Freitag, 19. Juli 2019

Literaturspiegel

Spiegelt Literatur die Gesellschaft
Oder diese ihre Literatur wieder
Sind beide quasi symbiotisch als
Spiegel des jeweils anderen noch

Jede Zeit hat ihre Literatur die
In vielem zeigt was zuvor schon
In der Gesellschaft geschah
Von der sie dann erzählt

Doch regt sie häufig auch die
Bewegung erst an aus der dann
Eine geistige Entwicklung folgt
Die das Denken völlig verändert

Berühmte Werke die ihre Zeit
Veränderten gab es in allen
Epochen der Literaturgeschichte
Manchmal wirkten sie verzögert

Lukrez de rerum etwa brachte
Der Renaissance die sie erst
Wiederentdeckte nach dunklem
Mittelalter neues Licht der Freiheit

Montaignes Essays in denen er sich
Selbst spiegelt wie auch den Geist
Des Lukrez auftauchen lässt zeigten
Wie der Wandel doppelt nun wirkte

Der Einzelne der seine Welt ganz
Auf sich stellt wie Max Stirner es
Erst viel später in seinem Einzigen
Beschrieb stand plötzlich im Zentrum

Radikale Subjektivierung nach vorher
Erkämpfter Freiheit vom Allmächtigen
Der noch nicht geleugnet werden durfte
Auch von einem Epikur nicht aber relativiert

Diese Wende im Geist nahm später noch
Völlig verschiedene Entwicklungen in der
Literatur von der Aufklärung über den Werther
Zur Romantik im Zeitalter der Industrialisierung

Oft stand die Literatur ganz am Anfang einer
Geistigen Entwicklung die sie überholte wie
Zugleich spiegelte mal als Taktgeberin des
Geistes dann als dessen Opposition wieder

Vor der Revolution entstand unter Diderots
Führung die Enzyklopädie als völlig neue
Freiheit des gedruckten Wissens das dem
Sein seinen mystischen Charakter nahm

Sein zeitweise Freund Rousseau hat die
Philosophie des späteren Terreur so sehr
Wie den Traum vom zurück zur Natur mit
Seinen Schriften in die Welt geschickt

Ein Lessing schrieb über die Toleranz
Gegenüber allen Religionen was noch
Weit über das im westfälischen Frieden
Hundert Jahre zuvor erreichte hinaus ging

Auch im Nathan zeigte sich wieder der
Einzelne der durch sein Verhalten erst
Beweist was der wahre Glaube ist auf
Den es für die Zukunft nur ankommt

Lange noch sollte es dauern bis dies
Selbstverständlich zumindest im Staat
Hier wurde und wie weit sind viele noch
Von diesem Denken der Akzeptanz

Auf die Romantik folgten wie mit ihr
Teilweise parallel die Bewegungen zu
Nationaler Einigung in den Kriegen
Kriegen zur Befreiung von Napoleon

Der neue Kaiser ein Kind der vorher
Revolution als Aufsteiger stand so
Mancher Literatur Pate und war doch
Mehr Fackel als dauerhaftes Feuer

Der wohl viel lesenden Epoche des
Biedermeier mit der Restauration nach
Dem Wiener Kongress folgte dann die
Revolution von 1848 ohne Folgen

Außer den literarischen die manchem
Wie Heine in seinem Wintermärchen
Als das er Deutschland in Versen beschrieb
Wieder lange voraus noch griffen

Parallel dazu dachte und schrieb Marx
Sein Manifest mit langfristigen Folgen
Das zwar den Menschen verkannte
Aber den Geist der Zeit stark bewegte

Bis heute beschwören manche noch
Dessen weltfremde Thesen vom Ideal
Der kommunistischen Gesellschaft die
Nur ohne Freiheit erreichbar wäre

Sicher spiegelte er den Geist der Zeit
Die in der Industrialisierung zu neuer
Unmenschlicher Ausbeutung führte
Die viele verarmte und wenige bereicherte

Warum die Massen einem Marx folgten
Seine Schriften zur neuen Bibel erkoren
Statt Stirners Einzigem der die Freiheit
Wirklich konsequent dachte ist typisch

Einfache Antworten haben leicht viele
Anhänger oder Jünger die sich genau
Das wünschen eine Antwort auf die
Frage nach dem irgendwo Paradies

Was Kant als Aufklärer noch vordachte
In der Beantwortung der Frage was
Aufklärung sei wie in seinem Imperativ
Wurde von Stirner zu Ende gedacht

Auch wenn die junghegelianer beide
Stirner wie Marx sich verschätzten was
Die Fähigkeit der Gesellschaft betraf
Freiheit zu leben war ersterer klarer

Diese Linie zieht sich von der Renaissance
Die das Individuum wiederentdeckte auch
In seinen Leidenschaften bis zur Moderne
Auch in der Literatur die es vorher beschrieb

Die Übersetzung der Vulgata war eine der
Quellen vermehrten Lesens auch wenn sie
Mit folgender Reformation mehr zerstörte
Als befreite hat sie als Spiegel Bedeutung

Die Wiederentdeckung des Lukrez Textes
Um die Zeit des Konzils von Konstanz das
Mit Jan Hus noch die Freiheit verbrannte
Ließ das Denken der Moderne beginnen

Die radikale Individualisierung die manche
Beklagen weil sie deren Grundlage nicht
Begreifen vermutlich ist Ausdruck dieses
Verständnisses von Freiheit immer noch

Einer Freiheit die einen Montaigne zu
Seinem radikalen Subjektivismus führte
Weil der Berater vieler Könige seiner Zeit
Weit voraus dachte nach der wir noch suchen

Aus der Aufklärung noch stammend dachte
Ein Nicolas Edme Restif de la Bretonne die
Subjektivierung noch weiter im sinnlichen Roman
Seines Lebens und Liebens dem Monsieur Nicolas

Der Sturm und Drang dessen berühmtester
Später darüber reumütige Vertreter Goethe
Trieb diesen Geist über das Leben hinaus
Das Werther in Konsequenz sich nimmt

Die Freiheit des Freitods als allerletzte
Konsequenz war der Gipfel eben jener
Literarischen Individualisierung die aber
Mit der Liebe wieder soziales auch sucht

Ist die völlige Aufgabe seiner selbst um
Der Liebe willen von der alle Weisheit
Logisch abrät weil es nur ein Gefühl ist
Nicht größter Ausdruck aller Freiheit

Doch zugleich auch das völlige Ende
Weil nichts mehr folgt der Einzelne der
Sich so in den Mittelpunkt stellte auch
Seine Existenz und also sich aufgibt

Es gibt wohl nichts größeres als sich
Um der Liebe willen aufzugeben auch
Wenn es völlig unsinnig im Ergebnis ist
Drückt es die individualisierte Freiheit aus

Über diesen geistigen Akt der Befreiung
Dem mancher verwirrt noch real folgte
Hinaus gab es nichts mehr was weiter
Als Freiheit noch reichen konnte

Die geistige Überwindung der Schwelle
Von Sein und nicht Sein wie sie früher
Schon Shakespeare für die Erscheinung
Des väterlichen Geistes beschrieb ist es

Es ist die innere Überwindung dieser
Schwelle vielleicht die Meistererhebung
Der Literatur gewesen auch wenn sie
Aus emotionalem Wahn mehr entstand

Danach konnte das Ende nur noch neu
Variiert werden um sich zu überwinden
Oder die Grenze zwischen Sein und
Schein aufgehoben werden künftig

Letzteres steht noch aus auch wenn
Thomas Mann sich ihm in den Buddenbrooks
Wie zuvor Bretonne schon sehr näherte
Variierte der Zauberberg nur den Tod neu

Dort im Davoser Sanatorium wird auch
Gestorben mal mehr mal weniger frei
Doch löst die die eingeschlossene Freiheit
Am Ende im großen Sterben nur auf

Die großartige Kulturgeschichte die
Thomas Mann mit diesem Werk schuf
Überwand die Grenze des Seins nur
Im Tod nicht in der völligen Freiheit

Diesen Weg deutete der Zauberer
Nur in der Todesangst während der
Scheewanderung an doch endet sie
Im Spott über Krokowskis Geisterwelt

Ist die Geschichte seiner Familie die
Mit dem lebensunfähigen Künstler Hanno
Aussterben wird  die große Freiheit oder
Einfach Gang des Seins jenseits der Norm

Ein ironischer Spiegel untergangener
Welten oder darüber weit hinaus noch
Geistige Gestalterin aus dem Spiegel
Den sie erzürnter Gesellschaft vorhielt

Geschrieben zwischen den Kriegen noch
Von einem der sich mit der Republik erst
Schwer tat der mit dem Tod gern spielte
Stirbt es sich in Davos aus anderen Gründen

Vorher noch im ersten großen Krieg
Wurden die Stahlgewitter zum Spiegel
In dem das Sein hinter die Aufgabe trat
Der sich alles unterordnen nun musste

Der Anarch Jünger prägte so manche
Die selten auch ihn ganz verstanden
Wandelte sich sein Leben lang noch
Blieb Beobachter Chronist und mehr

Ob was nach Mann und Jünger kam
Wobei letzterer Raucher den ersteren
Lange noch überlebte neues fand auf
Dem Weg zu sich scheint fraglich

Die aktuelle Invasion der Selbstfindung
Durch geistig eher seichte Gewässer
Vom unsäglichen Coelho bis zu den
Vielen sexuelen Bekenntnissen bleibt hohl

Jüngers literarisch wichtigere Tagebücher
Sind ein Schritt auf diesem Weg den aber
Schon Harry Kessler wunderbar beschritt
Der große Chronist der Epoche dazwischen

Spannend wird was bei sich bleibt auf dem
Weg den Montaigne dabei Lukrez folgend
Beschritt und dabei über sich hinaus denkt
Um ein neuer Spiegel der Weisheit zu sein

Der Literaturspiegel stammt aus dem alten
Märchen und verrät uns tatsächlich wer die
Schönste im Land gerade ist wenn wir nur
Zu fragen verstehen dabei was künftig zählt

So heben sich die Grenzen auf zwischen
Der totalen Individualisierung wie ihrer
Völligen Aufhebung in der Liebe der nur
Der Tod noch steigernd folgen kann

Von Romeo und Julia bis zu Goethes
Werther davor noch Montaignes Essays
Wie Jüngers Tagebücher auch dabei
Die Bretonne anders schon übertraf

Literatur ist ein Spiegel und weit mehr
Anders als Kunst die nur abbildet weist
Die Literatur in geistige Welten in denen
Sie alles wieder überschreiten kann

Ein Abbild ist ein Anblick der auch wenn
Von vielen Gedanken Gefühlen oder auch
Perfekter Technik getragen außen bleibt
Die Literatur hallt in Gedanken weiter

So ist die Literatur weit mehr als nur
Spiegel ihrer Gesellschaft sie ist wo
Sie wirklich sucht deren Leuchtturm
Durch neue ungewisse Zeiten auch

Manche bleiben im Außen hängen
Auf der Suche nach sich andere
Finden durch Worte neue Wege
Weit über das bloße ich hinaus

Dann spiegelt Literatur nicht nur
Ist kein Abbild ihrer Zeit mehr
Sondern eröffnet neue Welten
Die grenzenlos endlich sind

Ob dies uns weiter zurückführt
Zu dem was Lukrez teilweise
Schon andeutete oder noch weit
Darüber hinaus weist zeigt sich

Entdecken wir die Freiheit nur
Ohne Götter auch literarisch
Dann wieder ganz bei uns nur
Endlich allein auf uns gestellt

Wird die Freiheit die Kant uns
Als Versprechen der Aufklärung
In Worten schenkte so radikal
Bei sich erst verwirklicht werden

Ob die Literatur sich dann wagt
Ihre Welt mit Stirner ganz auf sich
Zu stellen um aufgeklärt frei zu sein
Im Schreiben wird es entscheiden

Zumindest hat sie mit den Worten
Das Mittel alle Grenzen künftig
Zu überwinden während Physiker
Noch über Quantenrelativität grübeln

Die Aufhebung der alten Grenze von
Raum und Zeit ist für die Literatur
Der natürliche Weg ihres Seins
Das kleine Einmaleins ihr eher

Vielleicht steckt in der radikalen
Rückkehr zum Ich auch seine völlige
Überwindung in der Liebe zum Wort
Das uns die große Freiheit verspricht

Dann wäre die Weltformel quasi eine
Literarische Spielart des Seins was
Sich aus dem Geist ihre Welt formt
Prometheus als Schutzpatron dann

jens tuengerthal 19.7.2019

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen