005 Wie alles wurde - Geschichte im Überblick
Über die Lust an der Geschichte
Geschichte scheint ein riesiges, unendlich weites Feld zu sein, in dem Mensch sich völlig verlieren kann, wenn keine Orientierung gefunden wird. Viele kapitulieren schon bevor sie nach einer solchen suchen vor den Unmengen an Stoff, die den Neugierigen hier erwarten und den Experten vom Laien unterscheiden.
Andere rutschen über historische Romane plötzlich in die Welt der Geschichte und einzelne Personen, mit denen sie sich identifizieren können, die dann zur Brücke ihrer Neugier werden und ihnen damit eine Orientierung geben.
Habe wenig Ahnung von historischen Daten, bringe mit meiner lückenhaften Erinnerung immer wieder Zeiten durcheinander, springe nach Ideen zwischen den Zeiten, ohne mich an eine strenge Chronologie dabei noch zu halten. Trotzdem fragen mich erstaunlicherweise immer wieder Menschen, wie ich mir das alles merken kann und woher ich die Namen alle kenne.
Bin dabei immer ganz perplex, weil ich weiß, wie wenig Faktenwissen ich habe, auf wie dünnem historischen Eis ich stehe und das nicht nur weil ich in den 70ern in Hessen in der Schule war. Verdrehe manches und es gibt mehr Gebiete, die für mich ein völlig blinder Fleck sind als jene, von denen ich zumindest ein wenig Ahnung habe. Dennoch schaffe ich es irgendwie den Eindruck zu erwecken, ich verstünde was vom Thema, was mir zwar rätselhaft erscheint aber zumindest meiner Eitelkeit schmeichelt.
Schreibe und rede nur von wenigen vermutlich häufig wiederholten Geschichten, die ich kenne und vergesse das meiste, was ich lese sehr bald wieder. Viele meiner Freunde und Bekannten, die von sich sagen, sie haben keine Ahnung von Geschichte, haben meist ein besseres historisches Wissen in Fakten als ich, der die Geschichte einfach liebt und eher eine bloß emotionale Bindung zu diesem Thema hat.
Daten haben mich schon immer gelangweilt und wenn ich höre, welche Schlachten und Geburtstage einer meiner besten Freunde neben allen Figuren der griechischen Mythologie dazu kennt, merke ich bei jedem Besuch im Museum mit ihm, wie wenig Ahnung ich in der Sache habe. Ihm fällt das wohl leichter, weil er im Gegensatz zu mir ein hervorragendes auch durch die Musik trainiertes Gedächtnis hat, vom Bridge Spiel ganz zu schweigen, dass seine Aufmerksamkeit wohl auch von früh an zusätzlich trainierte. Dagegen scheiterten meine Versuche mit ihm Bridge zu lernen, obwohl ich es sehr vornehm fand, bald an meinem schlechten Gedächtnis und ich war zu faul in ein Kartenspiel Energie zu investieren, wie ich überhaupt wohl sehr faul und bequem bin, es mir gern gut gehen lasse.
Meinem Freund fällt es noch leichter, weil er mit vielen derer aus der Geschichte auch noch irgendwie verwandt ist - nicht nur über Adam und Eva wie wir alle, sondern relativ nah und konkret. Ihn bewunderte ich für sein enormes Wissen immer und die Gänge mit ihm durchs Museum wurden mir immer wieder zur Lehrstunde, bei der meine Lust an der Geschichte wuchs. Er plauderte über Familiengeschichte quasi, so wie meinereiner von Tante Erna erzählte und während ich bei den ersten malen ständig nachfragte, wuchs mit der Zeit auch mein Netz, in dem ich mich bewegte und ich begann, seine Anspielungen zumindest teilweie zu verstehen.
Er hat eine klassische humanistische Bildung genossen, ist mit einem sagenhaften Gedächtnis gesegnet und dazu noch, auch als Erbe der alten Familie,
mit einem weit überdurchschnittlichen strategischen Denken gesegnet, was Zusammenhänge erkannte, von denen ich zunächst nicht mal etwas ahnte.
Durch ihn lernte ich Schauen und begann Brücken zu bauen zwischen dem, was ich in der Schule lernte und was er an klassischer Bildung spielerisch nutzen konnte. Auch sein Vater spielte immer wunderbar mit historischen Anekdoten, mit denen sie aber auch als Familie groß wurden, erzählte sogar noch mit über achtzig immer wieder lange Verse auswendig dazu - von Fontanes Preußengedichten bis zu Morgenstern, der das ganze noch mit Humor versah. Früher verstand ich viele seiner klugen Witze kaum, dann begann ich, dahinter zu schauen und zum Glück neigen auch so kluge und gebildete Menschen im Alter zu Wiederholungen, was mir die Chance gab, wenn nicht beim zweiten, so doch beim dritten mal über einen Witz herzlich zu lachen.
Bin also etwas langsam, nicht überdurchschnittlich begabt, egal, was welche Zahlen nun sagen, die ich für eher zufällig halte, sehr faul und mit relativ wenig Ahnung in der Sache, über die ich nun fabulieren will, wovor ich die Leserin hiermit nur eindringlich warnen wollte. Möchte kein Geschichtsreferat halten, in dem ich Fakten herunterbete sondern nur über meinen Blick darauf erzählen und wie ich darin Orientierung fand.
Verglichen mit Historikern oder wirklich gebildeten Menschen habe ich immer noch keine Ahnung, möchte auch meiner Tochter gegenüber gar nicht so tun, als wäre es anders, denn sich als Kenner blamieren, ist immer peinlicher, denn als Dilettant überraschen erfolgreich zu sein, womit ich nicht mal rechne, nur vermeidet es die größte Blamage von vornherein klarzustellen, ich habe keine Ahnung, bin nicht verwandt, habe keine klassische Bildung genossen, die ich nur bewundern kann, sondern manche hessische Schulexperimente bis zur 9. Klasse erfahren und bin danach im Ländle mehr oder weniger erfolglos dem rasenden Schulzug hinterher gerast, der auch im Leistungskurs Geschichte im Abitur noch auf sehr überschaubar niedrigem Niveau blieb.
Im Gegensatz zur Elterngeneration oder meinem hochbegabten Freund, lernte ich in der Schule und auch sonst nahezu nichts mehr auswendig, was als altmodisch galt, sondern sollte es mir im sozialen Kontext erschließen lernen, was sich mir mit nichts als Gerüst so wenig erschloss wie die vorher üblichen nur stumpf auswendig gelernten Daten. Betrachte ich mein schlechtes Gedächtnis, kann ich von Glück reden in den 70ern teilweise reformpädagogisch geprägt die Schule durchritten zu haben, ohne von einer größeren Ahnung tiefer getrübt zu werden.
Da ich wenig so gut kann, wie vergessen, behielt ich fast nichts vom gelernten sondern baute vorsätzlich auf Lücke, die ich mit der Zeit durch Phrasen zu füllen lernte, wie ich es auch hier schon wieder völlig faktenfrei tue. Warum aber kann ich dennoch den Eindruck erwecken, ich würde mich in Geschichte auskennen und hätte meinem schwachen Gedächtnis zum Trotz ein großes Wissen?
Will hier ganz ehrlich sein, es geht ja um nichts als meine Sicht und ich möchte meiner Tochter nicht wie in der Schule Fakten vermitteln, sondern den Blick auf die Geschichte öffnen. Es braucht kein großes Wissen dazu sondern allein ein Verständnis für Zusammenhänge, um zu verstehen, worum es geht. Natürlich ist manches dabei immer Show, was heißt bestimmte Begriffe und wenige Codewörter zu verwenden, die klingen als hättest du Ahnung, auch wenn du wenig mehr als diese Worte kennst.
Auch wenn in der Schule oder später an der Uni Wissen abgefragt und überprüft wird, geht es meist nur um wenige Fakten, die auswendig gelernt werden können und dann einfach nur im richtigen Kontext wiedergekäut werden. Dahinter steckt wenig Zauberei und es braucht keines überragenden Gedächtnisses, um in Geschichte mit Einsen zu glänzen, sonst wäre es ja mir auch völlig unmöglich gewesen, auch in Anbetracht meiner großen Faulheit beim Lernen.
Habe mich in den letzten zwei Jahren in der Schule, den einzigen in denen ich in meiner viel zu langen Schulkarriere jemals gut war, immer auf ein Minimum an Aufwand beschränkt, habe glaube ich nie so wenig für die Schule getan, wie zu dieser Zeit. Nur gefehlt habe ich selten und zum etwas Unwillen der Klassenkameraden immer aktiv mitgemacht, um nicht Gefahr zu laufen, sonst einzuschlafen. Nebenbei habe ich viel Zeitung gelesen, vielleicht um mich wichtig machen zu können, aber auch um gebildet und interessant mit Schlagwörtern wirken zu können, die dann so ganz nebenbei im Gedächtnis blieben.
Vermute heute diese Lektüre der Zeit, hat die Basis geschaffen, aus der sich dann spielerisch der Rest ergab. Auch in Mathe, wo ich früher immer eher zur 5 tendiert hatte, machte ich einfach mit und so erledigten sich die Dinge von alleine - nicht dass ich vom Thema sonderlich begeistert gewesen wäre, nur sich dabei mit etwas anderem beschäftigen und es dann in der letzten Minute vor der Klausur nachzuarbeiten, um es doch noch zu verstehen, war viel zeitaufwendiger. Da ich die Stunden ohnehin absitzen musste, konnte ich sie auch nutzen - null Mehraufwand, war ja eh da, führte zu viel geringerem Eigenaufwand vor den Klausuren, für die ich fast nichts mehr tat.
Für Geschichte war das ganze noch einfacher durch die Lektüre der Zeit, die half alles in einen Kontext zu stellen und eigentlich dachte ich schon immer, es wirke gebildet, in diesem Gebiet eine Ahnung zu haben und da ich aus einer Familie voller Besserwisser komme, erleichterte mir wenig Lernarbeit, auch noch im privaten Kreis den dicken Max zu machen.
Damals hatte ich allerdings nur Inselwissen über die gerade aktuellen Themen. Der Zusammenhang fehlte völlig und trotz der angeblichen Hochschulreife, noch dazu aus dem Ländle, was als anspruchsvoll galt, war mein Wissen über die in der Schule gefragten Gebiete noch weit unterdurchschnittlich.
Vom Mittelalter hatte ich nahezu keine Ahnung, die römische und griechische Geschichte kenne ich nur sehr lückenhaft, die Ägypter hatten halt Pyramiden und Pharaonen und balsamierten ihre Leichen ein, aber viel mehr war auch da nicht. Die Renaissance kannte ich nur als Wort und vielleicht Kunststil, der Dreißigjährige Krieg fand statt, klar, aber wann und wo oder warum, außer um den Glauben, hatte ich keine Ahnung. Preußen hatte ich mal vom Großvater gehört, Ostpreußen gab es nicht mehr, der Deutsche Orden war eine unbekannte Größe. Babylon hatte ich mal gehört, des Turmes wegen - aber sonst war da nicht viel und die Germanen gab es halt früher mal.
Über meinen Freund, mit dem ich so gern ins Museum gehe, wurde mir klar, es gibt da unendlich viel zu wissen und wie schön viele Kunsthistorikerinnen waren, die das alles lernten, konnte ich nicht übersehen - wollte es also nicht länger ignorieren, um an den richtigen Stellen nicht zu dumm zu wirken, Eindruck durch die richtige Bemerkung machen zu können, da auch meine sonstigen körperlichen Unzulänglichkeiten mir Erfolge auf diesem Gebiet eher unmöglich machten.
Bin zu blind, einen Ball richtig zu fangen oder zu schießen, zu faul, mehr als nötig für die körperliche Ertüchtigung noch zu tun und die kurze Zeit in der ich schnell schwamm ist so viele Jahrzehnte her, dass ich es besser verschweige und so blieb mir nur der Geist, wenn ich im Gebiet der Minne Eindruck schinden wollte auch jenseits romantischer Verse, die bei falscher Gelegenheit auch nur noch komisch wirken können.
So war die Erkenntnis über die eigenen Grenzen und die daraus resultierenden geringeren Erfolgschancen am Markt der erste Grund, sich zu überlegen, mit möglichst wenig zumindest intellektuell den Anschein von Glanz wecken zu können, vielleicht sogar Frauen zu beeindrucken. Wobei sich mit den Jahren bei mir der Eindruck verfestigt, dass Besserwisserei nicht unbedingt das erfolgreichste Rezept ist Frauen zu beeindrucken, sie gar zur Lust zu bewegen, wenn diese Erkenntnis auch keine Folgen hatte.
Dennoch schadet der unbegründete Eindruck einer gewissen Bildung nicht, mit dem im Gespräch auch immer schnell ein historischer Kontext hergestellt werden kann, dachte ich und versuchte mir mit geringst möglichem Aufwand und mit dem, was ich ohnehin tat, einen solchen Rahmen zu schaffen. Zeitung lesen ist das sicherste Mittel dabei, mitreden zu können und gebildet auch ohne sachliche Ahnung zu wirken.
Mehr war es nie und doch hat es erstaunlich gut gewirkt über die Jahre. Konnte über Bücher professionell reden und urteilen, auch wenn ich nur im Perlentaucher online die Zusammenfassung der Rezensionen gelesen hatte und nie das Buch in die Hand nahm. Wie überhaupt der Perlentaucher kurz gefasst die richtigen Stichworte für alle, die wie ich gerne mal Eindruck mit Bildung machen wollen, weil sie sonst nicht viel zu bieten haben, die beste Basis liefert, überall mitreden zu können, was auch bei allen Empfängen immer weiterhilft.
Zurück von meinen niederen Methoden meiner Eitelkeit zu schmeicheln, die immer gern mit Täuschung mehr sein will, als sie ist, auch wenn zugegeben aufgrund schlechten Gedächtnisses wenig da ist, was gelehrtes Schweigen immer am ungefährlichsten kaschiert, zur Geschichte und meinem Rezept dort eine Ahnung vorzutäuschen, die ich nicht wirklich habe.
Wer einfach nur täuscht und blendet im Stile eines Felix Krull, lebt gefährlich, weil er auffliegen könnte, was noch peinlicher ist, als jeder Gewinn der vorigen Täuschung lohnend war. Auch steht meine Natur, die sich gerne in Gesprächen engagiert, dem gelehrten Schweigen entgegen, so musste ich mit geringstem Aufwand, der natürlichen Faulheit und dem schlechten Gedächtnis geschuldet, eine Methode entwickeln, mit der ich den Anschein von Bildung oder historischem Wissen geben konnte, ohne dies wirklich zu haben aber gleichzeitig nicht Gefahr zu laufen, dabei aufzufliegen.
Es gibt einen wunderbaren Band für solche Fälle, der sich das synchronoptische Lexikon nennt, in dem historische Ereignisse über Kulturen und Epochen hinweg parallel aufgezeigt und die wichtigsten Personen vermerkt werden. Darüber und durch die Museumsbesuche mit meinem Freund bekam ich langsam und erstmals überhaupt so etwas wie einen Überblick.
Überblick ist das Stichwort zur Geschichte, sie wird leicht, wenn wir uns einen Überblick verschaffen, statt uns gleich ins Detail zu stürzen. Wer alles wissen will, kann sicher leicht an der Geschichte verzweifeln, die dort einen unendlichen Fundus bietet.
Als leidenschaftlicher Büchersammler konnte ich mir einfach die nötigen Bände hinstellen und mich von den Einbänden anwehen lassen, las sie nur immer bei Bedarf ausschnittsweise, weil es mir weniger um Spezialwissen als den großen Überblick ging.
Sich wie auf einem Zeitstrahl die Geschichte der Menschheit ansehen oder einen solchen aufmalen und dann die Ereignisse dort zu platzieren, wo sie hingehören, erst in ganz groben Schritten und falls nötig auch mal en Detail, hilft für den Überblick, der erstmal völlig genügt, um mitreden zu können. Dann verstehst du einfach, was ungefähr wann war und schreibst oder malst dir dazu, was wann erfunden wurde und so wächst dies Ding mit der Zeit immer weiter zusammen und du kannst zwischen den Epochen springen. Irgendwann ist er im Kopf und ermöglicht freies Surfen zwischen den Zeiten.
So tut es auch das großartige Buch ‘Die Wende - wie die Renaissance begann’ von Stephen Greenblatt, der auch die berühmte Shakespear Biografie ‘Will’s Welt’ schrieb, dass von der Wiederentdeckung eines Textes des römischen Dichters Lukrez aus dem Rom vor der Kaiserzeit erzählt, der im ausgehenden Mittelalter, nach dem Konzil von Konstanz, also zwischen Mittelalter und Renaissance, wieder entdeckt wurde. Die Wirkung dieses Buches, de rerum natura oder von den Dingen der Natur, reicht bis in die Gegenwart und baut so Brücken, die verstehen lassen, warum nichts einfach alte Geschichte ist, sondern durch Lukrez, der sich wiederum als Schüler des noch 200 Jahre vorher noch lebenden Epikur sah, bis in die griechische Antike reichen, auf der durch diesen berühmten Text die amerikanische Verfassung der Gegenwart noch genauso ruht, weil die Väter der Verfassung als Leser des Lukrez in ganz vielem von seinen Gedanken beeinflusst wurde, den auch, nun kommen wir noch näher an die Gegenwart, Albert Einstein liebte und der heute wieder neu aufgelegt wird, weil durch das Buch von Greenblatt Neugier und Nachfrage riesig wurden.
Lange Zeit in der Geschichte Europas wirkte nur ein Buch als allmächtig, die Bibel, deren Text, bis Luther kam, von kaum einem gelesen, geschweige denn verstanden werden konnte. Auch wenn ein Sagenschatz voller Aberglauben, in ziemlich vielem völlig unvernünftig und bloße Stammesgeschichte, ist sie bis heute ein wichtiger Teil unserer Kultur, die gerade in der Kunst nur durch die Bezugnahme zu diesem esoterischen Werk verständlich wird. Eine ähnliche Rolle spielen die griechischen Sagen, die bis heute fortwirken in Sprichwörtern oder Redensarten und damit Teil unserer Kulturgeschichte sind, völlig unabhängig vom sachlichen Gehalt, allein durch ihre Präsenz im Geist.
Dies scheint nun wie eine wilde Odyssee durch die Zeiten und ohne praktische Relevanz heute?
Schon das Wort Odyssee belegt das Gegenteil. Es meint die Reise des Odysseus, der nach dem Krieg um Troja aus der heutigen Türkei heim nach Griechenland segeln wollte und sich ein wenig für viele Jahre verfährt.. Aus dem Krieg kennen wir heute noch das trojanische Pferd, mit dem die Griechen die Trojaner überlisteten und das als Trojaner, der unsere Computer und Netzwerke angreift, bis in die Gegenwart präsent ist.
Einer der wichtigsten Romane der anbrechenden Moderne ist James Joyce Ulysses, der englische Odysseus. Europa selbst hat ihren Namen von einer wunderschönen Geliebten des Zeus, die dieser als Stier verwandelt gen Kreta entführte, um mit ihr einige Kinder noch zu zeugen, glücklichen Sex neben seiner Frau Hera zu haben.
Die Römer haben die griechischen Sagen übernommen und ihrem Sprachgebrauch entsprechend umbenannt, doch blieb es die stets gleiche Geschichte, ähnelten sich die Eigenschaften der Götter und der Sagen um sie, mit denen auch Dante im Mittelalter in seiner göttlichen Komödie spielt.
Die Geschichten der Sagen verstehen wir auch ohne ihren historischen Kontext, weil sie zeitlos gut vom alten Homer erzählt wurden. Doch steckt hinter vielen Sagen auch ein wahrer Kern, wie etwa der Hobbyarchäologe Schliemann glaubte, der sich auf eigene Faust und Kosten ins damals osmanische Reich aufmachte, um den Schatz des Priamos zu finden, von dem schon Homer erzählte, zumindest Trojas Ruinen als Beweis des wahren Charakters hinter den Sagen fand und den Schatz noch nebenbei entdeckte, der heute zwischen Petersburg und Berlin verteilt liegt. Nach Russland kam er als sowjetisches Raubgut nach dem 2. Weltkrieg, nach Berlin hatte ihn Schliemann schon verschleppt - wem er gehörte und wohin vor allem, wäre eine andere Frage.
Dieses und anderes Raubgut belastete teilweise auch die heutigen russisch-deutschen Beziehungen noch. Geschichte ist so in ganz vielen Dingen immer gegenwärtig, wie auch der vermeintlich heilige Krieg des IS in Syrien der ganzen Welt zeigt, da es keine Grenzen mehr gibt im Kampf gegen den Terror, der überall zuhause ist, wo er vernichten und schädigen kann. Warum ist der Kampf der fanatischen Gläubigen aber Terror und der Einsatz unserer Drohnen in ihrer Heimat nicht? Geht es um die Zahl der Toten?
Millionen Muslime starben seit Ausbruch des Krieges gegen den Terror 2001. Müssen erst Millionen auch hier sterben, damit die Terroristen als Krieger anerkannt werden?
Wer den Heiligen Krieg und die islamische Welt verstehen will, auch die Sonderrolle Spaniens, wird in der Geschichte zurückgehen müssen bis zu den Anfängen unter Mohamed, der sich als Straßenräuber wie als Hohepriester verdingte. Ein Urteil kann sich nur bilden, wer die Zusammenhänge versteht, die immer auch historisch sind. Alles und jeder hat seine Geschichte, die es wert ist, erzählt zu werden, vor allem aber verstanden werden sollte, wozu eben gehört, in die Zeit zu schauen.
Der Zeitstrahl als Gerüst macht es am einfachsten, sich in der Zeit zurechtzufinden. Ob dieser zuerst gemalt oder geschrieben wird, ist dabei Geschmackssache. Wichtig ist nur, ein Gerüst als Rahmen zu finden, von dem aus locker zwischen den Zeiten gesprungen werden kann, sobald Zusammenhänge erkannt werden. Geschichte ist nicht ein einseitiger Fluss, der einfach fließt und das alte Wasser war vorher ein Stück stromaufwärts, sondern gleicht eher einem weiten Meer auf dem Strömungen die Wasser viele weite Wege tragen, wenn sie nicht gerade als Schaumkrone ans Land klatschen und dort in der Sonne trocknen, geht es immer weiter im Kontext. Auch das von der Sonne verdampfte Wasser kehrt als Wolke mit Regen zum Meer zurück um weiter seine Kreise zu ziehen.
Was nun widersprüchlich klingt, weil ein Zeitstrahl ja eine lineare Strecke ist, die einfach vom Anfang zum Ende führt, auch wenn wir beides nur in Teilen bisher erkennen können oder noch nicht so genau wissen wollen, wird wieder schlüssig durch die Wechselwirkung der Geschichte mit der Gegenwart.
Die Geschichte ist Vergangenheit und bleibt es ewig, egal wie weit wir zurückschauen. Auch die Sekunde über die ich hier nun schreibe, ist längst Geschichte, wenn sie gelesen wird. Ob die Gegenwart nur eine Illusion zwischen jüngster Vergangenheit und noch Zukunft ist, wäre hier eine spannende Frage, wie die Zeit überhaupt ein Rätsel ist, das uns viele neue Wege weist.
Auch die Zeit ist eine relative Größe und nicht das Kontinuum, das einfach abläuft, sie hängt wie wir seit Einstein wissen an der Geschwindigkeit auch mit der wir uns durch den Raum bewegen und das Ganze nennen wir dann schon fast Relativitätstheorie in der Physik. Jenes E=mc², das Einstein fand, hat auch physikalisch belegt, was Dichter vorher nur in Versen träumten. Der Augenblick kann verweilen, wenn wir uns nur hoch genug beschleunigen.
Ob darum auch Zeitreisen, in die mathematisch negative Zeit, nur berechenbar bleiben oder konkret umsetzbar werden, ist wie so vieles dabei noch offen und während mancher noch die Mechanik des Welle-Teilchen-Dualismus zu verstehen sucht, sind andere sicher, es funktioniert im Kleinen wie im Großen und die große Geschichte der Zeit wird erst geschrieben, wenn wir ihre Grenzen zu überschreiten.
Wenig ist gewiss und der Zeitstrahl könnte genauso ein Zeitkreis wohl sein, wüssten wir von Anfang und Ende. Doch gibt das lineare Denken Menschen mit schlichterem Geist als modernen Teilchenphysikern, also solchen wie mir, der nichts von dem versteht, worüber er gerade schrieb, auch wenn es anders scheinen sollte, eine Perspektive, mit Halt im Ungewissen.
Nichts anderes ist Geschichte als ein Rahmen, an dem sich Unwissende wie ich durch den Rahmen ihres Nichts hangeln können, ohne unangenehm aufzufallen. Dies geht also nur alle die an, die sich nicht für klüger halten und einen Halt brauchen.
jens tuengerthal 28.12.2016
Mittwoch, 28. Dezember 2016
Dienstag, 27. Dezember 2016
Gretasophie 004d
004d Von Freiheit und Liebe
Was hat die Liebe mit Freiheit zu tun?
Liebe kann nur in Freiheit sein und verleiht Flügel, war immer meine felsenfeste Überzeugung.
Wie sollte auch das schönste aller Gefühle weniger tun?
Zugleich nimmt die Liebe aber gefangen und fesselt uns. Wenn ich mich verliebe, träume ich von einer Bindung mit dem geliebten Menschen, möchte ihn möglichst nah haben, alles mit ihm teilen, weil mehr Nähe dann glücklicher macht.
Verschenke mich an den geliebten Menschen und gebe mich damit ein Stück weit auf. Natürlich gibt es all die klugen Ratschläge, die uns sagen, dass nur wer sich selbst auch liebt, überhaupt lieben kann. Manchmal denke ich sogar verliebt daran, aber wenn gefühlt das Glück des anderen mein Glück ist, kann es doch nichts schöneres geben, als nach dessen Glück zu streben, sich diesem ganz hinzugeben.
Macht es nicht gerade die Liebe aus, über sich hinaus zu wachsen und alles für den anderen zu wollen, was ihn glücklich macht?
Natürlich sollte sein Glück auch mein Glück sein, damit das gemeinsame Glück genossen werden kann, sich zu haben. Doch sind die Flügel der Liebe nicht gerade die Fähigkeit das gemeinsame Glück zu genießen und zu wollen, sich darin zueinander fliegend zu finden?
Darauf gibt es eine pragmatische und eine emotionale Antwort. Wer sich völlig im Gefühl für den anderen verliert, hat schlechte Aussichten, auf Dauer glücklich zu sein. Dagegen werden die, eine glückliche Beziehung führen, die Probleme pragmatisch lösen und beiderseits Erfüllung miteinander finden.
Liebe ist kein Geschäft und es geht nicht um geben und nehmen und einen guten, fairen Preis für gute Ware, der zur beiderseitigen Zufriedenheit ausgehandelt wird. Es geht um Gefühle und das gemeinsame Glück, sagen wir so. Aber gibt es Glück, bei dem nur einer Befriedigung findet und der andere, gefühlt, leer ausgeht?
Wir können aus Liebe auch lange unsere Bedürfnisse zurückstellen, weil es auch schon glücklich machen kann, den anderen glücklich zu sehen und das schon Glück genug zumindest verliebt ist. Doch irgendwann frage ich mich, was habe ich davon und warum geht es nur um das, was dem anderen wichtig ist, wo bleibe ich dabei?
Daran scheitern viele Beziehungen, weil einer das Gefühl hat zu kurz zu kommen. Fraglich nur, was das noch mit Liebe zu tun hat oder ob es dann nur um das Geschäft einer Beziehung geht, die im Alltag eben doch ganz pragmatisch ausgehandelt werden muss, damit beide glücklich werden können.
Ist die Liebe als reines Gefühl darum etwas anderes als eine Beziehung, die eben auch immer ein Geschäft des Alltags sein muss, damit es funktioniert?
Irgendwie schon, denke ich, weil Liebe, die im Alltag nicht funktioniert, eben nur ein hehres Gefühl bleibt, das langfristig unglücklich macht, wenn es nicht auch einen Weg gibt, sie zu leben, wozu ganz logisch die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse gehört.
Das fängt bei der Sehnsucht nach Nähe und Zärtlichkeit an und hört beim Sex noch lange nicht auf, sondern erfasst vielmehr alle Bereiche des Lebens, die uns glücklich machen. Wer in einer Beziehung das Gefühl hat, nicht so sein zu können, wie es der eigenen Natur entspricht, wird kaum auf Dauer glücklich sein können.
Es muss nicht alles geteilt werden, um glücklich zu sein, außer in der Phase erster Verliebtheit vielleicht, vielmehr müssen beide nur das Gefühl haben, der andere macht mich emotional, in dem was wir teilen, glücklicher, als ich es ohne wäre. Gute Beziehungen zeichnet es auch aus, dass der andere alles tun kann, was ihm gefällt und der Partner es ihm ohne Missgunst gönnen kann.
Wenn ich eine Freundin hätte, die gerne tanzt oder in der Natur ist, kann ich ihr das von Herzen gönnen, muss es darum aber nicht teilen wollen, um eine glückliche Beziehung zu führen. Finde sogar, Liebe zeigt sich gerade darin, dem anderen seine Leidenschaften gönnen zu können, ohne sie teilen zu wollen. Schon an diesem Punkt scheitern viele, die enttäuscht darüber sind, dass es nichts gemeinsames gibt, was sie glücklich macht unter den unendlich vielen möglichen Freizeitbeschäftigungen und vergessen dabei völlig, dass die geteilte Liebe und der hoffentlich glückliche Sex schon mehr ist als die meisten Menschen je miteinander teilen und es vollkommen genügen kann, glücklich zu bleiben, die Sehnsucht nach Nähe in der Nacht, ein Gefühl und Sex miteinander zu teilen.
Was ich gerne tue, ist Lesen und Schreiben und beides tue ich, außer wenn ich mal vorlese, eher völlig für mich. Es ist traumhaft schön, wenn ich das mit einer teilen kann, aber es kommt nicht darauf an für mein Glück, wichtiger wäre mir da, dass der andere respektieren kann, dass ich diese Zeit für mich will, ohne sich dadurch zurückgewiesen zu fühlen.
So wäre mir meine Freiheit sehr wichtig, zu tun und zu lassen, was mir gefällt und nicht ein Leben nach den Wünschen des anderen zu führen. Andere finden es wunderbar, dem anderen in seine Welt zu folgen, um sich auch dort zu finden. Wem das tatsächlich gelingt, der möge es genießen als großes Glück. Nach meinem Gefühl ist das eher die Ausnahme.
So verschieden wie Menschen sind, so unterschiedlich sind auch ihre je Bedürfnisse. Während den einen etwa Sex in einer Beziehung das wichtigste ist, finden andere die nächtliche Nähe viel bedeutender und machen beim ersteren nur mit. Doch gerade bei diesem Punkt ist es oft schwierig, das Glück für sich zu finden, statt gemeinsam.
Wer das Bedürfnis nach großer Nähe oder Sex nicht teilt, wenn etwa nur eine Seite leidenschaftlich ist, die andere zusammen Kommen für unwichtig hält, gibt es keine Perspektive zum geteilten Glück, was schwierig insbesondere dann wird, wenn diejenigen, die es für unwichtiger halten, gleichzeitig Treue für eine Bedingung halten, ohne die gar nichts geht.
Auch hier sind viele pragmatische Lösungen denkbar, die für die meisten aber undenkbar sind, weil sie alles gerne ganz wollen und sich wundern, wenn einer dabei unglücklich wird, wenn sie sich ganz verwirklichen.
Dies soll kein Plädoyer für offene Beziehungen sein, die aufgrund herrschender Konventionen und der Unfreiheit der Beteiligten selten wirklich funktionieren, aber doch eines für die Freiheit, das Glück auf viele Arten zu suchen, um sich an dem zu freuen, was verbindet.
Wenn es im Bett nicht gut miteinander klappt, aber sonst vieles traumhaft ist, muss daran keine Beziehung scheitern, sondern beide könnten sich Wege suchen, mit denen sie je glücklich werden könnten, um in dem, was sie doch teilen, um so befreiter glücklich zu bleiben.
Sollte meine Partnerin viel Wert auf schönen Sex legen und ich im Alter wie so viele Männer an Problemen mit der Prostata leiden, mit denen oft eine zunehmende Impotenz einhergeht, wünsche ich ihr, dass sie diesen Bereich anderweitig für sich glücklich befriedigen kann und hoffe, sie würde es umgekehrt genauso sehen.
Doch gerade in dem häufig mit viel Gefühl verbundenen Bereich der Sexualität sind die wenigsten dazu fähig, eine pragmatische Lösung zu finden und ob ich praktisch könnte, was ich theoretisch hochhalte, weiß ich auch nicht so genau. Kenne es nur aus dem Fall, wo eine Partnerin von mir noch eine Liebe mit einer Frau teilte, mit der sie auch gelegentlich das Bett teilte. Da war ich erstaunlich gelassen und tolerant. Weiß nicht, ob das eher daran lag, dass ich eine andere Frau nicht als Konkurrenz für meinen Platzhirschanspruch empfand oder eher insgeheim hoffte, irgendwann daran beteiligt zu werden, es zu dritt dann zu tun.
So sehr ich mich dazu auch befrage, eine klare Antwort finde ich bis heute nicht dazu, weiß nur, wie gelassen ich es immer noch betrachte. Ob ich auf einen anderen und damit konkurrenten Schwanz genauso gelassen reagierte, weiß ich praktisch nicht. Habe diese Erfahrung nur mehrfach mit Frauen gemacht, ohne mich irgendwie darüber aufzuregen. Konnte Gönnen und fand es völlig ok so.
Prostitution ist der Bereich in dem dies Bedürfnis professionell erledigt wird, für alle es so mögen. Mag das nicht, finde Sex ohne authentische geteilte Lust langweilig und kann mir dies daher nach ersten Erfahrungen immer sparen. Da bietet die Liebe an und für sich, sprich die Onanie, mehr Freiheiten ohne Zwänge.
Vom Gefühl her, ist es mir wichtig, der Freiheit Priorität zu geben, um das Glück, wo es passt gemeinsam zu genießen. Auch darum ist für mich Eifersucht, die nur Besitzdenken und Verlustangst ausdrückt, ein absolutes Tabu. Wenn ich Angst haben müsste, dass die andere mich verlässt, nur weil sie mal Sex mit jemand anderen hatte oder flirtete oder einfach lustvollen Gedanken nachhing, in denen ich keine Rolle spielte, dann wäre, was uns verbindet nichts und es zeugte mehr für mein geringes Selbstwertgefühl als für Liebe zum anderen, um die ich angeblich fürchtete. Liebe ist doch viel mehr und für mich ist das Glück nebeneinander einzuschlafen und glücklich zu erwachen, viel mehr als aller Sex, der einfach nur ein natürlicher Trieb ist, der sich eben seiner Natur nach Befriedigung sucht und dann bis zur nächsten Lust verfliegt.
Ist Liebe nicht viel mehr das dem anderen gut wollen, gönnen können?
Weiß nicht, was in der Liebe entscheidend ist und worauf es ankommt, finde es auch nicht wichtig, es festzulegen. Manche Beziehung scheiterte schon am unbefriedigenden Sex. Jedoch weniger am Sex selbst und weil mir dieser so wichtig wäre, als weil die anderen sich schlecht dabei fühlten einerseits und andererseits Treue und Monogamie für unabdingbar erklärten, ohne selbst dabei glücklich zu sein oder mit geteilte Lust schenken zu können.
Sehe es heute pragmatischer. Wenn bestimmte Dinge geteilt werden und das glücklich macht, ist es gut so und der Rest sollte je nach Bedürfnis gelöst werden. Wenn ich liebe, möchte ich gönnen und schenken und nicht den anderen bewachen und ihm Grenzen ziehen. Vielleicht wollte ich nicht alles en Detail dann wissen, weil ich eben auch nur ein Mann mit natürlichen Instinkten bin, der in einer Gesellschaft wie der unseren sozialisiert wurde, aber vom Gefühl her ist mir wichtig, dass jeder sein Glück finden kann und die gemeinsame Zeit von Glück geprägt ist und nicht von Misstrauen und Sorge.
Eine große Liebe übersteht alles und kommt sich immer näher dabei. Auch wenn es bestimmte Bereiche gibt, die beide nie teilen, gerade daran kann sich die Größe der Liebe zeigen oder nicht.
Das wichtigste Geschenk der Liebe ist für mich, den anderen so zu lieben wie sie oder er eben ist und ihm dieses Sein nicht nur zu gönnen, sondern dem anderen mit der Liebe noch Flügel zu verleihen. Fliegen können, heißt frei sein und sich nicht um Grenzen sorgen zu müssen, die wir im Hochgefühl einfach überfliegen.
Was Liebe verbindet, findet sich jenseits aller Grenzen, sorgt sich nicht um diese, sondern begegnet sich im freien Flug, jeder den anderen für seine Art zu fliegen, bewundernd, statt Grenzen zu ziehen. Alles andere, damit wohl, was meistens gelebt wird, hat für mich weniger mit Liebe als mit sozialem Besitzdenken zu tun. Was ok sein kann und verständlich, schließlich will ja auch jeder für sich, was gelten und seinen Bedürfnissen entsprechend Befriedigung finden. Nur von Liebe sollte dann weniger geredet werden, um die Freiheit dieses Gefühls nicht durch zu enge Grenzen zu beschränken.
So bleibe ich am Ende dabei, dass Liebe frei sein muss, wenn sie sein soll. Das hat nichts damit zu tun, ob wir um einer Beziehung wegen, Kompromisse eingehen, die uns unfreier machen. Fragen können wir uns, wie eine den Prinzipien der Liebe gehorchende Beziehung funktionieren soll und warum, dem folgend, auch jede Erwartung der Anfang vom Tod der Liebe ist.
Beziehungen zu anderen Menschen dagegen machen uns immer etwas unfreier und sind damit ein Kompromiss, bei dem wir uns fragen müssen, ob er sich für uns lohnt und eine Abwägung von Aufwand und Nutzen stellen sollten. Wage nicht darüber zu urteilen, worauf es am Ende ankommt, um glücklich zu sein, muss wohl jeder für sich entscheiden, aber vielleicht wären viele glücklicher im Leben, wenn sie konsequenter über die Dinge nachdächten und die Liebe nicht für ihr vermutlich auch natürliches Besitzdenken missbrauchten.
So hoffe ich immer beflügelnd zu lieben und in der Liebe auch Flügel für mich zu finden und wo sie lähmt, lieber pragmatisch rechtzeitig noch zu gehen.
jens tuengerthal 27.9.2016
Was hat die Liebe mit Freiheit zu tun?
Liebe kann nur in Freiheit sein und verleiht Flügel, war immer meine felsenfeste Überzeugung.
Wie sollte auch das schönste aller Gefühle weniger tun?
Zugleich nimmt die Liebe aber gefangen und fesselt uns. Wenn ich mich verliebe, träume ich von einer Bindung mit dem geliebten Menschen, möchte ihn möglichst nah haben, alles mit ihm teilen, weil mehr Nähe dann glücklicher macht.
Verschenke mich an den geliebten Menschen und gebe mich damit ein Stück weit auf. Natürlich gibt es all die klugen Ratschläge, die uns sagen, dass nur wer sich selbst auch liebt, überhaupt lieben kann. Manchmal denke ich sogar verliebt daran, aber wenn gefühlt das Glück des anderen mein Glück ist, kann es doch nichts schöneres geben, als nach dessen Glück zu streben, sich diesem ganz hinzugeben.
Macht es nicht gerade die Liebe aus, über sich hinaus zu wachsen und alles für den anderen zu wollen, was ihn glücklich macht?
Natürlich sollte sein Glück auch mein Glück sein, damit das gemeinsame Glück genossen werden kann, sich zu haben. Doch sind die Flügel der Liebe nicht gerade die Fähigkeit das gemeinsame Glück zu genießen und zu wollen, sich darin zueinander fliegend zu finden?
Darauf gibt es eine pragmatische und eine emotionale Antwort. Wer sich völlig im Gefühl für den anderen verliert, hat schlechte Aussichten, auf Dauer glücklich zu sein. Dagegen werden die, eine glückliche Beziehung führen, die Probleme pragmatisch lösen und beiderseits Erfüllung miteinander finden.
Liebe ist kein Geschäft und es geht nicht um geben und nehmen und einen guten, fairen Preis für gute Ware, der zur beiderseitigen Zufriedenheit ausgehandelt wird. Es geht um Gefühle und das gemeinsame Glück, sagen wir so. Aber gibt es Glück, bei dem nur einer Befriedigung findet und der andere, gefühlt, leer ausgeht?
Wir können aus Liebe auch lange unsere Bedürfnisse zurückstellen, weil es auch schon glücklich machen kann, den anderen glücklich zu sehen und das schon Glück genug zumindest verliebt ist. Doch irgendwann frage ich mich, was habe ich davon und warum geht es nur um das, was dem anderen wichtig ist, wo bleibe ich dabei?
Daran scheitern viele Beziehungen, weil einer das Gefühl hat zu kurz zu kommen. Fraglich nur, was das noch mit Liebe zu tun hat oder ob es dann nur um das Geschäft einer Beziehung geht, die im Alltag eben doch ganz pragmatisch ausgehandelt werden muss, damit beide glücklich werden können.
Ist die Liebe als reines Gefühl darum etwas anderes als eine Beziehung, die eben auch immer ein Geschäft des Alltags sein muss, damit es funktioniert?
Irgendwie schon, denke ich, weil Liebe, die im Alltag nicht funktioniert, eben nur ein hehres Gefühl bleibt, das langfristig unglücklich macht, wenn es nicht auch einen Weg gibt, sie zu leben, wozu ganz logisch die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse gehört.
Das fängt bei der Sehnsucht nach Nähe und Zärtlichkeit an und hört beim Sex noch lange nicht auf, sondern erfasst vielmehr alle Bereiche des Lebens, die uns glücklich machen. Wer in einer Beziehung das Gefühl hat, nicht so sein zu können, wie es der eigenen Natur entspricht, wird kaum auf Dauer glücklich sein können.
Es muss nicht alles geteilt werden, um glücklich zu sein, außer in der Phase erster Verliebtheit vielleicht, vielmehr müssen beide nur das Gefühl haben, der andere macht mich emotional, in dem was wir teilen, glücklicher, als ich es ohne wäre. Gute Beziehungen zeichnet es auch aus, dass der andere alles tun kann, was ihm gefällt und der Partner es ihm ohne Missgunst gönnen kann.
Wenn ich eine Freundin hätte, die gerne tanzt oder in der Natur ist, kann ich ihr das von Herzen gönnen, muss es darum aber nicht teilen wollen, um eine glückliche Beziehung zu führen. Finde sogar, Liebe zeigt sich gerade darin, dem anderen seine Leidenschaften gönnen zu können, ohne sie teilen zu wollen. Schon an diesem Punkt scheitern viele, die enttäuscht darüber sind, dass es nichts gemeinsames gibt, was sie glücklich macht unter den unendlich vielen möglichen Freizeitbeschäftigungen und vergessen dabei völlig, dass die geteilte Liebe und der hoffentlich glückliche Sex schon mehr ist als die meisten Menschen je miteinander teilen und es vollkommen genügen kann, glücklich zu bleiben, die Sehnsucht nach Nähe in der Nacht, ein Gefühl und Sex miteinander zu teilen.
Was ich gerne tue, ist Lesen und Schreiben und beides tue ich, außer wenn ich mal vorlese, eher völlig für mich. Es ist traumhaft schön, wenn ich das mit einer teilen kann, aber es kommt nicht darauf an für mein Glück, wichtiger wäre mir da, dass der andere respektieren kann, dass ich diese Zeit für mich will, ohne sich dadurch zurückgewiesen zu fühlen.
So wäre mir meine Freiheit sehr wichtig, zu tun und zu lassen, was mir gefällt und nicht ein Leben nach den Wünschen des anderen zu führen. Andere finden es wunderbar, dem anderen in seine Welt zu folgen, um sich auch dort zu finden. Wem das tatsächlich gelingt, der möge es genießen als großes Glück. Nach meinem Gefühl ist das eher die Ausnahme.
So verschieden wie Menschen sind, so unterschiedlich sind auch ihre je Bedürfnisse. Während den einen etwa Sex in einer Beziehung das wichtigste ist, finden andere die nächtliche Nähe viel bedeutender und machen beim ersteren nur mit. Doch gerade bei diesem Punkt ist es oft schwierig, das Glück für sich zu finden, statt gemeinsam.
Wer das Bedürfnis nach großer Nähe oder Sex nicht teilt, wenn etwa nur eine Seite leidenschaftlich ist, die andere zusammen Kommen für unwichtig hält, gibt es keine Perspektive zum geteilten Glück, was schwierig insbesondere dann wird, wenn diejenigen, die es für unwichtiger halten, gleichzeitig Treue für eine Bedingung halten, ohne die gar nichts geht.
Auch hier sind viele pragmatische Lösungen denkbar, die für die meisten aber undenkbar sind, weil sie alles gerne ganz wollen und sich wundern, wenn einer dabei unglücklich wird, wenn sie sich ganz verwirklichen.
Dies soll kein Plädoyer für offene Beziehungen sein, die aufgrund herrschender Konventionen und der Unfreiheit der Beteiligten selten wirklich funktionieren, aber doch eines für die Freiheit, das Glück auf viele Arten zu suchen, um sich an dem zu freuen, was verbindet.
Wenn es im Bett nicht gut miteinander klappt, aber sonst vieles traumhaft ist, muss daran keine Beziehung scheitern, sondern beide könnten sich Wege suchen, mit denen sie je glücklich werden könnten, um in dem, was sie doch teilen, um so befreiter glücklich zu bleiben.
Sollte meine Partnerin viel Wert auf schönen Sex legen und ich im Alter wie so viele Männer an Problemen mit der Prostata leiden, mit denen oft eine zunehmende Impotenz einhergeht, wünsche ich ihr, dass sie diesen Bereich anderweitig für sich glücklich befriedigen kann und hoffe, sie würde es umgekehrt genauso sehen.
Doch gerade in dem häufig mit viel Gefühl verbundenen Bereich der Sexualität sind die wenigsten dazu fähig, eine pragmatische Lösung zu finden und ob ich praktisch könnte, was ich theoretisch hochhalte, weiß ich auch nicht so genau. Kenne es nur aus dem Fall, wo eine Partnerin von mir noch eine Liebe mit einer Frau teilte, mit der sie auch gelegentlich das Bett teilte. Da war ich erstaunlich gelassen und tolerant. Weiß nicht, ob das eher daran lag, dass ich eine andere Frau nicht als Konkurrenz für meinen Platzhirschanspruch empfand oder eher insgeheim hoffte, irgendwann daran beteiligt zu werden, es zu dritt dann zu tun.
So sehr ich mich dazu auch befrage, eine klare Antwort finde ich bis heute nicht dazu, weiß nur, wie gelassen ich es immer noch betrachte. Ob ich auf einen anderen und damit konkurrenten Schwanz genauso gelassen reagierte, weiß ich praktisch nicht. Habe diese Erfahrung nur mehrfach mit Frauen gemacht, ohne mich irgendwie darüber aufzuregen. Konnte Gönnen und fand es völlig ok so.
Prostitution ist der Bereich in dem dies Bedürfnis professionell erledigt wird, für alle es so mögen. Mag das nicht, finde Sex ohne authentische geteilte Lust langweilig und kann mir dies daher nach ersten Erfahrungen immer sparen. Da bietet die Liebe an und für sich, sprich die Onanie, mehr Freiheiten ohne Zwänge.
Vom Gefühl her, ist es mir wichtig, der Freiheit Priorität zu geben, um das Glück, wo es passt gemeinsam zu genießen. Auch darum ist für mich Eifersucht, die nur Besitzdenken und Verlustangst ausdrückt, ein absolutes Tabu. Wenn ich Angst haben müsste, dass die andere mich verlässt, nur weil sie mal Sex mit jemand anderen hatte oder flirtete oder einfach lustvollen Gedanken nachhing, in denen ich keine Rolle spielte, dann wäre, was uns verbindet nichts und es zeugte mehr für mein geringes Selbstwertgefühl als für Liebe zum anderen, um die ich angeblich fürchtete. Liebe ist doch viel mehr und für mich ist das Glück nebeneinander einzuschlafen und glücklich zu erwachen, viel mehr als aller Sex, der einfach nur ein natürlicher Trieb ist, der sich eben seiner Natur nach Befriedigung sucht und dann bis zur nächsten Lust verfliegt.
Ist Liebe nicht viel mehr das dem anderen gut wollen, gönnen können?
Weiß nicht, was in der Liebe entscheidend ist und worauf es ankommt, finde es auch nicht wichtig, es festzulegen. Manche Beziehung scheiterte schon am unbefriedigenden Sex. Jedoch weniger am Sex selbst und weil mir dieser so wichtig wäre, als weil die anderen sich schlecht dabei fühlten einerseits und andererseits Treue und Monogamie für unabdingbar erklärten, ohne selbst dabei glücklich zu sein oder mit geteilte Lust schenken zu können.
Sehe es heute pragmatischer. Wenn bestimmte Dinge geteilt werden und das glücklich macht, ist es gut so und der Rest sollte je nach Bedürfnis gelöst werden. Wenn ich liebe, möchte ich gönnen und schenken und nicht den anderen bewachen und ihm Grenzen ziehen. Vielleicht wollte ich nicht alles en Detail dann wissen, weil ich eben auch nur ein Mann mit natürlichen Instinkten bin, der in einer Gesellschaft wie der unseren sozialisiert wurde, aber vom Gefühl her ist mir wichtig, dass jeder sein Glück finden kann und die gemeinsame Zeit von Glück geprägt ist und nicht von Misstrauen und Sorge.
Eine große Liebe übersteht alles und kommt sich immer näher dabei. Auch wenn es bestimmte Bereiche gibt, die beide nie teilen, gerade daran kann sich die Größe der Liebe zeigen oder nicht.
Das wichtigste Geschenk der Liebe ist für mich, den anderen so zu lieben wie sie oder er eben ist und ihm dieses Sein nicht nur zu gönnen, sondern dem anderen mit der Liebe noch Flügel zu verleihen. Fliegen können, heißt frei sein und sich nicht um Grenzen sorgen zu müssen, die wir im Hochgefühl einfach überfliegen.
Was Liebe verbindet, findet sich jenseits aller Grenzen, sorgt sich nicht um diese, sondern begegnet sich im freien Flug, jeder den anderen für seine Art zu fliegen, bewundernd, statt Grenzen zu ziehen. Alles andere, damit wohl, was meistens gelebt wird, hat für mich weniger mit Liebe als mit sozialem Besitzdenken zu tun. Was ok sein kann und verständlich, schließlich will ja auch jeder für sich, was gelten und seinen Bedürfnissen entsprechend Befriedigung finden. Nur von Liebe sollte dann weniger geredet werden, um die Freiheit dieses Gefühls nicht durch zu enge Grenzen zu beschränken.
So bleibe ich am Ende dabei, dass Liebe frei sein muss, wenn sie sein soll. Das hat nichts damit zu tun, ob wir um einer Beziehung wegen, Kompromisse eingehen, die uns unfreier machen. Fragen können wir uns, wie eine den Prinzipien der Liebe gehorchende Beziehung funktionieren soll und warum, dem folgend, auch jede Erwartung der Anfang vom Tod der Liebe ist.
Beziehungen zu anderen Menschen dagegen machen uns immer etwas unfreier und sind damit ein Kompromiss, bei dem wir uns fragen müssen, ob er sich für uns lohnt und eine Abwägung von Aufwand und Nutzen stellen sollten. Wage nicht darüber zu urteilen, worauf es am Ende ankommt, um glücklich zu sein, muss wohl jeder für sich entscheiden, aber vielleicht wären viele glücklicher im Leben, wenn sie konsequenter über die Dinge nachdächten und die Liebe nicht für ihr vermutlich auch natürliches Besitzdenken missbrauchten.
So hoffe ich immer beflügelnd zu lieben und in der Liebe auch Flügel für mich zu finden und wo sie lähmt, lieber pragmatisch rechtzeitig noch zu gehen.
jens tuengerthal 27.9.2016
Gretasophie 004c
004c Vom Liebeskummer
Die Liebe ist das schönste Glück, scheint es uns, wenn wir glücklich lieben. Zugleich ist sie aber auch das größte Unglück, wenn es nicht geht und einige der schönsten Liebesgeschichten, von Romeo und Julia bis zu Goethes Werther handeln vom Liebeskummer und der traurigen Liebe, die keine Erfüllung in der Realität fand, den Tod anstatt suchte.
Ist dies absurd oder liegen sich Liebe und Tod ihrer Natur nach nahe?
Die Franzosen nennen den Höhepunkt der Lust den kleinen Tod, petite mort, was sehr treffend, diesen Gipfel des Lebens beschreibt, nach dem erstmal alles wie Tod erschlafft und dahinsinkt. So beschreibt die Lust vielleicht auch indirekt die Todesnähe der Liebe, die eben alles ist.
Glücklich verliebt, liegt uns der Liebeskummer völlig fern, wollen wir ein Leben miteinander teilen, können uns nichts schöneres mehr vorstellen und fürchten höchstens, dass die Träume nicht in Erfüllung gehen könnten. Die Liebe kann so groß sein, dass sie alles erfasst und das ganze Leben erfasst, ein Leben ohne scheint unvorstellbar.
Kann persönlich als leidenschaftlicher Liebender diese Wertherneigung gut verstehen, stand innerlich schon häufiger dem Gedanken nahe, das Leben könnte in der Trauer über die verlorene Liebe nun auch enden, ich könnte ihm ein Ende setzen, weil alles verloren ging, was mir lebenswert schien, woran all meine Träume hingen, die schönsten Hoffnungen des Lebens untergingen.
Irgendwie ging es dann doch immer weiter, sei es, weil ich zu feige war, diesen letzten Schritt in der Konsequenz der großen Liebe auch zu gehen, oder das Unglück Ablenkung fand, die neuen Lebensmut gab. Verstehe und bewundere aber diejenigen, die für die große Liebe diesen Schritt in letzter Konsequenz gingen. Dies auch, wenn ich das Leben sehr liebe, es gerne noch so lange wie möglich genießen will und nicht nach dem Freitod strebe, um das Elend zu beenden.
Diese auch Pflicht weiter zu machen, wächst mit zunehmenden Alter und besonders, wenn du Kinder hast, die dich brauchen, du nicht nur für dich alleine verantwortlich bist. Dennoch halte ich die Freiheit, sich das Leben nehmen zu können, im Nichts zu enden, weil wir nach dem Tod einfach nicht mehr sind, für den größten Ausdruck unserer Freiheit und möchte diesen niemand nehmen.
Habe mal lange mit einer eng befreundeten Psychiaterin und Neurologin darüber gestritten, ob der Wille, sich das Leben zu nehmen, gerade aus Liebeskummer, pathologisch oder die einzig gesunde Reaktion ist, weil sie echte, tiefe Liebe ausdrückt, alles andere nur oberflächlich wäre.
Sie war als Ärztin der Überzeugung, es sei ihre Pflicht, suizidgefährdete Menschen retten zu müssen, es sei sogar eine Straftat durch Unterlassen, sie nicht davon abzubringen, wenn sie es denn wollten und versuchten. Überhaupt wollten sich die meisten Kandidaten des Freitod nicht wirklich töten, sondern schrien um Hilfe und dafür sei sie da.
Überhaupt sei eine verlorene Liebe doch kein Grund, sich etwas anzutun. Lieben kommen und gehen, da hätten wir doch beide genug Erfahrung und könnten es nicht gut heißen, wenn einer für eine Laune der Liebe ein Leben wegwerfe.
Habe ihr da ganz entschieden widersprochen, um der Freiheit und der Würde des Einzelnen wie der Liebe wegen, was auf wenig Verständnis stieß, da wer sich töten wolle, einfach krank sei und Behandlung brauche, ob durch medikamentöse Unterstützung in der akuten Situation, etwa mit Happy-Pillen, oder eine langfristige Therapie, die wieder Lebensmust geben kann.
Verstehe ihre Sicht, gerade als Ärztin und achte sie dafür sehr, finde es liebenswert, dass sie es als ihre Aufgabe ansieht, Menschen in Not zu retten. Dass will ich nicht schlecht reden und ich bin auch überzeugt, dass sie ihre Arbeit sehr gut und aus voller Überzeugung macht und, weil sie bestimmt eine gute Ärztin ist, vielen Menschen schon geholfen hat, die in diesem Bereich gefährdet waren, eher Hilfe zum Leben brauchten, als Unterstützung im Freitod.
Habe selbst auch schon einige Freundinnen und Freunde von diesem Versuch durch Gespräche abgehalten, finde es gut so und würde es wieder tun, freue mich, dass sie noch leben. Doch wollte ich nie jemanden, der dazu aus freien Stücken entschlossen ist, vom Suizid abhalten wollen, möchte ich immer die Freiheit, die mit der Würde hier gleichzusetzen ist für mich, respektieren.
Es ist mir darum wichtiger, einem Menschen, die Freiheit zu geben, sich auch etwas anzutun, wenn es nötig aus freiem Entschluss scheint und sein Weg ist, zu respektieren. Was wäre ein Leben wert, in dem andere entscheiden, ob wir leben müssen oder nicht, wann es enden soll?
Auch Lukrez und Epikur waren klare Befürworter des Freitodes, wenn er frei gewählt wurde im Wissen, dass nichts mehr kommt und wir keinesfalls etwas besseres erwarten können als nichts und das Ende aller Leiden. Den freiwilligen Märtyrertod, der das Himmelreich als Lohn für seine Tat erhofft, lehne ich dagegen in aller Entschiedenheit ab. Dieser ist nicht frei im Bewusstsein der Folgen, sondern hofft auf ein illusionäres Jenseits, das besser als die Gegenwart und damit unser einziges Sein wäre. Der Freitod ist dann keine Hoffnung auf ein Ende des Leidens wie ein Ende überhaupt, sondern die Illusion, es käme etwas besseres, was immer nur geglaubt bleibt.
Wer nichts besseres erwarten kann mehr oder an dem was ist, mehr leidet und sich nicht vorstellen kann, dass es besser wird, soll seiner Freiheit folgen und sein Ende nehmen können, weil genau das unsere Freiheit ist.
Der Tod geht mich nichts an, schrieb Lukrez, solange ich bin, ist er nicht da und wenn er da ist, bin ich nicht mehr, warum es müßig ist, sich mit diesem weiter zu beschäftigen. Mit dem Tod endet das Sein, wir sind nicht mehr, kehren nie mehr zurück, außer vielleicht im Aberglauben, es ist nicht wichtig, sich über diesen Gedanken zu machen, oder ihn gar zu fürchten.
Warum sollte ich Angst vor dem Tod haben, wenn nichts mehr ist, gibt es keinen Grund zur Sorge, dann ist kein Leid mehr sondern alles vorbei. Sich für das Nichts und das absolute Ende zu entscheiden, kann besser sein, als weiter zu leben, wenn es keine Perspektive mehr gibt, nach der das Leben noch schön aussehen könnte.
Wer es in diesem Bewusstsein und sei es auch um einer verlorenen Liebe wegen tut, handelt als freier Mensch und ich werde mich hüten, um der Würde dieser Verzweifelten wegen, ihnen diese Freiheit nehmen zu wollen. So lebe ich immer in dem Bewusstsein, wenn ich nicht mehr mag, es keine gute Perspektive mehr gibt, mich keine Pflicht mehr halten kann, weil es meine Freiheit eben ist, jederzeit gehen zu können.
Dieses Bewusstsein gibt mir Kraft, Mut und Freiheit. Habe kein Bedürfnis, es zu tun, weil ich jederzeit die Freiheit habe, es zu tun, ohne noch auf irgendwas zu hoffen oder gar etwas danach zu erfinden, wie eine geaberglaubte Höllenstrafe je zu fürchten. Falls es nichts schönes mehr für mich gibt, ich nichts sehe, wofür es sich für mich zu leben lohnte, werde ich es tun und das ist dann gut so und es muss keiner dann um mich trauern, weil ich meiner Freiheit folgte, mein Leben als freier Mensch aus freiem Entschluss beendete, wie überhaupt Trauer völliger Unsinn in meinen Augen ist, etwas das lähmt und keine Perspektive hat.
Viele sagen, Trauer sei natürlich und normal, weil wir Überlebenden, einen Verlust erlitten, der andere von uns ging, uns alleine ließ und wir ihn nie wieder sehen. Viele trauern einerseits und reden andererseits vom Himmelreich in das dieser oder jener nun einginge, um dessen Ende sie nun trauern.
Dieses Weihnachten starb der Sänger George Michael, der unter anderem durch den Song ‘Last Christmas’, der um Weihnachten überall dudelt, weltberühmt wurde und in allen sozialen Netzwerken häufen sich wieder die Einträge mit dem sinnentleerten R.I.P. mit dem sie Ruhe in Frieden wünschen, was zur modernen Ablaßformel einer abergläubisch ungebildeten Welt wurde, die in naiven kollektiven Affekten reagiert, statt nachzudenken.
Kann gar nicht sagen, wie sehr mich solche hohlen Formeln anwidern und wie entwürdigend ich ihr immer gleiches auch schriftliches Aufsagen finde. Doch habe ich beschlossen, sie lieber zu ignorieren, um mich nicht weiter über die kollektive Dummheit der Welt zu erregen, zumal es den falschen Eindruck erwecken könnte, ich hielte mich für klüger als die Welt, was mir völlig fern liegt.
Im Gegenteil, ich habe keine Ahnung, wie auf den Tod richtig zu reagieren sei. Suche vielmehr nur nach Wegen, wie ich glücklich, mit dem was ist, leben kann und mich nicht von solchen Kleinigkeiten ablenken lasse, die mich in ein unfreies Kollektiv zwängen wollen, dass jeder meiner Überzeugungen widerspricht und der Natur des Menschen noch mehr.
Es gibt kein gutes Leben im falschen, sondern nur den Versuch sich an der Illusion zu erfreuen, es sei nicht so, wie es ist, um wenn die Realität doch vorkommt, über ihren Einbruch zu klagen. Verstehe nicht, warum ich an etwas leiden sollte, was einfach ist und ich nicht ändern kann, sondern versuche, mit dem was ist, so glücklich wie mir nur möglich zu leben. Darum geht mich der Tod nichts an. Er betrifft mich nicht wie Lukrez schrieb. Über die zu jammern, die nicht mehr sind, ist Unsinn für mich, weil sie ja einfach nicht mehr sind. Darüber zu klagen, dass ihre Natur nicht mehr funktioniert hat, aus welchen möglichen Gründen auch immer, finde ich respektlos der Natur gegenüber, die zu komplex ist, als dass ich sie mit meinem geringen Verstand je ganz begreifen könnte.
Auch bin ich wohl nicht eitel genug, über den Verlust zu jammern, den ich erlitt, durch das natürliche Ende des anderen, das eben vorkommt. Freue mich lieber an dem was war, als darob zu leiden, was nicht mehr ist.
Klar habe ich schon Tränen auf Beerdigungen und bei der Art wie wir sie begehen verspürt, dieser Kult, den wir darum machen, ist darauf angelegt, am Tod zu leiden, wer sich ihm hingebt und ihn mitmacht, leidet eben. Doch welchen Grund sollte es für mich geben, dies zu tun?
Manche meinen mit der Trauer, erweise ich dem Verstorbenen Respekt und zeige wie sehr er mir fehle. So sei die Fähigkeit zu trauern, wie die Psychologie behauptet, ein wichtiger Teil unserer Natur und es sei im Gegenteil völlig unnatürlich, dies nicht zu tun, offenbare einen Menschen ohne Empathie, der nicht um andere trauern könne.
Mag sein, dass neben den vielen Mängeln meines geringen Verstandes, diesem auch die Empathie völlig fehlt. Vielleicht ist es eine Behinderung, nicht wie alle um Verstorbene zu trauern, wie alle im Kollektiv es tun und sich dadurch kollektiv schlecht fühlen oder gemeinsam leiden. Dann wäre ein Verhalten krank, das mir gut tut und mich besser leben lässt, während das übliche Verhalten des Kollektivs, nur weil fast alle es tun, gut und gesund wäre, auch wenn viele Menschen genau daran ein Leben lang leiden müssen.
Könnte also eine solche geistige Behinderung, die sie für eine Mehrheit heute wohl ist, ein großes Glück sein, das mir erlaubt, besser zu leben, als jene, die an Dingen leiden, die sie nicht ändern können und die zur Natur gehören?
Weiß nicht, was richtig ist und ob es gut sein kann, sich gegen die ganz große Mehrheit, ihre Gefühle und das Verhalten im Kollektiv zu stellen. Bin mir nur sicher, dass es glücklicher und freier macht, eher reflektiert, was hinter den Folgen dieses Leidens steckt. So sind große Teile des Aberglaubens genau auf die Angst vor dem Tod gerichtet, der durch das erfundene Himmelreich oder die phantasievolle Unsterblichkeit irreale Hoffnungen begründet und zugleich der Trauer als Lähmung das Wort redet.
Habe den Tod selbst einmal näher erlebt, als ich wollte und mir in dem Moment lieb war, als mich ein Auto umfuhr und der Schlag auf meinen Kopf, der vielleicht einiges sonst erklären könnte, dazu führte, dass mein Herz aufhörte zu schlagen. Dann wurde ich doch noch reanimiert, überlebte mit nur relativ geringen Gehirnschäden, die kaum genügen meine sonstige Verrücktheit zu erklären, noch eine solche fehlende Empathie erklären könnten. Es hat nur der Tod jeden Schrecken verloren.
Später arbeitete ich noch viele Jahre in der Krebsbaracke um die Klinik mit hauptsächlich Tumorpatienten nach Benn zu benennen und in dieser Zeit starben sie reihenweise in meiner Gegenwart auch, weil gegen bestimmten Krebs die Medizin irgendwann kein Mittel mehr hat. Das hat mich nicht kalt gemacht aber dem Tod seine Dramatik ein wenig geraubt und auch die Zeit vorher auf dem Rettungswagen, bei der ich einige unschöne Arten zu sterben live kennenlernte, widerlegten nicht das Gefühl, dass der Tod mich nicht sehr berührte, nichts war, vor dem ich mich fürchten musste, sondern einfach Natur, wie Schnupfen, Geburt oder Zeugungsakt.
Darum ist für mich der Satz, der Tod geht mich nichts an, wichtiger und zentraler als das Bedürfnis nach Anpassung an die Mehrheit, die es sonst leichter macht im Leben, weil wir mit dem Strom schwimmen können und so erscheint mir die Ablehnung der Rituale und der mit ihnen verbundenen Haltung als besser für mich, um glücklich zu bleiben. Nach meinem Gefühl und aller wenigern Logik, die mein schmaler Horizont, der immer die Hälfte mindestens von allem wieder verdrängt, was er berücksichtigen möchte, scheint es glücklicher zu machen, sich nicht um den Tod zu sorgen und sich damit völlig frei von aller Angst vor ihm zu machen.
Es macht etwas einsam und viele halten es eher für verrückt, finden es unverständlich und empathielos, sich so gegen die scheinbar ehrlichen Gefühle der Mehrheit zu stellen. Ein wenig frage ich mich jedoch, ob es nicht auch Fälle geben kann, in denen es gut ist, sich gegen die Überzeugung der übrigen zu stellen, unter denen bestimmt viele wesentlich klüger und reflektierter sind, als ich es mit meinen bescheidenen Mitteln und meiner geringen Bildung je sein kann.
Weiß nicht, ob es da richtig oder falsch wirklich geben kann oder wir immer nur nach dem suchen müssen, was uns gut tut. Hoffe ich verletze nun niemanden, was mir fern liegt, wenn ich die Gewohnheit einfach mal in Frage stelle, dass Trauern gut und natürlich sei, weil meine Natur eher etwas anderes erstrebt. Zumindest macht es mich glücklicher und scheint mir viel Respekt vor der menschlichen Freiheit zu haben, seiner Natur zu entsprechen, die eben immer nach Freiheit strebt.
Doch war dies ja nur ein gedanklicher kleiner Ausflug, der vom eigentlichen Thema, dem Liebeskummer, wegzuführen scheint. Zugegeben bin ich mal wieder relativ undiszipliniert einfach meinen Gedanken zum Thema gefolgt. Doch zumindest deren Kausalität scheint nicht so völlig abwegig. Vom Liebeskummer als Tod der Gefühle und Grund zum Freitod liegt die Auseinandersetzung mit diesem für mich nahe, der ich mich immer gern von den engen Grenzen meines Horizonts ablenken lasse, um die Illusion zu behalten, diese seien doch weiter als sie eigentlich sind, wenn sie stets nur um sich und die gleichen Fragen kreisen.
Es wird dabei nicht mehr und mehr als ich ohnehin nicht weiß, was schon wenig genug ist. Will nun auch nichts vorspiegeln, da ich wenig Hoffnung habe, dass mir solches überhaupt jemand abnehmen würde und erscheine so lieber als ehrlicher Narr, denn als ahnungsloser Aufschneider. Zumindest habe ich als Depp angesehen noch mehr Hoffnung positiv zu überraschen, während ich bei letzterem nur enttäuschen kann und so füge ich mich in meine geringe Natur und bin eben so wenig wie ich bin.
Auch wenn dieses Geständnis meiner mangelnden Disziplin nicht weiterführt und nur meine Eitelkeit beleuchtet, die sich gern mit sich beschäftigt, so ist es vielleicht zum Thema Liebeskummer, das dem Tod und der Eitelkeit sehr nahe steht, doch nicht so abwegig, insofern dieser uns dem Tod gefühlt nahe bringt, zumindest, wenn wir die Leidenschaft als echt ganz zulassen.
Das Gefühl, sich von der Welt verlassen zu fühlen und keine Hoffnung mehr zu sehen, hat als logische Konsequenz den Tod. Wer dies nicht fühlte und sich dem Werther noch nicht nahe fühlte, hat kaum richtig geliebt, würde ich sagen, romantisch verklärt, aber vielleicht ist das auch total weltfremder Blödsinn und etwas extrem. Andere erledigen ihren Liebeskummer ohne extreme Gefühle und wenn eines vorbei ist, kommt eben das nächste, sie leiden ein wenig, sind aber eher pragmatisch.
Habe mich immer wieder gefragt, ob ich solche Menschen eher bewundern sollte, die etwas einfach beenden, ohne gleich am Leben zu zweifeln oder diese einfach gefühlsarm sind und nicht merken, worauf es ankommt, die entscheidenden Dinge nicht mitbekommen. Wenn ich dem Tode nahe litt, sagten sie, das Leben geht weiter, tut jetzt weh, aber morgen ist es schon wieder besser.
Tatsächlich hatten diese natürlich immer Recht, weil es von alleine wieder besser wurde und irgendwann die nächste Liebe kam. Leicht fiel es mir diese Sicht zu verstehen oder sogar selbst zu vertreten, wenn ich selbst ging und nicht verlassen worden bin. Dagegen fühlte ich mich völlig von der Welt verlassen, wenn ich mit dem Herz voller Liebe, wie wir romantisch verklärt sagen, auch wenn es immer der Kopf nur war, überraschend verlassen wurde, was zum Glück relativ selten passierte und mich dennoch jedesmal wieder völlig aus der Bahn warf, als wüsste ich es nicht besser.
Habe im Liebeskummer gedanklich alles riskiert und aufgegeben und fühlte mich dem Werther mehr als nah. Zugleich konnte ich, wo ich verließ, immer leicht an die Vernunft der Verlassenen appellieren und die vorher große Liebe relativieren, was eigentlich die Frage nahe legte, was wirklich an der großen Liebe dran ist und ob die Todesnähe des Liebeskummers nicht vernünftigerweise mal relativiert werden sollte.
Theoretisch war mir das immer klar. Gelungen ist es mir nur, wo ich mich vorher emotional entfernt hatte, die Zügel in der Hand hielt und selber ging. Sonst folgte ich wie automatisch der Rolle des Werther und dramatisierte mein Unglück, bis ich nahezu allen Lebensmut über die unglückliche Liebe verlor und nur durch Ablenkung irgendwie doch überlebte.
So scheint mir der Liebeskummer deutlich stärker als all meine Vernunft, so gering sie im Vergleich zu wirklich klugen Leuten auch sein mag. Muss hier nicht um Vorrang mit irgendwem streiten, kann eben nicht über mein niedriges Niveau hinaus, aber an dem gemessen, versuche ich sonst schon mir die Welt vernünftig zu erklären und scheint mir alles relativ logisch, fiel diese Vernunft aber völlig aus, wo sie vom Liebeskummer angegriffen wurde.
So ist das Leiden an der Liebe stärker als die Verliebtheit, die mich zu weniger verrückten Dingen trieb, als es der Liebeskummer tat. Er ist, scheint mir, eine der stärksten Kräfte der Welt und das obwohl ich vernünftigerweise weder den Tod fürchte, noch es unvernünftig fände, ein Leben zu beenden, wenn es keine Hoffnung auf Besserung mehr gäbe.
Dennoch weiß ich ganz klar, es ist jeder Liebeskummer an der nächsten Liebe zu relativieren und keiner das Leben wert, wenn es noch Liebe irgendwann geben kann, die nie endet, bevor wir nicht enden. Aber Wissen und Liebeskummer scheinen auch in einem seltsamen Verhältnis weit jenseits aller Vernunft zu stehen. Auch wenn ich es besser weiß und keinen Grund habe, irgendwas zu relativieren, gebe ich dem Liebeskummer freiwillig alle Kraft über das Leben und bin der Überzeugung, dass nicht wirklich liebt, wer nicht schon bis zum Tod an ihr litt.
Das alles klingt zugegeben wenig vernünftig und ist keinesfalls ein weiser Ratschlag eines Vaters für seine pubertierende Tochter, der solches noch vielleicht bevorsteht, denke ich einerseits, andererseits weiß ich auch, dass ich aus dem Extrem der Gefühle viel Kraft für mein Leben gewonnen habe, das Überleben, auch wenn es eigentlich unmöglich schien, eine viel stärkere Kraft wurde, als alle, die ich kannte.
So scheinen wir an die Grenzen manchmal auch emotional gehen zu müssen, um das Glück genießen zu können und über uns hinaus zu wachsen, womit wir lernen, was ist, als größtes Glück zu würdigen, zumindest mir ging es so und die Gelassenheit, die aus dieser Erkenntnis wuchs, lässt mich die Extreme, die ich mit meinen Lieben auch an den Grenzen zum Tod immer wieder durchlitt, als nicht so unvernünftig mehr sehen.
Wem es gegeben ist, ganz zu lieben und dafür alles aufzugeben, der kann auch über sich hinaus wachsen und damit seine Welt bewegen. So will ich am Ende nicht sagen, dass Liebeskummer, der mich manchmal den Tod wünschen ließ, eine gute Sache ist, aber ich nehme es, wie es ist, als eine Eigenschaft, die zu mir gehört, der ich ganz liebe und versuche dies als Kraft zu sehen, mit der ich eben leben muss und die ich auch als eine Chance sehen kann, die nichts schlechtes ist, sondern eben ich und solange ich den Liebeskummer noch jedesmal überlebte, sage ich, dass ich froh bin, ganz zu fühlen, statt nur halb. Wenn ich es nicht überleben sollte, ist es auch egal, weil ich nicht mehr bin, aber noch scheinen mir die relativen Gründe zu bleiben stärker, weil ich weiß, wie sehr ich lieben kann.
jens tuengerthal 26.12.2016
Die Liebe ist das schönste Glück, scheint es uns, wenn wir glücklich lieben. Zugleich ist sie aber auch das größte Unglück, wenn es nicht geht und einige der schönsten Liebesgeschichten, von Romeo und Julia bis zu Goethes Werther handeln vom Liebeskummer und der traurigen Liebe, die keine Erfüllung in der Realität fand, den Tod anstatt suchte.
Ist dies absurd oder liegen sich Liebe und Tod ihrer Natur nach nahe?
Die Franzosen nennen den Höhepunkt der Lust den kleinen Tod, petite mort, was sehr treffend, diesen Gipfel des Lebens beschreibt, nach dem erstmal alles wie Tod erschlafft und dahinsinkt. So beschreibt die Lust vielleicht auch indirekt die Todesnähe der Liebe, die eben alles ist.
Glücklich verliebt, liegt uns der Liebeskummer völlig fern, wollen wir ein Leben miteinander teilen, können uns nichts schöneres mehr vorstellen und fürchten höchstens, dass die Träume nicht in Erfüllung gehen könnten. Die Liebe kann so groß sein, dass sie alles erfasst und das ganze Leben erfasst, ein Leben ohne scheint unvorstellbar.
Kann persönlich als leidenschaftlicher Liebender diese Wertherneigung gut verstehen, stand innerlich schon häufiger dem Gedanken nahe, das Leben könnte in der Trauer über die verlorene Liebe nun auch enden, ich könnte ihm ein Ende setzen, weil alles verloren ging, was mir lebenswert schien, woran all meine Träume hingen, die schönsten Hoffnungen des Lebens untergingen.
Irgendwie ging es dann doch immer weiter, sei es, weil ich zu feige war, diesen letzten Schritt in der Konsequenz der großen Liebe auch zu gehen, oder das Unglück Ablenkung fand, die neuen Lebensmut gab. Verstehe und bewundere aber diejenigen, die für die große Liebe diesen Schritt in letzter Konsequenz gingen. Dies auch, wenn ich das Leben sehr liebe, es gerne noch so lange wie möglich genießen will und nicht nach dem Freitod strebe, um das Elend zu beenden.
Diese auch Pflicht weiter zu machen, wächst mit zunehmenden Alter und besonders, wenn du Kinder hast, die dich brauchen, du nicht nur für dich alleine verantwortlich bist. Dennoch halte ich die Freiheit, sich das Leben nehmen zu können, im Nichts zu enden, weil wir nach dem Tod einfach nicht mehr sind, für den größten Ausdruck unserer Freiheit und möchte diesen niemand nehmen.
Habe mal lange mit einer eng befreundeten Psychiaterin und Neurologin darüber gestritten, ob der Wille, sich das Leben zu nehmen, gerade aus Liebeskummer, pathologisch oder die einzig gesunde Reaktion ist, weil sie echte, tiefe Liebe ausdrückt, alles andere nur oberflächlich wäre.
Sie war als Ärztin der Überzeugung, es sei ihre Pflicht, suizidgefährdete Menschen retten zu müssen, es sei sogar eine Straftat durch Unterlassen, sie nicht davon abzubringen, wenn sie es denn wollten und versuchten. Überhaupt wollten sich die meisten Kandidaten des Freitod nicht wirklich töten, sondern schrien um Hilfe und dafür sei sie da.
Überhaupt sei eine verlorene Liebe doch kein Grund, sich etwas anzutun. Lieben kommen und gehen, da hätten wir doch beide genug Erfahrung und könnten es nicht gut heißen, wenn einer für eine Laune der Liebe ein Leben wegwerfe.
Habe ihr da ganz entschieden widersprochen, um der Freiheit und der Würde des Einzelnen wie der Liebe wegen, was auf wenig Verständnis stieß, da wer sich töten wolle, einfach krank sei und Behandlung brauche, ob durch medikamentöse Unterstützung in der akuten Situation, etwa mit Happy-Pillen, oder eine langfristige Therapie, die wieder Lebensmust geben kann.
Verstehe ihre Sicht, gerade als Ärztin und achte sie dafür sehr, finde es liebenswert, dass sie es als ihre Aufgabe ansieht, Menschen in Not zu retten. Dass will ich nicht schlecht reden und ich bin auch überzeugt, dass sie ihre Arbeit sehr gut und aus voller Überzeugung macht und, weil sie bestimmt eine gute Ärztin ist, vielen Menschen schon geholfen hat, die in diesem Bereich gefährdet waren, eher Hilfe zum Leben brauchten, als Unterstützung im Freitod.
Habe selbst auch schon einige Freundinnen und Freunde von diesem Versuch durch Gespräche abgehalten, finde es gut so und würde es wieder tun, freue mich, dass sie noch leben. Doch wollte ich nie jemanden, der dazu aus freien Stücken entschlossen ist, vom Suizid abhalten wollen, möchte ich immer die Freiheit, die mit der Würde hier gleichzusetzen ist für mich, respektieren.
Es ist mir darum wichtiger, einem Menschen, die Freiheit zu geben, sich auch etwas anzutun, wenn es nötig aus freiem Entschluss scheint und sein Weg ist, zu respektieren. Was wäre ein Leben wert, in dem andere entscheiden, ob wir leben müssen oder nicht, wann es enden soll?
Auch Lukrez und Epikur waren klare Befürworter des Freitodes, wenn er frei gewählt wurde im Wissen, dass nichts mehr kommt und wir keinesfalls etwas besseres erwarten können als nichts und das Ende aller Leiden. Den freiwilligen Märtyrertod, der das Himmelreich als Lohn für seine Tat erhofft, lehne ich dagegen in aller Entschiedenheit ab. Dieser ist nicht frei im Bewusstsein der Folgen, sondern hofft auf ein illusionäres Jenseits, das besser als die Gegenwart und damit unser einziges Sein wäre. Der Freitod ist dann keine Hoffnung auf ein Ende des Leidens wie ein Ende überhaupt, sondern die Illusion, es käme etwas besseres, was immer nur geglaubt bleibt.
Wer nichts besseres erwarten kann mehr oder an dem was ist, mehr leidet und sich nicht vorstellen kann, dass es besser wird, soll seiner Freiheit folgen und sein Ende nehmen können, weil genau das unsere Freiheit ist.
Der Tod geht mich nichts an, schrieb Lukrez, solange ich bin, ist er nicht da und wenn er da ist, bin ich nicht mehr, warum es müßig ist, sich mit diesem weiter zu beschäftigen. Mit dem Tod endet das Sein, wir sind nicht mehr, kehren nie mehr zurück, außer vielleicht im Aberglauben, es ist nicht wichtig, sich über diesen Gedanken zu machen, oder ihn gar zu fürchten.
Warum sollte ich Angst vor dem Tod haben, wenn nichts mehr ist, gibt es keinen Grund zur Sorge, dann ist kein Leid mehr sondern alles vorbei. Sich für das Nichts und das absolute Ende zu entscheiden, kann besser sein, als weiter zu leben, wenn es keine Perspektive mehr gibt, nach der das Leben noch schön aussehen könnte.
Wer es in diesem Bewusstsein und sei es auch um einer verlorenen Liebe wegen tut, handelt als freier Mensch und ich werde mich hüten, um der Würde dieser Verzweifelten wegen, ihnen diese Freiheit nehmen zu wollen. So lebe ich immer in dem Bewusstsein, wenn ich nicht mehr mag, es keine gute Perspektive mehr gibt, mich keine Pflicht mehr halten kann, weil es meine Freiheit eben ist, jederzeit gehen zu können.
Dieses Bewusstsein gibt mir Kraft, Mut und Freiheit. Habe kein Bedürfnis, es zu tun, weil ich jederzeit die Freiheit habe, es zu tun, ohne noch auf irgendwas zu hoffen oder gar etwas danach zu erfinden, wie eine geaberglaubte Höllenstrafe je zu fürchten. Falls es nichts schönes mehr für mich gibt, ich nichts sehe, wofür es sich für mich zu leben lohnte, werde ich es tun und das ist dann gut so und es muss keiner dann um mich trauern, weil ich meiner Freiheit folgte, mein Leben als freier Mensch aus freiem Entschluss beendete, wie überhaupt Trauer völliger Unsinn in meinen Augen ist, etwas das lähmt und keine Perspektive hat.
Viele sagen, Trauer sei natürlich und normal, weil wir Überlebenden, einen Verlust erlitten, der andere von uns ging, uns alleine ließ und wir ihn nie wieder sehen. Viele trauern einerseits und reden andererseits vom Himmelreich in das dieser oder jener nun einginge, um dessen Ende sie nun trauern.
Dieses Weihnachten starb der Sänger George Michael, der unter anderem durch den Song ‘Last Christmas’, der um Weihnachten überall dudelt, weltberühmt wurde und in allen sozialen Netzwerken häufen sich wieder die Einträge mit dem sinnentleerten R.I.P. mit dem sie Ruhe in Frieden wünschen, was zur modernen Ablaßformel einer abergläubisch ungebildeten Welt wurde, die in naiven kollektiven Affekten reagiert, statt nachzudenken.
Kann gar nicht sagen, wie sehr mich solche hohlen Formeln anwidern und wie entwürdigend ich ihr immer gleiches auch schriftliches Aufsagen finde. Doch habe ich beschlossen, sie lieber zu ignorieren, um mich nicht weiter über die kollektive Dummheit der Welt zu erregen, zumal es den falschen Eindruck erwecken könnte, ich hielte mich für klüger als die Welt, was mir völlig fern liegt.
Im Gegenteil, ich habe keine Ahnung, wie auf den Tod richtig zu reagieren sei. Suche vielmehr nur nach Wegen, wie ich glücklich, mit dem was ist, leben kann und mich nicht von solchen Kleinigkeiten ablenken lasse, die mich in ein unfreies Kollektiv zwängen wollen, dass jeder meiner Überzeugungen widerspricht und der Natur des Menschen noch mehr.
Es gibt kein gutes Leben im falschen, sondern nur den Versuch sich an der Illusion zu erfreuen, es sei nicht so, wie es ist, um wenn die Realität doch vorkommt, über ihren Einbruch zu klagen. Verstehe nicht, warum ich an etwas leiden sollte, was einfach ist und ich nicht ändern kann, sondern versuche, mit dem was ist, so glücklich wie mir nur möglich zu leben. Darum geht mich der Tod nichts an. Er betrifft mich nicht wie Lukrez schrieb. Über die zu jammern, die nicht mehr sind, ist Unsinn für mich, weil sie ja einfach nicht mehr sind. Darüber zu klagen, dass ihre Natur nicht mehr funktioniert hat, aus welchen möglichen Gründen auch immer, finde ich respektlos der Natur gegenüber, die zu komplex ist, als dass ich sie mit meinem geringen Verstand je ganz begreifen könnte.
Auch bin ich wohl nicht eitel genug, über den Verlust zu jammern, den ich erlitt, durch das natürliche Ende des anderen, das eben vorkommt. Freue mich lieber an dem was war, als darob zu leiden, was nicht mehr ist.
Klar habe ich schon Tränen auf Beerdigungen und bei der Art wie wir sie begehen verspürt, dieser Kult, den wir darum machen, ist darauf angelegt, am Tod zu leiden, wer sich ihm hingebt und ihn mitmacht, leidet eben. Doch welchen Grund sollte es für mich geben, dies zu tun?
Manche meinen mit der Trauer, erweise ich dem Verstorbenen Respekt und zeige wie sehr er mir fehle. So sei die Fähigkeit zu trauern, wie die Psychologie behauptet, ein wichtiger Teil unserer Natur und es sei im Gegenteil völlig unnatürlich, dies nicht zu tun, offenbare einen Menschen ohne Empathie, der nicht um andere trauern könne.
Mag sein, dass neben den vielen Mängeln meines geringen Verstandes, diesem auch die Empathie völlig fehlt. Vielleicht ist es eine Behinderung, nicht wie alle um Verstorbene zu trauern, wie alle im Kollektiv es tun und sich dadurch kollektiv schlecht fühlen oder gemeinsam leiden. Dann wäre ein Verhalten krank, das mir gut tut und mich besser leben lässt, während das übliche Verhalten des Kollektivs, nur weil fast alle es tun, gut und gesund wäre, auch wenn viele Menschen genau daran ein Leben lang leiden müssen.
Könnte also eine solche geistige Behinderung, die sie für eine Mehrheit heute wohl ist, ein großes Glück sein, das mir erlaubt, besser zu leben, als jene, die an Dingen leiden, die sie nicht ändern können und die zur Natur gehören?
Weiß nicht, was richtig ist und ob es gut sein kann, sich gegen die ganz große Mehrheit, ihre Gefühle und das Verhalten im Kollektiv zu stellen. Bin mir nur sicher, dass es glücklicher und freier macht, eher reflektiert, was hinter den Folgen dieses Leidens steckt. So sind große Teile des Aberglaubens genau auf die Angst vor dem Tod gerichtet, der durch das erfundene Himmelreich oder die phantasievolle Unsterblichkeit irreale Hoffnungen begründet und zugleich der Trauer als Lähmung das Wort redet.
Habe den Tod selbst einmal näher erlebt, als ich wollte und mir in dem Moment lieb war, als mich ein Auto umfuhr und der Schlag auf meinen Kopf, der vielleicht einiges sonst erklären könnte, dazu führte, dass mein Herz aufhörte zu schlagen. Dann wurde ich doch noch reanimiert, überlebte mit nur relativ geringen Gehirnschäden, die kaum genügen meine sonstige Verrücktheit zu erklären, noch eine solche fehlende Empathie erklären könnten. Es hat nur der Tod jeden Schrecken verloren.
Später arbeitete ich noch viele Jahre in der Krebsbaracke um die Klinik mit hauptsächlich Tumorpatienten nach Benn zu benennen und in dieser Zeit starben sie reihenweise in meiner Gegenwart auch, weil gegen bestimmten Krebs die Medizin irgendwann kein Mittel mehr hat. Das hat mich nicht kalt gemacht aber dem Tod seine Dramatik ein wenig geraubt und auch die Zeit vorher auf dem Rettungswagen, bei der ich einige unschöne Arten zu sterben live kennenlernte, widerlegten nicht das Gefühl, dass der Tod mich nicht sehr berührte, nichts war, vor dem ich mich fürchten musste, sondern einfach Natur, wie Schnupfen, Geburt oder Zeugungsakt.
Darum ist für mich der Satz, der Tod geht mich nichts an, wichtiger und zentraler als das Bedürfnis nach Anpassung an die Mehrheit, die es sonst leichter macht im Leben, weil wir mit dem Strom schwimmen können und so erscheint mir die Ablehnung der Rituale und der mit ihnen verbundenen Haltung als besser für mich, um glücklich zu bleiben. Nach meinem Gefühl und aller wenigern Logik, die mein schmaler Horizont, der immer die Hälfte mindestens von allem wieder verdrängt, was er berücksichtigen möchte, scheint es glücklicher zu machen, sich nicht um den Tod zu sorgen und sich damit völlig frei von aller Angst vor ihm zu machen.
Es macht etwas einsam und viele halten es eher für verrückt, finden es unverständlich und empathielos, sich so gegen die scheinbar ehrlichen Gefühle der Mehrheit zu stellen. Ein wenig frage ich mich jedoch, ob es nicht auch Fälle geben kann, in denen es gut ist, sich gegen die Überzeugung der übrigen zu stellen, unter denen bestimmt viele wesentlich klüger und reflektierter sind, als ich es mit meinen bescheidenen Mitteln und meiner geringen Bildung je sein kann.
Weiß nicht, ob es da richtig oder falsch wirklich geben kann oder wir immer nur nach dem suchen müssen, was uns gut tut. Hoffe ich verletze nun niemanden, was mir fern liegt, wenn ich die Gewohnheit einfach mal in Frage stelle, dass Trauern gut und natürlich sei, weil meine Natur eher etwas anderes erstrebt. Zumindest macht es mich glücklicher und scheint mir viel Respekt vor der menschlichen Freiheit zu haben, seiner Natur zu entsprechen, die eben immer nach Freiheit strebt.
Doch war dies ja nur ein gedanklicher kleiner Ausflug, der vom eigentlichen Thema, dem Liebeskummer, wegzuführen scheint. Zugegeben bin ich mal wieder relativ undiszipliniert einfach meinen Gedanken zum Thema gefolgt. Doch zumindest deren Kausalität scheint nicht so völlig abwegig. Vom Liebeskummer als Tod der Gefühle und Grund zum Freitod liegt die Auseinandersetzung mit diesem für mich nahe, der ich mich immer gern von den engen Grenzen meines Horizonts ablenken lasse, um die Illusion zu behalten, diese seien doch weiter als sie eigentlich sind, wenn sie stets nur um sich und die gleichen Fragen kreisen.
Es wird dabei nicht mehr und mehr als ich ohnehin nicht weiß, was schon wenig genug ist. Will nun auch nichts vorspiegeln, da ich wenig Hoffnung habe, dass mir solches überhaupt jemand abnehmen würde und erscheine so lieber als ehrlicher Narr, denn als ahnungsloser Aufschneider. Zumindest habe ich als Depp angesehen noch mehr Hoffnung positiv zu überraschen, während ich bei letzterem nur enttäuschen kann und so füge ich mich in meine geringe Natur und bin eben so wenig wie ich bin.
Auch wenn dieses Geständnis meiner mangelnden Disziplin nicht weiterführt und nur meine Eitelkeit beleuchtet, die sich gern mit sich beschäftigt, so ist es vielleicht zum Thema Liebeskummer, das dem Tod und der Eitelkeit sehr nahe steht, doch nicht so abwegig, insofern dieser uns dem Tod gefühlt nahe bringt, zumindest, wenn wir die Leidenschaft als echt ganz zulassen.
Das Gefühl, sich von der Welt verlassen zu fühlen und keine Hoffnung mehr zu sehen, hat als logische Konsequenz den Tod. Wer dies nicht fühlte und sich dem Werther noch nicht nahe fühlte, hat kaum richtig geliebt, würde ich sagen, romantisch verklärt, aber vielleicht ist das auch total weltfremder Blödsinn und etwas extrem. Andere erledigen ihren Liebeskummer ohne extreme Gefühle und wenn eines vorbei ist, kommt eben das nächste, sie leiden ein wenig, sind aber eher pragmatisch.
Habe mich immer wieder gefragt, ob ich solche Menschen eher bewundern sollte, die etwas einfach beenden, ohne gleich am Leben zu zweifeln oder diese einfach gefühlsarm sind und nicht merken, worauf es ankommt, die entscheidenden Dinge nicht mitbekommen. Wenn ich dem Tode nahe litt, sagten sie, das Leben geht weiter, tut jetzt weh, aber morgen ist es schon wieder besser.
Tatsächlich hatten diese natürlich immer Recht, weil es von alleine wieder besser wurde und irgendwann die nächste Liebe kam. Leicht fiel es mir diese Sicht zu verstehen oder sogar selbst zu vertreten, wenn ich selbst ging und nicht verlassen worden bin. Dagegen fühlte ich mich völlig von der Welt verlassen, wenn ich mit dem Herz voller Liebe, wie wir romantisch verklärt sagen, auch wenn es immer der Kopf nur war, überraschend verlassen wurde, was zum Glück relativ selten passierte und mich dennoch jedesmal wieder völlig aus der Bahn warf, als wüsste ich es nicht besser.
Habe im Liebeskummer gedanklich alles riskiert und aufgegeben und fühlte mich dem Werther mehr als nah. Zugleich konnte ich, wo ich verließ, immer leicht an die Vernunft der Verlassenen appellieren und die vorher große Liebe relativieren, was eigentlich die Frage nahe legte, was wirklich an der großen Liebe dran ist und ob die Todesnähe des Liebeskummers nicht vernünftigerweise mal relativiert werden sollte.
Theoretisch war mir das immer klar. Gelungen ist es mir nur, wo ich mich vorher emotional entfernt hatte, die Zügel in der Hand hielt und selber ging. Sonst folgte ich wie automatisch der Rolle des Werther und dramatisierte mein Unglück, bis ich nahezu allen Lebensmut über die unglückliche Liebe verlor und nur durch Ablenkung irgendwie doch überlebte.
So scheint mir der Liebeskummer deutlich stärker als all meine Vernunft, so gering sie im Vergleich zu wirklich klugen Leuten auch sein mag. Muss hier nicht um Vorrang mit irgendwem streiten, kann eben nicht über mein niedriges Niveau hinaus, aber an dem gemessen, versuche ich sonst schon mir die Welt vernünftig zu erklären und scheint mir alles relativ logisch, fiel diese Vernunft aber völlig aus, wo sie vom Liebeskummer angegriffen wurde.
So ist das Leiden an der Liebe stärker als die Verliebtheit, die mich zu weniger verrückten Dingen trieb, als es der Liebeskummer tat. Er ist, scheint mir, eine der stärksten Kräfte der Welt und das obwohl ich vernünftigerweise weder den Tod fürchte, noch es unvernünftig fände, ein Leben zu beenden, wenn es keine Hoffnung auf Besserung mehr gäbe.
Dennoch weiß ich ganz klar, es ist jeder Liebeskummer an der nächsten Liebe zu relativieren und keiner das Leben wert, wenn es noch Liebe irgendwann geben kann, die nie endet, bevor wir nicht enden. Aber Wissen und Liebeskummer scheinen auch in einem seltsamen Verhältnis weit jenseits aller Vernunft zu stehen. Auch wenn ich es besser weiß und keinen Grund habe, irgendwas zu relativieren, gebe ich dem Liebeskummer freiwillig alle Kraft über das Leben und bin der Überzeugung, dass nicht wirklich liebt, wer nicht schon bis zum Tod an ihr litt.
Das alles klingt zugegeben wenig vernünftig und ist keinesfalls ein weiser Ratschlag eines Vaters für seine pubertierende Tochter, der solches noch vielleicht bevorsteht, denke ich einerseits, andererseits weiß ich auch, dass ich aus dem Extrem der Gefühle viel Kraft für mein Leben gewonnen habe, das Überleben, auch wenn es eigentlich unmöglich schien, eine viel stärkere Kraft wurde, als alle, die ich kannte.
So scheinen wir an die Grenzen manchmal auch emotional gehen zu müssen, um das Glück genießen zu können und über uns hinaus zu wachsen, womit wir lernen, was ist, als größtes Glück zu würdigen, zumindest mir ging es so und die Gelassenheit, die aus dieser Erkenntnis wuchs, lässt mich die Extreme, die ich mit meinen Lieben auch an den Grenzen zum Tod immer wieder durchlitt, als nicht so unvernünftig mehr sehen.
Wem es gegeben ist, ganz zu lieben und dafür alles aufzugeben, der kann auch über sich hinaus wachsen und damit seine Welt bewegen. So will ich am Ende nicht sagen, dass Liebeskummer, der mich manchmal den Tod wünschen ließ, eine gute Sache ist, aber ich nehme es, wie es ist, als eine Eigenschaft, die zu mir gehört, der ich ganz liebe und versuche dies als Kraft zu sehen, mit der ich eben leben muss und die ich auch als eine Chance sehen kann, die nichts schlechtes ist, sondern eben ich und solange ich den Liebeskummer noch jedesmal überlebte, sage ich, dass ich froh bin, ganz zu fühlen, statt nur halb. Wenn ich es nicht überleben sollte, ist es auch egal, weil ich nicht mehr bin, aber noch scheinen mir die relativen Gründe zu bleiben stärker, weil ich weiß, wie sehr ich lieben kann.
jens tuengerthal 26.12.2016
Montag, 26. Dezember 2016
Gretasophie 004b
004b Von Lust und Liebe
Zur Liebe gehört die Lust. Nicht immer aber irgendwann schon. Eigentlich den größten Teil zwischen Kindheit und greisenhafter Impotenz, wenn sie aber zumindest manchmal noch erinnerte Geschichte ist. Welche Rolle sie spielt im Leben, ändert sich. Zwischen Eltern und Kindern sollte sie außer zur Aufklärung keine Rolle spielen, wobei schon die alten Griechen von Ödipus wussten, der aber ja auch eher ein Irrtum war und so nicht gewollt, sondern dumme Folge der Orakelhörigkeit.
Wären die Menschen weise, würde aus der Geschichte des Ödipus folgen, hör auf keine Orakel, es geht entweder ohnehin schief und nimmt dir alle natürliche Freiheit. Da wir aber alle dumm sind und ich bin mir zumindest sicher, da einer der ersten zu sein, haben wir den Inzest tabuisiert und die Sexualität zwischen Eltern und Kindern, was auch gute genetische Gründe hat. Die Gefahr von Behinderungen ist dabei deutlich erhöht und so passen manche Verbote sogar zum Lauf der Evolution, selbst wenn sie im Aberglauben begründet wurden.
Überhaupt ist Eltern und Sex für Kinder meist eher peinlich, davon wollen sie nichts hören und schweigen lieber dazu, auch wenn es in den 70ern im Zuge der sexuellen Befreiung eine umgekehrte Bewegung mal gab, die aber dafür heute wieder um so mehr pönalisiert wird. Die moralischen Vorwürfe auf diesem Gebiet sind so voller Hass, dass ein nüchterner Diskurs kaum mehr möglich scheint. Aber ich möchte ja nicht über Pädophile, Missbrauch und moralische Hysterie schreiben, auch wenn es dazu viel zu sagen gäbe, sondern über Lust und Liebe, wie sie zusammengehören und worauf es dabei aus meiner Sicht ankommt.
Der Vorspann ist nur nötig, weil ich ja hier als Vater für meine Tochter schreibe, die da vermutlich genauso drauf reagiert, wie alle Kinder und ich vermutlich es auch hätte, weil es peinlich ist, wenn der eigene Vater über Sex redet - darum schreibt er hier, dann kann sie es lesen, wenn es sie interessiert und sie nicht mehr beim Gedanken, es zu lesen, schon hochrot anläuft und ich muss nichts mehr dazu sagen.
Darum auch formuliere ich diesmal vielleicht vorsichtiger als ich es sonst täte, weniger mit der Sinnlichkeit spielend und nüchtern sachlicher, aber ich will auch kein Schulbuch schreiben, die hat sie selber, sondern über Lust immer auch lustvoll schreiben, weil Sex einfach schön ist und genau so natürlich genossen werden sollte.
Was ist gut und was erlaubt?
Erlaubt ist, was gefällt, schrieb einst schon der auch für anderes berühmte Marquis de Sade, der übrigens auch wunderbare Bücher über atheistische und materialistische Philosophie schrieb aber dank der Kirche hauptsächlich seiner Schriften zur Sexualität wegen bekannt wurde. Dem stimme ich voll zu. Um nichts anderes geht es. Spaß machen soll es, sich gut anfühlen, möglichst befriedigen und glücklich machen und alles andere ist Sache der beiden zwischen denen es stattfindet.
Wann und wie es wer mit wem tut, hat gerade die katholische Kirche immer wieder gern beschäftigt, die ohnehin ein Thema mit der Sexualität hat, sowohl intern wie auch in der Frage der Dogmen. Dadurch ist aber der irgendwie verbotene Sex auch reizvoller geblieben als bei den Protestanten, die zwar durften, sogar die Pfarrer dürfen dort ja seit Luther heiraten, aber im moralischen Korsett meist jede Lust dennoch verlieren, wie es im Film ‘Der Sinn des Lebens’ der englischen Komikertruppe Monty Python so treffend dargestellt wurde.
Über Sex reden ist nett und erwachsen ist der Mensch von dem Moment an, wo er das völlig entspannt und genüsslich tun kann, warum manche es nie werden und andere geradezu frühreif schon sind. Kann mich noch genau erinnern, als ich meine ersten sexuellen Erfahrungen vor weit über 30 Jahren sammelte, habe ja ziemlich früh angefangen, waren wir zwar aufgeklärt aus der Schule aber darüber locker reden konnten wir noch nicht, auch wenn ich mich da immer ganz entspannt gab, schon sehr früh von meinen Eltern aufgeklärt wurde und Sexualität mir als etwas schönes vorgestellt wurde, dass aber der Folgen wegen auch möglichst mit viel Verantwortung begonnen werden sollte. Dass war weniger moralisch gemeint als in Sicht auf die Vorsicht, die geboten war, damit nichts passierte, da im richtigen Moment ohnehin, wie mein Großvater immer sagte, das Hirn im Hintern sitzt und schieben hilft, was meinte, wenn der Trieb stark genug ist, denken wir nicht mehr, sondern treiben es lieber nur noch.
Auch eine für Menschen vor Erwachen ihrer Sexualität undenkbare Vorstellung, wie Menschen zu schlichten Triebwesen werden, dabei sind sie eigentlich in ganz vielem noch viel näher dran an diesem Verhalten als die sonst gern so kontrollierten Erwachsenen, die sich viel seltener nur echte Wutanfälle mit Schreien, Zähneklappern und allem pipapo leisten können. Darum ist die Lust als letztes Ventil der Natur für viele auch so wichtig. Doch ist sie immer noch mit zu vielen Tabus versehen und zu viele Mensch können sie immer noch nicht frei genießen. Zum einen aus seltsamen moralischen Gründen, die den Genuß der angeblichen Sünde teilweise tabuisieren, zum anderen, weil sie es nie gelernt haben.
Von Lust und Liebe habe ich das Kapitel genannt, weil es, wenn es zusammenkommt am schönsten ist, genau wie der Sex am schönsten oder eigentlich nur welcher ist, wenn es beiden zusammen kommt. Das passiert nicht bei allen, viele machen sich ein Problem daraus, obwohl es eigentlich in der Natur des Menschen liegt, sich dabei aufeinander abzustimmen und es voller Gefühl und mit viel Lust, gemeinsam zu genießen.
Die ersten male fällt das der ganzen Aufregung wegen meist noch schwer, da habe ich auch immer nur cool getan und wusste eigentlich nicht so genau wie das funktioniert, ob Frauen auch kommen können, woran ich das merke und was zusammen Kommen überhaupt heißt.
So habe ich mich die ersten Jahre meiner Erfahrungen beim Sex eher in Frauen befriedigt als Sex mit ihnen gehabt, weil ich, trotz aller Aufklärung nie so genau wusste, wie der weibliche Körper funktioniert und ob und wie Frauen Befriedigung dabei finden können.
Auch dabei gibt es kein Patentrezept oder den einen Knopf, den du bei jeder nur drücken musst, damit sie kommen kann, sondern es ist immer anders, bei jeder Frau, Männer sind da meist relativ simpler gestrickt, aber auch da hängt bei sensiblen Typen, die zwar schwierig sind, aber manchmal andere Vorteile haben, sehr viel am Kopf und wie wir sagen Bauch dabei.
Weiß nicht, ob ich sensibel bin, habe das und das genaue Gegenteil von Frauen gehört je nach Situation und Zusammenhang, der, wie ich inzwischen verstanden habe, wichtiger ist, als die Tatsachen, die ihrem Urteil zu Grunde liegen. Während Männer gern nach den Grundsätzen des kategorischen Imperativs ein Prinzip suchen, das allen Fällen zugrunde liegt und mit denen es einfach funktioniert, auch beim Sex, entscheiden Frauen, nach meinem Gefühl eher ganzheitlich und so kann das für mich als Mann selbe Verhalten, was den gleichen Effekt technisch haben sollte, für eine Frau das genaue Gegenteil sein und so bilden sie ihre Urteile auch nicht für alle Fälle und aus schlichter männlicher Sicht zuverlässig, sondern ihrer Natur entsprechend je nach den Umständen. Darum verlasse ich mich da auf kein Urteil mehr dem Wortlaut nach, sondern betrachte es im Kontext der komplexen weiblichen Gedankenwelt, ohne Hoffnung zu haben, die je ganz begreifen zu können und überlasse also auch vieles dem Zufall und versuche dann in der Situation nachzubessern, was gegenseitiges Unverständnis schwierig wieder machte.
Habe das noch nie anders erlebt und gerade Frauen, die behaupteten, sie seien nicht weiblich und meinten genau, was sie sagten, reagierten um so stärker in diese Richtung, die mir nach meinem schlicht männlich logischen Denken völlig unverständlich war, um sich aber entschieden dagegen zu wehren, wenn ich es so sah und zu verstehen versuchte.
Vermutlich haben wir es manchmal einfach schwer miteinander und uns zu verstehen. Übrigens haben mir Frauen, die mit Frauen zusammen waren immer wieder erzählt diese Muster des Unverständnis zeigten sich auch bei gleichgeschlechtlichen Beziehungen genauso, als würden wir, um Sex zu haben, bestimmte Rollen natürlich einnehmen. Auch meine schwulen Freunde berichteten ähnliches, wenn auch die Verständigung zum Thema Sex unter Männern allein leichter sein soll, als wenn Frauen dabei sind oder diese auch unter sich.
Dies mag daran liegen, dass weibliches Denken eben sehr oft ungeheuer komplex ist und vernetzt denkt, während Männer, auch wenn sie über Sex nachdenken, primär linear und ergebnisorientiert denken. So würde ich ganz nüchtern feststellen, dass ich mit keiner meiner Verlobten je befriedigenden Sex hatte, sondern immer nur paarweises Onanieren stattfand, weil wir eben nicht zusammen konnten, was sicher auch Gründe in beiden hat und in ganz vielem an der Haltung dazu liegt. Bin mir aber völlig sicher, dass diese es ganz anders sehen würden, weil es ja nicht nur auf den gemeinsamen Orgasmus ankäme, Sex viel mehr sei als zusammen Kommen, was immer besonders die betonen, die es nicht kennen, ihnen Zärtlichkeit und Nähe viel wichtiger wäre, als die doch irgendwie primitive Lust und das eine Liebe doch nicht darauf reduziert werden kann.
Natürlich kann eine Liebe nie darauf reduziert werden, auch eine Beziehung nicht und ich achte sie alle drei als wunderbare Frauen um nichts weniger, wenn ich schlicht feststelle, beim Sex klappte es nicht so, wie es sollte und so gesehen war es frustrierend für diejenigen, die es anders kennen.
Eigentlich soll Sex beide zur Befriedigung führen und tut dies der Natur nach auch relativ gleichzeitig weil die Kontraktion der Muskeln dabei den jeweiligen Höhepunkt durch Stimulation der Nervenenden mit auslöst. Dachte lange, das sei natürlich und funktioniere von alleine, wie ich es bei den allermeisten meiner Frauen bis zu meinen 3 Verlobten auch kannte. Heute weiß ich, diese Erfahrung war außergewöhnlich und das Verhältnis ist eher umgekehrt. Die reale Abstimmung aufeinander dabei ist die Ausnahme für viele, weil sie sich nicht spüren und nicht gelernt haben, einander zu erfühlen und dann in gewohnten Mustern gerade im Trieb einfach hängen bleiben.
Als ich zum ersten mal las, mindestens 50% der Frauen kämen nicht beim Sex oder spielten ihren Männern nur etwas vor, konnte ich das nicht glauben. Warum sollten sie das tun, fragte ich mich, warum nicht neue Wege suchen, um natürlich zu genießen, bis ich es selbst erlebte und in der wachsenden Menge die Zahlen leider bestätigen musste, sie vermutlich sogar nach oben korrigieren würde. So ist gemeinsame und geteilte Lust für viele die Ausnahme und nicht die Regel.
Die ungeteilte Lust aber finde ich langweilig und entbehrlich. Kannst du machen, ist ok, kannst du aber genauso auch lassen und so betrachtet, wirkt das sexuelle Bemühen schnell in vielem eher lächerlich und wird für mich überflüssig, was zur Frustration führt, was ich immer nur sehr beschränkte Zeit ausgehalten habe.
Lässt sich das ändern oder ist die Natur einfach so, dass sie es manchen ganz natürlich schenkt und andere es einfach nicht haben?
Es muss keiner nicht genießen, sondern es kann jeder Wege zur Lust finden, zumindest sofern die Hindernisse im Kopf überwunden werden, die den meisten dabei eher im Weg stehen, als die körperlichen Möglichkeiten. Manchen Männern ist relativ egal, was Frau dabei empfindet, ob sie kommt oder nicht, spüren sie nicht, sondern befriedigen sich einfach selbst mit Frau dabei. Andere, wie der Autor selbst, sind da eher behindert und können es nur gemeinsam genießen, finden alles übrige eher entbehrlich.
Auch darum war ich schon immer, wenn auch teilweise sehr erfolglos, auf der Suche nach Wegen zur gemeinsamen Befriedigung. Insofern fand ich auch immer interessant, was die Forschung dazu veröffentlichte.
Dazu gibt es auch eine schöne historische Geschichte. Als die Geliebte von Ludwig XV. irgendwann feststellte, dass ihr beim unehelichen Beischlaf etwas entging, was für andere Frauen ganz natürlich schien, begann sie zu forschen, ob das nur ihr Problem war und woran es liegen könnte.
Sie ließ dazu Bäuerinnen im ganzen Land untersuchen und stellte die These auf, ob Frau beim Beischlaf zum Höhepunkt kommen könnte, läge daran, wie groß der Abstand von Klitoris und Scheideneingang wäre. Dazu führte sie eine Untersuchung durch, die aber außer dem statistischen Wert keine neurologischen Gründe benennen konnte und so wurde diese Untersuchung bald als verrückte Idee wieder vergessen.
Heute nun, scheinen überraschenderweise die neuesten Forschungen, diese bloß statistische These medizinisch zu bestätigen.
Ein Team von italienischen Neurologen hat herausgefunden, dass der weibliche Höhepunkt immer klitoral sei. Sofort ging ein Aufschrei durch die Welt auch der Frauen, die es anders empfanden und sich auf den in den 70ern im Rahmen der sexuellen Befreiung entdeckten G-Punkt beriefen.
Für diesen angeblichen Punkt, gab es jedoch, ähnlich wie für die These der Liebhaberin keinen neurologischen Beleg. Dagegen haben die Forscher aus Italien einen klaren neurologischen Nachweis erbracht, dass der weibliche Höhepunkt immer durch den nervus pudendus ausgelöst wird.
Dieser verläuft von der Klitoris zur Wirbelsäule und von da mit vielen anderen bis ins Hirn, wo die Erregung umgesetzt wird.
Was früher G-Punkt genannt wurde ist nach diesen Erkenntnissen nur die Stelle, wo bei manchen Frauen der nervus pudendus an die Scheidenwand stößt und so von innen stimuliert werden kann.
Bei anderen eben nicht, warum sie beim gewöhnlichen Verkehr nichts empfinden können und dafür nach anderen Wegen suchen sollten, um gemeinsam zu genießen. Manche haben dann überraschenderweise doch die Erfahrung mit sehr prächtig ausgestatteten Männern oder in für sie besser geeigneten Stellungen, andere machen sich darüber weniger Gedanken.
Es gibt vielfältige Wege zum Glück und wir sollten uns nicht auf einen versteifen, wenn es eben nicht einfach natürlich klappt, was nicht selbstverständlich ist, gilt es neue zu suchen und dabei entspannt und offen miteinander umzugehen.
Überhaupt scheint es beim Sex am wichtigsten, was auch passiert, alles entspannt und auf den Genuss gerichtet zu betrachten. Nichts muss und alles kann, erlaubt ist, wie es der Marquis, schon oben zitiert, sagte, was gefällt.
Für wichtig halte ich dabei jedoch, offen zu sein für das große gemeinsame Glück und wenn es auf dem einen Weg nicht klappt, sollten wir entspannt miteinander andere suchen.
So erging es mir einmal bei einer Geliebten aus Äthiopien, die als junges Mädchen Klitorektomie erlitt, bevor sie entdeckt wurde und als Modell für ein großes Pariser Haus lief. Sie lebte mit zwei Kolleginnen zusammen mit deren einer ich vor einer gefühlten Ewigkeit eine irgendwie Liaison hatte, nachdem ich eine Freundin von ihr im Krankenhaus leider zu Tode hatte pflegen müssen.
Damals war die Suche nach geteilter Lust erfolgreich, sie fühlte zum ersten mal im Leben etwas dabei. Dachte nun, wenn es sogar so noch gehen kann, ohne Klitoris, müsste es doch eigentlich immer gehen, was ja eine gewisse Logik für sich hatte.
Doch wie so häufig im Verhältnis von Männern und Frauen ging die männliche Logik kilometerweit an der weiblichen Realität vorbei.
Noch immer zögere ich, darüber zu schreiben, weil ich doch als Mann immer eine männlich logische Perspektive darauf habe, die vermutlich das weibliche Gefühl dazu nicht erfasst.
Glaube, Frau legt meist mehr Wert auf das komplexe Ganze als auf die schlichte Logik der Natur, wie sie dem beschränkteren männlichen Verstand erscheint. Dabei spielt alles eine Rolle für Frau und noch mehr als das, zum berechenbaren kommt zusätzlich noch der unberechenbare Teil des Gefühls, in dem Frau es schafft, was Mann in der Chaostheorie nur mühsam umschreibt, als unbegreiflichen Grund ihrer Lust zu definieren.
In Anbetracht der Komplexität all dieser Dinge, die meinen bescheidenen Verstand bei weitem übersteigt, kapituliere ich meist schnell und gebe mich dem Trieb hin, so weit Frau mich lässt. Das Denken stößt dabei meist ohnehin auf relativ überschaubare Grenzen. Sich der Natur anvertrauen, aber um diese und ihre Wege wissen, scheint mir der beste Weg, um beim Sex glücklich zu werden und um nichts anderes geht es wohl im Leben, denke ich, aber, was weiß ich schon?
jens tuengerthal 25.12.2016
Zur Liebe gehört die Lust. Nicht immer aber irgendwann schon. Eigentlich den größten Teil zwischen Kindheit und greisenhafter Impotenz, wenn sie aber zumindest manchmal noch erinnerte Geschichte ist. Welche Rolle sie spielt im Leben, ändert sich. Zwischen Eltern und Kindern sollte sie außer zur Aufklärung keine Rolle spielen, wobei schon die alten Griechen von Ödipus wussten, der aber ja auch eher ein Irrtum war und so nicht gewollt, sondern dumme Folge der Orakelhörigkeit.
Wären die Menschen weise, würde aus der Geschichte des Ödipus folgen, hör auf keine Orakel, es geht entweder ohnehin schief und nimmt dir alle natürliche Freiheit. Da wir aber alle dumm sind und ich bin mir zumindest sicher, da einer der ersten zu sein, haben wir den Inzest tabuisiert und die Sexualität zwischen Eltern und Kindern, was auch gute genetische Gründe hat. Die Gefahr von Behinderungen ist dabei deutlich erhöht und so passen manche Verbote sogar zum Lauf der Evolution, selbst wenn sie im Aberglauben begründet wurden.
Überhaupt ist Eltern und Sex für Kinder meist eher peinlich, davon wollen sie nichts hören und schweigen lieber dazu, auch wenn es in den 70ern im Zuge der sexuellen Befreiung eine umgekehrte Bewegung mal gab, die aber dafür heute wieder um so mehr pönalisiert wird. Die moralischen Vorwürfe auf diesem Gebiet sind so voller Hass, dass ein nüchterner Diskurs kaum mehr möglich scheint. Aber ich möchte ja nicht über Pädophile, Missbrauch und moralische Hysterie schreiben, auch wenn es dazu viel zu sagen gäbe, sondern über Lust und Liebe, wie sie zusammengehören und worauf es dabei aus meiner Sicht ankommt.
Der Vorspann ist nur nötig, weil ich ja hier als Vater für meine Tochter schreibe, die da vermutlich genauso drauf reagiert, wie alle Kinder und ich vermutlich es auch hätte, weil es peinlich ist, wenn der eigene Vater über Sex redet - darum schreibt er hier, dann kann sie es lesen, wenn es sie interessiert und sie nicht mehr beim Gedanken, es zu lesen, schon hochrot anläuft und ich muss nichts mehr dazu sagen.
Darum auch formuliere ich diesmal vielleicht vorsichtiger als ich es sonst täte, weniger mit der Sinnlichkeit spielend und nüchtern sachlicher, aber ich will auch kein Schulbuch schreiben, die hat sie selber, sondern über Lust immer auch lustvoll schreiben, weil Sex einfach schön ist und genau so natürlich genossen werden sollte.
Was ist gut und was erlaubt?
Erlaubt ist, was gefällt, schrieb einst schon der auch für anderes berühmte Marquis de Sade, der übrigens auch wunderbare Bücher über atheistische und materialistische Philosophie schrieb aber dank der Kirche hauptsächlich seiner Schriften zur Sexualität wegen bekannt wurde. Dem stimme ich voll zu. Um nichts anderes geht es. Spaß machen soll es, sich gut anfühlen, möglichst befriedigen und glücklich machen und alles andere ist Sache der beiden zwischen denen es stattfindet.
Wann und wie es wer mit wem tut, hat gerade die katholische Kirche immer wieder gern beschäftigt, die ohnehin ein Thema mit der Sexualität hat, sowohl intern wie auch in der Frage der Dogmen. Dadurch ist aber der irgendwie verbotene Sex auch reizvoller geblieben als bei den Protestanten, die zwar durften, sogar die Pfarrer dürfen dort ja seit Luther heiraten, aber im moralischen Korsett meist jede Lust dennoch verlieren, wie es im Film ‘Der Sinn des Lebens’ der englischen Komikertruppe Monty Python so treffend dargestellt wurde.
Über Sex reden ist nett und erwachsen ist der Mensch von dem Moment an, wo er das völlig entspannt und genüsslich tun kann, warum manche es nie werden und andere geradezu frühreif schon sind. Kann mich noch genau erinnern, als ich meine ersten sexuellen Erfahrungen vor weit über 30 Jahren sammelte, habe ja ziemlich früh angefangen, waren wir zwar aufgeklärt aus der Schule aber darüber locker reden konnten wir noch nicht, auch wenn ich mich da immer ganz entspannt gab, schon sehr früh von meinen Eltern aufgeklärt wurde und Sexualität mir als etwas schönes vorgestellt wurde, dass aber der Folgen wegen auch möglichst mit viel Verantwortung begonnen werden sollte. Dass war weniger moralisch gemeint als in Sicht auf die Vorsicht, die geboten war, damit nichts passierte, da im richtigen Moment ohnehin, wie mein Großvater immer sagte, das Hirn im Hintern sitzt und schieben hilft, was meinte, wenn der Trieb stark genug ist, denken wir nicht mehr, sondern treiben es lieber nur noch.
Auch eine für Menschen vor Erwachen ihrer Sexualität undenkbare Vorstellung, wie Menschen zu schlichten Triebwesen werden, dabei sind sie eigentlich in ganz vielem noch viel näher dran an diesem Verhalten als die sonst gern so kontrollierten Erwachsenen, die sich viel seltener nur echte Wutanfälle mit Schreien, Zähneklappern und allem pipapo leisten können. Darum ist die Lust als letztes Ventil der Natur für viele auch so wichtig. Doch ist sie immer noch mit zu vielen Tabus versehen und zu viele Mensch können sie immer noch nicht frei genießen. Zum einen aus seltsamen moralischen Gründen, die den Genuß der angeblichen Sünde teilweise tabuisieren, zum anderen, weil sie es nie gelernt haben.
Von Lust und Liebe habe ich das Kapitel genannt, weil es, wenn es zusammenkommt am schönsten ist, genau wie der Sex am schönsten oder eigentlich nur welcher ist, wenn es beiden zusammen kommt. Das passiert nicht bei allen, viele machen sich ein Problem daraus, obwohl es eigentlich in der Natur des Menschen liegt, sich dabei aufeinander abzustimmen und es voller Gefühl und mit viel Lust, gemeinsam zu genießen.
Die ersten male fällt das der ganzen Aufregung wegen meist noch schwer, da habe ich auch immer nur cool getan und wusste eigentlich nicht so genau wie das funktioniert, ob Frauen auch kommen können, woran ich das merke und was zusammen Kommen überhaupt heißt.
So habe ich mich die ersten Jahre meiner Erfahrungen beim Sex eher in Frauen befriedigt als Sex mit ihnen gehabt, weil ich, trotz aller Aufklärung nie so genau wusste, wie der weibliche Körper funktioniert und ob und wie Frauen Befriedigung dabei finden können.
Auch dabei gibt es kein Patentrezept oder den einen Knopf, den du bei jeder nur drücken musst, damit sie kommen kann, sondern es ist immer anders, bei jeder Frau, Männer sind da meist relativ simpler gestrickt, aber auch da hängt bei sensiblen Typen, die zwar schwierig sind, aber manchmal andere Vorteile haben, sehr viel am Kopf und wie wir sagen Bauch dabei.
Weiß nicht, ob ich sensibel bin, habe das und das genaue Gegenteil von Frauen gehört je nach Situation und Zusammenhang, der, wie ich inzwischen verstanden habe, wichtiger ist, als die Tatsachen, die ihrem Urteil zu Grunde liegen. Während Männer gern nach den Grundsätzen des kategorischen Imperativs ein Prinzip suchen, das allen Fällen zugrunde liegt und mit denen es einfach funktioniert, auch beim Sex, entscheiden Frauen, nach meinem Gefühl eher ganzheitlich und so kann das für mich als Mann selbe Verhalten, was den gleichen Effekt technisch haben sollte, für eine Frau das genaue Gegenteil sein und so bilden sie ihre Urteile auch nicht für alle Fälle und aus schlichter männlicher Sicht zuverlässig, sondern ihrer Natur entsprechend je nach den Umständen. Darum verlasse ich mich da auf kein Urteil mehr dem Wortlaut nach, sondern betrachte es im Kontext der komplexen weiblichen Gedankenwelt, ohne Hoffnung zu haben, die je ganz begreifen zu können und überlasse also auch vieles dem Zufall und versuche dann in der Situation nachzubessern, was gegenseitiges Unverständnis schwierig wieder machte.
Habe das noch nie anders erlebt und gerade Frauen, die behaupteten, sie seien nicht weiblich und meinten genau, was sie sagten, reagierten um so stärker in diese Richtung, die mir nach meinem schlicht männlich logischen Denken völlig unverständlich war, um sich aber entschieden dagegen zu wehren, wenn ich es so sah und zu verstehen versuchte.
Vermutlich haben wir es manchmal einfach schwer miteinander und uns zu verstehen. Übrigens haben mir Frauen, die mit Frauen zusammen waren immer wieder erzählt diese Muster des Unverständnis zeigten sich auch bei gleichgeschlechtlichen Beziehungen genauso, als würden wir, um Sex zu haben, bestimmte Rollen natürlich einnehmen. Auch meine schwulen Freunde berichteten ähnliches, wenn auch die Verständigung zum Thema Sex unter Männern allein leichter sein soll, als wenn Frauen dabei sind oder diese auch unter sich.
Dies mag daran liegen, dass weibliches Denken eben sehr oft ungeheuer komplex ist und vernetzt denkt, während Männer, auch wenn sie über Sex nachdenken, primär linear und ergebnisorientiert denken. So würde ich ganz nüchtern feststellen, dass ich mit keiner meiner Verlobten je befriedigenden Sex hatte, sondern immer nur paarweises Onanieren stattfand, weil wir eben nicht zusammen konnten, was sicher auch Gründe in beiden hat und in ganz vielem an der Haltung dazu liegt. Bin mir aber völlig sicher, dass diese es ganz anders sehen würden, weil es ja nicht nur auf den gemeinsamen Orgasmus ankäme, Sex viel mehr sei als zusammen Kommen, was immer besonders die betonen, die es nicht kennen, ihnen Zärtlichkeit und Nähe viel wichtiger wäre, als die doch irgendwie primitive Lust und das eine Liebe doch nicht darauf reduziert werden kann.
Natürlich kann eine Liebe nie darauf reduziert werden, auch eine Beziehung nicht und ich achte sie alle drei als wunderbare Frauen um nichts weniger, wenn ich schlicht feststelle, beim Sex klappte es nicht so, wie es sollte und so gesehen war es frustrierend für diejenigen, die es anders kennen.
Eigentlich soll Sex beide zur Befriedigung führen und tut dies der Natur nach auch relativ gleichzeitig weil die Kontraktion der Muskeln dabei den jeweiligen Höhepunkt durch Stimulation der Nervenenden mit auslöst. Dachte lange, das sei natürlich und funktioniere von alleine, wie ich es bei den allermeisten meiner Frauen bis zu meinen 3 Verlobten auch kannte. Heute weiß ich, diese Erfahrung war außergewöhnlich und das Verhältnis ist eher umgekehrt. Die reale Abstimmung aufeinander dabei ist die Ausnahme für viele, weil sie sich nicht spüren und nicht gelernt haben, einander zu erfühlen und dann in gewohnten Mustern gerade im Trieb einfach hängen bleiben.
Als ich zum ersten mal las, mindestens 50% der Frauen kämen nicht beim Sex oder spielten ihren Männern nur etwas vor, konnte ich das nicht glauben. Warum sollten sie das tun, fragte ich mich, warum nicht neue Wege suchen, um natürlich zu genießen, bis ich es selbst erlebte und in der wachsenden Menge die Zahlen leider bestätigen musste, sie vermutlich sogar nach oben korrigieren würde. So ist gemeinsame und geteilte Lust für viele die Ausnahme und nicht die Regel.
Die ungeteilte Lust aber finde ich langweilig und entbehrlich. Kannst du machen, ist ok, kannst du aber genauso auch lassen und so betrachtet, wirkt das sexuelle Bemühen schnell in vielem eher lächerlich und wird für mich überflüssig, was zur Frustration führt, was ich immer nur sehr beschränkte Zeit ausgehalten habe.
Lässt sich das ändern oder ist die Natur einfach so, dass sie es manchen ganz natürlich schenkt und andere es einfach nicht haben?
Es muss keiner nicht genießen, sondern es kann jeder Wege zur Lust finden, zumindest sofern die Hindernisse im Kopf überwunden werden, die den meisten dabei eher im Weg stehen, als die körperlichen Möglichkeiten. Manchen Männern ist relativ egal, was Frau dabei empfindet, ob sie kommt oder nicht, spüren sie nicht, sondern befriedigen sich einfach selbst mit Frau dabei. Andere, wie der Autor selbst, sind da eher behindert und können es nur gemeinsam genießen, finden alles übrige eher entbehrlich.
Auch darum war ich schon immer, wenn auch teilweise sehr erfolglos, auf der Suche nach Wegen zur gemeinsamen Befriedigung. Insofern fand ich auch immer interessant, was die Forschung dazu veröffentlichte.
Dazu gibt es auch eine schöne historische Geschichte. Als die Geliebte von Ludwig XV. irgendwann feststellte, dass ihr beim unehelichen Beischlaf etwas entging, was für andere Frauen ganz natürlich schien, begann sie zu forschen, ob das nur ihr Problem war und woran es liegen könnte.
Sie ließ dazu Bäuerinnen im ganzen Land untersuchen und stellte die These auf, ob Frau beim Beischlaf zum Höhepunkt kommen könnte, läge daran, wie groß der Abstand von Klitoris und Scheideneingang wäre. Dazu führte sie eine Untersuchung durch, die aber außer dem statistischen Wert keine neurologischen Gründe benennen konnte und so wurde diese Untersuchung bald als verrückte Idee wieder vergessen.
Heute nun, scheinen überraschenderweise die neuesten Forschungen, diese bloß statistische These medizinisch zu bestätigen.
Ein Team von italienischen Neurologen hat herausgefunden, dass der weibliche Höhepunkt immer klitoral sei. Sofort ging ein Aufschrei durch die Welt auch der Frauen, die es anders empfanden und sich auf den in den 70ern im Rahmen der sexuellen Befreiung entdeckten G-Punkt beriefen.
Für diesen angeblichen Punkt, gab es jedoch, ähnlich wie für die These der Liebhaberin keinen neurologischen Beleg. Dagegen haben die Forscher aus Italien einen klaren neurologischen Nachweis erbracht, dass der weibliche Höhepunkt immer durch den nervus pudendus ausgelöst wird.
Dieser verläuft von der Klitoris zur Wirbelsäule und von da mit vielen anderen bis ins Hirn, wo die Erregung umgesetzt wird.
Was früher G-Punkt genannt wurde ist nach diesen Erkenntnissen nur die Stelle, wo bei manchen Frauen der nervus pudendus an die Scheidenwand stößt und so von innen stimuliert werden kann.
Bei anderen eben nicht, warum sie beim gewöhnlichen Verkehr nichts empfinden können und dafür nach anderen Wegen suchen sollten, um gemeinsam zu genießen. Manche haben dann überraschenderweise doch die Erfahrung mit sehr prächtig ausgestatteten Männern oder in für sie besser geeigneten Stellungen, andere machen sich darüber weniger Gedanken.
Es gibt vielfältige Wege zum Glück und wir sollten uns nicht auf einen versteifen, wenn es eben nicht einfach natürlich klappt, was nicht selbstverständlich ist, gilt es neue zu suchen und dabei entspannt und offen miteinander umzugehen.
Überhaupt scheint es beim Sex am wichtigsten, was auch passiert, alles entspannt und auf den Genuss gerichtet zu betrachten. Nichts muss und alles kann, erlaubt ist, wie es der Marquis, schon oben zitiert, sagte, was gefällt.
Für wichtig halte ich dabei jedoch, offen zu sein für das große gemeinsame Glück und wenn es auf dem einen Weg nicht klappt, sollten wir entspannt miteinander andere suchen.
So erging es mir einmal bei einer Geliebten aus Äthiopien, die als junges Mädchen Klitorektomie erlitt, bevor sie entdeckt wurde und als Modell für ein großes Pariser Haus lief. Sie lebte mit zwei Kolleginnen zusammen mit deren einer ich vor einer gefühlten Ewigkeit eine irgendwie Liaison hatte, nachdem ich eine Freundin von ihr im Krankenhaus leider zu Tode hatte pflegen müssen.
Damals war die Suche nach geteilter Lust erfolgreich, sie fühlte zum ersten mal im Leben etwas dabei. Dachte nun, wenn es sogar so noch gehen kann, ohne Klitoris, müsste es doch eigentlich immer gehen, was ja eine gewisse Logik für sich hatte.
Doch wie so häufig im Verhältnis von Männern und Frauen ging die männliche Logik kilometerweit an der weiblichen Realität vorbei.
Noch immer zögere ich, darüber zu schreiben, weil ich doch als Mann immer eine männlich logische Perspektive darauf habe, die vermutlich das weibliche Gefühl dazu nicht erfasst.
Glaube, Frau legt meist mehr Wert auf das komplexe Ganze als auf die schlichte Logik der Natur, wie sie dem beschränkteren männlichen Verstand erscheint. Dabei spielt alles eine Rolle für Frau und noch mehr als das, zum berechenbaren kommt zusätzlich noch der unberechenbare Teil des Gefühls, in dem Frau es schafft, was Mann in der Chaostheorie nur mühsam umschreibt, als unbegreiflichen Grund ihrer Lust zu definieren.
In Anbetracht der Komplexität all dieser Dinge, die meinen bescheidenen Verstand bei weitem übersteigt, kapituliere ich meist schnell und gebe mich dem Trieb hin, so weit Frau mich lässt. Das Denken stößt dabei meist ohnehin auf relativ überschaubare Grenzen. Sich der Natur anvertrauen, aber um diese und ihre Wege wissen, scheint mir der beste Weg, um beim Sex glücklich zu werden und um nichts anderes geht es wohl im Leben, denke ich, aber, was weiß ich schon?
jens tuengerthal 25.12.2016
Samstag, 24. Dezember 2016
Gretasophie 004a
004a Vom Verlieben
Wann beginnt die Liebe?
Wir sprechen vom Verlieben, wenn die Liebe noch neu ist und erst anfängt zu wachsen. Es soll ein Anfang sein, wird aber auch gerne nicht so ganz ernst genommen. Dann heißt es, du bist ja nur verliebt, wart erstmal ab, bis ihr euch richtig kennt. Manchmal verlieben wir uns auch in Sachen, die wir unbedingt haben wollen oder gerade bekommen haben.
Verliebt sein enthält alle Zustände, welche die Liebe ausmacht, von den Flugzeugen im Bauch, bis zur Sehnsucht auch mit dem völligen Ausblenden jeder Realität, einem Zustand, der alles wunderbar erscheinen lässt. Verliebte machen lauter unsinnige Sachen, finden alles wunderbar und erleben die Liebe, wie sie uns verzaubern kann, so intensiv wie später nie wieder.
Manchmal bestaunen wir ältere Paare, die noch ganz süß miteinander sind, sagen, die seien ja wie frisch verliebt, finden das eher verwunderlich aber auch schön, weil die zärtliche Liebe und Zuwendung von zwei Menschen einfach schön ist, außer wir haben gerade Liebeskummer, dann erscheint ohnehin die ganze Welt grau und andere Verliebte sind reine Folter für uns.
Wann und womit beginnt das Verlieben?
Habe schon genau darüber nachgedacht, aber keinen immer gültigen Maßstab dafür finden können. Es ist jedesmal anders, auch wenn es sich andererseits in ganz vielem sehr ähnelt. Beim ersten mal denken wir noch, wir würden nie wieder so etwas schönes erleben können in unserem Leben und hängen alles daran. Dann kreist jeder Gedanke um den Geliebten und es ist ein Zustand, als wären wir an einer euphorischen Psychose erkrankt, die zur eben völligen Ausblendung jeder Realität auch bei sonst vernünftigen Menschen führt.
Kann auch kein Muster erkennen, was das verliebt sein immer auslöst. Höchstens bestimmte Folgen in meinem Verhalten an denen ich merke, dass es mich erwischt hat. Kann nicht mal sagen, welche Eigenschaften besonders bei denen überwogen, wo es mich erwischte.
War es die Gelegenheit und taugte für diese jede Frau bei mir?
Glaube nicht, es gibt schon klare Auswahlkriterien, die bei Äußerlichkeiten anfangen, den Geruch beinhalten und beim Intellekt noch nicht enden. Aber auch da sind ganz gegensätzliche Fälle in meinem Leben schon aufgetaucht. Habe mich in Frauen verliebt, die sich nie verstehen würden, nichts miteinander zu tun haben wollten vermutlich, auch wenn die soziale Kompatibilität etwas ist, was mir schon wichtig ist. Etwa, ob es in der Familie passt, ich mich gut unterhalten kann, wir uns über die erste Anziehung verstehen könnten.
Doch all das sind immer Überlegungen, die ich dazu und nebenbei anstelle, um meinem Kopf noch eine gewisse Herrschaft in der Sache zu geben. Dies alles hat nichts mit meinem dann Gefühl zu tun, was sich völlig selbständig zu entwickeln scheint, als führe es ein Eigenleben. So habe ich mich auch schon gegen alle Vernunft in Frauen verliebt, die meine Familie ablehnte, mit denen es nichts als Probleme gab, es eigentlich nirgendwo so richtig passte und dennoch an der Idee vom Traum festgehalten.
Wenn ich mich verliebe, scheint die Vernunft in bestimmten Bereichen wie ausgeschaltet, ich verhalte mich fast zwanghaft und könnte mich fragen, ob eine solche Reaktion noch gesund ist und dem Ziel eines dauerhaften Glücks nicht zuwiderläuft. Vor allem die völlige Ignorierung aller Kriterien der Vernunft bei der Wahl und dem Weg zueinander, die einen wider besseres Wissen immer wieder die gleichen Fehler machen lässt, auch wenn es uns eigentlich dabei bewusst ist, noch zu hoffen, diesmal sei alles anders, weil sie eben die Richtige wäre, mit der nichts falsch sein könnte.
Solange ich verliebt bin, denke ich aber über diesen Zustand und mein Verhalten nicht nach, sondern schwebe wie auf einer rosa Wolke durch die Tage, die sich nur um die eine drehen. Darum verwundert es nicht, dass auf das Verlieben oft ein Zustand großer Ernüchterung folgt, wenn die Vernunft wieder stärker als das nur Gefühl wird. Manche Beziehungen halten dem Stand und verwandeln sich dann in eine ruhige Liebe, die dem gelassenen Glück entspricht. In diesen Fällen sprechen wir dann von großer oder glücklicher Liebe.
Das Wort große Liebe verwenden auch Verliebte gern, um diese Liebe als die größte zu bezeichnen, die sie je hatten, zumindest in der Reihe hervorzuheben, die uns im Leben eben so begegnet, dem eigentlich etwas entrückten Zustand der Verliebten eine reale Bodenhaftung zu geben.
Weiß nicht, ob es weise ist dieses Wort, schnell zu verwenden oder so etwas nicht eher von verliebter Verblendung zeugt, denn wie außer verliebt sollen wir jemanden für die große Liebe halten?
Was wäre ein vernünftigerer Maßstab um die großen von den kleinen Lieben zu unterscheiden und was bleibt im Leben davon?
Könnte das Wort große Liebe an eine bestimmte Länge der Beziehung knüpfen und es nicht vor Ablauf von mindestens einem Jahr verwenden. So etwas macht aber relativ abgebrüht und raubt der Verliebtheit allen Zauber. Wer verliebt ist, will den anderen dann logisch für die große Liebe halten und wenn nicht, scheint etwas beim Gefühl nicht zu stimmen.
Kein Verliebter, auch mit der größten Erfahrung nicht, will die aktuelle Liebe gegenüber den anderen Lieben relativieren. Dennoch vergleicht unsere Natur immer und automatisch, muss dies tun, um eine für uns gesunde Auswahl zu treffen. So funktioniert Evolution eben im kleinen. Daraus wird gerne der Gegensatz von Herz und Verstand konstruiert. Dazwischen liegt das schmale Drahtseil auf dem wir zwischen Glück und Resignation in der Liebe so oft balancieren.
Wann und womit das Verlieben beginnt, weiß ich nicht genau zu sagen. Kenne nur die Symptome und kann sagen, für jeden anderen Zustand würden wir diese pathologisch nennen, was den Wert der Verliebtheit als Glückszustand genauso relativiert wie die gesellschaftliche Beurteilung pathologischer Zustände.
Was ist schon krank, wenn sich Verliebte genau so verhalten?
Wie toll kann Verlieben überhaupt sein, wenn es uns verrückt macht?
In Goethes Werther kann und sollte jeder mal lesen, wohin die extreme Verliebtheit, in die wir uns hinein steigern, führt, noch dazu wo wir verzweifeln und aus diesem Unglück allen Lebensmut verlieren. Werther, der in manchem für Goethe stand, der darin auch eine eigene unglückliche Verliebtheit verarbeitete, gibt sich am Ende die Kugel, weil er nicht mehr kann, jede Hoffnung auf Erfüllung seiner Liebe verloren hat und wer dies absolute Gefühl der Liebe, neben der sich alles weitere Leben relativiert, nicht kennt, hat noch nicht wirklich geliebt, würde ich sagen, auch wenn die Reaktion von Werther übersteigert ist, um dem Briefroman ein dramatisches Theaterende noch zu geben.
Werther ist durchgedreht, würden wir heute sagen, hätte einen guten Therapeuten oder zumindest Pillen gebraucht, um sich nichts anzutun, denn wir sollen ja funktionieren und uns nichts antun, nur um einer einzigen Verliebtheit wegen, deren im Leben noch so viele kommen, wie sich mit Abstand leicht sagen lässt
Dieses Stück des Sturm und Drang hat eine ganze Epoche ausgelöst und später auch viele romantische Dichter und Denker inspiriert, die ihn nicht nur im Äußern nachahmten, sondern sich auch reihenweise umbrachten. Die Mode taucht sogar später wieder bei dem unsympathischen Bendix Grünlich in den Buddenbrooks auft, die etwa 130 Jahre später geschrieben wurden. Der Aufschneider, der ähnlich gekleidet war, sich so gestelzt gab, als er Tonys Vater täuschte und um die Hand seiner Tochter anhielt, die nach anfänglichem Widerstand, da sie den Kerl ja nicht liebe und er widerlich wäre in seiner gestelzten Art und mit seinen goldgelben Favoris, dann doch nachgibt und heiratet, um der Ehre der Familie genüge zu tun, auf die sie so viel hält und sich ein wenig zumindest in ihre Rolle als Braut und Ehefrau verliebt, weil sie es liebt, sich einzurichten, ihre Aussteuer zusammenzustellen und anderes sekundäres, was die fehlende Verliebtheit in ihren künftigen Gatten zu kompensieren, der im Wertherkostüm auf Freiersfüßen beim reichen Kaufmann auftauchte, um mit der Aussteuer noch einmal seine Firma zu retten.
Tony geht eine Vernunftehe ein, die ja statistisch eigentlich länger hielten, was bei ihr nicht der Fall war, da Grünlich ein Betrüger blieb und ihr Vater sie dann wieder vor dem Untergang beschämt retten muss, da er dem richtigen Instinkt seiner Tochter nicht traute, die Kosten dieser Ehe leider abschreiben muss.
Wo ich gerade von Thomas Schwester Tony erzähle, kann ich auch ihre zweite Ehe noch beschreiben, die ebenfalls sehr schnell scheitert, obwohl die Verbindung mit dem Bierbrauer Permaneder aus München doch eher eine Liebesheirat war. Sicher wollte sie auch die Schande ihrer ersten gescheiterten Ehe von sich waschen, wie es eben der Moral der Zeit im 19. Jahrhundert noch entsprach, doch sie war auch fasziniert von diesem Mann und seiner manchmal etwas rauen aber doch ehrlich liebevollen Art. Dass sie ihn dann, was sie kaum auszusprechen wagt, beim Sex mit einer Magd im Treppenhaus erwischt, entsetzt sie so sehr, dass sie sofort mit ihrer Tochter die Flucht aus München ergreift, wo sie nie wirklich heimisch wurde.
Sicher spielt da viel Konvention eine Rolle, die sie das eine wie das andere mal scheitern und unglücklich werden lässt, worauf sie sich lieber um die Ehe ihres Bruders mit ihrer Pensionatsfreundin Gerda, die aus Amsterdam eingeheiratet wird, kümmert, auch wenn diese als Künstlerin ihrer nüchtern hanseatischen Art immer etwas fremd bleibt. Verliebt hatte sich Tony vorher in den Sohn des Lotsenkommandeurs in Travemünde, bei dem sie den Sommer verbrachte und der die revolutionären Ideen der Göttinger Studenten als dort Medizinstudent ihr nahebrachte, die sich sonst eher naiv als Tochter aus gutem Hause wie die Königin der Stadt fühlte. Diese Verliebtheit und was von ihr geschildert wird, ist eine der emotional ergreifendsten Stellen des Familienromans, auch wenn Tony es in ihrer Art wieder munter weiter plätschern lässt, wie auch Thomas Manns Tante Elisabeth Mann, der die Tony naturgetreu nachgebildet wurde, nach kurzer Empörung die Rolle mit Humor nahm und sich von der Familie künftig eben Tony nennen ließ.
Eine andere Verliebtheit, die des Erben und späteren Senators Thomas Buddenbrook, dem Bruder Tonys wird so beendet, wie es sich für einen Kaufmannssohn aus guter Familie gehört und mit der musikalisch leidenschaftlichen Gerda findet er ja auch eine sehr gute Partie, egal wie verliebt oder nicht. Auch die später große Nähe seiner Frau zu dem Leutnant, mit dem sie musiziert, gehört zu den zarten Andeutungen der Verliebtheit in den Buddenbrooks, die nicht nur eine Familie sondern eine ganze Stadt so treffend und scharf malten. Aber im großen und ganzen spielt Verliebtheit dort weniger eine Rolle als die soziale Rolle und die daraus resultiernden Pflichten hinter denen solche Gefühle zurückstehen müssen.
Eine geschiedene Ehe hinter sich zu haben oder nicht, führt heute noch in alten Familien zu zumindest empfunden verschieden starker Zuneigung, gelten diese doch als teilweise gescheitert, so erfolgreich sie auch sonst sind. In meiner Familie waren Scheidungen lange unbekannt, die Brüder meines Vaters waren bis über 60 alle mit derselben Frau verheiratet und folgten damit dem Vorbild der Großeltern. Später gab es dann eine Scheidung in dieser Generation, die aber wohl nur dazu führte, dass die beiden sich inzwischen besser verstehen als zuvor. Dagegen gab es in meiner Generation bereits mehrere Scheidungen. Von den 8 Enkeln meiner Großeltern sind nur noch 3 verheiratet und haben auch nur wenige Kinder bekommen und die aussterbende Familie so fortgesetzt.
Bin davon überzeugt, dass meine Eltern all ihre drei Kinder gleich lieben und nie eines bewusst bevorzugen wollten, sondern immer um Gerechtigkeit bemüht waren. Dennoch ist das Gefühl derjenigen, die nicht verheiratet oder geschieden sind, ein anderes als derer, die eine glückliche Familie haben und dieses Gefühl der Konkurrenz, die eigentlich keiner will, scheint in der Natur der Tradition zu liegen. Wie sich auch Tony ständig geißelte, weil sie doch keine gute Partie gemacht hatte, am Ende übrig blieb, trotz der guten Erziehung auch im Pensionat.
Eine Freundin von mir leidet jedes Jahr an Weihnachten ganz furchtbar, wenn sie mit ihren Eltern und ihrer Schwester feiern muss, ohne einen Mann und noch dazu mit Kind alleinerziehend, während ihre Schwester glücklich verheiratet mit Kindern alles richtig gemacht hat und dies obwohl die Freundin selbständige Ärztin ist, ihr Leben mit Kind alleine vorbildlich meistert, viel mehr schafft als ihre Schwester, stolz auf sich sein könnte. Vermutlich sagen ihre Eltern nichts dergleichen, wie es auch meine nie täten, bei denen ich sogar bezweifle, dass sie sich erlaubten, so etwas auch nur zu denken, weil sie solch eine Benachteiligung nie wollten. Dennoch gibt es dieses starke Gefühl, weniger wert zu sein, was ich zum Glück nur als Idee kenne, bei ihr sehr ausgeprägt und wie sie mir erzählte, leidet sie auch an Kleinigkeiten schon und muss immer aufpassen, nicht in die Luft zu gehen.
So haben manche Zustände wenig mit der Realität um uns, dafür umso mehr mit der in uns zu tun. Dies ähnelt insofern negativ dem Verliebtsein wieder, dessen Anfang ich nicht definieren konnte, während ich hier klar sehe, es geht um die eigene Rolle, in der wir uns nur bedingt wohlfühlen und darum so irrational und bescheuert reagieren, gerne alles anders hätten, aber alles dafür tun, dass sich nichts ändert.
Goethes Sehnsucht nach dem verweilenden Augenblick gehört zur Verliebtheit, die er auch in seinen Sesenheimer Liedern für die Pfarrerstochter Friederike Brion so wundervoll beschrieb und der er sich im Geiste völlig hingab, statt seinem Jurastudium in Straßburg, wie es der Vater wünschte, der ihn irgendwann zurück nach Frankfurt rufen ließ. Zum Abschied dichtete der junge Goethe für Friederike das wunderbare Gedicht Willkommen und Abschied, in dem er mit tränenden Augen Abschied nimmt und die Summe der großen Gefühle der Verliebtheit so wunderbar bedichtete. Mit Gefühl konnte er einfach. Darum hier die Verse aus diesem wunderbaren Liebesgedicht, dass für mich immer noch eines der schönsten deutschen Liebesgedichte überhaupt ist:
Es schlug mein Herz. Geschwind, zu Pferde!
Und fort, wild wie ein Held zur Schlacht.
Der Abend wiegte schon die Erde,
Und an den Bergen hing die Nacht.
Schon stund im Nebelkleid die Eiche
Wie ein getürmter Riese da,
Wo Finsternis aus dem Gesträuche
Mit hundert schwarzen Augen sah.
Der Mond von einem Wolkenhügel
Sah schläfrig aus dem Duft hervor,
Die Winde schwangen leise Flügel,
Umsausten schauerlich mein Ohr.
Die Nacht schuf tausend Ungeheuer,
Doch tausendfacher war mein Mut,
Mein Geist war ein verzehrend Feuer,
Mein ganzes Herz zerfloß in Glut.
Ich sah dich, und die milde Freude
Floß aus dem süßen Blick auf mich.
Ganz war mein Herz an deiner Seite,
Und jeder Atemzug für dich.
Ein rosenfarbnes Frühlingswetter
Lag auf dem lieblichen Gesicht
Und Zärtlichkeit für mich, ihr Götter,
Ich hofft’ es, ich verdient’ es nicht.
Der Abschied, wie bedrängt, wie trübe!
Aus deinen Blicken sprach dein Herz.
In deinen Küssen welche Liebe,
O welche Wonne, welcher Schmerz!
Du gingst, ich stund und sah zur Erden
Und sah dir nach mit nassem Blick.
Und doch, welch Glück, geliebt zu werden,
Und lieben, Götter, welch ein Glück!
Goethe überstand diese Trennung und auch die spätere von derjenigen, die Vorbild der Lotte im Werther war. Indem er darüber schrieb, legte er die großen Gefühle ab und wie dramatisch diese waren, zeigt Werthers Tod am Ende. Zu dieser Zeit, nach seiner Promotion über die Besitzverhältnisse an einem Floh, war Goethe ganz nüchtern Assessor am Reichskammergericht zu Wetzlar, da gab es noch das Heilige Römische Reich Deutscher Nationen.
Was es auslöst, dies seltsame Verlieben, weiß ich auch am Ende der literarischen Ausflüge hier nicht, was es bewirkt, merke ich, wenn es da ist. Obwohl eigentlich nicht mal das wirklich, weil ich in diesem Zustand eher halb bewusstlos immer war, warum von bemerken eigentlich erst hinterher gesprochen werden kann. Wenn ich aber nun nüchtern über die Verliebtheit schreibe, ist es nicht echt, weil diesen Zustand eben nur versteht, wer sich wie unter Drogen darin bewegt.
Denke, wer es verstehen will, muss sich darauf einlassen und es genießen wollen, wie bereit sein, darunter zu leiden, was in aller Regel irgendwann folgt, mögen die selbst behaupteten Ausnahmen mit ihrer Illusion weiter glücklich bleiben.
Literatur und Lyrik nähern sich der Verliebtheit besser als lange Ausführungen es hier können, darum empfehle ich dazu neben Werther und Goethes Sesenheimer Liedern noch Fontanes Effie Briest, Flauberts Madame Bovary, Tolstois Anna Karenina - um nur eine kleine Auswahl hier zu nennen, die nicht gleich abschreckt oder erschlägt. Es sind eher klassische Stücke und es gibt ganz sicher auch neuere Autoren, die schön über die Liebe schreiben, doch hilft es manchmal den großen Abstand zu wählen, um mehr Gefühl dafür zu bekommen, was bleibt und darüber hinaus noch geht, die Koordinaten jenseits der Zeit zu erkennen, in denen sich alle Menschen in einer Sache ähneln, die sich konkret nicht greifen lässt.
Sich verlieben ist bescheuert und wunderschön. Wer die Kontrolle behalten will, dem wird es sehr schwer immer fallen, sich überhaupt zu verlieben, während alle, die sich sofort fallen lassen können, sich auch leicht darin verlieren. Doch weiß ich nicht mal ein Rezept für einen goldenen Mittelweg, als zu versuchen ab und an den Verstand einzuschalten, um halbwegs nüchtern bei all dem Blödsinn noch zu bleiben. Leider oder zum Glück scheitert dieser Versuch meist schon im Ansatz, da wir verliebt nicht mehr klar denken können und wenn wir es vorher zu tun, des wunderbaren Wahnsinns dieses Zustandes total verlustig gehen.
Manchmal hilft mit Abstand darüber schonmal nachgedacht zu haben, sich in der Gefahrensituation, in der wir jeden Verstand verlieren, dessen bewusst zu bleiben, aber wirklich glaube ich auch daran nicht, weil die Liebe, wenn sie mit ihrem Wahnsinn zuschlägt, stärker als alles sein kann und wir schon sehr feste Leitplanken im Leben brauchen, uns vernünftig dagegen zu wehren.
Vielleicht können wir uns auch die Abwehr ersparen, wenn wir uns klar machen, es ist Teil unserer Natur, tut auch gut und nur weil wir, was so unvernünftig erscheint, nicht begreifen, kann es doch eine logische und damit vernünftige Folge unserer Natur sein, die in komplexer Kausalität steht. Es gibt wenig, was mich so demütig macht wie Verliebtheit. Verstehe es nicht ganz, weiß auch nicht, wie ich das je tun sollte, noch, ob ich es je wollte, aber ich nehme es, um des Glücks, was es trotz allem Risiko dabei bescheren kann, mal hin und versuche, zu genießen, was ist. Vielleicht ist das schon alles in der Verliebtheit, was wir wissen können, ich weiß es nicht.
Lukrez und Epikur werden es sicher auch als kritisch betrachtet haben aufgrund der unvernünftigen Extreme, auch wenn es ganz natürlich scheint, macht es nicht dauerhaft glücklich, glänzt dafür aber im ersten Moment desto heller. Es ist immer eine Täuschung, führt häufig daher logisch zur Enttäuschung, bringt einen völlig an die eigenen Grenzen. Dass noch irgendwie zu genießen, ist schon genug eigentlich als Aufgabe für ein Leben scheint mir.
jens tuengerthal 24.12.2016
Wann beginnt die Liebe?
Wir sprechen vom Verlieben, wenn die Liebe noch neu ist und erst anfängt zu wachsen. Es soll ein Anfang sein, wird aber auch gerne nicht so ganz ernst genommen. Dann heißt es, du bist ja nur verliebt, wart erstmal ab, bis ihr euch richtig kennt. Manchmal verlieben wir uns auch in Sachen, die wir unbedingt haben wollen oder gerade bekommen haben.
Verliebt sein enthält alle Zustände, welche die Liebe ausmacht, von den Flugzeugen im Bauch, bis zur Sehnsucht auch mit dem völligen Ausblenden jeder Realität, einem Zustand, der alles wunderbar erscheinen lässt. Verliebte machen lauter unsinnige Sachen, finden alles wunderbar und erleben die Liebe, wie sie uns verzaubern kann, so intensiv wie später nie wieder.
Manchmal bestaunen wir ältere Paare, die noch ganz süß miteinander sind, sagen, die seien ja wie frisch verliebt, finden das eher verwunderlich aber auch schön, weil die zärtliche Liebe und Zuwendung von zwei Menschen einfach schön ist, außer wir haben gerade Liebeskummer, dann erscheint ohnehin die ganze Welt grau und andere Verliebte sind reine Folter für uns.
Wann und womit beginnt das Verlieben?
Habe schon genau darüber nachgedacht, aber keinen immer gültigen Maßstab dafür finden können. Es ist jedesmal anders, auch wenn es sich andererseits in ganz vielem sehr ähnelt. Beim ersten mal denken wir noch, wir würden nie wieder so etwas schönes erleben können in unserem Leben und hängen alles daran. Dann kreist jeder Gedanke um den Geliebten und es ist ein Zustand, als wären wir an einer euphorischen Psychose erkrankt, die zur eben völligen Ausblendung jeder Realität auch bei sonst vernünftigen Menschen führt.
Kann auch kein Muster erkennen, was das verliebt sein immer auslöst. Höchstens bestimmte Folgen in meinem Verhalten an denen ich merke, dass es mich erwischt hat. Kann nicht mal sagen, welche Eigenschaften besonders bei denen überwogen, wo es mich erwischte.
War es die Gelegenheit und taugte für diese jede Frau bei mir?
Glaube nicht, es gibt schon klare Auswahlkriterien, die bei Äußerlichkeiten anfangen, den Geruch beinhalten und beim Intellekt noch nicht enden. Aber auch da sind ganz gegensätzliche Fälle in meinem Leben schon aufgetaucht. Habe mich in Frauen verliebt, die sich nie verstehen würden, nichts miteinander zu tun haben wollten vermutlich, auch wenn die soziale Kompatibilität etwas ist, was mir schon wichtig ist. Etwa, ob es in der Familie passt, ich mich gut unterhalten kann, wir uns über die erste Anziehung verstehen könnten.
Doch all das sind immer Überlegungen, die ich dazu und nebenbei anstelle, um meinem Kopf noch eine gewisse Herrschaft in der Sache zu geben. Dies alles hat nichts mit meinem dann Gefühl zu tun, was sich völlig selbständig zu entwickeln scheint, als führe es ein Eigenleben. So habe ich mich auch schon gegen alle Vernunft in Frauen verliebt, die meine Familie ablehnte, mit denen es nichts als Probleme gab, es eigentlich nirgendwo so richtig passte und dennoch an der Idee vom Traum festgehalten.
Wenn ich mich verliebe, scheint die Vernunft in bestimmten Bereichen wie ausgeschaltet, ich verhalte mich fast zwanghaft und könnte mich fragen, ob eine solche Reaktion noch gesund ist und dem Ziel eines dauerhaften Glücks nicht zuwiderläuft. Vor allem die völlige Ignorierung aller Kriterien der Vernunft bei der Wahl und dem Weg zueinander, die einen wider besseres Wissen immer wieder die gleichen Fehler machen lässt, auch wenn es uns eigentlich dabei bewusst ist, noch zu hoffen, diesmal sei alles anders, weil sie eben die Richtige wäre, mit der nichts falsch sein könnte.
Solange ich verliebt bin, denke ich aber über diesen Zustand und mein Verhalten nicht nach, sondern schwebe wie auf einer rosa Wolke durch die Tage, die sich nur um die eine drehen. Darum verwundert es nicht, dass auf das Verlieben oft ein Zustand großer Ernüchterung folgt, wenn die Vernunft wieder stärker als das nur Gefühl wird. Manche Beziehungen halten dem Stand und verwandeln sich dann in eine ruhige Liebe, die dem gelassenen Glück entspricht. In diesen Fällen sprechen wir dann von großer oder glücklicher Liebe.
Das Wort große Liebe verwenden auch Verliebte gern, um diese Liebe als die größte zu bezeichnen, die sie je hatten, zumindest in der Reihe hervorzuheben, die uns im Leben eben so begegnet, dem eigentlich etwas entrückten Zustand der Verliebten eine reale Bodenhaftung zu geben.
Weiß nicht, ob es weise ist dieses Wort, schnell zu verwenden oder so etwas nicht eher von verliebter Verblendung zeugt, denn wie außer verliebt sollen wir jemanden für die große Liebe halten?
Was wäre ein vernünftigerer Maßstab um die großen von den kleinen Lieben zu unterscheiden und was bleibt im Leben davon?
Könnte das Wort große Liebe an eine bestimmte Länge der Beziehung knüpfen und es nicht vor Ablauf von mindestens einem Jahr verwenden. So etwas macht aber relativ abgebrüht und raubt der Verliebtheit allen Zauber. Wer verliebt ist, will den anderen dann logisch für die große Liebe halten und wenn nicht, scheint etwas beim Gefühl nicht zu stimmen.
Kein Verliebter, auch mit der größten Erfahrung nicht, will die aktuelle Liebe gegenüber den anderen Lieben relativieren. Dennoch vergleicht unsere Natur immer und automatisch, muss dies tun, um eine für uns gesunde Auswahl zu treffen. So funktioniert Evolution eben im kleinen. Daraus wird gerne der Gegensatz von Herz und Verstand konstruiert. Dazwischen liegt das schmale Drahtseil auf dem wir zwischen Glück und Resignation in der Liebe so oft balancieren.
Wann und womit das Verlieben beginnt, weiß ich nicht genau zu sagen. Kenne nur die Symptome und kann sagen, für jeden anderen Zustand würden wir diese pathologisch nennen, was den Wert der Verliebtheit als Glückszustand genauso relativiert wie die gesellschaftliche Beurteilung pathologischer Zustände.
Was ist schon krank, wenn sich Verliebte genau so verhalten?
Wie toll kann Verlieben überhaupt sein, wenn es uns verrückt macht?
In Goethes Werther kann und sollte jeder mal lesen, wohin die extreme Verliebtheit, in die wir uns hinein steigern, führt, noch dazu wo wir verzweifeln und aus diesem Unglück allen Lebensmut verlieren. Werther, der in manchem für Goethe stand, der darin auch eine eigene unglückliche Verliebtheit verarbeitete, gibt sich am Ende die Kugel, weil er nicht mehr kann, jede Hoffnung auf Erfüllung seiner Liebe verloren hat und wer dies absolute Gefühl der Liebe, neben der sich alles weitere Leben relativiert, nicht kennt, hat noch nicht wirklich geliebt, würde ich sagen, auch wenn die Reaktion von Werther übersteigert ist, um dem Briefroman ein dramatisches Theaterende noch zu geben.
Werther ist durchgedreht, würden wir heute sagen, hätte einen guten Therapeuten oder zumindest Pillen gebraucht, um sich nichts anzutun, denn wir sollen ja funktionieren und uns nichts antun, nur um einer einzigen Verliebtheit wegen, deren im Leben noch so viele kommen, wie sich mit Abstand leicht sagen lässt
Dieses Stück des Sturm und Drang hat eine ganze Epoche ausgelöst und später auch viele romantische Dichter und Denker inspiriert, die ihn nicht nur im Äußern nachahmten, sondern sich auch reihenweise umbrachten. Die Mode taucht sogar später wieder bei dem unsympathischen Bendix Grünlich in den Buddenbrooks auft, die etwa 130 Jahre später geschrieben wurden. Der Aufschneider, der ähnlich gekleidet war, sich so gestelzt gab, als er Tonys Vater täuschte und um die Hand seiner Tochter anhielt, die nach anfänglichem Widerstand, da sie den Kerl ja nicht liebe und er widerlich wäre in seiner gestelzten Art und mit seinen goldgelben Favoris, dann doch nachgibt und heiratet, um der Ehre der Familie genüge zu tun, auf die sie so viel hält und sich ein wenig zumindest in ihre Rolle als Braut und Ehefrau verliebt, weil sie es liebt, sich einzurichten, ihre Aussteuer zusammenzustellen und anderes sekundäres, was die fehlende Verliebtheit in ihren künftigen Gatten zu kompensieren, der im Wertherkostüm auf Freiersfüßen beim reichen Kaufmann auftauchte, um mit der Aussteuer noch einmal seine Firma zu retten.
Tony geht eine Vernunftehe ein, die ja statistisch eigentlich länger hielten, was bei ihr nicht der Fall war, da Grünlich ein Betrüger blieb und ihr Vater sie dann wieder vor dem Untergang beschämt retten muss, da er dem richtigen Instinkt seiner Tochter nicht traute, die Kosten dieser Ehe leider abschreiben muss.
Wo ich gerade von Thomas Schwester Tony erzähle, kann ich auch ihre zweite Ehe noch beschreiben, die ebenfalls sehr schnell scheitert, obwohl die Verbindung mit dem Bierbrauer Permaneder aus München doch eher eine Liebesheirat war. Sicher wollte sie auch die Schande ihrer ersten gescheiterten Ehe von sich waschen, wie es eben der Moral der Zeit im 19. Jahrhundert noch entsprach, doch sie war auch fasziniert von diesem Mann und seiner manchmal etwas rauen aber doch ehrlich liebevollen Art. Dass sie ihn dann, was sie kaum auszusprechen wagt, beim Sex mit einer Magd im Treppenhaus erwischt, entsetzt sie so sehr, dass sie sofort mit ihrer Tochter die Flucht aus München ergreift, wo sie nie wirklich heimisch wurde.
Sicher spielt da viel Konvention eine Rolle, die sie das eine wie das andere mal scheitern und unglücklich werden lässt, worauf sie sich lieber um die Ehe ihres Bruders mit ihrer Pensionatsfreundin Gerda, die aus Amsterdam eingeheiratet wird, kümmert, auch wenn diese als Künstlerin ihrer nüchtern hanseatischen Art immer etwas fremd bleibt. Verliebt hatte sich Tony vorher in den Sohn des Lotsenkommandeurs in Travemünde, bei dem sie den Sommer verbrachte und der die revolutionären Ideen der Göttinger Studenten als dort Medizinstudent ihr nahebrachte, die sich sonst eher naiv als Tochter aus gutem Hause wie die Königin der Stadt fühlte. Diese Verliebtheit und was von ihr geschildert wird, ist eine der emotional ergreifendsten Stellen des Familienromans, auch wenn Tony es in ihrer Art wieder munter weiter plätschern lässt, wie auch Thomas Manns Tante Elisabeth Mann, der die Tony naturgetreu nachgebildet wurde, nach kurzer Empörung die Rolle mit Humor nahm und sich von der Familie künftig eben Tony nennen ließ.
Eine andere Verliebtheit, die des Erben und späteren Senators Thomas Buddenbrook, dem Bruder Tonys wird so beendet, wie es sich für einen Kaufmannssohn aus guter Familie gehört und mit der musikalisch leidenschaftlichen Gerda findet er ja auch eine sehr gute Partie, egal wie verliebt oder nicht. Auch die später große Nähe seiner Frau zu dem Leutnant, mit dem sie musiziert, gehört zu den zarten Andeutungen der Verliebtheit in den Buddenbrooks, die nicht nur eine Familie sondern eine ganze Stadt so treffend und scharf malten. Aber im großen und ganzen spielt Verliebtheit dort weniger eine Rolle als die soziale Rolle und die daraus resultiernden Pflichten hinter denen solche Gefühle zurückstehen müssen.
Eine geschiedene Ehe hinter sich zu haben oder nicht, führt heute noch in alten Familien zu zumindest empfunden verschieden starker Zuneigung, gelten diese doch als teilweise gescheitert, so erfolgreich sie auch sonst sind. In meiner Familie waren Scheidungen lange unbekannt, die Brüder meines Vaters waren bis über 60 alle mit derselben Frau verheiratet und folgten damit dem Vorbild der Großeltern. Später gab es dann eine Scheidung in dieser Generation, die aber wohl nur dazu führte, dass die beiden sich inzwischen besser verstehen als zuvor. Dagegen gab es in meiner Generation bereits mehrere Scheidungen. Von den 8 Enkeln meiner Großeltern sind nur noch 3 verheiratet und haben auch nur wenige Kinder bekommen und die aussterbende Familie so fortgesetzt.
Bin davon überzeugt, dass meine Eltern all ihre drei Kinder gleich lieben und nie eines bewusst bevorzugen wollten, sondern immer um Gerechtigkeit bemüht waren. Dennoch ist das Gefühl derjenigen, die nicht verheiratet oder geschieden sind, ein anderes als derer, die eine glückliche Familie haben und dieses Gefühl der Konkurrenz, die eigentlich keiner will, scheint in der Natur der Tradition zu liegen. Wie sich auch Tony ständig geißelte, weil sie doch keine gute Partie gemacht hatte, am Ende übrig blieb, trotz der guten Erziehung auch im Pensionat.
Eine Freundin von mir leidet jedes Jahr an Weihnachten ganz furchtbar, wenn sie mit ihren Eltern und ihrer Schwester feiern muss, ohne einen Mann und noch dazu mit Kind alleinerziehend, während ihre Schwester glücklich verheiratet mit Kindern alles richtig gemacht hat und dies obwohl die Freundin selbständige Ärztin ist, ihr Leben mit Kind alleine vorbildlich meistert, viel mehr schafft als ihre Schwester, stolz auf sich sein könnte. Vermutlich sagen ihre Eltern nichts dergleichen, wie es auch meine nie täten, bei denen ich sogar bezweifle, dass sie sich erlaubten, so etwas auch nur zu denken, weil sie solch eine Benachteiligung nie wollten. Dennoch gibt es dieses starke Gefühl, weniger wert zu sein, was ich zum Glück nur als Idee kenne, bei ihr sehr ausgeprägt und wie sie mir erzählte, leidet sie auch an Kleinigkeiten schon und muss immer aufpassen, nicht in die Luft zu gehen.
So haben manche Zustände wenig mit der Realität um uns, dafür umso mehr mit der in uns zu tun. Dies ähnelt insofern negativ dem Verliebtsein wieder, dessen Anfang ich nicht definieren konnte, während ich hier klar sehe, es geht um die eigene Rolle, in der wir uns nur bedingt wohlfühlen und darum so irrational und bescheuert reagieren, gerne alles anders hätten, aber alles dafür tun, dass sich nichts ändert.
Goethes Sehnsucht nach dem verweilenden Augenblick gehört zur Verliebtheit, die er auch in seinen Sesenheimer Liedern für die Pfarrerstochter Friederike Brion so wundervoll beschrieb und der er sich im Geiste völlig hingab, statt seinem Jurastudium in Straßburg, wie es der Vater wünschte, der ihn irgendwann zurück nach Frankfurt rufen ließ. Zum Abschied dichtete der junge Goethe für Friederike das wunderbare Gedicht Willkommen und Abschied, in dem er mit tränenden Augen Abschied nimmt und die Summe der großen Gefühle der Verliebtheit so wunderbar bedichtete. Mit Gefühl konnte er einfach. Darum hier die Verse aus diesem wunderbaren Liebesgedicht, dass für mich immer noch eines der schönsten deutschen Liebesgedichte überhaupt ist:
Es schlug mein Herz. Geschwind, zu Pferde!
Und fort, wild wie ein Held zur Schlacht.
Der Abend wiegte schon die Erde,
Und an den Bergen hing die Nacht.
Schon stund im Nebelkleid die Eiche
Wie ein getürmter Riese da,
Wo Finsternis aus dem Gesträuche
Mit hundert schwarzen Augen sah.
Der Mond von einem Wolkenhügel
Sah schläfrig aus dem Duft hervor,
Die Winde schwangen leise Flügel,
Umsausten schauerlich mein Ohr.
Die Nacht schuf tausend Ungeheuer,
Doch tausendfacher war mein Mut,
Mein Geist war ein verzehrend Feuer,
Mein ganzes Herz zerfloß in Glut.
Ich sah dich, und die milde Freude
Floß aus dem süßen Blick auf mich.
Ganz war mein Herz an deiner Seite,
Und jeder Atemzug für dich.
Ein rosenfarbnes Frühlingswetter
Lag auf dem lieblichen Gesicht
Und Zärtlichkeit für mich, ihr Götter,
Ich hofft’ es, ich verdient’ es nicht.
Der Abschied, wie bedrängt, wie trübe!
Aus deinen Blicken sprach dein Herz.
In deinen Küssen welche Liebe,
O welche Wonne, welcher Schmerz!
Du gingst, ich stund und sah zur Erden
Und sah dir nach mit nassem Blick.
Und doch, welch Glück, geliebt zu werden,
Und lieben, Götter, welch ein Glück!
Goethe überstand diese Trennung und auch die spätere von derjenigen, die Vorbild der Lotte im Werther war. Indem er darüber schrieb, legte er die großen Gefühle ab und wie dramatisch diese waren, zeigt Werthers Tod am Ende. Zu dieser Zeit, nach seiner Promotion über die Besitzverhältnisse an einem Floh, war Goethe ganz nüchtern Assessor am Reichskammergericht zu Wetzlar, da gab es noch das Heilige Römische Reich Deutscher Nationen.
Was es auslöst, dies seltsame Verlieben, weiß ich auch am Ende der literarischen Ausflüge hier nicht, was es bewirkt, merke ich, wenn es da ist. Obwohl eigentlich nicht mal das wirklich, weil ich in diesem Zustand eher halb bewusstlos immer war, warum von bemerken eigentlich erst hinterher gesprochen werden kann. Wenn ich aber nun nüchtern über die Verliebtheit schreibe, ist es nicht echt, weil diesen Zustand eben nur versteht, wer sich wie unter Drogen darin bewegt.
Denke, wer es verstehen will, muss sich darauf einlassen und es genießen wollen, wie bereit sein, darunter zu leiden, was in aller Regel irgendwann folgt, mögen die selbst behaupteten Ausnahmen mit ihrer Illusion weiter glücklich bleiben.
Literatur und Lyrik nähern sich der Verliebtheit besser als lange Ausführungen es hier können, darum empfehle ich dazu neben Werther und Goethes Sesenheimer Liedern noch Fontanes Effie Briest, Flauberts Madame Bovary, Tolstois Anna Karenina - um nur eine kleine Auswahl hier zu nennen, die nicht gleich abschreckt oder erschlägt. Es sind eher klassische Stücke und es gibt ganz sicher auch neuere Autoren, die schön über die Liebe schreiben, doch hilft es manchmal den großen Abstand zu wählen, um mehr Gefühl dafür zu bekommen, was bleibt und darüber hinaus noch geht, die Koordinaten jenseits der Zeit zu erkennen, in denen sich alle Menschen in einer Sache ähneln, die sich konkret nicht greifen lässt.
Sich verlieben ist bescheuert und wunderschön. Wer die Kontrolle behalten will, dem wird es sehr schwer immer fallen, sich überhaupt zu verlieben, während alle, die sich sofort fallen lassen können, sich auch leicht darin verlieren. Doch weiß ich nicht mal ein Rezept für einen goldenen Mittelweg, als zu versuchen ab und an den Verstand einzuschalten, um halbwegs nüchtern bei all dem Blödsinn noch zu bleiben. Leider oder zum Glück scheitert dieser Versuch meist schon im Ansatz, da wir verliebt nicht mehr klar denken können und wenn wir es vorher zu tun, des wunderbaren Wahnsinns dieses Zustandes total verlustig gehen.
Manchmal hilft mit Abstand darüber schonmal nachgedacht zu haben, sich in der Gefahrensituation, in der wir jeden Verstand verlieren, dessen bewusst zu bleiben, aber wirklich glaube ich auch daran nicht, weil die Liebe, wenn sie mit ihrem Wahnsinn zuschlägt, stärker als alles sein kann und wir schon sehr feste Leitplanken im Leben brauchen, uns vernünftig dagegen zu wehren.
Vielleicht können wir uns auch die Abwehr ersparen, wenn wir uns klar machen, es ist Teil unserer Natur, tut auch gut und nur weil wir, was so unvernünftig erscheint, nicht begreifen, kann es doch eine logische und damit vernünftige Folge unserer Natur sein, die in komplexer Kausalität steht. Es gibt wenig, was mich so demütig macht wie Verliebtheit. Verstehe es nicht ganz, weiß auch nicht, wie ich das je tun sollte, noch, ob ich es je wollte, aber ich nehme es, um des Glücks, was es trotz allem Risiko dabei bescheren kann, mal hin und versuche, zu genießen, was ist. Vielleicht ist das schon alles in der Verliebtheit, was wir wissen können, ich weiß es nicht.
Lukrez und Epikur werden es sicher auch als kritisch betrachtet haben aufgrund der unvernünftigen Extreme, auch wenn es ganz natürlich scheint, macht es nicht dauerhaft glücklich, glänzt dafür aber im ersten Moment desto heller. Es ist immer eine Täuschung, führt häufig daher logisch zur Enttäuschung, bringt einen völlig an die eigenen Grenzen. Dass noch irgendwie zu genießen, ist schon genug eigentlich als Aufgabe für ein Leben scheint mir.
jens tuengerthal 24.12.2016
Freitag, 23. Dezember 2016
Gretasophie 004
004 Von der Liebe
Ob Liebe vernünftig ist - von Glück und Unglück
Die Liebe ist ein großes Kapitel im Leben, wir lernen sie von den Eltern kennen, manchmal auch zwischen diesen noch und irgendwann lernen sie von ganz neuen Seiten kennen. Sie ist das stärkste Gefühl der Zuneigung, das ein Mensch, dem anderen entgegen bringen kann. Das Gefühl kann dabei unabhängig davon entstehen, ob es erwidert wird oder nicht.
Wir unterscheiden die Liebe in der Familie, zu Eltern oder Geschwistern, die als ganz natürlich gilt, auch wenn sie manchmal schwierig ist, gerade beim erwachsenwerden, von der geistigen Verwandtschaft zu Freunden oder Partnern und schließlich noch von der körperlichen Anziehung, die Eros genannt wird.
Das körperliche Begehren ist eng mit Sex verbunden, der aber auch nicht ausgelebt werden muss, was die Leidenschaft noch erhöhen kann, etwa in einer platonischen Liebe. Manche trennen Liebe und Sex voneinander, was die Beziehungen zueinander oft noch komplizierter macht.
Liebe ist auch kulturgeschichtlich ein ziemlich schillernder Begriff, der in vielfältiger Bedeutung verwandt wird. Auch durch die Zeiten und verschiedenen Kulturen und Gegenden wird der Begriff, den alle Menschen kennen, unterschiedlich verwendet. Die einen betonen mehr das sinnliche Element, andere stärker die geistige Eben und dabei wird wiederum zwischen der eher emotionalen und der ethischen Liebe als Grundhaltung unterschieden.
So spannend wie die vielseitige Verwendung des Begriffes Liebe ist auch sein Gegenteil, was dies ist, sind sich die Menschen auch relativ uneinig. Einige meinen das Gegenteil von Liebe sei Hass. Andere sind sich sicher, dass Gleichgültigkeit im zwischenmenschlichen das Gegenteil von Liebe ist. Die völlige Abwesenheit von Liebe kann bei Kindern zu Krankheiten wie dem Hospitalismus führen.
Ob Eifersucht oder Besitzdenken und Hörigkeit das Gegenteil von Liebe sind oder nur irgendwie ungesunde Fehlentwicklungen infolge der Liebe ist strittig. Die zur Eifersucht neigen, nennen diese zumindest in einem gewissen Rahmen normal und gesund als Ausdruck von Gefühl, das damit erst spürbar werde. Andere, wie ich etwa, halten Eifersucht immer für das Gegenteil von Liebe, weil sie nicht mehr selbstlos gönnen will sondern den anderen besitzen möchte.
Eifersucht lernt jeder schon als Kind irgendwann kennen. Es scheint auch natürliche Teile zu haben, ist von der Angst des Verlustes getrieben und wird gerne auch irgendwie vernünftig begründet, zumindest mit Vergleichen wie etwa andere Männer oder Frauen würden auf das gleiche viel weniger tolerant reagieren, was dem Gefühl der Angst und Missgunst scheinbar vernünftige Gründe aus dem Vergleich geben soll.
Bevor ich nun weiter frage, ob die Eifersucht je vernünftig oder begründet sein kann, was ich grundsätzlich bezweifle, um der Freiheit der Liebe willen, würde ich mir gern erstmal darüber klar werden, ob die Liebe überhaupt vernünftig ist oder immer nur ein irrationales Gefühl ist.
Insofern Kinder, die ohne Liebe aufwachsen und Menschen, die ohne Liebe leben, darum zu psychischen Krankheiten neigen, spricht einiges für eine ganz natürliche Neigung, der zu folgen uns gut tut, was also erstmal vernünftig wäre.
Ob allerdings das, was wir, auch über die Elternliebe hinaus, Liebe nennen, vernünftig beginnt im Sinne der Natur als Ergebnis von im Kausalzusammenhang stehenden Ereignissen, scheint dagegen wiederum sehr fraglich. Wenn wir von Liebe reden, geht es um ein Gefühl, was scheinbar keine rationalen Ursachen braucht, sondern einem tiefen inneren Bedürfnis folgt.
Aber ist es wirklich so, wie uns die Mischung aus Hormonen und Gedanken vorgauckelt?
Was zwei Menschen verbindet und warum sie von Liebe reden, hat verschiedene Ursachen aus ganz unterschiedlichen hochkomplexen Bereichen, wenn wir sie von Seiten der Wissenschaft, also vernünftig betrachten.
Zum einen lösen bestimmte Begegnungen eine besondere Folge von hormonellen Reaktionen aus, die zu dem Gefühl beitragen und dazu führen, dass wir uns verliebt oder liebend so glücklich fühlen, ganz besondere Kräfte entwickeln um zueinander zu finden.
Zum anderen hat die Liebe wissenschaftlich betrachtet auch oft eine Vielzahl von sozialen Gründen, die eine Bindung für uns attraktiv erscheinen lassen, uns Nähe fühlen, aufgrund geteilten Hintergrundes oder auch im Gegenteil mal das Fremde anziehend finden lassen.
Erziehung, Bildung, soziale Stellung, Gewohnheiten und Vorlieben mischen sich dann mit den Hormonen zu einem Gemisch, dessen Ursachen wir meist nicht mehr ganz klar logisch erkennen können. Es passt dann einfach, sagen wir, aus dem Gefühl, auch wenn dieses sich wiederum aus einer Summe von Gründen zusammensetzt, immer noch also vernünftig eigentlich sein können.
Im Bereich der Liebe hat die Vernunft einen schlechten Ruf. Eine Vernunftehe gilt heute als viel weniger wert als eine Liebesheirat, der langes Glück gewünscht wird. Vielleicht braucht die Liebe ein irrational erhofftes Glück, wenn sie auf einer unvernünftigen Basis stünde. Betrachten wir uns die Haltbarkeit, sind engagierte Ehen deutlich stabiler als die heutigen Liebesheiraten aus irrational vermuteten Gründen. Ob dies eher am Gefühl oder den sozialen Zwängen lag, wäre noch eine andere Frage, die hier aber gerade mal ist.
Aber ist es wirklich so wie der Volksmund und die Romantik sagen oder hat jede Liebe ihren Grund in einer Summe kausaler Vorgänge?
Dafür spricht, dass die Liebe Teil unserer Natur zu sein scheint und nichts in der Natur ohne einen solchen passiert, auch wenn wir die Zusammenhänge als zu komplex manchmal nicht begreifen und dann Zufall nennen. Den Zufall finden wir in der Natur vom Kleinsten, etwa dem Welleteilchendualismmus auf subatomarer Ebene, bis zum Größten, der Entstehung des Universums und woher die Energie dazu wiederum kam, da Energie ja bekanntlich nicht verloren geht. Auch in der Evolution des Menschen erkennen wir dies immer wieder, dort wo es Veränderungen gab und was sich durchsetzte und so stellt sich die Frage, ob wir auch in der Liebe nur unserem evolutionären Bauplan in den Trieben folgen oder eine eigene neue geistige Veränderung darin schaffen.
Setzen wir die Gründe der Liebe selbst oder sind sie in uns angelegt?
Warum haben wir manchmal Flugzeuge im Bauch und sind vom gleichen Verhalten ein anderes mal genervt bis zur Übersättigung, die wir dann Stalking nennen?
So kann die einseitige Liebe, wenn sie sich unbedingt erklären und um den anderen ringen will, schon zur Straftat werden, wenn dieser es ausdrücklich nicht will, während in anderen Fällen das gleiche genauso bescheuerte Verhalten zum romantischen Glück führt.
Einmal ist der Typ total süß, beim anderen fürchtet sie sich vor dem gleichen Verhalten und empfindet es als Belästigung, weil zwischen den beiden scheinbar die Chemie nicht stimmt.
Manchmal ist es das richtige Wort im rechten Moment, das ein Gefühl auslöst, was danach alles öffnet, von völliger Hingabe bis zu tiefer Liebe, noch bevor sich zwei überhaupt gesehen haben, können sie sich dann sicher sein, weil sie sich innig fühlen und verstehen, ohne dass es bis dahin auf die Chemie angekommen wäre, fühlen sie sich dessen sicher.
Solches passiert etwa bei Romanzen im virtuellen Raum, die sich in die Worte oder bloße Bilder des anderen verlieben. Manchmal gibt es vorher noch Telefonate, die dann schon entweder ernüchtern und relativieren, was die Traumwelt der Worte im Geist schuf oder diese noch lustvoll verstärken. Es gibt sogar die totale Hingabe an die verbale Leidenschaft vor der ersten Begegnung, die bis zum Höhepunkt geschrieben oder geredet wird, ohne dass sich die beiden bis dahin schon berührten oder riechen konnten.
Manchmal folgt die Ernüchterung bei der Begegnung, wenn sich zwei überraschend nicht riechen oder schmecken können, es ihnen, wie wir dann gerne sagen, komisch vorkommt. Dann erfüllt sich der Traum der Worte nicht und wir gehen wieder auf dem Boden der Tatsachen sodann getrennte Wege. Gut, wenn es beiden so geht, schlecht, wenn eine Seite darunter leiden muss.
Doch es findet sich auch gelegentlich die Liebe aus den nur Worten in der Realität wieder und wenn sie genug geschrieben haben, glauben sie auch, sich längst ganz nah zu sein. Dann ist eine solche Begegnung mit wieviel Lust auch immer, wie ein Wiedersehen und findet schnell lustvolle Erfüllung oder stolpert zumindest recht bald in die Richtung, die wir Liebe nennen.
So kann also, was wir Liebe nennen, durchaus ohne jede Chemie nur im Kopf beginnen, wobei es relativ hoffnungslos ist, sich gegen seine eigene Natur aufzulehnen. Kann mich daran erinnern, wie ich mit einer schon schönste Pläne schmiedete, alles wunderbar mir erschien und als ich ihren Schoss küsste, plötzlich Ekel empfand. Die Natur mir deutliche Signale sendete, auch wenn ich sie nicht hören wollte.
Nun könnt ich zwar auf dieses Detail des nur Eros verzichten, in dem ich sie nicht dort küsste, wenn der Rest stimmte, bedenke ich, dass diese Form der Lust sogar in einigen Bundesstaaten der USA gesetzlich verboten ist, doch schiene mir das wie eine Flucht vor der eigenen Natur. Darum ist es für mich eher der natürliche Maßstab, ob es passt.
Weiß zwar nicht, warum ich die eine gut riechen kann und die anderen nicht, was nicht nur mit dem Zeitpunkt im Zyklus zusammenhängt, sondern einfach in der Natur zu liegen scheint, da ich die Frauen, die ich liebte und mit denen ich glücklich war eigentlich immer gut riechen und schmecken konnte, während es mit den anderen nie etwas wurde.
Kannte mal eine Barkeeperin, nicht näher körperlich aber aus sehr persönlichen Gesprächen doch nahe und sie schwor auf den Geruch und die instinktive Leidenschaft, meinte zu einem Date benutze sie am liebsten keinen Deo oder Parfum, um ein Gefühl für die Chemie zu bekommen. Wenn sie leidenschaftlich liebe, stinke ihr Liebster ihr nicht mal völlig verschwitzt. Sie kam ursprünglich vom Bauernhof auf einer Insel und war ländlich, natürlich aufgewachsen, bis sie eine Karriere bei Film und Theater für eine Zeit startete.
Sie wusste, was sie wolle und was ihr dabei wichtig war, was zumindest leidenschaftlich schönen Sex erhoffen ließe, dachte ich - aber ich dachte es nur, bei uns war die Chemie wohl ihrerseits nicht so und ich kann auch nicht behaupten, dass ich es unbedingt gewollt und mich darum bemüht hätte.
So scheinen manche Dinge nach der Natur zu laufen und den Regeln der Chemie zu folgen, wie etwa die Auslösung der Lust beim Sex durch Duftstoffe, während andere ein rein geistiger Prozess sind, der allein durch Worte Erregung bis zur Befriedigung auslösen kann, selbst wenn dann noch mal kurz Hand angelegt werden sollte, wie es die Natur verlangt, ist die Lust dazu allein im Kopf oft entstanden.
Was im Kopf an Gefühl entsteht, also Produkt unserer Phantasie ist, kann aber im Körper die gleichen Hormone freisetzen, schon wie die erste Begegnung oder Berührung uns elektrisieren, wie wir sagen, um die sinnliche Spannung auszudrücken, die zwischen zweien entsteht.
Weiß nicht, was überwiegt und denke, es kann auch mal das eine, dann wieder das andere sein, ohne dass dies darum einer festen Regel folgte. Optimal ist es, wenn beides zusammenkommt und in einem ausgewogenen Verhältnis steht, mit dem wir uns wohl fühlen. Doch klingt so etwas schon wieder nach einer Vernunftehe und wirkt emotional eher abschreckend.
Was uns auf die ewige Dialektik in der Liebe bringt, dies dauernde Hin und Her zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt, dass manche scheinbar zum Genuß ihres Glücks brauchen. Auch wenn ich jetzt also irgendwie ableiten könnte, dass die Liebe natürlich vernünftig sei, käme ich vermutlich bald wieder zu dem Schluss, dies sei doch in der Realität völlig egal, weil es uns aufgrund seiner Komplexität immer nur in Einzelteilen bewusst ist, die dann unser Gefühl begründen.
Dazu kommt noch, dass die Liebe gar keinen Grund braucht. Sie ist einfach und macht dann glücklich oder nicht. Erich Fried schrieb in seinem wunderbaren Gedicht, Es ist was es ist, was es mit der Liebe auf sich hat und traf es auf den Punkt für viele, die sich dort verstanden fühlten, es ist, was es ist.
Sie mag also vernünftig und unvernünftig zugleich vielleicht auch sein, weil das ihrem Wesen eben entspricht, wie eine doppelköpfige Hydra, die uns infolge auch mal nach der einen, dann wieder nach der anderen Seite treibt, uns so glücklich macht, wie nichts sonst im Leben und zugleich unglücklicher als alles, jeglichen Lebensmut raubt, wie es Goethe in seinem Werther so wunderbar tragisch beschrieb.
Die Liebe kann alles, was sie will. Sie überwindet jede Grenze und alle Angst, kann zu völligem Glück führen, in dem wir meinen nichts könne mehr schöner sein je und denken, wie auch der olle Goethe einst dichtete, oh Augenblick, du bist so schön, verweile doch.
Wenn alles Natur ist und alle Natur logisch und vernünftig funktioniert, eben natürlich, wird die Liebe auch so sein. Doch besonders Frauen leugnen dies mit großer Leidenschaft und wenn du mit ihnen auf einen Nenner kommen willst, sind die fast dadaistisch schlichten Worte Frieds ein gutes Mittel dazu, ohne sich gegen alle Vernunft verbiegen zu müssen und Lyrik ist wie alle Minne in der Liebe immer ein probates Ziel von der Werbung zur Erfüllung zu gelangen.
Aber auch ich, für den es nichts außer der Natur gibt, keine höheren Wesen, kein Leben nach dem Tod oder vor der Befruchtung der Eizelle, ab wann immer wir es dann auch Mensch schon nennen, halte es für weiser, es lieber den Frauen, die es austragen ihrer Natur nach zu überlassen, wann es leben soll, betrachte die Liebe und insbesondere im Verhältnis zu Frauen als etwas völlig irrationales, dem ich mich mit den Mitteln des Verstandes nur beschränkt nähern kann.
Ob vernünftige Leidenschaft immer maßvoll sein muss, wie Montaigne es für die Ehe eher fordert, warum er beiden vorschlägt, die falls vorhandenen Leidenschaften lieber anderweitig auszuleben, weiß ich nicht so genau. Sicher ist aber, dass große Leidenschaft, wie es schon das Wort Leiden verrät, auch häufig zum Unglück führt und manch unschönes mit sich bringen kann. Wir sind in voller Leidenschaft fern der ausgeglichenen Gelassenheit, wie sie schon Epikur als Ideal vorschwebte, obwohl für ihn das Streben nach der Lust zu unserer Natur gehörte. Montaigne mit seinem vermutlich für die Renaissance typischen Bild von der Ehe geht es auch um die Gelassenheit, die der ebenfalls Verehrer des Lukrez teilweise auch in der römischen Stoa fand.
Eigentlich besteht eher ein Gegensatz zwischen Epikuräern und Stoikern, der von der Kirche, die in Opposition zu den atheistischen und streng rationalen aber freien Genussmenschen stand, als die sie die Epikuräer sah, besonders betont wurde, auch weil es den Epikureern mehr um die Lust als um die Pflicht ging, während die katholische Kirche unfreie und gehorsame Christen erziehen wollte, warum sie irgendwann von machtbewussten Kaisern als gut kompatibel integriert wurde, auch wenn das ein wichtiger Schritt zum Untergang Roms wohl war, dass sich auch einfach überlebt hatte, aber mancher Gegensatz hebt sich auf und der Weise lebt eklektizistisch, pickt sich also die Rosinen heraus, die ihm gerade gefallen, ohne sich darum zum Ganzen verpflichtet zu fühlen und doch nichts sucht als eben Lust im Leben.
Auch wenn der Satz eben etwas lang geriet, durch die kleinen historischen Ausflüge, bleibt davon entscheidend die Gelassenheit, sich an Gedanken zu nehmen, was gefällt, ohne dogmatisch einer Schule folgen zu müssen. Es soll die Lust mehren und keine anderen Ansprüche befriedigen, was auch die stoischen Gedanken wieder epikureisch nutzbar macht. Dies führt uns auch in die Gegenwart, in der wir wohl in einer postideologischen Zeit leben. Die großen Ideologien haben sich nahezu überall erledigt und jeder versucht irgendwie am Markt zu überleben, um es sich so gut wie möglich gehen zu lassen, was keinen festen Rahmen braucht sondern immer wieder flexible Antworten sucht.
Nun fragt sich am Ende des ersten Teils zur Liebe, wie es mit der Eifersucht ist, ob sie natürlich oder krank vom Grundsatz her bleibt und was an ihr vernünftig sein kann. Der Teil fand keine Antwort auf die Frage, ob die Liebe vernünftig ist, sie ist es natürlich immer auch, aber sie wäre eben auch nicht, wenn sie nicht völlig irrational zugleich uns vorkäme und so nehmen wir sie, wie es gerade kommt, in beiden Teilen als natürlich und alle Natur ist immer auch vernünftig.
Eifersucht als Besitzdenken steht im klaren Gegensatz zur Natur der Liebe, die dem anderen gut will und sich verschenken möchte am liebsten, weil sie eben Ausdruck tiefer Zuneigung ist und nicht der Angst zu kurz zu kommen. Von daher hat Eifersucht logisch nichts mit Liebe zu tun, wer sie empfindet, sollte sich lieber fragen, was er oder sie überhaupt will und wohin es führen soll.
Wenn es einen Grund für die Eifersucht gibt, ist es müßig, auf Treue laut zu pochen, weil diese nie eine Pflicht sein darf, sondern immer nur wenn gewollt und gefühlt einen Wert hat, als Gehorsam aber nur der Anfang des Krieges und das logische Gegenteil der Liebe ist.
Das ist ganz einfach, dazu braucht es keine weiteren Ausflüge in den Bereich der Moral. Wenn die Liebe echt und natürlich sein soll, vergessen wir besser vorher alle moralischen Grenzen, weil die Liebe immer Freiheit braucht, um zu sein. Nur wer gänzlich frei ist, kann sich verschenken, während wer einer Moral oder Konventionen folgt, unfrei ist und so also nicht wirklich lieben kann.
Wenn sie keinen Grund hat, wie meistens, weil es keinen Grund gibt, der dazu berechtigte, warum schon die Behauptung ein Witz ist, hier aber den üblichen Sprachschemen des Alltags folgt, ist sie ohnehin eine Belästigung der Liebe durch kleinliches Besitzdenken, bei der sich fragt, was die Eifersüchtigen damit erreichen wollen, da sie das Ziel ihrer Gefühle durch die Eifersucht bereits von der Liebe entfernt haben.
Es gibt also keinen vernünftigen Grund für Eifersucht. Wenn meine Partnerin einen anderen Mann mehr begehrt als mich oder überhaupt begehrt, was ich aber völlig natürlich fände und für sie hoffen will, weil alles andere verlogener Mist ist, der nur im Knast der Eifersuchtshölle enden kann, dann frage ich mich eher, was kann ich tun, um ihre Lust mit mir zu erhöhen, wenn ich es erfahren sollte. Ehrlich gesagt, möchte ich so etwas eigentlich am liebsten gar nicht wissen, um mir gar keine Gedanken darüber machen zu müssen, die vielleicht zu Angst und Eifersucht führten, weil so vernünftig der Mensch auch sein mag, so unsinnig regiert die Natur manchmal doch die Gedanken.
Es soll jeder tun, wonach ihm ist. Würde nie nachfragen bei meiner Partnerin, weil ich es nicht wissen will. Erfahre ich es, wäre es mein Bemühen, unsere Beziehung zu verbessern, damit wir noch irgendeine Perspektive wieder finden, die gemeinsame Lust neu zu wecken.
Wer liebt ist dennoch Mensch mit seiner Natur, gegen die keiner leben soll. Es wäre für mich die Pflicht des einen, es so dezent wie möglich zu gestalten, wenn das Bedürfnis eben da ist und die des anderen nicht weiter zu fragen.
Dann ist eine wunderbare Liebe und ein glückliches Zusammensein von Mann und Frau möglich. Alles andere aber ist der Mühe nicht weiter wert aus meiner Sicht, warum dennoch viele, viele Paare es anders und völlig unfrei leben, verstehe ich nicht. Werde mich nie auf so etwas einlassen, weder Treue schwören noch sie verlangen, nur alles dafür tun, so glücklich miteinander zu sein und es so zu genießen, dass es nichts sonst für uns braucht.
Wer wär ich je über einen anderen zu richten, noch dazu, wo ich diesen Menschen zu lieben vorgebe?
Eifersucht bleibt für mich der Tod der Liebe, wo sie auftritt, können beide es lieber lassen und neue Formen des Miteinanders finden, weil es nicht mehr um Liebe sondern um Besitz geht. Fragen des Besitzes regelt das Bürgerliche Gesetzbuch, in dem auch passend die Ehe geregelt ist. Den Besitz sollten wir aber nicht mit Gefühl verteidigen. Es verleugnet nur die Liebe, die frei von allem und über allem ist, wenn sie ist.
jens tuengerthal 23.12.2016
Ob Liebe vernünftig ist - von Glück und Unglück
Die Liebe ist ein großes Kapitel im Leben, wir lernen sie von den Eltern kennen, manchmal auch zwischen diesen noch und irgendwann lernen sie von ganz neuen Seiten kennen. Sie ist das stärkste Gefühl der Zuneigung, das ein Mensch, dem anderen entgegen bringen kann. Das Gefühl kann dabei unabhängig davon entstehen, ob es erwidert wird oder nicht.
Wir unterscheiden die Liebe in der Familie, zu Eltern oder Geschwistern, die als ganz natürlich gilt, auch wenn sie manchmal schwierig ist, gerade beim erwachsenwerden, von der geistigen Verwandtschaft zu Freunden oder Partnern und schließlich noch von der körperlichen Anziehung, die Eros genannt wird.
Das körperliche Begehren ist eng mit Sex verbunden, der aber auch nicht ausgelebt werden muss, was die Leidenschaft noch erhöhen kann, etwa in einer platonischen Liebe. Manche trennen Liebe und Sex voneinander, was die Beziehungen zueinander oft noch komplizierter macht.
Liebe ist auch kulturgeschichtlich ein ziemlich schillernder Begriff, der in vielfältiger Bedeutung verwandt wird. Auch durch die Zeiten und verschiedenen Kulturen und Gegenden wird der Begriff, den alle Menschen kennen, unterschiedlich verwendet. Die einen betonen mehr das sinnliche Element, andere stärker die geistige Eben und dabei wird wiederum zwischen der eher emotionalen und der ethischen Liebe als Grundhaltung unterschieden.
So spannend wie die vielseitige Verwendung des Begriffes Liebe ist auch sein Gegenteil, was dies ist, sind sich die Menschen auch relativ uneinig. Einige meinen das Gegenteil von Liebe sei Hass. Andere sind sich sicher, dass Gleichgültigkeit im zwischenmenschlichen das Gegenteil von Liebe ist. Die völlige Abwesenheit von Liebe kann bei Kindern zu Krankheiten wie dem Hospitalismus führen.
Ob Eifersucht oder Besitzdenken und Hörigkeit das Gegenteil von Liebe sind oder nur irgendwie ungesunde Fehlentwicklungen infolge der Liebe ist strittig. Die zur Eifersucht neigen, nennen diese zumindest in einem gewissen Rahmen normal und gesund als Ausdruck von Gefühl, das damit erst spürbar werde. Andere, wie ich etwa, halten Eifersucht immer für das Gegenteil von Liebe, weil sie nicht mehr selbstlos gönnen will sondern den anderen besitzen möchte.
Eifersucht lernt jeder schon als Kind irgendwann kennen. Es scheint auch natürliche Teile zu haben, ist von der Angst des Verlustes getrieben und wird gerne auch irgendwie vernünftig begründet, zumindest mit Vergleichen wie etwa andere Männer oder Frauen würden auf das gleiche viel weniger tolerant reagieren, was dem Gefühl der Angst und Missgunst scheinbar vernünftige Gründe aus dem Vergleich geben soll.
Bevor ich nun weiter frage, ob die Eifersucht je vernünftig oder begründet sein kann, was ich grundsätzlich bezweifle, um der Freiheit der Liebe willen, würde ich mir gern erstmal darüber klar werden, ob die Liebe überhaupt vernünftig ist oder immer nur ein irrationales Gefühl ist.
Insofern Kinder, die ohne Liebe aufwachsen und Menschen, die ohne Liebe leben, darum zu psychischen Krankheiten neigen, spricht einiges für eine ganz natürliche Neigung, der zu folgen uns gut tut, was also erstmal vernünftig wäre.
Ob allerdings das, was wir, auch über die Elternliebe hinaus, Liebe nennen, vernünftig beginnt im Sinne der Natur als Ergebnis von im Kausalzusammenhang stehenden Ereignissen, scheint dagegen wiederum sehr fraglich. Wenn wir von Liebe reden, geht es um ein Gefühl, was scheinbar keine rationalen Ursachen braucht, sondern einem tiefen inneren Bedürfnis folgt.
Aber ist es wirklich so, wie uns die Mischung aus Hormonen und Gedanken vorgauckelt?
Was zwei Menschen verbindet und warum sie von Liebe reden, hat verschiedene Ursachen aus ganz unterschiedlichen hochkomplexen Bereichen, wenn wir sie von Seiten der Wissenschaft, also vernünftig betrachten.
Zum einen lösen bestimmte Begegnungen eine besondere Folge von hormonellen Reaktionen aus, die zu dem Gefühl beitragen und dazu führen, dass wir uns verliebt oder liebend so glücklich fühlen, ganz besondere Kräfte entwickeln um zueinander zu finden.
Zum anderen hat die Liebe wissenschaftlich betrachtet auch oft eine Vielzahl von sozialen Gründen, die eine Bindung für uns attraktiv erscheinen lassen, uns Nähe fühlen, aufgrund geteilten Hintergrundes oder auch im Gegenteil mal das Fremde anziehend finden lassen.
Erziehung, Bildung, soziale Stellung, Gewohnheiten und Vorlieben mischen sich dann mit den Hormonen zu einem Gemisch, dessen Ursachen wir meist nicht mehr ganz klar logisch erkennen können. Es passt dann einfach, sagen wir, aus dem Gefühl, auch wenn dieses sich wiederum aus einer Summe von Gründen zusammensetzt, immer noch also vernünftig eigentlich sein können.
Im Bereich der Liebe hat die Vernunft einen schlechten Ruf. Eine Vernunftehe gilt heute als viel weniger wert als eine Liebesheirat, der langes Glück gewünscht wird. Vielleicht braucht die Liebe ein irrational erhofftes Glück, wenn sie auf einer unvernünftigen Basis stünde. Betrachten wir uns die Haltbarkeit, sind engagierte Ehen deutlich stabiler als die heutigen Liebesheiraten aus irrational vermuteten Gründen. Ob dies eher am Gefühl oder den sozialen Zwängen lag, wäre noch eine andere Frage, die hier aber gerade mal ist.
Aber ist es wirklich so wie der Volksmund und die Romantik sagen oder hat jede Liebe ihren Grund in einer Summe kausaler Vorgänge?
Dafür spricht, dass die Liebe Teil unserer Natur zu sein scheint und nichts in der Natur ohne einen solchen passiert, auch wenn wir die Zusammenhänge als zu komplex manchmal nicht begreifen und dann Zufall nennen. Den Zufall finden wir in der Natur vom Kleinsten, etwa dem Welleteilchendualismmus auf subatomarer Ebene, bis zum Größten, der Entstehung des Universums und woher die Energie dazu wiederum kam, da Energie ja bekanntlich nicht verloren geht. Auch in der Evolution des Menschen erkennen wir dies immer wieder, dort wo es Veränderungen gab und was sich durchsetzte und so stellt sich die Frage, ob wir auch in der Liebe nur unserem evolutionären Bauplan in den Trieben folgen oder eine eigene neue geistige Veränderung darin schaffen.
Setzen wir die Gründe der Liebe selbst oder sind sie in uns angelegt?
Warum haben wir manchmal Flugzeuge im Bauch und sind vom gleichen Verhalten ein anderes mal genervt bis zur Übersättigung, die wir dann Stalking nennen?
So kann die einseitige Liebe, wenn sie sich unbedingt erklären und um den anderen ringen will, schon zur Straftat werden, wenn dieser es ausdrücklich nicht will, während in anderen Fällen das gleiche genauso bescheuerte Verhalten zum romantischen Glück führt.
Einmal ist der Typ total süß, beim anderen fürchtet sie sich vor dem gleichen Verhalten und empfindet es als Belästigung, weil zwischen den beiden scheinbar die Chemie nicht stimmt.
Manchmal ist es das richtige Wort im rechten Moment, das ein Gefühl auslöst, was danach alles öffnet, von völliger Hingabe bis zu tiefer Liebe, noch bevor sich zwei überhaupt gesehen haben, können sie sich dann sicher sein, weil sie sich innig fühlen und verstehen, ohne dass es bis dahin auf die Chemie angekommen wäre, fühlen sie sich dessen sicher.
Solches passiert etwa bei Romanzen im virtuellen Raum, die sich in die Worte oder bloße Bilder des anderen verlieben. Manchmal gibt es vorher noch Telefonate, die dann schon entweder ernüchtern und relativieren, was die Traumwelt der Worte im Geist schuf oder diese noch lustvoll verstärken. Es gibt sogar die totale Hingabe an die verbale Leidenschaft vor der ersten Begegnung, die bis zum Höhepunkt geschrieben oder geredet wird, ohne dass sich die beiden bis dahin schon berührten oder riechen konnten.
Manchmal folgt die Ernüchterung bei der Begegnung, wenn sich zwei überraschend nicht riechen oder schmecken können, es ihnen, wie wir dann gerne sagen, komisch vorkommt. Dann erfüllt sich der Traum der Worte nicht und wir gehen wieder auf dem Boden der Tatsachen sodann getrennte Wege. Gut, wenn es beiden so geht, schlecht, wenn eine Seite darunter leiden muss.
Doch es findet sich auch gelegentlich die Liebe aus den nur Worten in der Realität wieder und wenn sie genug geschrieben haben, glauben sie auch, sich längst ganz nah zu sein. Dann ist eine solche Begegnung mit wieviel Lust auch immer, wie ein Wiedersehen und findet schnell lustvolle Erfüllung oder stolpert zumindest recht bald in die Richtung, die wir Liebe nennen.
So kann also, was wir Liebe nennen, durchaus ohne jede Chemie nur im Kopf beginnen, wobei es relativ hoffnungslos ist, sich gegen seine eigene Natur aufzulehnen. Kann mich daran erinnern, wie ich mit einer schon schönste Pläne schmiedete, alles wunderbar mir erschien und als ich ihren Schoss küsste, plötzlich Ekel empfand. Die Natur mir deutliche Signale sendete, auch wenn ich sie nicht hören wollte.
Nun könnt ich zwar auf dieses Detail des nur Eros verzichten, in dem ich sie nicht dort küsste, wenn der Rest stimmte, bedenke ich, dass diese Form der Lust sogar in einigen Bundesstaaten der USA gesetzlich verboten ist, doch schiene mir das wie eine Flucht vor der eigenen Natur. Darum ist es für mich eher der natürliche Maßstab, ob es passt.
Weiß zwar nicht, warum ich die eine gut riechen kann und die anderen nicht, was nicht nur mit dem Zeitpunkt im Zyklus zusammenhängt, sondern einfach in der Natur zu liegen scheint, da ich die Frauen, die ich liebte und mit denen ich glücklich war eigentlich immer gut riechen und schmecken konnte, während es mit den anderen nie etwas wurde.
Kannte mal eine Barkeeperin, nicht näher körperlich aber aus sehr persönlichen Gesprächen doch nahe und sie schwor auf den Geruch und die instinktive Leidenschaft, meinte zu einem Date benutze sie am liebsten keinen Deo oder Parfum, um ein Gefühl für die Chemie zu bekommen. Wenn sie leidenschaftlich liebe, stinke ihr Liebster ihr nicht mal völlig verschwitzt. Sie kam ursprünglich vom Bauernhof auf einer Insel und war ländlich, natürlich aufgewachsen, bis sie eine Karriere bei Film und Theater für eine Zeit startete.
Sie wusste, was sie wolle und was ihr dabei wichtig war, was zumindest leidenschaftlich schönen Sex erhoffen ließe, dachte ich - aber ich dachte es nur, bei uns war die Chemie wohl ihrerseits nicht so und ich kann auch nicht behaupten, dass ich es unbedingt gewollt und mich darum bemüht hätte.
So scheinen manche Dinge nach der Natur zu laufen und den Regeln der Chemie zu folgen, wie etwa die Auslösung der Lust beim Sex durch Duftstoffe, während andere ein rein geistiger Prozess sind, der allein durch Worte Erregung bis zur Befriedigung auslösen kann, selbst wenn dann noch mal kurz Hand angelegt werden sollte, wie es die Natur verlangt, ist die Lust dazu allein im Kopf oft entstanden.
Was im Kopf an Gefühl entsteht, also Produkt unserer Phantasie ist, kann aber im Körper die gleichen Hormone freisetzen, schon wie die erste Begegnung oder Berührung uns elektrisieren, wie wir sagen, um die sinnliche Spannung auszudrücken, die zwischen zweien entsteht.
Weiß nicht, was überwiegt und denke, es kann auch mal das eine, dann wieder das andere sein, ohne dass dies darum einer festen Regel folgte. Optimal ist es, wenn beides zusammenkommt und in einem ausgewogenen Verhältnis steht, mit dem wir uns wohl fühlen. Doch klingt so etwas schon wieder nach einer Vernunftehe und wirkt emotional eher abschreckend.
Was uns auf die ewige Dialektik in der Liebe bringt, dies dauernde Hin und Her zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt, dass manche scheinbar zum Genuß ihres Glücks brauchen. Auch wenn ich jetzt also irgendwie ableiten könnte, dass die Liebe natürlich vernünftig sei, käme ich vermutlich bald wieder zu dem Schluss, dies sei doch in der Realität völlig egal, weil es uns aufgrund seiner Komplexität immer nur in Einzelteilen bewusst ist, die dann unser Gefühl begründen.
Dazu kommt noch, dass die Liebe gar keinen Grund braucht. Sie ist einfach und macht dann glücklich oder nicht. Erich Fried schrieb in seinem wunderbaren Gedicht, Es ist was es ist, was es mit der Liebe auf sich hat und traf es auf den Punkt für viele, die sich dort verstanden fühlten, es ist, was es ist.
Sie mag also vernünftig und unvernünftig zugleich vielleicht auch sein, weil das ihrem Wesen eben entspricht, wie eine doppelköpfige Hydra, die uns infolge auch mal nach der einen, dann wieder nach der anderen Seite treibt, uns so glücklich macht, wie nichts sonst im Leben und zugleich unglücklicher als alles, jeglichen Lebensmut raubt, wie es Goethe in seinem Werther so wunderbar tragisch beschrieb.
Die Liebe kann alles, was sie will. Sie überwindet jede Grenze und alle Angst, kann zu völligem Glück führen, in dem wir meinen nichts könne mehr schöner sein je und denken, wie auch der olle Goethe einst dichtete, oh Augenblick, du bist so schön, verweile doch.
Wenn alles Natur ist und alle Natur logisch und vernünftig funktioniert, eben natürlich, wird die Liebe auch so sein. Doch besonders Frauen leugnen dies mit großer Leidenschaft und wenn du mit ihnen auf einen Nenner kommen willst, sind die fast dadaistisch schlichten Worte Frieds ein gutes Mittel dazu, ohne sich gegen alle Vernunft verbiegen zu müssen und Lyrik ist wie alle Minne in der Liebe immer ein probates Ziel von der Werbung zur Erfüllung zu gelangen.
Aber auch ich, für den es nichts außer der Natur gibt, keine höheren Wesen, kein Leben nach dem Tod oder vor der Befruchtung der Eizelle, ab wann immer wir es dann auch Mensch schon nennen, halte es für weiser, es lieber den Frauen, die es austragen ihrer Natur nach zu überlassen, wann es leben soll, betrachte die Liebe und insbesondere im Verhältnis zu Frauen als etwas völlig irrationales, dem ich mich mit den Mitteln des Verstandes nur beschränkt nähern kann.
Ob vernünftige Leidenschaft immer maßvoll sein muss, wie Montaigne es für die Ehe eher fordert, warum er beiden vorschlägt, die falls vorhandenen Leidenschaften lieber anderweitig auszuleben, weiß ich nicht so genau. Sicher ist aber, dass große Leidenschaft, wie es schon das Wort Leiden verrät, auch häufig zum Unglück führt und manch unschönes mit sich bringen kann. Wir sind in voller Leidenschaft fern der ausgeglichenen Gelassenheit, wie sie schon Epikur als Ideal vorschwebte, obwohl für ihn das Streben nach der Lust zu unserer Natur gehörte. Montaigne mit seinem vermutlich für die Renaissance typischen Bild von der Ehe geht es auch um die Gelassenheit, die der ebenfalls Verehrer des Lukrez teilweise auch in der römischen Stoa fand.
Eigentlich besteht eher ein Gegensatz zwischen Epikuräern und Stoikern, der von der Kirche, die in Opposition zu den atheistischen und streng rationalen aber freien Genussmenschen stand, als die sie die Epikuräer sah, besonders betont wurde, auch weil es den Epikureern mehr um die Lust als um die Pflicht ging, während die katholische Kirche unfreie und gehorsame Christen erziehen wollte, warum sie irgendwann von machtbewussten Kaisern als gut kompatibel integriert wurde, auch wenn das ein wichtiger Schritt zum Untergang Roms wohl war, dass sich auch einfach überlebt hatte, aber mancher Gegensatz hebt sich auf und der Weise lebt eklektizistisch, pickt sich also die Rosinen heraus, die ihm gerade gefallen, ohne sich darum zum Ganzen verpflichtet zu fühlen und doch nichts sucht als eben Lust im Leben.
Auch wenn der Satz eben etwas lang geriet, durch die kleinen historischen Ausflüge, bleibt davon entscheidend die Gelassenheit, sich an Gedanken zu nehmen, was gefällt, ohne dogmatisch einer Schule folgen zu müssen. Es soll die Lust mehren und keine anderen Ansprüche befriedigen, was auch die stoischen Gedanken wieder epikureisch nutzbar macht. Dies führt uns auch in die Gegenwart, in der wir wohl in einer postideologischen Zeit leben. Die großen Ideologien haben sich nahezu überall erledigt und jeder versucht irgendwie am Markt zu überleben, um es sich so gut wie möglich gehen zu lassen, was keinen festen Rahmen braucht sondern immer wieder flexible Antworten sucht.
Nun fragt sich am Ende des ersten Teils zur Liebe, wie es mit der Eifersucht ist, ob sie natürlich oder krank vom Grundsatz her bleibt und was an ihr vernünftig sein kann. Der Teil fand keine Antwort auf die Frage, ob die Liebe vernünftig ist, sie ist es natürlich immer auch, aber sie wäre eben auch nicht, wenn sie nicht völlig irrational zugleich uns vorkäme und so nehmen wir sie, wie es gerade kommt, in beiden Teilen als natürlich und alle Natur ist immer auch vernünftig.
Eifersucht als Besitzdenken steht im klaren Gegensatz zur Natur der Liebe, die dem anderen gut will und sich verschenken möchte am liebsten, weil sie eben Ausdruck tiefer Zuneigung ist und nicht der Angst zu kurz zu kommen. Von daher hat Eifersucht logisch nichts mit Liebe zu tun, wer sie empfindet, sollte sich lieber fragen, was er oder sie überhaupt will und wohin es führen soll.
Wenn es einen Grund für die Eifersucht gibt, ist es müßig, auf Treue laut zu pochen, weil diese nie eine Pflicht sein darf, sondern immer nur wenn gewollt und gefühlt einen Wert hat, als Gehorsam aber nur der Anfang des Krieges und das logische Gegenteil der Liebe ist.
Das ist ganz einfach, dazu braucht es keine weiteren Ausflüge in den Bereich der Moral. Wenn die Liebe echt und natürlich sein soll, vergessen wir besser vorher alle moralischen Grenzen, weil die Liebe immer Freiheit braucht, um zu sein. Nur wer gänzlich frei ist, kann sich verschenken, während wer einer Moral oder Konventionen folgt, unfrei ist und so also nicht wirklich lieben kann.
Wenn sie keinen Grund hat, wie meistens, weil es keinen Grund gibt, der dazu berechtigte, warum schon die Behauptung ein Witz ist, hier aber den üblichen Sprachschemen des Alltags folgt, ist sie ohnehin eine Belästigung der Liebe durch kleinliches Besitzdenken, bei der sich fragt, was die Eifersüchtigen damit erreichen wollen, da sie das Ziel ihrer Gefühle durch die Eifersucht bereits von der Liebe entfernt haben.
Es gibt also keinen vernünftigen Grund für Eifersucht. Wenn meine Partnerin einen anderen Mann mehr begehrt als mich oder überhaupt begehrt, was ich aber völlig natürlich fände und für sie hoffen will, weil alles andere verlogener Mist ist, der nur im Knast der Eifersuchtshölle enden kann, dann frage ich mich eher, was kann ich tun, um ihre Lust mit mir zu erhöhen, wenn ich es erfahren sollte. Ehrlich gesagt, möchte ich so etwas eigentlich am liebsten gar nicht wissen, um mir gar keine Gedanken darüber machen zu müssen, die vielleicht zu Angst und Eifersucht führten, weil so vernünftig der Mensch auch sein mag, so unsinnig regiert die Natur manchmal doch die Gedanken.
Es soll jeder tun, wonach ihm ist. Würde nie nachfragen bei meiner Partnerin, weil ich es nicht wissen will. Erfahre ich es, wäre es mein Bemühen, unsere Beziehung zu verbessern, damit wir noch irgendeine Perspektive wieder finden, die gemeinsame Lust neu zu wecken.
Wer liebt ist dennoch Mensch mit seiner Natur, gegen die keiner leben soll. Es wäre für mich die Pflicht des einen, es so dezent wie möglich zu gestalten, wenn das Bedürfnis eben da ist und die des anderen nicht weiter zu fragen.
Dann ist eine wunderbare Liebe und ein glückliches Zusammensein von Mann und Frau möglich. Alles andere aber ist der Mühe nicht weiter wert aus meiner Sicht, warum dennoch viele, viele Paare es anders und völlig unfrei leben, verstehe ich nicht. Werde mich nie auf so etwas einlassen, weder Treue schwören noch sie verlangen, nur alles dafür tun, so glücklich miteinander zu sein und es so zu genießen, dass es nichts sonst für uns braucht.
Wer wär ich je über einen anderen zu richten, noch dazu, wo ich diesen Menschen zu lieben vorgebe?
Eifersucht bleibt für mich der Tod der Liebe, wo sie auftritt, können beide es lieber lassen und neue Formen des Miteinanders finden, weil es nicht mehr um Liebe sondern um Besitz geht. Fragen des Besitzes regelt das Bürgerliche Gesetzbuch, in dem auch passend die Ehe geregelt ist. Den Besitz sollten wir aber nicht mit Gefühl verteidigen. Es verleugnet nur die Liebe, die frei von allem und über allem ist, wenn sie ist.
jens tuengerthal 23.12.2016
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