Sonntag, 7. Oktober 2018

Grunewaldwasser

Eine kleine Wanderung mit der Liebsten führte uns von der S-Bahnstation Grunewald zum Wannsee, was nach nicht viel klingt aber dann doch 24km waren, die noch danach mit sieben Kilometern durch erleuchtete und überfüllte Stadt zumindest lichttechnisch gekrönt wurden.

In die Natur wollten wir, zuerst war geplant am schönen Wannsee entlang bis zur Glienicker Brücke und den angrenzenden herbstlichen Parks zu laufen. Das haben wir uns, für das nächste mal aufgehoben, da die Sonne bereits bei unserer Ankunft dort bunteste Anstalten machte im Wannsee oder schließlich sogar hinter ihm zu verschwinden. Aber der Reihe nach - es begann am späten Mittag am Helmholtzplatz von wo es gen Westen ging.

Los ging die Wanderung noch am frühen Nachmittag am nördlichen Ende des Grunewalds entlang den nobel bebauten Hundekehlesee auf dessen östlicher Seite das Wohnhaus des hochgeschätzten Walter Rahtenaus als Gedenkstätte liegt, was wir aber auf Naturursuche diesmal völlig ignorierten. Entsprechend folgte dem Hundekehlesee, von dem besonders eine eindrucksvoll knurrende Dogge mit dem Blick durch buntes Laub auf schönes Wasser in Erinnerung blieb, das Hundekehlefenn mit viel sumpfigem Grün im anmutig herbstlichen Wald.

Den Weg zum Forsthaus kann sich der Flaneur ohne besonderen Auftrag übrigens schlicht sparen - dort endet der Weg an Zäunen mitten im Wald. Die andere Seite aber führte uns direkt zum Grunewaldsee, wo ich mit der seligen Liebsten eine erste kleine Picknickpause einlegte.

Dieser See mit dem schönen königlichen Jagdschloss hieße eigentlich einzig mit Recht Hundekehle, so sammeln sich hier die planschenden, bellenden, badenden, sich schüttelnden, tobenden Hunde mit ihren mehr oder weniger noch beweglichen Herrchen und Frauchen. Glücklich strahlte meine Liebste, die Hunde wirklich liebt, die dort versammelten Vierbeiner an und lauschte andächtig dem Gekläffe bei unserem Picknick, was ich durch einen schönen Schluck Tee lieber, wenn auch erfolglos auszublenden versuchte.

Warum sich viele Menschen gerne Tiere halten, dies bei Tierliebhabern ein Lächeln auslöst und kläffende Viecher in schönster sonst stiller Natur als schön gelten, wird mir wohl immer ein Rätsel bleiben. Auch warum sich Menschen für tierlieb halten, die Tiere halten, was schon vom Wesen her eigentlich eine contra dictio ist. Aber die strahlenden Augen der Liebsten angesichts der vielen manchmal sogar zumindest farblich schönen Kläffer, entschädigte mich für den erwartbaren Lärm in sonst waldig friedlicher Umgebung und ich lächelte zum nervigen Gebelle dank bezaubernder Gegenwart meiner Hundefrau.

Was an der Herrschaft über ein Tier und der Haltung eines solchen schön sein soll, als die Versachlichung von Lebewesen, die eine Form von Sklaverei ist, ist mir trotz jahrelangem Zusammenleben mit wunderbaren Hunden bei meinen Eltern irgendwie entgangen. Natürlich liebte ich diese Familienmitglieder irgendwann auch, besonders als Babys laden diese süßen kleinen Eisbären ja auch dazu ein - aber warum es gut sein soll, ein Tier zu halten, also in Gefangenschaft leben zu lassen, was nur dem eigenen Vergnügen dienen soll, verstehe ich nicht.

Wer Tiere liebt, sollte sie freilassen, was sicher erstmal Mord und Totschlag auch in deutschen Wäldern bedeutete, wie ihn eingewanderte polnische und russische Wölfe gerade wirkungsvoll in mecklenburgischen und märkischen Wäldern verursachen, aber wäre diese mörderische Natur nicht besser als das “Weiter soi!” der Sklavenhalter?

Zum Glück muss ich nicht darüber entscheiden und kann mich vereinzelt an schöner Farbe erfreuen, das Thema aber mit dem Verweis auf die noch Stadtwohnung lächelnd ignorieren, denn in der Stadt haben Viecher nun wirklich nichts verloren, außer zur Egopflege gelangweilter Menschen, die besser lesen läsen.

Aber das sehen viele Berliner, vor allem im Westen vollständig anders, die ihr Viehzeug schon immer mehr lieben als Kinder je. Diese treffen sich, zumindest soweit sie Kläffer haben, alle dort, hat der ahnungslose Waldwanderer den Eindruck, wenn er erstmal an den Grunewaldsee kommt.

Sie dürfen dort fast überall ohne Leine toben, warum es im Herbst dort erst wirklich schön wird, weil im Sommer noch Wälder und Wiesen nach dampfenden Ausscheidungen der Lieblinge überall duften.  Ein Heiratsmarkt für alleinstehende Hundehalter soll es sein, lästerte der Tagesspiegel schon -  an diesem Samstag war es eher ein Ausflugsziel für Hundefamilien - aber ich weiß natürlich nicht, was sich wochentags in den ewig stinkenden Wäldern so abspielt. Manche soll das ja anmachen und was zu reden, findet sich mit Kläffern noch immer.

Vom ersten Picknickplatz am Nordende des Sees ging es zum Jagdschloss in dem Vogelhalter noch mehr gefangene Tiere präsentierten, Bussarde, Steinadler, teilweise auf den Armen der oliv gekleideten wohl behüteten Damen und Herren und noch Iltisse bei einer Dame, die neugierige Besucher anlockten und mich Feind der Tiersklaverei eher erschreckten, auch wenn alles gut gelaunt, freundlich und gepflegt wirkte, sie bestimmt bestmöglich mit den Vögeln umgingen, wie es eben bestmöglich geht, wenn Menschen sich Tiere in Gefangenschaft halten, die sonst frei und wild fliegen.

So wenig wie die Vögel durften die Hunde im Jagdschloss frei toben, gut angeleint verhielten sie sich verhältnismäßig diszipliniert und bellten etwas weniger - warum Menschen so etwas im Wald brauchen, wird mir wohl ewig ein Rätsel bleiben. Die königlichen Besitzer werden dort womöglich auch Jagdhunde und Jagdvögel gemeinsam gehalten haben, sagte ich mir und dachte irgendwie passt es dann ja und erinnerte mich an meine Kindheit  in den 70ern, wo solches noch ganz normal war. Wie nicht lange zuvor für viele Amerikaner die Sklavenhaltung noch normal war, haben viele eben Tiere gehabt, die ihnen gehörten, wie ihre Fahrräder oder Autos - aber im Bewusstsein gegenüber den Kreaturen scheint sich etwas zu ändern, denke ich und beiße in mein Wurstbrot.

Die Insel West-Berlin hatte ihre eigenen Regeln und ihre geschlossenen Gebiete - vom Bahnhof Zoo schrieb uns Christiane F und vom Grunewaldsee könnte Bello erzählen - es sind wirklich viele dort und so war ich heilfroh, als wir endlich in wunderbarer Ruhe durch den Grunewald entlang dem langen Luch durch einsamen Wald wanderten. Nur die Liebste wurde dort, vermutlich erschöpft von der vielen Hundebegeisterung, etwas müde, während ich überlegte, dass wir nicht mal ¼ der von mir geplanten Strecke hinter uns hatten, was mich am nicht mehr frühen Nachmittag schon nervöser machte.

Aber Pläne sind dazu da, geändert zu werden, um das Leben besser miteinander zu genießen. Flexibilität macht glücklicher als Konsequenz und Durchsetzungswille. Aufregung lohnt nie und so trabten wir gemächlich den feuchten Fenngraben entlang bis zur schließlich Krummen Lanke, an der wir sogar badende Kinder und Großväter sahen und uns am schönen Laub im herbstlichen Grunewald am Ufer erfreuten. Von der Krummen Lanke geht es ganz schnell über die Straße zum Schlachtensee, dessen Gastronomie wir ignorierten, um weiter dem Seeenrundweg zum Wannsee zu folgen.

Nach schönstem herbstlichen Wald, der allerdings auch am Schlachtensee schon deutlichst die Autobahn westlich hören ließ, war der Wechsel auf die Spanische Allee, die uns schließlich über die Autobahn zum Kronprinzessinnenweg führte ein schöner Schock. Am AVUS Treff an der Spinner Brücke standen und röhrten wie immer bei schönem Wetter mehrere hundert, wenn nicht tausende Motorräder, diese überflüssigsten aller belästigenden Vehikel, deren Lärm längst durch einen Elektroantrieb vollständig beseitigt werden könnte.

Warum Motorräder noch erlaubt sind, außer um die Zahl der Organspender zu erhöhen, ist mir schon immer ein Rätsel, vielleicht wäre es eine gute Maßnahme, die Verpflichtung zur Organspende mit dem Kauf eines Motorrades zu verknüpfen und diese auf Elektroantrieb mit gedämpften Reifen beschränken. Vielleicht ist es aber gut so, dass ich auch über diese Ausprägung der Individualität nicht intolerant zu entscheiden habe. Höre ich diesen grässlichen Lärm und rieche ich ihren Gestank nach dem zauberhaften Grunewald, könnte ich mich noch für Lebendspende bei allen Bikern einsetzen, damit dieses nervige Volk endlich vom geplagten Planeten verschwände und sie noch einmal etwas nützliches täten, warum es vermutlich wirklich besser so ist, das ich dazu nichts weiter zu sagen habe, wollte es nur mal sagen und frage mich doch, wie vielen Lärm geplagten Menschen es genauso geht und ob wir diese Idioten nicht alle in Schallgedämmte Gegenden abschieben und internieren können - aber ich merke schon der Tonfall ist keinesewegs gut menschlich sondern fast schon AfD-mäßig, was mir ja noch ferner liegt.

Für diesen Lärm entschädigte uns anschließend der Grunewald auf dem überflüssigen Weg zum Strandbad Wannsee, da es von dort auch nicht weiter als bis zur Jugendherberge geht, die aber immerhin irgendwann an den Strand führt, den wir zwar noch mal bis zum Bahnhof in Richtung Kronprinzessinnenweg verlassen mussten, der aber spektakuläre Wolken in schönstem rot und rosa uns dafür bot, was ja auch nicht zu verachten ist.

Als wir, also die Liebste und ich schließlich den Wannsee erreichten dunkelte es schon so sehr, dass der Versuch sie zum noch längeren Weitermarsch am See entlang gen Potsdam zu überreden, nicht wirklich realistisch war und auch ich fand die 24 km bis hierhin angesicht des noch geplanten Besuchs beim Festival of Lights inzwischen eher erstmal genug.

Eine kleine Freude bereitete der Liebsten noch der zumindest ihrerseits wahrgenommene Rattenbesuch als wir mit Seeblick der Sonne hinterher schauten, nahe dem Bismarck Denkmal, gegenüber dem Bahnhof, noch auf das romantisch schönste rot warteten, zumindest beschleunigte dies die Abreise gen Stadt sehr, die wir schließlich in völliger städtisch beleuchteter Dunkelheit wieder erreichten, um in die Menge zu tauchen. Das größtmögliche Gegensatzpaar - Herbstnatur und touristisch überfüllte Großstadt, die angesichts der bewegten Massen auch bei nicht Massen fürchtenden Menschen Klaustrophobie auslösen konnte - sind eine Geschichte für sich.

jens tuengerthal 07.10.2018

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