Mittwoch, 19. November 2025

Lektürentagebuch 19.11.25

Lektürentagebuch 19.11.25

Mit einem kleinen zeitlichen Sprung
Von etwas über sieben Wochen was
Nach Maßstäben des Sanatoriums
Berghof nichts ist geht es weiter

Im ewigen sprachlich rhetorischen
Duell zwischen Settembrini und 
Naphta nun vor dem Kurhaus in
Davos Platz im warmen Oktober

Joachims leichte Erkältung mit etwas
Husten und Heiserkeit machen Hans
Sorgen wie der Blick in dessen sonst
Doch so tiefe dunkle Augen dabei

Settembrini scherzt intellektuell auf
Italienische Art über die erwartete
Rückkehr von Clawdia Chauchat 
Die er als Hans Beatrice bezeichnet

So hoffe er doch sehr dass Hans 
Neben seiner Führerin durch alle
Kreisenden Sphären des Paradies
Seinen Virgil nicht ganz verschmähe

Auf Naphta anspielend ergänzt der
Gut gelaunte Humanist noch dass 
Der Ekkletist wohl zustimmen werde
Dass die Welt der medio evo nicht 

Komplett sei wenn zu franziskanischer
Mystik nicht auch noch etwas an 
Thomasischer Gelehrsamkeit noch 
Zur Vollständigkeit hinzukäme

Damit brennt Thomas Mann über
Settembrini ein ganzes Feuerwerk
Literarischer Anspielungen aus dem
Bildungsbürgerlichen Kosmos ab 

Bei diesem Gespräch sind auch noch
Ferge und Wehsal neben Hans und
Joachim als Zuhörer zugegen wobei
Zumindest Ferge nicht alles versteht

Beatrice Portinari war die literarische
Lebenslang eher fiktive als wohl je
Reale Geliebte von Dante Alighieri 
Also höchster literarischer Adel

In Dantes Göttlicher Komödie wird
Der Ich-Erzähler also Dante von
Virgil dem römischen Dichter der
Aeneis geführt der Vergil auch heißt

Der Ekkletist ist derjenige der die
Kunst der Auslegung beherrscht
Was dem Theologen Naphta
Gegenüber ein netter Scherz ist

Die östliche Schönheit der so
Eigenen Clawdia Chauchat als 
Franziskanisch dunkle Mystik
Zu bezeichnen ist wieder eine

Der zahlreichen Anspielungen
Im ewigen Diskurs von Settembrini
Mit Naphta als gelehrten Kirchenmann
Demgegenüber dann die thomasische

Gelehrsamkeit steht die sich auf den
Kirchenlehrer Thomas von Aquin
Bezieht der die antike Philosophie
Besonders Aristoteles einführte 

All diese kleinen Andeutungen spielen
Mit der humanistischen Bildung die 
Das Bildungsbürgertum so gerne 
Anspielungsweise noch hochhält

Damit verspottet Thomas Mann auch
Sich und seine Herkunft wie es sein
Bruder Heinrich auf grob platte Art
Politisch im Untertan auch tat 

Doch während Henrich noch den 
Untertan in Rom mit vielen platten
Scherzen vollendete schrieb sein 
Bruder die feineren Buddenbrooks

Beides sind humorvolle Bücher die
Sich über die eigene Herkunft wie
Deren Sitten witzig lustig machen
Der eine ein Brüller der andere fein 

Dies zeigt sich auch im Zauberberg
Dieser feinen Kulturgeschichte der
Europäischen Bildung die mit vielem 
In Andeutungen lachend spielt

Lachend schob auch der hier mit
Literarischen Anspielungen fein 
Verspottete Hans Castorp seinem
Virgil das Wermutglas entgegen

Doch erstaunlich war was sich
Aus diesem kleinen Scherz dann
In einer Stunde entwickelt spielt
Thomas Mann hier mit der Zeit

Gutmütig von Dante sei es gewesen
Diesen mittelmäßigen Versiflex so
Hoch zu würdigen schießt darauf
Naphta mit tiefer Abneigung zurück 

Er unterstellt Settembrini sogleich
Virgil eine wohl allzu freimauerische
Bedeutung noch zu geben denn viel
Bedeutung hätte diesem sonst nicht

Nennt Virgil einen bloß julianischen
Speichellecker und Prunkrethor ohne
Einen Funken von Produktivität der
Kein Dichter je gewesen sei

Settembrini spottet wie denn ein
Lateinlehrer die römische Kultur
So sehr verachten wie verkennen 
Könne und scherzt noch weiter

Vergebens riefe Settembrini noch
Die Alten zu Hilfe vor denen die
Kirchenlehrer schon warnten um 
Sich nicht mit Virgil zu beflecken

Gerade jetzt wo wieder ein Zeitalter
Zu Grabe getragen würde und ein
Proletarische Morgen tage sei die
Zeit günstig diese eher bürgerliche

Beschäftigung mit Virgil zu Grabe
Zu tragen um bedeutendes zu sehen
Es sei an der Zeit diese endlich als
Überholt erledigt zu betrachten

Über diesen proletarischen Ansatz
Der los werden will was ihn erst
Groß machte kann Settembrini nur
Laut lachen was er aus Höflichkeit

Allein dann doch nicht tut so werde
Ein Europa das sein Ewigkeitsgut
Zu wahren wisse sicher über die
Proletarische Apokalypse siegen 

Dann werde in aller Gemütsruhe
Wieder zur Tagesordnung klassischer
Vernunft übergegangen dem Naphta 
Entgegnet über die Tagesordnung

Entscheide die Geschichte selbst
Und nicht der bildungsbürgerliche
Konservativismus eines Settembrini 
Da sollte er aufmerksam bleiben

Settembrini den großen Vorkämpfer
Des Fortschritts einen Konservativen
Zu nennen war sehr unverschämt
So zeigte auch dieser sich getroffen

Naphta legt noch kräftig nach vom
Bürgerlich humanistischen Denken 
Einer Klassengesellschaft die keine 
Zukunft in Gleichheit mehr habe

Mit Gruseln denke ich noch an die
Diskussionen in der Bildungspolitik
Die in den Siebzigern alles irgend
Klassische an Bildung verdrängte

Selbst Opfer dieser Schulen noch
Verdanke ich die geringen Spuren
Von klassischer Bildung eher dem 
Elternhaus als der Schule je wie

Der Eigeninitiative zur Lektüre um
Die großen Werke zu verstehen
An den geistigen Wert proletarischer
Revolution konnte ich nie glauben

In der Mischung aus Revolution
Und Dunkelmännertum die Naphta
Hier den Zuhörern kredenzen
Erwiderte Settembrini endlich

Überwiege der obskurantistische 
Beisatz in unschmackhafter Weise 
Natürlich sorge sich Naphta vor der
Aufklärung des Volkes dem es eher

Um Instinkte eben Glauben gehe 
Der Volk und Welt zu gerne in
Analphabetischer Finsternis hülle
Damit sie nicht kritisch dächten

Hier unterbreche ich den scharfen 
Hochintellektuellen Streit zwischen
Settembrini und Naphta ihm noch
Endlich online stellen zu können

jens tuengerthal 19.11.25



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