Siegt eher Beständigkeit oder schnelle Attacke und was bleibt auf Dauer fragt sich der geruhsame Beobachter der Geschichte?
Der Blitzkrieg, wie Hitler ihn mit der deutschen Wehrmacht führte, war zunächst sehr erfolgreich und nahm ganz Europa für sich ein. Bestand hatte dieser Erfolg aber keine fünf Jahre bis zum völligen Untergang, den kaum ein großer Nazi überlebte und wenn doch bald hingerichtet wurde - das Unternehmen Blitzkrieg war also auf ein Menschenleben betrachtet nicht erfolgreich, auch wenn es weniger Opfer forderte als vorherige Stellungskriege, kostete es im Ergebnis mehr Opfer als jeder Krieg zuvor.
Gandhi sagte immer das gleiche gegen die britische Besatzungsmacht, erhob nicht einmal die Waffen, nachdem er als Rechtsanwalt aus Südafrika zurückgekehrt war, tat eher nichts, stiftete nur durch sein Vorbild zum zivilen Ungehorsam an und war damit auf Dauer siegreich, dahingestellt ob die Teilung des indischen Subkontinents in einen muslimischen und einen hinduistischen Teil in seinem Sinne war, doch wurde er ein Jahr nach dem friedlich errungenen Sieg gegen die britische Kolonialmacht von einem fanatischen Hindu getötet.
Historisch gibt es in Schlachten endlos viele Beispiele für die eine oder andere Taktik. Bei Friedrich war es einmal der überraschend aus dem Busch erscheinende Ziethen, der ihm auf Dauer den Kopf rettete, ein andermal die fehlende Ausdauer der Russen, ähnlich bei Cäsar und Alexander, Napoleon - wenn auch bei ersteren ohne Russen und bei letzterem umgekehrt 1812.
Gandhi war erfolgreich und wird bis heute verehrt, sehen wir mal von Fanatikern ab, die sich noch immer seinen Tod wünschen. Dass manche dabei in der Verklärung naiv das Machtbewusstsein dieses politischen Führers übersehen, stört mehr Inder, die sich von dessen Kongresspartei unterdrückt fühlten oder jene, die seiner Weigerung mit Muslimen zu verhandeln, die folgende Teilung vorwerfen.
Henry IV. auch Heinrich der Große genannt, der zwar erst nach langen Kämpfen, die Dynastie der Bourbonen auf den Thron brachte und um des lieben Friedens willen sogar seinen Glauben aufgab, erreichte mit seinem Toleranzedikt, bis sein Enkel Ludwig XIV. es wieder aufhob, das Ende der Hugenottenkriege und infolge einen großen Aufschwung seines Landes, auch wenn ihn ein katholischer Fanatiker knapp eine Dekade später in Paris ermordete, schaffte er es vorher noch seinen Geist, wie gerüchteweise seinen Samen auch, weit im Land zu verteilen und der strenge Laizismus des Frankreichs der Gegenwart, der zum Vorbild für Europa wurde, ist auch ein Kind Henrys und damit seinem Freund und wichtigen Gesprächspartner Michel de Montaigne zuzurechnen, was diesen in Zeiten eines wieder erstarkenden Fanatismus diesseits und jenseits der Grenzen so nötig erscheint und dessen Lektüre allen Europäern dringend empfiehlt.
Der letzte Wechsel des Glaubens des großen Heinrich von Navarra, war übrigens keinesfalls der erste sondern vielmehr der Dritte, denn ihm war nicht nur Paris eine Messe wert, sondern schon zuvor auch der königliche Schoß der Schwester der letzten Herrscher aus dem Hause Valois, als deren erster der Mann von Maria Stuart verstarb, die dann später in Schottland und England mit ihrer Base Elisabeth für einigen Ärger sorgte, noch bevor sich auf dem Gebiet des Deutschen Reiches 30 Jahre lang um den wahren Glauben bekriegt wurde, ohne dass am Ende einer siegte, was auch an der unterschiedlichen Unterstützung verschiedener europäischer Mächte für die eine oder andere Partei lag.
Der große Ludwig XIV., der die französischen Hugenotten nach der Aufhebung des Ediktes von Nantes, das einst sein Großvater Henry im Geist der Toleranz und Brüderlichkeit erließ, noch vertrieben hatte und damit unter anderem den späteren Aufstieg Preußens erst ermöglichte oder zumindest förderte, ergriff im Dreißigjährigen Krieg durch seinen da noch Vertreter den Kardinal Mazarin, der halber Italiener mehr war als manch anderes, gegen seinen eigentlichen Vormund, seine Mutter, Anna von Österreich, Partei für die Protestanten, weil ein uneiniges Deutsches Reich Frankreich stärke und die Chancen auf die heilige römische Kaiserkrone wieder durch einen Franzosen erhöhte, die sie seit dem gemeinsamen großen Karl entbehrten.
Später musste die Liselotte von der Pfalz, die berühmt wurde durch ihre Briefe, die so schön deftig das höfische Leben beschrieben, da aber schon Herzogin von Orléans war, ertragen, wie im pfälzischen Erbfolgekrieg, auch ihretwegen, also eigentlich des Bruders des Königs wegen, aber das führt jetzt zu weit ab, wenn es genau betrachtet auch wieder zu gut passte, aber dennoch hier kein Thema sein soll, ihr geliebtes Heidelberg in Schutt und Asche gelegt wurde. Seitdem erst hat Heidelberg eine schöne Altstadt mit nur sehr wenigen Gebäuden von davor und eine dekorative Schlossruine, die so malerisch ist, dass die Amerikaner sogar auf die Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg gleich ganz verzichteten. Diese Beständigkeit brachte dem romantischen Städtchen am Neckar erst das amerikanische Headquarter und dann das militärische der NATO ein und viele Kasernen drumherum.
Womit ich wieder bei den Folgen des Blitzkrieges angekommen wäre, mit dem oben alles begann, um den es in diesem Essay zur Beständigkeit aber eigentlich nur am Rande gehen soll - als quasi abschreckendes Beispiel für historische Irrtümer vielleicht. Doch erreichte auch der größenwahnsinnige bayerisch-österreichische Hitler mit seinem Blitzkrieg und dem folgenden Vernichtungsfeldzug nie die Größe des Deutschen Reiches, die es unter dem Schwaben Friedrich II. von Hohenstaufen hatte, der sogar nur durch Verhandlung mit dem Sultan, ohne einmal das Schwert dafür zu zücken, zum König von Jerusalem wurde, auch wenn er dieses überschätzte Nest mit deutlich erhöhter Zahl der fanatischen Anhänger egal welcher Sekte, eigentlich nicht brauchen konnte und nur übernahm, um Frieden mit dem Vereinsvorsitzenden in Rom zu bekommen, der ihn rausgeworfen hatte und damit das Heilige seiner Krone genommen hätte.
Ob Seehofer eigentlich nach Merkels Krone greifen wollte, die sie ja, wie er mit voller Überzeugung natürlich der Süddeutschen verkündete, dem Münchner Lokalblatt des bayerischen Provinzfürsten, nur durch ihn überhaupt hätte - was, der historisch halb gebildete wird lächeln, an die Geschichte zwischen Barbarossa und Heinrich dem Löwen erinnert, kann dahinstehen, der Angriff der südlichen Provinz gegen Berlin ist gescheitert, auch wenn die Bayern auf Unterstützung durch Österreich gehofft haben mögen beim Amoklauf ihres Vorsitzenden, fasste sich der Kanzler dort auffällig kurz.
Frage also nicht weiter, warum ein Seehofer dies tat, denn Prinzip kann es, nach der Lösung, mit der sich der peinlich vor-und zurücktretende abspeisen ließ, nicht gewesen sein und so bleibt unergründlich, was die Bayern trieb am Stuhl der eisernen Kanzlerin mit ihrer Buben Laubsäge spurlos herum zu fummeln. Wer etwas Verstand hat, weiß, der Thron einer eisernen Lady wird sicher nicht aus Sperrholz sein - was beabsichtigt also wer mit untauglichem Werkzeug an eine so von vornherein zum Scheitern verurteilte Aufgabe geht, als auf sich aufmerksam zu machen?
In der Psychologie sprechen sie gerne davon, dass die meisten Selbstmordversuche nur Hilfeschreie seien - wenn sich einer die Pulsadern quer aufritzt, was bekanntlich nie funktionieren kann, offenbare er sich schon als jemand, dem es mehr um Aufmerksamkeit als Beschädigung seiner selbst ginge. Lasse das mal dahinstehen, auch was sonst von einer Psychologie zu halten ist, die auf Probleme schaut und meint, daraus Lösungen analysieren zu können, auch wenn die Führung der CSU in den letzten Tagen viel Anlass gab, an ihrer Gesundheit zu zweifeln, soll es mich in diesem Essay nicht interessieren.
Mögen sich zuständige Stellen um die Betroffenen kümmern, halte die Suizidgefahr bei Seehofer und Genossen, die sich natürlich nie so nennen würden, für relativ überschaubar.
Spannender finde ich dagegen die Frage, wie Merkel es schaffte, ohne sich das kleinste Stück zu bewegen, einen so glorreichen Sieg in der Sache einzufahren, indem sie die gewünschten Grenzkontrollen für den Fall für zulässig erklärt, den sie bereits durch Abkommen europäisch geregelt hat und damit die vermutlich bald nahe der Grenze errichteten Lager zu einem einzigen Fall für den Bundesrechnungshof macht, weil sie nur leer stehen werden.
Der schon halb in allem zurückgetretene und damit mit großer Geste politischen Suizid begehende Seehofer wird also nur mit potemkinschen Dörfern getröstet, deren Lächerlichkeit schon vor dem bayerischen Wahlkampf offenbar werden wird. Dann steht der eigentlich aus Prinzip zurückgetretene wieder mit leeren Händen da und wird bekennen müssen, dass der ganze Aufstand, den er seit Wochen veranstaltete, für nichts war und er sich in der Eprressbarkeit der Kanzlerin, die er auf dem CSU Parteitag stehen ließ, getäuscht hat, er nun wie ein dummer Junge dasteht.
Im gewöhnlichen Leben sprächen wir hier vielleicht von Rache, doch scheint diese Vokabel für die Höhe in der Merkel über diesem bayerischen Kasperletheater schwebt, unangemessen - hier hat es niemand nötig, sich zu rächen - da hat sich jemand willentlich blamiert und die Chefin, die ihn nicht mehr bräuchte, lässt ihm sogar Zeit vor und wieder zurück zu gehen, als handele es sich beim regieren um eine Springprozession.
Merkel blieb sitzen, saß diesen Konflikt in Ruhe aus, gab dann scheinbar nach für einen Kompromiss, der ihren von Anfang an geforderten Weg bestätigt und Seehofer wird nun viele Grenzposten anfordern und Lager einrichten, die leer stehen, um ein schon lange gültiges europäisches Recht durchzusetzen, was nur wirksam auf dem Weg der Kanzlerin wird.
Viel Lärm um nichts, werden die Shakespeare Kenner nun rufen und irren nicht, aus Sicht der Kanzlerin ist das vermeintliche Drama zur Komödie geworden - einer Posse, die nur fragen lässt, wer diese großmäuligen Schwätzer in Bayern noch ernsthaft wählen können wird - aber es gibt ja auch immer noch 10% fast die meinen, die Fake-Luftblasen und Angst verbreitenden Hohlköpfe am rechten Rand, könnten ihnen helfen und Merkel sei das Problem. Nichts als diese Krise zeigt nun deutlicher, Merkel und ihre Beständigkeit ist die einzige Lösung und über mehr braucht nun gar nichts mehr geschrieben oder geredet werden.
Verlierer muss der Gentleman nicht noch treten und erniedrigen - solches Tun ist nicht mal im Tierreich üblich, wenn sich einer ergibt und unterwirft, ist der Kampf um den Rang beendet. Dass hier die Verlierer ständig sagen, sie hätten in allem gewonnen, bedarf wohl keiner Erklärung mehr, was bleibt ihnen auch?
jens tuengerthal 03.07.2018