Bürgerliebe
Wie liebt der Bürger heute nach dem
Ende der bürgerlichen Gesellschaft
Deren Abgesang Thomas Mann schon
So genial in den Buddenbrooks anstimmte
Anders als sein Bruder Heinrich der im
Untertan nur böse verspottet zeichnete
Thomas freundlich mit Liebe die um ihr
Ende weiß aber lächelnd untergeht
Taugt die Ehe noch als Modell für eine
Zukunft die Geschlechtergrenzen wie
Konventionen zunehmend aufhebt
Bleibt die Familie ihre Keimzelle
Ist die Ehe für alle eine Antwort
Oder die Fortsetzung des Falschen
Unter neuen Vorzeichen die nur
Alles in einen Rahmen presst
Kommt weiter eine Mehrheit aus
Familien und wächst dort nach einem
Konventionellen Modell auf oder sind
Zwischenformen heute eher normal
Wo bleibt die Liebe nach dem Ende
Ihrer institutionalisierten Form in der
Ehe und Familie die nicht mehr in
Das Leben der meisten passen
Keine wahre Liebe im falschen Gefühl
Dachte Walter Benjamin den Adorno bei
Der Auslegung der Wahlverwandtschaften
Goethes voller Zweifel selbst voraus
Ehe und Familie sind Formen eines
Nomadischen Wüstenvolkes welche
Durch die jüdische Sekte Christentum
Bis heute weltweit herrschend wurden
Ist die Begrenzung der Natur in der Form
Von Treue und Monogamie je natürlich
Für uns Menschen gewesen oder nie
Wohin strebt unser Wesen davon befreit
Zwischen Mythos im Gefühl das noch
An höhere Fügung zu gerne glaubt
Und kritischer Vernunft die dies einst
Normierte klafft eine Leerstelle
Der Ordnung und der Macht wegen
Haben wir Gefühl und Natur in ein
Immer untaugliches Korsett gezwängt
Aus dem unser Bild der Liebe wuchs
Schon die Germanen hatten Tacitus
Zufolge innovativere Lebensformen
Wie damit Arten die Liebe zu leben
Als christliche Sekten bis heute
Gleiches gilt für alle monotheistischen
Sekten mit ihrem so chauvinistischen
Menschenbild was Frauen unterdrückt
Um das Erbe männlich zu halten
Die Befreiung des Gefühls als Macht
Welche über die Liebe alles bestimmt
In der Romantik verschob den Blick
Auf Ehe und Familie ganz radikal
Die vorher Versorgungsgeinschaft
Als Struktur dauerhafter Sicherheit
Wurde an irrationale Gefühle gehängt
Was logisch unzuverlässig wurde
Welche Form könnte in Zukunft die
Bürgerliche Ehe ersetzen um dafür
Kontinuität und Zuverlässigkeit als
Eigenschaften der Bürger zu bieten
Wie liebt der bürgerliche Anarchist
Der die Ehe als Ende der Liebe sieht
Auf der Suche nach freieren Formen
Die zu gewohnten Ritualen passen
Frage es mich immer wieder neu
Suche Wege die mir entsprechen
Probiere und scheitere dabei auch
An der Allmacht der Konventionen
Mit konservativen Traditionen noch
Aufgewachsen diesen entwachsen
Von bürgerlicher Liebe träumend im
Bionade Biedermeier bleibt alles offen
Viermal verlobt aber nie verheiratet
Von der einen träumend die auch
Den anarchistischen Künstler liebt
Mit gleichen Konventionen aufwuchs
Weiß nicht wie Bürger heute lieben
Noch was diese genau sind wonach
Sich Klassenzugehörigkeit bemisst
Es um Formen oder Inhalte geht
Bin ich ein als Bürger verkleideter
Anarchist oder bürgerlicher Anarch
Wer kann damit etwas anfangen
Was mich aus der Familie prägte
Achte sehr auf Tischmanieren
Von der Mutter dazu dressiert
Finde es so lächerlich wie nötig
Wie als Dichter Sprache wichtig
Beim falschen Dativ oder wenn
Es auf Arbeit geht laufe ich weg
Lebe auf dem Gebiet des einst
Arbeiter und Bauern Staates
Eigentum ist der Beginn der
Sklaverei wie Ausdruck von
Bürgerlicher Freiheit die der
Staat unbedingt schützen soll
Will auf keinen Fall heiraten
Aber träume heimlich davon
Habe Geliebte statt Beziehungen
Und will doch nur die eine noch
Vielleicht genug Widerspruch auch
Als Bürger nie Gefahr zu laufen
Von einer als Gatte ganz gewollt
Je zu werden denke ich laut
Pflege nur heimlich noch die
Sehnsucht nach dem Traum
Der für Momente wirklich wird bis
Es in bürgerliche Bahnen kommt
So wurde die Liebe der Bürger die
Real nur Gewohnheitsliebe ist
Ohne jeden echten Grund zur nur
Traditionspflege der Staatsbürger
jens tuengerthal 15.5.24
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