Sonntag, 21. Juli 2019

Literaturaufklärung

Ist Literatur immer Aufklärung
Oder kann sie auch verdunkeln
Wo sie gegen die Vernunft wirkt
Gefühle anspricht statt Verstand

Die Literatur kann alles beides
Tat es epochenweise verstärkt
In die eine oder andere Richtung
Zeigte Menschen wie sie waren

Mal mehr vom Gefühl geleitet
Dann durch die Ratio bestimmt
Manchmal ausgewogen eher
In beidem Zuhause dann auch

Auf die Epoche der Aufklärung
Folgte der Sturm und Drang
Der sich im Übermaß Gefühl
Erging bis manchmal in den Tod

Manches überschnitt sich auch
Wie die Reformation etwas durch
Verstärkte Religiosität den freieren
Geist der Renaissance verdrängte

Andererseits klärte die Reformation
Durch Bibelübersetzung wie ihre
Tendenz zur Entmystifizierung auch
Wieder vieles vorher Dunkles auf

So kämpften später noch vor allem
Die Jesuiten gegen die Aufklärung
Obwohl sie Wissenschaft betrieben
Um die Hoheit des Wissens zu halten

Die Enzyklopädie des Diderot war Rom
Ein Dorn im Auge das zu gerne darum
Verboten hätte doch die Pompadour
Rettete sie durch höfischen Einfluss

Der Geist der Aufklärung und Vernunft
War zu dieser Zeit wohl stärker doch
Viele gewagte Schriften erschienen
In den Niederlanden oder England

Richtig sahen die Jesuiten die Tendenz
Der Enzyklopädie zur Freiheit auch wenn
Manche Formulierung übersehen wurde
War der Geist des Wissens die Freiheit

Ob die Verbreitung dieser Freiheit durch
Druck und Vertrieb der Enzyklopädie
Logisch in der Revolution mündete ist
Umstritten wenn auch schlüssig so

Die Revolutionäre selbst waren erst
Vom Geist der Aufklärung getrieben
Strebten nach größerer Freiheit die
Sie an der Macht wieder verfolgten

Fraglich ob sich darin der Geist Rousseaus
Des gefühligen Aufklärers widerspiegelte
Welcher einerseits die Grundlagen der
Freiheit beschrieb sie andererseits negierte

Sein zurück zur Natur Traum war eher
Schon die Romantik vorfühlend als vom
Geist der Aufklärung getrieben die sich
Nicht einfach dem Gefühl überlässt

Jede Literatur kann aufklären wenn wir
Sie so kritisch lesen und betrachten doch
Wirkt sie auf den ganzen Menschen so
Dass sie auch das Gefühl erregen will

Gute Literatur ergreift den ganzen Mensch
Zu dem Verstand und Gefühl gehören was
Schönste Stimmungen uns zaubern kann
Die ohne jede Distanz einfach fesseln

Literatur der Aufklärung will wo sie gut ist
Den Leser auch fesseln aber dies immer
Um ihn zu befreien statt nur zu binden
Eben den kritischen Geist zu wecken

Auch während der Aufklärung gab es
Schon die Gegenaufklärung die noch
Große Mächte im Dunkeln beschwor
Statt freies Denken endlich zu fördern

Häufig wird der Begriff Gegenaufklärung
Für die Restauration benutzt manchmal
Auch konservative Revolution oder die
Frühe Romantik und politische Theologie

Spannend wird es wenn sich dabei beide
Seiten auf die Aufklärung berufen die sie
Für ihr Denken wenn auch dialektisch
In Anspruch gerne nehmen wollen

Diente die Frankfurter Schule etwa
Der Aufklärung die Adorno und Horkheimer
Dialektisch neu betrachteten oder war sie
Da marxistisch geprägt bloße Ideologie

So bezeichnete etwa Hermann Lübbe
Die Frankfurter Schule als Gegenaufklärung
Da durch den Marxismus totalitär geprägt
Führe sie zu einem intoleranten Moralismus

Diese Tendenz der moralischen Rechthaber
Welche totalitär gegen alle Abweichler sich
Wenden und es mit dem wahren Weg stets
Rechtfertigen findet sich auch heute wieder

So haben wir in der Literatur immer beide
Tendenzen gehabt vom freien Denken der
Renaissance das den Menschen erst als
Individuum entdeckte bis in die Gegenwart

Ist der Antifaschismus noch Aufklärung
Oder eine totalitäre Ideologie die sich nur
Das Banner bunter Toleranz umhängt die
Aber mit völliger Intoleranz erkämpft wird

Wird der totalitäre Umgang mit Sprache
Die zu politischen Zwecken missbraucht
Etwa um mehr Gleichheit zu erreichen
Durch dies hehre Ziel allein gerechtfertigt

Welche Position vertritt hier die Aufklärung
Die Freiheit und kritisches Denken lehrt
Aber keine Wahrheiten jemals predigt
Welche Aufklärung bräuchten wir heute

Wer Aufklärung was noch unwiderlegt
Als Befreiung aus Unmündigkeit versteht
Wird jede totalitäre Ideologie ablehnen
Auch wenn sie laut Toleranz predigt

Der Marxismus war vom Wesen her
Illiberal und also totalitär wogegen sich
Lübbe zurecht wandte weil er damit
Zu Bekenntniszwang logisch führte

Auch unter den Existenzialisten war
Diese Tendenz zu beobachten der
Sich Satre und Beauvoir zeitweise
Unterwarfen bis zum Bruch mit Camus

Manche Kritiker etwa ordneten auch
Ernst Jünger oder Botho Strauß der
Gegenaufklärung zu wobei beide eher
Als Anarchen sich nur treu blieben

Würde zwar weder Jünger noch Strauß
Als Aufklärer bezeichnen doch war ihr
Denken stets freier als das vieler eher
Ideologisch beschränkter Gegner beider

Doch könnte auch ein Werther noch
Dies hochemotionale Werk das den
Sturm und Drang so übersteigerte
Kritisch aufklärerisch gelesen werden

Wo das übersteigerte persönliche Elend
Nur noch im Tod gelöst werden kann hat
Leben ein konsequentes Ende gefunden
Auch wenn wir es als krank bezeichnen

An dieser Stelle einmal dahingestellt
Was krank und was gesund noch ist
Ob die Begriffe aufgeklärt oder bloß
Konventionell angepasst noch sind

Gegen Lübbe der sich als Aufklärer sah
Der ein kritisches Denken vertrat gegen
Die intolerante Frankfurter Schule wandten
Kritiker ein er sei bürgerliche Gegenaufklärung

Zwar bestätigte die Form der Empörung
Über Lübbe dessen Thesen von den dort
Kritikverboten und dem Bekenntniszwang
Doch blieb der Vorwurf der Bürgerlichkeit

Ob Aufklärung als freier kritischer Geist
In ein bürgerliches Korsett passt scheint
Fraglich wenn wir nicht die Bürgerlichkeit
Als Form organisierter Freiheit verstehen

Die Nutzung dieses Begriffes ist strittig
Während ich ihn freiheitlich verstehe
Sieht meine eigene Schwester ihn als
Geistig beschränkt spießiges Denken

So wird auch zwischen den Lagern
Oft blind aneinander vorbei geredet
Weil die Nutzung der Sprache ein
Tieferes Verständnis ausschließt

Im Gegenteil lösen bestimmte Begriffe
Unterschiedliche Emotionen aus die
Das Gegenüber zur Verteidigung drängen
Wo eigentlich kein Angriff an sich vorlag

Dies führt zum spannenden Teil der
Literarischen Aufklärung die viele wollen
Mit unterstellt besten Absichten sich aber
Dabei oft nicht einmal verständigen können

Trotz Nutzung der gleichen Sprache wie
Scheinbar klarer Begriffe haben sogar
Personen aus gleichem sozialen Umfeld
Ein völlig unterschiedliches Verständnis

So war Lübbes Kritik an den Frankfurtern
Aus bürgerlich liberaler Sicht für diese ein
Brutaler Angriff des Feindes der Freiheit
Der im Klassenkampf zu besiegen war

Ein klarer Aufklärer wie Diderot der
In Jaques der Fatalist die Position
Der Aufklärung für Willensfreiheit
Vertritt wirkt ganz verschieden

Wenn meine einst Liebste mir
Ein Zitat aus dem Werk schickte
Das Glück das vergeht Genuss war
Ist ihr Verständnis anders als meines

Sie genoss bereits glücklich den nächsten
Während ich um das geteilte Glück trauerte
Was für sie Freiheit bedeutete war für mich
Ein erniedrigender Schlag ins Gesicht noch

So ist Lesen und Literatur immer Aufklärung
Wenn wir sie aufgeklärt kritisch lesen statt
Emotional bewegt von ihr berührt zu werden
Doch ist was nicht berührt meist nur schwach

So können die gleichen Worte uns berühren
Wie emotional aus Umständen erschüttern die
Andere mit Abstand philosophisch betrachten
Um damit ganz anderes im gleichen zu lesen

Literatur ist Aufklärung also wenn wir auch
Kritisch aufgeklärt sind und nicht gefangen
In selbstverschuldeter Unmündigkeit in die
Liebe uns zu gerne immer wieder verführt

Lübbe lag mit seiner kritisch liberalen Sicht
Auf die totalitär marxistische Seite bei der
Frankfurter Schule völlig richtig doch musste
Den Gläubigen sie Gegenaufklärung sein

Alle unfassbaren Begriffe wie Seele Gott
Oder Liebe oder absolute Lehren wirken
Gegen den Geist der Aufklärung auch
Wenn sie revolutionär befreien wollen

Die Fähigkeit dies zu erkennen erfordert
Einen aus der Unmündigkeit befreiten Geist
Also einen aufgeklärten Menschen der sich
Kritisch tolerant danach verhalten kann

Auch Kants spöttische Kritik an Swedenborg
Wie meine Sicht auf Marx und Nietzsche wird
Von den Anhängern der Lehre übel genommen
Des völligen Unverständnisses geziehen

Die Reaktion der Frankfurter Schule auf die
Bezeichnung als Gegenaufklärung war die
Im Streit kleiner Kinder indem sie nur sagte
Selber Gegenaufklärung aus ihrer Sicht halt

Beide Seiten haben aus ihrer Sicht Recht
Fraglich wäre also welche die Richtige ist
Ob das allgemein entscheidbar sein kann
Oder wir immer nur unsere Sicht haben

Sind wir stete Gefangene unseres Horizonts
Der beschränkten Wahrnehmung unterworfen
Für die Begriffe bestimmte Bedeutungen haben
Die bei anderen das Gegenteil auslösen

Kann Aufklärung in der Literatur davon auch
Befreien wären wir also erst mündig wenn wir
Unsere Sicht überschreiten können oder ist
Manches einfach wahr oder falsch im Ergebnis

Ist antifaschistische Literatur etwa immer
Aufklärerisch weil gegen ein totalitäres System
Gerichtet und darum der Toleranz verpflichtet
Oder nur wenn sie selbstkritisch auch reflektiert

Bringt eine gendergerechte Sprache wie sie
Viele heute gern verwenden wollen mehr
Gerechtigkeit oder künstlichen Zwang allein
Als Ausdruck totalitären Denkens in Schranken

Ist es ein Akt literarischer Aufklärung wenn
Pippi Langstrumpf um den Negerkönig bereinigt
Heute politisch korrekt erscheint oder ist dies
Ein Frevel am literarischen Werk für den Zeitgeist

Neige dazu diese Korrektur für korrekt zu halten
Weil sie vom Geist der Toleranz getragen eine
Früher übliche Erniedrigung korrigiert doch zeigt
Dies Beispiel wie relativ Wahrnehmung ist

Wie wir uns zu diesen Fragen stellen ist auch
Eine Frage des Gefühls in der eigenen sozialen
Situation die zusätzlich von Gefühlen und mehr
Auf unterschiedlichste Art beeinflußt wird

Letzte Wahrheiten gibt es dabei wohl kaum
Wie die Wahrheit überhaupt die Erfindung
Eines Lügners logisch nur sein kann auch
Wenn das Bedürfnis danach hoch bleibt

Lese etwa den Diderot völlig anders heute
Als die einmal Liebste die was war einfach
Ablegte wie alte Kleidung während ich noch
Damit haderte aus verschiedenen Gründen

Die gewesene Unfreiheit war kein Glück mir
Ihr Ende wäre also eine Befreiung wenn
Das Gefühl nicht unsinnig anderes wollte
Dem sich die Vernunft entgegenstellt

Lese ich den Diderot also nur ohne jedes
Gefühl aufgeklärt oder sehe ich weil ich
Viel empfinde mehr als andere können
Was ist dann wirklich noch aufgeklärt

Literatur immer als Aufklärung zu begreifen
Liegt am Leser und wie aufgeklärt er sich
Bei der Lektüre fühlt was uns wiederum
Verrät es scheint auch Gefühlssache

Zum Gefühl aber können wir uns nur
Um eine Haltung bemühen die wir mit
Aller Vernunft erkämpfen können auch
Wenn sich manches dagegen wehrt

Literatur ist also immer dann Aufklärung
Wenn wir uns aus der Unmündigkeit auch
Bei der Lektüre befreit haben was schon
Bei der Liebe zum Lesen fraglich scheint

Von der Unmündigkeit aus Liebe wurde ich
Ungewollt befreit gegen den Widerstand
Ganz großer Gefühle noch die sich an das
Was mich unfrei machte noch klammerten

Habe ich mich damit selbst daraus befreit
Bin ich als immer liebender Leser jemals
Mündig oder immer nur in den Grenzen
Des natürlich beschränkten Horizonts

Es sind noch viele Fragen zur Aufklärung
Bis heute offen und ungeklärt die wir
Zwischen Gefühl und Verstand uns
Erst langsam als Freiheit erarbeiten

Den Willen zu haben aufgeklärt zu lesen
Ist der erste Schritt Literatur als Aufklärung
Wahrzunehmen und kritisch zu betrachten
Ob uns mehr je möglich wird bleibt fraglich

Zumindest ist der freie Wille der sich auch
Lesend um Aufklärung bemüht auch die
Erste Voraussetzung der Freiheit womit
Die Sache zumindest auf gutem Weg ist

jens tuengerthal 20.7.2019

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