Mittwoch, 2. Juli 2025

Lektürentagebuch 2.7.25

Lektürentagebuch 2.7.25

Noch am frühen Morgen als es schon
Wieder hell wurde ein wenig von dem
Alten Mann von Franz Hessel gelesen
Der gerade für seinen Enkel malte

Nach dessen Beschreibung versucht
Das Licht der Bucht am südlichen Meer
Treffend zu malen und überlegt ob er
Es noch schafft dorthin zu reisen

Spürt sein Alter beim Überschlagen der
Beine als er seine Mieterin Fräulein Lilo 
Hört die ihn mit einem Graf Haugwitz
Besuchen kommt der auf Post von

Seiner Tochter Hilde wartet und ob er
Ihm der wieder in Berlin nun wäre statt
Noch in den Niederlanden nicht falls es
Etwas für ihn gäbe es geben könnte 

Küster der alte Mann zögert da er
Den Auftrag seiner Tochter kennt
Die Briefe erst aufzugeben wenn
Sie ihm dazu den Auftrag erteilt

So verweigert er vorerst die Herausgabe
Da die von ihr gestellten Bedingungen
Noch nicht erfüllt seien was der Graf 
Einsieht und ankündigt wiederzukommen 

Kurz überlegt er insgeheim den Brief
Zu öffnen um zu wissen was darin steht
Schreckt aber noch davor zurück wie er
Alles Unangenehme am liebsten mied 

Er spürt Schmerzen im Knöchel und
Als er diesen betastet schmerzt ihn der
Bauch doch als er im Handspiegel seine
Schmetterlingskrawatte sieht ist alles gut

Am nun Dienstag ging er zum Essen
Zu seiner Schwester nicht mehr in deren Wohnung die sie noch mit ihrem Gatten
Geteilt hatte der vor acht Jahren starb

Sondern in eine Familienpension am
Kurfürstendamm wo sie mit einigen 
Anderen wunderlichen meist älteren
Mitpensionären ihr Dasein fristete

Er freute sich auf seine Schwester
Fand aber das gemeinsame Essen
Schwerer erträglich da er nicht immer
Die dafür nötigen Ironie noch aufbrachte

Hoffentlich fragten ihn die anderen nicht
Zuviel nach seinen Töchtern denn es war
Schwer bei der Auskunft ungenau noch 
Zu bleiben keinen Anstoß zu erregen

Schwesterchen dagegen wie er die bald 
Siebzigjährige Frau Geheimrätin Hermine
Ruhland geborene Küster noch nannte
Fragte nie aus und vergaß schnell wieder

Sie redete lieber mit ihrem Bruder über
Die guten alten Zeiten auf dem Weg
Begegnet er einem Mädchen das einen
Hut mit aufgeklebten Perlen trug was

Erinnerungen an seine Kindheit weckt
Der Speisesaal der Pension war ein
Berliner Zimmer mit Blick zum Hof was
Im Jugendstil eingerichtet noch war

Beim Essen fragte ihn eine Dame
Ob er den Pergamonaltar schon
Gesehen hätte und als er verneinte
Sie meinte es ginge nichts über die Antike 

Worauf eine andere rundliche Dame
Über ihren ebenfalls rundlichen Gatten
Meinte er ginge auch ganz in der Antike
Auf so kehre doch alles wieder meint 

Darauf Küsters Nachbarin zu seiner
Schwester und erzählt von ihrem grünen
Filzhut den sie neulich im Museum trug 
Wie ähnlich der römischen Helmen war

So kehre eben alles wieder was zu einem
Betretenen Schweigen aller führte worauf
Der pensionierte Oberst am Tischende nur 
Meint das grenze ja an Seelenwanderung

Glauben sie etwa nicht an diese meinte
Die spitznäsige Nachbarin darauf sie habe
Neulich ein theosophisches Buch gelesen
Über die eleusinischen Mysterien und sich 

Dabei erinnert wie sie selbst unter den 
Neugeweihten Priesterinnen ging mit
Einem Narzissenkranz im Haar und so 
Setzte sich der Diskurs weiter fort

Beim Braten kamen die Pensionäre
Auf die Astrologie und waren sehr erfreut
Von den Zeichen der anderen zu hören
Worauf sie es von Küster wissen wollten 

Dieser wollte lieber kein Horoskop zwar
Glaube er nicht an diese Dinge aber er
Wollte es lieber nicht so genau wissen
Fände es voreilig in das Geheimkabinett

Des Vaters zu schauen als sei es Mutters
Speisekammer worauf es hieß wenn er
Angst vor der Wahrheit habe müssten
Sie ihm dann wohl besser in Ruhe lassen

Seine Schwester befragt ob sie dafür
Zugänglicher wäre erzählt wie sie einmal
Bei einer Kartenlegerin war und wird
Unterbrochen dass sei doch kein Vergleich

Wie gerne grenzen sich die verschiedenen
Formen des Hokuspokus voneinander ab
Halten nur ihren Weg für seriös den Rest
Für nicht ernsthafte Kaffeesatzleserei

Küster meint dazu nur wer prophezeien
Kann könne dies aus dem Kaffeesatz so 
Wie aus den Sternen tun und wird das
Gewünschte Ergebnis schon finden

Später dann im gemütlichen Zimmer
Von Schwesterchen sitzen die beiden
Geschwister ganz bequem auf dem
Sofa dabei reden sie über ein Bild

Ihfes Vaters was dessen aufrechtes
Wesen besser darstellte als jedes Foto
Der sich nie irgendwo anlehnen wollte 
Weil es schlechte Gewohnheit würde

Wie streng der Vater mit sich und ihnen
Immer war die Askese hochhielt sagte 
Nach dem Faust genießen macht gemein 
Worauf er von seinen Geigenstunden

Noch erzählte und wie sie ihm weil er
Nicht gut genug übte auf die Finger 
Schlugen was ihm nicht geschadet hätte 
Wie streng preußisch er in allem war

Wie die Mutter sie stattdessen verwöhnte
Dann reden sie über die Kinder Agnes
Hilde und wie sie ihre Pension führt die
Vorher noch ihre eheliche Villa war 

Über das Liebesspiel dort reden sie
Lieber nicht und das ist auch besser so
So war das Leben in der Villa Waldfried
Wie in einem Theaterstück für ihn 

Hilde stiftete gerne Lieben und blieb
Doch bei allem immer einsam wurde 
Häufig auch missverstanden und wie
Gut es ihm dort ging nach seinem

Konkurs wie Nervenzusammenbruch
Behandelten ihn alle liebevoll schonend 
Doch sorgte er sich um Hilde wollte aber
Mit Schwesterchen nicht darüber reden

Seine Schwester war inzwischen schon
In Rätseln verschwunden und fragte ihn
Nur zwischendurch noch dazu und er 
Konnte sich liebevoll verabschieden

Bei leidlichem Wetter ging er dann über
Den Kurfürstendamm nach Hause wo
Die Cafés gut besetzt waren er war so
Mitten in der Stadt und genoss es dort

In guter Erinnerung noch an die Zeiten
Als alle dies nur stille Vorstadt noch war 
Mit Feld noch zwischendurch er nie dort
Gelebt hatte auch zu reichsten Zeiten

Lieber war er dem alten Westen treu 
Bisweilen hatte er Besuche hier gemacht
Nun hatte der Boulevard eine neue Zeit
Auf die er nun auch wieder wartet

Die Terrassen der Cafés waren sehr
Einladend doch konnte er diesen nicht
Mehr folgen außer es lud ihn jemand ein
Was ihm aber sehr unangenehm war 

So genoss er sein Leben einfach so
Im vorübergehen mit heiterer Resignation
Sich an andere Zeiten erinnernd so aber
Ein wirklicher Flaneur hier auch

Wunderbar feinfühlig beschreibt Hessel 
Diesen Besuch bei der Schwester wie
Die Tischgespräche in der Pension die
Gehoben bürgerlich natürlich ist

jens tuengerthal 2.7.25

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