie von Böhmen, der Tochter des böhmischen Königs mit Albrecht dem Beherzten, dem Sohn des Kurfürsten im November 1459.

Die einzige Veränderung an der Grenze erfolgte 1546 als sich Herzog Moritz und König Ferdinand nach dem Schmalkaldischen Krieg die Herrschaft Schwarzenberg als Kriegsbeute teilten.

Sich einigen lohnt sich und kann Bestand haben, wie das sächsisch, böhmische Beispiel zeigt. Kämpfe um Grenzen und ihre ständige Verschiebung, wie wir sie etwa im Elsass, in Burgund oder überhaupt am Rhein sahen, forderte meist mehr Opfer, als es territorialen Gewinn dem einen oder anderen brachte. Auch Napoleons Größenwahn fielen mehr Menschen in kurzer Zeit zum Opfer als er Frankreich trotz code civil je an Nutzen brachte. Die Eroberung von Elsass-Lothringen durch das Deutsche Reich 1870/71 stand auch unter keinem guten Stern und führte zu dem Gemetzel von Verdun ab 1914, in dem auch mein Urgroßvater liegen blieb als preußischer Schuldirektor, junger Vater von fünf Kindern und Offizier. Viele solcher Schicksale liegen in Grenzgebieten oder blieben dort liegen, ohne eine Heimat zu finden.

Europa hat die Grenzen intern überwundern und wurde nach dem Fall der Mauer zum Anziehungspunkt für die Staaten Osteuropas, die bei dem grenzenlosen Erfolgsmodell der Integration, das mit den Verträgen von Rom begann und mit dem Vertrag von Maastricht, fußend auf der deutsch-französischen Freundschaft seinen bisherigen Höhepunkt fand, der in der Währungsunion gipfelte, die manche schon kurzsichtig verfluchen, weil der Aberglaube kleinstaatliche, nationale Lösungen seien ein Gewinn, schwer auszurotten ist.

Hatte die Grenzen überwunden, bis es zur ersten Krise kam, es etwas kostete, zusammenzugehören und gegenseitige Solidarität gefragt war, um Probleme gemeinsam zu lösen. Da wurden die nationalen Kräfte überall laut und pochten auf ihr gutes Recht und ähnliche dem Zusammenleben eher abträgliche Dinge. Griechenland und die Flüchtlinge überforderten viele Europäer. Der schlicht preußische oder schwäbische Sparkurs der Kanzlerin löste Hass aus, der sich in Bewunderung verkehrte, als sie zur Mutter der Flüchtlinge sich wandelte und intern dafür teils pathologischen Hass auslöste, der überall die nationalistischen Kräfte mit populistischen und ausländerfeindlichen Parolen stärkte.

Es stellen sich zur Zukunft Europas und der Grenzen viele Fragen, über die nachzudenken, den Weg zu Lösungen erleichtern könnte. Sie sind nicht abschließend und ich möchte und muss keine Antworten geben, bin an keine Partei gebunden, sondern frage als begeisterter Europäer nach der Zukunft unseres Miteinander und den Alternativen. Wohin es mit diesem Europa gehen soll, ist gerade so unklar, wie seit Jahrzehnten nicht mehr.

Was hat Europa mit rechtsradikalen Polen oder Ungarn zu tun, die Grundrechte aushebeln und teils Minderheiten diskriminieren, Grenzen und Zäune bauen?

Wie soll ein gemeinsames Europa funktionieren, das einerseits der Türkei den Beitritt anbietet und andererseits eine Wählergruppe von fast ⅓ hat, die radikal islamfeindlich ist?

Bedeutete eine Integration der Türkei mit der Verpflichtung zur Freiheit für Christen dort wie die Bindung an europäische Menschenrechte einen Fortschritt?

Braucht Europa Grenzen, weil es ein geographischer Kontinent mit kultureller Harmonie ist?

Was sind geografische Grenzen für Menschen jenseits dieser?

Endet Europa einerseits sicher im Meer, anderseits lange nicht am Ural?

Was sagt es über Europa, wenn es wichtiger ist, wo es endet, als was es ausmacht?

Wie kann die Ukraine aber nicht Rußland dazu gehören und bis zu welcher Grenze?

Kann die Mongolei auch EU-Mitglied werden, wenn Wladiwostok eine EU-Metropole würde im weltgrößten Freihandelsraum?

Welchen Gewinn bringen Grenzen, die einer Exportwirtschaft immer nur schaden?

Kann ein grenzenloses Europa mit so begrenzten Einwohnern wie den Anhängern von Pegida, AfD, Fron National, FPÖ und ähnlichen Populisten erreicht werden?

Welche Alternative hat der Kontinent auf globalen Märkten als den Abbau von Grenzen?

Zu wessen Lasten verteidigen manche Europäer ihren Wohlstand?

Wohin führt eine Schließung der Grenzen?

Wie sollen europäische Sozialsystem auf Dauer bei schrumpfender Bevölkerung funktionieren?

Soll eine reiche Elite sich selbst versorgen und den Rest an der Grenze erschießen?

Was wäre aus Europa ohne offene Grenzen nach dem Untergang Roms geworden?

Wohin kämen wir, wenn es keine Grenzen mehr gäbe?

Muss nicht der für einen Schaden haften, der ihn verursacht, sollten also die weltweit größten Waffenexporteure aus Europa, nicht moralisch nur sondern rein sachlich zur Hilfe verpflichtet werden?

Wie bekommen wir die Missgunst aus den Köpfen der Bürger?

Wann können Menschen gönnen?

Was tut jeder von uns für Europa und den Frieden?
jens tuengerthal 25.4.2016

Welterforscher

Sir Francis Drake
William Shakespeare
Neil Mac Gregor
Fahren schauen forschen
In und um die Welt um
Von ihr zu erzählen
Verbinden sie nautisches
Mit historischem als Geschichte
Unserer Welt zwischen Welten
Die enger zusammenhängt
Als manche beschränkt ahnen
Die noch in Grenzen denken
Glauben es käme auf sie an
Für den kleinen Moment
Den wir genießen könne
Mehr ist es nicht wohl
Darum liebe ich meine
Schauspielerin die Nautikerin
Ist und viel mehr ungebunden
Weil wir Welten teilen
Ohne sie neidisch zu begrenzen
Lieber liebevoll beglücken
jens tuengerthal 25.4.2016

Hafengefahr

Dich zu hören kurz bevor
Du auf die Brücke gehst
Weil ihr in den Hafen fahrt
Ist seltsam beruhigend
Auch wenn die Gefahr
Wie der immer Stress
Im Hafen viel größer ist
Als auf See bleibt doch
Das Gefühl vom sicheren Hafen
In dem nicht die Natur herrscht
Stärker als Vernunft und Erfahrung
Wie deine Stimme wieder im Ohr
Nach signallosen Tagen entlang
Der Küste Westafrikas schön ist
Schöner nur noch ist die spürbar
Geteilte Sehnsucht nacheinander
Sich nicht haben und sich haben
Ist ein Balancieren auf der Grenze
Großer Gefühle immer wieder
So wogen in mir wie sonst das Meer
Unter dir Sehnsucht und Sorge
Wer eine Seefrau liebt muss wohl
Einsakeit und Gefahr ertragen
jens tuengerthal 25.4.2016

Glücksschmerz

Langsam wird es lang
66 Tage bist du nun weg
Liege allein in meinem Bett
Sehne mich nach dir
Um dich nah zu spüren
Auch wenn du immer da bist
Irgendwo tief in mir
Möchte ich dich umarmen
Deinen Atem schlafend hören
Während um dich die Wellen
Wogen durch die Nacht
Höre ich entfernt die Bahn
Manchmal welche im Hof
Morgen hören wir uns wieder
Schmerzvoll ist die Sehnsucht
In der immer Einsamkeit
Wo ein Teil von mir fehlt
Doch wie schön ist es
Diesen Schmerz zu teilen
An dein Lachen zu  denken
Wenn du mich küsst
Liebe ist nur  ein Gefühl
Lebendig in der Sehnsucht
Wächst sie gerade fühlbar
jens tuengerthal 24.4.2016

Sonntag, 24. April 2016

Kulturgeschichten 0200

Glaubensgemetzel

Gemetzel um des Glaubens willen ziehen sich durch die Geschichte der Menschheit und als im 20. Jahrhundert die Ideologien den Glauben ersetzten metzelten sie, technisch fortgeschritten, effektiver als je in der Geschichte.

Karl V., der berühmte Kaiser in dessen Reich die Sonne nie unterging, hatte in jungen Jahren seine ersten Erfahrungen damit gesammelt. Am 24. April 1521 wurde Juan de Padilla gemeinsam mit den anderen Anführern des Comuneros Aufstandes hingerichtet. Dies geschah genau einen Tag nach deren Niederlage in der Schlacht von Villalar.

Dem Gemetzel ging ein Aufstand der Bürger voraus, die sich gegen die 1516 begonnene Herrschaft Karls wehrten, der in Spanien Karl I. war, vor allem aber gegen dessen Steuererhöhungen, da er Geld für Truppen brauchte, nach seiner Krönung auch noch zum Habsburger Kaiser schlug ihm viel Gegenwind vor allem aus Frankreich entgegen, gegen den er sich militärisch wehrte. Karls chronische Geldsorgen und seine Säumigkeit beim Bezahlen seiner Truppen führten später sogar zum Sturm auf Rom und dort zum berüchtigten Sacco di Roma, aber das ist eine andere Geschichte, in der es aber auch um die Macht im Reich und in Italien ging.

Karl war nicht in Spanien, als es zum Aufstand kam sondern in Flandern. Die Spanier misstrauten dem jungen Flandern, der in Brügge geboren, sich lieber noch dort im Norden aufhielt. Er war der Enkel von Ferdinand und Isabella, die Spanien erst durch die Vereinigung der Häuser von Kastilien und Aragon gründeten. Sein Vater der schöne Philipp, Sohn von Kaiser Maximilian hatte die Verbindung von Habsburg und Spanien durch seine Hochzeit mit Johanna der Tochter von Ferdinand und Isabella und später Thronerbin begründet. Tragischerweise starb Philipp früh und so wurde Karl, als auch sein Großvater Kaiser Maximilian I. starb, zeitnah König von Spanien, von Deutschland und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches oder was davon westlich übrig war. Seine Mutter Johanna galt als wahnsinnig, die Spanier beschuldigten Karl jedoch, sie nur eingesperrt zu haben und befreiten sie nach dem Aufstand gegen Karls Vertreter in Spanien Adrian von Utrecht, den späteren Papst Hadrian VI., aus der vermeintlichen Gefangenschaft - danach stellte sich leider heraus, dass sie doch nicht umsonst vom Sohn aus der Öffentlichkeit gezogen wurde, da sie seit dem Tod ihres Mannes an einer schweren Depression litt und zur Regierungsarbeit kaum fähig war. Karl liebte seine fromme Mutter scheinbar dennoch sehr und verbrachte, wenn er in Spanien weilte, nach erst später bekannt gewordenen Berichten viel Zeit mit ihr. Die Ansicht vom bösen Sohn, der seine Mutter eingesperrt hat, wie sie die  Comuneros zu verbreiten versuchten, hat sich dennoch sehr wacker bis heute gehalten. Frage mich, ob das daran liegt, dass unsichtbare, psychische Krankheiten vielen Menschen Angst machen und sie sich lieber den bösen Sohn als die kranke Mutter vorstellen. Dennoch hielt sich für sie der Beiname Johanna die Wahnsinnige.

Gegen die versammelte Militärmacht des Reiches im Bündnis mit dem Adel Spaniens hatten die  Comuneros keine Chance und nur Toledo hielt sich noch einige Tage unter der Witwe eines der Aufständischen. Zweifel an seiner Herrschaft und der Aufstand wurden in aller möglichen Härte vom absolutistisch regierenden Karl bestraft. Dies war konsequent und logisch in seiner Art zu regieren, entsprachen dem Stil der Zeit und das setzte er auch mit Inkas und anderen im spanischen Weltreich fort. So gesehen, ist der Kaiser in dessen Reich die Sonne nie unterging ein Massenmörder von besonderer Qualität, der es noch dazu als Ritter des Goldenen Vlies im Namen des Herrn und für Rom tat. Dabei soll der sehr fromme und fleißige Karl V. nie mit einem Hitler oder Stalin verglichen werden - der Enkel des letzten Ritters folgte den Grundsätzen und dem Geist seiner Zeit, verwaltete nur, was ihm zufiel nach der Maßgabe seiner Berater, hatte keine andere Ideologie als die pflichtbewusste Habsburger katholische Überzeugung im ihm zufällig zugefallenen Weltreich, das ihn überforderte, warum er auch zwei Jahre vor seinem Tod abdankte und das Reich unter seinem Sohn Philipp II. und seinem Bruder Ferdinand aufteilte.

Beim Gemetzel von Villalar war Karl 21, fünf Jahre König von Spanien und zwei von Deutschland, Halbweise seit er drei war und wann seine Mutter tatsächlich dem Wahnsinn verfiel und inwieweit ist nicht ganz klar. Auch die Geschichte, dass sie über Jahre mit dem Sarg des schönen Philipp durch Spanien wanderte, kann wohl in den Bereich der Sage verwiesen werden, die allerdings womöglich auf einen wahren Kern verweist und mehr Hinweise auf die Krankheit der Mutter und deren Krankheitsverlauf geben.

Bereits 47 war Karl er dagegen am 24. April 1547 als er gemeinsam mit dem Herzog von Alba die Schlacht bei Mühlberg gewann. Damit hatten sie den Schmalkadischen Krieg für sich entschieden. Der protestantische Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen war gemeinsam mit dem anderen protestantischen Anführer, dem Herzog von Hessen, gefangen genommen worden. Die fast vierfach überlegenen kaiserlichen Truppen - 27.000 kaiserliche gegen 7000 schmalkaldische - hatten die Protestanten unvorbereitet in ihrem Lager überfallen und niedergemetzelt. Die Zahl der Toten auf protestantischer Seite wird mit etwa 7000 angegeben, während bei den kaiserlichen keine Verluste bekannt sind. Der Herzog von Toldeo war für seine brutalen Gemetzel an Protestanten schon aus dem achtzigjährigen Krieg gegen die Niederlande berühmt geworden. Mit  der folgenden Wittenberger Kapitulation endete dann der Schmalkaldische Bund und die Protestanten mussten sich auf dem geharnischten Reichstag zu Augsburg die harten Bedingungen des Augsburger Interims diktieren lassen.  Sachsen wurde den Ernestinern weggenommen und dafür bekam die Albertiner Linie unter Karls Verbündeten Moritz von Sachsen die sächsischen Kernlande, während die Ernestiner nur thüringische Gebiete erhielten wie etwa Sachsen-Weimar.

Später wurde aus dem Augsburger Interim nach erneutem Widerstand der Protestanten der Augsburger Religionsfrieden von 1555, der noch in Karls Namen erging, den aber sein Bruder als König im Reich bereits aushandelte. Dies besiegelte die Glaubensspaltung und Karl war aller Gewalt zum Trotz mit seinem Vorhaben gescheitert das Reich religiös zusammenzuhalten, eine Alternative hatte er noch nicht, mit der schlugen sich die Nachfolger noch lange herum. Besonders in den Gemetzeln von 1618-1648. Gegen das Interim wendeten sich auch katholische Reichsfürsten, denen der Kaiser zu mächtig geworden war und die wieder ihre teutsche Liberalität haben wollten.

Ein weiteres grausames Gemetzel begann mit der Kriegserklärung Russlands an das osmanische Reich am 24. April 1877. In diesem Krieg um die Vorherrschaft auf dem Balkan, die Befreiung Rumäniens und die Verdrängung der Osmanen fallen in den folgenden Schlachten vom Balkan bis zum Kaukasus rund 30.000 Soldaten auf jeder Seite. Zu diesen in Summa 60.000 Toten kommen noch etwa 90.000 osmanische Soldaten, die im Krieg infolge von Krankheit sterben. Die Einnahme Konstantinopels und die Zerschlagung des Osmanischen Reiches durch die Russen im Bündnis mit Rumänien, Bulgarien und Sebien-Montenegro, die leicht an dieser Stelle möglich gewesen wäre, wurde durch Großbritannien verhindert, die eine russische Herrschaft über den Bosporus fürchteten, wie zunnächst auch über die Krim und darum als Schutzmacht der unterlegenen Osmanen erfolgreich gegen das orthodoxe Europa antraten.

Die vermeintlich bewährte englische Politik der Checks and Balances verhinderte die Zerschlagung des osmanischen Reiches und könnte damit Beihilfe zur späteren Ausrottungspolitik der Osmanen kurz vor ihrem Untergang geleistet haben. Ob die Politik der Abschreckung nicht mittlerweile mehr Opfer forderte und Schäden verursachte, als sie nutzte, sollte zumindest der Frage wert sein. Die bewährte englische Politik betrieb auch unter Chamberlain noch ein Appeasement gegenüber Hitler, das diesen noch einmal stärkte, als die Reichswehr den Diktator stürzen wollte, der dann aber der Rückhalt fehlte, die Ergebnisse sind bekannt, der Völkermord an den Juden in Osteuropa, deren systematische Vernichtung in ganz Europa und die Vernichtung und Unterdrückung anderer Minderheiten, die mit deutscher Präzision so effektiv durchgeführt wurde, wie noch nie zuvor in der Geschichte der Gemetzel.

Gelernt aber wie ein effektiver Völkermord funktioniert, hatten viele der entscheidend Verantwortlichen noch in der osmanischen Türkei. Am 24. April 1915 begann mit der Verhaftung von 200 bis 400 Mitgliedern der armenischen Oberschicht in Konstantinopel auf Anordnung von Innenminister Talat Pascha der Völkermord an den Armeniern, die Verfolgung der Pontosgriechen und der Völkermord an den Aramäern. Diesen fallen weit über 2 Millionen Menschen zum Opfer. Die Regierung der Jungtürken in deren Tradition sich viele wieder sehen, verschleierte damals auch den erzwungenen Übertritt hunderttausender aramäischer Christen zum Islam. Sehen wir die Traditionslinien der aktuellen türkischen Regierung zum osmanischen Reich und der jungtürkischen Tradition werden wohl viele Briten bereuen 1877 die Russen am Bosporus aufgehalten zu haben, womit das osmanische Reich zerschlagen worden wäre und der Mittelmeerraum östlich von der Geisel des Islam befreit  worden wäre, dahingestellt, ob das orthodoxe Christentum besser wäre. So fällt den orthodoxen Russen auch bis heute schwer Stalin als Völkermörder in eine Traditionslinie mit Hitler und den Osmanen zu stellen, auch wenn er rein numerisch dort Platz eins einnähme.

Die Türken in ganz großer Mehrheit bereuen bis heute nichts, sind der Propaganda ihrer Regierung erlegen, Aufklärung wurde verboten und wird wieder härter denn je bestraft, warum sich immer mehr fragt, welchem kulturellen Gleichgewicht dient noch die Stärkung und Erhaltung der Türkei?

Der Machtzuwachs des Autokraten am Bosporus in der Flüchtlingspolitik, die ihm Milliarden aus Europa in die Kassen spült, die Merkel als humanistische Uterhändlerin vermittelt, gefällt dabei gar nicht. Besser und angemessener wohl wäre es, diesen aufgeblasenen Türkensultan in klare Schranken zu weisen, dass dieser Stil in Europa nichts verloren hat, es keine Völkermord leugnenden Paschas in der Gemeinschaft braucht und bevor Erdogan noch eine Moschee in Deutschland eröffnen dürfte, mindestens die selbe Zahl an Kirchen in der Türkei gebaut werden müssten.

Doch sind die Zeiten gerade nicht danach, den Autokraten in die Schranken zu weisen, der bereitwillig wieder Menschen über das Mittelmeer schicken würde, in dessen Land mutmaßlich kein Syrer freiwillig bleibt, weil es keine Perspektive bietet und der am Rande des totalen Krieges mit den Kurden steht, was eine völlige Zerstörung der meist auch stark kurdisch geprägten Eliten in der Türkei bedeuten würde, was ungebildetere Antatolen noch bejubeln.

Die Rechten in Europa haben Kanzlerin Merkel durch ihre Politik der Angst gezwungen, auf  den Autokraten Erdogan zuzugehen, den sie gegen früher Grüne Wünsche fern von Europa halten wollte, weil alles andere dazu geführt hätte, dass der Sultan noch mehr Syrer im Mittelmeer ersaufen lässt, bis Europa an der Schmerzgrenze angelangt freiwillig zahlt. Wenn Erdogan plötzlich den Strom aufhalten kann, fragt sich nur wer naiv ist, warum er es vorher nicht konnte, als es nicht mit Milliarden bezahlt wurde.

Regierten nicht auch in Ungarn und Polen der europäischen Tradition der Menschenrechte und der Demokratie eher fremde Personen, wäre eine Einigung ohne weiteren Völkermord und ohne die Bestechung des widerlichen Erpressers Erdogan möglich gewesen. Merkel hatte schlicht auf die europäische Tradition gehofft und vermutet, es würde schon keiner bis zum äußersten gehen und dabei die Dummheit ihrer Gegner unterschätzt, die damit Erdogan erst stark machten, dem die Kanzlerin nun den Hof machen musste und es fragt sich nur, wie sie es aushielt, sich dabei nicht ständig zu übergeben, bei diesem kleinen, chauvinistischen, islamistischen, türkischen Widerling.

Erstaunlich ist nur, wie viele Menschen den rechten Narren nun ihre Anklage gegen Merkel glauben, wie sie von den Putin-Propaganda-Sendern hier im Land verbreitet wird. Dächten sie logisch, hätten sie gemerkt, der überflüssige Deal mit Erdogan verdankt sich eher Pediga und der durch sie gestreuten Stimmung zugunsten des rechstradikalen AfD als der Interessenlage Deutschlands und Europas. Unser Kontinent könnte leicht alle Menschen aus Syrien aufnehmen uns integrieren, wenn wir es gerecht verteilten und einem vernünftigen Konzept dazu folgten, was die Rechten durch ihre Lügen verhinderten.

Damit stärken sie den türkischen vielleicht Völkermörder in Kurdistan Erdogan, bringen Europa in eine unfaire Schieflage und werden dennoch von ihren Anhängern als Retter gepriesen, warum sich eher nach deren Zurechnungsfähigkeit fragt. Merkel hat die Türkei immmer auf Abstand von Europa gehalten. Die erzwungene Kursänderung könnte sich mit Blick auf die Geschichte nur als kleiner Ausrutscher zur innenpolitischen Stabilisierung erweisen. Bis zur Wahl in den USA wird der Krieg in Syrien vermutlich nicht beendet, danach können wir hoffen, dass dann zwei starke Frauen nach vernünftigen weltpolitischen Lösungen suchen jenseits des triebhaften Chauvitums eines Erdogan oder Putin. Peinlich für Europa ist nur, dass es nicht einig und mutig genug war, bis dahin gangbare, friedliche Kompromisse zu suchen.

Wieviele Syrer noch im Mittelmeer sterben liegt an der europäischen Einigkeit. Wie stark der Sultan, der nach Europa drängt, in dem er nichts verloren hat, mit seiner Politik, dabei wird, hat Europa in der Hand und es ist die Rechte, die ihm die Milliarden zuscheffelte, die Merkel ihm nun versprechen konnte.

Was würde ich ändern, wenn ich in der politischen Verantwortung wäre, frage ich mich in dieser Situation. Es braucht mehr politische Bildung und Demokratieverständnis im ländlichen Raum. Das Bündnis der AfD-Jugend mit der Putin-Jugend offenbart einfach und deutlich, woher der Wind weht, wohin und warum die Gelder aus Moskau nach Europa fließen.

Den Rechten den Geldstrom und die Propaganda aus Moskau abschneiden und wenn es etwas gibt, wofür eine Demokratie Geheimdienste bräuchte, dann hier, zur Verteidigung ihrer Werte gegen ihre Feinde. Die bisherigen Institute, die den AfD für unproblematisch halten, sind offensichtlich ungeeignet und gehören aus dem Amt gejagt wegen Kumpanei, die sie  schon bei der NSU zu gut bewiesen.

Die Gefahr durch Islamisten uns deren religiösen Terror ist lächerlich gering gegen die Gefahr durch den aus Moskau gesteuerten Terror einer gut vernetzten Rechten, die sich national und antieuropäisch geben Aber eigentlich kein Konzept, keine Lösung und keine Antwort haben, nur Stimmung machen und Angst schüren.

Angst führt schnell zu Massakern und neuem Gemetzel, es ist Zeit, sich dies bewusst zu machen und in Europa entschieden Freiheit und Demokratie zu benennen. Ein griechisches Konstantinopel würde sicher die Prinzipien der europäischen Toleranz gegenüber der türkischen Minderheit und ihrem Aberglauben wahren, manche Dinge brauchen eben mehr als 500 Jahre.
jens tuengerthal  24.4.2016

Nachteinsamkeit

In der Nacht alleine ankommmen
Macht die Einsankeint spürbar
Wenn fehlt wonach du dich sehnst
Weißt du wie wichtig der andere
Längst dir ist weil ein Teil von dir
Nicht da ist an den du dich doch
Lieber liebend nun schmiegtest
Um eng umschlungen wieder
Miteinander weiter zu träumen
Du an Bord in der Pflicht
Ich frei in der großen Stadt
Fehlt beiden der andere
Um ganz da zu sein
Du allein in deiner Kajüte
Auf dem großen Schifft
Auch unser Bett ist mir
Nun immer halb leer
Doch in aller Einsamkeit
Zeigt sich das Wissen umeinander
Macht die Leere zur Sehnsucht
Die uns zueinander treibt
Wie schön ist zumindest das
jens tuengerthal 24.4.2016

VollLust

Voll Lust und zärtlicher Liebe
Liege ich nun in Gedanken bei dir
Kuschele mich an dich ganz eng
Lege die Hand auf deinen Busen
Habe die andere in deiner Mitte
Während wir die Augen geschlossen
Oben schon einschlafen wache ich
Unten mittig deine Mitte erspürend
Wieder auf und in ruhiger Bewegung
Voller Liebe und geteilter Lust
Schlafen wir nun miteinander ein
Dankbar für das Glück der Liebe
Bin ich einsam hier doch ganz
In Gedanken bei und in dir
jens tuengerthal 23.4.2016

Samstag, 23. April 2016

Bücherweltliebe

Bücher lesen bildet
Bildung schafft Vorteile
Vorteile sind ein Wert
Also ist Lesen wertvoller Vorteil
So viel so logisch

Nichts davon interessiert mich

Bücher könnten auch verblöden
Wie Fernsehen es real tut
Auch wenn keiner es sagt
An meiner Liebe änderte sich
Nichts weil sie ist was sie ist

Liebe den Geruch von Büchern
Liebe das Geräusch umgeblätterter
Seiten in sonst Stille in der nur die
Spannung der lesenden Geister
Über Buchstaben schwirrt

Natürlich liebe ich bestimmte mehr
Die schön gebundenen besonders
Alte Ausgaben oder Lederrücken
Die ich berühre wie eine Geliebte
Sanft streichelnd sinnlich schön

Was drin steht ist auch wichtig
Klar es geht ja um Bücher aber
Die sinnliche Beziehung habe ich
Zum gebundenen Haufen Papier
Der mich glücklich macht

Wer Bücher liebt ist nie allein
Findet immer Geliebte um sich
Welch größeres Glück könnte
Einem liebenden Dichter je
Im Leben geschenkt werden

Zum Wellttag des Buches musste
Einmal gesagt werden dass ich
Die Bücher als solche liebe
Manchmal egal was drin steht
Darum lebe ich mit ihnen

Danach kommt lange nichts
jens tuengerthal 23.4.2016

Kulturgeschichten 0199

Cervanteske

“Wer viel liest und viel reist, sieht vieles und erfährt vieles.”

"Die Freiheit, Sancho, ist eine der köstlichsten Gaben, die der Himmel dem Menschen verliehen; mit ihr können sich nicht die Schätze vergleichen, welche die Erde in sich schließt noch die das Meer bedeckt."

"Das beste Gewürz von der Welt ist der Hunger; und da dieser den Armen nicht fehlt, so macht diesen das Essen immer Vergnügen."

"Was jedoch die schlechten Dichter, diese elenden Reimeschmiede, anbetrifft, was läßt sich von ihnen wohl anderes sagen, als daß sie der Inbegriff aller Dummheit und Aufgeblasenheit sind, die es in dieser Welt gibt?"

Einen Dichter loben der zugleich ein
Strenger Richter war der Dichter
Weil er es konnte in seiner zugleich
Geistigen Gewandtheit wie wohl
Abenteuerlichen Erfahrung als der
Abenteurer unter den Dichtern
Fällt dem der gern Dichter wäre
Schwerer auch wenn er fraglos
Zart unvergessen wie ironisch
Mit seinem Don Quijote sich erst
Ewigkeit erschrieb mit Witz über
Ritterzeit wie Ehrgefühl zugleich
Spottend wie erzählend als einer
Der die Schlacht von Lepranto
Gegen die Mauren noch damals
An der Seite von Don Juan de Austria
Schlug und sich auf dem Weg in die
Endlich wieder Heimat auf Jahre
In die Sklaverei verirrte bei den
Nordafrikanern die just erst aus
Spanien verdrängt wurden noch
Einer der liebte und leidenschaftlich
Sein Leben mit vielen Kurven auch
Durchfuhr als Abenteurer wie Autor
Gegen den ein Hemingway nur
Ein aufgeblasener Abklatsch war
Bedichten wir ihn also lieber nicht
Nennen wir die Verse also heute
Auf Cervantes gebrochene Prosa
Möge wer den Witz verstehen
Freue mich nun um so mehr
Auf die Lektüre vom neuen Band
Persilus und Sigismunda den er
Miguel de Cervantes Saavedra
Am Tag seines Todes vollendete
Mit Widmung noch sandte an
Seinen hoffentlich Gönner
Der zwei Pilger und Liebende
Aus dem Norden nach Rom
Ziehen lässt das Glück zu suchen
Anders als Shakespeare starb der
Gut spanische Katholik Cervantes
Bereits gregorianisch am 23. April
Auch wenn es vielleicht nun doch
Der 22. womöglich war weil wir
Sicher nur die Beerdigung kennen
Sei es dahingestellt denn ihn loben
Einen ironischen Dichter vor dem
Sich viel zu ernst wieder der nur
Dilletant verneigt einfach verehren
Ist wohl genug möge wohl der
Strenge Richter streng auch über
Schlechte Verse die ihn loben richten
jens tuengerthal 23.4.2016

Kulturgeschichten 0198

Shakespeareode

Einen Dichter loben der heute wohl
Am 23. April  1616 julianisch gezählt
Verstarb scheint ein wenig verfehlt
Ist er doch längst unsterblich uns
Die wir noch leben mit seinen Worten
Einer der größten Dichter die einst
Europa beherbergte auch wenn
Wir Troja als es noch griechisch war
Zum Kontinent hinzu wohl zählen
Ist was jener William Shakespeare
In Versen uns hinterließ so nah
Dass keiner von seinem Tod mag
Noch reden geschweige denn seine
Bloße Existenz infrage stellen nur
Weil außergewöhnlich vielen scheint
Wenn ein Dichter auch noch als
Geschäfstmann erfolgreich war
Wie jener aus Stratford-upon-Avon
Von dem wir nicht wissen wann er
Geboren war ob nicht auch seine
Taufe nur synchron zum Tode später
Nachgetragen wurde als großer Kult
Um jenen Dichterfürsten herrschte
Der so klug in Verse band was wir
Heute noch genau so fühlen als
Narren die durch die Welt stolpern
Manchmal einen Hauch von Geist
Erhaschen sei er nun oder nicht
Brachte jener mit leichter Hand
Gefühl und Philosophie in eins
Was schon mehr als genial genug
Wohl wäre dazu noch prägte er
Vielfach zitiert unsere Sprache
Bis heute auch im Alltag präsent
Spielte mit  Lukrez wie Montaigne
Mit spielerischer Leichtigkeit in seinem
Werk aus dem auch Liebende zitieren
Denn wo wurde Anbetung je
Schöner ausgedrückt als einzig
In seinen wunderbaren Sonetten
Darum verneigt sich der Dichter
Vor dem viel größeren Meister
Hofft von ihm lesend zu lernen
Zitiert ihn lieber als die Leser
Weiter mit seinen dürren Versen
Vom Meister zu quälen von dem
Manche meinen er wäre nicht
Doch ob er nun war oder nicht war
Ist war er hinterließ noch lebendig
Darum zu seinem Todestage der
Womöglich auch sein Geburtstag
Nun den Meister in Zitaten denn
Der Rest ist besser schweigen
jens tuengerthal 23.4.2016


Geschwindigkeit wird nie so sehr bewundert als von Saumseligen." 3. Akt, 7. Szene / Cleopatra, Antonius und Cleopatra

"Mit List ludest Du mir die Gebote auf // die mir das Herz unbezwinglich machten" 4. Akt, 1. Szene / Coriolanus

"Begegnen wir der Zeit, wie sie uns sucht." 4. Akt, 3. Szene / Cymbeline

Wir sind aus solchem Stoff wie Träume sind, und unser kleines Leben ist von einem Schlaf umringt." 4. Akt, 1. Szene / Prospero, Der Sturm

"Es ist mehr Würde in großmüthiger Vergebung als in Rache." 5. Akt, 1. Szene / Prospero

"O schöne neue Welt, die solche Einwohner hat." 5. Akt, 1. Szene / Miranda

"Die Hölle ist leer, alle Teufel sind hier!"

"Mir Armen war mein Büchersaal als Herzogtum genug."

"Weinen kann ich nicht, aber mein Herz blutet." Wintermärchen, 3. Aufzug, 6. Szene / Antigonus

"Der Rest ist Schweigen." 5. Akt, 2. Szene / Hamlet

"Ein Stäubchen ist's, des Geistes Aug' zu trüben." 1. Akt, 1. Szene / Horatio

"Es gibt mehr Ding' im Himmel und auf Erden, als Eure Schulweisheit sich träumt" 1. Akt, 5. Szene, Hamlet

"Etwas ist faul im Staate Dänemark!" 1. Akt, 4. Szene / Marcellus
     
"Ist dies schon Tollheit, hat es doch Methode." 2. Akt, 2. Szene / Polonius

"Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage." 3. Akt, 1. Szene / Hamlet

"Was ist Ehre? Ein Wort. Was steckt in dem Wort Ehre? Was ist diese Ehre? Luft […] Ehre ist nichts als ein gemalter Wappenschild beim Leichenzuge." 1. Teil, 5. Akt, 1. Szene / Falstaff Heinrich IV.

"Das erste, was wir tun, laßt uns alle Anwälte töten!" 2. Teil, 4. Akt, 2. Szene / Dick Heinrich VI.

"Laßt wohlbeleibte Männer um mich sein, Mit glatten Köpfen, und die nachts gut schlafen." 1. Akt, 1.Szene / Caesar, Julius Cäsar

"Durch zerlumpte Kleider sieht man die kleinsten Laster; lange Röcke und Pelzmäntel verbergen alles." 4. Akt, 6. Szene / Lear

Dann müsst Ihr melden von einem der nicht klug genug war - doch zu sehr liebte." 5. Akt, 2. Szene / Othello

"Wo Worte selten sind, haben sie Gewicht." 2. Akt, 1. Szene / Gaunt Richard III.

"Ein Pferd, ein Pferd, mein Königreich für'n Pferd!" 5. Akt, 4. Szene / König Richard III.

Es war die Nachtigall und nicht die Lerche." 3. Akt, 5. Szene / Julia Romeo  und Julia

"Und stirbt er einst, Nimm ihn, zerteil in kleine Sterne ihn: Er wird des Himmels Antlitz so verschönen, Dass alle Welt sich in die Nacht verliebt Und niemand mehr der eitlen Sonne huldigt." 3. Akt, 2. Szene 23-26 / Julia

"Denn Mädchen sind wie Rosen: kaum entfaltet, // ist ihre holde Blüte schon veraltet." 2. Akt, 4. Szene / Orsino, Was ihr wollt

"Der Narr hält sich für weise, aber der Weise weiß, dass er ein Narr ist." 5. Akt, 1. Szene / Touchstone, Wie es euch gefällt

Das ist das Ungeheure in der Liebe, meine Teure, daß der Wille unendlich ist und die Ausführung beschränkt; daß das Verlangen grenzenlos ist, und die Tat ein Sklav' der Beschränkung" 3. Akt, 2. Szene / Troilus, Troilus und Cressida

Engelsworte

Oh du liebster schönster Engel
Da rufe ich dich an die nach dem
Erzengel einst benannt mir doch
Längst ihrer Burg Prinzessin wurde
Und doch antwortet mir nur der
Immergleiche Automat weil uns
Just des Meeres Wogen trennen
Die Sehnsucht wächst nur weiter
Über den Kontinent der noch wohl
Zwischen uns liegt und doch
Sollst du spüren wie sehr ich dich
In jeder Fern und Nähe liebe
Wissen ich bin immer Dein
Wohin die Wogen dich auch treiben
Weil wir zwei ein Element aus
Lehm wie alle wohl gemacht
Doch gekrönt von Liebe längst
Über die nur Natur erhoben
Deren Teil wir immer sind
So bin ich nun auch bei dir
Wenn du nichts mehr hörst
Bis uns des Funkes Wellen wieder
Günstig sind dereinst
Fühl dich geküsst inmitten
Meine Liebste überall
jens tuengerthal 23.4.2016

Hafenstürme

Heute erwischte uns der Sturm
Mitten im Hafen als du doch
Eigentlich sicher vertäut lagst
Brachen die Gefühle los
Wehten uns umher als ob
Wir nicht sicher längst lägen
Im gemeinsamen Hafen in uns
Während sie die Wega entluden
Entlud sich zwischen uns ein
Feuerwerk aus Nichtigkeiten
Das wie ein echtes Unwetter
Die Sicht uns beiden erschwerte
Auf das was uns verbindet
So wurden wir herumgewirbelt
Unterbrach es die Verbindung
Lag alle Liebe wild zerstreut
In uns herum ohne das wir
Wüssten wie uns geschah
Bis das Unwetter wieder abzog
Wir einander wieder erkannten
Worte der Liebe füreinander
Wieder fanden in Ruhe
Als wäre nichts gewesen
Manchmal staune ich einfach
Was die Natur alles bewegt
Wie schön es ist danach
jens tuengerthal 23.4.2016

Freitag, 22. April 2016

Liebesgeständnis

Was soll ich lange rum reden
Lieber sollst du es lesen
Gestehe also ich liebe lesende
Frauen mehr als alle anderen
Vielleicht kommen noch die
Bücher ihnen manchmal nahe
Mehr aber noch liebe ich es
Dich vor Büchern zu lieben
Am glücklichsten aber bin ich
Wenn ich dir vorlese nachdem
Wir uns vor Büchern liebten
Bin also recht einfältig
Gestehe es und hoffe nur
Wir lieben uns noch oft vor
Büchern nach dem Vorlesen
jens tuengerthal 22.4.201

Merkelgeständnis

Merkel gestand einen Fehler
Im Fall Böhmermann gemacht
Zu haben doch nicht etwa
Weil sie das Verfahren eröffnete
Sondern weil sie überhaupt
Vorher dazu ihre Meinung sagte
Sie wolle das Verfahren nicht
Beeinflussen und damit bleibt
Sich die Kanzlerin wieder treu
Überlässt der Justiz hier allein
Die Entscheidung und erkennt
Damit die Gewaltenteilung an
Das ist gut so und mehr als
Manche die hier laut schreien
Vom Fall verstanden haben
Gut wenn die Kanzlerin hier
Souverän reagiert auch wenn
Ihre Feststellung richtig war
Hat sie sich zurückzuhalten
Größe zeigt sich genau darin
Auch Fehler zu gestehen
Vermutlich fordern nun wieder
Die üblichen Schreihälse ihren
Sofortigen Rücktritt dabei wären
Sie viel souveräner würden sie
Anerkennen wie weise Merkel
Im Ergebnis handelte aber
So ist die Politik eben ein Spiel
In dem es nicht um Weisheit geht
Sondern um Präsenz und Sieg
Wer Fehler gestehen kann aber
Ist souverän was angesichts
Hiesigen Geschreis doch beruhigt
jens tuengerthal 22.4.2016

Kulturgeschichten 0197

Raubbrüder

Wo fängt der Raub an und wo ist er ein legales Geschäft im Auftrag?

Was unterscheidet Sir Francis Drake von Störtebeker und wo steht die Deutsche Bank?

Ist der ein Räuber, der eine Bank oder einen Kaufmann überfällt oder der, welcher eine Bank eröffnet oder mit Gewinn Geschäft macht?

Sind die Panama Papers Zeichen von Piraterie in Nadelstreifen?

Am 22. April 1401 gelang es einer Flotte der Hanse unter dem Kommando des Hamburger Kaufmanns Simon von Utrecht die Vitalienbrüder zu stellen und sie in einer Seeschlacht bei Helgoland zu besiegen. Der Anführer der Seeräuber Klaus Störtebeker wird als Gefangener auf das Schiff der Hamburger, die Bunte Kuh gebracht und mit ihr nach Hamburg transportiert.

Die Geschichte von Störtebeker und den Vitalienbrüdern habe ich schon zigmal erzählt und wen es interessiert, der wird im Archiv genug ungewisses finden. Ob der Kommandant der Vitalienbrüder nun einen riesigen Schatz irgendwo versteckte, mit dem er sich von den reichen Hamburger Pfeffersäcken frei kaufen wollte, als es an sein Leben ging, wissen wir so wenig wie, ob die Geschichte stimmt, dass er ohne Kopf an seinen Vitalienbrüdern vorbei rannte und erst fiel als ihm der Henker ein Bein stellte oder vielleicht ein anderer und auch nicht, ob es stimmte, dass der Bürgermeister all den Vitalienbrüdern die Freiheit versprochen hatte, an denen Störtebeker noch ohne Haupt vorbei rannte.

Rechtlich wäre eine solche Begnadigung schwer zu begründen, warum soll einer nicht bestraft werden, nur weil sein früherer Chef ohne Kopf an ihm vorbei läuft und welcher Verdienst liegt in solch gespenstischem Verhalten?

Genauso der Sagenwelt gehören vermutlich die Geschichten an, dass der Schiffszimmermann, der die Reste von Störtebekers Schiff erwarb die Masten aus massiven Gold, Silber und Kupfer fand und daraus die goldene Krone der Hamburger St. Marien Kirche stiftete.

Auch die soziale Bruderschaft Vitalienbrüder gehört eher ins verklärt sagenhafte, mit dem einer zum Helden gemacht werden sollte, der einfach ein Seeräuber war und sich mit Gewalt nahm, was anderen gehörte, auch wenn sich mancher einfache Mann fragte, wie können die Kaufleute oder Bankiers solch verrückt hohe Gewinne machen, wenn sie für körperlich viel anstrengendere Arbeit nicht den kleinsten Teil davon erhielten.

Entstanden war die sogenannte Bruderschaft während der dänisch-mecklenburgischen Auseinandersetzung um die Krone Schwedens, wodurch sie auch Gotland lange als ihr Land hielten als Dank dafür, dass sie die dänische Blockade des Hafens von Stockholm umgangen oder durchbrochen hatten. Damals waren die Kommandeure vermutlich meist verarmte mecklenburgische Adelige, die sich durch den Einsatz für den Landesherrn Karriere erhofften.

Als sie Gotland nicht mehr hatten, keine ehrenvollen Aufgaben des Blockadebruchs anstanden begannen diese Selbstversorger alleine auf Kaperfahrt zu gehen, um ihr Überleben zu sichern. Die Frage danach, ob der Raub einer Kogge schlimmer war als die Spekulation mit  Getreide an der Börse, ist aus Sicht der Bauern verständlich - Handel aber ist legal und natürliche Folge der Herstellung von Produkten, Raub ist dagegen nie legal sondern immer die Wegnahme der Güter anderer mit Gewalt. Dabei die Frage nach der Berechtigung von Eigentum und seiner Begründung zu stellen, ist philosphisch hochinteressant, ändert aber nichts an den tatsächlichen Verhältnissen und warum einer sich nehmen dürfen soll, was einem anderen gehört, lässt sich schwer begründen.

Die Welt mag ungerecht sein, fraglich nur, ob sie gerechter würde, wenn wir diejenigen nicht bestrafen, die Reiche bestehlen und dafür nur jene, die es von den Armen nehmen, umgekehrt, wer von den Räubern mit den Armen teilte, Umverteilung praktizierte, straffrei ausginge nach dem Robin Hood Prinzip und schließlich, welcher Reiche sollte solch ein Justizsystem bezahlen wollen, welcher Zwang dazu wäre gerechtfertigt?

Manche illegale Räuber wurden idealisiert, zu ihnen gehörte auch der widerliche Antisemit Schinderhannes, der gewiss auch gutes bewirkte aber in seinen Vorurteilen Juden gegenüber, die er besonders gerne überfiel und quälte, späterer deutscher Politik  sehr ähnlich war.

Frachtschiffe, die durch den Suez-Kanal fahren oder durch bestimmte Gebiete um den Jemen herum und Afrika, brauchen heute Wachschutz, der Tag und Nacht mit Maschinengewehren auf der Brücke steht, um die Sicherheit zu gewährleisten. Es gibt wieder Piraten und lange fand ich das ein wenig romantisch, bis ich von Seeleuten hörte, wie es ist mit Bewaffneten an Bord zu fahren und wie dich die Angst wahnsinnig macht, bis ich einen 1. Offizier liebte, was die romantische Begeisterung auf der anderen Seite sehr reduziert und die Sorge irgendwelche Fanatiker könnten gerade ihr Schiff angreifen, sprengen wollen, fährt immer mit, wenn sie entlang von Afrikas Küsten fährt, wo die Menschen nichts zu verlieren haben und sich jede Tat lohnen kann. Wie gerecht und frei sind unsere Urteil über sittlich gebotenes Verhalten?

Ähnlich geht es mir bei den Banken - als ich dort arbeite und erlebte, wie Zahnarztpraxen einfach gepfändet wurden, ein Familienvater so auf die Straße gesetzt wurde, weil er mit den Zahlungen zwei Monate nicht nachkam, weil es in seinem Gebiet zu wenig Privatpatienten gab, zumindest keine mit Geld, der zu nett war, nicht hart genug, wie sie es nannten, warum sie vor der Mittagspause mal eben den Daumen über den kleinen Privatkredit senkten, während ich nach der Pause eine Etage höher in der Abteilung für die reichen Privatkunden arbeitete, wo alle hohen Richter betreut wurden, erlebte wie zwischen zwei Filialen der großen Bank mal eben ein zweistelliger Millionenbetrag beim Zocken verlorgenging, wollte ich schreien vor Wut und diese Verbrecher solche nennen. Dass ich dabei beim eigentlich sehr sozialen und sympathischen Direktor der Bank aus alter Familie mit großen Verdiensten wohnte, mit dessen Sohn ich befreundet war und der mich morgens mit seinem großen Wagen mit in die Bank nahm, gab meiner Systemkritik eine besondere Note. Dennoch musste ich mein Gewissen erleichtern und wir diskutierten mit dem Vater am Abend über die soziale Praxis der Bank und die realen Geschäfte. Und ich stellte fest, wie sehr, was ich für objektiv gerecht hielt, doch nur ein bloßes Gefühl war.

Schnell merkte ich, der Bank waren auch die Hände relativ eng gebunden, wann sie Kredite kündigen musste und durfte, wie sie mit Geld handeln durfte und wobei sie wirklich verdiente. Es gab eine reale Welt in der sie nüchterne Geschäfte mit bescheidenem Gewiinn machte und die seriös geführt wurden. Dann gab es eben noch, eine Etage höher das Devisengeschäft und damit wurde wirklich Geld verdient.

Natürlich braucht es auf einem Markt Banken, wer sollte auch sonst für das Geld sorgen, das für Geschäfte gebraucht wird?

Gibt es gute und schlechte Banken?

Dürfen wir die schlechten überfallen, die ihr Geld mit Spekulation an der Börse verdienen oder geht es uns nur so gut, weil ein Teil spekuliert während der andere ruhig seine Geschäfte macht?

Warum werden Bankräuber bestraft, während Bänker selten für ihre illegale Taten überhaupt belangt werden?

Inwieweit schützen wir systemrelevante Banken, damit anderen nicht geschadet wird?

War Putin ein Pirat als er die Krim raubte?

Sind Politker Piraten, die Volkseigentum verscherbeln, um Bankenschulden zu bezahlen, die Folge bloßer Spekulation sind?

Warum bekämpfen wir die armen Piraten aus Afrika militärisch, um den Handel zu schützen, während wir zugleich Milliarden an Entwicklungshilfe in dortigen Banken versenken?

War Englands Aufstieg zum Empire, aus dem das Commonwealth heute wurde, nicht das Verdienst von Piraten wie Francis Drake?

Auf welcher Piraterie fußt dann der Reichtum der City of London und wie würde angemessen darauf reagiert heute?

Die Grenzen verschieben sich je nach Betrachtung in Nuancen - ein Störtebeker, der Kreuzfahrer überfiele oder Containerschiffe würde hier schnell gejagt vom Staat, der auf ähnlich räuberische Art und Weise seinen Bürgern nicht mehr nur noch den Zehnten raubt, also lächerliche 10% sondern längst bei der Hälfte nicht aufhört, weil jedes Geschäft und alles irgendwie besteuert und kontrolliert wird und die Finanzämter unsere Konten alle ungefragt überwachen dürfen.

Sind die Finanzbeamten Piraten für Merkel wie es Drake für Elisabeth I. war?

Will darüber nicht letztlich urteilen müssen, doch sich fragen, warum wir die eine Bereicherung oder Erpressung für kriminell halten, während die andere uns als geboten erscheint, wir sogar all jene, die sich dieser Erpressung entziehen wollen, als asoziale  Kriminelle beschimpfen, könnte helfen, den Horizont zu erweitern und manche Grenzen verschwimmen lassen.

Verschwommene Grenzen vor aufgelöstem Horizont trüben nur scheinbar den Blick, im Gegenteil beweist die  Erkenntnis ob dieser Tatsache meist mehr Klarsicht als der gewohnte Trott.  Wagen wir es in den unscharfen Bereich politisch und finanziell vorzudringen, um die Grenzen zu verschieben, damit eine sittliche Bewertung möglich wird?

Welche Art der Geschäfte entspräche dem kategorischen Imperativ, wer handelt unsittlich und wie kriminell ist derjenige, der unsittlich ergaunerte Gewinne wieder raubt?

Warum haben wir eine Rechsordnung, die dem einzelnen diese moralische Entscheidung abnimmt und klar zwischen Räuber und Bankdirektor unterscheidet?

Haben wir ein Rechtsproblem oder eines mit der Gerechtigkeit?

Wem nutzt es - cui bono?
jens tuengerthal 22.4.201

WortLiebe

Wir lieben die Worte
Und fanden uns schon
Mit den ersten Worten
Zwischen den Zeilen
Erspürten wir was
Kaum zu hoffen
Wir schon wagten
Und doch war es
Uns geschenkt uns
In die Worte allein
Ganz zu verlieben
Als die Realität dann
Alle Worte noch
Weit übertraf
Waren wir da
Beieinander
Angekommen
Mehr als genug
jens tuengerthal 21.4.2016

Frauenliebe 049

Große Liebe

Sieben mal sieben ist neunundvierzig und drei und vier gibt sieben und so vereint das letzte Kapitel beide Prinzipien in einem. Die 3 erinnert an das Höhere, nachdem wir streben, während die 4 als Quadrat der 2 ganz menschlich logisch am Boden bleibt.

Verwirrt?

Macht nichts, spielt im weiteren keine Rolle mehr, es ist nur schön, zu sehen, wie sich eins zum anderen fügt, wenn ich es einfach laufen lassen. Natürlich sieht jeder in Zahlen und Nummern, was gerade gefällt und die Mysterien sind noch stets das sicherste Einfallstor der Dummheit und auch der Kabbala möchte ich mich nicht widmen, übersinnliches liegt mir weniger als das Glück in der Sinnlichkeit zu entdecken. Nur das Männer und Frauen unterschiedlich sind und sich dies im Denken wie im Fühlen manchmal spiegelt, fiel mir auf bei meiner langen Suche, die ein Ende nun fand.

Sicher könnte dies auch ein unendlicher Fortsetzungsroman werden, der Lindenstraße ähnelnd, da jede Frau anders ist und jede Begegnung besonders wäre, es immer neues noch sicher zu entdecken gäbe, gerade sinnlich noch so vieles unentdeckt blieb und es bestimmt noch viele ganz wunderbare Frauen gibt, doch fürchte ich jetzt schon die Wiederholung und manchmal  kam es zu Verwechslungen in der trügerischen Erinnerung, die doch gerade im Detail erst liebevoll wird, es war also höchste Zeit zum Ende zu kommen. Unklar nur ist, ob das Ende nicht eigentlich, wenn es ein Ankommen ist, mehr ein Anfang wird.

Die Queen ist nun 69 Jahre verheiratet. Es ist unwahrscheinlich, dass mir dies mit meinen 45 noch gelingt, aber ausgeschlossen ist es nicht und vielleicht ist die Vorstellung der Dauer manchmal schöner als die der Vielfalt, so beglückend sie sein mag im einzelnen. Dazu gehören auch zwei, was das ganze noch etwas schwieriger macht und vielleicht sollte das Glück, wo es sich findet und die Willen dazu sich kreuzen, einfach beschwiegen werden, statt wie zuvor ausgebreitet in der Welt zu liegen.

Wir wussten es vom ersten Brief an, wir zwei Teetrinker und das Gefühl der Sicherheit wuchs mit jedem Wort weiter, ohne dass wir uns gesehen hatten. War sie doch gerade im Norden bei ihrer Schwester, an der Küste, wo sie ihre Kindheit verbrachte und schon als sie das schrieb, ging mein Herz so verflucht weit auf, als hätte ich nicht genug Erfahrung gesammelt über all die Jahre und Grund genug den virtuellen Bekanntschaften gegenüber misstrauisch zu sein.

Beide waren wir nicht misstrauisch, weil wir etwas fühlten, für das es keine Belege oder sonst sichtbaren Anzeichen gab. Wir waren uns sicher und mussten doch noch warten mit dem sich sehen, auch wenn wir es beide ersehnten. Und während ich das schreibe, haben wir uns schon mehr Tage nicht gesehen, als wir je zusammen waren und dennoch das Gefühl nicht verloren, was uns sofort verband. Weil sie nicht nur Schauspielerin ist, sondern nebenbei auch noch Offizier auf hoher See, ein Containerschiff immer wieder um Gibraltar, durch den Atlantik und das Mittelmeer steuert, wenn sie auf der Brücke steht.

Natürlich sagten wir es uns nicht vorher, so ein wenig vernünftig waren wir ja beide, aber dann doch wieder nicht wirklich, weil wir es einander andeuteten mit nur einem ganz kleinen Vorbehalt zur Sicherheit in uns, der eigentlich nur noch eine Illusion war.


Sie kam mit dem Rad zu mir, quer durch die Stadt. Das erste Date und sie kam gleich zu mir, die Treppen hoch, nach längerer Radtour noch, schien sie nicht zu stören - Café brauchten wir nicht mehr. Sie wollte zu mir und klar, wir wussten ja, was wir wollten. Und wie sie kam, wie ein Nordwind, verwegen mit verwehten Haar ihrer langen blonden Mähne und dazu die strahlend blauen Augen und völlig verschwitzt, weil sie schnell fuhr. Kleiner als ich, ein ganzes Stück, aber eine starke Frau, fast zart aber sportlich fest und trainiert, fühlte sie sich in meinen Armen so an, wie ich es mir immer geträumt hätte, wenn ich es konkretisiert hätte je, es nicht lieber offen gelassen hatte, um frei zu sein. Aber so war genau richtig, dachte ich.

Sie hatte sich nicht schick gemacht, kam einfach, wie sie war, gänzlich ungeschminkt und ich nahm sie so und es war gut so. Vermutlich oder vielleicht hatte sie sich doch ein wenig schick gemacht aber nachdem ich viele Morgende neben ihr erwachte und sie frisch gebadet so gut kannte, wie geduscht oder nass geregnet, vor oder nach der Lust zerwühlt - ich würde immer noch sagen, sie kam, wie sie war.

Spürte es, als ich sie umarmte und fand es schön - schwitzten wir beide kräftiger, wenn nötig, und ich mochte ihren Duft auch jetzt, sie entschuldigte sich aber, verschwand im Bad, bat noch um ein Handtuch und sagte mir, ich solle doch schon mal einen Tee machen.

Eigentlich wäre  ich am liebsten gleich mit ihr ins Bett gegangen und es fühlte sich alles so richtig an. Aber, sie wollte erstmal  Tee trinken zusammen, davon hatten wir die ganze Zeit geschrieben und geträumt und also machte ich uns Tee.

Sie trank schnell und viel Tee. Sonst trank sie eher nichts, aber das machte nichts, Tee war ja gut und machte beide glücklich. So saßen wir in meiner Küche in zwei Korbsesseln, lächelten uns an und tranken Tee und eigentlich hätten wir uns am liebsten gleich verschlungen.

Das taten wir dann noch später und es blieb in allem wie im ersten Moment. Es passte perfekt, als wären wir füreinander gemacht, mein Bett war ihr nicht zu schmal, ich schlief wunderbar neben ihr und noch schöner mit ihr, wir hatten uns überall und fraßen uns gegenseitig auf - am Morgen wie am Abend und wann immer wir Lust dazu hatten und die kam oft und unverhofft.

Natürlich stritten wir uns irgendwann auch, weil ich schwierig bin und sie auch ziemlich kompliziert ist, in manchem zumindest aber das ist so unwichtig und klein, was will ich überhaupt davon erzählen. Während ich das schreibe, läuft ihr Schiff gerade in den Hafen ein und vermutlich hören wir uns zwischendurch, wenn sich in den 18h zwischen Entladen und Beladen ein Moment findet.

Sich sicher sein und es leben, ist, glaube ich nun, der entscheidende Punkt, um glücklich zu sein - es kommt nicht darauf an, keine Zweifel zu haben - wie unmenschlich wäre das? - sondern sich im Zweifel immer noch zu sagen, was wir haben, ist schöner und wichtiger, als all die Kleinigkeiten, die mich nun aufregen und stören könnten. Damit umschiffen wir die Felsen, die auftauchen und auch wenn es mal kracht, was schon vorkommt bei zwei so starken Menschen mit ziemlich festen Vorstellungen vom guten Leben, dann erinnert sich einer an den Leuchtturm, den wir sahen, als wir uns sahen und den wir fühlten, als wir uns das erste mal lasen wie in den Tagen und Wochen danach, als uns nichts trennen konnte, uns 1m Bett noch zu breit schien.

Es ist nie alles gut und alles richtig. Wäre ja auch langweilig, aber die Erinnerung an den schönen Traum, den wir beide vom ersten Wort an fühlten - noch in der Nacht, haben wir uns das dann doch gestanden, wir waren uns beide sicher gewesen, nur ein wenig formales Misstrauen zur Sicherheit, aber vom Gefühl her ganz sicher, vom ersten Wort an.

Darum endet die Suche hier, es gibt nichts schöneres mehr, zu entdecken, als dieses Gefühl angekommen zu sein, den anderen in jeder Situation riechen zu können, die Nähe auch zu mögen, wenn sie schwitzt oder fiebert und sich selig am Morgen nach eng gekuschelter Nacht in die Augen sehen und wissen, es ist gut so - mehr geht nicht, bin ich mir sicher und darum habe ich jede Suche eingestellt und genieße, was ist, ob sie nun gerade da ist oder um die Welt fährt und riesige Schiffe steuert, oder auf den Brettern, die vielen die Welt bedeuten, spielt - die Sehnsucht lässt Verse schreiben und würdigen, was ist. Wir haben ja alles Glück der Welt, was sollte noch kommen?

Also freue ich mich, an dem was ist, genieße es, wie es zu mir kam und arbeite daran die Zweifel, die so natürlich sind wie alles, im Gedanken an das Glück zu besiegen. Es fühlt sich so an, als sollte es nun so bleiben und wir haben uns beide versprochen, dass es so sein und bleiben soll - ziemlich blind noch versprochen, sich kaum kennend, aber ganz sicher im Gefühl, wie nach dem ersten Wort und mehr gibt es dazu nicht mehr zu sagen, ich liebe sie einfach und wenn ich daran Zweifel, was bestimmt irgendwann geschehen kann, erinnere ich mich an das, was mit dem ersten Wort schon geschah, und dann glaube ich, der ich an nichts glaube, dem alles nur Natur ist, einfach an die Liebe und denke es ist gut so.

Was weiß ich schon, was die Liebe ist und worauf es ankommt zum großen Glück?

Vermutlich muss das jeder für sich entscheiden, ich weiß es nicht, wundere mich, wie glücklich ich bin, wo ich darüber schreibe und mir sage, dies ist nun das letzte Kapitel in meinem Buch über die Liebe zu den Frauen - was sollte auch noch kommen?
jens tuengerthal 21.4.2016