Dienstag, 3. März 2020

Berliner Aufklärung XXVI

Parvenupolis

Parvenupolis nannte einst der
Unternehmer Walter Rathenau
Sein Berlin als bunten Aufsteiger
Der keine Geschichte hatte eher
Neureich provinziell noch war
Im Vergleich zu den anderen
Alten europäischen Metropolen
Wenig scheint passender noch
Bis heute denkt der Beobachter
Der Bewohner wurde dabei mit
Blick auf seine Stadt die gern
Großstadt spielt es dank der
Eingemeindung von 1920 auch
Faktisch wurde die größte blieb
Auch wenn nur viele Dörfer dort
Unter einem Namen geballt sind
Das alte Berlin selbst wenig nur
Städtisches halt als vielleicht den
Alex als wohl hässlichstes Beispiel
Wie Stadt hinter Fassaden stirbt
Wenn Ideologie alleine bauen darf
Wie der Sozialismus erst vollendete
Was Hitler noch nur träumte an
Totalitärer Gestaltung von Berlin
Dem Wende sei dank die Altbauten
In Prenzlauerberg erhalten blieben
Welche nach Plan Platten ersetzen
Sollten im sozialistischen Geiste
Doch genügten 40 Jahre so wenig
Die widerständige Stadt umzuformen
Nach schlichtem marxschen Bilde
Blieb gewachsenes auch unsaniert
Schöner erhalten als alle Pläne
Wie auch der Palast dieser niemals
Republik im roten Mantel wieder
Verschwand um dem besten Raum
Zu geben was Preußens Geist uns
Brachte das museale Humboldt-Forum
Womit das zauberhafter Ensemble
Der Insel würdiges Weltkulturerbe
Wäre würde der Dom abgerissen
Dieser peinliche wilhelminische nur
Protzige Ausrutscher nach Wunsch
Des Parvenus auf dem Thron noch
Zu falscher Zeit zu groß gebaut der
Nur mit dem vorher Palast der DDR
Ein ästhetisch passendes Gegenüber
Noch hatte aber die Berliner lieben
Ihren Dom ob fromm oder nicht
Weil die Kuppel noch größer ist als
Die des historischen Petersdom zu
Rom was echte Berliner stolz macht
Weil größer hier wichtiger ist als
Passend oder gar schön wovon der
Berliner verständlich wenig versteht
Leben doch mehr hier in geballter
Hässlichkeit als jemals noch schön
Nicht nur in den beiden Superlativen
Städtischen Grauens westöstlich dem
Märkischen Viertel und Marzahn als
Wahrzeichen verfehlter Planung die
Zumindest zum Berliner Dom passt
Womit sich im Zentrum spiegelt was
An den Rändern sich austobte lange
Berlin wuchs vor allem an seinen
Rändern wesentlich stärker noch
Als im früher Berlin was mehr zum
Musealen Areal der Geschäfte wurde
Kneipen und Bordellen inzwischen
Mehr Obdach bot als Bewohnern
Wie es manchen Innenstädten so geht
Es sei denn sie verbannen die Lust
Prüde in abgegrenzte Bezirke was
Dem religiösen Anschein dienen soll
Berlin ist ein neureicher Parvenus
Im Kaiserreich mit Geld geworden
Was nach 1871 aus Paris erpresst
Peinlich in vielem dabei ganz ohne
Gutes Benehmen oder echte Kultur wie
Sie alte Städte von den ersten Bürgern
Forderte was Thomas Mann so treffend
In den Buddenbrooks für Lübeck karikiert
Für Bremen Frankfurt Köln genauso gilt
Die stolz im steifen Kragen stolperten
Während Berlin sich lieber großmäulig
Preußisch bescheiden gab um dafür
Hinter rauher Schale völlig von sich
Überzeugt zu sein als Gernegroß
So ist der harte Berliner Ton nicht
Charmant ehrlich wie gern gespielt
Sondern provinziell primitiv im Kern
Ist da nicht irgend mehr noch dahinter
Bleibt der Berliner ein Brandenburger
Bauer auf engstem Raum eingesperrt
Mit aber genug Humor zumindest sich
Zur Witzfigur zu machen hinter der wir
Nur tunlichst nicht mehr erwarten sollten
Dann lässt es sich gut aushalten in
Diesem peinlichen Parvenus der
Berlin immer bleiben wird

jens tuengerthal 3.3.20

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