Sonntag, 28. Oktober 2018

Lesetage

Was habe ich heute schon gemacht
Bewegungsmäßig eher gar nichts
Geistig reiste ich durch die Welten
Zeit ist für mich keine Grenze mehr

War zuerst in Frankreich zur Zeit
Der Aufklärung begegnete Diderot
Wie Madame Pompadour spazierte
Mit Monsieur Nicolas durch sein Leben

Vom Frankreich des 18. Jahrhunderts
Ging es nach Äthiopien zu Haile Selassie
Folgte seinem Neffen auf den Spuren
Des Königs der Könige aus dem Hause David

Staunte über die Blindheit auch des als Gott
Von den Rastafaris verehrten Kaisers der
Nur seine Pflicht als gläubiger Mensch tat
Und vielleicht darum die Zeit völlig verpasste

Weit über seine Zeit hinaus dagegen wirkte
Thoreau mit seinem Walden das noch immer
Sehnsuchts wie Erkenntnisbuch so vieler ist
Die Wege aus dem Alltagstrott finden wollen

Davor noch in China gewesen des 11. Jahrhunderts
Die liberalen Prinzipien der Kindererziehung bewundert
Denen die alte chinesische Kultur so früh schon folgte
Wie sie sich in den Familien dabei organisierten

Freue mich noch auf den später Abstecher wieder
Ins Paris des 20. Jahrhunderts wo es Philosophen
Um die Existenz und Soziales zugleich ging dabei
Sich noch freier liebend um darüber zu schreiben

Vorher noch bei dem grimmigen Grantler zwischen
Sein und Zeit auf dem Todtnauberg vorbeischauen
In den schwarzen Wäldern die BB einst noch besang
Als Heimat am südwestlichen Ende des Landes

Später erwartet mich wieder Monsieur Nicolas
In seiner so persönlich offenen Autobiografie
Spannender als jeder seiner Romane heute
Stellt er die Kirche so lächerlich ganz bloß

Spaziere dann noch auf einige Seiten mit
Adam Smith durch das Frankreich des da
Mittleren 18. Jahrhunderts wieder was den
Blick wie das Land gänzlich verändert

Von Frankreich nach Italien ist es nun noch
Literarisch wie Kulinarisch ein kleiner Sprung
Nach ein wenig Pasta Bolognese gibt es dann
Genüssliche Lektüre von Giacomo Leopardi

Vom Bett zum Lesesessel in die Küche als Radius
Genügt mir durch die ganze Welt zu reisen immer
Wenn ich noch einige Kilometer dazwischen laufe
Nur des Körpers nie des Horizontes wegen

Nichts ist schöner als solche Lesetage außer
Dieses Glück noch miteinander zu teilen wie
Kurz zwischen Seiten sich vorzuschwärmen
Oder sich länger mal lieben statt Lesen

Lesetage sind das schönste im Herbst
Wenn die Tage immer kürzer werden
Leselampen sinnlich warm über Seiten
Zu Leuchttürmen gegen grau erblühen

jens tuengerthal 28.10.2018

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