Dienstag, 29. April 2025

Lektürentagebuch 29.5.25

Lektürentagebuch 29.5.25

Unter dem Titel Alfonso misst erzählt
Franz Hessel vom königlichen Besuch
Im deutschen Pavilion auf der wohl
Weltausstellung in Barcelona

Vielleicht war es auch irgendeine nur
Die sich ähnlich gebärdet als sei sie
Eine Weltausstellung wie jene welche
Die Welt einst nach Hannover holte

Das muss uns in Berlin nicht weiter
Peinlich sein immerhin war es nicht
Bielefeld sondern das Hauptdorf der
Niederen Sachsen die gutmütig sind

Auf solchen Ausstellungen ist er doch
Eher selten schreibt Hessel doch die
Verdienstvollen Fotografen der Zeitungen
Gleichen diesen Mangel wieder aus

Zumindest vermeintlich ist er so auch
Mitanwesend beim Besuch von König
Alfonso der dort eine nackte weibliche
Figur deutscher Künstler wohl vermaß 

Er tat dies mit erhobenem Arm wie
Dabei geöffneter Hand um so die
Proportionen richtig zu vermessen
Offen bleibt ob ihn dies befriedigte

Die mit ihm hinter ihm den Pavillon
Besuchende Königin schaut dagegen
An deutscher Nacktheit lieber vorbei
Wie von einer Bourbonin zu erwarten 

Ob die einst Habsburger auf dem
Spanischen Thron noch mehr für
Nackte Deutsche übrig hatten verrät
Uns Hessel so wenig wie der Fotograf

Der Statue dagegen scheint die hier
Königliche Aufmerksamkeit peinlich 
Eher zu sein ihr Blick ist gesenkt auf
Ihren Schoß egal ob goldener Schnitt

Wie Franz Hessel es wieder schafft
Aus einer kleinen Notiz wie einer
Bild Unterschrift einer Berliner Zeitung
Eine Geschichte zu zaubern ist groß

Er nimmt den Leser der auch für
Gewöhnlich eher seltener noch mit
Königlichen Majestäten Ausstellungen
Besucht mit in die Tiefe eines Fotos

Fragt ob Maß nehmen gleich auch den
Goldenen Schnitt meint und weckt so
Andeutungsweise Gedankenwelten die
Über ein Klatschbild weit hinaus reichen


Hans Castorp philosophiert gegenüber
Seinem Vetter Joachim Ziemßen über
Die Zeichen des Tierkreises und wofür
Sie im Lauf des Jahres für uns stehen

Nicht etwa astrologisch was schon vom
Wort her eine contra dictio wohl ist weil
Dieser Aberglaube in nichts logisch ist
Dafür gefährlicher Hokuspokus immer

Sondern eher astronomisch wie dabei
Am Lauf der Welt noch orientiert die
Sich bekanntlich elliptisch irgendwie
Um unseren Stern die Sonne bewegt

Staunt wie mit der Sommersonnenwende
Die nun kurz bevorstand der Sommer
Die Zeit der langen Nächte beginnt die
Dann doch längst wieder abnehmen

Also mit dem Sommer der Herbst kommt
Wie die dunkle Zeit des Winters sich nun
Pausenlos wieder nähert während dann 
Wenn es am dunkelsten gerade ist der

Frühling mit längeren Tagen beginnt was
Logisch ist da alles irgendwie kreisförmig
Aber doch jedes Jahr wieder uns sehr
Erstaunlich doch vorkommt eigentlich 

Während sie so miteinander plaudernd
Durch Davos Dorf schreiten erregen 
Sie die Aufmerksamkeit zweier vor
Ihnen im Gespräch vertiefter Herren

Kenner der Materie wissen natürlich
Hierbei handelt es sich um die zwei
Antagonisten Settembrini und Naphta
Denen ich mich morgen dann widme

Wie Thomas Mann im Zauberberg aus
Einer kleinen Plauderei einen Diskurs
Zur Philosophie der Natur entwickelt
Zeigt die historische Größe des Romans

Diese kleinen Exkurse aus dem Nichts
Eines spontanen Gedankens sind es
Die an Michel de Montaigne erinnern
Den Krankenhausroman ewig machen


Aus den Schweizer Bergen geht es
Wieder nach Ägypten und durch die
Zeit zu Joseph und Dudu die sich im
Gespräch der Herrin langsam nähern

Stelle mir die Freude vor mit der ein
Puppenspieler Thomas Mann hier den
Dialog von Dudu und Joseph entwirft
Der die biblische Geschichte belebt

Wie Muth des Potiphar Ehefrau ihm
Als älteren Diener des Hauses nun
Auftrug mit Joseph Frieden zu schließen
Um gemeinsam der Sache zu dienen

So solle der ältere den jüngeren der
Ganz fraglos der schönste sei schützen
Hier verwendet Mann wieder die Wendung
Von den sieben Bergen aus dem Märchen

Diese ist auch nicht im ägyptischen Mythos
Verwurzelt oder bekannt sondern aus den
Weniger alten deutschen Märchen was
Den Humor Manns deutlich uns zeigt

Soll diese freche Anleihe bei den
Brüdern Grimm für sein biblisches
Epos diesem Ewigkeit geben oder
Ist es wieder augenzwinkernder Humor

Vermutlich beides wie eine große
Spottlust eines Erzählers der das
Biblische Thema gern komisch erzählt
Der ein lachender Zauberer auch war

Die Lügen werden immer dreister
Haben jedoch teils einen wahren Kern
Nicht überführt zu werden dabei so
Wird schon ein Treffen geplant

Die von einem solchen ausgehende
Gefahr für alle Beteiligten der großen
Verführung legt es nahe zu misstrauen
Was Joseph auch deutlich macht

Den radikalen Kurswechsel nimmt er
Dudu doch nicht ab und äußert dies
Auch so klar gegenüber dem Zwerg
Aber will der Herrin gerne gehorchen

Sie wolle gerne regelmäßig von ihm
Über die Dinge des Hauses als dem
Zuständigen Hausmeier wie Mann 
Die Aufgabe nennt informiert werden

Der Glaube an zumindest einen Teil
Von Dudus Lügen lässt dessen Plan
Besser als erwartet aufgehen was 
Ihn dreist immer weiter gehen lässt

Die Zurückweisung der Freundschaft
Kann er lächelnd weltmännisch nehmen
Solange der Rest der Inszenierung passt
Wie damit die böse Rechnung aufgeht

Wenige Zeilen nur in der Bibel hat
Mann hier zum großen sozialen Drama
Im Haushalt des Potiphar inszeniert das
Im Epos viel über Menschen erzählt 

So die großen Fragen von Religion über
Liebe und gesellschaftliche Stellung
Mit höfischen Intrigen dazu humorvoll
Zu behandeln hat ganz viel Klasse 


Auf der Flucht von Hermann und Ulrike
Im gleichnamigen Roman von Wenzel
Wirft ihnen der Graf erst einen Zepter
Hinterher der dabei zerschmettert wird

Wie er dann doch noch den Bauernrock
Der zur Flucht verkleideten Baronesse
Zu greifen bekommt und diese darum
Trotz Heldenschwüren misslingt ist zu

Komisch beschrieben wie auch der danach
Cholerische Anfall des Grafen den erst die 
Gräfin mit gespielter Unterwürfigkeit wieder
Ausbügeln kann zum dann besseren

Nun soll Ulrike nach Leipzig und Heinrich
Ist lebenslänglich vom Grafen verbannt bis
Sich alles wieder beruhigt hat zeigt die
Situation doch fein absolutistische Willkür

Ein wenig immer übertrieben teils fast
An eine Komödie schon erinnernd hat
Wezel zugleich noch vor der Revolution
Eine deutliche Kritik geschrieben

Dieser Spott über den Absolutismus
Lokaler Fürsten die nur Grafen waren
Zeigt sich an den Begriffen Herrschaft
Statt der Land verwendet wird

Der Graf will Henrich aus seinem Land
Verbannen dass er nicht mal hat als
Graf nur im Besitz einer Herrschaft 
In der er aber richterlich auch urteilte

Diese feine Unterscheidung der im
Reich gültigen Strukturen der Macht
Bei zugleich Spott über die Anmaßung
Des durch Lügen gelenkten Grafen 

Zeigen den aufklärerischen Anspruch
Der nur scheinbar komischen Geschichte
Die doppelbödig doch viel Humor zeigt
Welcher tiefer geht als der Klamauk zeigt


Am Bett seines Freundes Josto der
Mit halbem Gesicht und nur einem Bein
Heimkehren durfte erfährt Gavino mehr
Über den Wahnsinn seines Bruders

Wie diese bewusste Momenten haben
Dann aber wieder dahin dämmern ganz
Ohne Hoffnung auf Heilung nicht tot
Aber auch nicht mehr lebend sind

Nach diesem längeren Vorspiel endlich
Gibt Josto ihm einen Umschlag mit
Seinem Namen darauf und er fragt sich
Was er den Eltern erzählen kann

Der Bruder lebt aber ist nicht mehr
Ist wahnsinnig geworden während
Die Massen niedergemetzelt oder 
Würgend im Giftgas erstickten

War dieses Dasein eine Freude
Weil das eigene Kind noch lebt
Oder eine Schande eigentlich doch
Von dem lieber keiner wissen will

Wäre ein Heldentod leichter für die
Eltern zu verkraften als der Wahnsinn
Des geliebten klugen Sohnes der
Manchmal nur wusste wer er war

Es sind diese großen existentiellen
Fragen die Marcello Fois in seinem
Roman Mercede und der Meisterschmied 
So stark in die Geschichte einbaut

Ein sardischer Roman steht auf dem
Pappschuber der Anderen Bibliothek
Ein Familienepos wäre auch in treffend 
Für diese große Stück Literatur

jens tuengerthal 29.4.25

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