Freitag, 14. Oktober 2022

Leidensfähigkeit

Leidensfähigkeit

Ist die Fähigkeit zu Leiden eine
Qualität und vor allem wie ist es
Richtig zu leiden still oder laut
Gibt es ein passendes Rezept
Kenne von den Großeltern noch
Sprüche aus der Kindheit ein
Indianer kennt keinen Schmerz
Oder Jungen weinen doch nicht
Härte und Tapferkeit waren ein
Ideal für ein erfolgreiches Leben
Montaigne jammert gerne wie er
Überhaupt über seine Zustände
Wie sein schmerzhaftes Leiden
An den Nierensteinen die ihm
Träume von Huren als völlig ferne
Vorstellung erscheinen lassen
So gerne berichtet wie jammert
Auch wenn er berichtet wie einem
Der von einer solchen träumte
Daraufhin nach der Erektion
Nächtlich ein Stein abging was
Ihm aber leidend völlig fern liegt
Auch wenn er diesen Weg sehr
Schön fände würde er helfen
Aber der große Denker der sein
Leben zum Mittelpunkt seiner
Essays machte wie weit über sich
Hinaus dachte in seinen endlosen
Abschweifungen wie Sprüngen der
Gedanken die keine Grenzen kennen
Heißt auf Epikur verweisend auch das
Schreien um des Schmerzes wegen
Für gut und erinnert dabei an die
Geburt bei der manche Ärzte auch
Rieten zu schreien weil es den Weg
Für Mutter und Kind erleichterte was
Ende des 16. Jahrhunderts als eine
Geradezu modern aufgeklärte Sicht
Scheint aber auch zeigt wie nah die
Natur uns immer war und wie wenig
Sich je geändert hat habe mich bei
Der Lektüre gefragt wie ich es damit
Halte der von seinem Großvater noch
Die Ideale der Kadetten hörte die in
Ihrer militärischen Schulbildung eher
Das Gegenteil vermutlich lehrten wo
Tapferkeit als großes Ideal noch galt
Schmerz still zu ertragen war was
Sicher auch nicht gut andererseits
Ist mir das wortreiche Leiden wie
Manche es um sich zelebrieren auch
Eher zu viel und finde ich es groß
Wenn sich auch im Krankenhaus
In dem ich jahrelang arbeitete die
Sterbenden Tumorpatienten lächelnd
Wie ungerührt im Wesen zeigten
Aber vielleicht hilft es auch den
Schmerz besser zu ertragen dann
Zu schreien wenn es sich so anfühlt
Statt sich noch zu verbiegen lieber
Der eigenen Natur zu folgen auch
Wenn sie lieber ablenkt oder das
Leid zu minimieren versucht was
Bisher eher meine Taktik war wie
Gespräche über Leiden meist 
Unerquicklich geistig sind wie gut
Wenn Montaigne dazu auch wieder
Epikur indirekt zitiert mit den Worten
Fürchte den Tod nicht aber wünsch
Ihn dir auch nicht herbei sondern
Genieße was noch möglich so lang
Wie etwas möglich ist was ihm wenn
Er an den Steinen leidet schon eher
Zweifelhaft erscheint warum die
Formulierung im Schatten seines
Wissens um Lukrez freien Tod
Wohl zu lesen ist was er aber
Von der Kirche nicht sofort zensiert
Zu werden nicht schreiben durfte
Wo das laute Leiden Erleichterung
Schenkt findet Montaigne es gut
Praktiziert es auf seine Art auch
In seinen Essays wie noch mehr
Im Tagebuch seiner Reise aber
Zitiert dazu bewusst Epikur der
Die Furcht vor dem Tod nimmt
Der uns nichts angeht weil er
Nie mit uns zugleich irgendwo ist
Was alles Leiden auch relativiert
Wo Schmerz unerträglich scheint
Dauert er nicht mehr zu lange
Was lange anhält wird weniger

jens tuengerthal 13.10.22

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