Mittwoch, 20. Mai 2020

Unpolitisches

Sind Bürger politisch bürgerlich
Dem konservativen Lager also
Zugehörig wie der Begriff nahe legt
Oder einfach die Mitte was immer
Das für wen auch sein soll jetzt
Vermutlich lässt sich diese Frage
So schwer beantworten wie sich
Die Brüder Mann damit taten
Was Heinrich und Thomas sogar
Über einen Weltkrieg wie danach
Bis zum Tod der Mutter entzweite
Während Heinrich immer wieder
Was er schon im Untertan tat
Plakativ populär schrieb enthielt
Thomas sich literarisch meist des
Urteils sein großer Versuch dazu
Die Bekenntnisse eines Unpolitischen
In denen ein Kind des Kaiserreichs
Seine Position im Krieg suchte
Gingen in manchem fehl verkannte
Noch die Notwendigkeit der Demokratie
Fühlten sie als irgendwie undeutsch
Suchten seine Identität noch zwischen
Fachwerkgiebeln in der Geworfenheit
Die das Schicksal diesem Volk wohl gab
Das Heinrich so erfolgreich im Untertan
Verspottet hatte der bloßen Karikatur der
Hässlichen Seite des Kaiserreichs weil
Heinrich sich oppositionell zu seiner
Herkunft der Sowjetunion lieber zuwandte
Wurzellos politisch gläubig war während
Thomas intensiv Wurzeln suchte sich
Dabei aber mehr verwirrte als in der
Beschreibung der Kultur die seine war
Die mit brillanten Genie gelang so
Ist der Titel der Bekenntnisse als die
Eines Unpolitischen vielleicht treffender
Zur Bezeichnung bürgerlicher Kultur
Als es dem Zeitgeist bis heute noch
Entspricht wo wir längst in einer
Parteiendemokratie leben die dem
Geist des Unpolitischen so fern scheint
Weil sie auch alle Gremien gern parteiisch
Besetzt und das Bekenntnis fordert
Den Bürger zum zoon politikon formt
Was ihm wesensmäßig doch fernliegt
Warum sich Bürger auch wie die Brüder
Mann leicht verirren wenn sie sich zum
Ihrem Wesen fremden Bekenntnis
Gezwungenermaßen doch durchringen
Es schnell peinlich werden kann was
Der Kultur häufig ein Ungleichgewicht
Im ästhetischen gibt was politisch auch
Bewertet wird von den meist parteiischen
Protagonisten im Hintergrund die letztlich
Entscheidend die Gelder auch verteilen
Wie in Berlin in Künstlerkreisen bereits
Die Meinung herrscht dass ohne die Linke
Keine Kultur mehr zu machen sei was
Zu einem inhaltlichen Ungleichgewicht
Angesichts der Prioritäten der Erben
Des SED-Regimes führte wie sie aber
Auch in der alten Bundesrepublik lange
Als selbstverständlich noch galt wo der
Kulturbetrieb konservative Stimmen als
Reaktionär oder spießig ignorierte sofern
Sie nicht gleich als Nazis enthauptet wie
An die moralische Mauer gestellt wurden
Zum medialen Abschuss quasi freigegeben
Was lange mehr Wert auf Parteibuch
Als kulturellen Wert legte wie etwa auch
Der Fall Ernst Jüngers gezeigt hatte
Dabei ist Kultur selten gut wo sie sich
Politisch oder angepasst gerne gibt
Wie etwa das nur bemühte Gorki-Theater
In der Sing-Akademie es heute noch zeigt
Von der Volksbühne ganz zu schweigen
Vor der nun Wirrköpfe demonstrieren
Dieser Nachbarin der Linken-Zentrale
Wo findet heute bürgerliche Hochkultur
Ohne parteipolitische Färbung statt
Wer hat es verpasst sich hier seriös
Zu positionieren und damit zu etablieren
Womit den rechten Radikalen zu viel
Raum als Kulturretter gegeben wurde
Was sie inhaltlich nie bieten konnten
Die bürgerliche Kultur in solchen Zeiten
Als unpolitisch zu etablieren wo sich
An den Rändern die Akteure wieder
Beschimpfen als Faschisten oder Dreck
Scheint ein schwieriger Balanceakt
Wenn nicht gar unmöglich zu sein
So umstritten der Begriff bürgerlich
In weitern Kreisen bis heute ist
Könnte er kultiviert dabei helfen
Das Gleichgewicht wiederherzustellen
Die Mitte kulturell mehr zu besetzen als
Den Rändern zu viel Raum zu geben
Wagten wir das Unpolitische als ein
Politisches Bekenntnis zur Stabilität
Der Demokratie an ihren Wurzeln
Wieder zu sehen wie es die EU
Als Institution der Verwaltung etabliert
Die nach dem Modell Merkel eben tut
Was nötig ist und ordentlich verwaltet
So gesehen ist diese Entpolitisierung
Einer zur Polarisierung neigenden
Gesellschaft wie der Deutschen gut
Wäre mehr bürgerliches Engagement
Ohne parteipolitische Färbung wohl
Wünschenswerter als vieles heute
Was einen unnötigen Gout trägt
Bekennend unpolitisch aber dabei
Konstruktiv engagiert zu sein zeigt
Bürgerliche Kultur und gibt ihr Freiraum
Vielleicht auch wieder im Osten wo die
Bürgerliche Kultur zerstört wurde 
Dieser Mangel weiter fortbesteht
Verständnis für diese Werte oft fehlt
Könnte der Streit der Brüder Mann
Wichtig für eine wiedergefundene
Identität sein die Zukunft gestaltet

jens tuengerthal 20.5.20

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen