Altes neues Museum
Es ist der erste warme Frühlingstag und ich geh ins Museum - fast paradox scheint mir der Versuch wie jeden Samstag auch am zauberhaften heutigen Tag über eines der Museen zu schreiben, auch wenn ich diese noch so sehr liebe. Doch kann schon die Gewohnheit ein Wert an sich sein, um es sittlich zu begründen und abgesehen davon, kann der Autor über diesen wunderbaren Bau schreibend genauso in der Sonne im Park vor seiner Haustür sitzen und sich von den immer mehr Pollen dort ärgern lassen oder alternativ das warme Licht genießen.
Bei dem Wetter musst du doch doch rausgehen, schrieb mir heute Morgen eine und genau das wäre für mich schon fast Grund genug, es nie zu tun, wäre es nicht zu schön draußen und der bloße Widerstand gegen die Konventionen nicht zu lächerlich pubertär - wenn es schön ist, kann es ja auch schön draußen sein - auch im Museum übrigens kann es dann besonders schön und der Weg mit dem Rad von mir zum Museum ist ja auch ganz schön - wenn ich nicht nur die Prenzlauer Allee herunter düse, um schnell da zu sein, sondern in Ruhe durch die verwinkelte Mitte tingle.
Aber hier ist ja nicht der Weg das Ziel sondern soll vom eigentlich Ziel erzählt werden, auch wenn es beim schönsten Frühlingssonnenschein absurd scheint, sich mit der Antike und ihrem architektonischen Verehrer Schinkel, der das Haus am Lustgarten baute, zu beschäftigen. Lustgarten ist ein guter Ansatz, denn sich dort vor oder nach dem Besuch noch in der Sonne voller Lust zu lümmeln, dürfte wohl auch denen zusagen, die einen Museumsbesuch bei diesem Wetter absurd finden. Solange sie den Blick mit oder gegen den Strom lenken und nicht auf den gräßlichen Dom schauen, dieser wilhelminischen Berliner Peinlichkeit, die das Kulturerbe Museumsinsel eigentlich fragwürdig machen müsste in ihrer unproportionierten Gräßlichkeit, die so sehr aus der Zeit und dem Ensemble fällt, dass mich wundert, warum es noch steht. Der von Raschdorff im wilhelminischen Rausch errichtete Neubau des Doms störte das von Schinkel geplante Ensemble der Insel empfindlich und gehörte darum aus kulturhistorischer Sicht endlich abgerissen oder gesprengt und wenn überhaupt durch einen Nachbau, der dem gerade Vorgänger Schinkels entspricht, ersetzt.
Hier hätte die DDR ganze Arbeit leisten können, statt an der klassisch schönen Schlossfassade, dort hätte ich mich immer dafür ausgesprochen Erichs hässlichen Lampenladen doch stehen zu lassen, besser als der Berliner Dom passte alles dort hin, sei es auch eine ostige Platte. Doch es passt, wenn ich mir anschaue, was sie aus dem Alex machten, dass sie auch dies unförmige Ei noch sanierten, statt es gut sozialistisch atheistisch zu sprengen, weil sie kein Gefühl für Proportionen hatten und eben unter der Diktatur des Proletariats eher für Größenwahn standen, auch wenn es gelegentliche Ausnahmen gibt.
Wenn ich es aber schaffe dies unförmige Ding im Lustgarten lustvoll auszublenden, schlicht geradeaus schaue von den Linden aus, wie es die königliche Familie und, um politisch korrekt zu sein, natürlich auch ihre nichtadeligen Bedienten, aus dem Schloss einst taten, dann sehe ich eine klassische Schönheit vor mir, die auch ohne alle von außen sichtbare Rundung für das Ideal wahrer Größe steht und es säulenumrahmt realisiert hat. Schönste Rundung offenbart sich dem Besucher erst beim Näherkommen, wenn es sozusagen intimer wird, der Gast in den Heiligen Hallen schon weilt und die schönste Rotunde sieht, bei der Schinkel nochmal das griechische Ideal der deutschen Klassik in Form goss, wie Goethe und Schiller schrieben, Voss übersetzte, baute er in Preußen.
Das Alte Museum hieß, als es noch neu war, Neues Museum wie jetzt das nach ihm gebaute Neue Museum, was auch nett ist, gerade in seiner achtsamen Sanierung nach den Bombenschäden, dem aber die klassische Größe fehlt. Später hieß es dann Königliches Museum, was sich ja 1918 oder spätestens doch 1945 völlig erledigt hatte, als die Alliierten in vorauseilendem Gehorsam und großer Sorge sogar den Staat auflösten, für dessen Könige es einst königliches Museum war und Preußen nicht mehr war, als Sündenbock der Geschichte, die Deutschland sich selbst, einem Österreicher folgend, eingebrockt hatte.
Der von 1825 bis 1830 von Karl Friedrich Schinkel im Stil des Klassizismus errichtete Bau beherbergt heute große Teile der Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin. Das natürlich denkmalgeschützte Gebäude gilt als Höhepunkt von Schinkels Schaffen wie des Klassizismus überhaupt, ist nicht ohne Grund der Eingang zum Weltkulturerbe der Museumsinsel. Sein Bau ist auch Zeichen für ein selbstbewusster gewordenes Bürgertum, das dem Ideal einer umfassenden kulturellen Bildung folgte. Der preußische König Friedrich Wilhelm III. teilte dies humboldtsche Bildungsideal und förderte es nach Möglichkeit. So kaufte er 1815 und 1821 die Sammlungen Gustiniani und Edward Solly und entwickelte erste Ideen für den Umbau des Marstalls oder der Kunstakademie Unter den Linden.
Der Marstall wurde heute zum Deutschen Historischen Museum, DHM, was wohl neben dem Euro zu den bleibendste und größten Verdiensten des früheren Kanzlers Kohl gehört. Der König beauftragte schließlich seinen Schinkel mit der Planung des Museumsneubau für die königlichen Kunstsammlungen.
Der König setzte für die Planung zuerst eine Kommission ein, bei der sich Schinkel, der präferierte Architekt mit dem Leiter über die Umsetzung zerstritt und dann eine zweite Kommission unter Wilhelm von Humboldt, der als versierter Diplomat mit beiden gut konnte. Diese Kommission entschied zunächst nur hohe Kunst dort auszustellen, was immer das wem war, schloss es jedenfalls nach dem damaligen nicht nur leicht rassistischen Verständnis von Kunst und Kultur alle Ethnografica, Prähistorica und im Nahen Osten ausgegrabenen Kulturschätze aus. Diese wohl niedere Kunst aus niederen Kulturen blieb vorerst im Schloss Monbijou auf der anderen Seite der Spree, wo heute eigentlich der Neubau für die “hohe Kunst” der Gemäldegalerie entstehen sollte, woran wir merken hoch und tief vertauschen sich manchmal mit recht willkürlichen Ergebnis.
Das klassisch schöne Museum wurde in der Zeit des Nationalsozialismus zum Zentrum von Propaganda Veranstaltungen und wie unter dem Soldatenkönig war der Lustgarten wieder ein Aufmarschplatz für die entfesselten NS-Rigen im Gleichschritt. Warum den Deutschen diese Peinlichkeit nicht gleich übel aufstieß, ist mir bis heute ein Rätsel, aber vermutlich gäbe es auch heute wieder Anhänger von Fackelzügen, die den guten Liebermann am Brandenburger Tor nur zum Erbrechen reizten.
Durch Sprengbomben wurde das Museum im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt und brannte am 8. Mai 1945 völlig aus. Zu dieser Zeit waren die Schätze glücklicherweise ausgelagert und das Museum diente nur als Möbellager. Dabei gingen die von Schinkel entworfenen und von Cornelius ausgeführten Fresken im Vestibül und an der Rückwand der Säulenhalle weitgehend verloren. Nach dem Krieg wurde es im großen und ganzen originalgetreu wiederhergestellt. Die farbige Ausmalung der Rotunde wurde nach Schinkels Entwürfen 1982 wiederhergestellt.
Den Planungen Schinkels lagen auch Entwürfe des Kronprinzen und späteren Königs Friedrich Wilhelm IV. zugrunde, der eine antikisierende akropolisartige Bebauung der Museumsinsel wünschte. Im vom Schinkel geplanten gesamten Ensemble der Insel, das sich sehr harmonisch ergänzte, bis der Berliner Dom unförmig lange nach seinem Tod von unfähigen Stümpern hineingesetzt wurde, sollte das Museum der Volksbildung dienen und stand in engem Zusammenhang zu den anderen dort repräsentierten Mächten. Der Bau stand damit für Wissenschaft und das neue Selbstbewusstsein eines erstarkten Bürgertums, was seine Heimat auch lange in der Singakademie fand, die in der mit demokratischen Traditionen weniger vertrauten DDR zum ortsfremden Gorki-Theater wurde, auch wenn dieser russische Dichter sicher nicht schlecht ist, fehlt ihm jeder Bezug zum Ort. Das idiotische Gegenstück dazu im Westen ist die Umbenennung der traditionsreichen Straße In den Zelten zur General Clay Allee im Tiergarten, geschichtsvergessen, hörig und etwas blind, als wiege die Berlin-Blockade je die März-Revolution der Bürger auf.
Bevor Schinkel das Museum als Abschluss schuf, hatte er den barocken Berliner Dom dem klassizistischen Ideal folgend umgestaltet und so eine in sich harmonische Bebauung geschaffen, die sich ideal ergänzte und durch die Umgestaltung des Lustgartens durch den großen Lenné noch verstärkt wurde. In seiner klaren Form folgt das Museum dem Gestaltungskanon der Antike und verkörpert zugleich, die in der Aufklärung wurzelnde Idee des Museums als Bildungseinrichtung für das Bürgertum. Die Rotunde als Herz des Baus gleicht dem römischen Pantheon und unterstreicht damit den sakralen Charakter des Kunsttempels, baute den Bürgern ein Schloss.
Der Bau wurde dann, wie immer in Berlin, doch komplizierter als gedacht, weil an dieser Stelle der nur Insel auf märkischem Sand ein Verbindungskanal zwischen Kupfergraben und Spree verlief. Für ein stabiles Fundament wurden rund 3000 Kiefernholzpfähle in den Boden getrieben. So zog sich der Beginn der Bauarbeiten bis 1825 hin. Auf einem dann Sockel stehend hat das Gebäude eine Länge von 87 Metern und eine Breite von 55 Metern, wobei es aus einem flach gedeckten, kubischen Baukörper besteht, der nach außen durch achtzehn ionische Säulen abgeschlossen wird. Die Halle selbst öffnet sich passend und lustvoll zum Lustgarten hin und auf dem Gebälk der Halle sitzen über den Säulen noch 18 sandsteinerne Adler, was nicht gleich sandige Steinadler sind, sondern Preußens Anspruch demonstrieren sollte im Reich.
An der Frontseite hat das Gebäude eine natürliche lateinische Weihinschrift, die besagt, Friedrich Wilhelm III. hat zum Studium der Altertümer jeder Art und der freien Künste dies Museum 1828 gestiftet. Schinkel hatte auch noch geplant, große Reiterstandbilder auf den Seiten der Freitreppe aufzustellen, was der Monumentalität wenig preußische Bescheidenheit gegeben hätte - aber, lieber beim Museum protzen als bei den Soldaten. Das eine und zuerst fertiggestellte Standbild zeigt eine Amazone zu Pferde, die gerade mit einer Lanze den Angriff eines Panthers abwehrt und vielleicht ist es bezeichnend für Berlin, dass die kämpferischen Mädels zuerst da standen, wo sie heute noch thronen. Der Löwenkämpfer auf der linken Seite brauchte noch 20 Jahre bis er fertig wurde und zeigt hochdramatisch einen Kämpfer, der gerade vom Pferd aus einen Löwen mit dem Speer durchbohrt. War halt Zeitgeschmack und wirkt heute eher etwas bemüht und bombastisch.
Die Ausstellungsräume gruppierten sich einst um zwei Innenhöfe in deren Mitte die über zwei Geschosse reichende und mit einem Oberlicht versehene Rotunde steht, als quasi Herz des Baus. In der Rotunde sollte auch die von Cantian gestaltete 6,91m durchmessende Granitschale ihren Platz finden. Am Ende war sie doch zu groß, passte nicht mehr rein und liegt nun dekorativ davor im Lustgarten rum. Von der Rotunde aus fällt der Blick auf den betenden Knaben aus dem Besitz Friedrichs des Großen, den er in Sanssouci aufstellte und den er von seiner Bibliothek und dem Arbeitszimmer aus sehen konnte. Die Knabenliebe des künstlerisch begabten Königs. Friedrich hatte mit dem Erwerb der Sammlung des Kardinals Melchior de Polignac schon 1742 die größte private Antikensammlung des 18. Jahrhunderts erworben und nach Berlin bringen lassen. Sie bildete den Grundstock der späteren Berliner Antikensammlung, die nur durch den Zugriff der Russen etwas geschmälert wurde, die durch Raub zu eigener Kultur in Petersburg finden wollten.
Bei der Wiederherstellung bis 1966 wurde allein die Rotunde in der alten Form rekonstruiert. Der kreisrunde Kuppelraum, der wirklich beeindruckend schön ist, wird von zwanzig korinthischen Säulen umgeben, die oben eine Galerie tragen. Der Rückgriff aufs römische Pantheon und die der Halle vorgesetzte Freitreppe war bisher eigentlich Herrschaftsbauten vorbehalten und zeigen damit die Bedeutung, die Bildung und Kultur hier zugewiesen wurde. Das besonders reizvolle an der zweiarmigen Treppe ist, dass sie zugleich Innen- und Außenraum ist, da sie nur durch die Säulen nach außen abgeschlossen wird. Im Freskenzyklus der Vorhalle fand sich das Hauptwerk von Schinkel als Maler. Von dem monumentalen Bilderzyklus sind leider nur noch zwei Entwürfe Schinkels im Berliner Kupferstichkabinett erhalten geblieben. Er zählte dem Anspruch nach zu den bedeutendsten Werken der Malerei des 19. Jahrhunderts. Sie waren für das Museum von größter Bedeutung, da Schinkel in ihnen die Funktion und den Anspruch des Museums erläuterte.
Ursprünglich für alle Werke der hohen Kunst geschaffen, war es ab 1904 nur noch Heimat der Antikensammlung, da für mehr der Raum nicht genügte. Bis zur Wiedereröffnung des Neuen Museums zeigte auch das Ägyptische Museum dort seine Exponate. Seit 2010 findet sich im Obergeschoss die etruskische und römische Sammlung während das Hauptgeschoss weiterhin die Sammlung der griechischen Antiken ausstellt.
Der Gang durch die Sammlung ist schön und in vielem historisch auch beeindruckend, den größten Eindruck auf den Besucher aber hinterlässt immer wieder doch die geniale Architektur mit der wunderschönen Rotunde inmitten und der großartigen Treppe, die auch Schinkel schon als Ort des Gesprächs und der Belehrung angedacht hatte. Das Bauwerk bleibt so stärker in Erinnerung als das in ihm ausgestellte, was ihm nichts von seiner Schönheit nimmt, nur deutlich macht, welch bedeutende Rolle Architektur in der Wahrnehmung spielen kann. Von den vielen malen, die ich durch diese Hallen wandelte, ist mir wenig in Erinnerung geblieben, dafür umso eindrucksvoller eben Rotunde und Freitreppe, mit denen Schinkel aber wiederum den Objekten angemessen, den Geist der Antike wecken wollte und so im besten Sinne aufklärerisch handelte, den Besuchern durch den Bau ein stärkeres Gefühl für die Zeit und die Liebe zu ihr vermittelt, als es alle dort ausgestellten Objekte je könnten.
Ob dies den Objekten gerecht wird oder doch eher ein Denkmal für den Geist des Klassizismus im 19. Jahrhundert ist, wäre wohl der Frage wert. Sofern aber unser Denken über die Antike auch durch diese Zeit und ihre Verehrung der schlichten Größe geprägt ist, passt es schon. Vielleicht macht diese Vorstellungswelt des 19. Jahrhunderts, die für uns nur noch museal ist, aber viel stärker die Bedeutung der Sagenwelt der alten Griechen deutlich, reizt den einen oder anderen darum mal wieder zur Lektüre, was eine Brücke in die Zeit schlüge, ob wir nun Homer lesen oder andere Schreiber der Antike, mit Herodot auf Reisen gehen oder uns an die Philosophen heranwagen, ist es wunderbar passend danach debattierend sich in den Lustgarten davor zu setzen, der manche Orte der Ruhe trotz hoher Besucherzahlen noch bietet und dann weckt das Erlebnis vielleicht am besten den Geist der Antike, an den Schinkel mit seinem genialen Bau in aufklärerischer Absicht erinnern wollte und so ist dies Prunkstück ein Glück für Berlin, ganz egal was noch in ihm an Antiken und sonstigen steht und mehr oder weniger Beachtung findet.
jens tuengerthal 1.4.2017
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