Sonntag, 27. Januar 2019

Bürgermoral

Was ist die Bürgermoral
Außer der üblichen Sitten
Die als Ethik gesehen werden
Sich den Umständen anpassen

Müssen wir Moral lernen
Oder liegt sie in unserer Natur
Aus der Gewohnheit angelegt
Was ist wann und wo richtig

Normen des Rechts sollen im
Staat die Einhaltung sichern
Auch wenn sie damit paradox
Handeln ethisch wertlos machen

Den strengsten Maßstab lehrte
Kant der das was du nicht willst
Das man dir tut füg auch keinem zu
Auf die abstrakte Metaebene hob

Der kategorische Imperativ besagt
Stets so zu handeln dass danach
Ein allgemeines Gesetz gelten könnte
Was den Willen für die Tat nimmt

Gäbe es dieses Gesetz aber wäre
Das entsprechende Handeln wieder
Moralisch völlig wertlos weil wir dann
Nicht dem Gewissen mehr folgten

Andererseits ist der bürgerliche Staat
Gerade durch seine große rechtliche
Zuverlässigkeit geprägt die Geschäfte
Auf Dauer für alle sicherer machen

Geschäfte lassen sich nur gut machen
Wenn das nicht normierte Wort auch gilt
Die Beteiligten sich aufeinander verlassen
Was wiederum keine Norm regeln kann

Auf dem schmalen Grat zwischen der
Inneren Haltung und ihrer Bindung an
Die rechtliche Ordnung liegt immer das
Funktionieren einer Gemeinschaft

Die bürgerliche Moral als Basis der
Bürgerlichen Kultur enthält wenig
Was normiert wäre und erwartet viel
Mehr als je ein Gesetz regeln kann

Der Konsens über erlangte Bildung
Welche das Gespräch ermöglicht
Aus dem sich Bilder erst ergeben
Die tieferes Verständnis geben etwa

Die Bürger wissen eigentlich was
Gemeint ist wenn vom trojanischen
Pferd als Gefahr gesprochen wird
Auch wenn wenige die Ilias lasen

Der Konsens über die Bildung diente
Der sozialen Abgrenzung einerseits
Aber auch der Bindung andererseits
Die auf sozialer Verabredung beruht

Hier liegt der Schlüssel zur Moral
Die sich auch laufend verändert
Waren die Rollen früher ganz klar
Wechselt es heute pragmatischer

Wo sich die Sitten ändern aufgrund
Anderer Lebensumstände wird sich
Auch die Moral entsprechend an die
Neuen Bedingungen anpassen

Sexualität und Partnerschaft sind
Ein typischerweise moralisch auch
Geregelter Bereich der Beziehungen
Die einem steten Wandel unterliegen

Wurde früher Jungfräulichkeit von Frau
Erwartet lachen Paare inzwischen darüber
Zerstörte bei Effie Briest eine Leidenschaft
Die ganze Ehe würde heute erstmal geredet

Galten Künstler noch zu Manns Zeiten
Als anrüchige unzuverlässige Existenzen
Sind sie je nach Einkommen heute auch
Hoch angesehene sogenannte Kreative

Der Bürger-Künstler-Konflikt den Mann
In seinen Werken immer wieder genau
Betrachtet ist heute eher verlagert auf
Andere soziale Ebenen der Ausbildung

Hätte ich nach dem Abitur etwa gesagt
Dass ich nun Schriftsteller und Genie
Werden wolle wie Mann und Goethe
Wäre das kaum ernst genommen worden

So habe ich einen Brotberuf studiert
Die Jurisprudenz die ich nie ausübte
Mangels Neigung und Befähigung wohl
Statt mich gleich der Kultur zu widmen

Nicht weil ich es unbedingt musste
Der Vater sah mich auch als Arzt
Die Mutter sah viele Wege für mich
Sondern weil ich genügen wollte

Auch dieser Prozess der Anpassung
An ein Korsett bürgerlicher Moral
Die mein innerer Anarchismus ablehnte
Gehört zur normalen bürgerlichen Existenz

Nach Sitte und Gewohnheit der Familie
Sollte ich studieren und am besten dabei
Noch akademischer Turner werden oder
Eine Promotion zumindest erreichen

Der Vater war habilitiert wie eine sehr
Große Koryphäe in seinem Fach also
Musste der Sohn ihn mindestens wohl
Überbieten um vor sich etwas zu gelten

So ging und geht es Generationen
Der bürgerlichen Existenzen auf
Dem Weg nach oben was immer das
Ominöse oben dann für wen sein soll

Wir folgen Sitten und Regeln die
Keiner vor uns ausdrücklich aussprach
Die aber eine Frage der Ehre waren
Worüber natürlich keiner mehr sprach

Brach alle Regeln immer wieder
Um so höher wurde das spätere
Bedürfnis nach bürgerlicher Existenz
Zumindest etwas erreicht zu haben

Das stete Streben nach einem Höheren
Ist vielleicht typisches Element bürgerlicher
Befindlichkeit wie Ausdruck der Einbahnstraße
In der die bürgerliche Gesellschaft lang steckte

So wurde ich der sonst nichts wurde
Zumindest akademisch nichts war
Ein Künstler ohne es je zu sein
Der besonders bürgerlich leben wollte

Der Anschein bürgerlicher Moral als
Ausdruck konventioneller Sitten hilft
Den abgedrifteten Existenzen sich den
Doch nötigen Rahmen noch zu geben

Ob es vielleicht allen Bürgern so geht
Sein sie nun seriöse Existenzen als
Akademiker oder gehobene Beamte
Bleibt die ewig offene Frage im Chaos

jens tuengerthal 27.01.2019

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