Lektürentagebuch 28.4.25
Von fruchtloser Pfändung gelesen
Bei Franz Hessel unter genau diesem
Titel auch ganz passend dabei wie ihn
Ein staatlicher Vollstreckungsbeamter
Zur Einziehung der Kirchensteuer
Besucht aber dann doch nichts pfändet
Weil so vieles doch geschützt ist wie
Die beiden ins Gespräch kommen
Er den schwer berlinernden schlichten
Mann auf seiner Pfändungstour begleitet
Manches über die Nachbarschaft lernt
Wie diesen fruchtlos beamtischen Beruf
Sehr fein beobachtet Hessel dabei die
Umstände der Pfändung wie die eher
Nachsichtige Anschauung des Beamten
Der auch nur seine Pflicht halt erledigt
Viel in der Stadt noch herumkommt
Früher auch Straßenbahn mal fuhr
Als die Fahrt noch 10 Pfennige kostete
Heute bei 20 lieber doch alles läuft
Am Ende ließ er sich noch zum Bier
In der nächsten Eckkneipe verführen
Wo er noch tragische Geschichten
Aus der Laubenkolonie erzählt
Hier wurde Hessel wieder zum
Flaneur des Alltags den er als
Liebevoller Beinbacher begleitet
Die Pfändung menschlich macht
Wie grauenvoll sind die Schrecken
Des Krieges die Marcello Fois in
Mercede und der Meisterschmied so
Schmerzhaft treffend beschreibt
Von Gespräch das Gavino mit Jostu
Der ohne ein Bein und mit nur noch
Halbem Gesicht heimkehrte aus dem
Kampf gegen die Österreicher führt
Wie er einmal als sie ihn das erste mal
Mobilisierten Luigi Ippolito in einem
Gespensterhaften Trupp von bereits Wahnsinnig gewordenen noch sah
Erzählt vom Schrecken der Schlacht
In der die Österreicher Giftgas noch
Einsetzten das nach Stall einfach roch
Wie dann 60.000 einfach verreckten
Es ist ein einziges Grauem für einen
Kampf nur um wenige Meter der an
Die von den Russen überfallene Ukraine
Voller Mitgefühl wieder denken lässt
Warum tun Menschen sich dies an
Wo verläuft die Grenze vom längst
Wahnsinn zur gerade noch Vernunft
Wie lange bleiben wir Menschen dabei
Es ist schwer erträglich diese Seiten
Aus dem Wahnsinn des Krieges der
Den Bruder wahnsinnig machte länger
Zu lesen und Leben so zu ertragen
Betrachte es nur von außen in der
Ferne denke an meinen damals
Noch jungen Urgroßvater der als
Schuldirektor vor Verdun fiel
Auch dort wie in den Alpen einst
Stellungskrieg um Zentimeter der
Berge von Leichen produzierte die
Keiner der Angehörigen sehen musste
Leben diese beiden großen Gemetzel
Aus dem 20. Jahrhundert noch in in der
Erinnerung von uns glücklich dabei
Spätgeborenen weiter nach
Leugne den psychoanalytischen Unfug
Lieber als einfache Erklärungen zu suchen
Merke wie wütend all dies mich macht
Lebe leidend auf diesen Seiten mit
Warum ich es weiter lesen statt einfach
Dieses Grauen zu überspringen oder
Ein wenig zu pausieren frage ich mich
Vermutlich weil es gut geschrieben ist
Vielleicht auch um lesend das Grauen
Endlich zu überwinden wieder in dann
Lichtere Zeiten zu kommen die endlich
Zumindest eine Perspektive bieten
Langsam nähert sich das erste Jahr
Auf dem Zauberberg der Vollendung
Es sind die längsten Tage des Jahres
Ohne dass dies den Ablauf änderte
Mahlzeiten Spaziergänge Liegekur
Alles folgte dem immer gleichen Lauf
Nun trägt Hans Castorp wieder die
Gleichen Anzüge wie zu Beginn
Die Arme voller Blumen kehrt er
Von den kleinen Spaziergängen heim
Es sind Sommerblumen die ihn auch
Als kleiner Strauss zur Ankunft begrüßten
Mit Handbuch von Linné und mehr
Beginnt Hans zwischen Loggia und
Zimmer zu botanisieren zum
Spott seines Vetters Joachim
Sehr anschaulich beschreibt Mann
Dabei die Betrachtung der sinnlichen
Fortpflanzungsorgane der Blumen die
Menschlichen ja nicht unähnlich sind
Ohne es auszusprechen zeigt schon
Die Art der Beschreibung voller Lust
Wie nah der Sex der Blumen dem
Menschlichen doch in ganz vielem ist
Dies alles beschreibt Thomas Mann
Mit einem lächelnden Humor der
Auch deftig sexuelle Anspielungen
Etwa zur Konsistenz des Schleims
Mit solcher Eleganz dabei bloß über
Die Blumen der Bergwelt referierend
Dass es für Freunde des großen
Literaten eine lachende Freude ist
Bei Mann ergießt sich niemals
Wie bei Henry Miller das Sperma
Gleich eimerweise noch ist der Sex
Konkret ein Thema dafür indirekt
Die Botanik und die Fortpflanzung
Der Blumen die der menschlichen
Begattung nicht ganz unähnlich ist
Lädt zu diesem Spiel wunderbar ein
Wer weiß wo und wie wann kann
Auf jeder Wiese Blümchenpornos sehen
Bei denen offen sich voller Lust
Einander zweckfrei hingegeben wird
Blumen zeigen ihre Geschlechtsorgane
Ohne alle Scham ganz offen werden
Vielleicht dafür von uns so bewundert
Unklar ob Damen sie darum so lieben
Diese feine Sinnlichkeit bei Mann
Welche die Natur als Spiegel nimmt
Schafft es über Sex zu schreiben
Während sie über Blumen berichtet
Dies ohne das sexuelle außer im
Pflanzenreich auch nur zu erwähnen
Was soviel Humor wie zugleich auch
Hohe Kunstfertigkeit dabei zeigt.
jens tuengerthal 28.4.25
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