Freitag, 28. Dezember 2018

Wossitristesse

Der Wessi ist wieder im Osten
Graues Berlin hat mich wieder
Vom Bahnhof durch feuchtgrau
Beleuchtete Stadt heimgelaufen

Am Hauptbahnhof ankommen ist
Noch im Niemandsland zwischen
Osten und Westen irgendwo doch
Sind es nur wenige Meter von da

Nur ein kleiner Streifen im Boden
Markiert die ehemals Grenze hier
Zwischen Baustellen unsichtbar spürst
Du nur vertraut schlechte Trottoirs

Die längste Zeit meines Lebens nun
Lebe ich in östlicher Tristesse die
Längst fein saniert nur noch in den
Köpfen leberwurstgrau eben blieb

Bunte Schaufenster täuschen auch
Auf dem heimatlichen Berg noch die
Mittige Atmosphäre des Wohlstands
Fast täuschend echt dem Läufer vor

Natürlich ist ein neblig grauer Tag
Überall nebliggraufreucht aber hier
Ginge es in vielen Köpfen weiter
Was nur mühsam lächeln lässt

Nach dem noch Anstieg in Mitte
Auf dem Berg eine Kreuzung noch
Überquert nach Prenzlauer Berg
Ein unauffälliges Schild inmitten

Den vertrauten Platz noch umkreist
Wie gewohnt auch mit Rollkoffer als
Wäre ich nur Besucher der ich hier
Wohl für immer fremd bleiben werde

Die Tristesse des Ostens ist längst gut
Übermalt überall außer in den Köpfen
Nur lebt hier kaum noch einer von hier
Und du schaust in meist leere Gesichter

Fast erinnert auch das Zentrum Berlins
An gewöhnlich frisch renovierte Provinz
Wenn auch nach Meinung mancher hier
Der Mittelpunkt hipper Welt heute wäre

Das hippe ist auf Fassaden gepinselt
Das Gefühl bleibt gespalten dabei
Einige verloren ihre Heimat hier
Andere tun so als wäre es ihre nun

Jenseits aller politischen Orientierung
Ist die Spaltung in den Köpfen tiefer heut
Als die Mauer in Berlin je hoch war
Als Wessi kommst du im Osten nie an

Du lebst hinter schönen Fassaden
Bist gefühlt ein Hausbesetzer immer
In einem Land das es nicht mehr gibt
Was zuviele sich zurückwünschen

Aber jenseits der traurigen Realität
Ist dies einer der schönsten Orte
An dem du städtisch leben kannst
Darum ignorieren wir lieber weiter

Leben fremd nebeneinander in der
Uneinigen Stadt reden hinterm Rücken
Genervt schlecht voneinander bleiben
Nur weil es anderswo nicht besser ist

jens tuengerthal 27.12.2018

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