Samstag, 11. Mai 2019

Kulturvergessen

Die bürgerliche Kultur lebt
Von der Erinnerung an ihre
Sitten und Gebräuche bei
Nachfolgenden Generationen

Auch Staaten haben eine Kultur der
Erinnerung mit der Zeit entwickelt
In der würdig gedacht der unkultiviert
Sich  darüber noch empört wird

Radikale an den Rändern vergessen
Gern vieles um ihren Bereich dafür
Um so intensiver noch zu erinnern
Wird die Mitte im Lärm vergessen

Deutschland hatte nach dem Krieg
Sich erstmal im Vergessen geübt
Auch um Feinde zu Partnern dann
Schneller werden zu lassen

Vergessen der Erbfeindschaft half
Die Freundschaft mit Frankreich erst
Aufbauen die Europas Herz wurde
Hat also historisch gutes bewirkt

Rechtsradikale fordern dagegen ein
Vergessen der Schuld am Holocaust
Für nachgeborene mäßig gebildete
Ossis zumindest gern lautstark auch

Dafür wollen die gleichen um so lauter
An die Opfer von Dresden erinnern
Die Alliierten zu Verbrechern machen
Was in Sachsen ja länger Politik war

Die Balance zwischen guter Erinnerung
Nötigem Vergessen und dem Mißbrauch
Des Vergessens zur Verdrängung der
Historischen Schuld scheint sehr schwer

Immer wieder stolpern Repräsentanten
Über die sich wandelnde korrekte Form
Der Erinnerung in Verantwortung während
Andere an diesen Orten gern provozieren

Wäre es da um künftige Peinlichkeiten zu
Vermeiden nicht besser zu vergessen was
Einige schon lange nicht mehr wissen oder
Ist dies Wissen als Teil unserer Identität nötig

Ob Deutschland im Schatten des Kalten Krieges
Eher zu alter Größe fand wenn auch geteilt noch
Als seiner historischen Verantwortung gemäß ist
Weniger offensichtlich wohl als lange geglaubt

Die von Churchill nach 45 ganz richtig erkannte
Notwendigkeit des Vergessens wie der Verzeihung
Um die Geschichte nicht mit neuem Versailler-Vertrag
Nur zu wiederholen ist ein Grundstein heutigen Europas

Deutschland wurde für sein deutliches mea culpa
Wieder in den Kreis der Guten aufgenommen was
Alle miteinander viele Jahre nur stärkte eine neue
Gemeinsame Identität langsam schuf im Westen

Im Osten aber fehlt diese gewachsene Identität
In der sich Verzeihung und Verantwortung auf
Preußisch bescheidene Art vorbildlich mischten
Sie verloren stattdessen die alten Ideale zuvor

Die Identität aus konstruktiver Verantwortung
Welche uns für ein mea culpa mitspielen ließ
Wuchs im Westen über 70 Jahre bis heute
Während der Osten seine Alte völlig verlor

Was auch die unsinige Hymnen-Diskussion
Um den schlechten Brecht wieder erklärt
Sie kamen eben immer noch häufig nie an
Was aber neue Lieder nicht ändern

Sollten wir gegenüber den Tätern der DDR
So großzügig vergessen auch wie wir es
Gegenüber manchen des NS-Staates taten
Woran sollen sich Bürger noch binden

Wichtiger noch scheint mir inzwischen
Das völlige Fehlen einer bürgerlichen Kultur
Die proletarische Ideale im Osten zerstörten
Außer sie überlebte in oppositionellen Nischen

Braucht es einer gewachsenen und also
Traditionellen bürgerlichen Kultur um
Aus ihr historische Verantwortung als
Chance für die Zukunft zu entwickeln

Es gibt in bürgerlichen Familien viele
Oft unausgesprochene Gewohnheiten
Die eine Kultur erst ausmachen aber
Kaum irgendwo nachzulesen noch sind

Es gab einmal den berühmten Knigge
Mit dem der Freiherr von Knigge den
Bürgern Freiheit bei Hofe ermöglichte
Höflichkeit als Chance zum Aufstieg

Heute gab es das Buch Manieren in dem
Indem ein äthiopischer Prinz und Nachfahre
Kaiser Haile Selassies uns den Spiegel als
Kulturerinnerung noch einmal wohl vorhält

Doch die Wege zur hohen Kultur die ein Land
Prägen und als Vorbild fungieren sind lang
Wie litt darunter auch etwa Angela Merkel
Über die Kohl noch biografisch lästerte

Zwar versuchte dieser die Veröffentlichung
Um der Peinlichkeit wegen zu verhindern
Doch wussten alle die beides kannten wie
Recht der oft peinliche Pfälzer hatte

Wie viele Ossis kannten in Kitas erzogen
Keine alten Tischsitten mehr wussten kaum
Wie Besteck zu halten oder sich an einer
Tafel zumindest korrekt zu benehmen wäre

Diese oft Peinlichkeit verschloss ihnen Kreise
Auch ich habe solches noch selbst erlebt bei
Liebsten aus der Mitte Deutschlands denen
Die bürgerliche Kultur innerlich fremd war

Es ging mit den Tischsitten auch ein Stück
Bürgerlicher Kultur verloren dachte ich den
Seine Mutter als Kind so oft damit nervte
Dass sie mir einfach ins Blut übergingen

Ist dieses Vergessen nun ein Gutes was
Uns freier und gleicher machen könnte
Weil es Klassenzugehörigkeit aufhebt
Oder geht uns wichtige Kultur verloren

Seltsam schauen mich junge Damen an
Wenn ich aufstehe wenn sie kommen
Oder es zumindest andeute noch oder
Ihnen Türen aufhalte und anderes mehr

Altertümliche Sitten der Verehrung einer
Dame mit denen ich noch groß wurde
Von Großmüttern auch geprägt die noch
Fast dem vorigen Jahrhundert entstammten

Können wir diese alter Kultur heute getrost
Vergessen da nun formal gleichberechtigt
Es keines Ehrenkultes mehr um die Dame
Bedarf und diese damit gestorben ist

Werde diesen Teil der Kultur weiter pflegen
Weil die Gegenwart einer Dame zu schön ist
Als dass ich der Egalität wegen darauf verzichtete
Ohne zu wissen ob ich das vergessen kann

Wie sehr ist unsere Geschichte und der Umgang
Mit ihr Teil unserer gewachsenen Identität schon
Kennzeichnet es eine Klasse oder Gruppe die
Damit ihren Zusammenhalt auch definiert

Die Erinnerung an und die Verantwortung für
Den Holocaust ist für mich Teil meiner über
Ein Leben gewachsenen bürgerlichen Identität
Sie zu vergessen schnitte ein Stück von mir ab

Diese Identität hat unser Land historisch stark
Wie im Kreis der Guten akzeptiert sein lassen
Wer sie verspielt riskiert also sehr viel auch
Wenn es wenigen klar zu sein scheint bis jetzt

Wie schaffe ich es das Ideal bürgerlicher Kultur
Mit seinen Werten wieder selbstverständlich
Für breite Schichten zu machen die sich nun
An schmuddelige Ränder noch flüchten

Was könnte überhaupt dauerhaft im Osten
Wieder eine bürgerliche Kultur wachsen lassen
Die nicht aufgesetzt oder eingepflanzt wirkt
Was ging dort alles vierzig Jahre verloren

Vergessen ist der Anfang vom Ende der Kultur
Kann aber auch der Anfang neuer schon sein
Wenn wir die alte besser vergessen sollten
Wohin es in Zukunft geht scheint noch offen

jens tuengerthal 11.5.2019

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