Dienstag, 3. August 2021

Friedellluther

Friedellluther

Bei Egon Friedell über Luther gelesen
In seinem genialen manchmal etwas
Atemlosen Stil der sich weit vorwagt
Für eine Kulturgeschichte aber genau
Darum so großartig wie genial ist im
Blick auf Wirkung und Zusammenhang
Die erst Verständnis ermöglichen weil
Keiner isoliert in seiner Epoche steht
Oder gar ihr gegenüber im Umbruch
So war der Dr. Martin noch ein ganz
Eifriger Theologe zu Erfurt wie dann
Ein bußwilliger Augustiner der sich
Bis an die letzten Grenzen quälte
Die ersten Zweifel die ihn in Rom
Berühren später mit dem Ablaß für
Den Bau des Petersdoms erst
Manifest trotziger Widerstand werden
So war Luther zugleich der letzte
Noch mittelalterliche Mönch auch
In seinem späteren Denken aber
Zugleich der erste der Humanisten
In der Individualisierung die später
Erst die Kunst der Renaissance
Groß machte und auch wenn ich
Nicht weiß ob der halsstarrige Luther
Je den seinerzeit schon kursierenden
Lukrez las der zumindest in Italien
Kunst und Denken veränderte hat sein
Denken Elemente des epikuräischen
Individualismus bei gleichzeitiger Mystik
Ist der üble Antisemit und Humanist
Ein weder noch wie sowohl als auch
Was jede Manifestation schwer macht
Gehört noch ganz zum Mittelalter was
Die Renaissance schon zuvor beendete
Zumindest in der italienischen Kunst
Aber brachte auch die Abkehr vom alten
Römischen Aberglauben mit seinen
Reliquien und Heiligenbildern die doch
Der reinen Lehre klar widersprechen
Aber Teil älterer Traditionen war die
Von der intoleranten jüdischen Sekte
Welche sich Christentum nannte mit
Schwert und Drohung zuvor vertrieben
Friedell war schon als Schüler 1897
Vom Judentum zum evangelischen
Lutherischen Glauben konvertiert was
Den SA-Mann der 1938 bei ihm klopfte
Nicht hinderte nach dem Jud Friedell
Zu fragen der sich bevor es zur wohl
Noch nicht beabsichtigten Verhaftung
Kam aus dem Fenster stürzte aber
Nicht ohne zuvor die Passanten zu
Warnen damit keiner durch ihn noch
Verletzt würde der 1899 nach dem
Vierten Versuch das Abitur bestand
Um in Heidelberg Philosophie danach
Zu studieren was für ihn die beste
Grundlage für seine Tätigkeit als
Autor im Kabarett war wie er selbst
Meinte der nach dem Tod seines
Wohlhabenden Vaters keine Sorgen
Finanzieller Art mehr sich machte
Ein freier Geist wurde dessen Art
Die Geschichte zu betrachten auch
Den für mich schwierigen Luther im
Historischen Kontext eine Einladung
Ist die jenseits aller Vorurteile noch
Den Geist weitet in dem sie auf die
Bekannten Zusammenhänge neuen
Geist wirft im Licht der Toleranz die
Auch seine Atemlosigkeit zum eher
Unterhaltsamen Stilmittel macht ohne
Den Leser fassungslos zu machen
Mit Eleganz zwischen Epochen surft
Also zeigt was Größe ausmacht die
Sich nicht nur an Ausschnitte klammert
Sondern Personen im Kontext versteht
Weil Geschichte von Menschen zuerst
Gemacht wird statt von leblosen nur
Später gewählten Einteilungen und so
Ist Friedells Luther mir nah so fremd
Der große Reformator mir in vielem ist
Wird in seiner ganzen Widersprüchlichkeit
Zu einer zeitgemäßen Figur die darum
Geschichte schrieb nicht der sonst
Betonten Linearität wegen sondern
Weil er seine Brüche auslebte

jens tuengerthal 3.7.21

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