Mittwoch, 11. Juli 2018

Geisternebel

Eine Bücherwarnung

Kant für die Romantik zu nutzen, schien mir nach dem Besuch der Ausstellung Wanderlust sehr reizvoll und so erwarb ich dort in der Alten Nationalgalerie den Band Kants Wanderung über das Nebelmeer, der zwischenzeitlich sogar ausverkauft war Begeistert stürzte ich mich in die Lektüre und freute mich, eine neue Seite des Königsbergers kennenzulernen.

Aber was für eine Enttäuschung. Beispielgebend dafür auch die Ballade auf Kants Denken im Abschluss, die bestenfalls an eine niveaulose Büttenrede erinnert mit schlechtem Reimen zu billigen Versen ohne geistigen Gehalt deren Metrik schon auf einer Karnevalssitzung nur noch für Scham sorgte.

Schon das Vorwort hatte den Verdacht geweckt hier völlig daneben gegriffen zu haben, wenn der Neue Welt Verlag sich und den esoterischen Brückenschlag lobt mit dem Kant endlich für Gläubige dienlich gemacht wird.

So geht es im Essay weiter. Ohne philosophisches Niveau oder Strenge und Logik in der Argumentation wird gemutmaßt und mit viel Bauchgefühl mehr unterstellt als argumentiert.

Es ist ein Text für Gläubige, die Bestätigung in ihrem egal wie Aberglauben suchen. Das hat nichts mit Kant zu tun, sondern verkehrt den Autor der Träume eines Geistersehers in sein Gegenteil.

Es ist nicht Aufklärung, die hier betrieben wird, sondern eine Form geistiger Vernebelung. Wo nach Kant Aufklärung die Befreiung des Menschen aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit ist, die den Mut erfordert, selbst zu denken, wirft Gregor Bernhart-Königstein in seinem Essay nur Nebelbomben von geringem Niveau, die noch dazu mit schlechten Reimen gekrönt werden.

Damit liegt ein Fall von Missbrauch vor, gegen den leider keine Strafanzeige erfolgreich wäre, weil auch solcher Unsinn mutmaßlich von der Freiheit der Kunst gedeckt wäre, was eine der Freiheiten ist, die wir Kants Mut verdanken, frei zu denken gegen solche religiösen Nebelwerfer wie sie sich wohl um den Neue Welt Verlag sammeln.

Wer Kant zum Diener der eigenen Esoterik und des Aberglaubens macht, also denjenigen, der Ethik und Moral endgültig von Gott befreite, hat den Königsberger offensichtlich nicht verstanden. Vor der Lektüre dieser Träume eines Geistersehers ist zu warnen.

Wer denken lernen will, lese lieber Kant statt solche Essays, die einzig zum Geist der Romantik noch passten, wären sie nicht sogar dafür handwerklich zu niveaulos und schlecht. Ein Werk vor dem zu warnen ist, weil es nur verklärt und Dummheit mehrt.

jens tuengerthal 11.07.2018

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