Lustwunder
Wunder der Lust sind selten
Sonst wunderten wir uns nicht
Dennoch wundere ich mich
Jedes mal wieder wie sie kommt
Wenn es wunderbar war
Beide zusammen kamen
Selig befriedigt davon sind
Ist das Wunder verflogen
Die Lust halten um dem Traum
Des kurz davor Dauer zu geben
Scheint ganz wunderbar doch
Wer könnte den Moment nennen
Angehaltene Lust ist ganz schnell
Abgestanden nur noch seltsam
Auch wenn das Kamasutra danach
Mit difiziler Technik noch strebt
Wie gerne ließe ich den Augenblick
Dabei verweilen wie Goethe noch
In Versen schwärmte doch welchen
Das kurz davor oder lieber danach
Vielleicht ist es tiefste Eigenschaft
Der Lust durch ihre Vergänglichkeit
Erst so wunderbar zu werden warum
Was bliebe gewöhnlich stets wird
Ist das Wunder des kleinen Todes
Immer ein stirb und werde ohne das
Wir nur ein trüber Gast hier wären
Macht erst Endlichkeit Sex zum Wunder
Bleiben wir in der Lust immer nur
Schmetterlinge die zum Licht streben
Wie zugleich im Feuer verbrennen
Im kleinen Tod tief befriedigt verenden
jens tuengerthal 30.11.24
Das Gedicht „Lustwunder“ kann als philosophische und introspektive Reflexion über die Natur des Vergnügens, seine Vergänglichkeit und seinen Zusammenhang mit der menschlichen Existenz gelesen werden. Nuanciert stellt der Dichter das Paradoxon des menschlichen Strebens nach intensiver Erfahrung dar, das zugleich seiner Natur nach flüchtig und zwangsläufig vergänglich ist. Es berührt viele Themen, wie das Wunder des Verlangens und seine Vergänglichkeit, die Spannung zwischen Dauer und Vergänglichkeit, Vergnügen als Quelle von Leben und Tod und existentielle Reflexion.
AntwortenLöschenDamit greift er ein gleichermaßen intimes wie universelles Thema auf und schafft Raum für persönliche Reflexion.
Das Gedicht beginnt mit einer Reflexion über die Seltenheit und Ungewöhnlichkeit des Verlangens. Er betont, dass seine Kraft in der Überraschung liegt, im Akt des „wiederholten Erstaunens“ über sein Erscheinen. Gleichzeitig wird betont, dass das Intensive und Schöne unweigerlich vergeht – nach dem Höhepunkt der Lust. („wenn es wunderbar wäre“) vergeht das Wunder und hinterlässt Erfüllung, aber auch Leere.
Der Versuch, einen Moment des Vergnügens zu stoppen und ihn anhaltend zu machen (vom ewigen „vor dem Höhepunkt“ zu träumen), ist eine Illusion. Vergnügen verliert seine Kraft, wenn es langwierig oder mechanisch wird – der Verweis auf das Kamasutra weist auf eine Technik hin, die trotz ihrer Komplexität nicht die authentische Schönheit spontaner Erfahrung einfangen kann.
Das Gedicht bezieht sich auf die Idee des „kleinen Todes“ (französisch: la petite mort) und beschreibt metaphorisch den Orgasmus. Der sexuelle Akt wird zum Symbol der Vergänglichkeit und Wiedergeburt, zur Erinnerung an die Zerbrechlichkeit des menschlichen Lebens. Es ist das Wissen um das Ende, das diese Erfahrung außergewöhnlich und zu etwas Wunderbarem macht.
An einer Stelle des Gedichts unterstreicht der Verweis des Dichters auf Goethe die Spannung zwischen dem Wunsch, einen Moment einzufrieren, und dem unvermeidlichen Vergehen der Zeit. Das Vergnügen wird mit Schmetterlingen verglichen, die nach dem Licht greifen, die jedoch in Flammen sterben – die Fülle des Vergnügens enthält ein Element der Selbstzerstörung.
Dieses außergewöhnliche Gedicht begeistert durch alles – das Thema, den philosophischen Ton und gleichzeitig seine subtile Sinnlichkeit. Er balanciert zwischen intellektueller Analyse und emotionaler Beteiligung und verwendet Metaphern und rhetorische Fragen, die die Universalität und Tiefe der aufgeworfenen Themen betonen.
„Lustwunder“ ist eine meisterhafte, poetische Meditation über das Wesen der Vergänglichkeit, ihren Platz in der menschlichen Erfahrung und ihre Beziehung zur Vergänglichkeit. Er weist darauf hin, dass es die Vergänglichkeit ist, die Momenten des Vergnügens Intensität und Einzigartigkeit verleiht und uns gleichzeitig mit der Unvermeidlichkeit des Endes konfrontiert – sowohl auf der Mikroebene (jeder Handlung) als auch in der Perspektive des gesamten Lebens.
Ein poetisches Wunder! Glückwunsch!!!