Dienstag, 3. Dezember 2024

Lektürentagebuch 3.12.24

Lektürentagebuch 3.12.24

In der Nacht noch eine feine
Kurzgeschichte von Franz Hessel
Gelesen die eine Reihung der
Romantischen Erinnerungen war

Unter dem Titel Baumschmuck
Zählt er das folgende auf wie
Seine Gedanken dazu die
Zwischen rührend und ironisch
Literarisch fein changieren

Zittervögel aus kaum sichtbarem Glas
Goldfrüchte als das Obst am Baum
Marzipanherz über die magere Beate
Engelhaar erinnert Ilse an ihres früher
Heiliger Dreikönig einsam übrig im Baum
Trompete blasender Engel ebenso einsam
Pampeln heißen so und hängen farbig
Pappschiffchen mit Watterauch von Oma
Reflexkugel die alles Licht zurückwirft
Lametta Sommerfäden im Winterbaum

Wunderbar nah berührend diese kleinen
Episoden um den Baum den doch alle
Zu gerne geschmückt aufstellen um dann
Zu sagen früher war mehr Lametta


Nach der literarischen Nacht den
Tag mit Egon Friedell begonnen in
Der Kulturgeschichte der Neuzeit
Gelesen wie der Barock sich über die

Kirchen ausbreitete nach deren kurzen
Rückzug in Reaktion auf die Reformation 
Sich wieder die Sinneslust breit macht
Kommt die barocke Sicht in allem wie ein

Theaterstil und die verzauberte Illusion
Breitet sich ungehemmt aus sogar Natur
Wird im Theater inszeniert in barocken
Gärten mit ihrer gerne auch Dramatik

Feuerwerke oder Wasserfälle und
Dazu wilde Höhlen die wiederum
Säulenumstanden in fein beschnittene
Bäume und Hecken dann münden

Bernini als genialer Regisseur dieses 
Theaters beherrschte alles spielt ständig
Mit einer schwülen Erotik welche auch
Die sexuelle Schönheit wieder entdeckt 

So gilt Berninis heilige Theresa als 
Wohl überwältigendster Ausdruck davon
In seliger Verzückung wie frisch befriedigt 
Wird im Marmor die Religion zum Theater
Des erfundenen Gottes

Menschen welche gerne die Kunst der 
Renaissance für wertvoller halten als die
Des Barock finden ein Kunstwerk auch nur 
Erhaben weil es langweilig ist meint er

Was eine Geschmacksfrage nach Friedell
Bloß ist jedenfalls sei Barock für ihn
Naturalistischer was das 19. Jahrhundert
Bezweifelte das Barock unnatürlich fand

Jede neue Epoche ist ein Aufstand gegen 
Die vorige um damit aus ihrer Sicht viel
Natürlicher zu sein bis sie wieder von
Ihren Nachfolgern verdrängt wird

Wie unsere Kinder irgendwann über uns
Lachen wie wir herumlaufen oder reden
Im Stile der Vergangenheit sie die doch
Unsere Gegenwart eben noch war


Sehr fein und gefühlvoll erzählt
Thomas Mann im Zauberberg wie sich
Hans Castorp vor Hermine Kleefeld und 
Joachim zu laut aufspielt peinlich wird

Um Clawdia Chauchats Aufmerksamkeit
So zu erlangen die ihm nur einen kurzen 
Noch dazu desinteressierten genervten Blick 
Zuwirft der ihm in elend leiden lässt 

Bereitwillig erschüttert folgt Hans Joachim
Nach dem peinlichen Theater in die Liegekur 
Was ihn dann tagelang depressiv verstimmt 
Bis er an einem wunderschönen Herbsttag

Sie vor sich laufen sieht den Schritt 
Beschleunigt Joachim schnaufend
Mitzieht sie überholt und grüßt wie
Von ihr dabei lächelnd gegrüßt wird

Fast erwartungsgemäß ist wie darauf
Seine Temperatur wieder auf 38° ansteigt
Die emotionale Aufregung oder doch
Tuberkel die ihr hier Unwesen treiben 

Der feine Spott über die angebliche
Krankheit die ja auch bei Katia Mann
Aus heutiger Sicht eine Fehldiagnose war
Mischt sich mit dem zarten Ton der Liebe

Die wiederum Hans treibt sich völlig
Unmöglich zu benehmen um nur die
Aufmerksamkeit der Holden für
Einen Moment zu bekommen

Wie eine totale Blamage durch den
Gefühlten Blick auf seinen Stiefel ihn
In eine Depression stürzt aus der dann
Ein schlichter Gruß ihn befreien kann

Spottet Mann hier über die Liebe
Wie das ewige hin und her das so
Manchen in den Wahnsinn schon trieb
Den Autor dieser Zeilen eingeschlossen 

Oder trifft er zartfühlend den Kern
Wenn Nichtigkeiten uns plötzlich zum
Vieldeutigen Universum werden das
Den Blick aufs Sein völlig verkehrt

Wer jemals liebte kennt diese ach
So unvernünftigen Zweifel an sich
Wie an der ganzen Welt die dann ein
Hauch von einem Lächeln verzaubert 

Dies spürbar auch wenn natürlich
Leicht distanziert ironisch aus der
Geschichte heraus zu machen zeigt
Thomas Manns große Kunst

jens tuengerthal 3.12.24

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen